100 Jahre Ausbildung zur professionellen Sozialen Arbeit in Österreich - Ende der Erfolgsgeschichte oder neuer Anlauf zur weiteren ...

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100 Jahre Ausbildung zur professionellen Sozialen Arbeit in Österreich - Ende der Erfolgsgeschichte oder neuer Anlauf zur weiteren ...
100 Jahre Ausbildung zur
  professionellen Sozialen
       Arbeit in Österreich

Ende der Erfolgsgeschichte oder
neuer Anlauf zur weiteren
Professionalisierung?

              FH-Prof. Dr. DSA Karl Dvorak
100 Jahre Ausbildung zur professionellen Sozialen Arbeit in Österreich - Ende der Erfolgsgeschichte oder neuer Anlauf zur weiteren ...
Einleitung

   Begrüßung und Vorstellung
   Motivation sich mit Geschichte zu befassen
   Feiern wir den Erfolg der letzten 100 Jahre
   Benennen wir die Realität der Lücken der
    Erfolgsgeschichte
   Sehen wir Lösungen zur Lückenschließung
    Sozialen Arbeit
   Zur Ökonomisierung Sozialer Arbeit und Wege
    der Weiterentwicklung
                        dvorak buta12             2
100 Jahre Ausbildung zur professionellen Sozialen Arbeit in Österreich - Ende der Erfolgsgeschichte oder neuer Anlauf zur weiteren ...
Einleitung
   Anlässlich dieses Jubiläums soll der Weg von Ilse Arlt zu den aktuellen
    Fachhochschulstudiengängen kurz skizziert werden. Trotz dieses
    feierlichen Anlasses mit gebührender Würdigung stellen sich auch viele
    Fragen, die sich um Gegenwarts- und Zukunftsthemen aufdrängen:
   Wo stehen wir heute, ist die Professionalisierung nun an ihrem Ende
    angelangt? Sind wir soweit, dass wir (SozialarbeiterInnen) uns selbst
    abschaffen, indem wir die Ausbildung an die Fachhochschulen
    gebracht haben? Hat professionelle Sozialarbeit oder Soziale Arbeit
    von der Aufwertung, Verlängerung und Verwissenschaftlichung
    profitiert? Fanden in den 100 JAHREN tatsächlich ENTWICKLUNGEN
    statt, die nachhaltig im Geiste von Ilse ARLT einen Beruf der
    Wohlfahrtspflegerin geschaffen haben, der durch Festlegung von
    Normen das wissenschaftlichen Wissen und Können der sozialen
    Helferin sicherstellt?
   Gleich vorweg, Zukunftsfragen sind immer nur Einschätzungen,
    vielleicht Hypothesen, die erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten
    überprüfbar werden. Aber wer hat im Jahr 1912, als Ilse ARLT
    (STEINHAUSER: 273) in völlig privater Initiative die „Vereinigten
    Fachkurse für Volkspflege“ aufbaute, eine derartige Entwicklung
    vorhergesehen?                     dvorak buta12                       3
Einleitung
   Eine adäquate und sowohl auf das Bestehende als auch
    auf die Zukunft ausgerichtete gute Ausbildung bildet das
    Fundament für eine Profession und Disziplin Soziale
    Arbeit.
   Mit dieser positiven Grundeinstellung möchte ich im
    Rahmen dieses Beitrags die Entwicklung der Ausbildung,
    des Berufsbildes, der Profession inkl. Berufsrecht und der
    Disziplin skizzenhaft, unvollständig und die Jahre ab
    1967 auch aus persönlicher Sicht beleuchten. Ich kann
    nur einen weiten Bogen spannen und Skizzen aus den
    vergangenen 100 Jahren durch einige Beispiele
    leuchtender und damit sichtbarer machen.
   Allerdings: "Je näher man an die Gegenwart heranrückt,
    desto schwieriger wird es, mit ausreichender Distanz die
    historischen Entwicklungen zu überblicken",
    Hering/Münchmeier (2000:189)dvorak buta12                    4
Einleitung pointiert
   100 Jahre Erfolgsgeschichte
       Ausbildung zur Sozialen Arbeit
         • Von den Vereinigten Fachkursen für Volkspflege zum
           BA/MA-Studium Soziale Arbeit
       Profession der Sozialen Arbeit
         • Von der Hilfstätigkeit für Ärzte u.a./ zur selbstständigen
           FachsozialarbeiterIn in vielen Handlungsfeldern mit dem
           Trend zur Spezialisierung
       Disziplin der Sozialarbeitswissenschaft
         • Von der Reflexion einer ehrenamtl. Tätigkeit ...... zur
           Handlungswissenschaft

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Ausbildung: Erfolge und vorl.? Verluste
   100 Jahre Erfolgsgeschichte Ausbildung zur Sozialen Arbeit:
       Frauen/Fürsorgeschulen 1912 - 1962
         • Vorbereitung auf Hilfstätigkeiten, keine österreichweit geregelte einheitliche
           Ausbildung; A. auf unterschiedlichen Niveaus, max. 2 Jahre.
       LA f. gehob. Sozialberufe und Akademien f. Sozialarbeit 1962 - 2001
         • Durch Bundesgesetz (SchOG) einheitlich geregelte akademische
           postsekundäre Ausbildung. 1962 - 2001, zunächst 4 Sem., ab 1986 6 Sem.
              • Berechtigt zur Führung des geschützten Titels: Diplomsozialarbeiter/in
       Studiengängen an den Fachhochschulen 2001 - heute
         • Keine bundesgesetzliche, einheitliche u. inhaltliche Regelung der Curricula,
           weder für Diplom- noch für Bachelor- und Masterstudiengänge. Es gibt „kein
           Kerncurriculum!“ Klare Positionierung als akademisches Studium
                  • Berechtigung zur Führung des Akademischen Grades: Diplomstudium
                    Magister/Magistra (FH) für sozialwissenschaftliche Berufe,
                  • Bachelor of Arts in social science/Master of Arts in social science.
       Erreicht wurde das Studium Soziale Arbeit auf Hochschulniveau (allerdings noch
        ohne Doktoratsstudium) mit Akademischen Graden.
       Verloren ging die bundesweite und einheitliche Regelung der Ausbildung
       Verloren ging ein geschützter Titel: Diplomsozialarbeiter/Diplomsozialarbeiterin,
        möglicherweise entschwindet damit dvorak buta12 die Berufsidentität.          6
Profession: vom Ehrenamt - zur
(fast) selbstständigen Profession
   100 Jahre Erfolgsgeschichte
       Tätigkeit in der Fürsorge/Volkspflege
         • Ehrenamtlichkeit und überwiegend Hilfstätigkeit für Ärzte ......
       Professionsentwicklung von der Fürsorge zur Sozialarbeit
         • Von der Hilfstätigkeit für Ärzte/ zur teil-selbstständigen
           SozialarbeiterIn in Einrichtungen, öff. Dienststellen, ...
       Professionsentwicklung zum anerkannten Beruf in vielen
        Handlungsfeldern mit der Tendenz zur Spezialisierung
         • Eigene Struktur in Gehaltsschemata, Anerkennung in Kollektivverträgen,
           partieller Berufsschutz in öffentlichen Diensten, Aufstiegsmöglichkeiten,
           Spezialisierung,
       Erreicht wurden: Anerkennung als eigenständige Profession
       Nicht erreicht: Berufsgesetz
         • Später Beschluss des ÖBDS über den code of ethics (2004)
         • Später Beginn der Lobbyarbeit für ein Berufsgesetz (1997),
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Der soziale Beruf begann als
Frauenberuf (I. Arlt - Wien).chrono...
    1912 ARLT: „Vereinigte Fachkurse für Volkspflege“
    1920 - 1930 großer Bedarf an „Volkspflegerinnen, Fürsorgerinnen“, wegen
     Ausbau von Gesundheitsdiensten, Jugendwohlfahrtseinrichtungen,
    1938 Ideologiewandel zum Nationalsozialismus wurde auch in Ö.
     mitvollzogen, (in Ausbildung und Praxis)
    1945 Wiederaufbau,
    1955 Neuorientierung der Fürsorge nach „amerikanischen Methoden,
    1962 Sozialarbeiter/Sozialarbeiterin wurde in Ö. rechtlich etabliert.
    1976 Akademien für Sozialarbeit (Berufstitel „Diplomsozialarbeiter/in“)
       Großer Bedarf an ausgebildeten SozialarbeiterInnen, enorme Entwicklung
       neuer sozialer Einrichtungen, Reduzierung von stationären Unterbringungen,
    1986 Akademien für Sozialarbeit 6 Semester
       Weiterer Ausbau der Sozialen Dienste, Qualitätsdskussion, Weiterentwicklung
       der Sozialarbeit - Sozialen Arbeit in Theorien, Methoden und Techniken
    2001 Fachhochschulstudiengänge Diplomstudium (8 Sem.)
    2005 FH Bachelorstudium (6 Sem.) + danach Masterstudium (4 Sem.)
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Soziale Arbeit, eine werdende Profession -
    Krisen und Entwicklungen
   100 Jahre Erfolgsgeschichte - Der Weg mit Gräben und anderen
    Hindernissen - Berufsbildentwicklung zum Trippelmandat
   Beginn eines Berufsbildes: Von der Fürsorge als besondere Kompetenz der
    „geistigen Mütterlichkeit“ (SALOMON, u.a.)
   Kritik an Sozialarbeit als individuelle, kapitalistische Profession (PETERS,
    HOLLSTEIN u.a.)
   Abhängigkeit von der (Sozial-)Politik (TANDLER, NS-Zeit, Sozialpartner)
   Kritik als „hilflose Helfer“ (W. SCHMIDBAUER)
   Sozialarbeit und (Psycho-)Therapie (unklare Grenzziehung, Übergänge)
   Kritik als/an Experten (I. ILLICH, Selbsthilfebewegung)
   Kritik als „Nicht-Experten (Ehrenamtl. Laien machen auch Sozialarbeit)
   Kritik durch die Bezugswissenschaften (viel Wissen und doch unzureichend)
   Grenzziehung Sozialarbeit - Sozialpädagogik (besonders in Österreich)
   Permantente Selbstkritik als missverstandene Reflexion
   Kritik an der fehlenden Theorie
   Entwicklung von Theorieansätzen, Handlungstheorien (THIERSCH, STAUB-B.)
   Entwicklung von „Allzuständigkeit“ zur Multiproblemkompetenz
   Entwicklung zur Menschenrechtsprofession
                                           dvorak buta12
    Kritik und Entwicklung v. Qualitätskriterien    in einer neoliberalen Ökonomie 9
Soziale Arbeit, eine (fast) selbstständige
Profession - ohne Berufsgesetz!?
   100 Jahre Erfolgsgeschichte - Berufsgesetz jetzt erst
    recht! Wofür braucht es die Profession?
      Qualitätssicherung: Festlegung der Aus- und
       Fortbildungsstandards, Förderung der Fortbildung
      Basis für eine Wissenschaft „Soziale Arbeit“
      Disziplinarordnung: Disziplinargewalt eines
       unabhängigen Fachgremiums bei Nichteinhaltung von
       festgelegten Standards
      Berufsethik: rechtl. Festlegung der Berufs-
       Verpflichtungen
      Berufsschutz: zur Vertrauensentwicklung bei der Klientel
       („Wo Soziale Arbeit drauf steht ist auch professionelle
       Arbeit drin!“), geschützte Professionsbezeichnung
      Vertrauensschutz in der Zusammenarbeit: Regelung der
       Verschwiegenheitspflicht, Anzeigepflicht, Zeugnis-
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       Aussageverweigerung,
Disziplin: Sozialarbeitswissenschaft
   100 Jahre Erfolgsgeschichte
       Visionen von Ilse ARLT: Fürsorge ist ANGEWANDTE
        ARMUTSFORSCHUNG
         • Realität damals: Ehrenamtlichkeit ohne Ausbildung ohne wiss.
           Grundlagen.
       Entwicklung v. Forschung in den Akademien für Sozialarbeit
         • Professionsentwicklung verlangt nach Reflexion und
           wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Forschung, nicht nur durch
           die Bezugswissenschaften
       Forschung als essentieller Teil der Ausbildung an den FH
         • Von Lehrenden und Studierenden: Studien werden angeregt und
           durchgeführt
         • Von den Einrichtungen: Studien werden verlangt, durchgeführt und Erkenntnisse
           nach Möglichkeit umgesetzt.
       Erreicht wurden:
         • Bewusstsein einer selbstständigen Wissenschaft, mit
           Forschungsnotwendigkeit
       Nicht erreicht: Doktoratsstudium „Soziale Arbeit“ an Österr.
        Fachhochschulen od. Universitäten; bisherige Umwege:
         • Doktoratsstudium in „Sozial- und Wirtschaftwissenschaften“ an
           Universitäten ist möglich.    dvorak buta12                              11
         • Internationale Kooperationen (zB. INDOSOW) ermöglichen Doktorat
Abschluss und Ausblick
   Wo stehen wir heute? Der Weg zur akademischen Hochschulausbildung
    war immer mit vielen Gräben und Steinen nicht leicht zu gehen.
    Vor allem dauerte die Entwicklung zwischen den Entwicklungsstufen
    ziemlich lange. Es brauchte 74 Jahre bis aus den 2-jährigen „Vereinigten
    Fachkursen“ von Ilse Arlt ein 6-semestriges Studium an den Akademien
    für Sozialarbeit wurde. Das Studium an Fachhochschulen (universities of
    applied sciences) konnte in relativ kurzer Zeit von nur 15 Jahren erreicht
    werden. Aber daran war wohl die verbindliche EU- Richtlinie schuld. Nun
    haben wir die BOLOGNA-DEKLARATION der Europäischen Union
    umgesetzt; es gibt das Studium auf der 1. und 2. Akademischen Ebene.
    Die 3. Ebene liegt in Österreich vorerst noch ausschliesslich bei den
    Universitäten, da ist noch Einiges zu tun. Bachelorstudiengänge
    Soziale Arbeit wurden etabliert, neu konzipierte Masterstudiengänge
    werden abgewickelt, aber es fehlt noch die Sicherheit, ob diese
    Studiengänge von den AbsolventInnen der Bachelorstudiengängen
    angenommen werden. Weiters fehlt die berufsspezifische u.
    identitätsbildende Bezeichnung der AbsolventInnen der Studiengänge.
    Die Berufsbezeichnung „Sozialarbeiter/Sozialarbeiterin“ konnte bis heute
    nicht in das neue Ausbildungssystem
    übergeleitet werden.              dvorak buta12                         12
Abschluss und Ausblick
   Die Entwicklung zur Profession in den 100 JAHREN ist vor allem
    durch die enorme Ausweitung der Kompetenzen von Sozialer Arbeit in
    den unterschiedlichsten Handlungfeldern tatsächlich gelungen. Auf
    dem Weg zur Profession entwickelte und zeigte Sozialarbeit/Soziale
    Arbeit außergewöhnliche Fähigkeiten, Unrecht, Ungleichbehandlung,
    Benachteiligung zu erkennen und Lösungen umzusetzen.
   Allerdings konnte ein wichtiger Bestandteil bis heute noch nicht
    umgesetzt werden, was auch eine sinnvolle Identitätsverbesserung
    und auch die Qualitätssicherung in einer Periode der Sparpakete
    bremst. Ein Berufgesetzentwurf wurde zwar 2009 im Parlament
    eingebracht, dürfte aber derzeit kaum Chancen einer Realisierung
    haben. Hier ist noch kreative Arbeit in der Projektweiterentwicklung
    “Berufsgesetz“ und konsequente Lobbyarbeit erforderlich.
   Die Entwicklung der Disziplin Sozialarbeitswissenschaft als
    Handlungswissenschaft ist offensichtlich geschafft. Nun gilt es, sie
    durch konkrete Forschung und Theorieweiterentwicklung auch im Geiste
    von Ilse ARLT auszubauen.
   Abschließend: Die letzten 100 Jahre sind eine Erfolgsgeschichte, es
    ist aber - auch im Sinne von Ilse Arlt - noch Einiges zu tun. Danke
   Dvorak, 13.6.2012                 dvorak buta12                      13
C.W.Müller 1982, Wie
                                                  Helfen zum Beruf wurde,
                                                  Band 1, S 28

/ifsw.org/news/world-social-
work-day-in-laos/ 12.6.2012
„15 social workers from Laos
came together to have a small
celebration on the 20 March for
World Social Work Day“

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