8.2017 Badische Sportjugend Freiburg

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Soziale Arbeit
                    Lebensweltorientierte
                     Sportsozialarbeit | 292
                     Der Pragmatismus in
                       Erlebnispädagogik
                     und sportbezogener
                      Sozialer Arbeit | 299
                              Entkörperte
                 Jugendstrafanstalten | 306
                              Fußball und
                       Fansozialarbeit | 312

                          8.2017

                     Erweiterte A
                                 us
                     Newslett gabe mit
                                 er 2/2017
                    für Mitglied
                                er der
Der Sozialstaat ist bedroht:
                                       Demografischer und kultu­
                                       reller Wandel, Arbeit 4.0
                                       und die Auflösung der Fa­
                                       milienverhältnisse entzie­
                                       hen ihm seine Grundlagen.
                                       Aus diesem Szenario he­
                                       raus entwirft der Autor Lö­
                                       sungen für eine Sozialpoli­
                                       tik des 21. Jahrhunderts,
                                       die einem Programm „So­
                                       zialer Nachhaltigkeit“ ver­
                                       pflichtet ist. Er diskutiert
                                       die Idee des Grundeinkom­
                                       mens im Lichte unter­
schiedlicher Gerechtigkeitsprinzipien und Wohlfahrtsregime und
zeigt die Rolle der Sozialen Arbeit und die Bedeutung von Partizi­
pation bei der künftigen Gestaltung des Sozialstaats auf.

Welche Zukunft hat
der Sozialstaat?
Eine Prognose von Michael Opielka
2017, 64 Seiten, kart.; 7,50 €; für Mitglieder
des Deutschen Vereins 6,50 €
ISBN: 978-3-7841-3001-9

Bestellen Sie versandkostenfrei im Online-Buchshop:
www.verlag.deutscher-verein.de
Soziale Arbeit

                                                                                                        EDITORIAL
      Zeitschrift für soziale und
                                                       Für viele Menschen ist die aktive oder passive
      sozialverwandte Gebiete
                                                  Teilnahme am Sport ein wichtiger Bestandteil
      August 2017 | 66. Jahrgang
                                                  ­ihres Lebens. Mannschaftssportarten verbinden
                                                   und stellen wichtige integrative und sozialisie­
                                                   rende Instanzen im gesellschaftlichen Leben dar.
290 Gasteditorial des Deutschen
      ­Olympischen Sportbundes                     Umso mehr verwundert es, dass die Potenziale
      Martin Schönwandt, Frankfurt am Main         des Sports für die Soziale Arbeit relativ selten
                                                   ­genutzt werden. Das vorliegende Heft mit dem
291 DZI Kolumne                                     Schwerpunkt „Sportbezogene Soziale Arbeit“
                                                    zeigt spannende Ansätze und soll anregen, die
292 Lebensweltorientierte                           Potenziale des Sports stärker zu nutzen.
      ­Sportsozialarbeit
      Birgitt Steffens; Julie Winkel, Berlin           Birgitt Steffens und Julie Winkel stellen in
                                                   ihrem Aufsatz über lebensweltorientierte Sport­
299 Der Pragmatismus in Erlebnis­                  sozialarbeit neben verschiedenen theoretischen
      pädagogik und sportbezogener
      ­Sozialer Arbeit                             Grundlagen ein Projektbeispiel aus Berlin vor. Ihr
      Traditionslinien und Perspektiven            Aufsatz weist einen Weg, Sport in den Curricula
      ­handlungsorientierten Lernens               Sozialer Arbeit zu verankern. Mit Bezug auf den
       Heiko Löwenstein; Christopher Ott,          Pragmatismus nach John Dewey und das Identi­
       Freiburg im Breisgau                        tätskonzept G.H. Meads entfalten Heiko Löwen-
                                                   stein und Christopher Ott eine eigenständige
306 Entkörperte Jugendstrafanstalten               Methode der Sozialen ­Arbeit. Ihr Aufsatz unter­
      Katrin Feldermann, Frankfurt am Main
                                                   streicht die Parallelen zwischen Erlebnispädagogik     289
312 Fußball und Fansozialarbeit                    und sportbezogener Sozialer Arbeit. Die Arbeit
      Entwicklung, Selbstverständnis und Bedeu-    mit jugendlichen Straftätern basiert häufig auf
      tung der sozialpädagogischen Arbeit der      kognitiven und mentalisierenden ­Methoden,
      Fanprojekte                                 ­anstatt sich auf die leiblichen Aspekte sozialen
      Ralf Busch, Berlin                           Lernens zu stützen. Katrin Feldermann stellt
                                                   eine Studie vor, bei der als Bewältigungsstrategie
319 Rundschau Allgemeines                          für Strafgefangene ein Kampf-Tanz aus Brasilien
      Soziales | 319
      Gesundheit | 320                             erfolgreich eingesetzt wurde. Über das fast schon
      Jugend und Familie | 322                     klassische Gebiet der ­Fansozialarbeit im Fußball
      Ausbildung und Beruf | 322                   berichtet Ralf Busch. Sein Beitrag thematisiert
                                                   die Entwicklung und den ­aktuellen Stand sozial­
321 Tagungskalender                                pädagogischer Arbeit in Fanprojekten.
323 Bibliographie Zeitschriften                      Unser besonderer Dank gilt Martin Schön-
                                                  wandt vom Deutschen Olympischen Sportbund,
326 Verlagsbesprechungen                          der dieses Heft mit einem Gasteditorial eröffnet.

328 Impressum                                        Die Redaktion Soziale Arbeit

      Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der
      ­Zeitschrift „neue caritas“ bei.

                                                  Eigenverlag Deutsches Zentralinstitut
                                                  für soziale Fragen
Gasteditorial
                              von Martin Schönwandt,
                              Deutscher Olympischer Sportbund                                    So einleuchtend die Verknüpfungen zwischen
                                                                                          Sport und Sozialer Arbeit auch sind, sie haben noch
                                                                                          nicht so zueinandergefunden, wie es zu wünschen
                                                                                          wäre. Der wohlbegründete fachwissenschaftliche An-
                                                                                          spruch der Sozialen Arbeit auf der einen Seite steht
                                    Es scheint Konsens zu sein: Bewegung, Spiel und       allzu oft im Konflikt mit den selbst zugeschriebenen
                              Sport tun den Menschen und der Gesellschaft gut.            sozialen Leistungen des Sports auf der anderen.
                              Sport hat sich schon lange als methodischer Zugang          ­Legitimationsnöte paaren sich mit dem wissenschaft-
                              in den Angeboten der Sozialen Arbeit etabliert. Waren        lichen Anspruch, nicht alles in einen Topf zu werfen.
                              es zunächst vor allem erlebnispädagogische Inhalte,          Es gilt zu differenzieren und Begriffe wie auch Kate-
                              leuchten heute die sportbezogenen Inhalte und                gorien herauszuarbeiten, die den eigenen fachlichen
                              ­Methoden der Sozialen Arbeit in allen Spektralfarben:       Zugang beschreiben und in Qualitätsmerkmale gegos-
                               Billard- und Tischtennisturniere gehören zum Standard       sen beurteilen helfen, was Soziale Arbeit ist und vor
                               in Jugendzentren; Straßenfußballprojekte haben sich         allem auch, was Soziale Arbeit nun nicht ist. Und da
                               fest etabliert; Breakdance und Hiphop bieten Events         steht dann der gemeinnützige Sportverein im Blick:
                               und Festivals zuhauf; Körperarbeit wird im Kontext          Selbstorganisiert, von freiwilligem ehrenamtlichen
                               sozialer Projekte in neue Formen gegossen, wie zum          Engagement getragen und von Menschen gestaltet,
                               Beispiel „Calisthenics“. Der gemeinnützige Sport            die – diplomatisch ausgedrückt – unterschiedliche
                               ­propagiert mindestens genauso lange, dass Sport für        Qualifikationen mitbringen und motiviert sind, etwas
                                alle zugänglich sein soll. Die Sportvereine entwickeln     zum Gemeinschaftsleben beizutragen, vielleicht aber
                                ihre Angebote kontinuierlich und erfolgreich weiter.       auch nur der eigenen Eitelkeit frönen. Wie auch
                                In Ballungsgebieten wird immer öfter ein Aufnahme-         ­immer: Neben den Großsportvereinen, die über haupt-
                               stopp vermeldet, weil Sportstätten und Übungsräume           beruflich besetzte Geschäftsstellen verfügen und in
                               nicht im benötigten Umfang zur Verfügung stehen.             ihrem sozialen Umfeld mit einer breiten Angebots­
290                               In der Praxis sind vor diesem Hintergrund viele
                                                                                            palette fest verankert sind, haben Sportvereine in
                                                                                            Deutschland einen überwiegend geringen Institutio-
                              Brücken zwischen der Sozialen Arbeit und dem orga-            nalisierungsgrad und sind eher ein gutes Stück geron-
                              nisierten Sport entstanden. Das reicht von sozialpäda-        nene Nachbarschaft. Aber das sind sie eben auch:
                              gogischen Fanprojekten über Mitternachtssport und             ein gutes Stück Nachbarschaft. Sie sind (noch) in
                              aktuell Sportangeboten für Geflüchtete, um ihnen              ­hohem Maße agil und anpassungsfähig an die jewei-
                              den Alltag etwas zu erleichtern. Auch verschiedene             ligen Entwicklungen, bieten sportliche Wettbewerbe
                              Stiftungen, die sich aus dem Sport entwickelt haben            an, sind Orte der Begegnung und tragen so als Wahl-
                              oder von einzelnen Sportlerinnen und Sportlern ein-            gemeinschaften erheblich zum Zusammenhalt in
                              gerichtet wurden wie beispielsweise die Dirk Nowitzki          ­unserer Gesellschaft bei.
                              Stiftung, fördern oft soziale Projekte im Sport, national
                              und international.                                             Allerdings ändern sich die Rahmenbedingungen
                                                                                          immer schneller und der Anpassungsdruck nimmt zu.
                                  Zwei Gedanken zum Sport sind im Hinblick auf            Die Aufgabe, guten und durchaus auch erfolgreichen
                              seine sozialen Dimensionen leitend: Zum einen geht          Sport gerade für junge Menschen zu organisieren,
                              es darum, dazu beizutragen, allen interessierten            bewegt sich grundsätzlich in völlig anderen Kontex-
                              Menschen die Angebote, Unterstützungen und Räume            ten und verfolgt andere Ziele als die Soziale Arbeit.
                              zur Verfügung zu stellen, die sie für die Entwicklung       Und an dieser Stelle sind die Sphären voneinander
                              und Entfaltung ihrer Persönlichkeit brauchen. Zum           getrennt, obwohl sie in der Praxis vielfach zusam-
                              anderen können Sportvereine und -verbände auch              mengefunden haben, und Sinnhaftigkeiten sind nur
                              als intermediäre Plattformen verstanden werden, die         aus dem jeweils eigenen Kontext zu ­bewerten.
      Soziale Arbeit 8.2017

                              vielfältige Möglichkeiten zur Teilhabe, Partizipation
                              und zum Engagement und damit Zugänge zu gesell-                 Gleichzeitig wächst durch unsere auseinander-
                              schaftlichen Institutionen eröffnen sowie Gemeinsinn        driftende Gesellschaft der Druck, über alles Trennende
                              stiftende Gelegenheiten schaffen, Demokratie unmit-         hinweg gemeinsam mehr für den Zusammenhalt zu
                              telbar zu erleben.                                          tun, auch in der Theorie Gemeinsamkeiten zu ent­
DZI KOLUMNE
                                                                                    Sportsfreunde
                         decken und Schnittstellen für eine partnerschaftliche             Besonders für Kinder und Jugendliche ist die
                         Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Ansatz          Welt des Sports eine wahre Schatzkiste: Sie ent­
                         belastbar zu begründen. Und das nicht nur, weil hier       decken eigene Talente, entwickeln ihre körperlichen
                         die Praxis vorauseilt, sondern vor allem auch, weil        und mentalen Fähigkeiten, erleben ursprüngliche
                         nicht abzusehen ist, dass die weltweiten ökologischen,     Freude an der Bewegung und erfahren den Wert
                        ökonomischen und vor allem auch sozialen Entwick-           der Gemeinschaft, wenn sie Enttäuschungen ver­
                        lungen aus dem Krisenmodus herausfinden werden:             arbeiten und Erfolge gemeinsam feiern. Eltern
                        Die sozialen Scheren, wo immer man sie auch anle-           ­begleiten diese Schatzsuche ähnlich emotional.
                        gen will, gehen weiter auseinander, Rassismus und            ­Zugleich empfinden sie, meistens jedenfalls, große
                        Fremdenfeindlichkeit nehmen zu und enden viel zu              Dankbarkeit gegenüber den vielen Ehrenamtlichen
                         oft in Gewalt auf den Straßen, bei Festen und Konzer-        in den Sportvereinen, die als Trainer und Trainer­
                         ten oder gegenüber den Menschen, die zu uns gekom-           innen oder Vereinsverantwortliche ihre Kinder
                         men sind, um hier Schutz zu finden. Dem entgegen-            ­be­treuen, begleiten und fördern.
                         zuwirken, ist gleichermaßen Aufgabe der Sozialen
                         Arbeit und des Sports. Ansatzpunkte dafür gibt es              Der Sport ist mit 133.000 Vereinen nach Anga-
                         genug, sowohl im Hinblick auf die Entfaltungsbe-           ben des jüngst veröffentlichten ZiviZ-Survey 2017
                         dürfnisse und Entwicklungsaufgaben der Menschen            das größte Feld bürgerschaftlichen Engagements
                         als auch in der Zusammenarbeit von gemeinnützigen          in Deutschland. In immerhin 63 Prozent der Vereine
                         Sportorganisationen und Einrichtungen der Sozialen         ist die Zahl freiwillig Engagierter zwischen 2012
                         Arbeit. Deshalb ist es trotz fachwissenschaftlicher        und 2016 konstant geblieben, 15 Prozent konnten
                         Fokussierung auf der einen Seite und einer aus             gemäß den ZiviZ-Erhebungen sogar noch Enga­
                         ­einem Verantwortungsgefühl heraus motivierten             gierte hinzugewinnen.
                          ­Bereitschaft, sich an der Bewältigung auch komple-
                           xer gesellschaftlicher Aufgaben zu beteiligen, auf der        Dennoch steht das so wertvolle freiwillige Enga-
                           anderen höchste Zeit, die Kräfte – theorie­geleitet –
                           auf der Basis eines gemeinsamen Handlungsver-
                                                                                    gement im Sport vor großen Herausforderungen:
                                                                                    Immer weniger Familien seien generationsübergrei-
                                                                                                                                                291
                         ständnisses zu bündeln und auch gemeinsam zu ent-          fend in den Vereinen aktiv, klagen etwa erfahrene
                        falten, im Hier und Jetzt und für die Entwicklung           Trainer, denen es schwerfällt, Nachfolger zu finden.
                        einer weltoffenen, demokratischen und sozialen              In vielen Bereichen haben sich gewerbliche Anbieter
                        ­Gesellschaft.                                              etabliert, die Sportarten mit größerer Unverbindlich-
                                                                                    keit anbieten – der Zeitgeist lässt grüßen – zum
                                                                                    Beispiel mit Fitness-Studios, Kletter- oder Trampo­
                                                                                    linhallen. Ganztagsschulen und die zunehmend
                                                                                    ­geforderte Flexibilität in der Arbeitswelt machen
                                                                                     es immer schwerer, in den vergleichsweise starren
                                                                                     Strukturen eines Sportvereins aktiv zu sein. Und
                                                                                     nicht zuletzt belasten auch Doping- und Korrup­
                                                                                     tionsskandale in Sportverbänden deren Image und
                                                                                     zivilgesellschaftlichen Wert.

                                                                                        Es ist dem bürgerschaftlich organisierten Sport
                                                                                    zu wünschen, dass er diese Herausforderungen
                                                                                    ­annimmt und daran wächst: durch mehr Flexibilität,
                                                                                     eine erhöhte Bereitschaft zur Transparenz und die
                                                                                    Aufarbeitung eigener Fehlentwicklungen. Das h­ aben
Soziale Arbeit 8.2017

                                                                                     nicht zuletzt auch die Millionen von ehrenamtlich
                                                                                     Engagierten mehr als verdient.

                                                                                       Burkhard Wilke
                                                                                       wilke@dzi.de
Lebensweltorientierte
                              Sportsozialarbeit
                                 Birgit Steffens; Julie Winkel                            und sich für soziale Themen öffnen. So haben sich
                                                                                          zur Gestaltung präventiv wirkender Settings Trainer-
                                                                                          fortbildungen sowie eigens aufgebaute Strukturen
                                                                                          wie zum Beispiel die Stellen für Kinderschutzbeauf-
                                                                                          tragte bewährt, die Trainierenden als Anlaufstelle
                                    Zusammenfassung | Der Artikel gibt Ein-               dienen und Orientierung im oft undurchsichtigen
                              blick in die Vielfalt sportorientierter Sozialer            ­Hilfesystem bieten. Aus dem 3. Deutschen Kinder-
                              ­Arbeit und erörtert, wie sich die Anschlussfähig-           und Jugendsportbericht geht hervor, dass zahlreiche
                               keit theoretischer Konzepte der Sozialen Arbeit             Aktivitäten der Deutschen Sportjugend und ihrer
                               zur weiteren Professionalisierung in diesem                 ­Mitgliederverbände bestehen, um die übersportliche
                               ­Bereich erhöhen lässt. Nach der Definition sport-           Ent­faltung pädagogischer und sozialer ­Potenziale
                                orientierter Sozialer Arbeit und einem Überblick            zu fördern (Sygusch; Liebl 2015, S. 253).2 Aktuell lässt
                                über diesbezügliche Angebote wird das Berliner            sich zum Beispiel auch im Kontext der sozialen Inte-
                                KICK-Projekt in seiner lebensweltorientierten             gration geflüchteter Menschen eine erhöhte Nach-
                                Ausprägung dargestellt. Abschließend werden               frage nach Sportangeboten beobachten. Die Vorteile
                                                                                          liegen auf der Hand: Fußball beispielsweise ist ein
                                curriculare Überlegungen formuliert.
                                                                                          Spiel, das keinen elitären Zugang erfordert, eine
                                                                                            niedrigschwellige Kontaktaufnahme ermöglicht und
                                  Abstract | This article provides an insight
                                                                                            weltweit nach den gleichen Regeln gespielt wird.
                              into the diversity of sports-oriented social work
                              and deals with the question of how the compa-                    Dem Sport wird insgesamt eine große Bedeutung
                              tibility of theoretical social work concepts can             zugeschrieben. Derzeit sind im Deutschen Olympischen
                              be enhanced in order to further improve profes-              Sportbund (DOSB), dem Dachverband des organisier-
                              sionalization. After defining the notion of sports-          ten Sports in Deutschland, mehr als 27 Millionen Mit-
                              oriented social work, we will give an overview
292                           of offers to this effect and subsequently we will
                                                                                           gliedschaften in über 90 000 Turn- und Sportvereinen
                                                                                           registriert (Thiel u.a. 2013, S. 201). Neben den Sport-
                              portray the Berlin project “KICK – Sports Against            vereinen gewinnen auch der selbstorganisierte Sport,
                              Juvenile Delinquency” in its lifeworld orientation.          kommerzielle Sportangebote und der Gesundheits-
                              Finally, curricular considerations will be pre­              sport stetig an Bedeutung. Laut dem Eurobarometer
                              sented.                                                      sind zirka 70 Prozent der deutschen Bevölkerung
                                                                                           (wenn auch nicht regelmäßig) sportlich aktiv (Euro­
                                                   Schlüsselwörter  Soziale Arbeit        pean Commission 2014, S. 7). Auf der anderen Seite
                                                       Sport  Theorie  Methode         ist ein hoher Anteil an Kindern und Jugendlichen in
                                                         Jugendhilfe  Sozialraum        Deutschland sportlich inaktiv, vor allem jene aus
                                                                                          ­Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status
                                  1 Sportorientierte Soziale Arbeit1 | Die                 erreichen die Angebote der Sportvereine nur bedingt
                              enorme Ausweitung und Etablierung des Sports als             (Manz u.a. 2014, S. 845). Als bewegungsassoziierte
                              Medium in der Praxis der Sozialen Arbeit hat im Laufe        Gesundheitsfolge kann hier beispielsweise die in den
                              der letzten Jahrzehnte zu einer vielgestaltigen Ange-        letzten Jahren gestiegene Zahl von Adipositas-Erkran-
                              botsszene geführt. In den sozialen Diensten sind             kungen im Kindes- und Jugendalter gesehen werden
                              Sportangebote insbesondere im Feld der Kinder- und           (Kurt; Schaffrath-Rosario 2010, S. 647).
                              Jugendhilfe angesiedelt. Beispielsweise boten nach
                              Angaben der Stiftung Demokratische Jugend im Jahr                1-1 Gegenstand | Krüger folgend lässt sich die
                              2011 mehr als 60 Prozent der Einrichtungen ihren             Schnittstelle zwischen Sport und Sozialer Arbeit aus
                              Besuchern und Besucherinnen die Möglichkeit, Sport          zwei Perspektiven betrachten: aus Sicht des Sports und
      Soziale Arbeit 8.2017

                              zu treiben (Winkel 2012, S. 63). Auch lässt sich fest-      aus Sicht der Sozialen Arbeit (Krüger 2003, S. 1813).
                              stellen, dass die Sportverbände auf den von ihnen            Aus Sicht des Sports wird dem Sport per se eine
                              beobachteten Bedarf sozialpädagogischer Betreuung           ­soziale Bedeutung im Sinne des sozialen Lernens und
                              durch den Einsatz von Fachkräften reagiert haben
                                                                                                 2 Eine Quantifizierung entsprechender Angebote
                                    1 Eine einheitliche Benennung hat sich bislang               liegt aufgrund der fehlenden systematischen Erfas-
                                    nicht durchgesetzt, so ist mitunter auch von sport-          sung von sportbetonten Angeboten in der Jugend-
                                    bezogener Sozialer Arbeit die Rede.                          hilfe derzeit nicht vor (Schmidt 2015, S. 228).
der Persönlichkeitsentwicklung bis hin zu emanzipa-          gruppe noch nur das soziale Setting (soziale Dienste,
                        tiven Wirkungen beigemessen.3 Das vom DOSB 2009              Jugendhilfeträger etc.), sondern sie sieht die Verwe-
                        herausgegebene Memorandum Schulsport nennt,                  bung mit sozialpädagogischen Handlungsansätzen
                        unter Betonung der pädagogisch verantwortlichen              wie der Lebensweltorientierung oder der Sozialraum­
                        Inszenierung und Reflexion des Sportgeschehens,              orientierung vor und bezieht die Lebenswelt außer-
                        konkret, dass „Prozesse einer bewegungsdialogischen          halb des professionellen Settings (Familie, Schule etc.)
                        Selbsterfahrung und ganzheitlichen Entwicklungsför-          mit ein.
                        derung angeregt werden, dass der Erwerb von Schlüs-
                        selkompetenzen wie Teamfähigkeit angebahnt und                   Sport wird somit als Teil eines integrierten Unter-
                        die Möglichkeit der Identitätsbildung aufgegriffen           stützungsprozesses angesehen, das heißt sport- und
                        wird“ (DOSB 2009, S. 5).                                     sozialpädagogische Elemente greifen ineinander und
                                                                                     ordnen sich damit dem sozialpädagogischen Ziel der
                              Sport wird demnach als „Instrument der Bildung,        Teilhabe und Lebensbewältigung unter. Sportorien-
                         Unterstützung und Hilfe benutzt und theoretisch             tierte Soziale Arbeit schaut auf die Schnittstelle zwi-
                         ­begründet“ (Krüger 2003, S. 1813), und zwar sowohl         schen Sport und Sozialer Arbeit, und zwar mit dem
                          unbewusst als auch intendiert, wie es in der gängigen      Selbstverständnis der Sozialen Arbeit, das heißt aus
                          Formel „Erziehung im und durch Sport“ zum Ausdruck         den Strukturen und Logiken dieser Disziplin heraus;
                          kommt. Während Erziehung im Sport Erziehungspro-           sportwissenschaftliche Zugänge werden dabei einbe-
                          zesse in den Blick nimmt, die in sportlichen Kontexten     zogen. Die von der International Federation of Social
                        per se, das heißt unintendiert ablaufen, sind mit            Workers (IFSW) 2014 verabschiedete internationale
                        ­Erziehung durch Sport Erziehungsprozesse gemeint,           Definition Sozialer Arbeit wird dabei zugrunde gelegt.5
                         bei denen Sport bewusst als Instrument eingesetzt           Dem benannten Ziel folgend ist Soziale Arbeit, neben
                         wird (ebd., S. 1816). Neben diesem pädagogischen            gesellschaftskritischer Arbeit auf Strukturebene, fall-
                        Motiv wird in den Sportwissenschaften auch ein               bezogen auf partizipative Unterstützung ausgerichtet.
                          sportbezogenes Motiv verfolgt, das sich in der Formel
                         „Erziehung zum Sport“ ausdrückt und pädagogisch
                                                                                     Auf beiden Ebenen kann der Sport einen wichtigen
                                                                                     Baustein darstellen.
                                                                                                                                                293
                          auf die Erschließung der Sport- und Bewegungskultur
                          und die darin enthaltenen Normen und Werte, wie                 1-2 Feldbetrachtung | Thematisch wird Sport
                          Leistung, Miteinander oder Fairplay, zielt, um auf diese   als Medium in der Sozialen Arbeit vor allem in den
                          Weise persönlichkeitsbildende Effekte zu erzielen          Bereichen (1) Bildung, zum Beispiel offene Jugend­
                          (DOSB 2009, S. 5, Baur; Braun 2003).                        arbeit, Bewegungsförderung in Kitas, (2) Gesundheits-
                                                                                      förderung, wie Rehabilitation, Sport mit Menschen mit
                           Aus Sicht der Sozialen Arbeit lässt sich Sport als         Behinderung, sowie (3) Integration benachteiligter
                        ein Medium zur Förderung sozialen Lernens nutzen              Gruppen, also Sucht- und Gewaltprävention, Arbeit
                        und ergänzt in dieser Bedeutung das sozialpädago-             mit geflüchteten Menschen etc., eingesetzt. Die Arbeit
                        gische Handlungsrepertoire (Krüger 2003, Welsche             kann sowohl primär- als auch sekundär- und tertiär-
                        u.a. 2013). Sportorientierte Soziale Arbeit, kurz: Sport­    präventiv ausgerichtet sein. Gerade wegen des ziel-
                        sozialarbeit, wird nach dem Verständnis der Autorin-         gruppenübergreifenden Angebotes wird Sportsozial-
                        nen dieses Beitrags entsprechend nicht als einfache          arbeit weniger als eigenes Handlungsfeld definiert,
                        Rezeption sportpädagogischer Ansätze in der Sozialen         sondern eher bestehenden Handlungsfeldern bezie-
                        Arbeit verstanden und lässt sich demnach auch nicht          hungsweise Zielgruppen zugeordnet. Nicht immer
                        unter die bewegungs- und erlebnispädagogischen               wird die Arbeit von sozialpädagogischen Fachkräften
                        Ansätze subsumieren.4 Das Sozialpädagogische der             durchgeführt oder angeleitet, zudem gibt es große
                        sportorientierten Sozialarbeit ist weder nur die Ziel-       methodische Unterschiede. Hier besteht Diskussions-
                                                                                     bedarf, welche Rolle Soziale Arbeit dann einnimmt
Soziale Arbeit 8.2017

                               3 In der Geschichte des Sports finden sich zahl­      beziehungsweise inwieweit von sportorientierter
                               reiche Vertreter dieser Position, unter anderem bei   ­Sozialer Arbeit gesprochen werden kann.
                               Pestalozzi und Coubertin (Krüger 2003). Weitere
                               ­Ausführungen zu informellen Lernprozessen bietet
                                                                                            5 https://www.dbsh.de/fileadmin/downloads/%
                                unter anderem Neuber (2010).
                                                                                            C3%9Cbersetzung_der_Definiton_Sozialer_
                               4 Eine ausführliche Darstellung erlebnispädago­              Arbeit_deutsch.pdf
                               gischer Ansätze nehmen Heiko Löwenstein und
                               Christopher Ott im vorliegenden Heft vor.
Methodisch finden in der sozialpädagogischen              Menschen (SPOSA)“ initiiert und gemeinsam mit der
                              Praxis insbesondere sport- und bewegungsbasierte             Katholischen Hochschule Freiburg weiterentwickelt.
                              Techniken eine breite Anwendung, zum Beispiel zur            Im Vordergrund steht hier die Zusammenarbeit von
                              Gruppenstärkung oder zur biopsychosozialen Kompe-            Hochschulen mit Sportorganisationen sowie Kinder-
                              tenzentwicklung.6 Daneben gibt es Projekte, denen            und Jugendhilfeeinrichtungen, in denen Handlungs-
                              ein sportpädagogisches Konzept zugrunde liegt, wie           prinzipien der Lebensweltorientierung und sportpäda-
                              zum Beispiel der Sportleitplan im Strafvollzug (Krüger       gogische Ansätze in Projekten erprobt und evaluiert
                              2003), oder Projekte, die sport- und sozialpädagogi-         werden (Seibel 2013, S. 39).
                              sche Methoden konzeptionell verknüpfen, wie das
                              Berliner KICK-Projekt der Gesellschaft für Sport und            Im Folgenden werden exemplarisch anhand des
                              Jugendsozialarbeit gGmbH (GSJ). Auch hier stehen             lebensweltorientierten Ansatzes Potenziale für die
                              gruppenbezogene Angebote im Vordergrund.                     Sportsozialarbeit dargestellt. Nach einer kurzen Ein-
                                                                                           führung in die Grundzüge des Ansatzes wird dessen
                                    Auf gesellschaftlicher Ebene sind unter anderem        praktische Umsetzung anhand des Berliner KICK-
                              Antidiskriminierungskampagnen oder Fanprojekte               Konzeptes beschrieben.
                              beziehungsweise Lernzentren zu nennen, die ihre
                              ­Arbeit auf die Förderung positiver Fankulturen,                 2-1 Das Konzept der Lebensweltorientierung
                               ­Gewaltprävention und Demokratiestärkung ausrich-           nach Thiersch | Ein zentrales Leitthema bei Thiersch
                                ten (Derecik; Züchner 2015, S. 230 f.). Aufgrund der       ist die Theorieentwicklung der Alltags- beziehungs­
                                großen Attraktivität des Sports können insbesondere        weise Lebensweltorientierung7 seit den 1970er-Jah-
                                Fußballvereine Menschen verbinden und dienen damit         ren, die sich in der Praxis Sozialer Arbeit mittlerweile
                                als Ausgangspunkt, um Lernprozesse zu initiieren. Als      als handlungsleitend etabliert hat. „Über die Jahr-
                                Besonderheit dieser Projekte ist anzumerken, dass          zehnte hinweg entwickelte sich die Lebensweltorien-
                                hier, insbesondere in der Arbeit mit gewaltbereiten        tierung zu einer grundlegenden Orientierung sozial-
294                             Fußball- beziehungsweise Sportfans, der Sport auch
                                zum Anlass für abweichendes Verhalten werden
                                                                                           pädagogischer Praxis, die sich in politisch-strukturel-
                                                                                           len Rahmenbedingungen verfestigt und in sozialpäd-
                                kann (Krüger 2003, S. 1818).                               agogischen Institutionen und Handlungsmustern
                                                                                           ­formiert hat“ (Füssenhäuser 2005, S. 145).
                                   2 Lebensweltorientierte Sportsozialarbeit |
                              In den letzten Jahren haben sich in der Sozialen Arbeit          Aus Thierschs Fachkonzept der Lebensweltorientie-
                              unterschiedliche theoretische Konzepte entfaltet, die        rung ergibt sich auch sein Wissenschaftsverständnis.
                              die Bildungspotentiale, die aus körperlicher Bewegung        Gegenstand der Wissenschaft ist eine auf die Praxis
                              beziehungsweise dem Sport erwachsen, ausschöpfen,            bezogene Analyse des Alltags und der Lebensbewäl-
                              um einen Beitrag zur individuellen Entwicklung,              tigung der Adressaten und Adressatinnen. Thiersch
                              ­besonders von Kindern und Jugendlichen, zu leisten.         richtet den Fokus Sozialer Arbeit demnach primär auf
                               Neben verschiedenen erlebnispädagogischen, sozio-           die Anforderungen der Praxis und entwirft damit, auch
                               kulturellen (Fanarbeit) und sozialökologischen Ansät-       ohne dies explizit zu formulieren, einen Gegenstands­
                               zen sind der bewegungs- und körperorientierte Ansatz,       bezug, der einerseits an die soziale Wirklichkeit und
                               der schwerpunktmäßig unter Peter Becker im Fachbe-          andererseits an die Verflochtenheit des Alltags mit
                               reich Erziehungswissenschaften, Lehr- und Forschungs-       sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen und
                               einheit Sportwissenschaft, der Philipps-Universität         Bedingungen rückgebunden wird (Füssenhäuser 2005,
                               Marburg entwickelt und verbreitet wurde sowie die           S. 194). Das Konzept der Lebensweltorientierung zielt
                               sportbezogene lebensweltorientierte Soziale Arbeit          entsprechend auf der einen Seite auf die Förderung
                               hervorzuheben (Michels 2014, S. 78). Letztere wurde         sozialer Gerechtigkeit und auf der anderen Seite auf
                               Ende der 1980er-Jahre durch Bernd Seibel an der             einen besser gelingenden Alltag. Das Konzept wird
      Soziale Arbeit 8.2017

                              Evangelischen Hochschule Freiburg im Rahmen der              im Folgenden nicht zur Gänze dargelegt, sondern es
                               Zusatzqualifikation „Sportbezogene, lebensweltorien-        werden lediglich anhand des Eigensinns der Alltags-
                               tierte Soziale Arbeit mit sozial benachteiligten jungen
                                                                                                  7 Lebensweltorientierung wird als theoretisches
                                     6 Kategorisiert man die Sportangebote in der Sozia-          Konzept und, einem weiten Begriffsverständnis fol-
                                     len Arbeit nach methodischen Aspekten, bietet sich           gend, als Rahmen für unterschiedliche theoretische
                                     die Sortierung gemäß Geißler; Hege (2007) in Kon-            und praktische Entwicklungen verstanden (Thiersch
                                     zept, Methode, Technik an.                                   u.a. 2012, S. 175).
strukturen und der Doppelgestalt Sozialer Arbeit die           schwellig Borniertheit aufbrechen und Möglichkeiten
                        Potenziale des Ansatzes für die sportorientierte Soziale       eröffnen, etwas Neues zu wagen.
                        Arbeit aufgezeigt.
                                                                                            2-1-2 Die Doppelgestalt Sozialer Arbeit |
                             2-1-1 Der Eigensinn der Alltagsstrukturen |               Der Gegenstand der Praxis wird durch die „Doppel-
                        Die Lebensweltorientierung geht von den Alltagsstruk-          gestalt“ (Füssenhäuser 2005, S. 190) der Sozialen
                        turen und Bewältigungsversuchen der Menschen aus               ­Arbeit konkretisiert, die zwischen der Unterstützung
                        (Thiersch u.a. 2012). Dem stetigen Geschäft des All-            in besonders schwierigen, schlecht ausgestatteten
                        tags kann man sich weder entziehen noch kann man                Lebensverhältnissen und der Unterstützung bei der
                        es jemand anderem übertragen. Es schafft sich so                Lebensbewältigung vor dem Hintergrund erhöhter
                        Routinen, um handlungsfähig zu bleiben. Alltag wird             Lebensrisiken insgesamt unterscheidet (ebd. 2005).
                        als in sich dialektisch betrachtet. Er bringt durch seine      Zu Letzterem lässt sich unter anderem sagen, dass
                         Pragmatik und seine Routinen einerseits Sicherheit            die Bewältigungsanforderungen für Heranwachsende
                        und Entlastung mit sich. Auf der anderen Seite engen            im Kontext der Individualisierung und Pluralisierung
                        die Handlungsroutinen ein, man probiert nichts Neues,           von Lebensentwürfen insgesamt gestiegen sind. Die
                        geht Kompromisse ein, richtet sich bequem ein (ebd.             damit einhergehende potenzielle Verfestigung risiko-
                        2012). Der von Thiersch benannte Eigensinn besteht              reichen Verhaltens und die Kanalisierung in abwei-
                        in einem bornierten Festhalten am Gegebenen. Darü-              chendes Verhalten bringen einen erhöhten sozial­
                        ber hinaus bezeichnet Eigensinn die Individualität              pädagogischen Handlungsbedarf mit sich.
                        der Bewältigung. Es ist die subjektive Deutung der
                        Verhältnisse der Menschen, ihre Anstrengung, Raum,                 Böhnisch und Schröer beschreiben die Anforderun-
                        Zeit und soziale Bezüge zu gestalten, sei es durch             gen an Jugendliche heute als sogenannte „Bewälti-
                        eine bestimmte Sprache oder ein bestimmtes Alltags-            gungsfallen“. So bezeichnen sie beispielsweise mit der
                        wissen, was auch das Jonglieren zwischen verschiede-           Selbstständigkeitsfalle das Phänomen, dass Jugend­
                        nen Lebenswelten einschließt. Dies gilt in besonderem
                        Maße für Heranwachsende, die sich bewusst abgren-
                                                                                       liche zwar früh soziokulturell selbstständig sind, gleich-
                                                                                       zeitig aber den gesellschaftlichen Druck spüren, die
                                                                                                                                                    295
                        zen wollen. Durch ihre Art der Bewältigung definieren          „Dynamik der Adoleszenz“ (Böhnisch; Schröer 2013,
                        sie sich, sie ist Teil ihrer Identität, die in ihrer Lebens-   S. 107), das Moratorium zu unterdrücken, sich also
                        welt sichtbar wird und als solche zu verstehen und             schnell in die Gesellschaft einzufügen, ohne sich vor-
                        zu respektieren ist. Thiersch u.a. sprechen hier von           her an ihr zu reiben. Jugendliche wählen häufig das
                        „Anerkennung des Anderen in seinem So-Sein“ (ebd.,             sogenannte Flexibilitätsmodell: Die aufgestaute Inno-
                         S. 177). Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist dem-        vationskraft wird hier statt in Protest in neue Techno-
                         nach sowohl beschreibend als auch normativ: „Als              logien (ebd., S. 107) oder sportliche Tätigkeiten umge-
                        Handlungskonzept verbindet sie den Respekt vor dem             leitet. Durch diese neuen Unsicherheiten wird Soziale
                        Gegebenen mit dem Vertrauen in Potentiale und                  Arbeit noch wichtiger (Thiersch u.a. 2012) und muss
                        ­Entwicklungsmöglichkeiten im Feld“ (ebd., S. 179).            noch konkreter an der Lebenswelt ansetzen, um die
                                                                                       Menschen auch zu erreichen. Der Sport als Medium
                            Entsprechend ist in der sportorientierten Sozialen         kann hier als neuer Weg gesehen werden, der direkt
                        Arbeit auf die individuellen Ausdrucksmöglichkeiten            an die Lebenswelt beziehungsweise den Lebensstil
                        Heranwachsender Rücksicht zu nehmen, die sich oft              Heranwachsender anknüpft. Außerdem findet die
                        nicht in Angeboten des organisierten (Breiten-)Sports          Körperlichkeit als Element ganzheitlicher Bildung in
                        abbilden. Jugendliche schätzen Bewegung und Sport,             besonderer Weise Berücksichtigung. Darüber hinaus
                        wenn sie wenig sportmotorische Fähigkeiten voraus-             eignet sich der Sport für die räumliche Aneignung als
                        setzen, an jugendkulturelle Bewegungen anschließen,            jugendspezifisches Verhalten.
                        flexibel hinsichtlich Raum, Zeit und Inhalt sind und
Soziale Arbeit 8.2017

                        sich auf andere Lebensbereiche problemlos übertra-                2-2 Das KICK-Konzept | Das Besondere des
                        gen lassen (Kösterke; Stöckle 1989, zitiert nach Pilz          Lebensweltkonzeptes liegt in der Betonung des Alltags
                        2003). Dies ist anschlussfähig an jugendspezifische            und der Ausarbeitung lebensweltbezogener Arrange-
                        Bedürfnisse des Sich-Ausprobierens. Gleichzeitig kann          ments, die je nach Handlungsfeld anhand der Struktur-
                        Sport mit seiner enormen motivationalen Kraft niedrig-         und Handlungsmaximen unterschiedlich auszuformen
sind (Thiersch u.a. 2012, S. 186).8 In dem von Thiersch             gruppe“ von gefährdeten Jugendlichen hinaus, um
                              und Grunwald (2016) herausgegebenen Praxishand-                     „die Selbstverstärkungseffekte gleicher Jugendgrup-
                              buch werden verschiedenste lebensweltbezogene                       pen nicht zu erhöhen“ (Heitmann; Martens 2013, S. 4).
                              ­Arrangements dargelegt, zum Beispiel für die Schul-              Die Angebote zielen auf die Prävention von Gewalt
                               sozialarbeit oder die Mädchenarbeit. Die Skizzierung             und konflikthaftem Verhalten und unterstützen die
                               eines solchen lebensweltbezogenen Arrangements                   Entwicklung von Alltags- und Lebenskompetenz der
                               steht für die Sportsozialarbeit noch aus. Gleichwohl             Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Sport: „Er
                               wird der Ansatz in der Praxis rezipiert. Das Berliner            muss zur Vermittlung von Werten keine abstrakte
                               KICK-Konzept entwirft ein solches lebensweltbezo-                ­kognitive Debatte anstrengen, keine moralisierende
                               genes Arrangement, ohne es allerdings direkt so zu                Unterweisung oder Belehrung organisieren. Die
                              benennen. Es wird im Folgenden exemplarisch anhand                 ­Erkenntnis von Normen, von Fairplay, von Rücksicht-
                              der Struktur- und Handlungsmaximen der Prävention                   nahme wie Leistungsbereitschaft ist quasi schon im
                              und der Regionalisierung rekonstruiert.9                            Praxis-Feld angelegt“ (ebd., S. 12).

                                  Das KICK-Projekt der GSJ gGmbH begann vor                          KICK-Projekte arrangieren verhaltenspräventive
                              mehr als 20 Jahren auf Initiative der Berliner Polizei            Aktivitäten sowohl im Rahmen klassischer Bildungs-
                              und der Sportjugend Berlin und nimmt seither einen                institutionen wie Schulen als auch in informellen
                              festen Platz in der Szene der Berliner Sportsozialarbeit          ­Settings und an nonformalen Lernorten wie Jugend-
                              ein. „Maßgebliche Kriterien für die Standortauswahl                cliquen oder Sportvereinen (Neuber 2010, S. 13).
                              in den Bezirken waren [damals] ein hoher Bevölke-                  Schwerpunktmäßig beziehen sich die Angebote auf
                              rungsanteil an Kindern und Jugendlichen in konflikt-               den Umgang mit Konflikten und Alltagsproblemen;
                              trächtigen oder sozialen Brennpunkten und fehlende                 sie werden in Form von Kursen, Präventionswochen
                              Angebote für eine bedürfnisorientierte Freizeitgestal-             oder Sozialraumerkundungen durchgeführt. Sport-
                              tung“ (Heitmann; Martens 2003). Präventiv sollten                  und erlebnispädagogische Methoden im Rahmen von
296                           dem Abgleiten in die Kriminalität entgegengewirkt
                              und sinnvolle Freizeitbeschäftigungen geschaffen
                                                                                                 Sozialer Gruppenarbeit werden eingesetzt, um Werte
                                                                                                 des sozialen Lernens zu vermitteln, Alltagskompeten-
                              werden. Daraus leiteten sich folgende Handlungsan-                 zen zu erweitern und psychische wie soziale Ressour-
                              sätze ab, die bis heute von KICK verfolgt werden (ebd.).           cen zu stärken.

                                   2-2-1 Handlungsmaxime Prävention | Prä-                           Die mit KICK eng kooperierenden Angebote „KICK
                              vention wird als allgemeine Aufgabe Sozialer Arbeit               on ICE“ und „KICK im Boxring“ nutzen die sportarten-
                              ­gesehen. Es geht darum, den einzelnen Menschen                   spezifischen Besonderheiten des Eishockeys und des
                               im Umgang mit Lebensschwierigkeiten zu stärken.                  Boxens, um den Jugendlichen gesellschaftliche Nor-
                               Sekundärpräventive Angebote sollen Unterstützung                 men zu vermitteln, die sich aus sportlichem Handeln
                               in schwierigen Lebenslagen leisten, so dass vorher-              ableiten lassen. Darüber hinaus wird auch den
                               sehbare Belastungen und Krisen nicht zum Ausbruch                ­Wünschen der Jugendlichen nach der „Erprobung
                               kommen (Thiersch; Grunwald 2014, S. 347).                         ­eigener Kraft, der Suche nach Spannung [...] sowie
                                                                                                  der Modellierung des eigenen Körpers“ (Heitmann;
                                 KICK versteht sich als ein präventives Angebot                 Martens 2013, S. 12) nachgegangen, um sie in ihrer
                              gegen Jugenddelinquenz und richtet seine Angebote                 jugendlichen Identitätsentwicklung zu unterstützen.
                              an alle Jugendlichen, das heißt auch über die „Risiko­            Auch das Angebot „KICK Task-Force“, das bei der
                                                                                                Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Frem-
                                     8 Die Dimensionen lebensweltorientierter Sozialer          denfeindlichkeit und Gewalt Vereine und weitere
                                     Arbeit wie zum Beispiel Raum, Zeit und soziale             Einrichtungen der Jugendarbeit beziehungsweise der
                                     ­Bezüge konkretisieren sich in den Struktur- und           Jugendsozialarbeit berät und praxisrelevante Lösun-
      Soziale Arbeit 8.2017

                                      Handlungsmaximen, die auch im 8. Kinder- und
                                                                                                  gen anbietet, agiert im Handlungsfeld der Prävention.
                                      ­Jugendhilfebericht dargelegt werden. Die Maxime
                                       umfasst allgemeine Prinzipien wie die Alltagsnähe,
                                       die Dezentralisierung, die Regionalisierung, die Inte-       Zu beachten sei bei allen Aktivitäten, dass das
                                       gration und die Partizipation (Thiersch u.a. 2012,       reine Anbieten von Freizeit- und Sportmaßnahmen
                                       S. 188).                                                 noch keine Sportsozialarbeit ausmacht, sondern dass
                                     9 Auch die übrigen Struktur- und Handlungsmaximen
                                     lassen sich anhand der KICK-Konzeption und deren
                                     Umsetzung rekonstruieren.
erst „gezielte pädagogische Interventionen und die        weise Angebote wie Sportturniere oder Fußball-Nights
                        Präsenz von ‚vorbildhaften’ Erwachsenen“ (Heitmann;       in unmittelbarer Nähe oder direkt in Vereinssport-
                        Martens 2013, S. 4) sowie der Einsatz von Fachkräften     stätten stattfinden. Zudem beleben direkte Kontakte
                        aus der Sozial- und Sportpädagogik die sekundär- und      zwischen Trainern und Trainerinnen aus den Sport-
                        tertiärpräventiven Kräfte des Sports zur Entfaltung       vereinen und KICK-Mitarbeitenden die gegenseitige
                        bringen können (Welsche 2013, S. 44).                     Kooperation. Dadurch wird den Jugendlichen eine
                                                                                  größere Nähe zum organisierten Sport ermöglicht
                            2-2-2 Handlungsmaxime Regionalisierung |              und sie können dessen vielfältige Angebote nutzen
                        Regionalisierung zielt auf die Schaffung von Angebo-      sowie einen Ort der sozialen Teilhabe aufsuchen.
                        ten im Sozialraum, auf die Präsenz und die Erreich-
                        barkeit der Unterstützungsleistungen vor Ort. Des                Die seit dem Projektstart praktizierte Zusammen-
                        Weiteren geht es um die Vernetzung und Kooperation        arbeit mit der Berliner Polizei „bildet das wesentliche
                        zwischen Institutionen, die für die Adressatinnen und     Fundament des KICK-Projektes“ (Heitmann; Martens
                        Adressaten sowie für den sozialpädagogischen Auf-         2013). Gemeinsam mit Schulen werden zum Beispiel
                        trag von Bedeutung sind (Thiersch; Grunwald 2014).        Präventionstage zu verschiedenen Themen von
                                                                                  ­Jugendlichen, insbesondere des Jugendschutzes
                            KICK-Projekte arbeiten an acht verschiedenen           ­angeboten, Sportveranstaltungen zu Themen wie
                        Standorten in Berlin, wobei jedes einzelne Projekt          ­Integration oder Prävention zusammen durchge-
                        eine an die Adressatinnen und Adressaten sowie die           führt oder Interventionsangebote („Task-Forces“)
                        lokale Situation angepasste inhaltliche Ausrichtung          gemeinsam umgesetzt. Auch werden der ursprüng­
                        hat. So finden zum Beispiel am Standort Tiergarten           lichen Idee von KICK folgend weiterhin delinquenz-
                        regelmäßig Projekttage für Schulen mit dem Ziel eines        gefährdete oder bereits straffällig gewordene Jugend-
                        gewaltfreien Miteinanders im Schulalltag und in der          liche auf freiwilliger Basis von der Polizei an KICK-
                        Freizeit statt. Die Angebote werden am Standort direkt,      Standorte vermittelt. Gerade bei diesen Jugendli-
                         zugleich aber auch im unmittelbaren Nahraum im
                         Sinne einer „mobilen, kiezorientierten (‚sportiven’)
                                                                                     chen hat der Sport einen bedeutenden Stellenwert
                                                                                     und kann daher ein geeignetes Zugangsmedium
                                                                                                                                               297
                         Angebotspalette“ (Heitmann; Martens 2013, S. 7)             bieten (ebd.).
                        durchgeführt. Es werden Bolz- und Sportplätze, Frei-
                        flächen und Sporthallen genutzt, zu denen die Jugend-            3 Curriculare Überlegungen zu einer sport­
                        lichen ansonsten erschwerten Zugang haben, um             orientierten Sozialen Arbeit | Aus den Ausfüh-
                        ­ihnen Mobilitätsgewinnung sowie Raumeroberung            rungen lassen sich Ausbildungserfordernisse für den
                         und -aneignung zu ermöglichen (Deinet 2014).             Arbeitsbereich der sportorientierten Sozialen Arbeit
                                                                                  ableiten, die sozialpädagogische, sportwissenschaft-
                             KICK-Angebote richten sich insbesondere an           liche und praxeologische Module vereinen und einen
                        J­ ugendliche, bei denen „andere Hilfemaßnahmen           Beitrag zu fundierten Konzepten sportorientierter
                         nicht mehr greifen oder die für sie zu hoch angelegt     ­Sozialer Arbeit leisten können.10
                        sind“ (Heitmann; Martens 2013, S. 12). Um die Jugend-       ▲ Verknüpfung sozial- und sportwissenschaftlichen
                        lichen jedoch adäquat und passgenau unterstützen            ­Basiswissens: Anhand ausgewählter Zielgruppen sollte
                        zu können, ist für die KICK-Teams der Anschluss zu         eine modulare Verknüpfung von interdisziplinärem
                        weiteren und bereits bestehenden Unterstützungs-           Erklärungswissen und sozialpädagogisch-handlungs-
                        systemen notwendig und eine enge Kooperation mit           theoretischen Ansätzen hergestellt werden, die mit
                        Partnern aus der Kinder- und Jugendhilfe, den Schu-        sportwissenschaftlichen Grundlagen verknüpft
                        len, den sozialen Diensten im Sozialraum und der           ­werden.11
                        Polizei unerlässlich.
                                                                                         10 Die Erfahrungen im Rahmen des Projekttages
Soziale Arbeit 8.2017

                           Der organisierte Sport findet im Rahmen der KICK-             „Sport & Soziale Arbeit“, der seit 2014 von den
                        Vernetzungsarbeit erhebliche Beachtung. So arbeiten              ­Autorinnen an der Evangelischen Hochschule Berlin
                                                                                          angeboten wird, fließen in diese Überlegungen ein.
                        die Fachkräfte zwar im „Vorfeld von Sportvereinen“,
                        eine verlässliche Zusammenarbeit mit dem organisier-             11 Die DOSB-Übungsleiterlizenz sollte in diesem
                        ten Sport findet aber trotzdem statt, indem beispiels-           Rahmen erworben werden. Im genannten Projekt-
                                                                                         tag besteht hierzu seit 2016 eine Kooperation mit
                                                                                         der Sportschule des Landessportbundes Berlin.
▲ Theorie-Praxis-Transfer: Durch Felderkundungen,           Literatur
                              Expertengespräche mit Praxisvertretern und -vertre-         Baur, Jürgen; Braun, Sebastian: Integrationsleistungen von
                              terinnen aus dem sozial- und dem sportpädagogischen         Sportvereinen als Freiwilligenorganisation. Sportentwicklung
                              Bereich und teilnehmende Beobachtungen sollte das           in Deutschland. Aachen 2003
                                                                                          Böhnisch, Lothar; Schröer, Wolfgang: Soziale Arbeit. Eine
                              Feld für die Studierenden erlebbar gemacht werden.
                                                                                          problemorientierte Einführung. Heilbrunn 2013
                              In sportpraktischen Einheiten könnte den Studieren-         Deinet, Ulrich: Das Aneignungskonzept als Praxistheorie
                              den die Möglichkeit gegeben werden, Sport und seine         für die Soziale Arbeit. In: http://www.sozialraum.de/das-an
                              Wirkungen als pädagogisches Medium selbst anzu-             eignungskonzept-als-praxistheorie-fuer-die-soziale-arbeit.
                              wenden und zu beurteilen. Zur vertieften Aneignung          php (veröffentlicht 2014, abgerufen am 16.2.2017)
                              sollten die Studierenden gemeinsam ein sozial- und          Derecik, Ahmet; Züchner, Ivo: Kinder und Jugendhilfe. In:
                              sportpädagogisches, zielgruppenbezogenes Konzept            3. Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Kinder- und
                                                                                          Jugendsport im Umbruch. Schorndorf 2015, S. 217-236
                              entwickeln und erproben.
                                                                                          DOSB − Deutscher Olympischer Sportbund: Memorandum
                              ▲ Feldforschung: Den Studierenden sollte ein Über-          zum Schulsport. Frankfurt am Main 2009
                              blick über die programmatisch wie strukturell vielge-       European Commission: Special Eurobarometer 412. Sport
                              staltigen Arbeitsfelder sportorientierter Sozialer          and Physical Activity. In: http://ec.europa.eu/health//sites/
                              ­Arbeit vermittelt werden, die dann kritisch diskutiert     health/files/nutrition_physical_activity/docs/ebs_412_en.
                               und auf Potenziale und neuralgische Punkte hin ana-        pdf (veröffentlicht 2014, abgerufen am 28.1.2017)
                               lysiert werden. Dies könnte in Form eines eigenstän-       Füssenhäuser, Cornelia: Werkgeschichte(n) der Sozialpäda-
                                                                                          gogik. Klaus Mollenhauer – Hans Thiersch – Hans-Uwe Otto.
                               digen empirischen Forschungsprojekts im Sinne einer
                                                                                          Baltmannsweiler 2005
                               Projektevaluation vertieft werden, um daraus Hand-         Geißler, Karl-Heinz A.; Hege, Marianne: Konzepte sozial-
                               lungsimplikationen für das Projekt und Überlegun-          pädagogischen Handelns. Ein Leitfaden für soziale Berufe.
                               gen zur künftigen Ausgestaltung des Arbeitsfeldes          Weinheim und Basel 2007
                               abzuleiten.                                                Heitmann, Helmut; Martens, Thomas: Kick Projekt – Das
                                                                                          Konzept. In: http://www.kick-projekt.de/download/Das_
                                                                                          Konzept.pdf (veröffentlicht 1996, bis 2003 stetig aktualisiert,
298                                 Professorin Dr. Birgit Steffens ist Diplom-Sozial­
                                    arbeiterin. Sie lehrt und forscht an der Evange­
                                                                                          abgerufen am 27.1.2017)
                                                                                          Heitmann, Helmut; Martens, Thomas: KICK – Sport gegen
                                    lischen Hochschule Berlin zu Konzepten und            Jugenddelinquenz – Konzeption. Unveröffentlichtes Manu-
                                    ­Methoden der Sozialen Arbeit mit Erwachsenen         skript 2013
                                     in besonderen Lebenslagen. Ihre Arbeitsschwer­       Krüger, Michael: Sport und Soziale Arbeit. In: Otto, Hans-
                                     punkte sind die Inklusion und die Sportorientierte   Uwe; Thiersch, Hans: Handbuch Soziale Arbeit Sozialpäda-
                                     Soziale Arbeit im Kontext der Gewaltprävention.      gogik. München 2003, S. 1813-1819
                                                                                          Kurt, Bärbel; Schaffrath-Rosario, Angelika: Übergewicht
                                     E-Mail: steffens@eh-berlin.de
                                                                                          und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutsch-
                                                                                          land. In: Bundesgesundheitsblatt 7/2010, S. 643-652
                                     Julie Winkel ist Diplom-Sozialarbeiterin und         (http://edoc.rki.de/oa/articles/reIXcLKBs9uis/PDF/27A1KT
                                     Gymnastiklehrerin. Sie arbeitet als Schulsozial­     MTtAiWs.pdf; abgerufen am 18.2.2017)
                                     arbeiterin bei der Gesellschaft für Sport und        Krüger, Michael: Sport und Soziale Arbeit. In: Otto, Hans-
                                    ­Jugendsozialarbeit (GSJ gGmbH). Als Lehrbeauf­       Uwe; Thiersch, Hans: Handbuch Soziale Arbeit Sozialpäda-
                                     tragte entwickelte und betreut sie den Studien­      gogik. München 2003, S. 1813-1819
                                                                                          Manz, Karl u.a.: Körperlich-sportliche Aktivität und Nutzung
                                     schwerpunkt „Sport und Soziale Arbeit“ an der
                                                                                          elektronischer Medien im Kindes- und Jugendalter. Ergebnis-
                                     Evange­lischen Hochschule Berlin. E-Mail:            se der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1).
                                     winkel@lb.eh-berlin.de                               In: Bundesgesundheitsblatt 7/2014, S. 840-848 (http://edoc.
                                                                                          rki.de/oa/articles/reLdNZIuhBgmc/PDF/22pI9MzdGXp6.pdf;
                                                                                          abgerufen am 18.2.2017)
                                                                                          Michels, Harald: Sport, Körper und Bewegung in der Sozia-
                                                                                          len Arbeit – das Düsseldorfer Modell. In: Sozialmagazin
      Soziale Arbeit 8.2017

                                                                                          1-2/2014, S. 77-83
                                                                                          Neuber, Nils: Informelles Lernen im Sport – ein vernach-
                                                                                          lässigtes Feld der Bildungsdebatte. In: Neuber, Nils: Infor-
                                                                                          melles Lernen im Sport. Beiträge zur allgemeinen Bildungs-
                                                                                          debatte. Wiesbaden 2010, S. 9-31
                                                                                          Pilz, Gunter A.: Von der Luftnummer zur Bodenhaftung?
Der Pragmatismus in
                                                                                           ­Erlebnispädagogik und
                        Bewegung und Spiel als Element einer gewalt- und sucht-
                        präventiven Sportkultur. Hauptvortrag auf der Fachtagung
                                                                                            sportbezogener Sozialer
                        „Spiel ohne Grenzen? Sport als ein Baustein der Gewalt- und         Arbeit | Traditionslinien
                        Suchtprävention“ von der Aktion Jugendschutz, Landes­
                        arbeitsstelle Baden-Württemberg in Kooperation mit der              und Perspektiven handlungs-
                        Württembergischen Sportjugend am 21.10.2003 in Stuttgart.
                        Schmidt, Werner: Dritter Deutscher Kinder- und Jugend-              orientierten Lernens
                        sportbericht – Kinder- und Jugendsport im Umbruch. Schorn-            Heiko Löwenstein; Christopher Ott
                        dorf 2015
                        Seibel, Bernd: 25 Jahre Sport und Soziale Arbeit: Retrospek-
                        tive, gemeinsame Entwicklungslinien und Handlungsperspek-              Zusammenfassung | Sportbezogene Soziale
                        tiven – eine Einführung. In: Welsche, Mone; Seibel, Bernd;
                        Nickolai, Werner: a.a.O. 2013, S. 19-41
                                                                                           Arbeit teilt mit der Erlebnispädagogik wesent­
                        Sygusch, Ralf; Liebl, Sebastian: Pädagogische Potentiale           liche Prämissen und kann von deren Lernmodel-
                        im organisierten Sport. In: Schmidt, Werner: 3. Deutscher          len in der Entwicklung einer eigenständigen
                        Kinder- und Jugendsportbericht – Kinder- und Jugendsport           ­Didaktik profitieren. Ausgehend von einer kriti-
                        im Umbruch. Schorndorf 2015, S. 239-254
                                                                                            schen Diskussion der pragmatistischen Grund-
                        Thiel, Ansgar; Mayer, Jochen; Seiberth, Klaus: Sportsoziologie
                        – Ein Lehrbuch in 13 Lektionen. Aachen 2013                         lagen wird allerdings gegen eine Entkopplung
                        Thiersch, Hans; Grunwald, Klaus: Lebensweltorientierung.            der Reflexion vom Erlebnis und für eine Irritation
                        In: Thiersch, Hans: Soziale Arbeit und Lebensweltorientierung:      von Routinen durch spielerische Erfahrungen im
                        Konzepte und Kontexte. Band 1. Weinheim und Basel 2014,            Alltag argumentiert.
                        S. 327-366
                        Thiersch, Hans; Grunwald, Klaus (Hrsg.): Praxishandbuch
                        Lebensweltorientierte Soziale Arbeit: Handlungszugänge und             Abstract | Sport as medium of social work
                        Methoden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern. Weinheim             shares essential premises with outdoor educa-
                        und Basel 2016                                                     tion. Therefore, developing a unique didactic
                        Thiersch, Hans; Grunwald, Klaus; Köngeter, Stefan: Lebens-         should benefit from experiences gained by ex-
                        weltorientierung. In: Thole, Werner: Grundriss Soziale Arbeit.
                                                                                           periential learning models. Contrary to this and                 299
                        Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden 2012, S. 175-196
                        Welsche, Mone: Die Bedeutung von Sport und Bewegung                based on a critical rethinking of the pragmatis-
                        für sozial benachteiligte junge Menschen – eine subjekt­           tic bedrock we argue against the separation
                        orientierte Perspektive. In: Welsche, Mone; Seibel, Bernd;         of reflection and experience. Instead, routines
                        Nickolai, Werner: a.a.O. 2013, S. 42-53                            should be changed by playful experiences in
                        Welsche, Mone; Seibel, Bernd; Nickolai, Werner: Sport und
                        Soziale Arbeit in der Zivilgesellschaft. Tagungsband zur gleich-
                                                                                           everyday world.
                        namigen Tagung am 27. und 28. September 2012 in Bad
                        Boll. Hamburg 2013                                                                       Schlüsselwörter  Soziale Arbeit
                        Winkel, Julie: Sport und Jugendhilfe. Entwicklungen, Heraus-                     Sport  Erlebnispädagogik  Methode
                        forderungen und Perspektiven am Beispiel sportbetonter                                                        Pragmatismus
                        Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit. Diplomarbeit, Evange-
                        lische Hochschule Berlin 2012                                         Soziale Arbeit mit Hand und Fuß | Sportbe-
                                                                                           zogene Soziale Arbeit1 ist zuallererst Soziale Arbeit.
                                                                                           Das heißt: Sport 2 ist nicht das Ziel Sozialer Arbeit –
                                                                                           im Sinne von Leistungssteigerung oder als Selbst-
                                                                                           zweck –, sondern eine Erweiterung der Interventions-

                                                                                                  1 Neben dem hier dargestellten allgemeinen, grund-
                                                                                                  legenden Verständnis von sportbezogener S­ ozialer
                                                                                                  Arbeit wird seit 1987 an der Evangelischen Hoch-
Soziale Arbeit 8.2017

                                                                                                  schule Freiburg und seit 1992 auch an der Katho­
                                                                                                  lischen Hochschule Freiburg eine gleichlautende
                                                                                                  studienintegrierte Zusatzqualifikation in K­ ooperation
                                                                                                  mit der Badischen Sportjugend im B­ adischen Sport-
                                                                                                  bund Freiburg e.V. und der Süd­badischen Sportschule
                                                                                                  Steinbach angeboten: Sportbezogene, lebenswelt­
                                                                                                  orientierte Soziale Arbeit mit sozial benachteiligten
                                                                                                  jungen Menschen – kurz: SPOSA.
möglichkeiten im Rahmen eines „vielschichtigen und               (Seibel 2013, S. 39), aber auch in einem erweiterten
                              flexiblen Kanon[s] an ‚lebensweltorientierten Metho-             Verständnis, einschließlich der „präventiven Wirk-
                              den‘“ (Wensierski; Jakob 1997, S. 8). Soziale Arbeit             samkeiten des Sports für verschiedene Zielgruppen“
                              zielt immer auf „gesellschaftliche Veränderungen,                (Michels 2014, S. 81), prinzipiell die Bewältigung
                              soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammen-               ­sozialer Probleme zum Gegenstand. Dabei adressiert
                              halt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbst-               Soziale Arbeit Menschen nicht als beziehungslose
                              bestimmung von Menschen“ (FBTS; DBSH 2016). Zur                 ­Individuen, sondern berücksichtigt gleichermaßen
                              Erreichung dieser Ziele soll der Sport „Möglichkeiten            die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen, in die
                              für Lernprozesse [bieten], die in erster Linie auf Basis         sie eingebettet sind (FBTS; DBSH 2016).
                              von Selbstwirksamkeitserfahrungen und Interaktionen
                              in Gruppen erfolgen“ (Seibel 2013, S. 31).                           Im Problembezug, der Schnittstelle von Individuum
                                                                                             und Gesellschaft, wie auch im (historisch bedingten)
                                    Der Sport zeichnet sich dabei als Interventions-         pädagogischen Fokus auf Kinder und Jugendliche
                              form aus, die vergleichsweise niedrigschwellig ist –           ­sehen wir nun grundlegende Parallelen zur Erlebnis-
                               auch und gerade hinsichtlich der Sprache als Medium.           pädagogik, die in der Tradition Kurt Hahns eine kriti-
                               Daraus erwachsende Vorzüge lassen sich nicht alleine            sche Gesellschaftsdiagnose zum Ausgangspunkt hat
                               auf die Überwindung etwaiger Sprachdifferenzen                  und Kinder oder Jugendliche (in der pädagogischen
                               ­reduzieren, sondern sind weit darüber hinaus in der            Provinz) von sozialen Verfallserscheinungen zu
                                Unmittelbarkeit körperlicher Erfahrung und der Ver-            ­„therapieren“ sucht (Heckmair; Michl 2012, S. 38).3
                                schränkung von Körper, Geist und Gesellschaft zu              Neben Schnittmengen in der Frage nach der Zielgruppe
                                suchen. Trotz der grundsätzlich gegebenen Plausibili-         und der Zielsetzung legen vielmehr aber gemeinsame
                                tät, jenseits der „einfachen Freizeitgestaltung“, Ziel-       methodische Prämissen nahe, dass erlebnispädago-
                               setzungen professioneller Sozialer Arbeit mittels Sport        gische Lernmodelle für die sportbezogene Soziale
                               (besonders) effektiv erarbeiten zu können, kommen              ­Arbeit nützlich sein könnten: Dies betrifft vor allem
300                            Welsche und Schillinger (2015, S. 441) im Rahmen
                              ­einer systematischen Literaturanalyse unter anderem
                                                                                              die explizite Handlungsorientierung beim erfahrungs-
                                                                                              basierten Lernen (ebd., S. 115) und die unverzichtbare
                               zu dem Ergebnis, dass dazu noch die „Ausarbeitung              Rolle körperlicher Aktivität dabei (Fürst 2009, S. 43).
                               der fachspezifischen Didaktik [notwendig ist], denn
                               die sportpädagogische Didaktik kann sicherlich auf-                Erlebnispädagogische Lernmodelle | Auch
                               grund der Unterschiede der Zielgruppe und auch der             wenn sportbezogene Soziale Arbeit und Erlebnispäda-
                               Zielsetzungen nur bedingt übernommen werden“.                  gogik wesentliche methodische Prämissen teilen und
                                                                                              Letztere von Galuske (2009, S. 241-51) gleichermaßen
                                    Möglicherweise ist die Anschlussfähigkeit zur             in den Methodenkanon der Sozialen Arbeit eingeord-
                               ­ idaktik des Schulsports, der auch mit kritischen
                               D                                                              net wird, so konstatiert Michels (2007, S. 14) eine
                               ­Bildungs- und Erziehungszielen verbunden werden              unzureichende institutionelle Vernetzung von Sport
                                kann, noch eher gegeben als im außerschulischen              und Erlebnispädagogik. Eine solche wäre aber wün-
                                Sport zum (Selbst-)Zwecke des Sporttreibens an sich           schenswert, um gerade das „Methodenrepertoire [...],
                                (Schierz; Thiele 2004, S. 52-53). Doch richten sich          welches [...] über das [bloße] Arrangieren von Sport
                              ­Angebote des Schulsports mit allgemeinbildendem               als motorische Trainingssituationen hinausgeht“
                               Anspruch vergleichsweise unspezifisch an alle Kinder          ­(Michels 2014, S. 82), konsequent auszuschöpfen.
                                und Jugendlichen, so hat sportbezogene Soziale Arbeit        Damit sind vor allem die „erlebnispädagogischen
                                etwa mit „sozial benachteiligten jungen Menschen“             Reflexionsmethoden [...] für einen Transfer der erlern-
                                                                                              ten Handlungskompetenzen in den Alltag“ (ebd.) an-
                                     2 Im Sinne einer Arbeitsdefinition und eines Aus-        gesprochen, die im Zentrum der Diskurse um erlebnis-
                                     gangspunktes erachten wir die durchaus provokante
      Soziale Arbeit 8.2017

                                     Bestimmung Volkamers (2008, S. 75) als produktiv               3 Nicht näher gehen wir hier auf erlebnispädago­
                                     für weiterführende pragmatistische Überlegungen:               gische Betriebspädagogik oder Führungskräfte­
                                     „Sport ist die willkürliche Schaffung von Problemen            trainings ein, wie sie sich im Zuge der Ausweitung
                                     oder Konflikten, die vorwiegend mit körperlichen               erlebnispädagogischer Praxis etabliert haben, ver-
                                     Mitteln gelöst werden.“ Davon ausgehend wenden                 weisen an dieser Stelle aber auf Diskurse innerhalb
                                     wir uns dann der Frage zu, ob die spielerische Erfah-          der Sozialen Arbeit um deren gesamtgesellschaftliche
                                     rung von Problemlösungen, gerade wenn „keine                   Relevanz als „Unterstützung in den normalen Krisen
                                     bleibenden Veränderungen intendiert“ sein müssen,              heutiger, schwieriger Normalität“ (Thiersch; Grunwald
                                     kreatives Bewältigungshandeln im Alltag fördert.               2002, S. 135).
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