Arbeitsorientiertes Vorgehen zur Gestaltung menschengerechter Software

Die Seite wird erstellt Arthur Will
 
WEITER LESEN
Arbeitsorientiertes Vorgehen zur Gestaltung
menschengerechter Software
Citation for published version (APA):
Rauterberg, G. W. M., Strohm, O., & Ulich, E. (1993). Arbeitsorientiertes Vorgehen zur Gestaltung
menschengerechter Software. Ergonomie & Informatik, 20, 7-21.

Document status and date:
Gepubliceerd: 01/01/1993

Document Version:
Uitgevers PDF, ook bekend als Version of Record

Please check the document version of this publication:
• A submitted manuscript is the version of the article upon submission and before peer-review. There can be
important differences between the submitted version and the official published version of record. People
interested in the research are advised to contact the author for the final version of the publication, or visit the
DOI to the publisher's website.
• The final author version and the galley proof are versions of the publication after peer review.
• The final published version features the final layout of the paper including the volume, issue and page
numbers.
Link to publication

General rights
Copyright and moral rights for the publications made accessible in the public portal are retained by the authors and/or other copyright owners
and it is a condition of accessing publications that users recognise and abide by the legal requirements associated with these rights.

       • Users may download and print one copy of any publication from the public portal for the purpose of private study or research.
       • You may not further distribute the material or use it for any profit-making activity or commercial gain
       • You may freely distribute the URL identifying the publication in the public portal.

If the publication is distributed under the terms of Article 25fa of the Dutch Copyright Act, indicated by the “Taverne” license above, please
follow below link for the End User Agreement:
www.tue.nl/taverne

Take down policy
If you believe that this document breaches copyright please contact us at:
openaccess@tue.nl
providing details and we will investigate your claim.

Download date: 22. Feb. 2022
In: Ergonomie & Informatik, Vol. 20, 1993, pp. 7-21.

           Arbeitsorientiertes Vorgehen zur Gestaltung
                  menschengerechter Software.
                        Matthias Rauterberg, Oliver Strohm & Eberhard Ulich

                                  Institut für Arbeitspsychologie (IfAP),
                           Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH)
                                   Nelkenstrasse 11, CH-8092 Zürich

Dieser Beitrag ist eine erweiterte Fassung des         nologie zu einer Option, deren je unterschiedliche
Beitrages der GI Jahrestagung 1993 in Dresden.         Nutzung mit möglicherweise dramatischen Folgen
                                                       für die Stellung des Menschen im Produktions-
                                                       prozess verbunden ist. Damit stehen viele Unter-
Zusammenfassung                                        nehmen vor der Entscheidung, ob - prinzipiell
                                                       formuliert - der Mensch als verlängerter Arm der
Ein arbeitsorientiertes Vorgehen bei der Gestaltung    Maschine mit Restfunktionen in einer 'Automatisie-
von Informationsprozessen umfasst sowohl die Ge-       rungslücke' - und potentieller Störfaktor - zu be-
staltung des Arbeitssystems, in dem neue Techno-       trachten ist oder die Maschine als verlängerter Arm
logien eingesetzt werden, bzw. eingesetzt werden       des Menschen mit Werkzeugfunktion zur Unter-
sollen, als auch die Gestaltung des Erstellungs-       stützung der menschlichen Fähigkeiten und Kom-
und Einführungsprozesses selbst. Im vorliegenden       petenzen.
Beitrag werden zunächst Konzepte und Kriterien         Diese entgegengesetzten Positionen bezeichnen
für die Gestaltung von Arbeitssystemen vorgestellt,    wir als 'technikorientiert' bzw. 'arbeitsorientiert'.
welche sowohl für Arbeitssysteme allgemein, als        Technikorientierte Konzepte zielen in erster Linie
auch auf Softwarehäuser im Besonderen zutreffen.       darauf ab, Technik zu gestalten. Die Struktu-
Dabei spielen Aufgabenorientierung und das Kon-        rierung von Aufbau- und Ablauforganisation ist hier
zept der "vollständigen Tätigkeit" eine zentrale       ebenso wie die Entwicklung und der Einsatz
Rolle. Daraus abgeleitet sind Fragen zur Mensch-       menschlicher Qualifikationen dem Vorrang der
Maschine-Funktionsteilung zu klären, bevor Ar-         Technik nachgeordnet. Arbeitsorientierte Konzepte
beitsgestaltung durch Softwaregestaltung sinnvoll      zielen demgegenüber darauf ab, Arbeitssysteme
ergänzt werden kann. Aufbauend auf diesen ge-          zu gestalten, d.h. die Entwicklung und den Einsatz
nerellen Konzepten und Gestaltungskriterien wird       von Technik, Organisation und Qualifikation ge-
eine Aufbau- und eine dazu passende Ablauforga-        meinsam zu optimieren. Mögliche Konsequenzen
nisation für die Softwareerstellung vorgestellt und    der Realisierung dieser Konzepte sind in Tabelle 1
diskutiert.                                            einander gegenübergestellt.
                                                       Um einem Missverständnis vorzubeugen: arbeits-
1. Einleitung                                          orientierte Konzepte sind keine technikfeindlichen
                                                       Konzepte. Vielmehr werden durch die gleichzeitige
                                                       Berücksichtigung von Organisation und Mitarbeiter-
Für Arbeitspsychologen, Informatiker und betrieb-
                                                       qualifikation die Voraussetzungen für erfolgreichen
liche Praktiker resultieren aus den technologischen
                                                       Technikeinsatz überhaupt erst geschaffen. Diese
Entwicklungen der achtziger Jahre neuartige Fra-
                                                       Erkenntnis setzt sich in neuerer Zeit auch bei
gestellungen,       deren     Beantwortung     umso
                                                       renommierten Produktionstechnikern durch. So
dringlicher ist, als die inzwischen verfügbare Tech-
                                                       etwa bei Spur, der noch vor wenigen Jahren als
nologie selbst weder die Ablauf- noch die Aufbau-
                                                       Exponent des Weges in die menschenleere Fabrik
organisation zwingend determiniert. So bestehen
                                                       gegolten hat: "Je mehr die Produktionsziele auf die
auf der einen Seite Möglichkeiten, neue Kombi-
                                                       Erzeugung hochkomplexer Qualitätsartikel hinaus-
nationen von fortgeschrittener Technologie und
                                                       laufen und den breitflächigen Einsatz neuer Tech-
qualifizierter menschlicher Arbeit - mit herausfor-
                                                       nologien erfordern, umso mehr bieten sich ganz-
dernden Arbeitsinhalten und weitgehender Selbst-
                                                       heitlicher Aufgabenzuschnitt und breitere Verwen-
regulation in Gruppen - zu schaffen. Auf der
                                                       dung von Qualifikationen an" [Spur-89:9]. Aus den
anderen Seite bestehen aber auch vielfältige Mög-
                                                       Angaben in Tabelle 1 lässt sich ableiten, dass
lichkeiten, mit Hilfe der gleichen Technologie vor-
                                                       technikorientierte Gestaltungskonzepte zur man-
handene Formen der Arbeitsteilung zu unterstützen
                                                       gelnden Nutzung oder sogar zum Verlust vor-
oder sogar zu verstärken. Damit wird die Tech-
8                                                 E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse”

handener Qualifikationen führen können. So wies              sind. Wo dies nicht geschieht bzw. durch die tech-
z.B. [Eidenmüller-87] darauf hin, dass Qualitäts-            nische Auslegung der Anlagen verunmöglicht wird,
regelung und Ausregelung von Störungen am                    sei mit einem Verlust vorhandener Qualifikationen
schnellsten und sichersten vor Ort erfolgen und              zu rechnen.
dort auch mit dem geringsten Aufwand verbunden

Tabelle 1        Vergleich unterschiedlicher Konzepte für die Gestaltung rechnerunterstützter Arbeitssysteme
                 (modifiziert nach [Ulich-91]).
                           Technikorientierte                         Arbeitsorientierte
                           Gestaltungskonzepte                        Gestaltungskonzepte
Allokation der             Zentralisierte Steuerung durch vor-        Dezentralisierte Steuerung im Fer-
Steuerung                  gelagerte Bereiche.                        tigungsbereich.
Allokation der Kontrol-    Zentrale Kontrolle. Aufgabenaus-           Lokale Kontrolle. Aufgabenausfüh-
le im Mensch-Ma-           führung durch Rechnervorgaben              rung nach Vorgaben der System-
schine-System              inhaltlich und zeitlich festgelegt.        benutzer.
                           Keine Handlungs- und Gestaltungs-          Begrenzt durch Systembenutzer defi-
                           spielräume für Systembenutzer.             nierbare Handlungs- und Gestal-
                                                                      tungsspielräume.
Informationszugang         Uneingeschränkter Zugang zu In-            Uneingeschränkter Zugang zu Infor-
                           formationen über Systemzustände            mationen über Systemzustände auf
                           nur auf der Steuerungs-, bzw.              der Steuerungs-, bzw.
                           Managementebene.                           Managementebene.
                           Kein, bzw. stark eingeschränkter           (Un)-eingeschränkter Zugang zu In-
                           Zugang zu Informationen über Sy-           formationen über Systemzustände
                           stemzustände vor Ort durch den             vor Ort durch den Systembenutzer.
                           Systembenutzer.
Mensch-Maschine-           Systembenutzer übernehmen die              Systembenutzer übernehmen ganz-
Funktionsteilung           nicht automatisierten Resttätigkeiten.     heitliche Aufgaben von der Ar-
                                                                      beitsplanung bis zur Qualitätskon-
                                                                      trolle.
Zuordnung von Regu-        Steuerung der Arbeit durch Spezi-          Regulation der Arbeit durch System-
lation und Verantwor-      alisten, z.B. Programmierer,               benutzer mit der Verantwortung für
tung                       Einrichter, etc.                           Vorbereitungs-, Planungs-,
                                                                      Überwachungs- und Kon-
                                                                      trolltätigkeiten.

                                                             für tätigkeits- oder handlungstheoretisch orientierte
                                                             Arbeitspsychologen die Arbeitsaufgabe zum
2. Gestaltung des Arbeitssystems                             wichtigsten Ansatzpunkt der Arbeitsgestaltung
                                                             wird. Deshalb ist auch vom "Primat der Aufgabe"
Für [Hacker-86:61] ist der Arbeitsauftrag bzw.               die Rede [Ulich-91]. Damit lässt sich eine Brücke
seine Interpretation oder Übernahme als Arbeits-             schlagen zu den Konzepten soziotechnischer
aufgabe "die zentrale Kategorie einer psycholo-              Systemgestaltung, auch wenn diese von Hacker
gischen Tätigkeitsbetrachtung..., weil mit der               und Volpert nicht explizit berücksichtigt wurden.
'objektiven Logik' seiner Inhalte entscheidende
Festlegungen zur Regulation und Organisation der             2.1. Aufgabenorientierung und
Tätigkeiten erfolgen". Im Beitrag von [Volpert-
87:14] heisst es dazu: "Der Charakter eines                       das Konzept der
'Schnittpunktes' zwischen Organisation und Indivi-                "vollständigen Tätigkeit"
duum macht die Arbeitsaufgabe zum psycholo-
gisch relevantesten Teil der vorgegebenen Arbeits-           Im Rahmen der soziotechnischen Systemkonzep-
bedingungen". Beide Zitate machen deutlich, dass             tion spielt der Begriff der Aufgabenorientierung
                                                             ('task orientation') eine bedeutsame Rolle. Auf-
E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse                                                                 9

gabenorientierung bezeichnet einen Zustand des                        arbeitenden Person Kräfte zur Vollendung
Interesses und Engagements, der durch bestimmte                       oder Fortführung der Arbeit auslösen.
Merkmale der Aufgabe hervorgerufen wird. [Emery-
                                                            Fasst man die Angaben von [Emery-74], [Cherns-
59:53] beschreibt zwei Bedingungen für das Ent-
                                                            76] sowie [Emery-76] und [Emery-82] zusammen,
stehen von Aufgabenorientierung:
                                                            so sind es im wesentlichen die folgenden Merk-
(1)    Die arbeitende Person muss Kontrolle                 male von Arbeitsaufgaben, die das Entstehen einer
       haben über die Arbeitsabläufe und die dafür          Aufgabenorientierung begünstigen: Ganzheitlich-
       benötigten Hilfsmittel.                              keit, Anforderungsvielfalt, Möglichkeiten der sozia-
                                                            len Interaktion, Autonomie, Lern- und Entwick-
(2)    Die strukturellen Merkmale der Aufgabe
                                                            lungsmöglichkeiten (vgl. Tabelle 2).
       müssen so beschaffen sein, dass sie in der

Tabelle 2        Merkmale der Arbeitsgestaltung, die Aufgabenorientierung bewirken.
 Gestaltungsmerkmal        Ziel / Absicht                                 Realisierung durch...
                           Vorteil / Wirkung
 Ganzheitlichkeit         • Mitarbeiter erkennen Bedeutung und           ... Aufgaben mit planenden, ausfüh-
                            Stellenwert ihrer Tätigkeit.                     renden und kontrollierenden Ele-
                                                                             menten bzw. der Möglichkeit, Er-
                          • Mitarbeiter erhalten Rückmeldung
                                                                             gebnisse der eigenen Tätigkeit
                            über den eigenen Arbeitsfortschritt
                                                                             auf Übereinstimmung mit ge-
                            aus der Tätigkeit selbst.
                                                                             stellten Anforderungen zu prüfen.
 Anforderungsvielfalt     • Unterschiedliche Fähigkeiten, Kennt-         ... Aufgaben mit unterschiedlichen
                            nisse und Fertigkeiten können einge-             Anforderungen an Körperfunk-
                            setzt werden.                                    tionen und Sinnesorgane.
                          • Einseitige Beanspruchungen können
                            vermieden werden.
 Möglichkeiten der        • Schwierigkeiten können gemeinsam             ... Aufgaben, deren Bewältigung Ko-
 sozialen Interaktion       bewältigt werden.                                operation nahelegt oder voraus-
                                                                             setzt.
                          • Gegenseitige Unterstützung hilft Be-
                            lastungen besser ertragen.
 Autonomie                • Stärkt Selbstwertgefühl und Bereit-          ... Aufgaben mit Dispositions- und
                            schaft zur Übernahme von Verant-                 Entscheidungsmöglichkeiten.
                            wortung.
                          • Vermittelt die Erfahrung, nicht ein-
                            fluss- und bedeutungslos zusein.
 Lern- und Entwick-       • Allgemeine geistige Flexibilität bleibt      ... problemhaltige Aufgaben, zu
 lungsmöglichkeiten         erhalten.                                        deren Bewältigung vorhandene
                                                                             Qualifikationen erweitert bzw.
                          • Berufliche Qualifikationen werden er-
                                                                             neue Qualifikationen angeeignet
                            halten und weiterentwickelt.
                                                                             werden müssen.

                                                            rend bei [Hacker-86, -87] von der 'vollständigen
Bei [Rice-58] und [Emery-59] findet sich eine
                                                            Tätigkeit' und bei [Volpert-87] von der 'vollständi-
Anzahl von Hinweisen auf die besondere motiva-
                                                            gen Handlung' die Rede ist. Merkmale der Voll-
tionale Bedeutung der Ganzheitlichkeit bzw. Voll-
                                                            ständigkeit, die es bei Massnahmen der Arbeitsge-
ständigkeit ("wholeness") von Aufgaben. In der
                                                            staltung zu berücksichtigen gilt, sind in Tabelle 3
jüngeren Psychologie findet sich der Terminus
                                                            zusammengefasst.
'vollständige Aufgabe' bei [Tomaszewski-81], wäh-
In: Ergonomie & Informatik, Vol. 20, 1993, pp. 7-21.

Tabelle 3      Merkmale vollständiger Tätigkeiten (nach Angaben von [Tomaszewski-81], [Hacker-86],
               [Volpert-87], [Ulich-89a]).
(1)   Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Ziele eingebettet werden können.
(2)   Selbständige Handlungsvorbereitungen im Sinne der Wahrnehmung von Planungsfunktionen.
(3)   Auswahl der Mittel einschliesslich der erforderlichen Interaktionen zur adäquaten Zielerreichung.
(4)   Ausführungsfunktionen mit Ablauffeedback zur allfälligen Handlungskorrektur.
(5)   Kontrolle mit Resultatfeedback und der Möglichkeit, Ergebnisse der eigenen Handlungen auf Über-
      einstimmung mit den gesetzten Zielen zu überprüfen.

                                                               Phasen der Aufgabenerledigung, gewähren also
Bei unvollständigen Tätigkeiten oder partialisierten
                                                               Tätigkeits- bzw. Handlungsspielraum. Damit
Handlungen im Sinne von [Volpert-74] - "fehlen
                                                               werden vollständige Tätigkeiten zu einer Grund-
weitestgehend Möglichkeiten für ein eigen-
                                                               voraussetzung für die Realisierung des Konzepts
ständiges Zielsetzen und Entscheiden, für das Ent-
                                                               der differentiellen Arbeitsgestaltung [Ulich-78, -88, -
wickeln individueller Arbeitsweisen oder für aus-
                                                               89b]. Vollständige Tätigkeiten sind zudem in
reichend genaue Rückmeldungen" [Hacker-87:35].
                                                               sequentieller und hierarchischer Hinsicht voll-
Vollständige Tätigkeiten bieten demgegenüber
                                                               ständig (vgl. Kasten 1).
Möglichkeiten der Setzung von Zielen und Teil-
zielen und Entscheidungsmöglichkeiten in allen

Kasten 1         Die sequentielle und hierarchische Vollständigkeit von Tätigkeiten [Hacker 87].

"Eine vollständige Tätigkeit ist zum ersten in sequentieller Hinsicht vollständig. Neben blossen Ausführungsfunktionen
umfasst sie
- Vorbereitungsfunktionen (das Aufstellen von Zielen, das Entwickeln von Vorgehensweisen, das Auswählen
  zweckmässiger Vorgehensvarianten)
- Organisationsfunktionen (das Abstimmen der Aufgaben mit anderen Menschen) und
- Kontrollfunktionen, durch die der Arbeitende Rückmeldungen über das Erreichen seiner Ziele sich zu verschaffen in
  der Lage ist.
Zum zweiten sind vollständige Tätigkeiten in hierarchischer Hinsicht vollständig, indem sie Anforderungen auf
verschiedenen, einander abwechselnden Ebenen der Tätigkeitsregulation stellen. Zu denken ist beispielsweise an das
Abwechseln von routinisierten Operationen der Zuordnung von Bedingungen zu Massnahmen mit algorithmisch vorge-
gebenen Denkvorgängen und mit Problemfindungs- und -lösungsprozessen. Eine Mindestforderung scheinen Mischfor-
men zu sein, die etwa zur Hälfte der Arbeitszeit intellektuelle Verarbeitungsanforderungen einschliessen" [Hacker-
87:43].

                                                               (1) Das Erleben ganzheitlicher Arbeit ist in moder-
Nun ist ganz offensichtlich, dass vollständige Tätig-
                                                                   nen Arbeitsprozessen mehrheitlich nur mög-
keiten oder Aufgaben in dem hier beschriebenen
                                                                   lich, wenn interdependente Teilaufgaben zu
Sinn in zahlreichen Fällen - vermutlich sogar mehr-
                                                                   vollständigen Gruppenaufgaben zusammenge-
heitlich - wegen des damit verbundenen Umfanges
                                                                   fasst werden.
nicht als Einzelarbeitstätigkeiten gestaltbar sind
sondern nur als Gruppenaufgaben. Darauf haben                  (2) Die Zusammenfassung von interdependenten
die Vertreter der soziotechnischen Systemkonzep-                   Teilaufgaben zur gemeinsamen Aufgabe einer
tion schon sehr früh aufmerksam gemacht. Arbeit                    Gruppe ermöglicht ein höheres Mass an
in Gruppen kommt hauptsächlich aus zwei – mit-                     Selbstregulation und sozialer Unterstützung.
einander zusammenhängenden - Gründen psycho-
                                                               Vergleicht man die hier genannten Merkmale
logisch ein besonderer Stellenwert zu:
                                                               vollständiger Tätigkeiten mit den von [Hellpach-22]
                                                               formulierten Aufgabenmerkmalen, so werden Über-
E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse                                                       11

einstimmungen deutlich. Gravierende Unterschiede     zes zu finden. Hierzu gehört insbesondere die Be-
bestehen allerdings im Grad der Präzisierung und     stimmung aller Eigenschaften des neu zu gestal-
Differenzierung sowie in der theoretischen Fundie-   tenden Arbeitssystems. Um die gemeinsame Opti-
rung der Herleitung. Weitere Differenzierungen       mierung des sozialen und des technischen Teil-
sollten u.a. der Instruktions- und der Feedback-     systems durchzuführen, bedarf es menschen-
komponente vermehrt Beachtung schenken. So           gerechter Kriterien für die Gestaltung von
verweist [Tomeszewski-81:24] auf eine Arbeit von     Arbeitstätigkeiten [Ulich-93] und valider Kriterien für
Materska (1972), nach deren Ergebnissen sich         die Mensch-Maschine-Funktionsteilung [Hoyos-90].
Unterschiede in der Aufgabenausführung ergeben,
                                                     Eine sehr verbreitete Strategie zur Funktions-
je nachdem, ob "Informationen über das zu er-
                                                     verteilung zwischen Mensch und Maschine ist die
reichende Ergebnis oder aber Informationen über
                                                     "maximale Automatisierung". Sie entspricht dem in
den Verlauf der auszuübenden Tätigkeit domi-
                                                     Tabelle 1 dargestellten technikorientierten Ge-
nieren". In Zusammenhang mit Fragen der Rück-
                                                     staltungskonzept. Will man jedoch den spezi-
meldung sollten wir uns an einen Hinweis von
                                                     fischen Fähigkeiten des Menschen Rechnung tra-
[Ammons-56] erinnern, demzufolge das Optimum
                                                     gen, so wird ein Vergleich zwischen Mensch und
an exakter Information keineswegs immer mit
                                                     Maschine angestellt [Hoyos-90]. [Hoyos-90] weist
deren möglichem Maximum übereinstimmt; von
                                                     zu Recht darauf hin, dass die Autoren solcher
einem bestimmten Punkt ab könne zusätzliche In-
                                                     Listen sich ausschliesslich an den Leistungsmög-
formation unter Umständen sogar eine Ver-
                                                     lichkeiten von Mensch und Maschine orientieren
schlechterung der Leistung bewirken.
                                                     und damit die "Gesamtrolle des Menschen im
                                                     System" nur ungenügend erfassen. Ausserdem
2.2. Arbeitsgestaltung und                           gäben allgemeine MABA-MABA-Listen (men-are-
     Softwaregestaltung                              better-at, machines-are-better-at) "zunächst nur ein
                                                     vages Bild und eine erste Orientierung; erst im Ge-
Eines der wichtigsten Probleme der Arbeitssystem-    samtspektrum einer Aufgabenzuteilung lässt sich
gestaltung mit Einsatz moderner Technologie be-      die Rolle des Menschen erkennen und bewerten".
steht darin, ein gemeinsames Verständnis aller be-   Schliesslich sei "die Aufgabenverteilung zwischen
troffenen Personengruppen über die Mensch-Ma-        Mensch und Maschine bei bestimmten Aufgaben-
schine-Funktionsteilung und damit über den zu        typen und konkreten Problemlösungen keine ein-
automatisierenden Anteil im Arbeitssystem her-       malige Entscheidung..., sondern eine konti-
zustellen [Naur-85], [Reisin-91], [Weltz-91], also   nuierliche Tätigkeit, die iteratives Vorgehen und
gemeinsam verbindliche Antworten auf die Fragen      laufende Überprüfung erfordert" [Hoyos-90:15].
"ob", "wo" und "wie" des geplanten Technikeinsat-
In: Ergonomie & Informatik, Vol. 20, 1993, pp. 7-21.

Tabelle 4       Vergleich der Fähigkeiten von Menschen und Maschinen (MABA-MABA - Liste; aus [Lanc-
                75])
 Funktionen, die der Mensch besser bewältigt         Funktionen, die eine Maschine besser
 als die Maschine                                    bewältigen kann als ein Mensch
 1. Detektion energetisch sehr schwacher             1. Lösung einfacher arithmetischer Aufgaben
     Signale und deren Verstärkung;                      mit großer Geschwindigkeit, Fähigkeit zu
 2. Flexibilität und Improvisation (schnelles            sehr schnellen Reaktionen (10-6 - 107 s);
     Finden einer Alternativlösung);                 2. Differenzierung, d. h. Durchführung der ma-
 3. Wechsel von einer bestimmten Strategie zu            thematischen Operation d/dt;
     einer anderen (Übergang zu einer anderen        3. Integrierung, d. h. Durchführung des
     Lösung);                                            Integrals einer Funktion;
 4. Langfristiges Behalten von großen Informa-       4. Einsatz großer Kraft oder Leistung bei
     tionsmengen (2,8 x 1020 bit, nach                   großer Präzision und genau definiertem
     Neumann) und schnellerer Suchvorgang;               Ablauf (bei der Maschine ist die Leistung im
 5. Räumliche Wahrnehmung (Wahrnehmung                   Praxisbezug unbeschränkt);
     von Raumtiefe und Formen);                      5. Exakte Wiederholung bestimmter Prozesse
 6. Interpolation (Bestimmung der Werte                  nach einem vorgegebenen Programm über
     zwischen fixen Punkten bzw. Werten);                einen beliebigen Zeitraum;
 7. Prädiktion und Antizipation (Vorhersage          6.  Langfristige Wachsamkeit, keine
     weiterer Entwicklung in logisch schwer              Ermüdungserscheinungen;
     definierbaren Bedingungen);                     7. Kurzzeitiges Behalten einer Information,
 8. Induktive Urteilsprozesse                            kurzzeitige Speicherung;
     (Verallgemeinerung) bzw. Bildung einer          8. Durchführung von komplexen simultanen
     Ansicht;                                            Funktionen mit großer Geschwindigkeit bzw.
 9. Realisierung homöostatischer Prozesse                nach genauer zeitlicher Abfolge;
     (Beibehalten einer stabilen Lage bei            9. Deduktive Urteilsprozesse;
     Änderung der äusseren Bedingungen);             10. Einfache Entscheidungen von dem Typ ja-
 10. Adaptation und Lernen;                              nein mit großer Geschwindigkeit (allerdings
 11. Durchführung komplexer Entscheidungen;              mit weniger Möglichkeit, die Ergebnisse zu
     Lösung komplizierter unvollkommen                   korrigieren);
     definierter Situationen bzw.                    11.Detektion von Signalen, deren Qualität mit
     unvorhergesehener Situationen;                      den menschlichen Sinnesorganen nicht
                                                         wahrgenommen werden kann, mit
                                                         wesentlich größerer Genauigkeit, als dies
                                                         der Mensch in seinem Bereich kann.

Nach [Bailey-89:189] lassen sich die folgenden fünf    (3) economic allocation: bei dieser Strategie wird
Strategien für eine Mensch-Maschine-Funktionstei-          versucht, die insgesamt preiswerteste Lösung
lung (MMF) unterscheiden:                                  zu erreichen.
(1) comparison allocation: die MMF wird gemäß          (4) humanized task approach: bei dieser Strategie
    den MABA-MABA-Listen [Hoyos-90] vorge-                 sollen durch die gefundene Lösung primär die
    nommen; diese Strategie setzt jedoch voraus,           menschlichen Fähigkeiten gefördert werden;
    daß sich der Mensch mit der Maschine ver-              der Technikeinsatz dient lediglich der Unter-
    gleichen läßt [Zölch-91] [Dunckel-93].                 stützung und Kompensation menschlicher
                                                           Fähigkeiten.
(2) leftover allocation: diese – im technischen
    Kontext sehr beliebte – Strategie ist auf maxi-    (5) flexibel allocation: hierbei kann der Benutzer
    male Automatisierung ausgerichtet und beläßt           weitgehend frei entscheiden, wie und mit wel-
    lediglich die nicht automatisierbaren Funk-            chen Mitteln, bzw. Werkzeugen er seine Auf-
    tionen beim Menschen.                                  gaben erledigt; durch dies Strategie wird dem
                                                           differentiell-dynamischen     Gestaltungsprinzip
                                                           nach [Ulich-78] optimal Rechnung getragen.
E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse                                                        13

                                                        Analyse dieser Fallbeispiele lässt drei wesentliche
Eines der Hauptprobleme traditioneller Software-
                                                        Barrieren erkennen: die Spezifikations-Barriere, die
entwicklung liegt darin, daß die bisher primär an
                                                        Kommunikations-Barriere und die Optimierungs-
Softwareentwicklungen        beteiligten Personen-
                                                        Barriere [Rauterberg-91]. Die Tatsache, dass die
gruppen häufig nicht erkennen, daß Softwareent-
                                                        Behebungskosten für Fehler, welche erst in der
wicklung zumeist auch Arbeits- und/oder Organisa-
                                                        Benutzungsphase entdeckt werden, mindestens
tionsgestaltung ist. Dies erfordert notwendiger
                                                        100 mal grösser sind als die Kosten für ihre
Weise eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
                                                        Behebung in der Anforderungsphase, lässt eine
zwischen Arbeits- und Organisations-Experten
                                                        Optimierung vor allem in den frühen Phasen des
einerseits und Softwareentwicklungs-Experten an-
                                                        Softwareentwicklungsprojektes      als    zwingend
dererseits [Rauterberg-91, -92a] [Waeber-91].
                                                        notwendig erscheinen [Boehm-81a:40]. Da jedoch
Wegen der umfangreichen Qualifikation in dem je-
                                                        die frühen Phasen primär durch das Management
weiligen Fachgebiet ist es nur sehr begrenzt mög-
                                                        sozialer Prozesse gekennzeichnet sind, müssen
lich, auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zu
                                                        hier entsprechende Konzepte und Methoden aus
verzichten.
                                                        den Sozial- und Arbeitswissenschaften ange-
                                                        wendet werden.
3. Gestaltung des Software-
                                                        3.2. Ein soziotechnisches
erstellungsprozesses
                                                             Konzept für die
Viele Softwareprojekte sind durch komplexe,                  Softwareentwicklung
innovative und zeitkritische Problemstellungen ge-
kennzeichnet. Das Projektmanagement dient dazu,         Nach dem soziotechnischen Systemansatz be-
diese schwierige Situation zu bewältigen und sollte     stehen Organisationen aus einem sozialen Teilsy-
daher als ganzheitliches Vorhaben verstanden            stem (den Organisationsmitgliedern mit deren
werden, das die für ein Projekt notwendigen pla-        individuellen und kollektiven Interessen und Qualifi-
nenden, steuernden, überwachenden, metho-               kationen) und einem technischen Teilsystem (den
dischen und personalbezogenen Aktivitäten um-           Betriebsmitteln und technologischen Beding-
fasst. Als Erfolgskriterien sind ergebnisbezogen die    ungen). Unter dieser Perspektive lässt sich auch
Leistung und Qualität des Systems, der Kosten-          die Organisation von Softwareentwicklungsprojek-
und Zeitaufwand für dessen Entwicklung sowie            ten betrachten (siehe Abb. 1). Das technische Teil-
prozeßbezogen die Zufriedenheit aller Projektbe-        system lässt sich somit durch die Projektaufgaben
teiligten und -betroffenen mit dem Projektverlauf       auf strategischer und operativer Ebene wie auch
und dessen Ergebnis von Relevanz [Rauterberg-           durch mögliche Methoden, Instrumente und Werk-
91] [Weltz-92] [Spinas-93]. Man kann feststellen ,      zeuge zur Erfüllung dieser Aufgaben definieren
daß traditionelle Organisationsmodelle bei der          [Beck-93]. Das soziale System ist durch die Pro-
Softwareentwicklung mit Problemen verbunden             jektbeteiligten   mit    ihren    projektspezifischen
sind, welche Zweifel daran aufkommen lassen, ob         Bedürfnissen, Interessen und Qualifikationen
in solchen Projektstrukturen in effizienter Weise be-   definiert. Für die konkrete Gestaltung der Aufbau-
nutzer- und aufgabenangemessene Software ent-           und Ablauforganisation, sowie die Wahl der Ent-
stehen kann [Weltz-92] [Spinas-93].                     wicklungsmittel ergeben sich in Abhängigkeit von
                                                        den Projektzielen und der Projektklassifikation viel-
                                                        fältige Optionen, die im Sinne der Gestaltungskri-
3.1. Traditionelle Software-                            terien des soziotechnischen Systemansatzes
     entwicklung                                        sowie einer interessenausgleichenden Berücksich-
                                                        tigung der verschiedenen Projektbeteiligten und –
Analysiert man Softwareentwicklungsprozesse, so         betroffenen genutzt werden sollten.
erkennt man eine Reihe von Problemen und
Schwachstellen. Die Ursachen hierfür sind sowohl        Hinsichtlich der Aufbauorganisation eines Projektes
in den verwendeten theoretischen Konzepten und          sind diese Optionen z.B. mit folgenden Fragen ver-
den traditionellen Vorgehensweisen (insbesondere        bunden: Aus welchen Personen setzt sich das Pro-
Projektmanagement), als auch in unzureichenden          jektteam zusammen? Welche Rolle nehmen die
Kostenrechnungsmodellen begründet. Aufgrund             verschiedenen Projektbeteiligten ein? Welche
der Analyse zahlreicher Beispiele aus der Praxis        Kompetenzen haben die einzelnen Projektbe-
der Softwareentwicklung liegt in der Literatur eine     teiligten? Liefern die Benutzer lediglich fach-
Sammlung von Lösungsmöglichkeiten vor, welche           spezifische Informationen und evaluieren ad hoc
übereinstimmend auf die Bedeutung der Partizipa-        die Lösungsvorschläge der Entwickler oder
tion aller betroffenen Gruppen hinweist. Die            arbeiten sie aktiv an der Konzeption und Realisie-
                                                        rung des Systems im Projektteam mit? Werden
14                                                  E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse”

neben dem Projektteam themenspezifischen Ar-                    organisation. Diese Formen der Ablauforganisation
beitsgruppen eingerichtet?                                      werden wiederum durch den Einsatz von Projekt-
                                                                entwicklungsmitteln wie Aufgabenanalysen, Pro-
Eine starke Integration von Benutzern in die Auf-
                                                                grammiersprachen der 4. Generation, Werkzeugen
bauorganisation mittels gemischten Projektteams
                                                                wie Masken- und Dialoggeneratoren etc. am
und Arbeitsgruppen ist natürlich auch mit Impli-
                                                                besten unterstützt bzw. überhaupt erst praktikabel.
kationen für die Ablauforganisation und die benö-
                                                                Spätestens zu diesem Zeitpunkt kommen Fragen
tigten Entwicklungsmittel verbunden. So wäre etwa
                                                                bzgl. Investitionen in die Entwicklungsumgebung
ein iterativ-zyklisches oder inkrementelles Vorge-
                                                                und Qualifizierungsmassnahmen für die Projekt-
hen unter Einsatz von Prototyping oder Versioning
                                                                arbeit auf.
ein adäquates Pendant zu einer solchen Aufbau-

                   Technisches Teilsystem                          Soziales Teilsystem

                   Projektaufgaben
                   Strategische Ebene
                   -Zieldefinition
                   -Projektklassifikation

                   Operative Ebene
                                                Projektgestaltung
                                                                                Projektbeteiligte
                  - Planung                   In Abhängigkeit von der Ziel-      z.B.
                  - Anforderungsanalyse       definition sowie Projekt-        - Auftraggeber
                  - Spezifikation & Entwurf   klassifikation ergeben sich      - Auftragnehmer
                  - Realisierung              Optionen bzgl. der Gestaltung    - Projektleiter
                  - Benutzung                 von Aufbau-, Ablaufor-           - Benutzer
                                              ganisation sowie Wahl der Ent-    -Software-Entwickler
                                              w icklungsmittel                  -Arbeitsgestalter
                                                                                -Organisationsgestalter

                    Projektentwicklungs-
                    mittel
                   Mögliche
                   - Methoden
                   - Instrumente
                   - Werkzeuge

              Abbildung 1 Eine soziotechnische Betrachtung der Organisation von Software-
                                        Entwicklungsprojekten.

Diese Fragen bzw. Implikationen zeigen die Not-
wendigkeit und zugleich auch die Vorteile eines so-             3.3. Teamorganisation bei Soft-
ziotechnischen bzw. ganzheitlichen Vorgehens bei                     wareentwicklungsprojekten
der Planung und Gestaltung von Software-Projek-
ten. Nur diese Sichtweise ermöglicht schliesslich,              In zahlreichen neueren Projektmanagement-
die einzelnen Elemente des Projektmanagements                   büchern wird übereinstimmend Teamarbeit als die
gemeinsam zu optimieren und aufeinander abzu-                   adäquate Arbeitsorganisation für die Abwicklung
stimmen. Frühzeitige Transparenz für alle Beteilig-             von Projekten dargestellt. Die Ergebnisse einer
ten über das Projekt, ein auf die Projektziele und              Meta-Analyse zu Projekterfolgskriterien [Gemün-
Rahmenbedingungen abgestimmtes Vorgehen,                        den-90] zeigen, dass sehr verschiedene Merkmale
sowie die verringerte Gefahr, dass im Laufe des                 eines Projektteams wie z.B. Fachkompetenz, Ent-
Projektes "unvorhergesehenes" oder "nichtbe-                    scheidungskompetenzen, Partizipation, Motivation,
dachtes" eintritt, sind die wesentlichen Vorteile.              Fluktuation/Kontinuität im Zusammenhang mit Pro-
                                                                jekterfolgskriterien stehen. "Es fällt auf, daß per-
                                                                sonalen Faktoren ein wesentlich höheres Gewicht
E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse                                                         15

zukommt als technokratischen           Instrumenten"           (2) innerer Aufgabenzusammenhang im Pro-
[Gemünden-90:13].                                              jektteam, sowie
Das Verständnis darüber, wie Teamarbeit zu ge-                 (3) Einheit von Produkt und Projektteam.
stalten ist, damit eine kompetente und motivierte
                                                         Aus der Anwendung dieser drei Kriterien folgt, dass
Aufgabenausführung in einem Projektteam erfolgt,
                                                         einer Gruppe von Analytiker-Programmierern eine
ist allerdings in der betrieblichen Praxis sehr unter-
                                                         ganzheitliche Projektaufgabe - welche ideal-
schiedlich. Projektteams sind häufig funktional und
                                                         typischerweise möglichst viele interdependente
sehr arbeitsteilig organisiert. In grossen Projekten
                                                         Teilaufgaben eines Software-Lebenszyklus um-
werden z.T. Teams für die Analyse und Konzept-
                                                         fasst - zur weitgehend selbständigen Bearbeitung
entwicklung, andere für die Spezifikation und Reali-
                                                         übertragen wird [Spinas-93]. In gemischten Teams
sierung und wiederum andere für die Qualitäts-
                                                         wird eine solche Gruppe z.B. durch Benutzer-
sicherung eingerichtet. In kleineren Projekten
                                                         vertreter ergänzt. Die Übertragung einer ganzheit-
dagegen wird zwar häufig nur ein Projektteam ein-
                                                         lichen Projektaufgabe bzw. eines ganzheitlichen
gesetzt, das die gesamten Aufgaben des Software-
                                                         Auftrages ist eine wesentliche Voraussetzung für
Lebenszyklus bearbeitet; solche Teams sind je-
                                                         das Verständnis einer gemeinsamen Aufgabe im
doch häufig intern funktionsorientiert und arbeits-
                                                         Team. Dieses Verständnis ermöglicht ein höheres
teilig ausgerichtet und zusammengesetzt. Pro-
                                                         Mass an Selbstregulation und gegenseitiger Unter-
grammierer werden vorwiegend mit programmier-
                                                         stützung [Ulich-91].
technischen und testenden Aufgaben beauftragt,
dagegen selten mit analytischen und konzep-              In einem selbstregulierten Projektteam werden
tionellen Aufgaben, die vorwiegend zum Aufgaben-         neben der ganzheitlichen Projektaufgabe, organi-
bereich des Projektleiters und Systemanalytikers         satorische Aufgaben wie die interne Koordination
gehören. Programmierer, die unter solch arbeits-         und Aufgabenverteilung, Feinbudgetierung und -
teiligen Bedingungen arbeiten, sind mit ihrer Ar-        planung etc. wahrgenommen und ausgeführt. Im
beitssituation häufig sehr unzufrieden, da für sie       Sinne der arbeitswissenschaftlichen Forderung für
weder Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Pro-         die industrielle Produktion, Qualität nicht zu er-
grammieren noch mit Benutzern speziell in der            prüfen, sondern zu erzeugen, ist die begleitende
Analyse- und Konzeptionsphase bestehen. Durch            Qualitätssicherung (QS) über alle Projektschritte
mangelnden Überblick über eine komplexe Aufga-           des Software-Lebenszyklus, eine weitere Aufgabe
be erleben sie ihre Arbeit als partialisiert und ent-    des Projektteams. Dies beinhaltet, dass das Team
fremdet [Hacker-89]. Dies ist gut nachvollziehbar,       z.B. auch Reviews zu den Anforderungen, zur Spe-
wenn man bedenkt, dass Software-Entwickler               zifikation und zum Entwurf durchführt. Dazu sollten
selbst vor allem die analytischen und konzep-            zuverlässige Methoden, Verfahren und Werkzeuge
tionellen Aufgaben - im Unterschied zu den rea-          zur Qualitätssicherung zur Verfügung stehen
lisierenden Aufgaben - als fachlich und sozial           [Wallmüller-90].
herausfordernd und somit qualifizierend erleben!
[Frese-91].                                              Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit in
                                                         selbstregulierten Projektteams ist die soziale
Starke Funktions- und Arbeitsteilung in und              Integration. Deshalb sollte das Projektteam - für die
zwischen Projektteams resultiert in einem Mangel         Zeit der Projektarbeit - in einem gemeinsamen
an Transparenz, Eigeninitiative und Verant-              Büro oder zumindest räumlich nahe zusammenar-
wortungsübernahme bei den Teammitgliedern, die           beiten, damit Kommunikation und Kooperation im
Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bei der Arbeit       Team erleichtert wird.Neben einer individuellen und
sind eingeschränkt, geringe Motivation und Produk-       kollektiven Aufgabenorientierung können auch ge-
tivität können die Folge davon sein. Dass dies in        meinsame Aktivitäten des Projektteams ausserhalb
der betrieblichen Praxis mancherorts erkannt             des Projektalltages eine positive Teamentwicklung
worden ist, zeigt sich daran, dass verstärkt Analy-      fördern. In grösseren Projekten, die entsprechend
tiker-Programmierer - die mit der Bearbeitung mög-       den Einsatz mehrerer solcher Teams erfordern,
lichst vieler Aufgaben des Software-Entwicklungs-        wäre eine wesentliche Funktion des Projektleiters
prozesses beauftragt werden können - ausgebildet         die Koordination der verschiedenen Teams, damit
bzw. auf dem Arbeitsmarkt gesucht werden.                konsistente Teilergebnisse entstehen, die zu einem
                                                         Ganzen zusammengeführt werden können.
Die Gestaltung von Projektteams sollte sich an
folgenden sozio-technischen Prinzipien orientieren       Der Aufteilung von grossen Projektaufträgen in
(nach [Ulich-91]):                                       kleine, überschaubare und ganzheitliche Teilauf-
      (1) relative Unabhängigkeit des Projekt-           träge im Sinne einer produktorientierten Arbeits-
      teams,                                             teilung - welche auf der Basis einer modularen Sy-
                                                         stemkonzeption erfolgen kann - kommt in diesem
16                                               E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse”

Zusammenhang eine zentrale Bedeutung zu                    Projektstruktur überlappender Gruppen eine Not-
[Scacchi-91:308]. In einem sehr grossen Projekt,           wendigkeit, um verteiltes Wissen und verschiedene
welches die Einrichtung von z.B. 6 selbstregulier-         Arbeitsergebnisse zu integrieren (siehe Abb.2).
ten Projektteams bedingt, ist die Schaffung einer

                                            Projektleitung
                                                       O

                             O                                              O
                                       Übergeordnete Teams

              O             O              O                O            O             O
              OO            OO             OO               OO           OO           OO
             OOO           OOO            OOO              OOO          OOO          OOO
                                    Selbstregulierte Projektteams

             Abbildung 2 Ein Modell überlappender Projektteams (in Anlehnung an [Likert-72]).

Übergeordnete Teams werden dabei aus Ver-                  -   diese Form der Projektorganisation wirkt der
tretern der verschiedenen Projektteams gebildet.               Bürokratisierung entgegen.
Die Vertreter in diesen übergeordneten Gruppen             Kontinuität in der personellen Zusammensetzung
werden entweder durch das Team fest bestimmt               von Projektteams, durch die Qualifikationen und
oder wechseln nach einem Rotationsprinzip. Die             Erfahrungen erhalten werden und nicht z.B. infolge
Aufgaben dieser übergeordneter Teams können                von Fluktuationen verlorengehen, wird durch
Koordination, Wissens- und Ergebnistransfer oder           selbstregulierte Projektteams mit individueller und
spezifische Aufträge beinhalten. Die Entwicklung           kollektiver Aufgabenorientierung ebenfalls wahr-
eines Gesamtkonzeptes des Systems oder eines               scheinlicher bzw. besser erreicht. Damit sich diese
übergreifenden Konzeptes zur Qualitätssicherung            Vorteile einstellen, sind jedoch einige Bedingungen
sind Beispiele für Projektaufgaben, welche in              zu erfüllen:
übergeordneten Teams ausgeführt werden können
                                                           - die Projektaufgabe sollte für die
bzw. müssen. Vertreter mehrerer übergeordneter
                                                                Teammitglieder überschaubar sein,
Teams bilden - falls notwendig - mit der Projekt-
leitung eine weitere Instanz, in der projektüber-          - die einzelnen Teilaufgaben sollten einen
greifend Absprachen und Koordination stattfinden                inneren Zusammenhang aufweisen,
können.                                                    - das Projektteam sollte über vereinbarte
                                                                Output-Ziele verfügen,
Eine Projektorganisation mit selbstregulierten
Teams kann folgende Vorteile aufweisen:                    - das Projektteam sollte über den Grad der
                                                                Zielerreichung laufend Feedback erhalten,
-   sie fördert die Identifikation des Teams mit der
    Projektaufgabe,                                        - die Teamgrösse sollte der
                                                                Aufgabenkomplexität optimal angepasst sein.
-   die Arbeit in einem solchen Team ist
    qualifizierend in fachlicher wie sozialer Hin-         Erfahrungsgemäss zeigt sich, dass Arbeitsgruppen
    sicht,                                                 bzw. Projektteams eine Grösse von 8-10 Personen
-   die Motivation, Flexibilität, Kreatitivität und        nicht übersteigen sollten, damit neben der ge-
    gegenseitige Unterstützung werden gefördert,           forderten aufgabenbezogenen Transparenz auch
E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse                                                       17

die Transparenz des "sozialen Systems" erhalten         gleichzeitig mehrere Optimierungs-Zyklen aktiv, so
bleibt. Ergebnisfeedback schon während der Ent-         müssen diese adäquat synchronisiert werden
wicklung ist wiederum am besten durch den               [Zelkowitz-79:5]    [Rauterberg-91]      [Hesse-92].
Einsatz von Prototyping und eine frühe und enge         Dieser Aspekt ist deshalb besonders wichtig, weil
Zusammenarbeit mit den Benutzern zu erreichen.          nur so das Ausmaß an Inkonsistenzen innerhalb
Eine weitere wichtige Voraussetzung für diese           des gesamten Entwicklungsprozesses minimiert
Arbeitsform ist ein Entlohnungskonzept, das             werden kann (–> "simultaneous engineering").
weniger auf einer individuellen Leistungsbemes-         Wenn z.B. parallel zur Implementationsphase wei-
sung basiert, als vielmehr die gesamte Team-            tere Rücksprachen und Anforderungsanalysen mit
leistung sowie die Qualifikation der einzelnen          dem Anwender stattfinden, passiert es leicht, daß
Teammitglieder - das heisst ihr Können und damit        die Entwickler gemäß der stets veralteten Spezifi-
ihre Flexibilität und Einsetzbarkeit - honoriert (Pay   kationen oftmals für den "Papierkorb" programmie-
for knowledge). Folgende Kriterien können für die       ren. Die Ursache hierfür ist bei fehlender oder
Berechnung des individuellen Lohnanteils in Be-         mangelnder Synchronisation dieser beiden Opti-
tracht gezogen werden:                                  mierungs-Zyklen in ihrer unterschiedlichen Zyklus-
    Wieviele Programmiersprachen/Entwicklungs-          Dauer zu sehen [Rauterberg-91]. Einen we-
    werkzeuge beherrscht das Teammitglied?              sentlichen Einfluß auf die Qualität des Software-
                                                        produktes hat die Art und Weise der Kommuni-
    Welche Aufgaben des Software-Lebenszyklus
                                                        kation zwischen Entwickler und Anwender, sowie
    kann das Teammitglied bearbeiten?
                                                        der Entwickler untereinander [Kraut-90].
    Welche Branchen-/Fachbereichskenntnisse hat
    das Teammitglied?                                   Mittels Fallstudien und einer schriftlichen Umfrage
                                                        in mehr als 100 Betrieben wurden Entwicklungs-
Inviduelle Lohnanteile nach einem solchen               prozesse für Applikationssoftware untersucht
Könnenskonzept unterstützen eine individuell wie        [Strohm-91]. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass
auch kollektiv erlebte Lohngerechtigkeit und            ein auf die frühen Phasen zentrierter Entwick-
fördern die Bereitschaft der Teammitglieder Qualifi-    lungsprozess, aktive Benutzerbeteiligung, sowie
zierungsmassnahmen zu nutzen. Die Anwendung             der Einsatz von Protoyping zur Reduktion des
dieses Konzeptes setzt einen Konsens im Team            Wartungsaufwandes, der termin- und der Kosten-
über folgende Fragen voraus [Ulich-91]:                 überschreitungen beiträgt [Rauterberg-92b]. Die
    Welche Ansätze der Arbeitsbewertung werden          Grundannahme des Wasserfall-Modells, dass
    angewendet?                                         nämlich alle Anforderungen in der Anfangsphase
    Welche einheitlichen und überprüfbaren Krite-       vollständig bekannt sind, exakt beschrieben
    rien werden dabei verwendet?                        werden können und sich nicht verändern, kann
                                                        nicht länger aufrecht erhalten werden [Rauterberg-
    Wer nimmt in welchem zeitlichen Abständen           91]. Das Endprodukt entfernt sich, z.B. durch Modi-
    eine Überprüfung der Beurteilung sowie mög-         fikationen oder Restriktionen bei der Pro-
    liche Höherstufungen vor?                           grammierung, von den ursprünglichen Benutzeran-
    Mit welchem Gewicht findet die Qualifizierung       forderungen. Ferner wurde deutlich, daß schrift-
    der Teammitglieder bei der Festlegung der           liche Systembeschreibungen, Pflichtenhefte und
    Tätigkeit des Vorgesetzten z.B. des Projekt-        Diagramme von den Benutzern schwer verstanden
    leiters und deren Bewertung Berücksichtigung?       und – insbesondere negative – Konsequenzen für
Teamleistungsanteile, die z.B. für das Erreichen        die spätere Systembenutzung kaum erkannt
vereinbarter Qualitäts- oder Budgetziele vorge-         werden können [Waeber-91].
sehen sind, sollten dagegen gleichmässig auf alle       Innovative, erfolgreiche Entwicklungsprojekte hin-
Teammitglieder verteilt werden, damit auch die kol-     gegen weisen folgende Merkmale auf:
legiale Unterstützung im Projektteam gefördert          • ganzheitliche Aufgaben für die Projektmitarbeiter-
wird.                                                   Innen,
                                                        • aktive Benutzerbeteiligung,
3.4. Ablaufmodell für den                               • einkalkulierter Mehraufwand für analytische und
                                                        konzeptionelle Arbeiten in den Anfangsphasen,
     Softwareentwicklungsprozeß                         • Durchführung von Aufgabenanalysen,
Ein wesentliches Problem der adäquaten Ver-             • iterativ-zyklische Vorgehensweise im Projektab-
zahnung der verschiedenen Optimierungs-Zyklen           lauf, sowie
im Quadranten-Modell iterativer Softwareentwick-        • Einsatz von Prototyping zur Anforderungspräzi-
lung (siehe Abb. 3) besteht in der Synchronisation      sierung und zur Gestaltung der Benutzungsober-
dieser Zyklen. Sind an verschiedenen Stellen im         fläche.
partizipativen      Softwareentwicklungs-Konzept
18                                                   E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse”

                                                               In einem Softwareprojekt zur Entwicklung und Ein-
Prototypen eignen sich nicht nur als anschauliche
                                                               führung eines Bürokommunikationssystem war das
'Verhandlungsobjekte' für Diskussionen zwischen
                                                               mit einem innovativen Vorgehen (Arbeitsanalysen,
Benutzern und Entwicklern, sondern tragen auch
                                                               Prototyping,    Benutzerbeteiligung)   entwickelte
zur besseren Strukturierung von Ideen der Ent-
                                                               System dem mit traditionellem Vorgehen (Phasen-
wickler bei [Budde-84]. Auf diesen Erkenntnissen
                                                               modell/keine Partizipation) entwickelten Produkt
aufbauend wurden die Organisation benutzerorien-
                                                               hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit und Aufgaben-
tierter Softwareentwicklungsprozesse in konkreten
                                                               angemessenheit deutlich überlegen.
Entwicklungsprojekten untersucht und mitgestaltet.

       Quadrant-I: Anforderungsanalyse                                     Quadrant-IV: Benutzung

                                            benutzer-orientierte
             System-                             Umfragen                  Verkauf,
             anforderungen                 (z.B. Registrierkarten)         Wartung,
                                               (1-30 Tage)                 Implementation

               Analyse und                                                     induktive
                                                                               und/oder
               Softwareanforderungen                                          deduktive
                                                                          benutzungs-orientierte
                                                                            Benchmarktests
                                                                             (1-30 Tage)
              Benutzer-          benutzer-
              Entwickler         orientierte
              Workshops          Umfrage
             (1 - 3 Tage)       (1-30 Tage)
                                                                                      Test-Phase
                                                                                        (alpha-,
                                                                                      beta-Tests)

              Prototyping           Detail-
               und/oder             spezifi-
               induktive
                                    kation
              benutzungs-
               orientierte
              Benchmark-            &
                 tests                                                       Programmierung
              (1-30 Tage)           Entwurf

        Quadrant-II: Spezifikation & Entwurf                            Quadrant-III: Realisierung

    Abbildung 3 Übersicht über verschiedene Methoden der Benutzerbeteiligung bei Softwareentwicklung im
                       Rahmen des zyklischen Quadrantenmodells [Rauterberg-91]1.

1    Die bei [Hesse-92] vorgestellten vier "Sektoren der Software-Technologie-Landschaft" sind mit den
     Quadranten weitgehend deckungsgleich. Leider ist ein entsprechender Literaturhinweis auf [Rauterberg-
     91] nicht zu finden.
In: Ergonomie & Informatik, Vol. 20, 1993, pp. 7-21.

4. Zukünftiger Forschungs- und Entwicklungsbedarf
Es werden Methoden zum "Management der sozialen Prozesse im Arbeitssystem" benötigt, welche zur Zeit
von Unternehmensberatern und Organisationsgestaltern mit einer leider oftmals ausschließlich orga-
nisatorischen Perspektive eingesetzt werden. Es fehlen Methoden, welche die Analyse, Bewertung und Ge-
staltung von Unternehmen ermöglichen, bei denen von Anfang an systematisch der Einsatz von Technik mit-
gedacht und geplant wird. Hierzu ist es notwendig, daß speziell qualifizierte Arbeits- und Organisationsgestal-
ter mit fundierten Kenntnissen über formale Spezifikationsmethoden eingesetzt werden. Es werden Methoden
zum "Management der sozialen Prozesse im Softwareentwicklungsprozeß" benötigt, welche primär auf die
Gestaltung der sozialen und kommunikativen Aspekte ausgerichtet sind. Diese Methoden können über
entsprechend qualifizierte Projektmanager zum Einsatz gelangen und weiterentwickelt werden. Es fehlen
weitere grundlegende Methodenvergleichsstudien, in denen die noch offenen Problembereiche geklärt
werden könnten (vgl. etwa: [Boehm-81b] [Müller-Holz-91] [Kirsch-91] [Jeffries-91] [Jeffries-92]). Die oftmals
veröffentlichten Falldarstellungen sind in ihrer Aussagekraft viel zu begrenzt, als daß sich daraus zwingende
Schlussfolgerungen ableiten ließen. Es bedarf verstärkt der "Hilfe zur Selbsthilfe". Projekte, bei denen die
Aufgabe der Begleitforscher auf die Rolle von Beratern begrenzt ist, sind unterrepräsentiert. Für diesen
Projekttyp sind Experten für Organisations- und Technikgestaltung unabdingbar.

Literaturangaben
[Ammons-56] Ammons, R.B. (1956). Effects of knowledge of performance: a survey and tentative theoretical formulation.
          Journal of General Psychology 54:279-299.
[Beck-93] Beck, A. & Janssen, C. (1993) Vorgehen und Methoden für aufgaben- und benutzerangemessene Gestaltung
          von grafischen Benutzungsschnittstellen. in: W. Coy, P. Gorny, I. Kopp & C. Skarpelis (Hrsg.)
          Menschengerechte Software als Wettbewerbsfaktor. (German Chapter of the ACM Berichte 40, S. 200-221).
          Stuttgart: Teubner.
[Boehm-81a] Boehm, B. (1981) Software Engineering Economics. Englewood Cliffs: Prentice Hall.
[Boehm-81b] Boehm, B W., Gray, T. & Seewaldt, T (1981) Prototyping versus specifying: a multiproject experiment. IEEE
          Transactions on Software Engineering, SE-10(3):224-236
[Boehm-86] Boehm, B. (1986) Wirtschaftliche Software-Produktion. Wiesbaden: Forkel.
[Brodbeck-93] Brodbeck, F. & Sonnentag, S. (1993) Arbeitsanforderungen und soziale Prozesse in der Software-Entwick-
          lung. in: W. Coy, P. Gorny, I. Kopp & C. Skarpelis (Hrsg.) Menschengerechte Software als Wettbewerbsfaktor.
          (German Chapter of the ACM Berichte 40, S. 248-258). Stuttgart: Teubner.
[Budde-84] Budde, R., Kuhlenkamp, K., Mathiassen, L. & Züllighoven, H. (1984, eds.) Approaches to Prototyping. Berlin:
          Springer.
[Cherns-76] Cherns, A. (1976) The principles of organizational design. Human Relations, 29:783-792.
[Dunckel-93] Dunckel, H., Volpert, W., Zölch, M., Kreutner, U., Pleiss, C. & Hennes, K. (1993) Konstrastive
          Aufgabenanalyse im Büro. (Mensch Technik Organisation, Band 5; E. Ulich, Hrsg.). Stuttgart: Teubner.
[Eidenmüller-87] Eidenmüller, B. (1987) Auswirkungen neuer Technologien auf die Arbeitsorganisation. Fortschrittliche
          Betriebsführung und Industrial Engineering, 36(H.1):4-8.
[Emery-59] Emery, F.E. (1959) Characteristics of socio-technical systems. Document No. 527. London: Tavistock Institute
          of Human Relations.
[Emery-74] Emery, F.E. & Emery, Y. (1974) Participative Design. Canberra: Centre for Continuing Education, Australian
          National University.
[Emery-76] Emery, F.E. & Thorsrud, E. (1976) Democracy at Work. Leiden: Martinus Nijhoff.
[Emery-82] Emery, F.E. & Thorsrud, E. (1982) Industrielle Demokratie. (Schriften zur Arbeitspsychologie, Band 25; E.
          Ulich, Hrsg.). Bern: Huber.
[Frese-91] Frese, M., Fritz, A., Stolte, W. & Brodbeck, F. (1991) Eine erste Analyse von Tätigkeiten und ihre Anforderun-
          gen. Posterbeitrag auf der Arbeitstagung "Software für die Arbeit von morgen". München.
[Gemünden-90] Gemünden, G. (1990) Erfolgsfaktoren des Projektmanagements - eine kritische Bestandsaufnahme der
          empirischen Untersuchungen. Projekt Management, 1&2:4-15.
[Hacker-86] Hacker, W. (1986). Arbeitspsychologie. (Schriften zur Arbeitspsychologie, Band 41; E. Ulich, Hrsg.). Bern:
          Huber.
20                                                     E&I November 1993 – Schwerpunkt “Aufgabenanalyse”

[Hacker-87] Hacker, W. (1987) Software-Ergonomie: Gestalten rechnergestützter Arbeit? In: W. Schönplug & M. Wittstock
            (Hrsg.), Software-Ergonomie'87: Nützen Informationssysteme dem Benutzer? (S. 31-54). Stuttgart: Teubner.
[Hacker-89] Hacker, W. (1989) Designing the designer's task: participative analysis and evaluation of software develop-
            ment tasks. In: M. Smith & G. Salvendy (eds.), Work with Computers: Organizational, Management, Stress and
            Health Aspects (p. 163-168). Amsterdam: Elsevier.
[Hellpach-22] Hellpach, W. (l922) Sozialpsychologische Analyse des betriebstechnischen Tatbestandes "Gruppenfabrika-
            tion". In R. Lang und W. Hellpach: Gruppenfabrikation (S. 5-186). Berlin: Springer.
[Hesse-92] Hesse, W., Merbeth, G. & Frölich, R. (1992) Software-Entwicklung. München Wien: Oldenbourg.
[Hoyos-90] Hoyos, C. (1990) Menschliches Handeln in technischen Systemen. In: C. Hoyos & B. Zimolong (Hrsg.) Enzy-
            klopädie der Psychologie, Band D III 2, Ingenieurpsychologie (S. 1-30). Göttingen: Hogrefe.
[Jeffries-91] Jeffries, R., Miller, J., Wharton, C. & Uyeda, K. (1991) User interface evaluation in the real world: a compari-
            son of four techniques. In: S. Robertson, G. Olson & J. Olson (eds.) Human Factors in Computing Systems:
            Reaching through technology CHI'91 (pp.119-124). New York: ACM.
[Jeffries-92] Jeffries, R. & Desurvire, H. (1992) Usability testing vs. heuristic evaluation: was there a contest? SIGCHI Bul-
            letin, 24(4):39-41.
[Kirsch-91] Kirsch, C. (1991) Benutzerbeteiligung bei der Datenmodellierung. Softwaretechnik-Trends. 11(3):93-103.
[Kraut-90] Kraut, R. & Streeter, L. (1990) Satisfying the need to know: interpersonal information access. In: D. Diaper et
            al. (eds.) Human-Computer Interaction – INTERACT'90 (pp. 909-915). Amsterdam: Elsevier.
[Lanc-75] Lanc, O. (1975) Ergonomie. (Urban Taschenbücher, Band 197). Stuttgart: Kohlhammer.
[Likert-72] Likert, R. (1972) Neue Aspekte der Unternehmensführung. Schriftenreihe "Führung und Organisation der Un-
            ternehmung", Band 14. Bern: Paul Haupt.
[Müller-Holz-91] Müller-Holz auf der Heide, B., Aschersleben, G., Hacker, S. & Bartsch, T. (1991) Methoden zur empiri-
            schen Bewertung der Benutzerfreundlichkeit von Bürosoftware im Rahmen von Prototyping. In: Frese, M.,
            Kasten, C., Skarpelis, C. & Zang-Scheucher, B. (eds.) Software für die Arbeit von morgen (S. 409-420). Berlin
            Heidelberg New York: Springer.
[Naur-85] Naur, P. (1985) Programming as theory building. Microprocessing and Microprogramming, 15:253-261.
[Rauterberg-91] Rauterberg, M. (1991) Partizipative Konzepte, Methoden und Techniken zur Optimierung der Software-
            entwicklung. Softwaretechnik-Trends, 11(3):104-126..
[Rauterberg-92a] Rauterberg, M. (1992) Partizipative Modellbildung zur Optimierung der Softwareentwicklung. In: R.
            Studer (Hrsg.), Informationssysteme und Künstliche Intelligenz: Modellierung (S. 113-128). Berlin : Springer.
[Rauterberg-92b] Rauterberg, M. & Strohm, O. (1992) Work Organization and Software Development. In: P. Elzer & V.
            Haase (eds.), Proceedings of 4th IFAC/IFIP Workshop on "Experience with the Management of Software Pro-
            jects". Annual Review of Automatic Programming, 16 (2):121-128.
[Reisin-91] Reisin, M. (1991) Kooperativer Aufbau einer gemeinsamen Referenztheorie. In: P. Brödner, G. Simonis & H.
            Paul (Hrsg.), Arbeitsgestaltung und partizipative Systementwicklung (S. 59-79). Opladen: Leske & Budrich.
[Rice-58] Rice, A.K. (1958) Productivity and social organization: the Ahmedabad experiment. London: Tavistock.
[Scacchi-91] Scacchi, W. (1991) Understanding software productivity: towards a knowledge-based approach. International
            Journal of Software Engineering and Knowledge Engineering, 1(3):293-321.
[Spinas-93] Spinas, P., Rauterberg, M., Strohm, O., Waeber, D. & Ulich, E. (1993, in Druck) Benutzerorientierte Software-
            Entwicklung. Konzepte, Methoden und Vorgehen zur Benutzerbeteiligung. (Schriftenreihe Mensch, Technik,
            Organisation, Band 3; E. Ulich, Hrsg.). Zürich: Verlag der Fachvereine.
[Spur-89] Spur, G. (1989) Unternehmungsführung in der künftigen Industriegesellschaft. Siemens Zeitschrift, 63(6):4-9.
[Strohm-91] Strohm, O. (1991) Projektmanagement bei der Softwareentwicklung. In: D. Ackermann & E. Ulich (Hrsg.),
            Software-Ergonomie '91. Benutzerorientierte Software-Entwicklung (S. 46-58). Stuttgart: Teubner.
[Tomaszewski-81] Tomaszewski, T. (1981). Struktur, Funktion und Steuerungsmechanismen menschlicher Tätigkeit. In:
            T. Tomaszewski, (Hrsg.): Zur Psychologie der Tätigkeit. Berlin (DDR): Deutscher Verlag der Wissenschaften,
            11-33.
[Ulich-78] Ulich, E. (1978) Über das Prinzip der differentiellen Arbeitsgestaltung. Industrielle Organisation, 47, 566-568.
[Ulich-88] Ulich, E. (1988) Arbeits- und organisationspsychologische Aspekte. In: H. Balzert, H.U. Hoppe, R. Oppermann,
            H. Peschke, G. Rohr und N. Streitz (Hrsg.): Einführung in die Software-Ergonomie (S. 49-66). Berlin: de
            Gruyter.
[Ulich-89a] Ulich, E. (1989) Arbeitspsychologische Konzepte der Aufgabengestaltung. In: S. Maass & H. Oberquelle
            (Hrsg.), Software-Ergonomie '89: Aufgabenorientierte Systemgestaltung und Funktionalität (S. 51-65). Stuttgart:
            Teubner.
[Ulich-89b] Ulich, E. (1989). Individualisierung und differentielle Arbeitsgestaltung. In: C. Graf Hoyos und B. Zimolong,
            (Hrsg.): Ingenieurpsychologie. Enzyklopädie der Psychologie. Göttingen: Hogrefe.
[Ulich-91] Ulich, E. (1991) Arbeitspsychologie. Stuttgart: Poeschel-Verlag.
Sie können auch lesen