Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
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Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, ARBEIT UND WOHNUNGSBAU
Impressum Herausgeber: Verteilerhinweis: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung Baden-Württemberg Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Neues Schloss, Schlossplatz 4 Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit heraus- 70173 Stuttgart gegeben. Sie darf während eines Wahlkampfes weder von Tel.: 0711 123-0 Parteien noch von deren Kandidaten und Kandidatinnen oder Fax: 0711 123- 2121 Hilfskräften zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. poststelle@wm.bwl.de Dies gilt für alle Wahlen. www.wm.baden-wuerttemberg.de Missbräuchlich sind insbesondere die Verteilung auf Wahl- Inhaltliche und redaktionelle Bearbeitung: veranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie Jürgen Trautner, Johannes Mayer (Arbeitsgruppe für das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Tierökologie und Planung, Filderstadt) Informationen oder Werbemittel. Maximilian Fischer, Wolfgang Stein (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg) Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung Wolfgang Kaiser (Minsterium für Umwelt, Klima und bei der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Energiewirtschaft Baden-Württemberg) bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausge- Begleitender Arbeitskreis (alphabetisch): bers bzw. der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen Baden-Württ., Bund Deutscher Landschaftsarchitekten gelten unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher (bdla), Gemeindetag Baden-Württ., Landesnaturschutzver- Anzahl diese Informationsschrift verbreitet wurde. band (LNV), Landkreistag Baden-Württ., Naturschutzbund (NABU) Baden-Württ., Regierungspräsidium Karlsruhe, Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift Städtetag Baden-Württ., Verband baden-württembergischer zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen (vbw) Gestaltung und Druckvorbereitung: Grafikagentur Geigenmüller & Buchweitz (Filderstadt) Druck: Druckfrisch (Stuttgart) Download und Bestellung: https://wm.baden-wuerttemberg.de/publikationen Copyright: © 2019, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg Bildnachweis (alphabetisch: Seite und Bildreihenfolge in Leserichtung): Jiri Bohdal (naturfoto.cz): 41-2; Michael Bräunicke: Titel 6, 8-2, 9-1, 16-1, 16-3, 40-1, 58-1, 59-3; Katrin Geigenmüller: 62/63, 72/73; Lando Geigenmüller: 38-1; Sabine Geißler-Strobel: 31-2; Gabriel Hermann: 12-2, 22-2 bis 22-4; Johannes Mayer: Titel 1, 14-2, 16-2, 24, 41-1, 41-3, 58-4, 58-5, 59-1, 59-4, 68-2; Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL): Geoba- sisdaten Az.: 2851.9- 1/19, 32, 37-2 bis 47 (jeweils Luftbild); Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden- Württemberg: 3-2; nullplus/stock.adobe.com: 34/35-1; Sebastian Rall: 14-3, 18-2; Jörg Rietze: 8-1; Martin Stollberg: 3-1; Florian Straub: 9-2, 42-1, 59-2; Jennifer Theobald: 6-2, 25, 27, 39-1, 43-2, 44-1, 69; Jürgen Trautner: Titel 2-5, 5-1, 5-2, 6-1/7-1, 7-2, 10, 11, 12-1/13-1, 14-1/15-1, 15-2, 15-3, 17-1, 18-1, 19, 29, 30, 31-1, 31-3, 31-4, 35-2, 37-1, 43-1, 46-1 bis 46-3, 48-1/49-1, 49-2, 58-2, 58-3, 60, 61, 64, 65, 66/67, 68-1, 70/71; ty/stock.adobe.com: 20/21; Verwaltungsgemeinschaft Tettnang-Neukirch: 33; Katja Wallmeyer: 48-2; Manuel Weidler: 22-1/23; Michael Zepf: 17-2.
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, Mit seinen sowohl fachlichen als auch rechtli- chen Hilfestellungen und vielen anschaulichen städtebauliche Planungen und Bauvorhaben Fallbeispielen zeigt der Handlungsleitfaden sind das Ergebnis komplexer Verwaltungsver- Wege auf, wie planerische Aufgabenstellungen fahren, bei denen ganz verschiedene öffentli- rund um den Artenschutz fundiert bearbeitet che und private Interessen aufeinandertreffen. werden können, auch und gerade im Hinblick Neben dem kritischen Blick der Öffentlichkeit auf die Effizienzsteigerung von Verwaltungsver- gibt es auch handfeste rechtliche Vorgaben, an fahren. denen sich Planungs- und Bauprojekte messen lassen müssen. Selbst für geübte Planerinnen Durch das Insektensterben und die erheblichen und Planer sowie Rechtsanwenderinnen und Verluste bei den heimischen Vogelarten ist in Rechtsanwender wird es immer schwieriger, den letzten Jahren deutlich geworden, dass sich im Geflecht der verschiedenen Vorschriften auch in Baden-Württemberg die Artenvielfalt zurecht zu finden und Verwaltungsverfahren zurückgeht. Mit diesem Leitfaden wird praxis- gleichermaßen fachlich adäquat wie rechtssicher nah dargestellt, wie bei Bauleitplanung und bei durchzuführen. Gleichzeitig stellt sich die Frage Bauvorhaben erhebliche Beeinträchtigungen nach einem effizienten Verfahrensmanagement. der geschützten Arten vermieden oder verrin- Die angespannte Wohnungsmarktsituation – gert werden können. sowohl in Groß- und Mittelstädten als auch im ländlichen Raum – verleiht diesem Aspekt ein Wenn in Planungs- und Genehmigungsverfah- ganz besonderes Gewicht. ren die zur Verfügung stehenden rechtlichen und fachlichen Instrumente frühzeitig und kon- Daher hat sich die beim Ministerium für Wirt- sequent eingesetzt werden und Planungs- und schaft, Arbeit und Wohnungsbau eingerichtete Zulassungsverfahren für wichtige Projekte nicht Wohnraum-Allianz des Landes Baden-Württem- verzögert werden, weil artenschutzrechtliche berg mit verschiedenen Hemmnissen der Bau- oder artenschutzfachliche Fragestellungen erst landmobilisierung befasst. Ein Zwischenergebnis verspätet berücksichtigt werden, profitieren die der Beratungen der Wohnraum-Allianz war die am Planen und Bauen beteiligten Akteure und Einrichtung eines Arbeitskreises, der sich mit die Natur gleichermaßen. Fragen des besonderen Artenschutzrechts beim Planen und Bauen befasst hat. Wir sind davon überzeugt, dass der Handlungs- leitfaden Sie, die am Planen und Bauen betei- Unter Beteiligung des Ministeriums für Umwelt, ligten Akteure, bei der effizienten und rechts- Klima und Energiewirtschaft, des Arbeitskreises sicheren Anwendung des Artenschutzrechts und unter Einbindung von Fachleuten wurde unterstützen wird. der nun vorliegende Handlungsleitfaden mit dem Titel „Besonderer Artenschutz in der Bau- leitplanung und bei Bauvorhaben“ erarbeitet. Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL Franz Untersteller MdL Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg des Landes Baden-Württemberg
Inhaltsverzeichnis VORWORT 3 ■ Ergebnisse am Beispiel 37 ■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen 1 ANLASS 5 Ausnahmeerfordernis umzugehen? 47 2 KURZER ABRISS ZU DEN 9 ARTENSCHUTZ BEI RECHTLICHEN ANFORDERUNGEN 6 BAUVORHABEN 48 ■ Rechts- und Planungssystematik 6 ■ Vorrangige Fragen 48 ■ Bauleitplanung 7 ■ Vorgehensweise, Verfahrensarten und ■ Bauvorhaben 10 zuständige Behörden 49 ■ Anforderungen aus dem Naturschutzrecht ■ Ablauf im Baugenehmigungsverfahren 52 im Überblick 10 ■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen 3 NATURSCHUTZFACHLICHER Ausnahme- oder Befreiungserfordernis HINTERGRUND 12 umzugehen? 56 ■ Artenschutzmaßnahmen im Rahmen 4 WAS IST ZU BERÜCKSICHTIGEN, der Planung und Genehmigung 56 WAS IST KONKRET VERBOTEN? 14 ■ Ergebnisse am Beispiel 58 ■ Allgemeiner Artenschutz 14 ■ Besonderer Artenschutz 16 10 VERMEIDUNG, FUNKTIONSERHALT UND AUSNAHME 62 5 WER BEARBEITET UND PRÜFT DIE ANFORDERUNGEN 11 HINWEISE ZU BESONDEREN DES ARTENSCHUTZES? 20 FALLGESTALTUNGEN 66 ■ Bauleitplanung 20 ■ Artenschutz im vereinfachten und ■ Bauvorhaben 21 beschleunigten Bauleitplanverfahren 66 ■ Besondere Fälle des Artenschutzes im 6 ABSCHICHTEN: RELEVANZCHECK Innen- und Außenbereich 66 UND VERTIEFTE PRÜFUNG IM ■ Artenschutz bei „alten“ Bebauungsplänen 67 ARTENSCHUTZ 22 ■ Artenschutz bei Abriss, Sanierung 7 ARTENSCHUTZ IM und Renovierung 68 FLÄCHENNUTZUNGSPLAN 26 12 ÖKOLOGISCHE BAUBEGLEITUNG, ■ Vorrangige Fragen 26 FUNKTIONSKONTROLLEN ■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 27 UND MONITORING 70 ■ Ergebnisse am Beispiel 29 ■ Kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme 13 ABLÄUFE OPTIMIEREN 72 erforderlich und möglich sein? 32 14 ANHANG 74 8 ARTENSCHUTZ BEI DER AUFSTEL- LUNG ODER ÄNDERUNG VON BEBAUUNGSPLÄNEN 34 ■ Vorrangige Fragen 34 ■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 35 ■ Festsetzungen im B-Plan und Umgang mit planexternen Flächen/Maßnahmen 36 4
Anlass Die durch Frau Ministerin Dr. Nicole Hoffmeis- ter-Kraut MdL ins Leben gerufene Wohnraum- Allianz setzt sich seit 2016 mit möglichen Hemmnissen für die Ausweisung und Aktivie- ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit zum besseren Verständnis des Artenschutzes und des sich daraus ergebenden kommunalen Handelns im Bauleitplanverfahren geeignet. 1 rung von dringend benötigten Wohnbauflächen in Baden-Württemberg auseinander und spricht Der Handlungsleitfaden verfolgt vorrangig Empfehlungen zu deren Überwindung aus. folgende Ziele: Neben anderen Themenbereichen wurden auch • Sensibilisierung der am Planen und Bauen Beteiligten für die artenschutzrechtlichen die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes Vorgaben im Bundesnaturschutzgesetz sowie Herausforderungen bei der praktischen (BNatSchG); Umsetzung dieser Vorgaben in städtebaulichen Planungen und bei Bauvorhaben diskutiert. • Aufzeigen von Möglichkeiten für eine früh- zeitige Vermeidung und Lösung von arten- Dabei hat sich gezeigt, dass es den Bedarf für schutzrechtlichen Konflikten, sowohl in der einen systematischen Leitfaden gibt, der die Bauleitplanung als auch bei Bauvorhaben; komplexen artenschutzrechtlichen Anforderun- gen näher erläutert und zudem den Fokus auf • Veranschaulichung dieser Möglichkeiten durch möglichst praxisnahe Beispielfälle; einen möglichst effizienten Umgang mit diesen • Klärung häufig gestellter Fragen; Anforderungen sowie deren Abarbeitung in Bauleitplanverfahren und bei Bauvorhaben legt. • Bereitstellen von Hinweisen für besondere Planungssituationen und für gute Verfah- rensabläufe. Der vorliegende Handlungsleitfaden richtet sich daher in erster Linie an die kommunalen Der Handlungsleitfaden soll damit einen Bei- Planungsträger in der Bauleitplanung sowie trag für eine gute Praxis bei der Bearbeitung die Behörden und die Vorhabenträger bei der des Artenschutzes beim Planen und Bauen Planung und Zulassung von Bauvorhaben. Er leisten. Umsetzung von Bauvorhaben in einem neu erschlossenen Wohngebiet. 5
Kurzer Abriss zu den rechtlichen Anforderungen 2 RECHTS- UND PLANUNGS- SYSTEMATIK Die Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungsplanung) ist Teil der verfassungs- den daher auch als „abwägungsfest“ bezeichnet. Die Fachgesetze sehen zumeist auch spezielle Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten vor, die zum Teil für die Bauleitplanung nutzbar rechtlich garantierten kommunalen Selbstver- gemacht werden können. waltungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie obliegt damit – im Rahmen der Gesetze – den Städten Als Teil des Systems der räumlichen Gesamtpla- und Gemeinden. nung in Deutschland gelten für die Bauleitpla- nung neben den fachrechtlichen Vorgaben auch Die Aufstellung von Bauleitplänen richtet sich die Vorgaben der übergeordneten Raumord- in erster Linie nach den Regelungen des Bauge- nung (Landesentwicklungsplan, Regionalplan). setzbuchs (BauGB). So sind die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 4 BauGB an die in diesen Plänen festgelegten Ziele der Ein Kernprinzip des Baugesetzbuchs ist, dass Raumordnung anzupassen. Grundsätze der Vor der Erschließung eines neuen die planende Stadt bzw. Gemeinde im Rahmen Raumordnung sind zu berücksichtigen. Wohngebietes stehen Planung und Abwägung im Rahmen der der Bauleitplanung sämtliche von der Planung zweistufigen Bauleitplanung. berührten öffentlichen und privaten Belange Schließlich muss sich die kommunale Planung Dabei sind die „abwägungs- nach § 1 Abs. 7 BauGB ermittelt, bewertet und auch mit raum- bzw. flächenrelevanten Fachpla- festen“ Regelungen des Arten- schutzes, soweit im jeweiligen gegeneinander und untereinander gerecht ab- nungen auseinandersetzen, in denen die Städte Einzelfall berührt, zu beachten. wägt (= sog. Abwägungsgebot). Hierzu gehören und Gemeinden zu beteiligen sind, die jedoch gegenüber der kommunalen Planung privilegiert sein, d. h. Vorrang haben können. Bei Fachpla- nungen handelt es sich um sektoral ausgerichte- te Maßnahmen auf Basis spezifischer Aufgaben und Kompetenzen sowie eigener, fachgesetzli- cher Regelungen, wie sie etwa von der Straßen- bau- oder Wasserwirtschaftsverwaltung geplant und durchgeführt werden. Maßgeblich für das einzelne Bauvorhaben oder eine Sanierung sind in erster Linie die Vorgaben der Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO). Neben den bauplanungs- und bauord- nungsrechtlichen Vorschriften dürfen einem Bauvorhaben andere öffentlich-rechtliche Rege- lungen nicht entgegenstehen. Dies können auch auch die Belange von Natur und Umwelt. naturschutzrechtliche Regelungen sein. Daneben bestehen fachgesetzliche Vorschrif- ten, z.B. aus dem Bundesnaturschutzgesetz, die erweiterte Anforderungen an bestimmte dieser Umweltbelange stellen. Solche Spezialvorschrif- ten (z.B. für den Artenschutz) sind der bau- leitplanerischen Abwägung in der Regel nicht zugänglich. Sie sind strikt anzuwenden und wer- 6
BAULEITPLANUNG Inhaltliche Anforderungen mit Bezug zum Für den Bereich des Natur- und Artenschutzes Natur- und Artenschutz existieren verschiedene rechtliche Anforderun- Das auf S. 6 bereits angesprochene Abwägungs- gen, die allesamt beachtet werden müssen. Im gebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist das zentrale konkreten Planungsfall sind zum Teil fachliche Gebot rechtsstaatlicher Planung. Es ist gleicher- und rechtliche Überschneidungen der einzel- maßen bestimmend für den Planungsvorgang nen Anforderungen möglich, die eine gemein- als auch für die Planungsentscheidung und same Abarbeitung im Planverfahren erlauben damit für das Ergebnis der Planung. Die von der oder erfordern können. Planung berührten Belange (= Abwägungsmate- Werden Siedlungsflächen rial) sind von der Gemeinde nach § 2 Abs. 3 erweitert, sind u. a. die Auswir- (Allgemeine) Ziele und Grundsätze der BauGB zu ermitteln und zu bewerten und kungen auf Tiere und Pfl anzen Bauleitplanung schließlich gegeneinander und untereinander sowie die biologische Vielfalt in der Planung als Teil der Belange Über die zweistufige Bauleitplanung – mit gerecht abzuwägen. Welche Belange in einer von Naturschutz und Landschafts- Flächennutzungsplan (= vorbereitender Bau- konkreten Planungssituation bevorzugt und pflege zu berücksichtigen. leitplan) und Bebauungsplan (= verbindlicher Bauleitplan) – sollen die Städte und Gemeinden nach § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städ- tebauliche Entwicklung gewährleisten. Dabei sind es sowohl soziale, als auch wirtschaftliche, kulturelle und auf den Schutz der Umwelt ausgerichtete Anforderungen, denen die Kom- mune Rechnung tragen und die sie in Einklang bringen soll. Hierzu gehören • die sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, • Schutz und Entwicklung einer menschen- würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, welche Belange demgegenüber zurückgestellt • Förderung von Klimaschutz und Klima- anpassung, insbesondere auch in der Stadt- werden, ist Gegenstand der Abwägung und nicht vom Gesetz vorgegeben. entwicklung, • baukulturelle Erhaltung und Entwicklung von städtebaulicher Gestalt, Orts- und Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind eine Teilmenge der zu Landschaftsbild. berücksichtigenden öffentlichen Belange und in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB ausführlich aufgeschlüs- Die städtebauliche Entwicklung soll hierzu selt. In dieser Vorschrift sind insbesondere vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwick- folgende Abwägungsbelange mit Bezug zu Tier- lung erfolgen. und Pflanzenarten genannt: • die Auswirkungen [der Planung] auf Tiere und Pflanzen, Landschaft und biologische Vielfalt sowie das Wirkungsgefüge bzw. 7
Wechselwirkungen zwischen diesen und Während sowohl die bauleitplanerische Ein- weiteren Umweltfaktoren bzw. Schutzgütern; griffsregelung als auch die in § 1 Abs. 6 Nr. 7 • die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundes- BauGB benannten Belange innerhalb der bau- leitplanerischen Abwägung berücksichtigt und naturschutzgesetzes (einschließlich Wechsel- damit ggf. auch gegenüber anderen, gewichti- wirkungen, s. o.); geren Belangen zurückgestellt werden können, • die Auswirkungen auf die vorstehenden Belange aufgrund schwerer Unfälle oder gibt es andere aus dem Naturschutzrecht stam- mende Regelungsbereiche, die der Abwägung Katastrophen durch im Bebauungsplan- nicht zugänglich sind. gebiet zulässige Vorhaben. Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören Neben den genannten Natur- und Umweltbe- die Regelungen des Artenschutzes, die in Kapi- langen ist in § 1a Abs. 3 BauGB in Verbindung tel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten mit § 18 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen, dass sind. Sie dienen sowohl dem Schutz der wild über die sog. Eingriffsregelung ebenfalls im lebenden Tier- und Pflanzenarten als auch dem Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung Schutz ihrer Lebensstätten. Für die Bauleitpla- entschieden wird. In der Literatur wird daher nung sind in erster Linie die darin enthaltenen gelegentlich auch von der „bauleitplanerischen Vorschriften über den besonderen Artenschutz Eingriffsregelung“ gesprochen. praxisrelevant. Das besondere Artenschutzrecht Haselmäuse bewohnen Wälder, gibt in den §§ 44 und 45 BNatSchG u. a. die größere Feldgehölze und Hecken. Die Eingriffsregelung befasst sich konkret mit artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote und In Baden-Württemberg sind sie der Vermeidung und dem Ausgleich voraus- gesetzliche Privilegierungen (etwa für Land- in den meisten Landschaftsräu- men vertreten. sichtlich erheblicher (planungsbedingter) Beein- und Forstwirtschaft, zulässige Eingriffe) sowie trächtigungen des Landschaftsbildes sowie der Erleichterungen vor und zeigt darüber hinaus Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur- auch Ausnahmemöglichkeiten auf. haushalts. Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderun- Die Vorschriften des besonderen Artenschutzes gen der Gestalt oder Nutzung von Grundflä- nehmen in der Bauleitplanung eine Sonder- chen oder Veränderungen des mit der beleb- stellung ein, da sie handlungsbezogen (und ten Bodenschicht in Verbindung stehenden nicht planungsbezogen) formuliert sind. In Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und diesen Vorschriften wird insbesondere geregelt, Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder dass die Tötung oder Verletzung bestimm- das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen ter Tier- und Pflanzenarten, die Zerstörung können. oder Beschädigung deren Lebensstätten oder Die Zauneidechse gehört zu den relativ häufi g in der Bauleit- planung und bei Bauvorhaben betroffenen streng geschützten Arten. 8
Standorte sowie zudem in sensiblen Zeiträumen Näheres zur erforderlichen Ermittlungstiefe die erhebliche Störung bestimmter Tierarten hinsichtlich der Belange von Tieren, Pflanzen verboten ist. Die Verbote untersagen damit und der biologischen Vielfalt mit Fokus auf bestimmte tatsächliche Handlungen. Obgleich den Artenschutz findet sich in Kap. 6. Für nicht der Bauleitplan selbst, sondern erst dessen die Festlegung von Ermittlungsumfang und Verwirklichung untersagte Handlungen dar- -detaillierung ist die Stadt oder Gemeinde selbst Fledermäuse wie diese Langoh- ren nutzen auch Gebäudequartie- stellen bzw. mit sich bringen kann, müssen die zuständig, es ist jedoch eine vorherige Abstim- re. Sie können daher von Umbau- Gemeinden schon in der Bauleitplanung diese mung mit der Naturschutzbehörde vorgesehen und Sanierungsmaßnahmen Verbote beachten. Denn nach höchstrichterli- (§ 4 Abs. 1 BauGB). Jedenfalls heranzuziehen betroffen sein. Dazu gehören ins- besondere der Aus- oder Umbau cher Rechtsprechung ist ein Bebauungsplan, der sind Landschaftspläne oder bestimmte sonstige von Dachböden, Scheunen und im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennbar we- vorliegende Pläne.a) von außen zugänglichen Kellern. gen bestehender rechtlicher Hindernisse nicht verwirklicht werden kann und somit seinen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungs- auftrag verfehlt, als solcher nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Er kann damit bei einer gerichtlichen Überprüfung für unwirksam erklärt werden. Strikt zu beachten und der Abwägung nicht zugänglich sind ferner die Vorschriften zu Schutzgebieten auf der Grundlage europäischen Rechts (Natura 2000-Gebiete: FFH-Gebiete und Europäische Vogelschutzgebiete) sowie zu Schutzgebieten nach nationalem Recht (z. B. Natur- und Landschaftsschutzgebiete). Das Ge- bietsschutzrecht mit seinen Spezialvorschriften und das oben beschriebene besondere Arten- Bei Bebauungsplänen, die nach § 13, 13a und schutzrecht können sich – je nach Planungssitu- 13b BauGB im vereinfachten bzw. im beschleu- ation – auch überlagern. nigten Verfahren aufgestellt werden, entfällt zwar die Pflicht zur Durchführung der förmli- Formale Anforderungen mit Bezug zum chen Umweltprüfung und zur Dokumentation Natur- und Artenschutz im Umweltbericht sowie einzelner weiterer Bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist im umweltrechtlicher Anforderungen. Die Pflicht, Regelverfahren eine förmliche Umweltprüfung die umweltbezogenen Planungsbelange in den für die Belange des Umweltschutzes nach § 2 gemeindlichen Abwägungsvorgang einzustellen, Abs. 4 BauGB durchzuführen. In ihr werden die bleibt davon allerdings unberührt. Die arten- voraussichtlichen erheblichen Umweltauswir- schutzrechtlichen Anforderungen des Bundes- kungen ermittelt und in dem sog. Umweltbe- naturschutzgesetzes und die Regelungen zu den richt beschrieben und bewertet. Das bedeutet, Schutzgebieten sind ebenfalls zwingend anzu- dass die Umweltprüfung das Trägerverfahren wenden. für alle bauleitplanerischen Umweltverfahren Die Dohle brütet an Gebäuden, ist. benötigt aber auch ausreichende Nahrungsfl ächen in und im nahen Umfeld von Siedlungen. Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der Begründung zum Bebauungsplan (§ 2a BauGB) und befasst sich mit verschiedenen umweltrele- vanten Planungsaspekten, die in der Anlage 1 zum Baugesetzbuch abschließend aufgezählt sind. a) § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. g BauGB 9
BAUVORHABEN Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr Sowohl verfahrensfreie Vorhaben als auch Vor- dafür verantwortlich, dass die öffentlich-recht- haben, für die ein Baugenehmigungsverfahren lichen Vorschriften einschließlich des Arten- durchzuführen ist, müssen den öffentlich-recht- schutzes eingehalten werden (Näheres in Kap. lichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5 9, S. 47 ff). i.V. m. § 58 Abs. 1 LBO). Zu diesen zählen auch die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des ANFORDERUNGEN AUS DEM NATUR- Einzelne Bauvorhaben unter- § 44 f. BNatSchG, die daher bei einzelnen Bau- SCHUTZRECHT IM ÜBERBLICK liegen den bauplanungs- und vorhaben anzuwenden sind. Nebenstehend findet sich ein Überblick zu bauordnungsrechtlichen Vorschrif- ten, aber auch andere öffentlich- den wichtigsten Regelungsbereichen des rechtliche Vorschriften dürfen Im günstigsten Fall können artenschutzrecht- Bundesnaturschutzgesetzes mit Schwerpunkt nicht entgegenstehen. liche Konflikte bei einfach gelagerten Fällen oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und ohne vertiefte Betrachtung ausgeschlossen Pflanzenarten. Darüber hinaus gibt es weitere werden. Ansonsten liegt möglicherweise bei Regelungen wie den Schutz vor invasiven Arten Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 40a BNatSchG). Im Übrigen muss darauf hin- Die wichtigsten Regelungs- (§ 34 BauGB) oder in einem Bebauungsplan- gewiesen werden, dass sich Bestimmungen, die bereiche des BNatSchG mit Schwerpunkt oder Querbezügen gebiet (§ 30 BauGB) eine hinreichend aktuelle im Einzelfall Relevanz erlangen können, auch in zum Schutz von Tier- und Pfl an- Grundlage vor, die Vorgaben zur baubedingten der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV, zenarten. Zur Eingriffsregelung und zur Berücksichtigung des eu- Vermeidung artenschutzrechtlicher Verstöße dort etwa zum Verbot des Einsatzes bestimmter ropäischen Schutzgebietsnetzes beinhaltet (z. B. zeitliche Vorgaben für bestimm- Verfahren oder Geräte) oder in landesspezifi- Natura 2000 enthält das BauGB te Tätigkeiten, Bsp. S. 36) und andere mögliche schen Regelungen finden. in § 1a eigene Bestimmungen in Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 7 Konfliktsachverhalte etwa durch vorgezogene Buchst. a bzw. b. funktionserhaltende Maßnahmen (s. Kap. 8, Die artenschutzrechtlichen Regelungen des S. 35 ff sowie Kap. 10) bereits BNatSchG im engeren Sinn (S. 16 ff) sind in Allgemeiner Arten- und gelöst hat. solche zum allgemeinen und zum besonderen Lebensstättenschutz Artenschutz gegliedert. Letzterer bezieht sich § 39 BNatSchG Wenn dies nicht der Fall ist, auf Arten mit einem differenzierten Schutzsta- Besonderer Artenschutz beteiligt bei verfahrenspfl ichtigen tus in Verbindung mit der Bundesartenschutz- § 44 BNatSchG Vorhaben die untere Baurechts- verordnung sowie mit weiteren Verordnungen, behörde bei Verdacht auf Vor- Übereinkommen oder Richtlinien teils euro- Ausnahmen/Befreiung kommen bzw. Betroffenheit parechtlicher Art. Der besondere Artenschutz §§ 45 und 67 BNatSchG geschützter Arten die zuständige einschließlich der Möglichkeiten für Ausnah- Naturschutzbehörde als berührte men oder Befreiungen ist zentrales Thema des Schäden an bestimmten Arten, Sanierungspflicht Fachbehörde gemäß § 53 Abs. 4 vorliegenden Leitfadens. § 19 BNatSchG Satz 1 LBO. Soweit sich dies im Verantwortung beruflich Tätiger für nicht Weiteren als erforderlich erweist, Eine Schädigung von Arten und natürlichen zuvor ermittelte Schäden kann die untere Baurechts- Lebensräumen gemäß § 19 BNatSchG in Ver- Eingriffsregelung behörde den Bauherren gemäß bindung mit dem Umweltschadensgesetz kann §1a Abs. 3 BauGB §§ 14 ff. BNatSchG § 53 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LBO dann vorliegen, wenn zuvor nicht ermittelte Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen zur Beibringung eines Gutach- und insoweit nicht genehmigte bzw. nicht spe- auch von Arten; Ausgleich oder Ersatz tens auffordern um sicherzustel- zifisch zugelassene Beeinträchtigungen bei der Natura 2000 len, dass es zu keinem Verstoß Verwirklichung eines Vorhabens eintreten. Hier §1a Abs. 4 BauGB §§ 31 ff. BNatSchG gegen artenschutzrechtliche spricht man verkürzt von einem Umwelt- bzw. Schutz und Gebietsmanagement, Prüfung Verbote kommt (ggf. unter Be- Biodiversitätsschaden. Voraussetzung ist, dass und ggf. Unzulässigkeit von Projekten, Kohärenzsicherung rücksichtigung von Vermeidungs- eine solche Beeinträchtigung erhebliche nach- oder sonstigen Maßnahmen). teilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Sonstiger Flächen-/Gebietsschutz Näheres dazu s. Kap. 9, S. 52 ff. Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands div. §§ BNatSchG Auch seitens des Bauherren kann der betreffenden Art hat. Verantwortliche Per- darunter geschützte Biotope und Naturschutzgebiete (auch) mit Funktionen hierzu vorsorglich eine entspre- sonen können dann zu Sanierungsmaßnahmen für Arten chende Ermittlung und Bewer- auf ihre Kosten verpflichtet werden. Derzeit tung veranlasst werden. sind unter den Arten nur solche der Anhänge II 10
Auch funktionserhaltende oder zur Kompensation geeignete Maßnahmen des Naturschut- zes erfordern häufig maschinellen Einsatz: Hier bei der Beseitigung unerwünschten Gehölzaufwuch- ses zur Wiederherstellung für den Arten- und Biotopschutz wertvol- ler Offenland-Lebensräume. und IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat- nationalem Recht (z. B. Naturschutz- und Land- Richtlinie (92/43/EWG) sowie ein Großteil der schaftsschutzgebiete). europäischen Vogelarten Gegenstand dieser Regelung. Mit den §§ 69 ff. enthält das BNatSchG im Übrigen Bußgeld- und Strafvorschriften, nach Die Eingriffsregelung nach BNatSchG (§§ 14 denen bei bestimmten widerrechtlichen Hand- ff.), die im Kontext der Bauleitplanung be- lungen bezüglich geschützter Arten Geld- oder reits angesprochen wurde, verpflichtet den Freiheitsstrafen vorgesehen werden können. Verursacher eines Eingriffs dazu, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen (Vermeidungs- und Verminde- rungsgebot) und für unvermeidbare Beeinträch- tigungen Kompensation zu leisten. Letzteres bedeutet, dass diese Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Land- schaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnah- men) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen) sind. KURZ GEFASST Die kommunale Bauleitplanung Solche Maßnahmen zielen auf die gleichartige nach Baugesetzbuch (BauGB) ist in einen Rahmen aus Vorgaben der übergeordneten Raumplanung, zu berücksichtigender und oder zumindest gleichwertige Wiederherstel- teils privilegierter Fachplanungen sowie bestimmter fachgesetz- lung beeinträchtigter Funktionen des Natur- licher Regelungen eingebunden. Zu letzteren gehören u. a. die haushaltes im engeren räumlichen Zusammen- Eingriffsregelung mit Vermeidungs- und Kompensationsanfor- hang bis auf Ebene des betroffenen Naturraums derungen (Teil der Abwägung) sowie die artenschutzrechtlichen ab. Bezüglich Tieren und Pflanzen ist dies auf Bestimmungen des BNatSchG (abwägungsfest). In der Eingriffs- besonders wertgebende und planungsrelevante regelung sind auch sonstige besonders wertgebende und pla- Arten fokussiert. Die Frage, ob es sich dabei nungsrelevante Arten von Bedeutung, unabhängig von einem um gesetzlich besonders geschützte Arten han- gesetzlichen Schutzstatus. Das Trägerverfahren für sämtliche delt, spielt zwar eine Rolle, doch sind nicht nur Umweltverfahren im Zusammenhang mit einem Bauleitplanver- solche Arten abwägungsrelevant. In den weite- fahren ist die Umweltprüfung. ren Kapiteln wird dies noch angesprochen Belange von Tieren, Pflanzen und der biologischen Vielfalt sind (s. Kap. 3 ff.). in der Abwägung auch im Rahmen beschleunigter bzw. verein- fachter Verfahren zu berücksichtigen, obwohl hier die formale Der Flächen- und Gebietsschutz umfasst die Umweltprüfung und der Umweltbericht entfallen. Der besondere Artenschutz ist in allen Fällen zwingend zu beachten. Vorschriften zum Schutz und zur Entwicklung Das einzelne Bauvorhaben unterliegt primär der Landesbauord- der Schutzgebiete des europäischen Netzwerks nung, sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften einschließlich Natura 2000 (FFH- und Vogelschutzgebiete; des Artenschutzrechts sind dabei allerdings ebenfalls zu beachten. § 31 ff. BNatSchG) und die Schutzgebiete nach 11
Naturschutzfachlicher Hintergrund 3 Das Aussterben von Arten und der Rückgang von Artbeständen haben weltweit nach ak- tuellen Analysen eine Größenordnung und Geschwindigkeit erreicht, die wesentlich höher unterschiedliche Verbreitungsmuster ausschlag- gebend sind. Daher sind weitere Instrumentarien erforderlich, als eine natürlicherweise ohne menschliche um Arten aktiv und passiv wirksam zu schützen. Aktivitäten zu erwartende Aussterberate liegt. a) In der Bauleitplanung kommt dabei der bereits Tagfalter 54 % Auch in Deutschland und Baden-Württemberg im vorstehenden Kapitel angesprochenen Um- wird die Situation der Artenvielfalt als alarmie- weltprüfung einschließlich der Berücksichtigung rend bewertet. b) der Eingriffsregelung eine große Bedeutung zu, da sie übergreifend darauf ausgerichtet ist, fach- Nach den bundesweiten Roten Listen als fach- lich korrekt zu erfassen, abzuwägen und dabei lichem Bewertungsmaßstab liegt der Anteil nach Möglichkeit zu vermeiden, zu mindern und gefährdeter Arten bei vielen Gruppen der Flora für unvermeidbare Beeinträchtigungen Kom- und Fauna bereits deutlich über einem Drittel pensation zu leisten. Dies soll auch den im Ein- der heimischen Arten, teilweise bereits über der zelnen betroffenen Arten als Teil von Natur und Hälfte. Zahlreiche weitere Arten gelten als mög- Landschaft bzw. der Schutzgüter Tiere, Pflanzen liche Kandidaten für eine zu- und biologische Vielfalt zu Gute kommen. künftige Gefährdung und wur- den in die so genannten Vor- Anders als bei der Abarbeitung des besonderen warnlisten aufgenommen, die Artenschutzes ist der primäre Blickwinkel beim ergänzend zu den eigentlichen allgemeinen Artenschutz ein naturschutzfachli- Roten Listen geführt werden. cher: Denn im Rahmen der Umweltprüfung ist Darunter finden sich nicht nur ein besonderes Augenmerk auf die gefährdeten Arten der freien Landschaft, Arten und unter diesen noch weiter vertieft sondern zu einem nicht unwe- dann auf jene Arten zu richten, für die unter sentlichen Anteil auch solche, biogeografischen Aspekten eine besondere Viele Tagfalter wie dieser gehö- deren Lebensräume in Randbereichen oder gar Schutzverantwortung besteht, etwa weil sie ei- ren zu den bundesweit und in innerhalb von Siedlungen liegen. Auch gebäude- nen hohen weltweiten Bestandsanteil innerhalb Baden-Württemberg in ihrem Bestand bedrohten Tierarten. bewohnende Tierarten zählen bereits teilweise Deutschlands haben.d) Bei Beeinträchtigungen Über alle Artengruppen hinweg als gefährdet oder werden in der Vorwarnliste und Bestandsverlusten gerade solcher Arten stehen zahlreiche Arten auf den geführt. Baumaßnahmen stellen zwar nicht den wird auch dem einzelnen Vorhaben am ehes- aktuellen Roten Listen gefährde- ter Tiere und Pfl anzen (ausge- bundesweit stärksten Beeinträchtigungsfaktor ten eine wesentliche Rückwirkung auf Tiere, wählte Prozentwerte bedrohter für Arten dar, rangieren in einer Analyse zu Ge- Pflanzen und die biologische Vielfalt zuzurech- Tierarten nach bundesweitem Stand, BfN 2009 u. Folgebände, fährdungsursachen bei Tiergruppen als Wirkfak- nen sein. Ob dagegen einer Art ein bestimmter Grüneberg et al. 2015). torenkomplex aber unter den ersten fünf. c) Schutzstatus beigemessen wurde, ist in diesem Zusammenhang nachrangig, zumal dieser auf Amphibien 40 % Der Schutz von Arten als zentralem Teil der verschiedene Gründe zurückzuführen sein „Biologischen Vielfalt“ (Biodiversität) kann nicht kann, die mit einer potenziellen Gefährdung alleine durch ein System des Biotop- und sons- durch ein Vorhaben überhaupt nicht im Zusam- tigen Flächenschutzes erreicht werden, wofür menhang stehen mögen. unter anderem die vielfältigen ökologischen Ansprüche von Arten (z. B. an Flächengrößen a) Pimm et al. (2014); Ceballos et al. (2015) b) Bundesamt für Naturschutz (2015) und Biotopverbund), besondere Sensitivität c) Günther et al. (2005) gegenüber bestimmten Beeinträchtigungen und d) BVerwG, Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A 14.12, Rn. 18 ff. 12
Aber auch der besondere Artenschutz stellt eine abzuarbeiten: bezüglich Tier- oder Pflanzen- wesentliche Säule des Naturschutzes dar und individuen bestimmter geschützter Arten als soll als eigenes Instrumentarium dazu beitra- solche, der störungsarmen zentralen Phasen des gen, den Artenschwund zu stoppen. Lebenszyklus bestimmter Tierarten sowie der Lebensstätten und Standorte bestimmter Arten. Hierzu zählen Regelungen und Maßnahmen zur Eindämmung und Regulierung des gewerbs- • Individuenbezogene Verbote sind im Arten- schutz (der nicht etwa dieselben Ziele wie mäßigen oder illegalen Fangs, der Haltung und der Tierschutz verfolgt) deshalb von Be- des Handels von Arten und daraus hergestellter deutung, weil die Tötung und Verletzung Fledermäuse 40 % Produkte, worauf die Aufnahme vieler Arten in von Tieren oder die Zerstörung von Pflan- eine Schutzkategorie (besonders oder streng ge- zen u. a. unmittelbare Auswirkungen auf schützt) abzielt. Weltweit kommt dem eine sehr deren Bestandsgröße haben kann; hohe Bedeutung zu, im Kontext des vorliegen- den Leitfadens ist dies jedoch nicht relevant. • das Verbot einer erheblichen Störung in bestimmten, besonders sensiblen Zeiträu- Ferner sollen mit aktiven Maßnahmen unter men soll u. a. verhindern, dass eine erfolg- anderem bestehende Artenschutzprogramme reiche Fortpflanzung ausbleibt oder sich ausgebaut oder ergänzt werden. etwa deutlich vermindern würde; Schließlich zielen die Zugriffsverbote des • und schließlich soll das Zerstörungs- und Beschädigungsverbot für Fortpflanzungs- § 44 Abs. 1 BNatSchG (s. Kap. 4, S. 17) über und Ruhestätten bzw. Standorte von Arten einen gebietsunabhängigen Schutz darauf ab, erreichen, dass das entsprechende Flä- den günstigen Erhaltungszustand bestimmter chenangebot weder qualitativ noch quan- geschützter Arten zu sichern oder einen solchen titativ zurückgeht oder gar Arten mangels wieder zu erreichen. Für die land-, forst- und Lebensraum aus bestimmten Gebieten fischereiliche Bewirtschaftung gelten spezifi- vollständig verschwinden. sche Rahmenbedingungen und die Vorgabe, Brutvögel 45 % dass sich die Situation lokaler Populatio- nen nicht verschlechtern darf (§ 44 Abs. 4 KURZ GEFASST Die Situation der Artenvielfalt ist BNatSchG). weltweit und in Deutschland dramatisch schlecht. Auch in Baden- Württemberg sind viele Arten bedroht. Baumaßnahmen sind in In der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben Deutschland zwar nicht der gravierendste Beeinträchtigungsfaktor sind die Verbote einzeln entsprechend dem für Arten, rangieren bei den Gefährdungsursachen(-komplexen) für jeweiligen Schutzansatz zu berücksichtigen und Tiergruppen aber unter den ersten fünf. Unterschiedliche Instru- mentarien sollen zu einem Stopp des Artenverlustes beitragen. Wildbienen 53 % Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung muss vorrangig auf die gefährdeten Arten und noch weiter vertieft auf Arten fokussieren, für die unter biogeografischen Aspekten eine besondere Schutzver- antwortung besteht. Separat und in nur teilweiser Überschneidung ist der besondere Artenschutz abzuarbeiten. Dabei kommt den einzelnen Verboten aus unterschiedlichen Gründen fachliche Bedeu- tung zu: Dies betrifft sowohl die auf einen Individuenschutz ausge- richteten Verbote als auch diejenigen zum Schutz von Lebensstätten und Standorten und zur Verhinderung erheblicher Störungen. 13
Was ist zu berücksichtigen, was ist konkret verboten? 4 ALLGEMEINER ARTENSCHUTZ Die Regelungen zum allgemeinen Artenschutz finden sich in den §§ 39 bis 43 BNatSchG. § 39 BNatSchG verbietet zunächst die mutwil- Darüber hinaus enthält § 39 BNatSchG allge- meine Verbote bzw. spezifische Ausschluss- zeiträume für bestimmte Maßnahmen oder Tätigkeiten. Für das Planen und Bauen relevant lige bzw. ohne vernünftigen Grund erfolgende sind dabei: Beeinträchtigung wild lebender Tiere (Beunru- higung, Fang, Verletzung, Tötung) und Pflanzen (Entfernung von ihrem Standort, Nutzung, • dens Das Verbot zur Beseitigung, des Abschnei- oder „auf den Stock Setzens“ bestimm- Verwüstung der Bestände) sowie ihrer Lebens- ter Bäume außerhalb des Waldes und sons- tiger Gehölze im Zeitraum vom 1. März bis zum 30. September (§ 39 Abs. 5 Nr. 2). Dieses gilt nicht für Bäume auf gärtne- risch genutzten Grundflächen, zu denen in Baden-Württemberg auch innerstädtische Baumfällungen sind zeitlich Grünanlagen und gestaltete Hausgärten teils durch Bestimmungen des gezählt werden. Das Verbot gilt wohl aber allgemeinen Artenschutzes für sonstige Gehölze, für Bäume an anderen reglementiert; zu dem ist auch der besondere Artenschutz Standorten sowie insgesamt im Rahmen zu- (s.Folgeabschnitt) zu beachten. lässiger Bauvorhaben dann, wenn nicht nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirkli- chung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss. Darüber hinaus gilt dieses Verbot u. a. nicht für behördlich angeordnete Maßnah- men, nach § 15 BNatSchG zulässige Eingrif- fe in Natur und Landschaft sowie bestimmte sonstige Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können. • Das Verbot, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder ähnliche Räume, die als Winterquartier von Fledermäusen dienen, in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen (§ 39 Abs. 6). Dieses Verbot gilt nicht bei der Durchführung unaufschiebbarer und nur geringfügig störender Handlungen sowie für stätten. Dies gilt für alle wild lebenden Arten, touristisch erschlossene oder stark genutzte unabhängig von einem speziellen Schutzstatus. Bereiche. Für genehmigte bzw. zulässige Bauvorhaben und die Bauleitplanung entfalten diese Bestim- mungen aber keine (besondere) Bedeutung, denn hier ist regelmäßig von einem vernünfti- gen Grund für unvermeidbare Beeinträchtigun- gen auszugehen. 14
Wesentlich ist, dass zusätzlich der besondere § 41 BNatSchG bestimmt, dass zum Schutz Artenschutz beachtet werden muss. D. h., dass von Vogelarten neu zu errichtende Masten und Zwischen dem 1. März und 30. September sind an Hecken zwar eine Beseitigung geringfügigen Gehölz- technische Bauteile von Mittelspannungslei- im Allgemeinen nur schonende bewuchses nach der o. g. Bestimmung auch tungen konstruktiv so auszuführen sind, dass Form- und Pfl egeschnitte zur zwischen 1. März und 30. September nach Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Dies Beseitigung des Zuwachses der Pfl anzen zulässig. Auch dabei § 39 BNatSchG zulässig sein kann, nicht aber ist im Einzelfall bei Änderung bestehender ist aber z. B. auf Vogelbrut zu dann, wenn zum betreffenden Zeitpunkt der Mittelspannungsleitungen mit der Errichtung achten. Durchführung gerade dort eine Vogelbrut stattfindet und ein besetztes Nest zerstört oder Eier bzw. nicht-flügge Jungvögel getötet werden könnten. Mit Ausnahme des zeitlich einschränkenden Verbots zur Beseitigung, des Abschneidens oder „auf den Stock Setzens“ bestimmter Bäume und sonstiger Gehölze (s. o.) in § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG entfalten die Regelungen des allgemeinen Artenschutzes nur selten Relevanz für die Bauleitplanung oder Bauvorhaben. Im zeitlichen Ablauf von Bauvorhaben ist die Frage der Gehölzbeseitigung aber regelmäßig von Bedeutung und daher frühzeitig zu berücksich- neuer Masten, etwa im Zusammenhang mit Foto links: Für nicht touristisch tigen. Ggf. ist auch mit der zuständigen Behör- der Erschließung eines neuen Baugebietes, zu genutzte Bereiche mit Unter- tagequartieren von Fleder- de zu klären, was von dieser konkret als noch berücksichtigen. mäusen etwa in Höhlen oder „geringfügiger Gehölzbewuchs“ angesehen wird. Stollen gilt ein allgemeines Betretungsverbot im Zeitraum Die §§ 42 bis 43 BNatSchG beziehen sich auf vom 1. Oktober bis 31. März, Die §§ 40 bis 40f BNatSchG behandeln das Zoos und Tiergehege und sind nur in einem auch wenn diese nicht verschlos- Ausbringen von Pflanzen und Tieren sowie solchen speziellen Fall relevant. sen sein sollten. den Umgang mit invasiven Arten. Diese Bestimmungen erlangen in den meisten Fällen der Bauleitplanung und bei Bauvorha- ben keine Relevanz, weshalb nicht vertieft auf sie eingegangen wird. Im Einzelfall können Maßnahmen zur Verhütung einer Verbreitung invasiver Arten aber eine Rolle spielen, etwa bei der Erschließung von Flächen mit durch KURZ GEFASST Aus dem allgemeinen Arten- Samen oder andere reproduktive Teile invasi- schutz resultieren wenige für die Bauleitplanung und Bauvor- ver Pflanzenarten belasteten Substraten. Auch haben relevante Vorgaben, insbesondere Ausschlusszeiträume Maßnahmen an einem Gewässer, die etwa für bestimmte Maßnahmen oder Tätigkeiten (v. a. Gehölzent- dessen Durchgängigkeit verändern, können bei fernung), die aber frühzeitig in die Planung eingestellt werden Vorkommen invasiver Krebsarten problematisch können und sollten. Im Einzelfall können auch bestimmte Maß- sein. Soweit absehbar, sollte dies bereits auf nahmen, etwa zur Verhütung einer Verbreitung invasiver Arten, Ebene der Bauleitplanung (etwa Flächenzu- notwendig werden. schnitt, Erschließung) berücksichtigt werden. 15
BESONDERER ARTENSCHUTZ oder strenger Schutz vermittelt wirda), der Der besondere Artenschutz ist in den §§ 44 teils auf europarechtliche Vorgaben und teils und 45 BNatSchG geregelt. auf nationale Überlegungen zurückgeht. Dies Zunächst stellt sich die Frage, welche Arten schließt auch Arten ein, bei denen im Wesentli- geschützt und zudem in der Bauleitplanung und chen Fang, Haltung oder Handel reglementiert bei Bauvorhaben relevant sind. Eine derartige werden sollen. Diese weiteren Arten, etwa Relevanz kann für den Regelfall auf zwei Arten- sonstige geschützte Tagschmetterlinge, Wild- Für Mauersegler, Wiesen- kollektive beschränkt werden (zu Abweichun- knopf-Ameisenbläulinge und gen s. Kap. 11): Laubfrosch (letztere als FFH- Anhang-IV-Arten) gelten die Verbote des besonderen Arten- • jede bei uns auftretende, wild lebende eu- ropäische Vogelart, unabhängig vom Status schutzes auch in der Bauleit- des besonderen oder strengen Schutzes; planung und bei Bauvorhaben (Beispielarten). • jede bei uns auftretende, wild lebende Art des Anhangs IV der FFH-Richtlinie (FFH- RL); diese sind sämtlich streng geschützt. Im Regelfall artenschutzrechtlich relevante Arten in Gebieten mit Bebaungsplänen, während deren Planaufstellung und im Innenbereich nach § 34 BauGB §44 Abs. 5 BNatSchG Europäische Arten des Arten einer Rechtsverordnung nach Vogelarten Anhangs IV der § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG FFH-Richtlinie - weil bislang nicht erlassen Nein bienen, Heuschrecken oder Amphibien, sind im In Europa (92/43/EWG) natürlich Regelfall aber nur im Rahmen der Eingriffsrege- Sonstige besonders oder lung angemessen zu berücksichtigen. Es ist im vorkommende streng geschützte Arten Vogelarten im - Arten des Anhangs A oder Einzelfall zu entscheiden, ob eine oder meh- B der Verordnung (EG) Sinne des Art. 1 338/97 rere weitere Artengruppen untersucht werden - Arten einer Rechtsverord- müssen, um die Auswirkungen auf Tiere und der Richtlinie nung nach § 54 Abs. 1 und 2009/147/EG 2 BNatschG (bislang Pflanzen sowie die biologische Vielfalt in die- BArtSchV) Nein sem Rahmen über den besonderen Artenschutz hinaus sachgerecht erfassen und bewerten zu können. Übersicht zu besonders und Nur für diese Arten gelten die Verbote des Wild lebend meint im Übrigen nur Tiere und streng geschützten Arten (nach § 44 Abs. 1 BNatSchG für unvermeidbare Be- Pflanzen solcher Arten, deren Exemplare nicht § 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14 BNatSchG) und Hervorhebung einträchtigungen im Rahmen zulässiger Eingrif- ausschließlich vom Menschen gezüchtet oder der für den Regelfall in der fe nach § 17 BNatSchG sowie bei bestimmten angebaut werden, wie dies bei Haustieren, vie- Bauleitplanung und bei Bau- zulässigen Vorhaben nach BauGB. Bei letzterem len Nutztierrassen oder Nutzpflanzen der Fall vorhaben relevanten Artenkol- lektive. Die übrigen Arten sind gerade in Gebieten mit Bebauungsplänen, ist. Zu den wild lebenden Arten zählen auch gemäß § 44 Abs. 5 Satz 5 von während der Aufstellung eines solchen Plans solche, die an oder in Gebäuden brüten oder den Verboten des § 44 BNatSchG freigestellt. und im unbeplanten Innenbereich nach dort Ruhestätten besitzen wie z. B. die Mehl- § 34 BauGB. schwalbe oder bestimmte Fledermausarten. Zwar gibt es eine Vielzahl an weiteren ge- Sodann stellt sich die Frage, was konkret ver- setzlich geschützten Arten, für die durch das boten ist. Hierbei enthält § 44 BNatSchG in BNatSchG in Verbindung mit der Bundesarten- Abs. 1 die so genannten Zugriffsverbote, und a) § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG schutzverordnung (BArtSchV) ein besonderer in Abs. 2 weitere Besitz- und Vermarktungsver- 16
bote. Letztere bleiben nachfolgend unberück- zungsrisiko für Exemplare der betroffenen sichtigt, weil sie für die Bauleitplanung und für Arten nicht signifikant erhöht ist und sich Bauvorhaben keine Relevanz entfalten. zugleich als unvermeidbar zeigt (§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG). Konkret verboten ist für die o. g. relevan- ten, wild lebenden Arten nach § 44 Abs. 1 BNatSchG (Zugriffsverbote): • Erhebliche Störung: Dieses Verbot ist auf einen räumlich-funktional abgrenzbaren • den Tieren nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungs- Artenbestand („Population“) und bestimm- te, allerdings summarisch sehr weit reichen- formen aus der Natur zu entnehmen, zu de Zeitphasen bezogen und setzt für eine beschädigen oder zu zerstören (Nr. 1); Verwirklichung voraus, dass sich störungs- • die Tiere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und bedingt der Erhaltungszustand dieses Bestands verschlechtert. Der Erhaltungszu- Blaufl ügelige Sandschrecke Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine stand ist als Gesamtheit der Einflüsse zu se- und Schwalbenschwanz sind erhebliche Störung liegt dann vor, wenn hen, die sich langfristig auf die Verbreitung Beispiele für national geschützte sich durch die Störung der Erhaltungs- und die Größe dieses Bestandes auswirken. Arten, die in der Bauleitplanung und bei zulässigen Bauvorha- zustand der lokalen Population einer Art Was als „lokale Population“ anzusehen ist, ben von den Verboten des § 44 verschlechtert (Nr. 2); unterscheidet sich zwischen den einzelnen BNatschG freigestellt sind. • Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Tiere aus der Natur zu entnehmen, zu beschädi- gen oder zu zerstören (Nr. 3); • Pflanzen oder ihre Entwicklungsformen (z. B. Samen, Rhizome) aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören (Nr. 4). Bei der Prüfung, ob Verbote verletzt werden und welche Maßnahmen ggf. erforderlich sein könnten, um den Flächennutzungsplan, einen Bebauungsplan oder ein bestimmtes Bauvor- haben unter Gesichtspunkten des Artenschut- zes als zulässig einzustufen, fließen fachliche Feststellungen zur Situation (etwa der Überla- gerung geplanter Bauflächen mit Lebensstätten Arten. Bei Arten mit flächiger Verbreitung entsprechend geschützter Arten) und fachliche sowie bei revierbildenden Arten mit großen sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfol- Aktionsräumen etwa stellt der jeweilige gen zusammen. Naturraum 4. Ordnung in Baden-Württem- berg den angemessenen Bezugsraum dar. Zu den Verbotstatbeständen im Einzelnen: Bei Arten mit geringerer Häufigkeit und • Tötung oder Verletzung von Individuen bzw. Beschädigung oder Zerstörung von Raumnutzung kann es sich um landschaft- liche Teilräume deutlich unterhalb einer Entwicklungsformen: Die entsprechen- Naturraumebene oder den Bestand einer den Verbote für Tiere und Pflanzen sind lokal eng begrenzten Lebensstätte handeln. individuenbezogen und schließen alle Entwicklungsformen wie etwa Eier, Raupen oder Pflanzensamen ein. Allerdings haben • Zerstörung oder Beschädigung einer Fort- pflanzungs- oder Ruhestätte: Dieses Verbot zunächst die Rechtsprechung und dann die ist konkret flächen- und funktionsbezogen. bislang letzte Novellierung des BNatSchG Bei einer Fortpflanzungsstätte handelt es die Schwelle einer „Signifikanz“ eingeführt. sich artbezogen um den mehr oder minder Demnach werden diese Verbote nicht gesamten oder aber um einen bestimm- verletzt, wenn das Tötungs- und Verlet- ten (für die Funktion zentralen) Teil des 17
Europäische Vogelart oder Art des Anhangs IV der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-RL) § 44 BNatSchG Tötung oder Erhebliche Stö- Zerstörung oder Verletzung rung der lokalen Beschädigung von Individuen Population der einer Fortpflan- der geschützten geschützten zungs- oder Art? (signifikant Art? Ruhestätte der erhöhtes Risiko) geschützten Art? Vermeidung, ausreichende Minderung oder Funktionserhalt nicht möglich Bauleitplanung / Vorhaben (zunächst) unzulässig Nächtlicher Baubetrieb mit Beleuchtung kann sensible Tierarten der näheren Umgebung stören. Ausnahmsweise Zulassung unter bestimmten, engen Rahmen- In bestimmten Fällen kam diese Störung erheblich bedingungen möglich sein und artenschutzrechtlich einen Verbotstatbe- stand verwirklichen. Vereinfachte Übersicht zu Lebensraums, der unverzichtbar ist, um die wesentlichen Fragen und erfolgreiche Fortpflanzung zu sichern. Für Konsequenzen bei der Prüfung, ob artenschutzrechtliche die Fortpflanzungsstätte gilt der Schutz Verbotstatbestände des auch dann, wenn sich die Tiere gerade § 44 Abs. 1 BNatSchG von einem nicht an oder in ihr aufhalten (z. B. auf- ansonsten zulässigen Vorhaben oder Bauleitplan berührt sein grund jahreszeitlicher Wanderungen), aber können. Jedes einzelne der Ver- davon auszugehen ist, dass sie diese wieder bote führt zur entsprechenden Konsequenz. Die Formulierungen aufsuchen bzw. regelmäßig nutzen werden. sind auf die Verbote zu Tierarten Gleiches gilt für Ruhestätten, bei denen es fokussiert. sich um Flächen oder Strukturen handelt, die für ein einzelnes Tier oder eine Gruppe von Tieren in mehr oder minder inaktiven Phasen von besonderer Bedeutung sind, spezifische Tierbauten mit eingeschlossen. Wird in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten geschütz- ter Arten eingegriffen, so liegt je nach Lebens- raumansprüchen jener Arten oftmals eine Beschädigung oder Zerstörung vor. 18
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