Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten

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Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Artenschutz in der Bauleitplanung
      und bei Bauvorhaben
     Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten

    MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, ARBEIT UND WOHNUNGSBAU
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Impressum

Herausgeber:                                                             Verteilerhinweis:
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Neues Schloss, Schlossplatz 4                                            Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit heraus-
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                                                                         so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausge-
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(bdla), Gemeindetag Baden-Württ., Landesnaturschutzver-                  Anzahl diese Informationsschrift verbreitet wurde.
band (LNV), Landkreistag Baden-Württ., Naturschutzbund
(NABU) Baden-Württ., Regierungspräsidium Karlsruhe,                      Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift
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Baden-Württemberg

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Bildreihenfolge in Leserichtung):
Jiri Bohdal (naturfoto.cz): 41-2; Michael Bräunicke: Titel 6, 8-2,
9-1, 16-1, 16-3, 40-1, 58-1, 59-3; Katrin Geigenmüller: 62/63,
72/73; Lando Geigenmüller: 38-1; Sabine Geißler-Strobel: 31-2;
Gabriel Hermann: 12-2, 22-2 bis 22-4; Johannes Mayer: Titel 1,
14-2, 16-2, 24, 41-1, 41-3, 58-4, 58-5, 59-1, 59-4, 68-2; Landesamt
für Geoinformation und Landentwicklung (LGL): Geoba-
sisdaten Az.: 2851.9- 1/19, 32, 37-2 bis 47 (jeweils Luftbild);
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-
Württemberg: 3-2; nullplus/stock.adobe.com: 34/35-1; Sebastian
Rall: 14-3, 18-2; Jörg Rietze: 8-1; Martin Stollberg: 3-1;
Florian Straub: 9-2, 42-1, 59-2; Jennifer Theobald: 6-2, 25, 27,
39-1, 43-2, 44-1, 69; Jürgen Trautner: Titel 2-5, 5-1, 5-2, 6-1/7-1,
7-2, 10, 11, 12-1/13-1, 14-1/15-1, 15-2, 15-3, 17-1, 18-1, 19, 29, 30,
31-1, 31-3, 31-4, 35-2, 37-1, 43-1, 46-1 bis 46-3, 48-1/49-1, 49-2,
58-2, 58-3, 60, 61, 64, 65, 66/67, 68-1, 70/71; ty/stock.adobe.com:
20/21; Verwaltungsgemeinschaft Tettnang-Neukirch: 33; Katja
Wallmeyer: 48-2; Manuel Weidler: 22-1/23; Michael Zepf: 17-2.
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,                      Mit seinen sowohl fachlichen als auch rechtli-
                                                    chen Hilfestellungen und vielen anschaulichen
städtebauliche Planungen und Bauvorhaben            Fallbeispielen zeigt der Handlungsleitfaden
sind das Ergebnis komplexer Verwaltungsver-         Wege auf, wie planerische Aufgabenstellungen
fahren, bei denen ganz verschiedene öffentli-       rund um den Artenschutz fundiert bearbeitet
che und private Interessen aufeinandertreffen.      werden können, auch und gerade im Hinblick
Neben dem kritischen Blick der Öffentlichkeit       auf die Effizienzsteigerung von Verwaltungsver-
gibt es auch handfeste rechtliche Vorgaben, an      fahren.
denen sich Planungs- und Bauprojekte messen
lassen müssen. Selbst für geübte Planerinnen        Durch das Insektensterben und die erheblichen
und Planer sowie Rechtsanwenderinnen und            Verluste bei den heimischen Vogelarten ist in
Rechtsanwender wird es immer schwieriger,           den letzten Jahren deutlich geworden, dass
sich im Geflecht der verschiedenen Vorschriften      auch in Baden-Württemberg die Artenvielfalt
zurecht zu finden und Verwaltungsverfahren           zurückgeht. Mit diesem Leitfaden wird praxis-
gleichermaßen fachlich adäquat wie rechtssicher     nah dargestellt, wie bei Bauleitplanung und bei
durchzuführen. Gleichzeitig stellt sich die Frage   Bauvorhaben erhebliche Beeinträchtigungen
nach einem effizienten Verfahrensmanagement.         der geschützten Arten vermieden oder verrin-
Die angespannte Wohnungsmarktsituation –            gert werden können.
sowohl in Groß- und Mittelstädten als auch im
ländlichen Raum – verleiht diesem Aspekt ein    Wenn in Planungs- und Genehmigungsverfah-
ganz besonderes Gewicht.                        ren die zur Verfügung stehenden rechtlichen
                                                und fachlichen Instrumente frühzeitig und kon-
Daher hat sich die beim Ministerium für Wirt-   sequent eingesetzt werden und Planungs- und
schaft, Arbeit und Wohnungsbau eingerichtete    Zulassungsverfahren für wichtige Projekte nicht
Wohnraum-Allianz des Landes Baden-Württem- verzögert werden, weil artenschutzrechtliche
berg mit verschiedenen Hemmnissen der Bau-      oder artenschutzfachliche Fragestellungen erst
landmobilisierung befasst. Ein Zwischenergebnis verspätet berücksichtigt werden, profitieren die
der Beratungen der Wohnraum-Allianz war die am Planen und Bauen beteiligten Akteure und
Einrichtung eines Arbeitskreises, der sich mit  die Natur gleichermaßen.
Fragen des besonderen Artenschutzrechts beim
Planen und Bauen befasst hat.                   Wir sind davon überzeugt, dass der Handlungs-
                                                leitfaden Sie, die am Planen und Bauen betei-
Unter Beteiligung des Ministeriums für Umwelt, ligten Akteure, bei der effizienten und rechts-
Klima und Energiewirtschaft, des Arbeitskreises sicheren Anwendung des Artenschutzrechts
und unter Einbindung von Fachleuten wurde       unterstützen wird.
der nun vorliegende Handlungsleitfaden mit
dem Titel „Besonderer Artenschutz in der Bau-
leitplanung und bei Bauvorhaben“ erarbeitet.

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL                    Franz Untersteller MdL
Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und               Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg            des Landes Baden-Württemberg
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Inhaltsverzeichnis

    VORWORT                                    3         ■ Ergebnisse am Beispiel                     37
                                                         ■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen
1   ANLASS                                     5
                                                           Ausnahmeerfordernis umzugehen?             47
2   KURZER ABRISS ZU DEN
                                                    9    ARTENSCHUTZ BEI
    RECHTLICHEN ANFORDERUNGEN                  6
                                                         BAUVORHABEN                                  48
    ■ Rechts- und Planungssystematik          6
                                                         ■ Vorrangige Fragen                          48
    ■ Bauleitplanung                          7
                                                         ■ Vorgehensweise, Verfahrensarten und
    ■ Bauvorhaben                            10
                                                           zuständige Behörden                        49
    ■ Anforderungen aus dem Naturschutzrecht
                                                         ■ Ablauf im Baugenehmigungsverfahren         52
      im Überblick                           10
                                                         ■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen
3   NATURSCHUTZFACHLICHER                                  Ausnahme- oder Befreiungserfordernis
    HINTERGRUND                               12           umzugehen?                                 56
                                                         ■ Artenschutzmaßnahmen im Rahmen
4   WAS IST ZU BERÜCKSICHTIGEN,
                                                           der Planung und Genehmigung                56
    WAS IST KONKRET VERBOTEN?                 14
                                                         ■ Ergebnisse am Beispiel                     58
    ■ Allgemeiner Artenschutz                 14
    ■ Besonderer Artenschutz                  16    10   VERMEIDUNG, FUNKTIONSERHALT
                                                         UND AUSNAHME                                 62
5   WER BEARBEITET UND PRÜFT
    DIE ANFORDERUNGEN                               11   HINWEISE ZU BESONDEREN
    DES ARTENSCHUTZES?                        20         FALLGESTALTUNGEN                             66
    ■ Bauleitplanung                          20         ■ Artenschutz im vereinfachten und
    ■ Bauvorhaben                             21           beschleunigten Bauleitplanverfahren     66
                                                         ■ Besondere Fälle des Artenschutzes im
6   ABSCHICHTEN: RELEVANZCHECK
                                                           Innen- und Außenbereich                 66
    UND VERTIEFTE PRÜFUNG IM
                                                         ■ Artenschutz bei „alten“ Bebauungsplänen 67
    ARTENSCHUTZ                               22
                                                         ■ Artenschutz bei Abriss, Sanierung
7   ARTENSCHUTZ IM                                         und Renovierung                         68
    FLÄCHENNUTZUNGSPLAN                       26
                                                    12   ÖKOLOGISCHE BAUBEGLEITUNG,
    ■ Vorrangige Fragen                        26
                                                         FUNKTIONSKONTROLLEN
    ■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 27
                                                         UND MONITORING                               70
    ■ Ergebnisse am Beispiel                   29
    ■ Kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme      13   ABLÄUFE OPTIMIEREN                           72
      erforderlich und möglich sein?           32
                                                    14   ANHANG                                       74
8   ARTENSCHUTZ BEI DER AUFSTEL-
    LUNG ODER ÄNDERUNG VON
    BEBAUUNGSPLÄNEN                           34
    ■ Vorrangige Fragen                      34
    ■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 35
    ■ Festsetzungen im B-Plan und Umgang mit
      planexternen Flächen/Maßnahmen         36

                                                                                                       4
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Anlass

Die durch Frau Ministerin Dr. Nicole Hoffmeis-
ter-Kraut MdL ins Leben gerufene Wohnraum-
Allianz setzt sich seit 2016 mit möglichen
Hemmnissen für die Ausweisung und Aktivie-
                                                 ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit
                                                 zum besseren Verständnis des Artenschutzes
                                                 und des sich daraus ergebenden kommunalen
                                                 Handelns im Bauleitplanverfahren geeignet.
                                                                                                                          1
rung von dringend benötigten Wohnbauflächen
in Baden-Württemberg auseinander und spricht     Der Handlungsleitfaden verfolgt vorrangig
Empfehlungen zu deren Überwindung aus.           folgende Ziele:

Neben anderen Themenbereichen wurden auch
                                                 •   Sensibilisierung der am Planen und Bauen
                                                     Beteiligten für die artenschutzrechtlichen
die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes          Vorgaben im Bundesnaturschutzgesetz
sowie Herausforderungen bei der praktischen          (BNatSchG);
Umsetzung dieser Vorgaben in städtebaulichen
Planungen und bei Bauvorhaben diskutiert.
                                                 •   Aufzeigen von Möglichkeiten für eine früh-
                                                     zeitige Vermeidung und Lösung von arten-
Dabei hat sich gezeigt, dass es den Bedarf für       schutzrechtlichen Konflikten, sowohl in der
einen systematischen Leitfaden gibt, der die         Bauleitplanung als auch bei Bauvorhaben;
komplexen artenschutzrechtlichen Anforderun-
gen näher erläutert und zudem den Fokus auf
                                                 •   Veranschaulichung dieser Möglichkeiten
                                                     durch möglichst praxisnahe Beispielfälle;
einen möglichst effizienten Umgang mit diesen     •   Klärung häufig gestellter Fragen;
Anforderungen sowie deren Abarbeitung in
Bauleitplanverfahren und bei Bauvorhaben legt.
                                                 •   Bereitstellen von Hinweisen für besondere
                                                     Planungssituationen und für gute Verfah-
                                                     rensabläufe.
Der vorliegende Handlungsleitfaden richtet
sich daher in erster Linie an die kommunalen     Der Handlungsleitfaden soll damit einen Bei-
Planungsträger in der Bauleitplanung sowie       trag für eine gute Praxis bei der Bearbeitung
die Behörden und die Vorhabenträger bei der      des Artenschutzes beim Planen und Bauen
Planung und Zulassung von Bauvorhaben. Er        leisten.
                                                                                                      Umsetzung von Bauvorhaben
                                                                                                      in einem neu erschlossenen
                                                                                                      Wohngebiet.

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Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Kurzer Abriss zu den rechtlichen
                                   Anforderungen

2                                  RECHTS- UND PLANUNGS-
                                   SYSTEMATIK
                                   Die Bauleitplanung (Flächennutzungs- und
                                   Bebauungsplanung) ist Teil der verfassungs-
                                                                                     den daher auch als „abwägungsfest“ bezeichnet.
                                                                                     Die Fachgesetze sehen zumeist auch spezielle
                                                                                     Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten vor,
                                                                                     die zum Teil für die Bauleitplanung nutzbar
                                   rechtlich garantierten kommunalen Selbstver-      gemacht werden können.
                                   waltungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie obliegt
                                   damit – im Rahmen der Gesetze – den Städten       Als Teil des Systems der räumlichen Gesamtpla-
                                   und Gemeinden.                                    nung in Deutschland gelten für die Bauleitpla-
                                                                                     nung neben den fachrechtlichen Vorgaben auch
                                   Die Aufstellung von Bauleitplänen richtet sich    die Vorgaben der übergeordneten Raumord-
                                   in erster Linie nach den Regelungen des Bauge-    nung (Landesentwicklungsplan, Regionalplan).
                                   setzbuchs (BauGB).                                So sind die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 4 BauGB
                                                                                     an die in diesen Plänen festgelegten Ziele der
                                   Ein Kernprinzip des Baugesetzbuchs ist, dass      Raumordnung anzupassen. Grundsätze der
Vor der Erschließung eines neuen   die planende Stadt bzw. Gemeinde im Rahmen        Raumordnung sind zu berücksichtigen.
Wohngebietes stehen Planung
und Abwägung im Rahmen der
                                   der Bauleitplanung sämtliche von der Planung
zweistufigen Bauleitplanung.       berührten öffentlichen und privaten Belange       Schließlich muss sich die kommunale Planung
Dabei sind die „abwägungs-         nach § 1 Abs. 7 BauGB ermittelt, bewertet und     auch mit raum- bzw. flächenrelevanten Fachpla-
festen“ Regelungen des Arten-
schutzes, soweit im jeweiligen     gegeneinander und untereinander gerecht ab-       nungen auseinandersetzen, in denen die Städte
Einzelfall berührt, zu beachten.   wägt (= sog. Abwägungsgebot). Hierzu gehören      und Gemeinden zu beteiligen sind, die jedoch
                                                                                     gegenüber der kommunalen Planung privilegiert
                                                                                     sein, d. h. Vorrang haben können. Bei Fachpla-
                                                                                     nungen handelt es sich um sektoral ausgerichte-
                                                                                     te Maßnahmen auf Basis spezifischer Aufgaben
                                                                                     und Kompetenzen sowie eigener, fachgesetzli-
                                                                                     cher Regelungen, wie sie etwa von der Straßen-
                                                                                     bau- oder Wasserwirtschaftsverwaltung geplant
                                                                                     und durchgeführt werden.

                                                                                     Maßgeblich für das einzelne Bauvorhaben oder
                                                                                     eine Sanierung sind in erster Linie die Vorgaben
                                                                                     der Landesbauordnung Baden-Württemberg
                                                                                     (LBO). Neben den bauplanungs- und bauord-
                                                                                     nungsrechtlichen Vorschriften dürfen einem
                                                                                     Bauvorhaben andere öffentlich-rechtliche Rege-
                                                                                     lungen nicht entgegenstehen. Dies können auch
                                   auch die Belange von Natur und Umwelt.            naturschutzrechtliche Regelungen sein.
                                   Daneben bestehen fachgesetzliche Vorschrif-
                                   ten, z.B. aus dem Bundesnaturschutzgesetz, die
                                   erweiterte Anforderungen an bestimmte dieser
                                   Umweltbelange stellen. Solche Spezialvorschrif-
                                   ten (z.B. für den Artenschutz) sind der bau-
                                   leitplanerischen Abwägung in der Regel nicht
                                   zugänglich. Sie sind strikt anzuwenden und wer-

                                                                                                                                   6
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
BAULEITPLANUNG                                      Inhaltliche Anforderungen mit Bezug zum
Für den Bereich des Natur- und Artenschutzes        Natur- und Artenschutz
existieren verschiedene rechtliche Anforderun-      Das auf S. 6 bereits angesprochene Abwägungs-
gen, die allesamt beachtet werden müssen. Im        gebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist das zentrale
konkreten Planungsfall sind zum Teil fachliche      Gebot rechtsstaatlicher Planung. Es ist gleicher-
und rechtliche Überschneidungen der einzel-         maßen bestimmend für den Planungsvorgang
nen Anforderungen möglich, die eine gemein-         als auch für die Planungsentscheidung und
same Abarbeitung im Planverfahren erlauben          damit für das Ergebnis der Planung. Die von der
oder erfordern können.                              Planung berührten Belange (= Abwägungsmate-
                                                                                                        Werden Siedlungsflächen
                                                    rial) sind von der Gemeinde nach § 2 Abs. 3         erweitert, sind u. a. die Auswir-
(Allgemeine) Ziele und Grundsätze der               BauGB zu ermitteln und zu bewerten und              kungen auf Tiere und Pfl anzen
Bauleitplanung                                      schließlich gegeneinander und untereinander         sowie die biologische Vielfalt in
                                                                                                        der Planung als Teil der Belange
Über die zweistufige Bauleitplanung – mit            gerecht abzuwägen. Welche Belange in einer          von Naturschutz und Landschafts-
Flächennutzungsplan (= vorbereitender Bau-          konkreten Planungssituation bevorzugt und           pflege zu berücksichtigen.
leitplan) und Bebauungsplan (= verbindlicher
Bauleitplan) – sollen die Städte und Gemeinden
nach § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städ-
tebauliche Entwicklung gewährleisten. Dabei
sind es sowohl soziale, als auch wirtschaftliche,
kulturelle und auf den Schutz der Umwelt
ausgerichtete Anforderungen, denen die Kom-
mune Rechnung tragen und die sie in Einklang
bringen soll.

Hierzu gehören
•  die sozialgerechte Bodennutzung unter
   Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der
   Bevölkerung,
•  Schutz und Entwicklung einer menschen-
   würdigen Umwelt sowie der natürlichen
   Lebensgrundlagen,                                welche Belange demgegenüber zurückgestellt
•  Förderung von Klimaschutz und Klima-
   anpassung, insbesondere auch in der Stadt-
                                                    werden, ist Gegenstand der Abwägung und
                                                    nicht vom Gesetz vorgegeben.
   entwicklung,
•  baukulturelle Erhaltung und Entwicklung
   von städtebaulicher Gestalt, Orts- und
                                                    Die Belange des Naturschutzes und der
                                                    Landschaftspflege sind eine Teilmenge der zu
   Landschaftsbild.                                 berücksichtigenden öffentlichen Belange und in
                                                    § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB ausführlich aufgeschlüs-
Die städtebauliche Entwicklung soll hierzu          selt. In dieser Vorschrift sind insbesondere
vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwick-         folgende Abwägungsbelange mit Bezug zu Tier-
lung erfolgen.                                      und Pflanzenarten genannt:
                                                    •   die Auswirkungen [der Planung] auf Tiere
                                                        und Pflanzen, Landschaft und biologische
                                                        Vielfalt sowie das Wirkungsgefüge bzw.

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Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Wechselwirkungen zwischen diesen und           Während sowohl die bauleitplanerische Ein-
                                         weiteren Umweltfaktoren bzw. Schutzgütern;     griffsregelung als auch die in § 1 Abs. 6 Nr. 7
                                     •   die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der
                                         Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundes-
                                                                                        BauGB benannten Belange innerhalb der bau-
                                                                                        leitplanerischen Abwägung berücksichtigt und
                                         naturschutzgesetzes (einschließlich Wechsel-   damit ggf. auch gegenüber anderen, gewichti-
                                         wirkungen, s. o.);                             geren Belangen zurückgestellt werden können,
                                     •   die Auswirkungen auf die vorstehenden
                                         Belange aufgrund schwerer Unfälle oder
                                                                                        gibt es andere aus dem Naturschutzrecht stam-
                                                                                        mende Regelungsbereiche, die der Abwägung
                                         Katastrophen durch im Bebauungsplan-           nicht zugänglich sind.
                                         gebiet zulässige Vorhaben.
                                                                                        Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören
                                     Neben den genannten Natur- und Umweltbe-           die Regelungen des Artenschutzes, die in Kapi-
                                     langen ist in § 1a Abs. 3 BauGB in Verbindung      tel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten
                                     mit § 18 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen, dass          sind. Sie dienen sowohl dem Schutz der wild
                                     über die sog. Eingriffsregelung ebenfalls im       lebenden Tier- und Pflanzenarten als auch dem
                                     Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung            Schutz ihrer Lebensstätten. Für die Bauleitpla-
                                     entschieden wird. In der Literatur wird daher      nung sind in erster Linie die darin enthaltenen
                                     gelegentlich auch von der „bauleitplanerischen     Vorschriften über den besonderen Artenschutz
                                     Eingriffsregelung“ gesprochen.                     praxisrelevant. Das besondere Artenschutzrecht
Haselmäuse bewohnen Wälder,
                                                                                        gibt in den §§ 44 und 45 BNatSchG u. a. die
größere Feldgehölze und Hecken.      Die Eingriffsregelung befasst sich konkret mit     artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote und
In Baden-Württemberg sind sie        der Vermeidung und dem Ausgleich voraus-           gesetzliche Privilegierungen (etwa für Land-
in den meisten Landschaftsräu-
men vertreten.                       sichtlich erheblicher (planungsbedingter) Beein-   und Forstwirtschaft, zulässige Eingriffe) sowie
                                     trächtigungen des Landschaftsbildes sowie der      Erleichterungen vor und zeigt darüber hinaus
                                     Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur-       auch Ausnahmemöglichkeiten auf.
                                     haushalts. Eingriffe in Natur und Landschaft
                                     sind nach § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderun-         Die Vorschriften des besonderen Artenschutzes
                                     gen der Gestalt oder Nutzung von Grundflä-          nehmen in der Bauleitplanung eine Sonder-
                                     chen oder Veränderungen des mit der beleb-         stellung ein, da sie handlungsbezogen (und
                                     ten Bodenschicht in Verbindung stehenden           nicht planungsbezogen) formuliert sind. In
                                     Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und        diesen Vorschriften wird insbesondere geregelt,
                                     Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder         dass die Tötung oder Verletzung bestimm-
                                     das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen      ter Tier- und Pflanzenarten, die Zerstörung
                                     können.                                            oder Beschädigung deren Lebensstätten oder

Die Zauneidechse gehört zu
den relativ häufi g in der Bauleit-
planung und bei Bauvorhaben
betroffenen streng geschützten
Arten.

                                                                                                                                          8
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Standorte sowie zudem in sensiblen Zeiträumen         Näheres zur erforderlichen Ermittlungstiefe
die erhebliche Störung bestimmter Tierarten           hinsichtlich der Belange von Tieren, Pflanzen
verboten ist. Die Verbote untersagen damit            und der biologischen Vielfalt mit Fokus auf
bestimmte tatsächliche Handlungen. Obgleich           den Artenschutz findet sich in Kap. 6. Für
nicht der Bauleitplan selbst, sondern erst dessen     die Festlegung von Ermittlungsumfang und
Verwirklichung untersagte Handlungen dar-             -detaillierung ist die Stadt oder Gemeinde selbst   Fledermäuse wie diese Langoh-
                                                                                                          ren nutzen auch Gebäudequartie-
stellen bzw. mit sich bringen kann, müssen die        zuständig, es ist jedoch eine vorherige Abstim-     re. Sie können daher von Umbau-
Gemeinden schon in der Bauleitplanung diese           mung mit der Naturschutzbehörde vorgesehen          und Sanierungsmaßnahmen
Verbote beachten. Denn nach höchstrichterli-          (§ 4 Abs. 1 BauGB). Jedenfalls heranzuziehen        betroffen sein. Dazu gehören ins-
                                                                                                          besondere der Aus- oder Umbau
cher Rechtsprechung ist ein Bebauungsplan, der        sind Landschaftspläne oder bestimmte sonstige       von Dachböden, Scheunen und
im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennbar we-         vorliegende Pläne.a)                                von außen zugänglichen Kellern.
gen bestehender rechtlicher Hindernisse nicht
verwirklicht werden kann und somit seinen
städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungs-
auftrag verfehlt, als solcher nicht erforderlich im
Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Er kann damit bei
einer gerichtlichen Überprüfung für unwirksam
erklärt werden.

Strikt zu beachten und der Abwägung nicht
zugänglich sind ferner die Vorschriften zu
Schutzgebieten auf der Grundlage europäischen
Rechts (Natura 2000-Gebiete: FFH-Gebiete
und Europäische Vogelschutzgebiete) sowie zu
Schutzgebieten nach nationalem Recht (z. B.
Natur- und Landschaftsschutzgebiete). Das Ge-
bietsschutzrecht mit seinen Spezialvorschriften
und das oben beschriebene besondere Arten-    Bei Bebauungsplänen, die nach § 13, 13a und
schutzrecht können sich – je nach Planungssitu-
                                              13b BauGB im vereinfachten bzw. im beschleu-
ation – auch überlagern.                      nigten Verfahren aufgestellt werden, entfällt
                                              zwar die Pflicht zur Durchführung der förmli-
Formale Anforderungen mit Bezug zum           chen Umweltprüfung und zur Dokumentation
Natur- und Artenschutz                        im Umweltbericht sowie einzelner weiterer
Bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist im  umweltrechtlicher Anforderungen. Die Pflicht,
Regelverfahren eine förmliche Umweltprüfung   die umweltbezogenen Planungsbelange in den
für die Belange des Umweltschutzes nach § 2   gemeindlichen Abwägungsvorgang einzustellen,
Abs. 4 BauGB durchzuführen. In ihr werden die bleibt davon allerdings unberührt. Die arten-
voraussichtlichen erheblichen Umweltauswir-   schutzrechtlichen Anforderungen des Bundes-
kungen ermittelt und in dem sog. Umweltbe-    naturschutzgesetzes und die Regelungen zu den
richt beschrieben und bewertet. Das bedeutet, Schutzgebieten sind ebenfalls zwingend anzu-
dass die Umweltprüfung das Trägerverfahren    wenden.
für alle bauleitplanerischen Umweltverfahren                                                              Die Dohle brütet an Gebäuden,
ist.                                                                                                      benötigt aber auch ausreichende
                                                                                                          Nahrungsfl ächen in und im nahen
                                                                                                          Umfeld von Siedlungen.
Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der
Begründung zum Bebauungsplan (§ 2a BauGB)
und befasst sich mit verschiedenen umweltrele-
vanten Planungsaspekten, die in der Anlage 1
 zum Baugesetzbuch abschließend aufgezählt
sind.                                                 a) § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 1
                                                      Abs. 6 Nr. 7 Buchst. g BauGB

9
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben - Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
BAUVORHABEN                                        Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr
                                    Sowohl verfahrensfreie Vorhaben als auch Vor-      dafür verantwortlich, dass die öffentlich-recht-
                                    haben, für die ein Baugenehmigungsverfahren        lichen Vorschriften einschließlich des Arten-
                                    durchzuführen ist, müssen den öffentlich-recht-    schutzes eingehalten werden (Näheres in Kap.
                                    lichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5       9, S. 47 ff).
                                    i.V. m. § 58 Abs. 1 LBO). Zu diesen zählen auch
                                    die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des        ANFORDERUNGEN AUS DEM NATUR-
Einzelne Bauvorhaben unter-         § 44 f. BNatSchG, die daher bei einzelnen Bau-     SCHUTZRECHT IM ÜBERBLICK
liegen den bauplanungs- und         vorhaben anzuwenden sind.                             Nebenstehend findet sich ein Überblick zu
bauordnungsrechtlichen Vorschrif-
ten, aber auch andere öffentlich-                                                         den wichtigsten Regelungsbereichen des
rechtliche Vorschriften dürfen        Im günstigsten Fall können artenschutzrecht-        Bundesnaturschutzgesetzes mit Schwerpunkt
nicht entgegenstehen.
                                      liche Konflikte bei einfach gelagerten Fällen        oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und
                                      ohne vertiefte Betrachtung ausgeschlossen           Pflanzenarten. Darüber hinaus gibt es weitere
                                      werden. Ansonsten liegt möglicherweise bei          Regelungen wie den Schutz vor invasiven Arten
                                      Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich             (§ 40a BNatSchG). Im Übrigen muss darauf hin-
Die wichtigsten Regelungs-
                                      (§ 34 BauGB) oder in einem Bebauungsplan-           gewiesen werden, dass sich Bestimmungen, die
bereiche des BNatSchG mit
Schwerpunkt oder Querbezügen          gebiet (§ 30 BauGB) eine hinreichend aktuelle       im Einzelfall Relevanz erlangen können, auch in
zum Schutz von Tier- und Pfl an-       Grundlage vor, die Vorgaben zur baubedingten        der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV,
zenarten. Zur Eingriffsregelung
und zur Berücksichtigung des eu-
                                      Vermeidung artenschutzrechtlicher Verstöße          dort etwa zum Verbot des Einsatzes bestimmter
ropäischen Schutzgebietsnetzes        beinhaltet (z. B. zeitliche Vorgaben  für bestimm-  Verfahren oder Geräte) oder in landesspezifi-
Natura 2000 enthält das BauGB         te Tätigkeiten, Bsp. S. 36) und andere mögliche schen Regelungen finden.
in § 1a eigene Bestimmungen in
Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 7
                                      Konfliktsachverhalte etwa durch vorgezogene
Buchst. a bzw. b.                     funktionserhaltende Maßnahmen (s. Kap. 8,           Die artenschutzrechtlichen Regelungen des
                                                      S. 35 ff sowie Kap. 10) bereits     BNatSchG im engeren Sinn (S. 16 ff) sind in
  Allgemeiner Arten- und                              gelöst hat.                         solche zum allgemeinen und zum besonderen
  Lebensstättenschutz
                                                                                          Artenschutz gegliedert. Letzterer bezieht sich
  § 39 BNatSchG
                                                      Wenn dies nicht der Fall ist,       auf Arten mit einem differenzierten Schutzsta-
  Besonderer Artenschutz                              beteiligt bei verfahrenspfl ichtigen tus in Verbindung mit der Bundesartenschutz-
  § 44 BNatSchG                                       Vorhaben die untere Baurechts-      verordnung sowie mit weiteren Verordnungen,
                                                      behörde bei Verdacht auf Vor-       Übereinkommen oder Richtlinien teils euro-
   Ausnahmen/Befreiung
                                                      kommen bzw. Betroffenheit           parechtlicher Art. Der besondere Artenschutz
   §§ 45 und 67 BNatSchG
                                                      geschützter Arten die zuständige einschließlich der Möglichkeiten für Ausnah-
                                                      Naturschutzbehörde als berührte men oder Befreiungen ist zentrales Thema des
   Schäden an bestimmten Arten,
   Sanierungspflicht                                   Fachbehörde gemäß § 53 Abs. 4       vorliegenden Leitfadens.
   § 19 BNatSchG                                      Satz 1 LBO. Soweit sich dies im
   Verantwortung beruflich Tätiger für nicht           Weiteren als erforderlich erweist, Eine Schädigung von Arten und natürlichen
   zuvor ermittelte Schäden
                                                      kann die untere Baurechts-          Lebensräumen gemäß § 19 BNatSchG in Ver-
   Eingriffsregelung                                  behörde den Bauherren gemäß         bindung mit dem Umweltschadensgesetz kann
                           §1a Abs. 3 BauGB
   §§ 14 ff. BNatSchG                                 § 53 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LBO       dann vorliegen, wenn zuvor nicht ermittelte
   Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen       zur Beibringung eines Gutach-       und insoweit nicht genehmigte bzw. nicht spe-
   auch von Arten; Ausgleich oder Ersatz
                                                      tens auffordern um sicherzustel- zifisch zugelassene Beeinträchtigungen bei der
   Natura 2000                                        len, dass es zu keinem Verstoß      Verwirklichung eines Vorhabens eintreten. Hier
                           §1a Abs. 4 BauGB
   §§ 31 ff. BNatSchG                                 gegen artenschutzrechtliche         spricht man verkürzt von einem Umwelt- bzw.
   Schutz und Gebietsmanagement, Prüfung              Verbote kommt (ggf. unter Be-       Biodiversitätsschaden. Voraussetzung ist, dass
   und ggf. Unzulässigkeit von Projekten,
   Kohärenzsicherung                                  rücksichtigung von Vermeidungs- eine solche Beeinträchtigung erhebliche nach-
                                                      oder sonstigen Maßnahmen).          teilige Auswirkungen auf die Erreichung oder
   Sonstiger Flächen-/Gebietsschutz                   Näheres dazu s. Kap. 9, S. 52 ff.   Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands
   div. §§ BNatSchG
                                                      Auch seitens des Bauherren kann der betreffenden Art hat. Verantwortliche Per-
   darunter geschützte Biotope und
   Naturschutzgebiete (auch) mit Funktionen           hierzu vorsorglich eine entspre-    sonen können dann zu Sanierungsmaßnahmen
   für Arten                                          chende Ermittlung und Bewer-        auf ihre Kosten verpflichtet werden. Derzeit
                                                      tung veranlasst werden.             sind unter den Arten nur solche der Anhänge II

                                                                                                                                      10
Auch funktionserhaltende oder
                                                                                                     zur Kompensation geeignete
                                                                                                     Maßnahmen des Naturschut-
                                                                                                     zes erfordern häufig maschinellen
                                                                                                     Einsatz: Hier bei der Beseitigung
                                                                                                     unerwünschten Gehölzaufwuch-
                                                                                                     ses zur Wiederherstellung für den
                                                                                                     Arten- und Biotopschutz wertvol-
                                                                                                     ler Offenland-Lebensräume.
und IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-        nationalem Recht (z. B. Naturschutz- und Land-
Richtlinie (92/43/EWG) sowie ein Großteil der       schaftsschutzgebiete).
europäischen Vogelarten Gegenstand dieser
Regelung.                                           Mit den §§ 69 ff. enthält das BNatSchG im
                                                    Übrigen Bußgeld- und Strafvorschriften, nach
Die Eingriffsregelung nach BNatSchG (§§ 14          denen bei bestimmten widerrechtlichen Hand-
ff.), die im Kontext der Bauleitplanung be-         lungen bezüglich geschützter Arten Geld- oder
reits angesprochen wurde, verpflichtet den           Freiheitsstrafen vorgesehen werden können.
Verursacher eines Eingriffs dazu, vermeidbare
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft
zu unterlassen (Vermeidungs- und Verminde-
rungsgebot) und für unvermeidbare Beeinträch-
tigungen Kompensation zu leisten. Letzteres
bedeutet, dass diese Beeinträchtigungen durch
Maßnahmen des Naturschutzes und der Land-
schaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnah-
men) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen) sind.
                                                       KURZ GEFASST                        Die kommunale Bauleitplanung
Solche Maßnahmen zielen auf die gleichartige           nach Baugesetzbuch (BauGB) ist in einen Rahmen aus Vorgaben
                                                       der übergeordneten Raumplanung, zu berücksichtigender und
oder zumindest gleichwertige Wiederherstel-
                                                       teils privilegierter Fachplanungen sowie bestimmter fachgesetz-
lung beeinträchtigter Funktionen des Natur-
                                                       licher Regelungen eingebunden. Zu letzteren gehören u. a. die
haushaltes im engeren räumlichen Zusammen-
                                                       Eingriffsregelung mit Vermeidungs- und Kompensationsanfor-
hang bis auf Ebene des betroffenen Naturraums
                                                       derungen (Teil der Abwägung) sowie die artenschutzrechtlichen
ab. Bezüglich Tieren und Pflanzen ist dies auf          Bestimmungen des BNatSchG (abwägungsfest). In der Eingriffs-
besonders wertgebende und planungsrelevante            regelung sind auch sonstige besonders wertgebende und pla-
Arten fokussiert. Die Frage, ob es sich dabei          nungsrelevante Arten von Bedeutung, unabhängig von einem
um gesetzlich besonders geschützte Arten han-          gesetzlichen Schutzstatus. Das Trägerverfahren für sämtliche
delt, spielt zwar eine Rolle, doch sind nicht nur      Umweltverfahren im Zusammenhang mit einem Bauleitplanver-
solche Arten abwägungsrelevant. In den weite-          fahren ist die Umweltprüfung.
ren Kapiteln wird dies noch angesprochen               Belange von Tieren, Pflanzen und der biologischen Vielfalt sind
(s. Kap. 3 ff.).                                       in der Abwägung auch im Rahmen beschleunigter bzw. verein-
                                                       fachter Verfahren zu berücksichtigen, obwohl hier die formale
Der Flächen- und Gebietsschutz umfasst die             Umweltprüfung und der Umweltbericht entfallen. Der besondere
                                                       Artenschutz ist in allen Fällen zwingend zu beachten.
Vorschriften zum Schutz und zur Entwicklung
                                                       Das einzelne Bauvorhaben unterliegt primär der Landesbauord-
der Schutzgebiete des europäischen Netzwerks
                                                       nung, sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften einschließlich
Natura 2000 (FFH- und Vogelschutzgebiete;
                                                       des Artenschutzrechts sind dabei allerdings ebenfalls zu beachten.
§ 31 ff. BNatSchG) und die Schutzgebiete nach

11
Naturschutzfachlicher Hintergrund

3                                  Das Aussterben von Arten und der Rückgang
                                   von Artbeständen haben weltweit nach ak-
                                   tuellen Analysen eine Größenordnung und
                                   Geschwindigkeit erreicht, die wesentlich höher
                                                                                         unterschiedliche Verbreitungsmuster ausschlag-
                                                                                         gebend sind.

                                                                                         Daher sind weitere Instrumentarien erforderlich,
                                   als eine natürlicherweise ohne menschliche            um Arten aktiv und passiv wirksam zu schützen.
                                   Aktivitäten zu erwartende Aussterberate liegt. a)     In der Bauleitplanung kommt dabei der bereits
Tagfalter 54 %                     Auch in Deutschland und Baden-Württemberg             im vorstehenden Kapitel angesprochenen Um-
                                   wird die Situation der Artenvielfalt als alarmie-     weltprüfung einschließlich der Berücksichtigung
                                   rend bewertet. b)                                     der Eingriffsregelung eine große Bedeutung zu,
                                                                                         da sie übergreifend darauf ausgerichtet ist, fach-
                                   Nach den bundesweiten Roten Listen als fach-          lich korrekt zu erfassen, abzuwägen und dabei
                                   lichem Bewertungsmaßstab liegt der Anteil             nach Möglichkeit zu vermeiden, zu mindern und
                                   gefährdeter Arten bei vielen Gruppen der Flora        für unvermeidbare Beeinträchtigungen Kom-
                                   und Fauna bereits deutlich über einem Drittel         pensation zu leisten. Dies soll auch den im Ein-
                                   der heimischen Arten, teilweise bereits über der      zelnen betroffenen Arten als Teil von Natur und
                                   Hälfte. Zahlreiche weitere Arten gelten als mög-      Landschaft bzw. der Schutzgüter Tiere, Pflanzen
                                                     liche Kandidaten für eine zu-       und biologische Vielfalt zu Gute kommen.
                                                     künftige Gefährdung und wur-
                                                     den in die so genannten Vor-     Anders als bei der Abarbeitung des besonderen
                                                     warnlisten aufgenommen, die      Artenschutzes ist der primäre Blickwinkel beim
                                                     ergänzend zu den eigentlichen    allgemeinen Artenschutz ein naturschutzfachli-
                                                     Roten Listen geführt werden.     cher: Denn im Rahmen der Umweltprüfung ist
                                                     Darunter finden sich nicht nur    ein besonderes Augenmerk auf die gefährdeten
                                                     Arten der freien Landschaft,     Arten und unter diesen noch weiter vertieft
                                                     sondern zu einem nicht unwe-     dann auf jene Arten zu richten, für die unter
                                                     sentlichen Anteil auch solche,   biogeografischen Aspekten eine besondere
Viele Tagfalter wie dieser gehö-   deren Lebensräume in Randbereichen oder gar        Schutzverantwortung besteht, etwa weil sie ei-
ren zu den bundesweit und in
                                   innerhalb von Siedlungen liegen. Auch gebäude-     nen hohen weltweiten Bestandsanteil innerhalb
Baden-Württemberg in ihrem
Bestand bedrohten Tierarten.       bewohnende Tierarten zählen bereits teilweise      Deutschlands haben.d) Bei Beeinträchtigungen
Über alle Artengruppen hinweg      als gefährdet oder werden in der Vorwarnliste      und Bestandsverlusten gerade solcher Arten
stehen zahlreiche Arten auf den
                                   geführt. Baumaßnahmen stellen zwar nicht den       wird auch dem einzelnen Vorhaben am ehes-
aktuellen Roten Listen gefährde-
ter Tiere und Pfl anzen (ausge-     bundesweit stärksten Beeinträchtigungsfaktor       ten eine wesentliche Rückwirkung auf Tiere,
wählte Prozentwerte bedrohter      für Arten dar, rangieren in einer Analyse zu Ge-   Pflanzen und die biologische Vielfalt zuzurech-
Tierarten nach bundesweitem
Stand, BfN 2009 u. Folgebände,
                                   fährdungsursachen bei Tiergruppen als Wirkfak-     nen sein. Ob dagegen einer Art ein bestimmter
Grüneberg et al. 2015).            torenkomplex aber unter den ersten fünf. c)        Schutzstatus beigemessen wurde, ist in diesem
                                                                                      Zusammenhang nachrangig, zumal dieser auf
Amphibien 40 %                     Der Schutz von Arten als zentralem Teil der        verschiedene Gründe zurückzuführen sein
                                   „Biologischen Vielfalt“ (Biodiversität) kann nicht kann, die mit einer potenziellen Gefährdung
                                   alleine durch ein System des Biotop- und sons-     durch ein Vorhaben überhaupt nicht im Zusam-
                                   tigen Flächenschutzes erreicht werden, wofür       menhang stehen mögen.
                                   unter anderem die vielfältigen ökologischen
                                   Ansprüche von Arten (z. B. an Flächengrößen        a) Pimm et al. (2014); Ceballos et al. (2015)
                                                                                      b) Bundesamt für Naturschutz (2015)
                                   und Biotopverbund), besondere Sensitivität         c) Günther et al. (2005)
                                   gegenüber bestimmten Beeinträchtigungen und d) BVerwG, Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A 14.12, Rn. 18 ff.

                                                                                                                                          12
Aber auch der besondere Artenschutz stellt eine   abzuarbeiten: bezüglich Tier- oder Pflanzen-
wesentliche Säule des Naturschutzes dar und       individuen bestimmter geschützter Arten als
soll als eigenes Instrumentarium dazu beitra-     solche, der störungsarmen zentralen Phasen des
gen, den Artenschwund zu stoppen.                 Lebenszyklus bestimmter Tierarten sowie der
                                                  Lebensstätten und Standorte bestimmter Arten.
Hierzu zählen Regelungen und Maßnahmen
zur Eindämmung und Regulierung des gewerbs-
                                                  •   Individuenbezogene Verbote sind im Arten-
                                                      schutz (der nicht etwa dieselben Ziele wie
mäßigen oder illegalen Fangs, der Haltung und         der Tierschutz verfolgt) deshalb von Be-
des Handels von Arten und daraus hergestellter        deutung, weil die Tötung und Verletzung        Fledermäuse 40 %
Produkte, worauf die Aufnahme vieler Arten in         von Tieren oder die Zerstörung von Pflan-
eine Schutzkategorie (besonders oder streng ge-       zen u. a. unmittelbare Auswirkungen auf
schützt) abzielt. Weltweit kommt dem eine sehr        deren Bestandsgröße haben kann;
hohe Bedeutung zu, im Kontext des vorliegen-
den Leitfadens ist dies jedoch nicht relevant.
                                                  •   das Verbot einer erheblichen Störung in
                                                      bestimmten, besonders sensiblen Zeiträu-
Ferner sollen mit aktiven Maßnahmen unter             men soll u. a. verhindern, dass eine erfolg-
anderem bestehende Artenschutzprogramme               reiche Fortpflanzung ausbleibt oder sich
ausgebaut oder ergänzt werden.                        etwa deutlich vermindern würde;

Schließlich zielen die Zugriffsverbote des
                                                  •   und schließlich soll das Zerstörungs- und
                                                      Beschädigungsverbot für Fortpflanzungs-
§ 44 Abs. 1 BNatSchG (s. Kap. 4, S. 17) über          und Ruhestätten bzw. Standorte von Arten
einen gebietsunabhängigen Schutz darauf ab,           erreichen, dass das entsprechende Flä-
den günstigen Erhaltungszustand bestimmter            chenangebot weder qualitativ noch quan-
geschützter Arten zu sichern oder einen solchen       titativ zurückgeht oder gar Arten mangels
wieder zu erreichen. Für die land-, forst- und        Lebensraum aus bestimmten Gebieten
fischereiliche Bewirtschaftung gelten spezifi-          vollständig verschwinden.
sche Rahmenbedingungen und die Vorgabe,                                                                Brutvögel 45 %
dass sich die Situation lokaler Populatio-
nen nicht verschlechtern darf (§ 44 Abs. 4
                                                      KURZ GEFASST                      Die Situation der Artenvielfalt ist
BNatSchG).
                                                      weltweit und in Deutschland dramatisch schlecht. Auch in Baden-
                                                      Württemberg sind viele Arten bedroht. Baumaßnahmen sind in
In der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben
                                                      Deutschland zwar nicht der gravierendste Beeinträchtigungsfaktor
sind die Verbote einzeln entsprechend dem             für Arten, rangieren bei den Gefährdungsursachen(-komplexen) für
jeweiligen Schutzansatz zu berücksichtigen und        Tiergruppen aber unter den ersten fünf. Unterschiedliche Instru-
                                                      mentarien sollen zu einem Stopp des Artenverlustes beitragen.

                      Wildbienen 53 %                 Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung muss vorrangig auf die
                                                      gefährdeten Arten und noch weiter vertieft auf Arten fokussieren,
                                                      für die unter biogeografischen Aspekten eine besondere Schutzver-
                                                      antwortung besteht. Separat und in nur teilweiser Überschneidung
                                                      ist der besondere Artenschutz abzuarbeiten. Dabei kommt den
                                                      einzelnen Verboten aus unterschiedlichen Gründen fachliche Bedeu-
                                                      tung zu: Dies betrifft sowohl die auf einen Individuenschutz ausge-
                                                      richteten Verbote als auch diejenigen zum Schutz von Lebensstätten
                                                      und Standorten und zur Verhinderung erheblicher Störungen.

13
Was ist zu berücksichtigen, was ist
                                  konkret verboten?

4                                 ALLGEMEINER ARTENSCHUTZ
                                  Die Regelungen zum allgemeinen Artenschutz
                                  finden sich in den §§ 39 bis 43 BNatSchG.
                                  § 39 BNatSchG verbietet zunächst die mutwil-
                                                                                     Darüber hinaus enthält § 39 BNatSchG allge-
                                                                                     meine Verbote bzw. spezifische Ausschluss-
                                                                                     zeiträume für bestimmte Maßnahmen oder
                                                                                     Tätigkeiten. Für das Planen und Bauen relevant
                                  lige bzw. ohne vernünftigen Grund erfolgende       sind dabei:
                                  Beeinträchtigung wild lebender Tiere (Beunru-
                                  higung, Fang, Verletzung, Tötung) und Pflanzen
                                  (Entfernung von ihrem Standort, Nutzung,
                                                                                     • dens
                                                                                       Das Verbot zur Beseitigung, des Abschnei-
                                                                                            oder „auf den Stock Setzens“ bestimm-
                                  Verwüstung der Bestände) sowie ihrer Lebens-          ter Bäume außerhalb des Waldes und sons-
                                                                                        tiger Gehölze im Zeitraum vom 1. März bis
                                                                                        zum 30. September (§ 39 Abs. 5 Nr. 2).
                                                                                        Dieses gilt nicht für Bäume auf gärtne-
                                                                                        risch genutzten Grundflächen, zu denen in
                                                                                        Baden-Württemberg auch innerstädtische
Baumfällungen sind zeitlich
                                                                                        Grünanlagen und gestaltete Hausgärten
teils durch Bestimmungen des                                                            gezählt werden. Das Verbot gilt wohl aber
allgemeinen Artenschutzes                                                               für sonstige Gehölze, für Bäume an anderen
reglementiert; zu dem ist auch
der besondere Artenschutz                                                               Standorten sowie insgesamt im Rahmen zu-
(s.Folgeabschnitt) zu beachten.                                                         lässiger Bauvorhaben dann, wenn nicht nur
                                                                                        geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirkli-
                                                                                        chung der Baumaßnahmen beseitigt werden
                                                                                        muss. Darüber hinaus gilt dieses Verbot u. a.
                                                                                        nicht für behördlich angeordnete Maßnah-
                                                                                        men, nach § 15 BNatSchG zulässige Eingrif-
                                                                                        fe in Natur und Landschaft sowie bestimmte
                                                                                        sonstige Maßnahmen, die im öffentlichen
                                                                                        Interesse nicht auf andere Weise oder zu
                                                                                        anderer Zeit durchgeführt werden können.

                                                                                     • Das Verbot, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder
                                                                                       ähnliche Räume, die als Winterquartier von
                                                                                        Fledermäusen dienen, in der Zeit vom
                                                                                        1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen
                                                                                        (§ 39 Abs. 6). Dieses Verbot gilt nicht bei
                                                                                        der Durchführung unaufschiebbarer und nur
                                                                                        geringfügig störender Handlungen sowie für
                                  stätten. Dies gilt für alle wild lebenden Arten,      touristisch erschlossene oder stark genutzte
                                  unabhängig von einem speziellen Schutzstatus.         Bereiche.
                                  Für genehmigte bzw. zulässige Bauvorhaben
                                  und die Bauleitplanung entfalten diese Bestim-
                                  mungen aber keine (besondere) Bedeutung,
                                  denn hier ist regelmäßig von einem vernünfti-
                                  gen Grund für unvermeidbare Beeinträchtigun-
                                  gen auszugehen.

                                                                                                                                  14
Wesentlich ist, dass zusätzlich der besondere     § 41 BNatSchG bestimmt, dass zum Schutz
Artenschutz beachtet werden muss. D. h., dass     von Vogelarten neu zu errichtende Masten und   Zwischen dem 1. März und
                                                                                                 30. September sind an Hecken
zwar eine Beseitigung geringfügigen Gehölz-       technische Bauteile von Mittelspannungslei-    im Allgemeinen nur schonende
bewuchses nach der o. g. Bestimmung auch          tungen konstruktiv so auszuführen sind, dass   Form- und Pfl egeschnitte zur
zwischen 1. März und 30. September nach           Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Dies   Beseitigung des Zuwachses der
                                                                                                 Pfl anzen zulässig. Auch dabei
§ 39 BNatSchG zulässig sein kann, nicht aber      ist im Einzelfall bei Änderung bestehender     ist aber z. B. auf Vogelbrut zu
dann, wenn zum betreffenden Zeitpunkt der         Mittelspannungsleitungen mit der Errichtung    achten.
Durchführung gerade dort eine Vogelbrut
stattfindet und ein besetztes Nest zerstört oder
Eier bzw. nicht-flügge Jungvögel getötet werden
könnten.

Mit Ausnahme des zeitlich einschränkenden
Verbots zur Beseitigung, des Abschneidens oder
„auf den Stock Setzens“ bestimmter Bäume
und sonstiger Gehölze (s. o.) in § 39 Abs. 5
Nr. 2 BNatSchG entfalten die Regelungen des
allgemeinen Artenschutzes nur selten Relevanz
für die Bauleitplanung oder Bauvorhaben. Im
zeitlichen Ablauf von Bauvorhaben ist die Frage
der Gehölzbeseitigung aber regelmäßig von
Bedeutung und daher frühzeitig zu berücksich-     neuer Masten, etwa im Zusammenhang mit         Foto links: Für nicht touristisch
tigen. Ggf. ist auch mit der zuständigen Behör-   der Erschließung eines neuen Baugebietes, zu   genutzte Bereiche mit Unter-
                                                                                                 tagequartieren von Fleder-
de zu klären, was von dieser konkret als noch     berücksichtigen.                               mäusen etwa in Höhlen oder
„geringfügiger Gehölzbewuchs“ angesehen wird.                                                    Stollen gilt ein allgemeines
                                                                                                 Betretungsverbot im Zeitraum
                                                  Die §§ 42 bis 43 BNatSchG beziehen sich auf
                                                                                                 vom 1. Oktober bis 31. März,
Die §§ 40 bis 40f BNatSchG behandeln das          Zoos und Tiergehege und sind nur in einem      auch wenn diese nicht verschlos-
Ausbringen von Pflanzen und Tieren sowie           solchen speziellen Fall relevant.              sen sein sollten.

den Umgang mit invasiven Arten.
Diese Bestimmungen erlangen in den meisten
Fällen der Bauleitplanung und bei Bauvorha-
ben keine Relevanz, weshalb nicht vertieft auf
sie eingegangen wird. Im Einzelfall können
Maßnahmen zur Verhütung einer Verbreitung
invasiver Arten aber eine Rolle spielen, etwa
bei der Erschließung von Flächen mit durch           KURZ GEFASST                        Aus dem allgemeinen Arten-
Samen oder andere reproduktive Teile invasi-
                                                     schutz resultieren wenige für die Bauleitplanung und Bauvor-
ver Pflanzenarten belasteten Substraten. Auch
                                                     haben relevante Vorgaben, insbesondere Ausschlusszeiträume
Maßnahmen an einem Gewässer, die etwa
                                                     für bestimmte Maßnahmen oder Tätigkeiten (v. a. Gehölzent-
dessen Durchgängigkeit verändern, können bei         fernung), die aber frühzeitig in die Planung eingestellt werden
Vorkommen invasiver Krebsarten problematisch         können und sollten. Im Einzelfall können auch bestimmte Maß-
sein. Soweit absehbar, sollte dies bereits auf       nahmen, etwa zur Verhütung einer Verbreitung invasiver Arten,
Ebene der Bauleitplanung (etwa Flächenzu-            notwendig werden.
schnitt, Erschließung) berücksichtigt werden.

15
BESONDERER ARTENSCHUTZ                            oder strenger Schutz vermittelt wirda), der
                                          Der besondere Artenschutz ist in den §§ 44        teils auf europarechtliche Vorgaben und teils
                                          und 45 BNatSchG geregelt.                         auf nationale Überlegungen zurückgeht. Dies
                                          Zunächst stellt sich die Frage, welche Arten      schließt auch Arten ein, bei denen im Wesentli-
                                          geschützt und zudem in der Bauleitplanung und     chen Fang, Haltung oder Handel reglementiert
                                          bei Bauvorhaben relevant sind. Eine derartige     werden sollen. Diese weiteren Arten, etwa
                                          Relevanz kann für den Regelfall auf zwei Arten-   sonstige geschützte Tagschmetterlinge, Wild-
Für Mauersegler, Wiesen-                  kollektive beschränkt werden (zu Abweichun-
knopf-Ameisenbläulinge und                gen s. Kap. 11):
Laubfrosch (letztere als FFH-
Anhang-IV-Arten) gelten die
Verbote des besonderen Arten-
                                          •   jede bei uns auftretende, wild lebende eu-
                                              ropäische Vogelart, unabhängig vom Status
schutzes auch in der Bauleit-
                                              des besonderen oder strengen Schutzes;
planung und bei Bauvorhaben
(Beispielarten).                          •   jede bei uns auftretende, wild lebende Art
                                              des Anhangs IV der FFH-Richtlinie (FFH-
                                              RL); diese sind sämtlich streng geschützt.

      Im Regelfall artenschutzrechtlich relevante Arten in Gebieten
      mit Bebaungsplänen, während deren Planaufstellung und im
      Innenbereich nach § 34 BauGB
                                                          §44 Abs. 5 BNatSchG

      Europäische                      Arten des              Arten einer
                                                              Rechtsverordnung nach
      Vogelarten                       Anhangs IV der         § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG
                                       FFH-Richtlinie         - weil bislang
                                                                nicht erlassen    Nein      bienen, Heuschrecken oder Amphibien, sind im
      In Europa                        (92/43/EWG)
      natürlich
                                                                                            Regelfall aber nur im Rahmen der Eingriffsrege-
                                                              Sonstige besonders oder       lung angemessen zu berücksichtigen. Es ist im
      vorkommende                                             streng geschützte Arten
      Vogelarten im                                           - Arten des Anhangs A oder    Einzelfall zu entscheiden, ob eine oder meh-
                                                                B der Verordnung (EG)
      Sinne des Art. 1                                          338/97                      rere weitere Artengruppen untersucht werden
                                                              - Arten einer Rechtsverord-   müssen, um die Auswirkungen auf Tiere und
      der Richtlinie
                                                                nung nach § 54 Abs. 1 und
      2009/147/EG                                               2 BNatschG (bislang         Pflanzen sowie die biologische Vielfalt in die-
                                                                BArtSchV)
                                                                                Nein        sem Rahmen über den besonderen Artenschutz
                                                                                            hinaus sachgerecht erfassen und bewerten zu
                                                                                            können.

Übersicht zu besonders und                Nur für diese Arten gelten die Verbote des        Wild lebend meint im Übrigen nur Tiere und
streng geschützten Arten (nach
                                          § 44 Abs. 1 BNatSchG für unvermeidbare Be-        Pflanzen solcher Arten, deren Exemplare nicht
§ 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14
BNatSchG) und Hervorhebung                einträchtigungen im Rahmen zulässiger Eingrif-    ausschließlich vom Menschen gezüchtet oder
der für den Regelfall in der              fe nach § 17 BNatSchG sowie bei bestimmten        angebaut werden, wie dies bei Haustieren, vie-
Bauleitplanung und bei Bau-
                                          zulässigen Vorhaben nach BauGB. Bei letzterem     len Nutztierrassen oder Nutzpflanzen der Fall
vorhaben relevanten Artenkol-
lektive. Die übrigen Arten sind           gerade in Gebieten mit Bebauungsplänen,           ist. Zu den wild lebenden Arten zählen auch
gemäß § 44 Abs. 5 Satz 5 von              während der Aufstellung eines solchen Plans       solche, die an oder in Gebäuden brüten oder
den Verboten des § 44 BNatSchG
freigestellt.
                                          und im unbeplanten Innenbereich nach              dort Ruhestätten besitzen wie z. B. die Mehl-
                                          § 34 BauGB.                                       schwalbe oder bestimmte Fledermausarten.

                                          Zwar gibt es eine Vielzahl an weiteren ge-        Sodann stellt sich die Frage, was konkret ver-
                                          setzlich geschützten Arten, für die durch das     boten ist. Hierbei enthält § 44 BNatSchG in
                                          BNatSchG in Verbindung mit der Bundesarten-       Abs. 1 die so genannten Zugriffsverbote, und
a) § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG      schutzverordnung (BArtSchV) ein besonderer        in Abs. 2 weitere Besitz- und Vermarktungsver-

                                                                                                                                        16
bote. Letztere bleiben nachfolgend unberück-           zungsrisiko für Exemplare der betroffenen
sichtigt, weil sie für die Bauleitplanung und für      Arten nicht signifikant erhöht ist und sich
Bauvorhaben keine Relevanz entfalten.                  zugleich als unvermeidbar zeigt (§ 44 Abs. 5
                                                       Satz 2 Nr. 1 BNatSchG).
Konkret verboten ist für die o. g. relevan-
ten, wild lebenden Arten nach § 44 Abs. 1
BNatSchG (Zugriffsverbote):
                                                    • Erhebliche Störung: Dieses Verbot ist auf
                                                      einen räumlich-funktional abgrenzbaren
•    den Tieren nachzustellen, sie zu fangen, zu
     verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungs-
                                                       Artenbestand („Population“) und bestimm-
                                                       te, allerdings summarisch sehr weit reichen-
     formen aus der Natur zu entnehmen, zu             de Zeitphasen bezogen und setzt für eine
     beschädigen oder zu zerstören (Nr. 1);            Verwirklichung voraus, dass sich störungs-
•    die Tiere während der Fortpflanzungs-,
     Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
                                                       bedingt der Erhaltungszustand dieses
                                                       Bestands verschlechtert. Der Erhaltungszu-
                                                                                                       Blaufl ügelige Sandschrecke
     Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine        stand ist als Gesamtheit der Einflüsse zu se-    und Schwalbenschwanz sind
     erhebliche Störung liegt dann vor, wenn           hen, die sich langfristig auf die Verbreitung   Beispiele für national geschützte
     sich durch die Störung der Erhaltungs-            und die Größe dieses Bestandes auswirken.       Arten, die in der Bauleitplanung
                                                                                                       und bei zulässigen Bauvorha-
     zustand der lokalen Population einer Art          Was als „lokale Population“ anzusehen ist,      ben von den Verboten des § 44
     verschlechtert (Nr. 2);                           unterscheidet sich zwischen den einzelnen       BNatschG freigestellt sind.

•    Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Tiere
     aus der Natur zu entnehmen, zu beschädi-
     gen oder zu zerstören (Nr. 3);
•    Pflanzen oder ihre Entwicklungsformen
     (z. B. Samen, Rhizome) aus der Natur zu
     entnehmen, sie oder ihre Standorte zu
     beschädigen oder zu zerstören (Nr. 4).

Bei der Prüfung, ob Verbote verletzt werden
und welche Maßnahmen ggf. erforderlich sein
könnten, um den Flächennutzungsplan, einen
Bebauungsplan oder ein bestimmtes Bauvor-
haben unter Gesichtspunkten des Artenschut-
zes als zulässig einzustufen, fließen fachliche
Feststellungen zur Situation (etwa der Überla-
gerung geplanter Bauflächen mit Lebensstätten           Arten. Bei Arten mit flächiger Verbreitung
entsprechend geschützter Arten) und fachliche          sowie bei revierbildenden Arten mit großen
sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfol-          Aktionsräumen etwa stellt der jeweilige
gen zusammen.                                          Naturraum 4. Ordnung in Baden-Württem-
                                                       berg den angemessenen Bezugsraum dar.
Zu den Verbotstatbeständen im Einzelnen:               Bei Arten mit geringerer Häufigkeit und
•  Tötung oder Verletzung von Individuen
   bzw. Beschädigung oder Zerstörung von
                                                       Raumnutzung kann es sich um landschaft-
                                                       liche Teilräume deutlich unterhalb einer
   Entwicklungsformen: Die entsprechen-                Naturraumebene oder den Bestand einer
   den Verbote für Tiere und Pflanzen sind              lokal eng begrenzten Lebensstätte handeln.
   individuenbezogen und schließen alle
   Entwicklungsformen wie etwa Eier, Raupen
   oder Pflanzensamen ein. Allerdings haben
                                                    • Zerstörung oder Beschädigung einer Fort-
                                                      pflanzungs- oder Ruhestätte: Dieses Verbot
   zunächst die Rechtsprechung und dann die            ist konkret flächen- und funktionsbezogen.
   bislang letzte Novellierung des BNatSchG            Bei einer Fortpflanzungsstätte handelt es
   die Schwelle einer „Signifikanz“ eingeführt.         sich artbezogen um den mehr oder minder
   Demnach werden diese Verbote nicht                  gesamten oder aber um einen bestimm-
   verletzt, wenn das Tötungs- und Verlet-             ten (für die Funktion zentralen) Teil des

17
Europäische Vogelart oder Art des Anhangs IV der Fauna-Flora-
      Habitat-Richtlinie (FFH-RL)
                                                             § 44 BNatSchG

      Tötung oder                   Erhebliche Stö-            Zerstörung oder
      Verletzung                    rung der lokalen           Beschädigung
      von Individuen                Population der             einer Fortpflan-
      der geschützten               geschützten                zungs- oder
      Art? (signifikant              Art?                       Ruhestätte der
      erhöhtes Risiko)                                         geschützten
                                                               Art?

      Vermeidung, ausreichende Minderung oder Funktionserhalt
      nicht möglich

      Bauleitplanung / Vorhaben (zunächst) unzulässig

                                                                                         Nächtlicher Baubetrieb mit Beleuchtung kann
                                                                                         sensible Tierarten der näheren Umgebung stören.
      Ausnahmsweise Zulassung unter bestimmten, engen Rahmen-
                                                                                         In bestimmten Fällen kam diese Störung erheblich
      bedingungen möglich                                                                sein und artenschutzrechtlich einen Verbotstatbe-
                                                                                         stand verwirklichen.

Vereinfachte Übersicht zu                  Lebensraums, der unverzichtbar ist, um die
wesentlichen Fragen und
                                           erfolgreiche Fortpflanzung zu sichern. Für
Konsequenzen bei der Prüfung,
ob artenschutzrechtliche                   die Fortpflanzungsstätte gilt der Schutz
Verbotstatbestände des                     auch dann, wenn sich die Tiere gerade
§ 44 Abs. 1 BNatSchG von einem
                                           nicht an oder in ihr aufhalten (z. B. auf-
ansonsten zulässigen Vorhaben
oder Bauleitplan berührt sein              grund jahreszeitlicher Wanderungen), aber
können. Jedes einzelne der Ver-            davon auszugehen ist, dass sie diese wieder
bote führt zur entsprechenden
Konsequenz. Die Formulierungen
                                           aufsuchen bzw. regelmäßig nutzen werden.
sind auf die Verbote zu Tierarten          Gleiches gilt für Ruhestätten, bei denen es
fokussiert.                                sich um Flächen oder Strukturen handelt,
                                           die für ein einzelnes Tier oder eine Gruppe
                                           von Tieren in mehr oder minder inaktiven
                                           Phasen von besonderer Bedeutung sind,
                                           spezifische Tierbauten mit eingeschlossen.

                                                                                         Wird in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten geschütz-
                                                                                         ter Arten eingegriffen, so liegt je nach Lebens-
                                                                                         raumansprüchen jener Arten oftmals eine
                                                                                         Beschädigung oder Zerstörung vor.

                                                                                                                                        18
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