Arthropoden auf ökologischen Vorrangflächen mit Zwischenfrüchten - Schmale Kost für Insektenfresser? - Bayern.de
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InsektenVielfalt Abbildung 1 Andreas Zahn Ökologische Vorrangflächen haben in Bezug auf das Arthropoden auf ökologischen Insektenvorkommen im Vergleich zum Extensiv- Vorrangflächen mit Zwischenfrüchten – grünland eine begrenzte naturschutzfachliche Schmale Kost für Insektenfresser? Bedeutung. Im Bild ver- schiedene Dipterenarten auf einem Wiesenbärenklau (Heracleum sphondylium; alle Fotos: Andreas Zahn). Vor dem Hintergrund einer beobachteten Abnahme der Insektenabundanz im Offenland wurde eine Einschätzung des Arthropodenaufkommens auf Feldern mit Zwischenfrüchten als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) im Vergleich zu Extensivgrünland vorgenommen. Die Untersuchung mittels standardisierter Kescherfänge im Oktober belegt signifikant niedrigere Individuen- und Artenzahlen sowie ein signifikant geringeres Aufkommen an Großinsekten (> 1 cm Körperlänge) auf den ÖVF mit Zwischenfruchtanbau. Während die Individuendichte auf den Äckern mit Zwischenfrüchten durchaus hoch sein konnte, erwiesen sie sich als deutlich artenärmer als langfristig bestehendes Extensivgrünland (Randstreifen an Verkehrswegen, Grünlandbrachen, extensiv genutzten Weiden und Wiesen). Artenarmut und insbesondere ein Mangel an großen Beutetieren im Herbst limitieren den Wert der untersuchten ÖVF für Vögel, Fledermäuse und andere insektenfressende Kleinsäuger. 1. Einführung Vorrangflächen (ÖVF) bereitzustellen. Eine Mit dem sogenannten Greening soll die Landwirt- Möglichkeit zur Schaffung von ÖVF stellt der schaft einen größeren Beitrag zum Umweltschutz Zwischenfruchtanbau dar. Auch das Bayerische leisten. Bei Betrieben mit mehr als 15 ha Acker- Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) beinhaltet fläche sind davon mindestens 5 % als ökologische Maßnahmen, in denen der Zwischenfruchtanbau ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 25
Auchenorrhy Nematocera Heteroptera Aphidoidea Coleoptera A. Zahn: Mittelwert ÖVF 17,1176471 8,29411765 13,3529412 4,76470588 13,6470588 InsektenVielfalt Mittelwert Grünland 8,23529412 15,0588235 36,1176471 5,29411765 10,8235294 Ökologische Vorrangflächen ÖVF Std Fehler 6,73927822 2,50088525 4,32498269 1,74999637 3,32437904 Grünl Std Fehler 2,03010118 4,58708175 12,334968 0,91039634 2,43991504 poden darstellen und so Insektenfressern bei der 50 Überbrückung des herbstlichen Nahrungseng- ÖVF passes in der Agrarlandschaft helfen. 45 Grünland 40 Um eine Einschätzung der Arthropodenfauna zu ermöglichen, wurden 2017 und 2018 im 35 Oktober Kescherfänge auf Feldern mit Zwischen- 30 früchten und nahegelegenen Flächen mit Extensiv- grünland durchgeführt. Die 17 Vergleichsflächen- 25 paare lagen im Unteren Inntal und im Tertiär- 20 hügelland in den Gemeinden Aschau, Ampfing, 15 Jettenbach, Gars und Heldenstein (Landkreis Mühldorf). 10 5 0 Zwischenfrüchte als ökologische Auchenorrhyncha Aphidoidea Coleoptera Apocrita Lepidoptera Nematocera Brachycera Araneae Heteroptera Vorrangfläche (ÖVF); Lfl (2016): • Aussaat von mindestens 2 verschiedenen Arten in einer Mischung (aus vorgege- bener Kulturartenliste) mit maximal 60 % Samenanteil einer Art in der Mischung • Der Gräseranteil in der Mischung darf Abbildung 2 Mittlere Individuenzahl ebenfalls maximal 60 % Samenanteil regelmäßig auftretender eine Rolle spielt; zum Beispiel Maßnahme „B35 – betragen Arthropodengruppen Winterbegrünung mit Zwischenfrüchten“, die (Nachweise auf über 50 % auch als ÖVF angerechnet werden kann. Meist • Aussaat der Zwischenfrüchte zwischen der Probeflächen) auf kommen im Handel angebotene Saatgutmi- 16.07. und 01.10. Ackerflächen mit Zwischen- fruchtanbau (ÖVF) und schungen zum Einsatz. Häufige Arten in den Extensivgrünland Mischungen sind verschiedene Leguminosen • Verbot der mineralischen Stickstoff- (17 Flächenpaare; Mittel- wie Erbsen, Bohnen und Wicken sowie Sonnen- düngung und der Klärschlammausbrin- wert mit Standardfehler). blumen, Raps, Senf, Buchweizen und Phazelie. gung, Wirtschaftsdünger und chemisch- Der Anbau von Zwischenfrüchten gehört zu den synthetischer Pflanzenschutz ist verboten besonders häufig genutzten, aber aus Experten- bis 15.02. sicht für die Biodiversität kaum relevanten ÖVF- Optionen (L akner et al. 2017). Eine geringe Biodi- • Zwischenfrüchte müssen in Bayern bis versität schließt jedoch eine hohe Biomasse nicht zum 15. Januar des Folgejahres auf der aus. Es ist denkbar, dass bestimmte Arten auf Fläche belassen werden. Ein vorheriges solchen Flächen hohe Bestandsdichten erreichen. Walzen, Häckseln oder Schlegeln des Vor dem Hintergrund einer Abnahme der Insekten- Zwischenfruchtaufwuchses ist zulässig. abundanz im Offenland (zum „Insektensterben“ unter anderem Sorg et al. 2013; Hallmann et al. 2017) ist von Interesse, inwieweit Insekten und andere Arthropoden auf diesen in der Regel im Hochsommer oder Herbst angesäten Zwischen- 2. Methoden früchten bedeutende Populationen aufbauen Ausgewählt wurden Felder mit Zwischenfrüchten können. Für Insektenfresser wie Vögel, Fledermäuse als ÖVF, die eine mittlere Vegetationshöhe von und andere Kleinsäuger ist im Herbst nach der mindestens 30 cm aufwiesen. Bei den nahegele- Ernte beziehungsweise der letzten Mahd das genen Extensivgrünlandflächen handelte es sich Nahrungsangebot im Offenland reduziert, da die um mindestens 3 m breite Randstreifen an Straßen, Arthropoden nach der Reduktion des Aufwuchses Bahngleisen oder Wegen sowie um eine Extensiv- auf Feldern und Wiesen dramatisch abnehmen weide, zwei Grünlandbrachen und zwei Extensiv- (N ordheim 1992; Z ahn et al. 2010). Ein wichtiges wiesen auf Ausgleichsflächen. Sie wurden allen- Kriterium für die Wirksamkeit des Zwischen- falls sporadisch gemäht und waren überwiegend fruchtanbaus im Naturhaushalt ist daher, inwie- nährstoffreich und artenarm (Abbildung 2). weit sie einen geeigneten Lebensraum für Arthro- 26 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
Q1-Minimum 4 10,75 Minimum ÖVF Grünland Q1 16 21,75 Q1 A. Zahn: Median-Q1 2 6,25 Median Ökologische Vorrangflächen Q3-Median 3 3,25 InsektenVielfalt Q3 Maximum-Q3 6 3,75 Maximum Artenzahl ÖVFArtenza Summe Artenzahl Grünland Abbildung 3 Der Fang der Arthropoden erfolgte am 12. und Mindestartenzahlen auf 12 13. Oktober 2017 sowie am 4. Oktober 2018 mit Mindestartenzahlen 15 Summe Artenzahl ÖVF Ackerflächen mit Zwischen- einem Streifnetz (Durchmesser 40 cm, Maschen- fruchtanbau (ÖVF) und 15 weite 1 mm) zwischen 13 und 17 Uhr bei trockener 40 Extensivgrünland 16 Witterung und Temperaturen von über 10 °C. (17 Flächenpaare). 17 Jede Untersuchungsfläche wurde einmal beprobt. 35 Median, Quartile, Minimum und Maximum. 17 Dabei erfolgten 20 Kescherschläge auf standar- 18 Großinsekte disierte Weise. Die Fangorte waren vom Rand der 30 n >10mm 1 m weit entfernt und nicht 19 Fläche mindestens 21 ÖVF Grünland 25 ÖVF Grünland beschattet. 21 Q1-Minimum 0 1 Minimum 0 0 ÖVF Grünland 20 24 Die gefangenen Insekten wurden in Plastikbeuteln Q1und bis zur Auswertung 0 eingefroren. 1 Q1 0 1 15 gesammelt 15 Median-Q1 1 4 fest- Median 1 5 21 Individuen geschützter Arten wurden nicht Q3-Median 1 1 Q3 2 6 27 gestellt. Zur Auswertung wurden die Insekten 10 Maximum-Q3 2 12 Maximum 4 18 19 folgenden Ordnungen beziehungsweise Unter- 16 ordnungen oder Familien zugeordnet: 5 23 Anzahl Großinsekten >10mm 18 AphidoideaSumme ÖVF Summe (Blattläuse), ApocritaGrünland (Taillenwespen 0 12 0 ohne Ameisen und Bienen), 6 Apoidea (Bienen), ÖVF Grünland 27 3 Auchenorrhyncha (Zikaden), 1 Brachychera 16 (Fliegen), Chrysopidae 0 (Florfliegen), 0 Coleoptera Abbildung 4 21 (Käfer), Dermaptera (Ohrwürmer), 1 0 Formicidae Mittlere Anzahl großer (Ameisen), Heteroptera 0 (Wanzen), 5 Lepidoptera Anzahl großer Arthropoden Arthropoden (> 10 mm) (Schmetterlinge inklusive 2 Raupen), 0 Nematocera > 10 mm auf Ackerflächen mit (Mücken), Orthoptera 2(Heuschrecken), 0 Plecoptera 18 Zwischenfruchtanbau (ÖVF) und Extensiv- (Steinfliegen), Psylloidea 1 (Blattflöhe), 6 Symphyta (Pflanzenwespen inklusive 16 grünland (17 Flächenpaare). 1 Larven), 1 Trichoptera Median, Quartile, Minimum (Köcherfliegen). Neben0 Insekten 6wurden auch die 14 und Maximum. Gruppen Acari (Milben),0 Araneae 8 (Webspinnen), Opiliones (Weberknechte) 1 und 5Pseudoscorpi- 12 ones (Pseudoskorpione) 4 erfasst. 6 10 1 3 Als Index der Körpergröße 2 wurde 18 die Länge der 8 Insekten gemessen und in folgende Größen- 1 9 klassen unterteilt: < 5 mm, 5–10 mm, > 10 mm. 6 4 4 Für jede Probe wurde als Mindestartenzahl die Median 1 5 Anzahl nach optischen Kriterien (mit maximal 4 Min 0 0 10-facher Vergrößerung) unterscheidbarer Arten Max 4 18 jeder der oben genannten Gruppen ermittelt. 2 Erstes Quartil 0 1 zweites Quartil 2 6 0 Die statistische Auswertung erfolgte mit dem 1,35294118 4,58824 ÖVF Grünland Programm PSPP. Als Signifikanztest wurde der Wilcoxon-Test für gepaarte, nicht parametrische Stichproben verwendet. Milben, Bienen, Ohrwürmer , Weberknechte, Pseudoskorpione, Steinfliegen und Köcherfliegen 3. Ergebnisse traten nur auf einzelnen Flächen und in sehr Auf den 17 Ackerflächen mit Zwischenfrucht- geringer Individuenanzahl auf. Vier Gruppen, anbau als ÖVF wurden im Schnitt 87 Individuen Milben, Ohrwürmer, Pseudoskorpione und (mindestens 23, maximal 219) und auf den Grün- Heuschrecken wurden nur im Grünland belegt, landflächen 101 (mindestens 42, maximal 311) drei Gruppen, Flor- , Stein- und Köcherfliegen nur gezählt. Der Unterschied, rund 16 % mehr Indivi- auf ÖVF, wobei es sich bei Stein- und Köcherfliegen duen auf Grünlandflächen, war signifikant wohl nur um Zufallsfunde verdrifteter Tiere (Wilcoxon-Test, p = 0,04, z = -2,01). Insgesamt handeln dürfte. Ameisen wurden auf sieben wurden bei 13 von 17 Flächenpaaren mehr Grünlandflächen, aber nur auf zwei ÖVF gefangen Individuen im Extensivgrünland gezählt. (Tabelle 1). ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 27
A. Zahn: InsektenVielfalt Ökologische Vorrangflächen Die Auswertung der Großarthropoden ergab Arthropoden > 10 mm hinsichtlich der mittleren Anzahl aller über 5 mm 90 großen Individuen keinen Unterschied (ÖVF: 24, Araneae Grünland: 23). Bei den über 10 mm langen Indivi- 80 Trichoptera duen schnitten ÖVF jedoch deutlich schlechter Apoidea ab. Im Schnitt wurden 1,4 große Arthropoden auf 70 ÖVF und 4,6 auf Extensivgrünlandflächen fest- Dermaptera gestellt. Der Unterschied war signifikant (Wilcoxon- Individuenanzahl 60 Test, p = 0,01, z = -2,49). Die Maximalwerte betrugen Symphyta vier Individuen auf ÖVF und 18 im Extensivgrün- 50 Chrysopidae land (Abbildung 4). Während auf ÖVF 8 Arten- Orthoptera gruppen dieser Körpergröße nachgewiesen 40 Lepidoptera wurden, waren es im Grünland 11 (Abbildung 5). 30 Apocrita Innerhalb der ÖVF schnitten höhere, blütenreiche Brachycera Flächen hinsichtlich der Gesamtindividuenzahl 20 tendenziell besser ab als niedrigere und blüten- Nematocera ärmere. Auch im Extensivgrünland handelte es 10 Coleoptera sich bei den Flächen mit hoher Arthropoden- 0 dichte und -vielfalt oft um selten gemähte Heteroptera Summe ÖVF Summe Flächen mit hohem Bewuchs und reicherem Grünland Struktur- sowie Blütenangebot. Genauere Zusammenhänge ließen sich angesichts der geringen Stichprobenzahl aber nicht belegen. Abbildung 5 Anzahl und systema- Von den in größerer Individuenzahl auftretenden 4. Diskussion tische Zuordnung aller 4.1 Artenvielfalt gefangenen großen Gruppen wurden Wanzen, Mücken und Fliegen Arthropoden (> 10 mm) im Schnitt deutlich häufiger auf ÖVF und Blatt- Die junge Vegetation der Ackerflächen mit auf Ackerflächen mit läuse, Zikaden und Webspinnen erheblich Zwischenfruchtanbau stellt in vieler Hinsicht Zwischenfruchtanbau häufiger im Extensivgrünland gefunden (Abbil- einen „neuen“ Lebensraum dar, bei dem eine (ÖVF) und Extensiv- dung 1). Bei Käfern, Taillenwespen und Schmetter- Besiedlung besonders durch ausbreitungsstarke grünland. lingen waren die Unterschiede nur gering. Arten (r-Strategen) mit hoher Reproduktionsrate zu erwarten ist (Schwerdtfeger 1978; Moning 2018). Der Vergleich der Mindestartenzahlen ergab im Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass Schnitt über alle Tiergruppen hinweg geringere solche ÖVF durchaus schnell von Arthropoden mittlere Artenzahlen auf ÖVF (19) als im Extensiv- besiedelt werden, sie aber hinsichtlich der Arten- grünland (26). Der Unterschied war hoch signifi- vielfalt deutlich schlechter abschneiden als lang- Abbildung 6 kant (Wilcoxon-Test, p < 0,00, z = -3,21). Allerdings fristig bestehendes Extensivgrünland. Dies Felder mit Zwischen- gab es einen weiten Überschneidungsbereich. entspricht den bisherigen Erwartungen, wonach fruchtanbau. Beispiele für höhere und blüten- Manche Grünlandflächen schnitten schlechter ab Zwischenfrüchte keinen erhöhten Nutzen für die reichere Flächen (links) als die ÖVF (Abbildung 3). biologische Vielfalt bieten (Oppermann 2015; UBA & und niedrigere, blüten- BfN 2014). Selbst bei Blühmischungen, die explizit ärmere Flächen (rechts). 28 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
A. Zahn: Ökologische Vorrangflächen InsektenVielfalt Abbildung 7 Extensivgrünland. Bei- zur Förderung der Arthropodenfauna gedacht 4.2 Anzahl der Arthropoden spiele für höhere und sind, ist in den ersten Jahren die Artenvielfalt Im Gegensatz zur Artenvielfalt und zu den Groß- blütenreichere Flächen gering und es werden hauptsächlich häufige und insekten schnitten die untersuchten ÖVF hinsicht- (links) und niedrigere, blütenärmere Flächen weit verbreitete Arten gefördert (Haaland et al. lich der Gesamtzahl gefangener Arthropoden nur (rechts). 2011; Oppermann et al. 2013; Tscharntke et al. 2011; wenig schlechter ab als das Extensivgrünland. Die Wagner et al. 2014; Warzecha et al. 2018). Daher ist mitunter erheblichen Individuenzahlen auf den auch bei den pflanzenartenarmen und kurzlebigen untersuchten ÖVF beruhen zu einem wesent- Zwischenfruchtflächen nur mit dem Auftreten lichen Teil auf gut flugfähigen Mücken und weniger Arten zu rechnen. Manche Artengruppen, Fliegen (Nematocera und Brachychera), die unter insbesondere solche mit längeren Entwicklungs- anderem von dem üppigen Blütenangebot zyklen wie Heuschrecken oder bestimmten mancher Flächen angelockt werden. Zudem stellt Ansprüchen an Strukturen, wie die Webspinnen die junge Vegetation der ÖVF ein ideales Nahrungs- (Nyffeler 1998), waren auf den Zwischenfrucht- angebot für phytophage Arten dar; ob es ausge- flächen sehr selten oder fehlten völlig. nutzt werden kann, hängt neben der Phänologie der einzelnen Arten wohl wesentlich davon ab, Für extensiv genutzte oder brachliegende ob Quellpopulationen in ausreichender Nähe sind Grünlandrandstreifen hingegen, ist eine hohe (Hunter 2002). Flugfähige Wanzen (Heteroptera) Bedeutung im Hinblick auf eine vielfältige Arthro- sind in der Lage, im Herbst auf manchen ÖVP gut podenfauna gut belegt, wobei Alter und Pflanzen- zu reproduzieren, wie der Fund zahlreicher Larven artenvielfalt den Artenreichtum positiv beein- unterschiedlichsten Alters belegt. Im Gegensatz flussen (Barker & Reynolds 1999; Blake et al. 2011; zum Extensivgrünland können Wanzen auf Birkhofer et al. 2014; Merckx et al. 2012; Woodcock einzelnen ÖVF noch im Oktober bedeutende et al. 2007). Die hier untersuchten Grünlandflächen Populationen aufbauen (Abbildung 6). Blattläuse waren nährstoffreich und überwiegend pflanzen- (Aphidoidea) und Zikaden (Auchenorrhyncha) artenarm. Dennoch erwiesen sie sich den ÖVF schaffen dies als schlechtere Flieger, trotz des hinsichtlich der Artenvielfalt der Arthropoden als guten Nahrungsangebotes der ÖVF, deutlich deutlich überlegen. Vermutlich ist entscheidend, seltener. Sie waren im Grünland stärker vertreten dass es sich um seit vielen Jahren bestehende (Abbildung 6), obwohl hier ein schlechteres Habitate handelt. Angebot an „frischer“ Biomasse vorhanden war. Die Raupen von Schmetterlingen (Lepidoptera) und Pflanzenwespen (Symphyta) auf ÖVP weisen ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 29
A. Zahn: InsektenVielfalt Ökologische Vorrangflächen Pseudoscorpiones Auchenorrhyncha Chrysopidae Nematocera Heteroptera Lepidoptera Dermaptera Aphidoidea Trichoptera Formicidae Orthoptera Flächentyp Coleoptera Brachycera Plecoptera Symphyta Psylloidea Opiliones Apocrita Apoidea Araneae Acari Flächen mit Nachweis Ö 15 15 16 12 16 17 14 2 12 3 0 3 6 0 1 2 2 15 1 0 0 Flächen mit Nachweis G 17 17 17 16 15 16 13 7 11 5 5 0 5 2 0 1 0 16 1 2 1 Individuenzahl Mittelwert Ö 17,1 8,3 13,4 4,8 13,6 22,0 1,6 0,1 1,5 0,4 0,0 0,2 0,7 0,0 0,1 0,2 0,2 2,4 0,1 0,0 0,0 Mittelwert G 8,2 15,1 36,1 5,3 10,8 10,2 1,8 1,5 1,9 0,8 0,6 0,0 0,7 0,3 0,0 0,1 0,0 7,1 0,1 0,1 0,1 Maximum Ö 115,0 47,0 75,0 26,0 55,0 51,0 4,0 1,0 4,0 4,0 0,0 1,0 4,0 0,0 1,0 3,0 2,0 7,0 1,0 0,0 0,0 Maximum G 34,0 84,0 226,0 12,0 29,0 21,0 8,0 9,0 8,0 6,0 6,0 0,0 3,0 3,0 0,0 1,0 0,0 22,0 1,0 1,0 1,0 Minumum Ö 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 6,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Minumum G 1,0 2,0 3,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Mindestartenzahl Mittelwert Ö 1,6 1,7 1,6 1,4 2,1 5,7 1,2 0,1 0,8 0,2 0,0 0,2 0,4 0,0 0,1 0,1 0,1 1,2 0,1 0,0 0,0 Mittelwert G 3,0 1,9 3,2 2,9 2,3 5,4 1,2 0,5 1,1 0,5 0,4 0,0 0,4 0,1 0,0 0,1 0,0 2,6 0,1 0,1 0,1 Maximum Ö 4 3 3 5 4 8 3 1 2 2 0 1 2 0 1 1 1 2 1 0 0 Maximum G 6 4 7 6 5 10 3 2 4 3 2 0 2 1 0 1 0 6 1 1 1 Minumum Ö 0 0 0 0 0 4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Minumum G 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Tabelle 1 darauf hin, dass neben Pflanzensaugern und Beim Sortieren der Arthropoden fiel auf, dass ein Individuen- und Mindestartenzahlen Blütenbesuchern auch Arten reproduzieren, die wesentlicher Teil der Pflanzenreste von Netz- verschiedener von der Blattmasse leben. Ob sie ihren Entwick- fängen im Grünland aus reifen Samen bestand. Arthropodengruppen lungszyklus vollenden können, ist allerdings frag- Auf Flächen mit Zwischenfrüchten fehlen sie auf Ackerflächen mit lich, da die Flächen für die Aussaat im Folgejahr praktisch völlig, abgesehen von einzelnen Zwischenfruchtanbau (Ö) frühzeitig umgebrochen werden. Für die genannten Flächen, auf denen Sonnenblumen so früh und Extensivgrünland (G) auf 17 Flächenpaaren. Organismen stellen die untersuchten ÖVP womög- angesät worden waren, dass eine Reifung der lich eine ökologische Falle dar. Dies gilt auch für Kerne möglich war. Auf den meisten ÖVF war Webspinnen, die nur als junge, verdriftete Exem- für Körnerfresser jedoch nichts zu finden. plare auf den Äckern mit Zwischenfrüchten auftraten. 4.4 Forschungsbedarf Sowohl beim Extensivgrünland als auch bei den 4.3 Nahrung für Vögel und Kleinsäuger ÖVF bestanden deutliche Unterschiede hinsicht- Hinsichtlich des Nahrungsangebots für Vögel und lich des Arthropodenaufkommens zwischen den Kleinsäuger bietet eine artenreiche Arthropoden- einzelnen Flächen. Neben der Art der bisherigen fauna auch ein breiteres Angebot für unterschied- Nutzung kommt hierbei wohl besonders dem liche Ernährungsweisen. So können etwa manche räumlichen Zusammenhang eine wesentliche Fledermausarten Heuschrecken und Webspinnen, Bedeutung zu (Hunter 2002). Hieraus ergibt sich die auf den Ackerflächen fast völlig fehlen, vom ein erheblicher Forschungsbedarf. Zu klären sind Substrat erbeuten (Dietz & Kiefer 2014). Nachteilig insbesondere folgende Fragen: dürfte für viele Arthropoden fressende Arten vor allem auch die Seltenheit großer Individuen • Wie beeinflussen Aussaatzeitpunkt und Arten- (> 10 mm Körperlänge) auf den Äckern mit Zwischen- zusammensetzung der Zwischenfrüchte das früchten sein, da große Beutetiere oft energetisch Arthropodenaufkommen? vorteilhafter sind (Barnard & B rown 1981). Eine weitere, nicht näher untersuchte Beutetiergruppe • Erhöht ein dichtes Netz naturnaher Habitate war ebenfalls auf den Äckern kaum zu finden: (Extensivgrünland, Hecken, Graben- und Schnecken (Gastropoda) wurden in sechs Proben Waldränder), die Quellpopulationen von Arthro- aus dem Extensivgrünland (35 Individuen) aber poden beherbergen, den ökologischen Wert nur auf einem Acker (ein Tier) gefunden. angrenzender Äcker mit Zwischenfrüchten? Wenig mobile Kleinsäuger wie Spitzmäuse können • Für welche Tiergruppen wirken Zwischenfrucht- auf Äckern mit Zwischenfrüchten zudem nur flächen als ökologische Fallen, etwa weil sie dann Nahrung suchen, wenn geeignete Ganz- dort Eier ablegen, ihren Reproduktionszyklus jahreslebensräume (Hecken, Waldränder, Brachen, jedoch aufgrund von Umbruch und Folgenut- Uferrandstreifen) unmittelbar angrenzen. zung nicht abschließen können? 30 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
A. Zahn: Ökologische Vorrangflächen InsektenVielfalt Heteroptera Aphidoidea Individuenzahl Aphidoidea Aphidoidea Aphidoidea Auchenorrhyncha Auchenorrhyncha Auchenorrhyncha Auchenorrhyncha Heteroptera Heteroptera Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl Individuenzahl 120120 Individuenzahl 100100 240240 90 90 100100 200 80 80 190190 70 70 80 80 150 140 60 60 140 60 60 50 50 40 40 100 90 90 40 40 30 30 20 20 50 40 40 20 20 10 10 0 0 0 0 0-10-10 ÖVF ÖVF Grünland Grünland ÖVF ÖVF Grünland Grünland ÖVF ÖVF Grünland Grünland Grünland ÖVF Grünland Abbildung 8 Birkhofer, K., Wolters, V. & Diekötter, T. (2014): Grassy Mittlere Anzahl von • K ann die Pflege bestehender, extensiv Wanzen (Heteroptera), margins along organically managed cereal fields genutzter, aber artenarmer Grünlandflächen foster trait diversity and taxonomic distinctness of Blattläusen (Aphidoidea) hinsichtlich des Wertes für Arthropoden und Zikaden (Auchenor- arthropod communities. – Insect Conservation and optimiert werden? rhyncha) auf Ackerflächen Diversity 7(3): 274–287. mit Zwischenfruchtan- Blake, R. J., Woodcock, B. A., Ramsay, A. J., Pilgrim, E. S., bau (ÖVF) und Extensiv- 5. Fazit Brown, V. K., Tallowind, J. R. & Pott, S. G. (2011): Novel grünland (17 Flächenver- Langfristig bestehendes Extensivgrünland weist margin management to enhance Auchenor- gleichspaare). Median, hinsichtlich der Artenvielfalt von Insekten und rhyncha biodiversity in intensive grasslands. – Agri- Quartile, Minimum und anderen Arthropoden einen erheblich höheren culture, Ecosystems & Environment 140(3–4): 506– Maximum. Wert als Äcker mit Zwischenfrüchten auf. Letztere 513. beherbergen deutlich artenärmere Tiergesell- Dietz, C. & Kiefer, A. (2014): Naturführer Fledermäuse schaften. Aufgrund der hohen Individuendichte Europas. – Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart: 400 S. einzelner Arten können sie zwar einen Beitrag Haaland, C., Naisbit, R. E. & Bersier, L. (2011): Sown wild- zum herbstlichen Insektenaufkommen einer flower strips for insect conservation: a review. – In- Landschaft leisten, doch bietet extensiv oder sect Conservation and Diversity 4: 60–80. ungenutztes Dauergrünland ein erheblich brei- Hallmann, C. A., Sorg, M., Jongejans, E., Siepel, H., Hof- teres und damit verlässlicheres Nahrungsangebot land, N. & Schwan, H. (2017): More than 75 percent für Vögel und Kleinsäuger. decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. – PLoS ONE 12(10): e0185809; Danksagung https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809. Ich danke Matthias Hammer, Bernhard Hoiß und Hunter, M. (2002): Landscape structure habitat frag- Paul-Bastian Nagel für die kritische Durchsicht des mentation and the ecology of insects. –Agricultu- Manuskripts. ral and Forest Entomology 4: 159–166. Lakner, S., Röder , N., Baum, S. & Ackermann, A. (2017): Literatur The German Implementation of Greening – Effec- tiveness, Participation & Policy Integration with the Barker, A. M. & Reynolds, C. J. M. (1999): The value of Agri-Environmental Programs. – Contributed Pos- planted grass field margins as a habitat for sawflies ter to the XV EAAE Congress Towards Sustainable and other chick-food insects. – Aspects of Applied Agri-Food Systems: Balancing between Markets Biology 54: 109–116. and Society; http://literatur.thuenen.de/digbib_ex- Barnard, C. J. & Brown, A. J. (1981): Prey size selection tern/dn059227.pdf. and competition in the common shrew (Sorex ara- Merckx, T., Marini, L., Feber, R. & Macdonald, D. (2012): neus L.). – Behavioral Ecology and Sociobiology 8: Hedgerow trees and extended-width field margins 239–243. enhance macro-moth diversity: Implications for LfL (= Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, management. – Journal of Applied Ecology 49(6): 2016): LfL-Information Greening und Zwischen- 1396–1404. fruchtanbau: 11 S. ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 31
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