Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes - www.bauernverband.de - Deutscher Bauernverband

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Grünlandagenda
                         des Deutschen Bauernverbandes

 Grünlandagenda
 des Deutschen Bauernverbandes

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Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

Inhalt
1.     Grünlandagenda des DBV                                          3
       1.1 Präambel                                                    3
       1.2 Kurzfassung                                                 4

2.     Die Grünlandnutzung in Deutschland                              8
       2.1 Stellenwert des Grünlandes in der Landwirtschaft
		         und für die Tierhaltung                                     8
       2.2 Grünland als Produktionsstandort                           11
       2.3 Grünland als Kulturlandschaft                              14
       2.4 Förderrechtlicher Rahmen für die Grünlandbewirtschaftung   16

3.     Grünland und Umwelt                                            18
       3.1 Klima                                                      18
       3.2 Moornutzung                                                21
       3.3 Biodiversität                                              22
       3.4 Grünlandschäden und Pflanzenschutz                         24
       3.5 Düngung und Gewässerschutz                                 25

4.     Ziele, Maßnahmen und Forderungen an Politik, Marktpartner
       und Gesellschaft                                               28
       4.1 Ziele der Grünlandagenda                                   28
       4.2 Maßnahmen und Forderungen                                  30

5.     Quellenverzeichnis                                             39

Herausgeber

Deutscher Bauernverband e. V.
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin

Berlin, April 2021

Satz

Hermann Rohr, Meldorf

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Grünlandagenda
                                         des Deutschen Bauernverbandes

1. Grünlandagenda des DBV

1.1    Präambel

Grünland und die damit verbunde-       Die Grünlandnutzung gilt es in einem
ne Tierhaltung stellen ein wichtiges   Gesamtkontext der Landnutzung –
Standbein der deutschen Landwirt-      Ackerbau, Forst, Gewässer, Siedlung
schaft dar. Als Futtergrundlage für    und Infrastruktur – zu betrachten
die heimische Tierhaltung trägt das    und einzubetten. Diese ist mit ande-
Grünland maßgeblich zur Nahrungs-      ren Strategien – Nutztierhaltung und
mittelversorgung in Deutschland        ländliche Räume, Eiweißpflanzen
bei. Zudem dient es der Bevölkerung    und Ackerbau, Umwelt und Biodi-
auch als Erholungsraum und bietet      versität, Klima- und Moorschutz,
vielfältige Leistungen für Natur       Bioökonomie und Forschung – zu
und Umwelt. Die Landwirtschaft         verknüpfen und Wechselwirkun-
ist mit der Tierhaltung wesentlich     gen sind zu berücksichtigen.
für die Entstehung des Grünlandes
verantwortlich und ein Garant für      Politik, Wissenschaft und Gesell-
dessen Erhalt: Landwirtschaft und      schaft sind aufgerufen, mit der
Grünland bedingen sich gegenseitig.    Landwirtschaft in den Austausch
                                       zu treten und gemeinsam die An-
Die vorliegende Grünlandagenda         sätze der Agenda zu diskutieren
stellt die Bedeutung des Grün-         und umzusetzen. Im gesamtgesell-
lands mit seiner Nutztierhaltung       schaftlichen Interesse gilt es, eine
heraus. Sie benennt Ansätze und        nachhaltige landwirtschaftliche
Maßnahmen, um die Grünland-            Grünlandnutzung in Deutschland zu
bewirtschaftung zu erhalten,           erhalten und weiterzuentwickeln.
gemeinsam mit den Landwirten
weiterzuentwickeln und die ge-
sellschaftlichen Anforderungen
an das Grünland sicherzustellen.

                                                                         3
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1.2     Kurzfassung

Das Grünland prägt neben Acker-        Grünlandbestände sind für einen        per se das Klima geschützt. Die
land und Wald die Kulturlandschaft     zukunftsorientierten und heimischen    Biodiversität profitiert vom Grün-
in Deutschland. Es ist durch die       Futterbau wichtig. Auf wirtschaftli-   land, indem es z. B. Insekten und
jahrhundertelange Nutzung des          chen Grenzstandorten des Grünlan-      Wirbeltieren wertvolle Nahrungs-,
Menschen in Verbindung mit der         des würden ohne den Futterbau, d. h.   Rückzugs- und Lebensräume be-
Viehhaltung entstanden. Heute gibt     durch Bewirtschaftungsaufgaben         reitstellt. Besonders naturschutz-
es in Deutschland mehr als fünf        und nachfolgend zunehmende Ver-        fachlich wertvolle Grünlandflächen
Millionen Hektar Grünlandfläche,       buschung, naturschutzfachlich be-      erhalten und nutzen die Landwirte
worunter i.  S. dieser Agenda so-      sonders wertvolle Grünlandflächen      in Kooperation mit dem Naturschutz
wohl das Dauergrünland mit seinen      mit ihrer typischen Grünlandflora      sowie über Agrarumweltprogramme,
Wiesen und Weiden als auch die         und -fauna verlorengehen. Für eine     Vertragsnaturschutz und weitere
Ackergrasflächen fallen. Die Grün-     ressourcenschonende und standort-      Förderinitiativen. Insgesamt kom-
landbewirtschaftung orientiert sich    angepasste Futtererzeugung sind        men auf dem Grünland nur wenige
an den regional spezifischen Stand-    Flexibilität und unternehmerische      Pflanzenschutzmittel zum Einsatz
ortbedingungen, den klimatischen       Freiheitsgrade in der Art und Weise    und es erfolgt bei Bedarf zumeist
Verhältnissen und den Erfordernis-     der Bewirtschaftung wichtige Vor-      lediglich eine Einzelpflanzen- oder
sen des Marktes. Dabei sind zahlrei-   aussetzungen. Dafür ist ein entspre-   Horstbehandlung. Als tierische
che rechtliche Rahmenbedingungen       chender Rechtsrahmen notwendig.        Schädlinge sind Mäuse im Grünland
bei der Förderung und vor allem                                               allzeit präsent und können in Ab-
im Umweltbereich zu beachten.          Grünland ist für Wiederkäuer und       hängigkeit von Jahreszeit und Popu-
                                       Pferde aber nicht nur Futtergrund-     lationsdynamik erhebliche Schäden
Der Erhalt des Grünlandes ist an die   lage, sondern auch Haltungsumge-       an der Grünlandnarbe verursachen.
Haltung von Nutztieren gebunden,       bung. In der Verbraucherwahrneh-       Das Spektrum an erlaubten Be-
welche die Grünlandaufwüchse           mung wird dies mit Tierwohl und        kämpfungsmöglichkeiten gegen die
verwerten können. Rinder, Schafe,      einem positiven Landschaftsbild        Schadnager ist in seiner Wirkung
Ziegen, Pferde und landwirtschaft-     verbunden. Auf diese Wahrnehmung       begrenzt und nicht ausreichend.
liche Wildtiere nutzen die Wiesen      setzen zahlreiche Marketingstra-       Zudem wird die landwirtschaftliche
und Weiden in großer Vielfalt. Ohne    tegien mit dem Ziel, zusätzliche       Weidehaltung durch das exponenti-
deren Nutzung würde langfristig        Wertschöpfung in der Region zu         elle Wachstum der Wolfspopulation
das Grünland weit überwiegend          generieren. Darauf bauen auch          vor existenzielle Herausforderun-
verbuschen bzw. verwalden und          Vermarktungskonzepte für den           gen gestellt. Eine „wolfssichere“
mit seinen vielfältigen Funktionen     Urlaub auf dem Bauernhof auf.          Einzäunung großer Grünlandre-
verlo-rengehen. Die Produkte der                                              gionen ist weder praktisch durch-
auf Grünland gehaltenen Nutztiere      Neben der wirtschaftlichen Bedeu-      führbar noch naturschutzgerecht.
tragen zur Ernährungssicherung auf     tung für die Landwirtschaft hat das
heimischer Basis bei. Mit Blick auf    Grünland auch für die Umwelt große     Von den rund 1,3 Mio. Hektar der
die Futterversorgung der Nutztiere     Bedeutung. Für das Klima erfüllt das   landwirtschaftlichen Flächen auf
leistet das Grünland auch einen        Grünland eine wichtige Funktion,       Moorböden werden rund drei
wichtigen Beitrag zum heimischen       indem es effektiv das Treibhausgas     Viertel als Grünland genutzt. In
Eiweißangebot für Raufutterfres-       CO2 in Böden in Form von Humus         vielen Moorgebieten sind die Ent-
ser. Der Erhalt und die futter-        speichert. Durch den produktiven       wässerungssysteme der landwirt-
wertorientierte Entwicklung der        Erhalt von Grünland wird damit         schaftlichen Nutzflächen zudem

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Grünlandagenda
                                                                                des Deutschen Bauernverbandes

für Hofstellen sowie Siedlungs- und     Aus den beschriebenen Zielen leitet   8. Agrarumwelt- und Klimamaß-
Gewerbeflächen unverzichtbar.           sich eine (hier ungewichtete) Reihe      nahmen weiterentwickeln
                                        von Maßnahmen ab, die sich auf die    9. Agrotourismus ausbauen
Die Nutzung von Grünland und der        Bereiche des Förder- und Umwelt-
                                                                              10. Kooperative Biodiversitäts-
Gewässerschutz sind kein Wider-         rechts, aber auch der Forschung
                                                                                  maßnahmen prüfen
spruch. Die Erfahrung zeigt, dass das   und Vermarktung fokussieren:
                                                                              11. Grünlandnutzung auch für den
Auswaschungsrisiko von Nährstoffen      1. Unterstützung des Grünlandes
                                                                                  Klima- und Küstenschutz sichern
auch bei einer Mehrschnittnutzung          in der nationalen Eiweißpflan-
oder Beweidung vergleichsweise                                                12. Flexibler und standortan-
                                           zenstrategie des BMEL
gering ist. Zudem bietet Grünland                                                 gepasster Moorschutz
                                        2. Vermarktung mit Bezug
auch einen wirksamen Schutz vor                                               13. Biodiversität durch Nutzung
                                           zu Grünlandregionen aus-
Erosion durch Wind und Wasser und                                                 erhalten
                                           bauen und fördern
verhindert damit Bodenverlagerung                                             14. Weidehaltung Vorrang vor
                                        3. Forschung, Innovation und
oder Abschwemmung in Gewässer.                                                    dem Wolf einräumen
                                           Wissenstransfer intensi-
                                           vieren und fördern                 15. Gänseschäden reduzieren
Ziel der Grünlandagenda ist die                                                   und ausgleichen
nachhaltige Sicherung des Grünlan-      4. Konditionalität und Eco-Sche-
                                           mes praxisnah ausgestalten         16. Grünland vor Schädlingen
des durch eine flächendeckende,
                                                                                  und Wildschäden schützen
tierbezogene und standortange-          5. Verfahren zum Dauergrün-
passte Bewirtschaftung. Bewirt-            landerhalt vereinfachen            17. Bedarfs- und standortange-
schaftung bedeutet Inwertset-                                                     passte Wirtschaftsdünger-
                                        6. Ausgleichszulage weiter-
zung der Flächen und bildet die                                                   anwendung erleichtern
                                           entwickeln
ökonomische Grundlage für die                                                 18. Rechtlichen Rahmen flexibili-
                                        7. Agrarinvestitionsförderung
landwirtschaftlichen Betriebe.                                                    sieren und entbürokratisieren
                                           attraktiver gestalten
Konkretisiert wird dieses Ge-
samtziel in sechs Teilzielen:
1. Wirtschaftlichkeit des Grün-
   landes sicherstellen
2. Grünlandbezogene Tier-
   haltung unterstützen
3. Heimische Futtermittel-
   versorgung aus Grün-
   landnutzung stärken
4. Grünland an den Klima-
   wandel anpassen
5. Multifunktionalität und Um-
   weltleistungen des Grünlandes
   bewahren und honorieren
6. Grünlandstandorte als Wirt-
   schaftsregionen stärken

                                                                                                                  5
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des Deutschen Bauernverbandes

Matrix: Ziele – Maßnahmen
Gesamtziel: Bewirtschaftung des Grünlandes nachhaltig sichern –
flächendeckend, tierbezogen und standortangepasst

                         Ziele                Wirtschaftlichkeit   Grünland-      Heimische
                                              des Grünlandes       bezogene       Futtermittel-
                                              sicherstellen        Tierhaltung    versorgung
                                                                   unterstützen   aus Grünland-
Maßnahmen
                                                                                  nutzung stärken

1 Unterstützung des Grünlandes in der nati-   ++                   ++             +++
  onalen Eiweißpflanzenstrategie des BMEL
2 Vermarktung mit Bezug zu Grünland-
                                              ++                   ++             ++
  regionen ausbauen und fördern
3 Forschung, Innovation und Wissens-          ++                   ++             +++
  transfer intensivieren und fördern
4 Konditionalität und Eco-Schemes                                  ++             ++
                                              +++
  praxisnah ausgestalten
5 Verfahren zum Dauergrünland-
                                              ++                   +              +
  erhalt vereinfachen
6 Ausgleichszulage weiter-                                         +++
                                              +++                                 ++
  entwickeln
7 Agrarinvestitionsförderung                                       +++            ++
  attraktiver gestalten
                                              +++
8 Agrarumwelt- und Klimamaß-                  ++                   ++             +
  nahmen weiterentwickeln
9 Agrotourismus ausbauen                      +                    ++             +
10 Kooperative Biodiversitäts-                ++                   +              +
   maßnahmen prüfen
11 Grünlandnutzung auch für Klima
                                              +                    +              +
   und Küstenschutz sichern
12 Flexibler und standortangepasster          ++                   +              +
   Moorschutz
13 Biodiversität durch Nutzung
                                              ++                   +              +
   erhalten
14 Weidehaltung Vorrang vor
                                              +++                  +++            ++
   dem Wolf einräumen
15 Gänseschäden reduzieren
                                              +++                  ++             ++
   und ausgleichen
16 Grünland vor Schädlingen und
                                              +++                  ++             +++
   Wildschäden schützen
17 Bedarfs- und standortangepasste Wirt-
                                              +++                  +++            ++
   schaftsdüngeranwendung erleichtern
18 Rechtlichen Rahmen flexibilisie-           +++                  ++             ++
   ren und entbürokratisieren

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Grünlandagenda
                                                                des Deutschen Bauernverbandes

Grünland an den   Multifunktionalität    Grünlandstandorte   Ziele
Klimawandel       und Umweltleistungen   als Wirtschafts-
anpassen          des Grünlandes         regionen stärken
                  bewahren und                                                    Maßnahmen
                  honorieren

++                +                      +                   1 Unterstützung des Grünlandes in der nati-
                                                               onalen Eiweißpflanzenstrategie des BMEL

~                 +                      ++ +                2 Vermarktung mit Bezug zu Grünland-
                                                               regionen ausbauen und fördern

                  ++                     +                   3 Forschung, Innovation und Wissens-
++ +
                                                               transfer intensivieren und fördern

+                 +++                    +                   4 Konditionalität und Eco-Schemes
                                                               praxisnah ausgestalten
                                                             5 Verfahren zum Dauergrünland-
~                 ++                     +
                                                               erhalt vereinfachen
                                                             6 Ausgleichszulage weiter-
~                 +++                    ++                    entwickeln

                                         ++                  7 Agrarinvestitionsförderung
+                 +
                                                               attraktiver gestalten
++                +++                    +                   8 Agrarumwelt- und Klimamaß-
                                                               nahmen weiterentwickeln

~                 ++                     ++ +                9 Agrotourismus ausbauen
+                 +++                    ++                  10 Kooperative Biodiversitäts-
                                                                maßnahmen prüfen

++ +              +++                    +                   11 Grünlandnutzung auch für Klima
                                                                und Küstenschutz sichern

++                +++                    +                   12 Flexibler und standortangepasster
                                                                Moorschutz

                                         +                   13 Biodiversität durch Nutzung
+                 +++
                                                                erhalten

~                 ++                     +                   14 Weidehaltung Vorrang vor
                                                                dem Wolf einräumen

~                 ++                     +                   15 Gänseschäden reduzieren
                                                                und ausgleichen

~                 ++                     ++                  16 Grünland vor Schädlingen und
                                                                Wildschäden schützen

~                 +                      +                   17 Bedarfs- und standortangepasste Wirt-
                                                                schaftsdüngeranwendung erleichtern
++                ++                     +                   18 Rechtlichen Rahmen flexibilisie-
                                                                ren und entbürokratisieren

                                                                                                    7
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Grünlandagenda
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2.		 Die Grünlandnutzung in Deutschland
2.1     Stellenwert des Grünlandes in der Landwirtschaft und für die Tierhaltung

Was ist Grünland?                      Bei der Bewirtschaftung des Grün-     Wie viel Grünland gibt es?
                                       landes orientieren sich die Land-
Grünland besteht aus Flächen, auf                                            In Deutschland werden rund 4,75
                                       wirte vor allem an den regionalen
denen ausdauernde Pflanzengesell-                                            Mio. Hektar als Dauergrünland3 be-
                                       Standortgegebenheiten (Bodenty-
schaften aus Gräsern, Leguminosen                                            wirtschaftet, davon knapp 2,62 Mio.
                                       pen, Wasserhaushalt, Relief, Klima
und krautartigen Pflanzen wachsen,                                           Hektar als Weiden, 1,92 Mio. Hektar
                                       etc.), den wachsenden volatilen
die überwiegend durch die Nut-                                               als Wiesen und 0,21 Mio. Hektar als
                                       Wettereinflüssen und den Anfor-
zung des Menschen in Verbindung                                              ertragsarmes Dauergrünland.4 Dazu
                                       derungen des Marktes. Dabei sind
mit Viehhaltung entstanden sind.                                             kommen Ackerflächen mit (Feld-)
                                       zunehmend ordnungsrechtliche
Grünland wird primär als Wiesen                                              Grasanbau von ca. 0,32 Mio. Hektar.
                                       Rahmenbedingungen (v. a. umwelt-
und Weiden genutzt und erbringt                                              Zusammen ergeben sich daraus
                                       rechtliche Auflagen) einzuhalten.
Leistungen für die Futterbereitstel-                                         5,1 Mio. Hektar Grünlandfläche.
                                       So ergibt sich eine Vielfalt an
lung, die Biomasseerzeugung, den                                             Sie entspricht fast einem Drittel
                                       Formen in der Grünlandnutzung:
Natur-, Wasser- und Klimaschutz                                              der gesamten landwirtschaftlich
                                       von Flächen mit unterschiedlichen
und die Kulturlandschaft. Pflege,                                            genutzten Fläche in Deutschland.
                                       Bewirtschaftungsintensitäten (z. B.
Erhaltung und Bewirtschaftung des
                                       Ein- bis Mehrschnittnutzung) über
Grünlandes sind Kerntätigkeiten                                              Damit prägt das Grünland neben
                                       FFH-Lebensraumtypen1 bis ein-
des Landwirts, aus denen er sein                                             Ackerland und Wald maßgeblich
                                       schl. zum Biotopschutzgrünland2.
Einkommen generieren muss.                                                   die Kulturlandschaft in Deutsch-
                                                                             land. Der überwiegende Teil des
                                                                             Grünlandes ist durch die jahrhun-
                                                                             dertelange Nutzung des Menschen
                                                                             für die Viehhaltung entstanden.
                                                                             Entfällt diese anthropogene Nut-
                                                                             zung, tritt an Stelle der Wiesen
                                                                             und Weiden eine Verbuschung mit
                                                                             häufig nachfolgender Bewaldung.
                                                                             Dieser Prozess führt zu einer Verän-
                                                                             derung der Artenvielfalt und einem
                                                                             Verlust von Arten, die an offene
                                                                             Grünlandflächen gebunden sind.

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Grünlandagenda
                                                                                  des Deutschen Bauernverbandes

Grünland und Tierhal-                    vor Ort und das Klima eine Rolle. In   Die spezifischen Strukturen in der
                                         Deutschland wurden in den letzten      Mutterkuhhaltung sind u. a. auf die
tung eng verbunden
                                         Jahren rund 31 bis 32 Mio. Tonnen      historische Entwicklung der Agrar-
Aus Grünlandaufwüchsen lassen            Milch mit einem Produktionswert        strukturen in den Regionen zurück-
sich keine Produkte für den direk-       – je nach aktueller Preissituati-      zuführen. Betriebsstrukturen mit
ten menschlichen Verzehr erzeu-          on – zwischen 9 bis 12 Mrd. Euro       über 100 Tieren sind in den östlichen
gen. Deshalb ist die Veredlung           pro Jahr erzeugt. Derzeit wird die     Bundesländern keine Seltenheit,
des Grünlandaufwuchses über die          Milch in Deutschland von rund 160      in den westlichen Bundesländern
Tierhaltung die mit Abstand wich-        Molkereien verarbeitet.6 Für den       kommen derartige Betriebsgrößen
tigste Nutzungsmöglichkeit. Der          ländlichen Raum und insbesondere       hingegen deutlich seltener vor.
Tierbesatz auf Grünland ist regional     für die Grünlandregionen ist die       Grundsätzlich ist die Mutterkuh-
unterschiedlich stark und von großer     Milchwirtschaft deshalb nicht nur      haltung jedoch durch eher kleinere
Vielfalt geprägt. Wiesen und Wei-        landschaftsprägend, sondern vor al-    Herdengrößen charakterisiert. Bei
den sind für die Haltung von Rau-        lem in strukturschwachen Regionen      dieser Haltungsform handelt es
futterfressern (v. a. Rinder-, Schaf-,   ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.     sich um eine eher extensive Form
Ziegen-, Pferde- und landwirtschaft-                                            der Grünlandbewirtschaftung. Die
liche Wildhaltung) prädestiniert. Der    Die Mutterkuhhaltung ist ein Be-       Mutterkuhhaltung ist insbesondere
Grünlandaufwuchs dient vor allem         standteil der Rinderhaltung und        auf jenen Standorten zu finden, die
Wiederkäuern als Futtergrundla-          sehr eng mit der Grünlandbewirt-       für eine intensive Grünlandnutzung
ge und bringt erst mittelbar für         schaftung verbunden. Im Mai 2020       weniger geeignet sind, wie beispiels-
die menschliche Ernährung einen          betrug der Mutterkuhbestand in         weise Hanglagen, niederschlags-
Nutzen. Mit Ausnahme einer ener-         Deutschland ca. 640.000 Mutterkü-      arme Standorte oder qualitativ ge-
getischen Verwendung über Biogas-        he. Auch in der Mutterkuhhaltung       ringwertige Böden. Die Mutterkuh-
anlagen gibt es wirtschaftlich kaum      gibt es regionale Unterschiede.        haltung kann in hohem Maße zum
attraktive Nutzungsalternativen.

Die Milcherzeugung in Deutsch-
land findet mit den dazugehörigen
vor- und nachgelagerten Bereichen
vor allem in den Grünlandregionen,
also zum Beispiel im Alpenvorland,
in den Mittelgebirgslagen oder in
den Küstenregionen der Nord- und
Ostsee, statt. Ende 2020 wurden in
rund 57.300 landwirtschaftlichen
Betrieben insgesamt 3,92 Mio. Milch-
kühe gehalten.5 Nach zuletzt aus
der Landwirtschaftszählung 2010
vorliegenden Ergebnissen haben
rund 40 Prozent der Milchkühe
Weidezugang, mit großen regiona-
len Unterschieden. Darüber hinaus
werden auch Rinder während ihrer
Aufzucht vielfach auf der Weide
gehalten. Neben den Bedingungen
der einzelnen Betriebe spielen
auch die gegebenen Naturräume

                                                                                                                   9
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Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

Natur-, Wasser- und Klimaschutz bei-    Die Schaf- und Ziegenhaltung bil-        der klein- wie auch großflächigen
tragen und gleichzeitig die Biodiver-   det mit der Grünlandnutzung eine         Landschaftspflege wegen ihres
sität und den Artenschutz fördern.      untrennbare Einheit. Im Mai 2020         speziellen Tritts und ihres einzig-
                                        gab es in Deutschland rund 9.100         artigen Bissverhaltens eingesetzt.
Die aus der Mutterkuhhaltung            Schafhalter und ca. 1,58 Mio. Scha-      Zur Pflege von bestimmten Grün-
stammenden Absetzkälber gehen in        fe,9 verteilt auf rund 60 verschiedene   landbiotopen ist die Beweidung mit
der Regel anschließend in die Rin-      Fleisch-, Land- und Milchrassen.         Schafen oder Ziegen unverzichtbar.
dermast über. Im Mai 2020 wurden        Auch gefährdete und vom Ausster-
rund 950.000 Mastrinder (älter als      ben bedrohte Rassen werden im            Für die Pferdehaltung ist Grünland
ein Jahr) gehalten.8 Auch die Struk-    Bundesgebiet in der Koppel-, stand-      ebenfalls die Hauptfuttergrundla-
turen der Rindermast sind regional      ortgebundenen Hüte- oder Wander-         ge. Die Pferdehaltung ist häufig ein
unterschiedlich. Die Mehrzahl der       schafhaltung gehalten und tragen         weiteres Einkommensstandbein in
Mastrinder haltenden Betriebe be-       so ebenfalls zur Artenvielfalt bei. In   der Landwirtschaft. Gleichwohl gibt
findet sich in Bayern, die meisten      Deutschland gibt es lt. Bundesver-       es auch Vollerwerbs-Pferdehaltung.
Mastrinder befinden sich hingegen       band der deutschen Ziegenzüchter         Nach Schätzungen der Deutschen
in Niedersachsen. Die Schwerpunkt-      e. V. ca. 170.000 Ziegen, verteilt auf   Reiterlichen Vereinigung (FN) gibt
regionen in der Bullenmast sind,        20 Rassen, wovon 140.000 Ziegen in       es in Deutschland ca. 1,3 Mio. Pfer-
ähnlich wie in der Milchviehhaltung,    ca. 9.800 landwirtschaftlichen Be-       de.11 Es werden Dienstleistungen
im Nord-Westen und Süd-Osten            trieben gehalten werden.10 Hier sind     wie in der Pensionspferdehaltung
Deutschlands zu finden. Darüber         ebenfalls Milch- bzw. Fleischrassen      und beim therapeutischen Reiten
hinaus ist die Rindermast durch         bis hin zu gefährdeten und vom Aus-      angeboten, die für die betroffene
eine Vielzahl an klein strukturierten   sterben bedrohte Rassen vertreten.       Branche wie auch die diese Leistung
Betrieben in den veredlungsstarken      Sie werden auch im Rahmen von            nutzenden Menschen unerlässlich
Regionen und einigen wenigen grö-       Agrar- und Umweltprogrammen              sind. Diese Leistungen sind auch in
ßeren Betrieben charakterisiert.        im Küsten- und Erosionsschutz und        engem Zusammenhang mit dem Er-
                                                                                 holungswert der vom Grünland ge-
                                                                                 prägten Kulturlandschaft zu sehen.

                                                                                 Mit ca. 6.000 landwirtschaftlichen
                                                                                 Wildhaltungen als Gehegewild wer-
                                                                                 den hochgerechneta ca. 18.000 Hek-
                                                                                 tar Grünlandflächen bewirtschaftet
                                                                                 und genutzt.12 Die Grünlandbewirt-
                                                                                 schaftung und Aufzucht der ver-
                                                                                 schiedenen Wildarten wie Dam- und
                                                                                 Rotwild, Sika- und Muffelwild sowie
                                                                                 Bisons mit einer Besatzdichte von
                                                                                 oftmals unter einer Großviehein-
                                                                                 heit je Hektar sichern eine vielfäl-
                                                                                 tige Grünlandflora und -fauna.

10
Grünlandagenda
                                                                                                des Deutschen Bauernverbandes

2.2      Grünland als Produktionsstandort

Heimische Futterver-                         versorgung von Wiederkäuern und                 Grünland entspricht damit in viel-
                                             Pferden und mindert damit den Im-               fältiger Weise den Zielen der na-
sorgung als Beitrag zur
                                             portbedarf von Eiweißfuttermitteln.             tionalen Eiweißpflanzenstrategie
Ernährungssicherung                          So kann ein Hektar ertragreiches                des BMEL, in der die Eiweißver-
Landwirtschaftliche Nutztiere                Grünland auf einem Gunststandort                sorgung aus heimischer Produk-
pflegen und erhalten Grünland in             in Deutschland potenziell zwei Hek-             tion priorisiert, die regionalen
standortangepasster Vielfalt. Die            tar Soja in den Sojaanbaugebieten               Wertschöpfungsketten favorisiert
Grünlandaufwüchse werden entwe-              in Nord- und Südamerika ersetzen.13             und die multiplen Ökosystem-
der durch Wiederkäuer und Pferde             Ein Hektar ertragreiches Grünland               leistungen durch Eiweißpflan-
beweidet oder aber als Raufutter             entspricht unter hiesigen Verhältnis-           zen hervorgehoben werden.
für die Stall- beziehungsweise               sen dem Eiweißäquivalentb von 2,6
Winterfütterung genutzt. Die als             Hektar Raps bzw. 2,1 Hektar Weizen.
Futtergrundlage genutzten Grün-
landflächen ermöglichen mittels
                                             Merkmal                     Soja (Übersee)       Raps (heimisch)      Weizen (heimisch)
der Viehhaltung die Erzeugung von
Fleisch, Milch und Wolle und leisten         Eingesparte Anbau-
demzufolge einen wichtigen Beitrag           fläche bei Grünland-        1,9                  2,6                  2,1
zur Versorgung der Bevölkerung               mehrschnittnutzung
auf heimischer Basis. Damit stellt           (in ha)
das Grünland auch eine wichtige              Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf Destatis 2020, FAO 2020, Bay. LfL 2020, DüV 2017
Erwerbs- und Einkommensquelle
für die landwirtschaftlichen Tier-
halter sowie deren Familien und
Mitarbeiter dar. Grünlandbewirt-
schaftung ist in Kombination mit
der Tierhaltung aus Sicht der Ernäh-
rungssicherung systemrelevant.
Das Grünland leistet einen wichti-
gen Beitrag zur heimischen Eiweiß-

a
  lt. Bundesinformationszentrum Landwirt-
schaft beträgt die durchschnittliche Gehe-
gegröße ca. 3 Hektar (s. auch https://www.
landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/
tierhaltung/fleisch-von-wildtieren-aus-ge-
hegen-eine-alternative (16.02.2021))
b
  Ermittelt auf Basis der Rohproteinwerte.
Vollständigkeitshalber muss darauf hin-
gewiesen werden, dass die Bedeutung von
Eiweißfuttermitteln nicht allein durch den
quantitativen Umfang der Eiweißfraktion
im Futtermittel definiert wird: Auch die
qualitative Zusammensetzung der Protein-
fraktion entscheidet über den Futterwert.

                                                                                                                                    11
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

Standortangepasste Flächen-           Futterbau sind jedoch der Erhalt und   zu gewährleisten, ist die Nutzung
                                      die futterwertorientierte Entwick-     über einen ausreichenden Viehbe-
nutzung des Grünlandes
                                      lung der Grünlandbestände wichtig.     satz von erheblicher Bedeutung.
Die Bewirtschaftung des Grünlan-
des durch Viehhaltung ist auch        Auf wirtschaftlich schwächeren         In der Vergangenheit sind agrar-
bei hoher Leistungsfähigkeit mit      bzw. schwierig zu bewirtschaf-         wissenschaftliche Forschungskapa-
einem nachhaltigen Stoffkreislauf     tenden Grenzstandorten, wie z. B.      zitäten im Grünlandbereich weiter
verbunden. Jedoch bleiben die         in Mittelgebirgslagen, sind natur-     abgebaut worden. Eine koordinierte
Ertragspotenziale des Grünlandes      schutzfachlich besonders wertvolle     Forschung zum Grünland und des-
zu einem großen Teil ungenutzt.       Grünlandflächen von der Nutzung        sen Entwicklung fehlt demzufolge
Die Gründe dafür sind vielfältig,     durch Raufutterfresser abhängig.       in Deutschland. Erschwerend kom-
wie z. B. nicht standortangepasste    Dies gilt besonders für nichtme-       men die nur gering und meistens
Bewirtschaftungsauflagen in Form      chanisierbare Flächen, deren Pfle-     auch nur regional ausgeprägten
von Düngebeschränkungen oder          ge nur mit einem ausreichenden         Beratungsstrukturen für Wissens-
auch Auswirkungen des Klimawan-       Tierbestand gewährleistet werden       transfer und -implementierung
dels sowie Extremwetterlagen. Aus     kann. Bewirtschaftungsaufgaben         in die Grünlandbetriebe hinzu.
futterbaulicher Perspektive sind      aufgrund der geringeren Wert-
bspw. die Zunahme von Bei- bzw.       schöpfung würden den Verlust einer     Vermarktung und
Ungräsern und Bei- bzw. Unkräutern    grünlandspezifischen Biodiversität     Wertschöpfung
sowie ein verminderter Anteil hoch-   und eine zunehmende Verbuschung        Grünland ist für die Wiederkäuer-
wertiger Futtergräser Kennzeichen     sogar beschleunigen. Um den Er-        und Pferdehaltung nicht nur Fut-
dieser Entwicklung. Für einen zu-     halt dieser Flächen für die gesell-    tergrundlage, sondern in vielen
kunftsorientierten und heimischen     schaftlich erwünschten Leistungen      Fällen auch die Haltungsumgebung
                                                                             der Nutztiere. In der Verbraucher-
                                                                             wahrnehmung ist insbesondere die
                                                                             Weidehaltung mit mehr Tierwohl
                                                                             und einem positiven Landschaftsbild
                                                                             verbunden. Auf diese Wahrnehmung
                                                                             setzen zahlreiche Vermarktungs-
                                                                             programme. Diese sind mit dem
                                                                             Ziel der Generierung einer höhe-
                                                                             ren Wertschöpfung verbunden.

                                                                             In der Vermarktung von Milch und
                                                                             Milchprodukten spielen heute so-
                                                                             wohl die Fütterung als auch die
                                                                             Haltungsbedingungen eine wichtige
                                                                             Rolle. Mehr als die Hälfte der ge-
                                                                             samten Fütterung in der Milchvieh-
                                                                             haltung besteht aus zumeist selbst
                                                                             erzeugtem Grundfutter mit einem
                                                                             je nach Standort variierenden Fut-
                                                                             teranteil aus Grünlandaufwuchs.
                                                                             Dadurch ist die Milchviehhaltung
                                                                             eher als andere Sektoren in der
                                                                             Lage, zum Beispiel auf eine Fütte-
                                                                             rung ohne gentechnisch veränderte

12
Grünlandagenda
                                                                                 des Deutschen Bauernverbandes

Organismen (GVO) abzustellen.           teleinzelhandel in einer größeren      Wildfleisch aus der Region, häufig
Mittlerweile werden gut zwei Drittel    Region, wie z. B. dem Schwarzwald.     mit landesspezifischem Label, bedie-
der deutschen Rohmilch GVO-frei         Auf der anderen Seite finden sich      nen.18 Der Bereich ist eine etablierte
erzeugt und entsprechend ver-           Eigenmarkenprogramme des LEH,          Marktnische, die den landwirtschaft-
marktet.14 Vor dem Hintergrund der      wie z. B. Eichenhof und Landprimus.    lichen Betrieben ein wichtiges Ein-
unterschiedlichen Wertschöpfungs-                                              kommensstandbein sichert und zu-
potenziale der Grünlandflächen ist      Im Schaf- und Ziegensektor erfolgt     sätzlich die Biodiversität fördert und
in den letzten Jahren der Markt für     die Vermarktung von Fleisch, Milch     den ländlichen Tourismus anregt.
weitere Produktdifferenzierungen        und Wolle sowohl über die gewerb-
(z. B. Heumilch, Weidemilch) ge-        liche wie auch über die Direktver-
                                                                               Energetische Nutzung
wachsen. Bezüglich der Haltungs-        marktung im konventionellen und        von Grünland
bedingungen haben entsprechende         ökologischen Produktionsbereich.       Ergänzend zur tierischen Vered-
Standards in der Milchviehhaltung       Genutzt werden hier regionale und      lung können Grünlandaufwüchse
(noch) keine vergleichbare Markt-       überregionale Vermarktungspro-         über Biogasanlagen auch einer
durchdringung erzielt. Größere          gramme. Neben der Produktion,          energetischen Verwertung zuge-
Marktrelevanz hat in Deutschland        der Verarbeitung und Vermarktung       führt werden. Im Jahr 2018 nutzten
das „Pro Weideland“-Label erreicht.     als Nahrungsmittel überzeugt die       rund 26 Prozent der Biogasanlagen
Unter diesem Label werden lt. La-       Schaf- und Ziegenhaltung durch ihre    Grünlandaufwüchse als Substrate.
belbetreiber derzeit 50 Prozent der     vielfältigen Leistungen zur Land-      Der Masseanteil der Grassilage
deutschen Weidetrinkmilch erzeugt,      schaftspflege und zum Küstenschutz.    an NawaRo-Substraten lag 2016
verarbeitet und vermarktet.15 Bei                                              bei etwa 12 Prozent.19 Auf Grund
knapp vier Prozent lag im Jahr 2020     Die Pferdehaltung stellt einen         des hohen Ligningehaltes von
die Anlieferung von Biomilch an die     nicht zu unterschätzenden Wirt-        Grünlandaufwüchsen ist die ener-
deutschen Molkereien, deren Erzeu-      schaftszweig dar. Der Umsatz der       getische Nutzung in Form von Ver-
gung und Absatz in den vergange-        deutschen Pferdewirtschaft liegt bei   gärung aus wirtschaftlicher Sicht
nen Jahren stetig gestiegen ist.16      geschätzten 6,7 Mrd. Euro. Darun-      der Nutzung von Silomais deutlich
                                        ter fallen 39 Prozent des Umsatzes     unterlegen. Das trifft vor allem für
Auch in der Mutterkuhhaltung und        (2,6 Mrd. Euro) auf den Bereich der    Grünlandflächen auf schwierigen
Rindermast spielen die Weide- bzw.      Haltung von Pferden.17 Die mittels     Bewirtschaftungsstandorten zu.
Freilandhaltung sowie die wieder-       Pferdehaltung vorgenommene
käuergerechte Fütterung mit einem       Grünlandnutzung stellt folglich
ausreichenden Grundfutteranteil         einen wichtigen Wirtschaftsfaktor
eine wichtige Rolle, ganz besonders     dar. Die Wertschöpfung verteilt
im Hinblick auf die Tierwohlför-        sich auf die Bereiche Zucht, Sport,
derung. Vermarktungsprogramme           therapeutisches Reiten und Pen-
mit entsprechender Kennzeichnung        sionspferdehaltung. Insbesondere
tragen dazu bei, ein hohes Tierwohl-    in der Pferdehaltung können auch
niveau über höhere Erzeugerpreise       weniger ertragreiche Grünland-
zu unterstützen. In diesem Zusam-       standorte genutzt werden, die da-
menhang ist heute eine Vielzahl         durch an Attraktivität gewinnen.
von Siegeln am Markt zu finden. Auf
der einen Seite stehen viele kleine,    Im Bereich der landwirtschaft-
lokal agierende Direktvermarkter        lichen Wildhaltungen sind der
wie z. B. „Galloway Gourmet Fleisch“.   überwiegende Teil der rund 6.000
Zudem gibt es regionale Label,          Gehegehalter Direktvermarktungs-
beispielsweise „Bio-Weiderind“, mit     betriebe, die über die Erzeuger-Ver-
Distribution über den Lebensmit-        braucher-Schiene ihre Kunden mit

                                                                                                                13
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

2.3     Grünland als Kulturlandschaft

Gesellschaftliche Bedeutung            len Ausprägung Identität mit der je-    qualität und wird von Erholungssu-
Die kulturhistorische Leistung der     weiligen Region. Grünland hat einen     chenden für die zahlreichen Mög-
Landwirtschaft liegt nicht nur in      hohen landschaftskulturellen und        lichkeiten der Freizeitgestaltung
der Sicherstellung der Ernährung,      ästhetischen Wert und bietet von        in der Natur (Radfahren, Wandern,
sondern auch in der Gestaltung von     den Deichen der Nord- und Ostsee-       Reiten, Wassersport) geschätzt.
Kulturlandschaften in vielfältigster   küste über die Einzugsbereiche gro-     In alpinen Räumen trägt eine
Ausprägung. Grünland ist in der        ßer Binnenflüsse bis zu den Mittelge-   standortangepasste Nutzung der
öffentlichen Wahrnehmung eng           birgen und Alpen einen vielfältigen     Weideflächen darüber hinaus zur
mit Natur und Umwelt verbunden         Erholungsraum für die Bevölkerung.      Verringerung der Gefahr von Lawi-
und wird positiv wahrgenommen.20       Der Erholungswert einer Landschaft      nen- und Murenabgängen bei und
Grünlandregionen zählen zu den         ist dabei eng mit seiner jeweiligen     schützt dadurch die von den Men-
wertvollen Kulturlandschaften          Vielfalt und der Schönheit des          schen bewohnten Tallagen. Zudem
Deutschlands, tragen zu einer auf-     Landschaftsbildes verknüpft. Eine       schützt von Schafen beweidetes
gelockerten, vielfältigen Landschaft   abwechslungsreiche Landschaft           Grünland in Küstenregionen (Deich-
bei und stiften aufgrund ihrer loka-   steigert die Erholungs- und Erlebnis-   flächen und Deichvorland) und

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Grünlandagenda
                                                                              des Deutschen Bauernverbandes

entlang von Flussläufen durch den     schaftlichen Wertschätzung der        bote und generieren jährlich rund
besonderen Tritt und Biss der Tiere   Grünlandregionen bei. Als zusätzli-   15,4 Mio. Übernachtungen. Jeder
vor Überflutungen und Hochwasser.     che, alternative Einkommensquelle     zweite Anbieter von Urlaub auf dem
Der Küstenschutz durch Deiche und     trägt der Tourismus zur Erhaltung     Bauernhof erwirtschaftet mehr als
das Deichvorland wird erst durch      landwirtschaftlicher Betriebe im      ein Viertel seines Gesamtumsat-
das Grünland und dessen Bewei-        Haupt- und Nebenerwerb bei und        zes aus der Beherbergung, jeder
dung mit Schafen sichergestellt.      damit zur Sicherung gewachsener,      Vierte sogar mehr als die Hälfte.
                                      agrarischer Landschaftsstrukturen.    Etwa 4,5 Mio. Menschen machen
Grünland und Tourismus                Die Direktvermarktung landwirt-       jedes Jahr in Deutschland Urlaub
Viele Landschaftsräume, etwa im       schaftlicher Erzeugnisse an Tages-    auf dem Bauernhof und geben da-
norddeutschen Tiefland, in den        und Übernachtungsgäste sowie          für knapp 900 Mio. Euro aus. Vor
Mittelgebirgslagen oder im Voral-     deren Veredlung in Gastronomie        allem Tierhaltungsbetriebe mit
penland, bestehen aus ausgedehn-      und Lebensmittelhandwerk erhöhen      Futterbau und Weidehaltung sind
ten Grünlandregionen und stellen      die regionale Wertschöpfung und       überdurchschnittlich stark unter den
aufgrund ihres Landschaftsbildes      stärken die regionale Identität und   agrotouristischen Anbietern vertre-
wichtige Tourismusregionen dar.       das Heimatgefühl. Knapp 10.000        ten. Über 50 Prozent der landtou-
Der Tourismus ist hier ein wichti-    landwirtschaftliche Betriebe bieten   ristischen Anbieter sind Milchvieh-
ger Wirtschaftsfaktor, sichert die    bundesweit Urlaub auf dem Bau-        betriebe, die die Nutztierhaltung
Bleibeperspektiven der heimischen     ernhof an. Diese Betriebe verfügen    für die Gäste erlebbar machen.21
Bevölkerung und trägt zur gesell-     über 138.000 Beherbergungsange-

                                                                                                            15
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

2.4     Förderrechtlicher Rahmen für die Grünlandbewirtschaftung

Nationaler GAP-                       schaftung. Dies gilt entsprechend      Umwandlungseinschränkungen
Strategieplan                         für die Regelungen in den Bundes-      von Landwirtschaftsflächen in
                                      gesetzen, die ab 2023 gelten sollen.   Feucht- und Moorgebieten (GLÖZ
Der von der EU-Kommission für
                                                                             2), beim Verbot des Umwandelns
die künftige GAP geforderte Nati-     Konditionalität und                    und Umpflügens von Dauergrün-
onale GAP-Strategieplan umfasst
Maßnahmen der 1. und 2. Säule.
                                      Eco-Schemes                            landflächen in als „umweltsensibel“
                                      Die neue Grüne Architektur der GAP     eingestuften Gebieten (GLÖZ 10)
Ausgangspunkt ist eine SWOT-Ana-
                                      besteht aus Auflagen im Rahmen         und bei der Verpflichtung zur Be-
lyse (Stärken-Schwächen-Chan-
                                      der „Konditionalität“, einjährigen     reitstellung sogenannter „nicht-pro-
cen-Risiken-Analyse). Auf der
                                      freiwilligen Eco-Schemes-Maßnah-       duktiver Flächen“ (GLÖZ 9).
SWOT-Analyse bauen die Analyse
der Bedarfe und die zu ergreifen-     men (1. Säule) sowie mehrjährigen      Dauergrünlanderhalt
den Maßnahmen (Interventionen)        Agrarumwelt- und Klimamaßnah-
                                                                             Flächen, die durch Einsaat oder auf
auf. Bei der Ausarbeitung des         men (2. Säule). Auflagen der „Kondi-
                                                                             natürliche Weise (Selbstaussaat)
deutschen Nationalen GAP-Stra-        tionalität“ betreffen die Grünland-
                                                                             zum Anbau von Gras oder anderen
tegieplans sind Bund und Länder       bewirtschaftung beim Erhalt von
                                                                             Grünfutterpflanzen genutzt werden
gefordert, die richtigen Weichen zu   Dauergrünlandflächen im Verhältnis
                                                                             und seit mindestens fünf Jahren
stellen, insbesondere hinsichtlich    zur Landwirtschaftsfläche (GLÖZ 1),
                                                                             weder Bestandteil der Fruchtfolge
der Belange der Grünlandbewirt-       bei Bewirtschaftungs-, Pflege- und
                                                                             des landwirtschaftlichen Betriebes
                                                                             sind noch gepflügt wurden, erlangen
                                                                             den Status „Dauergrünland“.22 Durch
                                                                             diese starre 5-Jahres-Regelung sind
                                                                             Landwirte gezwungen, Flächen
                                                                             unter Einsatz des Pfluges aus rein
                                                                             bürokratischen Gründen sowie zur
                                                                             Vermeidung von Fristabläufen und
                                                                             Haftungsrisiken umzubrechen, um
                                                                             den Ackerstatus zu erhalten und
                                                                             einen Wertverlust der Flächen zu
                                                                             verhindern. In vielen Grünlandre-
                                                                             gionen Deutschlands besteht ein
                                                                             hoher Anteil an Pachtflächen. Mit
                                                                             Pachtflächen ist aber die Verpflich-
                                                                             tung für den bewirtschaftenden
                                                                             Landwirt verbunden, am Ende der
                                                                             Pachtdauer die gepachteten Flä-
                                                                             chen mit dem Status zurückzuge-
                                                                             ben, wie er diese vom Eigentümer
                                                                             ursprünglich übernommen hat. Bei
                                                                             Eigentumsflächen können derartige
                                                                             Auflagen zu einer Entwertung des
                                                                             Vermögens führen und vermindern

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Grünlandagenda
                                                                                des Deutschen Bauernverbandes

dadurch die Beleihungsbasis für die     Agrarumweltmaßnahmen                  Betriebsprämien und Cross-
Finanzierung notwendiger existenz-
                                        Nach Ergebnissen der Agrarstruk-      Compliance-Auflagen
sichernder Zukunftsinvestitionen.
Erschwerend kommen bürokratisch         turerhebung 2016 nehmen 110.000       Der Aufwand für die Einhaltung
aufwendige Genehmigungsver-             landwirtschaftliche Betriebe, das     der Cross-Compliance-Auflagen
fahren für die Umwandlung von           entspricht 40 Prozent aller Betrie-   (CC-Auflagen) hat sich für Land-
Dauergrünlandflächen hinzu.             be, freiwillig an Agrarumwelt- und    wirte in den letzten Jahren immer
                                        Klimaschutzmaßnahmen teil. Auf        weiter erhöht. Überzogene Genau-
Ausgleichszulage                        etwa 4,4 Mio. Hektar wirtschaften     igkeitsvorgaben sind besonders
Rund 260 Mio. Euro Ausgleichszu-        diese Betriebe besonders umwelt-      auf Grünland und seinen vielen
lage werden jährlich zur Förderung      und klimaschonend und/oder för-       Landschaftselementen weder praxis-
der von der Natur benachteiligten       dern die Biodiversität. Für dadurch   gerecht noch praktikabel. Daneben
Gebiete eingesetzt, weit überwie-       entstehende höhere Kosten und/        belastet das CC-Frühwarnsystem
gend für Grünlandstandorte. Die         oder niedrigere Erträge zahlten       Tierhalter und damit vorwiegend
Bedeutung der Ausgleichszulage          EU, Bund und Länder in 2019 mehr      wieder Grünlandbewirtschafter
als Ausgleich für natürliche Be-        als 900 Mio. Euro. Darunter fällt     über Gebühr. Die Vorgaben zur Tier-
nachteiligungen und zum Erhalt der      auch der Öko-Landbau mit den          kennzeichnung und -registrierung
flächendeckenden Grünlandbewirt-        Umstellungs- und Beibehaltungs-       sind wichtig und richtig, stehen aber
schaftung nimmt weiter zu. In Mittel-   prämien, wofür EU, Bund und Län-      in keinem sachlichen Zusammen-
gebirgslagen, alpinen Bergregionen,     der 330 Mio. Euro aufbrachten.23      hang mit den Flächenprämien.
Mooren, Küstengebieten und auf
anderen schwierig zu bewirtschaf-
tenden Grünlandstandorten stellt
sich immer mehr die Herausforde-
rung, einen ausreichenden Viehbe-
satz zu halten, um Nährstoffkreis-
läufe zu schließen, Grünlandflächen
durch sinnvolle Nutzung zu erhalten
sowie der Verbuschung und natür-
lichen Sukzession vorzubeugen.

Agrarinvestitionsförderung
Das in der Gemeinschaftsaufgabe
Agrarstruktur und Küstenschutz
(GAK) verankerte Agrarinvestitions-
förderprogramm (AFP) hat in den
letzten Jahren auf Grund hoher kos-
tenträchtiger Anforderungen erheb-
lich an Attraktivität verloren. Grund
sind vor allem hohe Investitionsauf-
lagen sowie bürokratische und kom-
plexe Fördervoraussetzungen. Die
Investitionsförderung ist besonders
in Grünlandgebieten ein wichtiges
Instrument, die Wettbewerbs- und
Leistungsfähigkeit von Futterbau-
betrieben sicherstellen zu helfen.

                                                                                                               17
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

3.		 Grünland und Umwelt

Neben der wirtschaftlichen Be-
                                      3.1    Klima                          im Grünland aufgrund der intensiven
deutung für die Landwirtschaft                                              Durchwurzelung und dauerhaften
hat das Grünland auch für die                                               Pflanzenbedeckung im Durchschnitt
Umwelt große Bedeutung, die                                                 135 Tonnen je Hektar. Davon be-
weiter wächst. Der Erhalt und die     Klimaschutz in den Böden              finden sich wiederum 88 Tonnen je
wirtschaftliche Nutzung des Grün-     Für das Klima erfüllt das Grünland    Hektar in den obersten 30 Zentime-
landes ist damit Grundlage und        eine wichtige Funktion, indem es      tern der mineralischen Grünland-
Voraussetzung einer Reihe wichtiger   effektiv das Treibhausgas CO2 in      böden. Unter den drei Hauptland-
Umweltfunktionen und Ökosystem-       Böden in Form von Humus speichert     nutzungsformen in Deutschland
dienstleistungen. Dabei ergeben       und damit von der Atmosphäre und      – Wald, Acker, Grünland – stellt das
sich aber auch Zielkonflikte, wie     der Treibhauswirkung fernhält. Wäh-   Grünland damit den größten Kli-
z. B. zwischen der Beibehaltung       rend in mineralischen Ackerböden      maschutzbeitrag pro Hektar durch
und Förderung der Weidehaltung        in Deutschland im Schnitt 96 Tonnen   CO2-Speicherung in Humus dar.25
und der gleichzeitig unkontrol-       organischer Kohlenstoff je Hektar
lierten Ausbreitung von großen        gespeichert werden und in Waldbö-
Beutegreifern, wie z. B. Wölfen.      den 119 Tonnen je Hektar, sind es

18
Grünlandagenda
                                                                                  des Deutschen Bauernverbandes

Produktive Grünlandnutzung             Degradierung, was besonders im           Atmosphäre mit Sauerstoff zu CO2
                                       globalen Kontext einen großen Bei-       und Wasser Teil des natürlichen
Durch die Bewirtschaftung und den
                                       trag zum Klimaschutz leisten kann.27     CO2-Kreislaufes. Dadurch beträgt
damit verbundenen produktiven
                                                                                die Halbwertszeit von Methan in der
Erhalt von Grünland wird per se        Der natürliche CO2-                      Atmosphäre nur etwa zwölf Jahre
das Klima geschützt. Einen mög-
                                       Methan-Kreislauf                         und wird nach seiner Zersetzung
lichst großen Klimaschutzbeitrag
                                       Während das Grünland selbst CO2          erneut von Pflanzen als CO2 für
je Fläche kann Grünland bei einer
möglichst ertragreichen Nutzung        in Form von Humus gebunden hält,         die Photosynthese genutzt. Dabei
mit hoher Biomasseproduktion und       erfordert sein aus Umweltsicht           spielt es für die Methanentstehung
Futterwertigkeit liefern. Gleichzei-   sinnvoller Erhalt die wirtschaftliche    grundsätzlich keine Rolle, ob das
tig ist damit bei global begrenzten    Verwertung des Aufwuchses durch          Grünland von wilden Wiederkäuern
Flächen eine effiziente Nahrungs-      Wiederkäuer. Durch die Pansenpro-        (z. B. Büffel, Hirsche, Wildrinder wie
mittelproduktion verbunden, die den    zesse der Wiederkäuer während            Gnus) oder von Nutztieren (Rinder,
weltweiten Flächendruck mindert.       der Verdauung wird das kurzlebige        Schafe, Ziegen) verwertet wird.28
Global stellt das Grünland 70 Pro-     Treibhausgas Methan frei. Grund-         Mit der erneuten Speicherung von
zent der Landwirtschaftsfläche26,      sätzlich gilt dabei die Faustregel, je   CO2 im Grünlandaufwuchs ist der
deren Nutzung im Wesentlichen          faserreicher und schwerverdauli-         Kreislauf geschlossen. Der Tempe-
durch Raufutterfresser erfolgt. Zu-    cher das Futter, desto mehr Methan       ratureffekt von biogenem Methan
dem sichert ein gutes Grünland- und    entsteht während der Verdauung.          kann damit nicht mit den CO2-Emis-
Weidemanagement die Flächen vor        Das hierbei entstehende Methan           sionen aus der Verbrennung fossiler
Übernutzung, Humusverlust und          ist aufgrund seiner Oxidation in der     Energieträger gleichgesetzt werden

                                                                                                                  19
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

und muss entsprechend in der Kli-       die Auswirkungen des Klimawandels       ausgeht; besonders beim Jakobs-
mabilanz berücksichtigt werden.29       damit zu einer Verschiebung der         kreuzkraut, welches die Nutzung
Der klimapolitische Stellenwert der     Artenzusammensetzung des Grün-          des Grünlandes als Futterreserve
Haltung von Wiederkäuern fällt ge-      landes führen. Ertragsrückgänge und     für den Winter erschwert bzw. teil-
genüber bisherigen Erkenntnissen        Qualitätseinbußen bedeuten für die      weise ganz unmöglich macht.
somit wesentlich positiver aus.         Betriebe Einbußen bei ihrer Futter-     Eine konsequente Unterdrückung
                                        grundlage. Dazu kommen steigende        durch regelmäßige Mahd, standort-
Folgen des Klimawandels                 Kosten der Futterbeschaffung, da        gerechte Düngung und bei Bedarf
Die Veränderungen des Klimas zei-       für die Einbringung der geringeren      durch Umbruch mit Neuansaat so-
gen direkte Auswirkungen auf das        Futtermenge der gleiche Aufwand         wie den gezielten Einsatz von Pflan-
Grünland selbst. Der CO2-Düngeef-       betrieben bzw. Futter aus anderen       zenschutzmitteln zur Vermeidung
fekt führt zu einem stärkeren Wachs-    Regionen zugekauft werden muss.         des Eintrags bzw. der Vermehrung
tum, aber unter Umständen auch          Eine wichtige Erkenntnis der letzten    von Jakobskreuzkraut ist notwendig.
schlechteren Qualitäten.30 Eine Ver-    durch starke Trockenheit geprägten      Auch eine Mehrschnittnutzung kann
längerung der Vegetationsperiode        Jahre auf dem Grünland ist, dass die    zur Erhaltung der Qualität beitragen.
wirkt sich grundsätzlich positiv auf    für Weidetiere giftigen Pflanzen, wie
das Wachstum des Grünlandes aus.        z. B. Jakobskreuzkraut oder Herbst-
Jedoch wird das Wachstum durch          zeitlose, zunehmen, aber auch
die Zunahme von regionaler Früh-        invasive Pflanzen wie die Herkules-
jahrs- und Sommertrockenheit, Spät-     staude vermehrt auftreten. Flächen,
frösten, Starkregenereignissen und      die im kommunalen Besitz sind,
Hitzetagen negativ beeinflusst.31 Das   wie z. B. Bauplätze oder Freiflächen
bedeutet starken abiotischen Stress     in Gewerbegebieten, sind zuneh-
für die Grünlandpflanzenbestände        mend problematisch, da von diesen
mit geringeren Erträgen oder gar        Flächen ein starker Befallsdruck
Ertragsausfällen. Insgesamt können      auf benachbarte Grünlandflächen

20
Grünlandagenda
                                                                                  des Deutschen Bauernverbandes

3.2    Moornutzung

Bedeutung landwirtschaft-              Nutzflächen gleichzeitig für die         Anhebung der Wasserstände zu
                                       angrenzenden landwirtschaftlichen        reduzieren. Auf Moorstandorten
lich genutzter Moorflächen
                                       Hofstellen mit ihren Gebäuden so-        kann eine Grünlandnutzung höhere
In Deutschland wird die Fläche land-   wie Siedlungs- und Gewerbeflächen        Grundwasserstände bei entspre-
wirtschaftlich genutzter Moore auf     unverzichtbar. Die Urbarmachung          chendem Wasserstandsmanagement
1,3 Mio. Hektar, also rund 8 Prozent   von Mooren stellt eine große Kul-        als eine ackerbauliche Nutzung tole-
der gesamten landwirtschaftlich        turleistung vorheriger Generationen      rieren, setzt jedoch eine wirtschaft-
genutzten Flächen, geschätzt32, wo-    dar, die mit erheblichen Anstren-        liche Verwertung des Aufwuchses
von rund drei Viertel als Grünland     gungen verbunden war. Dadurch            durch Raufutterfresser voraus.
genutzt werden. Der Großteil der       konnten neue Flächen zur Lebens-         Eine aus Natur- und Klimaschutz-
landwirtschaftlichen Moorflächen       mittelerzeugung gewonnen und             sicht verfolgte Wiedervernässung
befindet sich in der Norddeutschen     so eine wachsende Bevölkerung            ist für die Landwirtschaft nicht
Tiefebene, in Nordostdeutschland,      versorgt werden. Jedoch tragen           akzeptabel und kann durch die
aber auch in den südlichen Teilen      entwässerte landwirtschaftliche          Nutzungsaufgabe oder bei Über-
von Bayern und Baden-Württem-          Flächen auf Moorstandorten durch         stauung auch kontraproduktiv
berg. Die Grünlandnutzung als Fut-     die Zersetzung der organischen Bo-       für den Klimaschutz sein. Zudem
tergrundlage – hauptsächlich für die   densubstanz zum CO2-Ausstoß bei.         sind eine Wertminderung der Flä-
Milchviehhaltung – stellt dort zum                                              chen und Gebäude sowie eine
Teil einen wichtigen Wirtschafts-      Moorschutz                               Minderung der landwirtschaftli-
faktor dar. Zudem sind in vielen       Ziel der Politik ist es, die CO2-Emis-   chen Wertschöpfung die Folge.
Moorgebieten die Entwässerungs-        sionen aus landwirtschaftlich
systeme der landwirtschaftlichen       genutzten Moorböden durch eine

                                                                                                                 21
Grünlandagenda
des Deutschen Bauernverbandes

3.3    Biodiversität                                                         von FFH-Wiesen einen statischen
                                                                             Ansatz. Eine standortgenaue Fest-
                                                                             legung der Erhaltungsziele ist je-
                                                                             doch aufgrund sich verändernder
                                                                             externer Rahmenbedingungen
Grünland hat in seinen vielen ver-     Vertragsnaturschutz- und              (Klimawandel, Strukturwandel, in-
schiedenen Ausprägungen für die                                              vasive Arten etc.) nicht zielführend
                                       Agrarumweltprogramme
Strukturvielfalt der Landschaft und                                          und wenig erfolgversprechend.
damit auch für die Biodiversität ei-
                                       als Voraussetzung für den
nen hohen Stellenwert. Die Ansied-     Erhalt von HNV-Grünland               Besonders naturschutzfachlich
lung vieler heute heimischer Arten     Je nach Nutzungsform, Standort,       wertvolle Grünlandflächen erhal-
mit hohem Naturschutzwert erfolgte     Boden- und Klimaverhältnissen         ten und nutzen die Landwirte in
als Kulturfolger der Landwirtschaft,   unterscheidet sich die Bedeutung      Kooperation mit dem Naturschutz
die im Zuge der Urbarmachung der       des Grünlandes für den Natur- und     sowie über Agrarumweltprogramme,
Landschaften und der Verbreitung       Artenschutz. Laut Bundesamt für       Vertragsnaturschutz und weitere
von Viehhaltung und Ackerbau nach      Naturschutz sind Stand 2017 5,2       Förderinitiativen. Bestrebungen,
Deutschland eingewandert sind.33       Prozent der Landwirtschaftsfläche     die Liste der gesetzlich geschützten
Von den heimischen Farn- und Blü-      als High-Nature-Value (HNV) Grün-     Biotope um artenreiches Grünland
tenpflanzen haben mehr als ein Drit-   land anzusehen.35 Damit werden von    und Streuobstwiesen zu erweitern
tel der Arten ihre Hauptvorkommen      Seiten des Naturschutzes knapp 1,02   und damit diese Flächen per Gesetz
im Grünland.34 Auch für Insekten,      Mio. Hektar als Grünland mit einem    und pauschal unter Schutz zu stel-
Kleinstlebewesen und Wirbeltiere       besonders hohen Naturschutzwert       len, ohne dessen Pflege finanziell zu
(Wiesenbrüter, Niederwild) stellt      angesehen, was rund einem Fünftel     honorieren, gefährden die landwirt-
Grünland wertvolle Nahrungs-,          der Grünlandfläche entspricht.        schaftliche Nutzbarkeit und damit
Rückzugs- und Lebensräume bereit.      Deutschland verfolgt zum Erhalt       den Erhalt dieser Flächen. Diejeni-
                                                                             gen Landwirte, die seit Jahrzehnten
                                                                             diese Flächen pflegen und damit
                                                                             einen Beitrag zum Naturschutz
                                                                             leisten, dürfen nicht bestraft wer-
                                                                             den. Ohne Förderung drohen diese
                                                                             Flächen aus der Nutzung zu fallen.

                                                                             Weidetierhaltung und Wolf
                                                                             Das exponentielle Wachstum der
                                                                             Wolfspopulation in Deutschland
                                                                             um jährlich rund 30 Prozent36 stellt
                                                                             die Haltung von Schafen, Ziegen,
                                                                             Rindern, Pferden und Wild auf der
                                                                             Weide vor existenzielle Herausfor-
                                                                             derungen – bei aktuell geschätzt
                                                                             bereits 1.300 – 1.800 Einzeltieren in
                                                                             der Wolfspopulation37. Eine „wolfssi-
                                                                             chere“ Einzäunung großer Grünland-
                                                                             regionen, von Deichen und Niede-
                                                                             rungsgebieten mit Grabensystemen
                                                                             sowie von Mittelgebirgen und Almen
                                                                             ist weder praktisch durchführbar

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Grünlandagenda
                                                                                des Deutschen Bauernverbandes

noch naturschutzgerecht. Die Ein-      der Landwirtschaft, durch die zum      geschädigt. Die Schäden entstehen
zäunung der Landschaft mit umfang-     Teil sogar der wirtschaftliche Fort-   durch das Umbrechen der Grünland-
reichen und hohen Zaunsystemen         bestand der landwirtschaftlichen       narbe durch Wildschweine, aber
widerspricht den Anforderungen des     Betriebe in den betroffenen Regi-      auch durch massive Trittschäden
Tourismus, dem Erhalt der Kultur-      onen in Frage gestellt sein kann.38    großer Rot- und Muffelwildherden
landschaft und dem Grundgedanken       Die bisherigen Instrumente und         sowie durch das Abfressen (Äsung)
einer Biotopvernetzung im Sinne des    verfolgten Prioritäten, dem Arten-     des Grünlandbestandes. Dadurch
Arten- und Landschaftsschutzes.        schutz und der landwirtschaftlichen    wird die Futtergrundlage der land-
Zudem gibt es eine Vielzahl an Re-     Nutzbarkeit gerecht zu werden und      wirtschaftlichen Betriebe verringert,
gionen, in denen eine dauerhafte       für die betroffenen Landwirte eine     verschmutzt und zum Überträger
Ansiedlung eines Wolfsrudels zu        befriedigende Lösung zu schaffen,      von Krankheiten sowie teilweise
unauflöslichen Konflikten mit ande-    können weitgehend als gescheitert      sogar komplett unbrauchbar. Auch
ren Zielen führt, zum Beispiel der     angesehen werden. Der Ansatz von       wenn der Wildschaden den Landwir-
Deichsicherheit oder dem Erhalt der    Vertragsnaturschutzangeboten           ten durch die Jagdgenossenschaft,
Almwirtschaft, und in denen Präven-    in festgelegten Gebietskulissen        die diesen Schaden privatrechtlich
tionsmaßnahmen nicht umsetzbar         löst diese Problematik nicht.          an den Jagdpächter übertragen
sind bzw. die nicht flächendeckend                                            kann, auszugleichen ist, kann der
wolfsabweisend eingezäunt werden
                                       Schäden durch Wild-                    Schaden für die Grünlandnarbe
können. Ein mehrmonatiges Abwar-       tiere im Grünland                      enorm sein und eine komplette
ten nach wiederholten Angriffen        Vor allem in grünlandreichen Mit-      kostenintensive Neuanlage des
bis zur Wolfsentnahme ist für Tier-    telgebirgsregionen wird Grünland       Grünlandes notwendig machen.
halter auch mit Blick auf Risiken im   durch insgesamt zu hohe Populatio-     Oft ist auch die Futtergrundlage
Herdenverhalten nicht zumutbar.        nen und in großen Rudeln auftreten-    für Tierhaltungsbetriebe über
                                       des Schwarz-, Rot- und Muffelwild      mehrere Jahre beeinträchtigt.
Grünlandnutzung und
strenger Artenschutz
Neben den aus Artenschutzgründen
erwünschten und landwirtschaftlich
unproblematischen Arten verursa-
chen zunehmend auch besonders
geschützte Tierarten Probleme bei
der Nutzung des Grünlandes. Die
in manchen Regionen exponentiell
ansteigenden Populationen an nor-
dischen und heimischen Wildgänsen
werden von Naturliebhabern als
beeindruckendes Naturschau-
spiel wahrgenommen, wie z. B. an
den Küsten Niedersachsens und
Schleswig-Holsteins sowie weiteren
Regionen im Binnenland. Für die
betroffenen Landwirte haben die
Gänsebestände ein Ausmaß ange-
nommen, das in diesem Umfang
nicht mehr hinnehmbar ist. Die
Gänsepopulationen führen zuneh-
mend zu unzumutbaren Schäden in

                                                                                                               23
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