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Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes www.bauernverband.de 1
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Inhalt 1. Grünlandagenda des DBV 3 1.1 Präambel 3 1.2 Kurzfassung 4 2. Die Grünlandnutzung in Deutschland 8 2.1 Stellenwert des Grünlandes in der Landwirtschaft und für die Tierhaltung 8 2.2 Grünland als Produktionsstandort 11 2.3 Grünland als Kulturlandschaft 14 2.4 Förderrechtlicher Rahmen für die Grünlandbewirtschaftung 16 3. Grünland und Umwelt 18 3.1 Klima 18 3.2 Moornutzung 21 3.3 Biodiversität 22 3.4 Grünlandschäden und Pflanzenschutz 24 3.5 Düngung und Gewässerschutz 25 4. Ziele, Maßnahmen und Forderungen an Politik, Marktpartner und Gesellschaft 28 4.1 Ziele der Grünlandagenda 28 4.2 Maßnahmen und Forderungen 30 5. Quellenverzeichnis 39 Herausgeber Deutscher Bauernverband e. V. Claire-Waldoff-Straße 7 10117 Berlin Berlin, April 2021 Satz Hermann Rohr, Meldorf 2
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 1. Grünlandagenda des DBV 1.1 Präambel Grünland und die damit verbunde- Die Grünlandnutzung gilt es in einem ne Tierhaltung stellen ein wichtiges Gesamtkontext der Landnutzung – Standbein der deutschen Landwirt- Ackerbau, Forst, Gewässer, Siedlung schaft dar. Als Futtergrundlage für und Infrastruktur – zu betrachten die heimische Tierhaltung trägt das und einzubetten. Diese ist mit ande- Grünland maßgeblich zur Nahrungs- ren Strategien – Nutztierhaltung und mittelversorgung in Deutschland ländliche Räume, Eiweißpflanzen bei. Zudem dient es der Bevölkerung und Ackerbau, Umwelt und Biodi- auch als Erholungsraum und bietet versität, Klima- und Moorschutz, vielfältige Leistungen für Natur Bioökonomie und Forschung – zu und Umwelt. Die Landwirtschaft verknüpfen und Wechselwirkun- ist mit der Tierhaltung wesentlich gen sind zu berücksichtigen. für die Entstehung des Grünlandes verantwortlich und ein Garant für Politik, Wissenschaft und Gesell- dessen Erhalt: Landwirtschaft und schaft sind aufgerufen, mit der Grünland bedingen sich gegenseitig. Landwirtschaft in den Austausch zu treten und gemeinsam die An- Die vorliegende Grünlandagenda sätze der Agenda zu diskutieren stellt die Bedeutung des Grün- und umzusetzen. Im gesamtgesell- lands mit seiner Nutztierhaltung schaftlichen Interesse gilt es, eine heraus. Sie benennt Ansätze und nachhaltige landwirtschaftliche Maßnahmen, um die Grünland- Grünlandnutzung in Deutschland zu bewirtschaftung zu erhalten, erhalten und weiterzuentwickeln. gemeinsam mit den Landwirten weiterzuentwickeln und die ge- sellschaftlichen Anforderungen an das Grünland sicherzustellen. 3
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 1.2 Kurzfassung Das Grünland prägt neben Acker- Grünlandbestände sind für einen per se das Klima geschützt. Die land und Wald die Kulturlandschaft zukunftsorientierten und heimischen Biodiversität profitiert vom Grün- in Deutschland. Es ist durch die Futterbau wichtig. Auf wirtschaftli- land, indem es z. B. Insekten und jahrhundertelange Nutzung des chen Grenzstandorten des Grünlan- Wirbeltieren wertvolle Nahrungs-, Menschen in Verbindung mit der des würden ohne den Futterbau, d. h. Rückzugs- und Lebensräume be- Viehhaltung entstanden. Heute gibt durch Bewirtschaftungsaufgaben reitstellt. Besonders naturschutz- es in Deutschland mehr als fünf und nachfolgend zunehmende Ver- fachlich wertvolle Grünlandflächen Millionen Hektar Grünlandfläche, buschung, naturschutzfachlich be- erhalten und nutzen die Landwirte worunter i. S. dieser Agenda so- sonders wertvolle Grünlandflächen in Kooperation mit dem Naturschutz wohl das Dauergrünland mit seinen mit ihrer typischen Grünlandflora sowie über Agrarumweltprogramme, Wiesen und Weiden als auch die und -fauna verlorengehen. Für eine Vertragsnaturschutz und weitere Ackergrasflächen fallen. Die Grün- ressourcenschonende und standort- Förderinitiativen. Insgesamt kom- landbewirtschaftung orientiert sich angepasste Futtererzeugung sind men auf dem Grünland nur wenige an den regional spezifischen Stand- Flexibilität und unternehmerische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz ortbedingungen, den klimatischen Freiheitsgrade in der Art und Weise und es erfolgt bei Bedarf zumeist Verhältnissen und den Erfordernis- der Bewirtschaftung wichtige Vor- lediglich eine Einzelpflanzen- oder sen des Marktes. Dabei sind zahlrei- aussetzungen. Dafür ist ein entspre- Horstbehandlung. Als tierische che rechtliche Rahmenbedingungen chender Rechtsrahmen notwendig. Schädlinge sind Mäuse im Grünland bei der Förderung und vor allem allzeit präsent und können in Ab- im Umweltbereich zu beachten. Grünland ist für Wiederkäuer und hängigkeit von Jahreszeit und Popu- Pferde aber nicht nur Futtergrund- lationsdynamik erhebliche Schäden Der Erhalt des Grünlandes ist an die lage, sondern auch Haltungsumge- an der Grünlandnarbe verursachen. Haltung von Nutztieren gebunden, bung. In der Verbraucherwahrneh- Das Spektrum an erlaubten Be- welche die Grünlandaufwüchse mung wird dies mit Tierwohl und kämpfungsmöglichkeiten gegen die verwerten können. Rinder, Schafe, einem positiven Landschaftsbild Schadnager ist in seiner Wirkung Ziegen, Pferde und landwirtschaft- verbunden. Auf diese Wahrnehmung begrenzt und nicht ausreichend. liche Wildtiere nutzen die Wiesen setzen zahlreiche Marketingstra- Zudem wird die landwirtschaftliche und Weiden in großer Vielfalt. Ohne tegien mit dem Ziel, zusätzliche Weidehaltung durch das exponenti- deren Nutzung würde langfristig Wertschöpfung in der Region zu elle Wachstum der Wolfspopulation das Grünland weit überwiegend generieren. Darauf bauen auch vor existenzielle Herausforderun- verbuschen bzw. verwalden und Vermarktungskonzepte für den gen gestellt. Eine „wolfssichere“ mit seinen vielfältigen Funktionen Urlaub auf dem Bauernhof auf. Einzäunung großer Grünlandre- verlo-rengehen. Die Produkte der gionen ist weder praktisch durch- auf Grünland gehaltenen Nutztiere Neben der wirtschaftlichen Bedeu- führbar noch naturschutzgerecht. tragen zur Ernährungssicherung auf tung für die Landwirtschaft hat das heimischer Basis bei. Mit Blick auf Grünland auch für die Umwelt große Von den rund 1,3 Mio. Hektar der die Futterversorgung der Nutztiere Bedeutung. Für das Klima erfüllt das landwirtschaftlichen Flächen auf leistet das Grünland auch einen Grünland eine wichtige Funktion, Moorböden werden rund drei wichtigen Beitrag zum heimischen indem es effektiv das Treibhausgas Viertel als Grünland genutzt. In Eiweißangebot für Raufutterfres- CO2 in Böden in Form von Humus vielen Moorgebieten sind die Ent- ser. Der Erhalt und die futter- speichert. Durch den produktiven wässerungssysteme der landwirt- wertorientierte Entwicklung der Erhalt von Grünland wird damit schaftlichen Nutzflächen zudem 4
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes für Hofstellen sowie Siedlungs- und Aus den beschriebenen Zielen leitet 8. Agrarumwelt- und Klimamaß- Gewerbeflächen unverzichtbar. sich eine (hier ungewichtete) Reihe nahmen weiterentwickeln von Maßnahmen ab, die sich auf die 9. Agrotourismus ausbauen Die Nutzung von Grünland und der Bereiche des Förder- und Umwelt- 10. Kooperative Biodiversitäts- Gewässerschutz sind kein Wider- rechts, aber auch der Forschung maßnahmen prüfen spruch. Die Erfahrung zeigt, dass das und Vermarktung fokussieren: 11. Grünlandnutzung auch für den Auswaschungsrisiko von Nährstoffen 1. Unterstützung des Grünlandes Klima- und Küstenschutz sichern auch bei einer Mehrschnittnutzung in der nationalen Eiweißpflan- oder Beweidung vergleichsweise 12. Flexibler und standortan- zenstrategie des BMEL gering ist. Zudem bietet Grünland gepasster Moorschutz 2. Vermarktung mit Bezug auch einen wirksamen Schutz vor 13. Biodiversität durch Nutzung zu Grünlandregionen aus- Erosion durch Wind und Wasser und erhalten bauen und fördern verhindert damit Bodenverlagerung 14. Weidehaltung Vorrang vor 3. Forschung, Innovation und oder Abschwemmung in Gewässer. dem Wolf einräumen Wissenstransfer intensi- vieren und fördern 15. Gänseschäden reduzieren Ziel der Grünlandagenda ist die und ausgleichen nachhaltige Sicherung des Grünlan- 4. Konditionalität und Eco-Sche- mes praxisnah ausgestalten 16. Grünland vor Schädlingen des durch eine flächendeckende, und Wildschäden schützen tierbezogene und standortange- 5. Verfahren zum Dauergrün- passte Bewirtschaftung. Bewirt- landerhalt vereinfachen 17. Bedarfs- und standortange- schaftung bedeutet Inwertset- passte Wirtschaftsdünger- 6. Ausgleichszulage weiter- zung der Flächen und bildet die anwendung erleichtern entwickeln ökonomische Grundlage für die 18. Rechtlichen Rahmen flexibili- 7. Agrarinvestitionsförderung landwirtschaftlichen Betriebe. sieren und entbürokratisieren attraktiver gestalten Konkretisiert wird dieses Ge- samtziel in sechs Teilzielen: 1. Wirtschaftlichkeit des Grün- landes sicherstellen 2. Grünlandbezogene Tier- haltung unterstützen 3. Heimische Futtermittel- versorgung aus Grün- landnutzung stärken 4. Grünland an den Klima- wandel anpassen 5. Multifunktionalität und Um- weltleistungen des Grünlandes bewahren und honorieren 6. Grünlandstandorte als Wirt- schaftsregionen stärken 5
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Matrix: Ziele – Maßnahmen Gesamtziel: Bewirtschaftung des Grünlandes nachhaltig sichern – flächendeckend, tierbezogen und standortangepasst Ziele Wirtschaftlichkeit Grünland- Heimische des Grünlandes bezogene Futtermittel- sicherstellen Tierhaltung versorgung unterstützen aus Grünland- Maßnahmen nutzung stärken 1 Unterstützung des Grünlandes in der nati- ++ ++ +++ onalen Eiweißpflanzenstrategie des BMEL 2 Vermarktung mit Bezug zu Grünland- ++ ++ ++ regionen ausbauen und fördern 3 Forschung, Innovation und Wissens- ++ ++ +++ transfer intensivieren und fördern 4 Konditionalität und Eco-Schemes ++ ++ +++ praxisnah ausgestalten 5 Verfahren zum Dauergrünland- ++ + + erhalt vereinfachen 6 Ausgleichszulage weiter- +++ +++ ++ entwickeln 7 Agrarinvestitionsförderung +++ ++ attraktiver gestalten +++ 8 Agrarumwelt- und Klimamaß- ++ ++ + nahmen weiterentwickeln 9 Agrotourismus ausbauen + ++ + 10 Kooperative Biodiversitäts- ++ + + maßnahmen prüfen 11 Grünlandnutzung auch für Klima + + + und Küstenschutz sichern 12 Flexibler und standortangepasster ++ + + Moorschutz 13 Biodiversität durch Nutzung ++ + + erhalten 14 Weidehaltung Vorrang vor +++ +++ ++ dem Wolf einräumen 15 Gänseschäden reduzieren +++ ++ ++ und ausgleichen 16 Grünland vor Schädlingen und +++ ++ +++ Wildschäden schützen 17 Bedarfs- und standortangepasste Wirt- +++ +++ ++ schaftsdüngeranwendung erleichtern 18 Rechtlichen Rahmen flexibilisie- +++ ++ ++ ren und entbürokratisieren 6
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Grünland an den Multifunktionalität Grünlandstandorte Ziele Klimawandel und Umweltleistungen als Wirtschafts- anpassen des Grünlandes regionen stärken bewahren und Maßnahmen honorieren ++ + + 1 Unterstützung des Grünlandes in der nati- onalen Eiweißpflanzenstrategie des BMEL ~ + ++ + 2 Vermarktung mit Bezug zu Grünland- regionen ausbauen und fördern ++ + 3 Forschung, Innovation und Wissens- ++ + transfer intensivieren und fördern + +++ + 4 Konditionalität und Eco-Schemes praxisnah ausgestalten 5 Verfahren zum Dauergrünland- ~ ++ + erhalt vereinfachen 6 Ausgleichszulage weiter- ~ +++ ++ entwickeln ++ 7 Agrarinvestitionsförderung + + attraktiver gestalten ++ +++ + 8 Agrarumwelt- und Klimamaß- nahmen weiterentwickeln ~ ++ ++ + 9 Agrotourismus ausbauen + +++ ++ 10 Kooperative Biodiversitäts- maßnahmen prüfen ++ + +++ + 11 Grünlandnutzung auch für Klima und Küstenschutz sichern ++ +++ + 12 Flexibler und standortangepasster Moorschutz + 13 Biodiversität durch Nutzung + +++ erhalten ~ ++ + 14 Weidehaltung Vorrang vor dem Wolf einräumen ~ ++ + 15 Gänseschäden reduzieren und ausgleichen ~ ++ ++ 16 Grünland vor Schädlingen und Wildschäden schützen ~ + + 17 Bedarfs- und standortangepasste Wirt- schaftsdüngeranwendung erleichtern ++ ++ + 18 Rechtlichen Rahmen flexibilisie- ren und entbürokratisieren 7
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 2. Die Grünlandnutzung in Deutschland 2.1 Stellenwert des Grünlandes in der Landwirtschaft und für die Tierhaltung Was ist Grünland? Bei der Bewirtschaftung des Grün- Wie viel Grünland gibt es? landes orientieren sich die Land- Grünland besteht aus Flächen, auf In Deutschland werden rund 4,75 wirte vor allem an den regionalen denen ausdauernde Pflanzengesell- Mio. Hektar als Dauergrünland3 be- Standortgegebenheiten (Bodenty- schaften aus Gräsern, Leguminosen wirtschaftet, davon knapp 2,62 Mio. pen, Wasserhaushalt, Relief, Klima und krautartigen Pflanzen wachsen, Hektar als Weiden, 1,92 Mio. Hektar etc.), den wachsenden volatilen die überwiegend durch die Nut- als Wiesen und 0,21 Mio. Hektar als Wettereinflüssen und den Anfor- zung des Menschen in Verbindung ertragsarmes Dauergrünland.4 Dazu derungen des Marktes. Dabei sind mit Viehhaltung entstanden sind. kommen Ackerflächen mit (Feld-) zunehmend ordnungsrechtliche Grünland wird primär als Wiesen Grasanbau von ca. 0,32 Mio. Hektar. Rahmenbedingungen (v. a. umwelt- und Weiden genutzt und erbringt Zusammen ergeben sich daraus rechtliche Auflagen) einzuhalten. Leistungen für die Futterbereitstel- 5,1 Mio. Hektar Grünlandfläche. So ergibt sich eine Vielfalt an lung, die Biomasseerzeugung, den Sie entspricht fast einem Drittel Formen in der Grünlandnutzung: Natur-, Wasser- und Klimaschutz der gesamten landwirtschaftlich von Flächen mit unterschiedlichen und die Kulturlandschaft. Pflege, genutzten Fläche in Deutschland. Bewirtschaftungsintensitäten (z. B. Erhaltung und Bewirtschaftung des Ein- bis Mehrschnittnutzung) über Grünlandes sind Kerntätigkeiten Damit prägt das Grünland neben FFH-Lebensraumtypen1 bis ein- des Landwirts, aus denen er sein Ackerland und Wald maßgeblich schl. zum Biotopschutzgrünland2. Einkommen generieren muss. die Kulturlandschaft in Deutsch- land. Der überwiegende Teil des Grünlandes ist durch die jahrhun- dertelange Nutzung des Menschen für die Viehhaltung entstanden. Entfällt diese anthropogene Nut- zung, tritt an Stelle der Wiesen und Weiden eine Verbuschung mit häufig nachfolgender Bewaldung. Dieser Prozess führt zu einer Verän- derung der Artenvielfalt und einem Verlust von Arten, die an offene Grünlandflächen gebunden sind. 8
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Grünland und Tierhal- vor Ort und das Klima eine Rolle. In Die spezifischen Strukturen in der Deutschland wurden in den letzten Mutterkuhhaltung sind u. a. auf die tung eng verbunden Jahren rund 31 bis 32 Mio. Tonnen historische Entwicklung der Agrar- Aus Grünlandaufwüchsen lassen Milch mit einem Produktionswert strukturen in den Regionen zurück- sich keine Produkte für den direk- – je nach aktueller Preissituati- zuführen. Betriebsstrukturen mit ten menschlichen Verzehr erzeu- on – zwischen 9 bis 12 Mrd. Euro über 100 Tieren sind in den östlichen gen. Deshalb ist die Veredlung pro Jahr erzeugt. Derzeit wird die Bundesländern keine Seltenheit, des Grünlandaufwuchses über die Milch in Deutschland von rund 160 in den westlichen Bundesländern Tierhaltung die mit Abstand wich- Molkereien verarbeitet.6 Für den kommen derartige Betriebsgrößen tigste Nutzungsmöglichkeit. Der ländlichen Raum und insbesondere hingegen deutlich seltener vor. Tierbesatz auf Grünland ist regional für die Grünlandregionen ist die Grundsätzlich ist die Mutterkuh- unterschiedlich stark und von großer Milchwirtschaft deshalb nicht nur haltung jedoch durch eher kleinere Vielfalt geprägt. Wiesen und Wei- landschaftsprägend, sondern vor al- Herdengrößen charakterisiert. Bei den sind für die Haltung von Rau- lem in strukturschwachen Regionen dieser Haltungsform handelt es futterfressern (v. a. Rinder-, Schaf-, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. sich um eine eher extensive Form Ziegen-, Pferde- und landwirtschaft- der Grünlandbewirtschaftung. Die liche Wildhaltung) prädestiniert. Der Die Mutterkuhhaltung ist ein Be- Mutterkuhhaltung ist insbesondere Grünlandaufwuchs dient vor allem standteil der Rinderhaltung und auf jenen Standorten zu finden, die Wiederkäuern als Futtergrundla- sehr eng mit der Grünlandbewirt- für eine intensive Grünlandnutzung ge und bringt erst mittelbar für schaftung verbunden. Im Mai 2020 weniger geeignet sind, wie beispiels- die menschliche Ernährung einen betrug der Mutterkuhbestand in weise Hanglagen, niederschlags- Nutzen. Mit Ausnahme einer ener- Deutschland ca. 640.000 Mutterkü- arme Standorte oder qualitativ ge- getischen Verwendung über Biogas- he. Auch in der Mutterkuhhaltung ringwertige Böden. Die Mutterkuh- anlagen gibt es wirtschaftlich kaum gibt es regionale Unterschiede. haltung kann in hohem Maße zum attraktive Nutzungsalternativen. Die Milcherzeugung in Deutsch- land findet mit den dazugehörigen vor- und nachgelagerten Bereichen vor allem in den Grünlandregionen, also zum Beispiel im Alpenvorland, in den Mittelgebirgslagen oder in den Küstenregionen der Nord- und Ostsee, statt. Ende 2020 wurden in rund 57.300 landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt 3,92 Mio. Milch- kühe gehalten.5 Nach zuletzt aus der Landwirtschaftszählung 2010 vorliegenden Ergebnissen haben rund 40 Prozent der Milchkühe Weidezugang, mit großen regiona- len Unterschieden. Darüber hinaus werden auch Rinder während ihrer Aufzucht vielfach auf der Weide gehalten. Neben den Bedingungen der einzelnen Betriebe spielen auch die gegebenen Naturräume 9
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Natur-, Wasser- und Klimaschutz bei- Die Schaf- und Ziegenhaltung bil- der klein- wie auch großflächigen tragen und gleichzeitig die Biodiver- det mit der Grünlandnutzung eine Landschaftspflege wegen ihres sität und den Artenschutz fördern. untrennbare Einheit. Im Mai 2020 speziellen Tritts und ihres einzig- gab es in Deutschland rund 9.100 artigen Bissverhaltens eingesetzt. Die aus der Mutterkuhhaltung Schafhalter und ca. 1,58 Mio. Scha- Zur Pflege von bestimmten Grün- stammenden Absetzkälber gehen in fe,9 verteilt auf rund 60 verschiedene landbiotopen ist die Beweidung mit der Regel anschließend in die Rin- Fleisch-, Land- und Milchrassen. Schafen oder Ziegen unverzichtbar. dermast über. Im Mai 2020 wurden Auch gefährdete und vom Ausster- rund 950.000 Mastrinder (älter als ben bedrohte Rassen werden im Für die Pferdehaltung ist Grünland ein Jahr) gehalten.8 Auch die Struk- Bundesgebiet in der Koppel-, stand- ebenfalls die Hauptfuttergrundla- turen der Rindermast sind regional ortgebundenen Hüte- oder Wander- ge. Die Pferdehaltung ist häufig ein unterschiedlich. Die Mehrzahl der schafhaltung gehalten und tragen weiteres Einkommensstandbein in Mastrinder haltenden Betriebe be- so ebenfalls zur Artenvielfalt bei. In der Landwirtschaft. Gleichwohl gibt findet sich in Bayern, die meisten Deutschland gibt es lt. Bundesver- es auch Vollerwerbs-Pferdehaltung. Mastrinder befinden sich hingegen band der deutschen Ziegenzüchter Nach Schätzungen der Deutschen in Niedersachsen. Die Schwerpunkt- e. V. ca. 170.000 Ziegen, verteilt auf Reiterlichen Vereinigung (FN) gibt regionen in der Bullenmast sind, 20 Rassen, wovon 140.000 Ziegen in es in Deutschland ca. 1,3 Mio. Pfer- ähnlich wie in der Milchviehhaltung, ca. 9.800 landwirtschaftlichen Be- de.11 Es werden Dienstleistungen im Nord-Westen und Süd-Osten trieben gehalten werden.10 Hier sind wie in der Pensionspferdehaltung Deutschlands zu finden. Darüber ebenfalls Milch- bzw. Fleischrassen und beim therapeutischen Reiten hinaus ist die Rindermast durch bis hin zu gefährdeten und vom Aus- angeboten, die für die betroffene eine Vielzahl an klein strukturierten sterben bedrohte Rassen vertreten. Branche wie auch die diese Leistung Betrieben in den veredlungsstarken Sie werden auch im Rahmen von nutzenden Menschen unerlässlich Regionen und einigen wenigen grö- Agrar- und Umweltprogrammen sind. Diese Leistungen sind auch in ßeren Betrieben charakterisiert. im Küsten- und Erosionsschutz und engem Zusammenhang mit dem Er- holungswert der vom Grünland ge- prägten Kulturlandschaft zu sehen. Mit ca. 6.000 landwirtschaftlichen Wildhaltungen als Gehegewild wer- den hochgerechneta ca. 18.000 Hek- tar Grünlandflächen bewirtschaftet und genutzt.12 Die Grünlandbewirt- schaftung und Aufzucht der ver- schiedenen Wildarten wie Dam- und Rotwild, Sika- und Muffelwild sowie Bisons mit einer Besatzdichte von oftmals unter einer Großviehein- heit je Hektar sichern eine vielfäl- tige Grünlandflora und -fauna. 10
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 2.2 Grünland als Produktionsstandort Heimische Futterver- versorgung von Wiederkäuern und Grünland entspricht damit in viel- Pferden und mindert damit den Im- fältiger Weise den Zielen der na- sorgung als Beitrag zur portbedarf von Eiweißfuttermitteln. tionalen Eiweißpflanzenstrategie Ernährungssicherung So kann ein Hektar ertragreiches des BMEL, in der die Eiweißver- Landwirtschaftliche Nutztiere Grünland auf einem Gunststandort sorgung aus heimischer Produk- pflegen und erhalten Grünland in in Deutschland potenziell zwei Hek- tion priorisiert, die regionalen standortangepasster Vielfalt. Die tar Soja in den Sojaanbaugebieten Wertschöpfungsketten favorisiert Grünlandaufwüchse werden entwe- in Nord- und Südamerika ersetzen.13 und die multiplen Ökosystem- der durch Wiederkäuer und Pferde Ein Hektar ertragreiches Grünland leistungen durch Eiweißpflan- beweidet oder aber als Raufutter entspricht unter hiesigen Verhältnis- zen hervorgehoben werden. für die Stall- beziehungsweise sen dem Eiweißäquivalentb von 2,6 Winterfütterung genutzt. Die als Hektar Raps bzw. 2,1 Hektar Weizen. Futtergrundlage genutzten Grün- landflächen ermöglichen mittels Merkmal Soja (Übersee) Raps (heimisch) Weizen (heimisch) der Viehhaltung die Erzeugung von Fleisch, Milch und Wolle und leisten Eingesparte Anbau- demzufolge einen wichtigen Beitrag fläche bei Grünland- 1,9 2,6 2,1 zur Versorgung der Bevölkerung mehrschnittnutzung auf heimischer Basis. Damit stellt (in ha) das Grünland auch eine wichtige Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf Destatis 2020, FAO 2020, Bay. LfL 2020, DüV 2017 Erwerbs- und Einkommensquelle für die landwirtschaftlichen Tier- halter sowie deren Familien und Mitarbeiter dar. Grünlandbewirt- schaftung ist in Kombination mit der Tierhaltung aus Sicht der Ernäh- rungssicherung systemrelevant. Das Grünland leistet einen wichti- gen Beitrag zur heimischen Eiweiß- a lt. Bundesinformationszentrum Landwirt- schaft beträgt die durchschnittliche Gehe- gegröße ca. 3 Hektar (s. auch https://www. landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/ tierhaltung/fleisch-von-wildtieren-aus-ge- hegen-eine-alternative (16.02.2021)) b Ermittelt auf Basis der Rohproteinwerte. Vollständigkeitshalber muss darauf hin- gewiesen werden, dass die Bedeutung von Eiweißfuttermitteln nicht allein durch den quantitativen Umfang der Eiweißfraktion im Futtermittel definiert wird: Auch die qualitative Zusammensetzung der Protein- fraktion entscheidet über den Futterwert. 11
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Standortangepasste Flächen- Futterbau sind jedoch der Erhalt und zu gewährleisten, ist die Nutzung die futterwertorientierte Entwick- über einen ausreichenden Viehbe- nutzung des Grünlandes lung der Grünlandbestände wichtig. satz von erheblicher Bedeutung. Die Bewirtschaftung des Grünlan- des durch Viehhaltung ist auch Auf wirtschaftlich schwächeren In der Vergangenheit sind agrar- bei hoher Leistungsfähigkeit mit bzw. schwierig zu bewirtschaf- wissenschaftliche Forschungskapa- einem nachhaltigen Stoffkreislauf tenden Grenzstandorten, wie z. B. zitäten im Grünlandbereich weiter verbunden. Jedoch bleiben die in Mittelgebirgslagen, sind natur- abgebaut worden. Eine koordinierte Ertragspotenziale des Grünlandes schutzfachlich besonders wertvolle Forschung zum Grünland und des- zu einem großen Teil ungenutzt. Grünlandflächen von der Nutzung sen Entwicklung fehlt demzufolge Die Gründe dafür sind vielfältig, durch Raufutterfresser abhängig. in Deutschland. Erschwerend kom- wie z. B. nicht standortangepasste Dies gilt besonders für nichtme- men die nur gering und meistens Bewirtschaftungsauflagen in Form chanisierbare Flächen, deren Pfle- auch nur regional ausgeprägten von Düngebeschränkungen oder ge nur mit einem ausreichenden Beratungsstrukturen für Wissens- auch Auswirkungen des Klimawan- Tierbestand gewährleistet werden transfer und -implementierung dels sowie Extremwetterlagen. Aus kann. Bewirtschaftungsaufgaben in die Grünlandbetriebe hinzu. futterbaulicher Perspektive sind aufgrund der geringeren Wert- bspw. die Zunahme von Bei- bzw. schöpfung würden den Verlust einer Vermarktung und Ungräsern und Bei- bzw. Unkräutern grünlandspezifischen Biodiversität Wertschöpfung sowie ein verminderter Anteil hoch- und eine zunehmende Verbuschung Grünland ist für die Wiederkäuer- wertiger Futtergräser Kennzeichen sogar beschleunigen. Um den Er- und Pferdehaltung nicht nur Fut- dieser Entwicklung. Für einen zu- halt dieser Flächen für die gesell- tergrundlage, sondern in vielen kunftsorientierten und heimischen schaftlich erwünschten Leistungen Fällen auch die Haltungsumgebung der Nutztiere. In der Verbraucher- wahrnehmung ist insbesondere die Weidehaltung mit mehr Tierwohl und einem positiven Landschaftsbild verbunden. Auf diese Wahrnehmung setzen zahlreiche Vermarktungs- programme. Diese sind mit dem Ziel der Generierung einer höhe- ren Wertschöpfung verbunden. In der Vermarktung von Milch und Milchprodukten spielen heute so- wohl die Fütterung als auch die Haltungsbedingungen eine wichtige Rolle. Mehr als die Hälfte der ge- samten Fütterung in der Milchvieh- haltung besteht aus zumeist selbst erzeugtem Grundfutter mit einem je nach Standort variierenden Fut- teranteil aus Grünlandaufwuchs. Dadurch ist die Milchviehhaltung eher als andere Sektoren in der Lage, zum Beispiel auf eine Fütte- rung ohne gentechnisch veränderte 12
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Organismen (GVO) abzustellen. teleinzelhandel in einer größeren Wildfleisch aus der Region, häufig Mittlerweile werden gut zwei Drittel Region, wie z. B. dem Schwarzwald. mit landesspezifischem Label, bedie- der deutschen Rohmilch GVO-frei Auf der anderen Seite finden sich nen.18 Der Bereich ist eine etablierte erzeugt und entsprechend ver- Eigenmarkenprogramme des LEH, Marktnische, die den landwirtschaft- marktet.14 Vor dem Hintergrund der wie z. B. Eichenhof und Landprimus. lichen Betrieben ein wichtiges Ein- unterschiedlichen Wertschöpfungs- kommensstandbein sichert und zu- potenziale der Grünlandflächen ist Im Schaf- und Ziegensektor erfolgt sätzlich die Biodiversität fördert und in den letzten Jahren der Markt für die Vermarktung von Fleisch, Milch den ländlichen Tourismus anregt. weitere Produktdifferenzierungen und Wolle sowohl über die gewerb- (z. B. Heumilch, Weidemilch) ge- liche wie auch über die Direktver- Energetische Nutzung wachsen. Bezüglich der Haltungs- marktung im konventionellen und von Grünland bedingungen haben entsprechende ökologischen Produktionsbereich. Ergänzend zur tierischen Vered- Standards in der Milchviehhaltung Genutzt werden hier regionale und lung können Grünlandaufwüchse (noch) keine vergleichbare Markt- überregionale Vermarktungspro- über Biogasanlagen auch einer durchdringung erzielt. Größere gramme. Neben der Produktion, energetischen Verwertung zuge- Marktrelevanz hat in Deutschland der Verarbeitung und Vermarktung führt werden. Im Jahr 2018 nutzten das „Pro Weideland“-Label erreicht. als Nahrungsmittel überzeugt die rund 26 Prozent der Biogasanlagen Unter diesem Label werden lt. La- Schaf- und Ziegenhaltung durch ihre Grünlandaufwüchse als Substrate. belbetreiber derzeit 50 Prozent der vielfältigen Leistungen zur Land- Der Masseanteil der Grassilage deutschen Weidetrinkmilch erzeugt, schaftspflege und zum Küstenschutz. an NawaRo-Substraten lag 2016 verarbeitet und vermarktet.15 Bei bei etwa 12 Prozent.19 Auf Grund knapp vier Prozent lag im Jahr 2020 Die Pferdehaltung stellt einen des hohen Ligningehaltes von die Anlieferung von Biomilch an die nicht zu unterschätzenden Wirt- Grünlandaufwüchsen ist die ener- deutschen Molkereien, deren Erzeu- schaftszweig dar. Der Umsatz der getische Nutzung in Form von Ver- gung und Absatz in den vergange- deutschen Pferdewirtschaft liegt bei gärung aus wirtschaftlicher Sicht nen Jahren stetig gestiegen ist.16 geschätzten 6,7 Mrd. Euro. Darun- der Nutzung von Silomais deutlich ter fallen 39 Prozent des Umsatzes unterlegen. Das trifft vor allem für Auch in der Mutterkuhhaltung und (2,6 Mrd. Euro) auf den Bereich der Grünlandflächen auf schwierigen Rindermast spielen die Weide- bzw. Haltung von Pferden.17 Die mittels Bewirtschaftungsstandorten zu. Freilandhaltung sowie die wieder- Pferdehaltung vorgenommene käuergerechte Fütterung mit einem Grünlandnutzung stellt folglich ausreichenden Grundfutteranteil einen wichtigen Wirtschaftsfaktor eine wichtige Rolle, ganz besonders dar. Die Wertschöpfung verteilt im Hinblick auf die Tierwohlför- sich auf die Bereiche Zucht, Sport, derung. Vermarktungsprogramme therapeutisches Reiten und Pen- mit entsprechender Kennzeichnung sionspferdehaltung. Insbesondere tragen dazu bei, ein hohes Tierwohl- in der Pferdehaltung können auch niveau über höhere Erzeugerpreise weniger ertragreiche Grünland- zu unterstützen. In diesem Zusam- standorte genutzt werden, die da- menhang ist heute eine Vielzahl durch an Attraktivität gewinnen. von Siegeln am Markt zu finden. Auf der einen Seite stehen viele kleine, Im Bereich der landwirtschaft- lokal agierende Direktvermarkter lichen Wildhaltungen sind der wie z. B. „Galloway Gourmet Fleisch“. überwiegende Teil der rund 6.000 Zudem gibt es regionale Label, Gehegehalter Direktvermarktungs- beispielsweise „Bio-Weiderind“, mit betriebe, die über die Erzeuger-Ver- Distribution über den Lebensmit- braucher-Schiene ihre Kunden mit 13
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 2.3 Grünland als Kulturlandschaft Gesellschaftliche Bedeutung len Ausprägung Identität mit der je- qualität und wird von Erholungssu- Die kulturhistorische Leistung der weiligen Region. Grünland hat einen chenden für die zahlreichen Mög- Landwirtschaft liegt nicht nur in hohen landschaftskulturellen und lichkeiten der Freizeitgestaltung der Sicherstellung der Ernährung, ästhetischen Wert und bietet von in der Natur (Radfahren, Wandern, sondern auch in der Gestaltung von den Deichen der Nord- und Ostsee- Reiten, Wassersport) geschätzt. Kulturlandschaften in vielfältigster küste über die Einzugsbereiche gro- In alpinen Räumen trägt eine Ausprägung. Grünland ist in der ßer Binnenflüsse bis zu den Mittelge- standortangepasste Nutzung der öffentlichen Wahrnehmung eng birgen und Alpen einen vielfältigen Weideflächen darüber hinaus zur mit Natur und Umwelt verbunden Erholungsraum für die Bevölkerung. Verringerung der Gefahr von Lawi- und wird positiv wahrgenommen.20 Der Erholungswert einer Landschaft nen- und Murenabgängen bei und Grünlandregionen zählen zu den ist dabei eng mit seiner jeweiligen schützt dadurch die von den Men- wertvollen Kulturlandschaften Vielfalt und der Schönheit des schen bewohnten Tallagen. Zudem Deutschlands, tragen zu einer auf- Landschaftsbildes verknüpft. Eine schützt von Schafen beweidetes gelockerten, vielfältigen Landschaft abwechslungsreiche Landschaft Grünland in Küstenregionen (Deich- bei und stiften aufgrund ihrer loka- steigert die Erholungs- und Erlebnis- flächen und Deichvorland) und 14
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes entlang von Flussläufen durch den schaftlichen Wertschätzung der bote und generieren jährlich rund besonderen Tritt und Biss der Tiere Grünlandregionen bei. Als zusätzli- 15,4 Mio. Übernachtungen. Jeder vor Überflutungen und Hochwasser. che, alternative Einkommensquelle zweite Anbieter von Urlaub auf dem Der Küstenschutz durch Deiche und trägt der Tourismus zur Erhaltung Bauernhof erwirtschaftet mehr als das Deichvorland wird erst durch landwirtschaftlicher Betriebe im ein Viertel seines Gesamtumsat- das Grünland und dessen Bewei- Haupt- und Nebenerwerb bei und zes aus der Beherbergung, jeder dung mit Schafen sichergestellt. damit zur Sicherung gewachsener, Vierte sogar mehr als die Hälfte. agrarischer Landschaftsstrukturen. Etwa 4,5 Mio. Menschen machen Grünland und Tourismus Die Direktvermarktung landwirt- jedes Jahr in Deutschland Urlaub Viele Landschaftsräume, etwa im schaftlicher Erzeugnisse an Tages- auf dem Bauernhof und geben da- norddeutschen Tiefland, in den und Übernachtungsgäste sowie für knapp 900 Mio. Euro aus. Vor Mittelgebirgslagen oder im Voral- deren Veredlung in Gastronomie allem Tierhaltungsbetriebe mit penland, bestehen aus ausgedehn- und Lebensmittelhandwerk erhöhen Futterbau und Weidehaltung sind ten Grünlandregionen und stellen die regionale Wertschöpfung und überdurchschnittlich stark unter den aufgrund ihres Landschaftsbildes stärken die regionale Identität und agrotouristischen Anbietern vertre- wichtige Tourismusregionen dar. das Heimatgefühl. Knapp 10.000 ten. Über 50 Prozent der landtou- Der Tourismus ist hier ein wichti- landwirtschaftliche Betriebe bieten ristischen Anbieter sind Milchvieh- ger Wirtschaftsfaktor, sichert die bundesweit Urlaub auf dem Bau- betriebe, die die Nutztierhaltung Bleibeperspektiven der heimischen ernhof an. Diese Betriebe verfügen für die Gäste erlebbar machen.21 Bevölkerung und trägt zur gesell- über 138.000 Beherbergungsange- 15
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 2.4 Förderrechtlicher Rahmen für die Grünlandbewirtschaftung Nationaler GAP- schaftung. Dies gilt entsprechend Umwandlungseinschränkungen Strategieplan für die Regelungen in den Bundes- von Landwirtschaftsflächen in gesetzen, die ab 2023 gelten sollen. Feucht- und Moorgebieten (GLÖZ Der von der EU-Kommission für 2), beim Verbot des Umwandelns die künftige GAP geforderte Nati- Konditionalität und und Umpflügens von Dauergrün- onale GAP-Strategieplan umfasst Maßnahmen der 1. und 2. Säule. Eco-Schemes landflächen in als „umweltsensibel“ Die neue Grüne Architektur der GAP eingestuften Gebieten (GLÖZ 10) Ausgangspunkt ist eine SWOT-Ana- besteht aus Auflagen im Rahmen und bei der Verpflichtung zur Be- lyse (Stärken-Schwächen-Chan- der „Konditionalität“, einjährigen reitstellung sogenannter „nicht-pro- cen-Risiken-Analyse). Auf der freiwilligen Eco-Schemes-Maßnah- duktiver Flächen“ (GLÖZ 9). SWOT-Analyse bauen die Analyse der Bedarfe und die zu ergreifen- men (1. Säule) sowie mehrjährigen Dauergrünlanderhalt den Maßnahmen (Interventionen) Agrarumwelt- und Klimamaßnah- Flächen, die durch Einsaat oder auf auf. Bei der Ausarbeitung des men (2. Säule). Auflagen der „Kondi- natürliche Weise (Selbstaussaat) deutschen Nationalen GAP-Stra- tionalität“ betreffen die Grünland- zum Anbau von Gras oder anderen tegieplans sind Bund und Länder bewirtschaftung beim Erhalt von Grünfutterpflanzen genutzt werden gefordert, die richtigen Weichen zu Dauergrünlandflächen im Verhältnis und seit mindestens fünf Jahren stellen, insbesondere hinsichtlich zur Landwirtschaftsfläche (GLÖZ 1), weder Bestandteil der Fruchtfolge der Belange der Grünlandbewirt- bei Bewirtschaftungs-, Pflege- und des landwirtschaftlichen Betriebes sind noch gepflügt wurden, erlangen den Status „Dauergrünland“.22 Durch diese starre 5-Jahres-Regelung sind Landwirte gezwungen, Flächen unter Einsatz des Pfluges aus rein bürokratischen Gründen sowie zur Vermeidung von Fristabläufen und Haftungsrisiken umzubrechen, um den Ackerstatus zu erhalten und einen Wertverlust der Flächen zu verhindern. In vielen Grünlandre- gionen Deutschlands besteht ein hoher Anteil an Pachtflächen. Mit Pachtflächen ist aber die Verpflich- tung für den bewirtschaftenden Landwirt verbunden, am Ende der Pachtdauer die gepachteten Flä- chen mit dem Status zurückzuge- ben, wie er diese vom Eigentümer ursprünglich übernommen hat. Bei Eigentumsflächen können derartige Auflagen zu einer Entwertung des Vermögens führen und vermindern 16
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes dadurch die Beleihungsbasis für die Agrarumweltmaßnahmen Betriebsprämien und Cross- Finanzierung notwendiger existenz- Nach Ergebnissen der Agrarstruk- Compliance-Auflagen sichernder Zukunftsinvestitionen. Erschwerend kommen bürokratisch turerhebung 2016 nehmen 110.000 Der Aufwand für die Einhaltung aufwendige Genehmigungsver- landwirtschaftliche Betriebe, das der Cross-Compliance-Auflagen fahren für die Umwandlung von entspricht 40 Prozent aller Betrie- (CC-Auflagen) hat sich für Land- Dauergrünlandflächen hinzu. be, freiwillig an Agrarumwelt- und wirte in den letzten Jahren immer Klimaschutzmaßnahmen teil. Auf weiter erhöht. Überzogene Genau- Ausgleichszulage etwa 4,4 Mio. Hektar wirtschaften igkeitsvorgaben sind besonders Rund 260 Mio. Euro Ausgleichszu- diese Betriebe besonders umwelt- auf Grünland und seinen vielen lage werden jährlich zur Förderung und klimaschonend und/oder för- Landschaftselementen weder praxis- der von der Natur benachteiligten dern die Biodiversität. Für dadurch gerecht noch praktikabel. Daneben Gebiete eingesetzt, weit überwie- entstehende höhere Kosten und/ belastet das CC-Frühwarnsystem gend für Grünlandstandorte. Die oder niedrigere Erträge zahlten Tierhalter und damit vorwiegend Bedeutung der Ausgleichszulage EU, Bund und Länder in 2019 mehr wieder Grünlandbewirtschafter als Ausgleich für natürliche Be- als 900 Mio. Euro. Darunter fällt über Gebühr. Die Vorgaben zur Tier- nachteiligungen und zum Erhalt der auch der Öko-Landbau mit den kennzeichnung und -registrierung flächendeckenden Grünlandbewirt- Umstellungs- und Beibehaltungs- sind wichtig und richtig, stehen aber schaftung nimmt weiter zu. In Mittel- prämien, wofür EU, Bund und Län- in keinem sachlichen Zusammen- gebirgslagen, alpinen Bergregionen, der 330 Mio. Euro aufbrachten.23 hang mit den Flächenprämien. Mooren, Küstengebieten und auf anderen schwierig zu bewirtschaf- tenden Grünlandstandorten stellt sich immer mehr die Herausforde- rung, einen ausreichenden Viehbe- satz zu halten, um Nährstoffkreis- läufe zu schließen, Grünlandflächen durch sinnvolle Nutzung zu erhalten sowie der Verbuschung und natür- lichen Sukzession vorzubeugen. Agrarinvestitionsförderung Das in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) verankerte Agrarinvestitions- förderprogramm (AFP) hat in den letzten Jahren auf Grund hoher kos- tenträchtiger Anforderungen erheb- lich an Attraktivität verloren. Grund sind vor allem hohe Investitionsauf- lagen sowie bürokratische und kom- plexe Fördervoraussetzungen. Die Investitionsförderung ist besonders in Grünlandgebieten ein wichtiges Instrument, die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit von Futterbau- betrieben sicherstellen zu helfen. 17
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 3. Grünland und Umwelt Neben der wirtschaftlichen Be- 3.1 Klima im Grünland aufgrund der intensiven deutung für die Landwirtschaft Durchwurzelung und dauerhaften hat das Grünland auch für die Pflanzenbedeckung im Durchschnitt Umwelt große Bedeutung, die 135 Tonnen je Hektar. Davon be- weiter wächst. Der Erhalt und die Klimaschutz in den Böden finden sich wiederum 88 Tonnen je wirtschaftliche Nutzung des Grün- Für das Klima erfüllt das Grünland Hektar in den obersten 30 Zentime- landes ist damit Grundlage und eine wichtige Funktion, indem es tern der mineralischen Grünland- Voraussetzung einer Reihe wichtiger effektiv das Treibhausgas CO2 in böden. Unter den drei Hauptland- Umweltfunktionen und Ökosystem- Böden in Form von Humus speichert nutzungsformen in Deutschland dienstleistungen. Dabei ergeben und damit von der Atmosphäre und – Wald, Acker, Grünland – stellt das sich aber auch Zielkonflikte, wie der Treibhauswirkung fernhält. Wäh- Grünland damit den größten Kli- z. B. zwischen der Beibehaltung rend in mineralischen Ackerböden maschutzbeitrag pro Hektar durch und Förderung der Weidehaltung in Deutschland im Schnitt 96 Tonnen CO2-Speicherung in Humus dar.25 und der gleichzeitig unkontrol- organischer Kohlenstoff je Hektar lierten Ausbreitung von großen gespeichert werden und in Waldbö- Beutegreifern, wie z. B. Wölfen. den 119 Tonnen je Hektar, sind es 18
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes Produktive Grünlandnutzung Degradierung, was besonders im Atmosphäre mit Sauerstoff zu CO2 globalen Kontext einen großen Bei- und Wasser Teil des natürlichen Durch die Bewirtschaftung und den trag zum Klimaschutz leisten kann.27 CO2-Kreislaufes. Dadurch beträgt damit verbundenen produktiven die Halbwertszeit von Methan in der Erhalt von Grünland wird per se Der natürliche CO2- Atmosphäre nur etwa zwölf Jahre das Klima geschützt. Einen mög- Methan-Kreislauf und wird nach seiner Zersetzung lichst großen Klimaschutzbeitrag Während das Grünland selbst CO2 erneut von Pflanzen als CO2 für je Fläche kann Grünland bei einer möglichst ertragreichen Nutzung in Form von Humus gebunden hält, die Photosynthese genutzt. Dabei mit hoher Biomasseproduktion und erfordert sein aus Umweltsicht spielt es für die Methanentstehung Futterwertigkeit liefern. Gleichzei- sinnvoller Erhalt die wirtschaftliche grundsätzlich keine Rolle, ob das tig ist damit bei global begrenzten Verwertung des Aufwuchses durch Grünland von wilden Wiederkäuern Flächen eine effiziente Nahrungs- Wiederkäuer. Durch die Pansenpro- (z. B. Büffel, Hirsche, Wildrinder wie mittelproduktion verbunden, die den zesse der Wiederkäuer während Gnus) oder von Nutztieren (Rinder, weltweiten Flächendruck mindert. der Verdauung wird das kurzlebige Schafe, Ziegen) verwertet wird.28 Global stellt das Grünland 70 Pro- Treibhausgas Methan frei. Grund- Mit der erneuten Speicherung von zent der Landwirtschaftsfläche26, sätzlich gilt dabei die Faustregel, je CO2 im Grünlandaufwuchs ist der deren Nutzung im Wesentlichen faserreicher und schwerverdauli- Kreislauf geschlossen. Der Tempe- durch Raufutterfresser erfolgt. Zu- cher das Futter, desto mehr Methan ratureffekt von biogenem Methan dem sichert ein gutes Grünland- und entsteht während der Verdauung. kann damit nicht mit den CO2-Emis- Weidemanagement die Flächen vor Das hierbei entstehende Methan sionen aus der Verbrennung fossiler Übernutzung, Humusverlust und ist aufgrund seiner Oxidation in der Energieträger gleichgesetzt werden 19
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes und muss entsprechend in der Kli- die Auswirkungen des Klimawandels ausgeht; besonders beim Jakobs- mabilanz berücksichtigt werden.29 damit zu einer Verschiebung der kreuzkraut, welches die Nutzung Der klimapolitische Stellenwert der Artenzusammensetzung des Grün- des Grünlandes als Futterreserve Haltung von Wiederkäuern fällt ge- landes führen. Ertragsrückgänge und für den Winter erschwert bzw. teil- genüber bisherigen Erkenntnissen Qualitätseinbußen bedeuten für die weise ganz unmöglich macht. somit wesentlich positiver aus. Betriebe Einbußen bei ihrer Futter- Eine konsequente Unterdrückung grundlage. Dazu kommen steigende durch regelmäßige Mahd, standort- Folgen des Klimawandels Kosten der Futterbeschaffung, da gerechte Düngung und bei Bedarf Die Veränderungen des Klimas zei- für die Einbringung der geringeren durch Umbruch mit Neuansaat so- gen direkte Auswirkungen auf das Futtermenge der gleiche Aufwand wie den gezielten Einsatz von Pflan- Grünland selbst. Der CO2-Düngeef- betrieben bzw. Futter aus anderen zenschutzmitteln zur Vermeidung fekt führt zu einem stärkeren Wachs- Regionen zugekauft werden muss. des Eintrags bzw. der Vermehrung tum, aber unter Umständen auch Eine wichtige Erkenntnis der letzten von Jakobskreuzkraut ist notwendig. schlechteren Qualitäten.30 Eine Ver- durch starke Trockenheit geprägten Auch eine Mehrschnittnutzung kann längerung der Vegetationsperiode Jahre auf dem Grünland ist, dass die zur Erhaltung der Qualität beitragen. wirkt sich grundsätzlich positiv auf für Weidetiere giftigen Pflanzen, wie das Wachstum des Grünlandes aus. z. B. Jakobskreuzkraut oder Herbst- Jedoch wird das Wachstum durch zeitlose, zunehmen, aber auch die Zunahme von regionaler Früh- invasive Pflanzen wie die Herkules- jahrs- und Sommertrockenheit, Spät- staude vermehrt auftreten. Flächen, frösten, Starkregenereignissen und die im kommunalen Besitz sind, Hitzetagen negativ beeinflusst.31 Das wie z. B. Bauplätze oder Freiflächen bedeutet starken abiotischen Stress in Gewerbegebieten, sind zuneh- für die Grünlandpflanzenbestände mend problematisch, da von diesen mit geringeren Erträgen oder gar Flächen ein starker Befallsdruck Ertragsausfällen. Insgesamt können auf benachbarte Grünlandflächen 20
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 3.2 Moornutzung Bedeutung landwirtschaft- Nutzflächen gleichzeitig für die Anhebung der Wasserstände zu angrenzenden landwirtschaftlichen reduzieren. Auf Moorstandorten lich genutzter Moorflächen Hofstellen mit ihren Gebäuden so- kann eine Grünlandnutzung höhere In Deutschland wird die Fläche land- wie Siedlungs- und Gewerbeflächen Grundwasserstände bei entspre- wirtschaftlich genutzter Moore auf unverzichtbar. Die Urbarmachung chendem Wasserstandsmanagement 1,3 Mio. Hektar, also rund 8 Prozent von Mooren stellt eine große Kul- als eine ackerbauliche Nutzung tole- der gesamten landwirtschaftlich turleistung vorheriger Generationen rieren, setzt jedoch eine wirtschaft- genutzten Flächen, geschätzt32, wo- dar, die mit erheblichen Anstren- liche Verwertung des Aufwuchses von rund drei Viertel als Grünland gungen verbunden war. Dadurch durch Raufutterfresser voraus. genutzt werden. Der Großteil der konnten neue Flächen zur Lebens- Eine aus Natur- und Klimaschutz- landwirtschaftlichen Moorflächen mittelerzeugung gewonnen und sicht verfolgte Wiedervernässung befindet sich in der Norddeutschen so eine wachsende Bevölkerung ist für die Landwirtschaft nicht Tiefebene, in Nordostdeutschland, versorgt werden. Jedoch tragen akzeptabel und kann durch die aber auch in den südlichen Teilen entwässerte landwirtschaftliche Nutzungsaufgabe oder bei Über- von Bayern und Baden-Württem- Flächen auf Moorstandorten durch stauung auch kontraproduktiv berg. Die Grünlandnutzung als Fut- die Zersetzung der organischen Bo- für den Klimaschutz sein. Zudem tergrundlage – hauptsächlich für die densubstanz zum CO2-Ausstoß bei. sind eine Wertminderung der Flä- Milchviehhaltung – stellt dort zum chen und Gebäude sowie eine Teil einen wichtigen Wirtschafts- Moorschutz Minderung der landwirtschaftli- faktor dar. Zudem sind in vielen Ziel der Politik ist es, die CO2-Emis- chen Wertschöpfung die Folge. Moorgebieten die Entwässerungs- sionen aus landwirtschaftlich systeme der landwirtschaftlichen genutzten Moorböden durch eine 21
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes 3.3 Biodiversität von FFH-Wiesen einen statischen Ansatz. Eine standortgenaue Fest- legung der Erhaltungsziele ist je- doch aufgrund sich verändernder externer Rahmenbedingungen Grünland hat in seinen vielen ver- Vertragsnaturschutz- und (Klimawandel, Strukturwandel, in- schiedenen Ausprägungen für die vasive Arten etc.) nicht zielführend Agrarumweltprogramme Strukturvielfalt der Landschaft und und wenig erfolgversprechend. damit auch für die Biodiversität ei- als Voraussetzung für den nen hohen Stellenwert. Die Ansied- Erhalt von HNV-Grünland Besonders naturschutzfachlich lung vieler heute heimischer Arten Je nach Nutzungsform, Standort, wertvolle Grünlandflächen erhal- mit hohem Naturschutzwert erfolgte Boden- und Klimaverhältnissen ten und nutzen die Landwirte in als Kulturfolger der Landwirtschaft, unterscheidet sich die Bedeutung Kooperation mit dem Naturschutz die im Zuge der Urbarmachung der des Grünlandes für den Natur- und sowie über Agrarumweltprogramme, Landschaften und der Verbreitung Artenschutz. Laut Bundesamt für Vertragsnaturschutz und weitere von Viehhaltung und Ackerbau nach Naturschutz sind Stand 2017 5,2 Förderinitiativen. Bestrebungen, Deutschland eingewandert sind.33 Prozent der Landwirtschaftsfläche die Liste der gesetzlich geschützten Von den heimischen Farn- und Blü- als High-Nature-Value (HNV) Grün- Biotope um artenreiches Grünland tenpflanzen haben mehr als ein Drit- land anzusehen.35 Damit werden von und Streuobstwiesen zu erweitern tel der Arten ihre Hauptvorkommen Seiten des Naturschutzes knapp 1,02 und damit diese Flächen per Gesetz im Grünland.34 Auch für Insekten, Mio. Hektar als Grünland mit einem und pauschal unter Schutz zu stel- Kleinstlebewesen und Wirbeltiere besonders hohen Naturschutzwert len, ohne dessen Pflege finanziell zu (Wiesenbrüter, Niederwild) stellt angesehen, was rund einem Fünftel honorieren, gefährden die landwirt- Grünland wertvolle Nahrungs-, der Grünlandfläche entspricht. schaftliche Nutzbarkeit und damit Rückzugs- und Lebensräume bereit. Deutschland verfolgt zum Erhalt den Erhalt dieser Flächen. Diejeni- gen Landwirte, die seit Jahrzehnten diese Flächen pflegen und damit einen Beitrag zum Naturschutz leisten, dürfen nicht bestraft wer- den. Ohne Förderung drohen diese Flächen aus der Nutzung zu fallen. Weidetierhaltung und Wolf Das exponentielle Wachstum der Wolfspopulation in Deutschland um jährlich rund 30 Prozent36 stellt die Haltung von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und Wild auf der Weide vor existenzielle Herausfor- derungen – bei aktuell geschätzt bereits 1.300 – 1.800 Einzeltieren in der Wolfspopulation37. Eine „wolfssi- chere“ Einzäunung großer Grünland- regionen, von Deichen und Niede- rungsgebieten mit Grabensystemen sowie von Mittelgebirgen und Almen ist weder praktisch durchführbar 22
Grünlandagenda des Deutschen Bauernverbandes noch naturschutzgerecht. Die Ein- der Landwirtschaft, durch die zum geschädigt. Die Schäden entstehen zäunung der Landschaft mit umfang- Teil sogar der wirtschaftliche Fort- durch das Umbrechen der Grünland- reichen und hohen Zaunsystemen bestand der landwirtschaftlichen narbe durch Wildschweine, aber widerspricht den Anforderungen des Betriebe in den betroffenen Regi- auch durch massive Trittschäden Tourismus, dem Erhalt der Kultur- onen in Frage gestellt sein kann.38 großer Rot- und Muffelwildherden landschaft und dem Grundgedanken Die bisherigen Instrumente und sowie durch das Abfressen (Äsung) einer Biotopvernetzung im Sinne des verfolgten Prioritäten, dem Arten- des Grünlandbestandes. Dadurch Arten- und Landschaftsschutzes. schutz und der landwirtschaftlichen wird die Futtergrundlage der land- Zudem gibt es eine Vielzahl an Re- Nutzbarkeit gerecht zu werden und wirtschaftlichen Betriebe verringert, gionen, in denen eine dauerhafte für die betroffenen Landwirte eine verschmutzt und zum Überträger Ansiedlung eines Wolfsrudels zu befriedigende Lösung zu schaffen, von Krankheiten sowie teilweise unauflöslichen Konflikten mit ande- können weitgehend als gescheitert sogar komplett unbrauchbar. Auch ren Zielen führt, zum Beispiel der angesehen werden. Der Ansatz von wenn der Wildschaden den Landwir- Deichsicherheit oder dem Erhalt der Vertragsnaturschutzangeboten ten durch die Jagdgenossenschaft, Almwirtschaft, und in denen Präven- in festgelegten Gebietskulissen die diesen Schaden privatrechtlich tionsmaßnahmen nicht umsetzbar löst diese Problematik nicht. an den Jagdpächter übertragen sind bzw. die nicht flächendeckend kann, auszugleichen ist, kann der wolfsabweisend eingezäunt werden Schäden durch Wild- Schaden für die Grünlandnarbe können. Ein mehrmonatiges Abwar- tiere im Grünland enorm sein und eine komplette ten nach wiederholten Angriffen Vor allem in grünlandreichen Mit- kostenintensive Neuanlage des bis zur Wolfsentnahme ist für Tier- telgebirgsregionen wird Grünland Grünlandes notwendig machen. halter auch mit Blick auf Risiken im durch insgesamt zu hohe Populatio- Oft ist auch die Futtergrundlage Herdenverhalten nicht zumutbar. nen und in großen Rudeln auftreten- für Tierhaltungsbetriebe über des Schwarz-, Rot- und Muffelwild mehrere Jahre beeinträchtigt. Grünlandnutzung und strenger Artenschutz Neben den aus Artenschutzgründen erwünschten und landwirtschaftlich unproblematischen Arten verursa- chen zunehmend auch besonders geschützte Tierarten Probleme bei der Nutzung des Grünlandes. Die in manchen Regionen exponentiell ansteigenden Populationen an nor- dischen und heimischen Wildgänsen werden von Naturliebhabern als beeindruckendes Naturschau- spiel wahrgenommen, wie z. B. an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins sowie weiteren Regionen im Binnenland. Für die betroffenen Landwirte haben die Gänsebestände ein Ausmaß ange- nommen, das in diesem Umfang nicht mehr hinnehmbar ist. Die Gänsepopulationen führen zuneh- mend zu unzumutbaren Schäden in 23
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