ARTIKEL 17 DER URHEBERRECHTS-RICHTLINIE 2019/790 - EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG

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ARTIKEL 17 DER URHEBERRECHTS-RICHTLINIE 2019/790 - EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG
Eingereicht von
                                        Markus Sikora

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Europarecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin

ARTIKEL 17 DER                          Assoz. Univ.-Prof. Dr.
                                        Franz Leidenmühler

URHEBERRECHTS-                          Oktober 2019

RICHTLINIE 2019/790
EINE KRITISCHE
AUSEINANDERSETZUNG

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 15.10.2019

Ort, Datum

Unterschrift

14. Oktober 2019                                                                              2/41
ARTIKEL 17 DER URHEBERRECHTS-RICHTLINIE 2019/790 - EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG
ARTIKEL 17 DER URHEBERRECHTS-RICHTLINIE 2019/790
EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG

Inhaltsverzeichnis

I.    Der Weg zu Artikel 17 ............................................................................................................ 5
      A.     Digitalisierung als Herausforderung für das Urheberrecht .............................................. 5
      B.     Urheberrechtsreform als Richtlinie .................................................................................. 6
           1.      Allgemeines zur Richtlinie ........................................................................................... 6
           2.      Ordentliches Gesetzgebungsverfahren ...................................................................... 7
      C.     Kritik an Artikel 17 ........................................................................................................... 9
           1.      Breite Gesellschaftliche Bewegung in Deutschland ................................................. 10
           2.      Standpunkt österreichischer Parteien ....................................................................... 12
      D.     Vergleichbare Regelungen am Beispiel der Fair-Use Doktrin in den USA ................... 13
II.   Inhaltliche Analyse von Artikel 17 ......................................................................................... 14
      A.     Abs 1 ............................................................................................................................. 14
      B.     Abs 2 ............................................................................................................................. 16
      C.     Abs 3 ............................................................................................................................. 16
      D.     Abs 4 iVm Abs 5............................................................................................................ 17
      E.     Abs 6 ............................................................................................................................. 21
      F.     Abs 7 ............................................................................................................................. 22
      G. Abs 8 ............................................................................................................................. 22
      H.     Abs 9 ............................................................................................................................. 23
      I.     Abs 10 ........................................................................................................................... 25
III. Artikel 17 in der Praxis ......................................................................................................... 25
      A.     Zur Erfüllbarkeit der Richtlinien-Anforderungen durch Upload-Filter ............................ 27
      B.     Zur (Un-) Vermeidbarkeit von Upload-Filtern ................................................................ 29
      C.     Artikel 17 und Meinungsfreiheit ..................................................................................... 30
      D.     Artikel 17 und Erwerbsfreiheit ....................................................................................... 32
IV. Nichtigkeitsklage des Mitgliedstaates Polen beim EuGH gegen Artikel 17 .......................... 33
      A.     Erfolgsaussichten auf Basis der Rechtsprechung des EuGH ....................................... 34
V.    Fazit ...................................................................................................................................... 35
VI. Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 37

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Gender Erklärung

Um eine leichtere Lesbarkeit zu gewährleisten, wird in der vorliegenden Diplomarbeit auf
geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Sämtliche personenbezogene
Bezeichnungen sind als geschlechtsneutral zu verstehen.

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I. Der Weg zu Artikel 17

A. Digitalisierung als Herausforderung für das Urheberrecht

Bevor sich diese Arbeit explizit Artikel 17 zuwendet, lohnt ein Blick in die Historie des
Urheberrechts - wieso existiert es und warum stellen sich vor dem Hintergrund der Digitalisierung
neue Herausforderungen?

Das uns bekannte Urheberrecht geht auf die Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15.
Jahrhunderts zurück. Dadurch wurde es für jedermann möglich, bereits am Markt befindliche
Bücher eigenhändig nachzudrucken, um es in Folge günstiger zu veräußern als das Original. Dem
Problem wurde seitens der damaligen Regierung(en) schnell begegnet, indem man
ausschließliche         Druckrechte        vergab.      Obwohl       man       somit      damals   schon      der
Urheberrechtsproblematik begegnete, dauerte es im deutschsprachigen Raum noch bis in das
frühe 19. Jahrhundert, bis die ersten Urheberrechtsgesetze beschlossen wurden. Schneller
vollzog sich die Entwicklung in England (erstes Gesetz 1709), den USA (1790) und Frankreich
(1791-1793). 1

Mit der Gründung der Europäischen Union gingen auch die Bemühungen einher, das
Urheberrecht unionsweit zu harmonisieren. Die letzte Reform dazu datiert aus dem Jahr 2001 2,
und somit aus der Frühzeit des Internets. Seitdem hat die Digitalisierung immer mehr an Dynamik
gewonnen und Plattformen wie Facebook (2004), YouTube (2005), Twitter (2006), Instagram
(2010), Snapchat (2011) udgl hervorgebracht. Man konnte sich 2001 noch schwer vorstellen,
welch enormen Datenverkehr diese Plattformen verursachen würden. Wenn man möchte, lässt
sich eine gewisse Analogie zur Erfindung des Buchdruckes erkennen (Informationsverbreitung),
wenn auch in weit größerem quantitativem und qualitativem (funktionaler Reichtum der
Plattformen; Hebelwirkungen) Ausmaß. Wurde es damals der breiten Masse möglich,
Schriftwerke beliebig zu vervielfältigen und zu teilen (natürlich örtlich begrenzt), so ist es der
breiten Masse heute möglich, alle möglichen Datentypen                           wie Fotos, Videos, eBooks,
Datensammlungen usw in Sekundenschnelle weltweit zu verbreiten, sowohl strukturiert als auch
unstrukturiert. Dieser Umstand macht es denkbar schwierig, einen angemessenen Schutz vor

1
    Vgl Gehring, Djordjevic: Geschichte des Urheberrechts, in: bhp.de, 01.10.2013, URL:
https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/urheberrecht/169977/geschichte-des-urheberrechts, Abruf am
30.08.2019.
2
    Vgl 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter
Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl 2001 L 167, 10.

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Urheberrechtsverletzungen zu gewährleisten. Mit der neuen Urheberrechtsreform stellt die
Europäische Union den Anspruch, ein geeignetes Mittel dafür gefunden zu haben. 3

B. Urheberrechtsreform als Richtlinie

1. Allgemeines zur Richtlinie

Wie schon 2001, wurde auch die aktuelle Urheberrechtsreform als Richtlinie beschlossen. Für das
weitere Verständnis ist es nützlich, zunächst auf die Eigenschaften einer Richtlinie einzugehen.
Art 288 AEUV definiert die Richtlinie als eine von fünf möglichen Rechtssatzformen (die anderen
sind Verordnung, Beschluss, Empfehlung und Stellungnahme). Während die Verordnung
unmittelbare Anwendung findet und salopp formuliert eins zu eins in die Rechtsordnung der
Mitgliedsstaaten einfließt, bedarf es bei Richtlinien der Umsetzung in nationales Recht. 4 Art 288
AEUV dazu: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des
zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form
und der Mittel.“
Unionsbürgern ist es demnach grundsätzlich nicht möglich, sich auf die Richtlinie zu berufen,
Adressat ist alleine der Mitgliedstaat. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes entwickelte der EuGH
in der Rechtssache Becker 5, die er in weiteren Entscheidungen (zB in Rs Ratti 6, Rs Faccini Dori
7
    ) stets präzisierte. Mangels Relevanz für diese Arbeit wird im Folgenden nicht näher auf diese
Rechtsfortbildung des EuGH eingegangen.

Den      Mitgliedstaaten    wird    also    bei    der    Umsetzung       der    Richtlinie    ein    gewisser
Gestaltungsspielraum eingeräumt. Somit kann man davon ausgehen, dass das Urheberrecht
innerhalb der Europäischen Union auch nach angesprochener Reform nicht uniform geregelt sein
wird. Fraglich ist sohin, weshalb man sich nicht für eine Verordnung entschieden hat.

Dem Vorschlag der Kommission vom 14.09.2016 für die arbeitsgegenständliche Richtlinie ist zu
entnehmen, dass sie eine Verordnung nicht für notwendig erachtet, da bereits „Ausnahmen und
Beschränkungen von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten auf EU-Ebene harmonisiert
sind [und dadurch] der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten für die Schaffung oder Anpassung

3
  Vgl Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das
Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG
und 2001/29/EG, ABl 2019 L 130, 92.
4
  Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 52.
5
  Vgl EuGH 19.01.1982 Rs C-8/81, Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt, ECLI:EU:C:1982:7.
6
  Vgl EuGH 05.04.1979 Rs C-148/78 Strafverfahren gegen Tullio Ratti, ECLI:EU:C:1979:110
7
  Vgl EuGH 10.07.1994 Rs C-91/92, Paola Faccini/Recreb Srl, ECLI:EU:C:1994:292
14. Oktober 2019                                                                                             6/41
8
solcher Rechte begrenzt ist“.              Dies würde auch dafür sprechen, dass der Erlass einer
Urheberrechtsreform in Form einer Verordnung nicht dem Subsidiaritätsgrundsatz (Art 5 Abs 3
EUV) entsprechen könnte.

Schließlich ist gem Art 296 AEUV bei Auswahl der Rechtssatzform der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (Art 5 Abs 4 EUV) zu beachten. Die Kommission sieht diesen in ihrem
Gesetzesvorschlag als gewahrt an, wenn sie dazu ausführt: „Der Vorschlag geht nicht über das
hinaus, was für die Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist, lässt den Mitgliedstaaten
genügend Raum für Entscheidungen über die Einzelheiten dieser Mechanismen und ist nicht mit
unverhältnismäßigen Kosten verbunden. […] Der Vorschlag entspricht dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, da er nur Presseveröffentlichungen und digitale Verwendungszwecke
abdeckt. […] Die Wahl der Richtlinie als Instrument ist daher angemessen.“ 9

2. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren

Wie jede Richtlinie musste auch die aktuelle Urheberrechtsrichtlinie das ordentliche
Gesetzgebungsverfahren gem Art 297 AEUV durchlaufen. Im Regelfall wird dieses durch einen
Gesetzgebungsvorschlag der Kommission eröffnet. Dieser Vorschlag wird gem Art 4 Protokoll Nr.
2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gleichzeitig
an den Unionsgesetzgeber (Europäisches Parlament plus Rat) und alle nationalen Parlamente
(sowie ggf an den Ausschuss der Regionen und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss)
weitergeleitet. In der Folge benennt das Europäische Parlament einen Berichterstatter, der mit der
Ausarbeitung eines Berichtsentwurfs betraut wird. Darin kann er Änderungen am Vorschlag der
Kommission vornehmen. Erst bei Vorliegen des Berichtsentwurfs stimmt das Parlament auf
dessen Grundlage über den (womöglich geänderten) Gesetzesvorschlag in erster Lesung ab und
reicht das Ergebnis dem Rat weiter. Der Rat kann dem Vorschlag des Parlaments zustimmen oder
selbst Änderungen daran vornehmen. Werden Änderungen vorgenommen, so wird der
angepasste Vorschlag wiederum an das Parlament gereicht, das daraufhin eine zweite Lesung
veranlasst. Art 294 AEUV sieht bei abermaliger Nichteinigung zwischen Parlament und Rat noch
eine dritte Lesung der beiden Institutionen vor. Wenn auch diese zu keinem Ergebnis führen, so
ist das Verfahren abgebrochen und es muss ein neues initiiert werden. Bei Einigung wird der
Gesetzesvorschlag in einem letzten Schritt von den Präsidenten und Generalsekretären der
beiden Organe unterzeichnet und daraufhin im Amtsblatt veröffentlicht. 10

8
   Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen
Binnenmarkt vom 14.09.2016, COM/2016/0593 final - 2016/0280 (COD).
9
  Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen
Binnenmarkt vom 14.09.2016, COM/2016/0593 final - 2016/0280 (COD).
10
   Vgl Europäisches Parlament: Ordentliches Gesetzgebungsverfahren, in: europarl.europa.eu, oD, URL:
http://www.europarl.europa.eu/external/html/legislativeprocedure/default_de.htm, Abruf am 30.08.2019.
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Das konkrete Gesetzgebungsverfahren bzgl der neuen Urheberrechtsrichtlinie wurde durch den
Vorschlag der Kommission vom 14.09.2016 eröffnet. Begründet wurde der Vorschlag ua damit,
dass „Digitaltechniken zu Veränderungen bei der Schaffung, der Herstellung, der Verbreitung und
der Verwertung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen geführt [haben].“ Dies habe die
Entstehung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht, die dem Internet als Trägermedium der
Verbreitung zu immer höherer Relevanz verholfen haben. Da das Internet naturgemäß keinen
Halt vor den nationalen Grenzen macht, seien Maßnahmen auf nationaler Ebene nicht
ausreichend. Wie schon in Kapitel 1.2. ausgeführt, hat man sich daher für die Rechtssatzform der
Richtlinie entschieden. Als Rechtsgrundlage nennt die Kommission Art 114 iVm Art 294 Abs 2
AEUV, da die angedachten Maßnahmen die Schaffung und das Funktionieren des Binnenmarkts
zum Ziel haben. 11

Der Vorschlag wurde an die nationalen Parlamente, den Rat und an das Europäische Parlament
weitergereicht, wo Axel Voss von der Christlich Demokratischen Union (CDU) Deutschlands zum
Berichterstatter ernannt wurde. Auch wurde der Vorschlag dem Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss sowie dem Ausschuss der Regionen vorgelegt, die ihre Stellungnahmen dazu
am 25.01.2017 12 bzw am 08.02.2017 13 abgaben.
Nach einigen Abänderungen und Absprachen mit dem Rat legte das Parlament seinen
                                                           14
Standpunkt am 26.03.2019 in erster Lesung fest               . Interessant ist, dass dabei die Abstimmung
über Abänderungsanträge mit nur fünf Stimmen Mehrheit abgelehnt wurde, was unter anderem
                                                                                    15
und vor allem Artikel 17 (damals noch Artikel 13) betroffen hätte.                       Am 15.04.2019 wurde
schließlich die Zustimmung des Rates erteilt und der Gesetzgebungsakt damit angenommen. 16

Die Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.04.2019 über
das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung

11
   Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen
Binnenmarkt vom 14.09.2016, COM/2016/0593 final - 2016/0280 (COD).
12
   Vgl Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das
Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Regionen: Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte“ (COM(2016) 127 final), ABl
2017 C 125, 10.
13
   Vgl Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Unterstützung europäischer Junglandwirte,
ABl 2017 C 207, 57.
14
   Vgl Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. März 2019 zu dem Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt
(COM(2016)0593 – C8-0383/2016 – 2016/0280(COD)), TA/2019/0231.
15
   Vgl Groll: Abgeordnete ändern nachträglich Abstimmungsverhalten zum Urheberrecht, in: ZEIT ONLINE,
27.03.2019, URL: https://www.zeit.de/digital/internet/2019-03/eu-parlament-abstimmung-urheberrechtsreform-
korrigierung-abgeordnete, Abruf am 30.08.2019.
16
   Vgl Annahme des Gesetzgebungsakts, 3686. Tagung des RATES DER EUROPÄISCHEN UNION (Landwirtschaft
und Fischerei), 15.04.2019, Luxemburg.
14. Oktober 2019                                                                                               8/41
der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG wurde am 17.05.2019 im Amtsblatt der Europäischen
Union kundgemacht und ist gem Art 31 leg cit seit 06.06.2019 in Kraft. Gemäß Art 29 der Richtlinie
ist sie bis 07.06.2021 in nationales Recht umzusetzen, was einer Frist von zwei Jahren entspricht.

Abstimmungsergebnis des Parlaments vom 26.03.2019, womit der Standpunkt des Parlaments festgelegt wurde.
Quelle:
https://twitter.com/EU_Commission/status/1110519625677266944/photo/1?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etwe
etembed%7Ctwterm%5E1110519625677266944&ref_url=https%3A%2F%2Ffuturezone.at%2Fnetzpolitik%2Fwas-
das-ja-zur-eu-urheberrechtsreform-jetzt-bedeutet%2F400447555 (Abgerufen am 16.08.2019).

Das finale Abstimmungsergebnis des Rates vom 15.04.2019, womit die Richtlinie endgültig angenommen wurde.
Quelle:    https://video.consilium.europa.eu/en/webcast/78d4c4bd-71eb-4825-9857-6fdbe5c64046   (Abgerufen   am
16.08.2019).

C. Kritik an Artikel 17

Das Gesetzgebungsverfahren der neuen Urheberrechtsrichtlinie verlief kontroversiell, vor allem,
was die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion betrifft. Die geplante Richtlinie erreichte

14. Oktober 2019                                                                                            9/41
unüblich viele Teile der breiten Bevölkerung. Schuld daran - salopp formuliert - hatte fast
ausschließlich Artikel 17 (damals noch Artikel 13, in dieser Arbeit wird jedoch stets von Artikel 17
gesprochen, da dies der endgültigen Fassung der Richtlinie entspricht). Vor allem unter jungen
Leuten verbreitete sich Artikel 17 „wie ein Lauffeuer“. Print- und Online-Medien leisteten ihren
Beitrag im Rahmen ihrer jeweiligen Ausrichtung.

„Mit dieser Entscheidung im EU-Parlament machen sich die Abgeordneten zu den Totengräbern
des freien Internets und europäischer Startups.“ So hieß es etwa in einer Pressemitteilung der
                                            17
Internet Service Providers Austria.              Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch ein offener Brief
vom 12.06.2018 an den (mittlerweile aus dem Amt geschiedenen) Präsidenten des Europäischen
Parlaments, Antonio Tajani. In diesem bitten zahlreiche Internet-Pioniere darum, die Umsetzung
von Artikel 17 in gewählter Form zu überdenken. Sie sähen die Freiheit im Internet damit in Gefahr.
(„[…] But Article 13 is not the right way to achieve this. By requiring Internet platforms to perform
automatic filtering all of the content that their users upload, Article 13 takes an unprecedented step
towards the transformation of the Internet from an open platform for sharing and innovation, into
a tool for the automated surveillance and control of its users.“) Unterzeichnet ist der Brief von
namhaften Größen wie Tim Berners-Lee (Erfinder des Word Wide Web), Jimmy Wales
(Mitbegründer von Wikipedia), Vinton Cerf (Pionier des Internets), Guido van Rossum (Entwickler
der Programmiersprache Python), Pamela Samuelson (Professorin für Recht und Information in
Berkeley sowie Direktorin des Berkeley Institut für Recht und Technologie) und vielen mehr. 18

Wie umstritten Artikel 17 in der Gesellschaft tatsächlich war/ist, lässt sich am Beispiel Deutschland
verdeutlichen.

1. Breite Gesellschaftliche Bewegung in Deutschland

Hauptkritikpunkt an Artikel 17 sind die (in der Endfassung) zwar nicht ausdrücklich genannten,
jedoch von Kritikern als unumgänglich eingestuften Upload-Filter. Viele Bürger fürchten im Falle
der Umsetzung vor allem um ihr Recht auf Meinungsfreiheit. Dies hat unter anderem zur Bildung
einer Gruppe namens „Save the Internet“ geführt. Auf ihrer Website https://savetheinternet.info
heißt es auf ihrer Startseite: „We know the Internet as a place where we can freely flourish, express
our opinions, share content and inform ourselves independently. But that could change drastically
very soon!“

17
   Vgl Schubert: ISPA: Europaparlament beschließt katastrophale Urheberrechtsreform, in: ispa.at, 26.03.2019, URL:
https://www.ispa.at/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailansicht/presseansicht/detail/ispa-
europaparlament-beschliesst-katastrophale-urheberrechtsreform/pseite/1/pjahr/2015.html, Abruf am 30.08.2019.
18
   Vgl Cerf, Berners-Lee ua: Article 13 of the EU Copyright Directive Threatens the Internet, in: eff.org, 12.07.2018,
URL: https://www.eff.org/files/2018/06/13/article13letter.pdf, Abruf am 30.08.2019.
14. Oktober 2019                                                                                                  10/41
Die Bewegung gewann schnell an Dynamik und sollte nach eigenen Angaben von „Save the
Internet“ die größte Online-Petition aller Zeiten nach sich ziehen (Wikipedia spricht von der
größten Change.org-Petition weltweit 19). Über 5 Millionen Unterstützer zählte die Petition bereits
vor der entscheidenden Abstimmung im Europäischen Rat. Zum 17.08.2019 ist die Petition noch
im Gange und kann unter der Internetadresse https://savetheinternet.info abgerufen werden.
Petitionen privater Art, wie sie auf der Online-Plattform chance.org (https://www.change.org/de)
initiiert werden können, sollten grundsätzlich kritisch betrachtet werden. Es reicht, einen Vor- und
Nachnamen plus E-Mail-Adresse (die tatsächlich existieren muss, da man sie bestätigen muss,
um zur Unterschriftenliste beigefügt zu werden) anzugeben, um die Petition erfolgreich zu
unterschreiben. Dies bedeutet, dass eine solch funktional einfache Plattform auch ggf
automatisiert befüllt werden kann.

So hat beispielsweise Axel Voss in einem Interview im Online-Portal Vice.com die Frage, ob er
denke, dass die Online-Proteste von Bots gesteuert wurden, mit „Ganz von der Hand zu weisen
ist das nicht.“ beantwortet. 20 Die Aussage empörte erwartungsgemäß die Gegner von Artikel 17.
Am 24.03.2019 verkündete „Save the Internet“ auf ihrem Twitter-Kanal, dass am Vortag insgesamt
200 000 Menschen alleine in Deutschland auf die Straße gingen, um gegen Artikel 17 zu
demonstrieren. Bis zur abschließenden Abstimmung des Europäischen Rates am 15.04.2019
folgten weitere, öffentlichkeitswirksame Demonstrationen in ganz Europa.

19
   Vgl oV: change.org, in: wikipedia.org, 19.08.2019, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Change.org#cite_note-11,
Abruf am 30.08.2019.
20
   Vgl Locker: Streit um Uploadfilter: Wie Axel Voss das Internet sieht, in: vice.com, 19.03.2019, URL:
https://www.vice.com/amp/de/article/vbw8zy/streit-um-uploadfilter-und-artikel13-wie-axel-voss-das-internet-
sieht?__twitter_impression=true, Abruf am 30.08.2019.
14. Oktober 2019                                                                                                    11/41
Quelle: https://twitter.com/uploadfilter/status/1109784018579611650?lang=de,
https://twitter.com/uploadfilter/status/1114243146349711361

Auf die Frage hin, was er von den Demonstrationen halte, antwortete Voss in besagtem Vice-
Interview: „Es wurde ja schon im Sommer zweimal vergeblich zu Protesten aufgerufen. Da waren
ja immer nur so'n paar Leute da.“ Die Bundesrepublik Deutschland erkennt dagegen in einer
Erklärung zur Urheberrichtlinie, dass „insbesondere Artikel 17 […] auf ernsthafte Bedenken und
in der deutschen Öffentlichkeit auf breite Kritik stößt. Auch die Abstimmung im Europäischen
Parlament am 26.März 2019 hat die tiefe Kluft zwischen Befürwortern und Kritikern aufgezeigt.“ 21
Leider gingen die Diskussionen soweit, dass Axel Voss mit Bombendrohungen konfrontiert wurde.
22

2. Standpunkt österreichischer Parteien

Auch      die      österreichische   Regierung     stimmte       für   die     Reform.   Ein    Blick   auf   das
Abstimmungsverhalten der einzelnen Parteien zeigt jedoch, dass die gegenständliche Richtlinie
auch hierzulande sehr umstritten war und ist. Während die Österreichische Volkspartei (ÖVP)
einheitlich für die Reform stimmte, enthielten sich die Vertreter des Regierungspartners
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) der Stimme oder waren gar abwesend. Die restlichen
bedeutenden Parteien in Österreich, namentlich die Sozialdemokratische Partei Österreichs
(SPÖ), die Grüne Alternative (GRÜNE) und NEOS stimmten mit Ausnahme von Karin Kadenbach
(SPÖ, abwesend) geschlossen gegen die Reform. NEOS-Spitzenkandidatin Claudia Gamon
äußerte sogar scharfe Kritik an der Entscheidung der (damaligen) Regierungskoalition: „Heute hat
die      ÖVP-FPÖ-Regierung           eine    zerstörerische        und       innovationsfeindliche      Regelung
                                                          23
mitbeschlossen, die Zensur Tür und Tor öffnet.“                Auch die SPÖ hat ihre Bedenken hinsichtlich
                                                                                           24
der Meinungsfreiheit und setzt Upload-Filter mit „Zensurmaschinen“ gleich.                      Die FPÖ sprach
indes von einer demokratischen Entscheidung, die nun umzusetzen und in ein paar Jahren zu
                     25
evaluieren sei.           Ex-EU- und Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) sah in der Entscheidung
„einen wesentlichen Schritt in Richtung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle“. [Es sei nun

21
   Vgl Bundesrepublik Deutschland: Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Richtlinie über das Urheberrecht
und verwandte Schutzrechte im Digitalen Binnenmarkt; insbesondere zu Artikel 17 der Richtlinie, in: bmjv.de,
15.04.2019, URL:
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/041519_Protokollerklaerung_Richtlinie_Urheberrecht.pdf;j
sessionid=5C89DCD918F8572C77FB6BB64137A263.1_cid289?__blob=publicationFile&v=1, Abruf am 30.08.2019.
22
   Vgl Hanfeld: Bombendrohung gegen CDU-Politiker Voss, in: Frankfurter Allgemeine, 15.03.2019, URL:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bombendrohung-gegen-cdu-politiker-voss-16092259.html, Abgerufen am
30.08.2019.
23
   Vgl oV: Neues Urheberrecht endgültig beschlossen, in: Wiener Zeitung, 15.04.2019, URL:
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2004706-Neues-EU-Urheberrecht-endgueltig-
beschlossen.html, Abruf am 30.08.2019.
24
   Vgl oV: Fragen und Standpunkte der Parteien, in: wahlkabine.at, 26.05.2019, URL:
https://wahlkabine.at/eu2019/stellungnahmen, Abruf am 30.08.2019.
25
   Vgl oV: Fragen und Standpunkte der Parteien, in: wahlkabine.at, 26.05.2019, URL:
https://wahlkabine.at/eu2019/stellungnahmen, Abruf am 30.08.2019.
14. Oktober 2019                                                                                              12/41
möglich], „multinationale Online-Giganten in die Verantwortung zu nehmen“. [Gleichzeitig wolle
man] „Bedenken ernst nehmen und sich damit im Zuge der nationalen Umsetzung
auseinandersetzen“. 26

Quelle: https://oegfe.at/wordpress/wp-content/uploads/2019/03/Abstimmungsmonitoring_März-2_2019.pdf

D. Vergleichbare Regelungen am Beispiel der Fair-Use Doktrin in den USA

Vor dem Hintergrund der Proteste in der Gesellschaft bleibt offen, ob die Reform, und Artikel 17
im Speziellen, einer anderen Lösung zugänglich gewesen wären. Denkt man an die großen
Internetkonzerne (Google inkl. YouTube, Facebook, Twitter etc), die durch die Reform vermehrt
zur Kassa gebeten werden sollen, drängt sich die Frage auf, wie die USA als Herkunftsland dieser
Konzerne ihr Urheberrecht regeln.
Welche Vor- und Nachteile die Fair-Use Doktrin gegenüber Artikel 17 aufweist, ist nicht
Gegenstand dieser Arbeit. Dieses Kapitel möchte lediglich in aller Kürze eine differenzierte
Herangehensweise an die heikle Thematik Urheberrecht vorstellen.

Es ist schon aus Artikel 1 Abschnitt 8 Satz 8 der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika
zu entnehmen, dass der Kongress als Gesetzgebungsorgan das Recht hat, „den Fortschritt von
Kunst und Wissenschaft dadurch zu fördern, dass Autoren und Erfindern für beschränkte Zeit das
ausschließliche Recht an ihren Publikationen und Entdeckungen gesichert wird“. Fair-Use
bedeutet „angemessene Verwendung“ und wurde als gleichnamige Doktrin 1976 in das US-
                                      27
Urhebergesetz aufgenommen.                 In Titel 17 des US Code Kapitel 1 Abschnitt 107 sind vier
Faktoren aufgezählt, die von den Gerichten zu berücksichtigen sind:
          (1) “the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial
          nature or is for nonprofit educational purposes”, also der Zweck und die Art der Nutzung

26
   Vgl oV: Neues Urheberrecht endgültig beschlossen, in: Wiener Zeitung, 15.04.2019, URL:
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2004706-Neues-EU-Urheberrecht-endgueltig-
beschlossen.html, Abruf am 30.08.2019.
27
   Vgl Sobol, Ausnahmen des Urheberrechts in Russland und die „fair use“ Doktrin, IRIS Extra, Europäische
Audiovisuelle Informationsstelle (2016), 1.
14. Oktober 2019                                                                                            13/41
inklusive der Frage, ob eine solche Verwendung kommerziellen Zwecken oder
          nichtprofitablen Bildungszwecken dient;
          (2) “the nature of the copyrighted work”, also die Art des urheberrechtlich geschützten
          Werks;
          (3) “the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as
          a whole”, also der Umfang und die Erheblichkeit des verwendeten Auszugs in Relation
          zum urheberrechtlich geschützten Werk als Ganzes;
          (4) “the effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work”,
          also der Effekt der Verwendung auf den potentiellen Markt des urheberrechtlich
          geschützten Werks oder dessen Wert.

Diese vier Kriterien gilt es jeweils im Einzelfall von den Gerichten abzuwägen. Der Oberste
Gerichtshof der USA formulierte in der Rechtssache Campbell gegen Acuff-Rose Music Inc., dass
die Fair-Use Doktrin Garantie für einen Raum zum Atmen innerhalb der Grenzen des
Urheberrechts gebe („[…] the fair use doctrine's guarantee of breathing space within the confines
of copyright […]“). 28

Es kann also festgehalten werden, dass die Fair-Use Doktrin eine Regelung darstellt, die sich
stark am Einzelfall orientiert und den Gerichten einen gewissen Ermessensspielraum einräumt.

II. Inhaltliche Analyse von Artikel 17

In den folgenden Unterkapiteln wird Art 17 in seine Grundbausteine zerlegt und ein kritischer
Blick auf die Mechanismen dieses umstrittenen Artikels geworfen.

A. Abs 1

          „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-
          Inhalten eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder eine Handlung der öffentlichen
          Zugänglichmachung für die Zwecke dieser Richtlinie vornimmt, wenn er der Öffentlichkeit
          Zugang zu von seinen Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder
          sonstigen Schutzgegenständen verschafft. Ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-
          Inhalten muss deshalb die Erlaubnis von den in Artikel 3 Absatz 1 und 2 der Richtlinie
          2001/29/EG genannten Rechteinhabern einholen, etwa durch den Abschluss einer Lizenz-

28
  Vgl Supreme Court of the United States 07.03.1994 No 92-1292, Campbell v Acuff-Rose Music, 510 US 569
(1994).
14. Oktober 2019                                                                                          14/41
vereinbarung, damit er Werke oder sonstige Schutzgegenstände öffentlich wiedergeben
          oder öffentlich zugänglich machen darf.“

Zunächst muss der Begriff des „Diensteanbieters“ ausgelegt werden. Dazu wurde in Art 2 Z 6 eine
Legaldefinition geschaffen, die besagt, dass ein „Diensteanbieter für das Teilen von Online-
Inhalten den Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft [bezeichnet], bei dem der
Hauptzweck bzw. einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern
hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu
speichern und der Öffentlichkeit Zugang hierzu zu verschaffen, wobei dieser Anbieter diese
Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt.“

Ein klassisches Beispiel für einen „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ ist
demnach beispielsweise YouTube. Jede Minute werden rund 500 Stunden neues Videomaterial
                                                              29
auf der Plattform hochgeladen (Stand Mai 2019).                    Alle diese Inhalte werden von YouTube
gespeichert und nach Wunsch des Uploaders der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mittels eines
im Hintergrund ablaufenden Algorithmus werden diese Inhalte sortiert und zum Zweck der
Gewinnerzielung beworben. Dies stellt auch klar den Hauptzweck der Plattform dar. Die Legal-
definition des Art 2 Z 6 ist sohin zweifelsfrei erfüllt. Das gleiche gilt für andere bekannte (Social
Media-) Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter.

Keine Diensteanbieter iSv Abs 2 Z 6 - und somit vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausge-
nommen - sind hingegen nicht auf Gewinn ausgerichtete Plattformen wie beispielsweise Wiki-
pedia, Online-Marktplätze wie zB Amazon oder eBay, E-Mail-Anbieter wie zB GMX sowie Cloud-
(Speicher-) Dienste wie Dropbox oder auch Open-Source-Plattformen für Software-Entwickler wie
zB GitHub.

Lädt ein Nutzer ein Werk (zB ein Video) bei einem Diensteanbieter iSd Abs 2 Z 6 (zB YouTube)
hoch und macht es damit der Öffentlichkeit zugänglich, so wird durch Art 17 Abs 1 fingiert, dass
der Diensteanbieter selbst dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Um nun keine
Urheberrechtsverletzung zu begehen, wird der Diensteanbieter mittels Abs 1 dazu verpflichtet, mit
den jeweiligen Urhebern Lizenzvereinbarungen abzuschließen (oder auf anderen Wegen deren

29
   Vgl Clement: Hours of video uploaded to YouTube every minute as of May 2019, 09.08.2019, URL:
https://www.statista.com/statistics/259477/hours-of-video-uploaded-to-youtube-every-minute/, Abruf am 02.09.2019.
14. Oktober 2019                                                                                              15/41
30
Erlaubnis einzuholen).           Welche Folgen dies in Bezug auf die Haftung nach sich zieht, wird in
den Ausführungen zu Abs 4 näher erläutert.

B. Abs 2

          „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine von einem Diensteanbieter für das Teilen von
          Online-Inhalten — zum Beispiel durch Abschluss einer Lizenzvereinbarung — eingeholte
          Erlaubnis auch für Handlungen gilt, die von Nutzern von Diensten ausgeführt werden und
          die in den Geltungsbereich des Artikels 3 der Richtlinie 2001/29/EG fallen, sofern diese
          Nutzer nicht auf der Grundlage einer gewerblichen Tätigkeit handeln oder mit ihrer
          Tätigkeit keine erheblichen Einnahmen erzielen.“

Vorliegende Gesetzesstelle schlägt Lizenzvereinbarungen als Mittel der Erlaubniseinholung vor.
Nach Abs 2 haben Diensteanbieter demnach sicherzustellen, dass diese Lizenzvereinbarungen
auch Werke abdecken, die von Nutzern hochgeladen werden, die nicht unternehmerisch tätig sind
oder zumindest keine erheblichen Einnahmen damit erzielen. Ab wann von erheblichen Einnah-
men gesprochen werden kann, bleibt eine Frage, die von den Gerichten zu beantworten sein wird.
Um das Paradebeispiel YouTube einmal mehr heranzuziehen, wären damit Nutzer gemeint, die
Videos hochladen, ohne dabei bedeutend an den Werbeeinahmen zu partizipieren. Diese Nutzer
müssten folglich keine (straf-) rechtliche Verfolgung befürchten, sollten sie ein urheberrechtlich
geschütztes Werk hochladen. 31

C. Abs 3

          „Nimmt ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eine Handlung der öffent-
          lichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung unter den in diesem Artikel
          festgelegten Bedingungen vor, so findet die Beschränkung der Verantwortlichkeit nach
          Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf die in diesem Artikel beschriebenen Si-
          tuationen keine Anwendung.“

Art 17 Abs 3 schließt explizit die Anwendung des Artikel 14 Abs 1 der E-Commerce Richtlinie aus,
wonach eine Haftung unter bestimmten Voraussetzungen entfällt.

30
   Vgl Solmecke, Herr: Artikel 13 - ein umfassender Überblick über die Hintergründe und Alternativen, in: wbs-law.de,
16.03.2019, URL: https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2019/03/Analyse-Artikel-13-Version-1.2-WILDE-
BEUGER-SOLMECKE-Rechtsanwälte.pdf, Abruf am 12.09.2019.
31
   Vgl Solmecke: Artikel 13 - Dieses Chaos haben wir jetzt! RA Solmecke (50 min Video), in: youtube.com,
14.02.2019, URL: https://www.youtube.com/watch?v=Ql9xCDJXnJc, Abruf am 05.09.2019.
14. Oktober 2019                                                                                                 16/41
D. Abs 4 iVm Abs 5

          „Wird die Erlaubnis nicht erteilt, so ist der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhal-
          ten für nicht erlaubte Handlungen der öffentlichen Wiedergabe, einschließlich der öffentli-
          chen Zugänglichmachung, urheberrechtlich geschützter Werke oder sonstiger Schutz-
          gegenstände verantwortlich, es sei denn, der Anbieter dieser Dienste erbringt den Nach-
          weis, dass er
          a) alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen; und
          b) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle An-
          strengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige
          Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlä-
          gige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind; und in jedem
          Fall
          c) nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unver-
          züglich gehandelt hat, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen
          Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen Schutz-
          gegenstände von seinen Internetseiten zu entfernen, und alle Anstrengungen unternom-
          men hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen
          Schutzgegenstände zu verhindern.“

Sucht man nach dem Kern von Artikel 17, so wird man in Abs 4 fündig. Es wird die essentielle
Frage behandelt, wann ein Diensteanbieter zur Haftung herangezogen werden kann. Die Anbieter
werden zunächst immer dann haftbar gemacht, wenn keine Erlaubnis iSv Abs 1, Abs 2 leg cit
vorliegt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird in lit a bis c normiert, welche kumulativ erfüllt
sein müssen (arg „und“ bzw „und in jedem Fall“).

Dabei muss der Diensteanbieter zunächst alles Mögliche unternehmen, um die Genehmigung
vom jeweiligen Rechteinhaber zu erlangen. Leider schweigt Abs 4 - so wie die Richtlinie als
Ganzes - zu der Frage, wie in concreto Lizenzvereinbarungen mit den jeweiligen Rechteinhabern
geschlossen werden sollen. Da der Begriff des Rechteinhaber gem Abs 1 iVm Artikel 3 Absatz 1
und 2 der Richtlinie 2001/29/EG sämtliche Urheber, ausübenden Künstler und Nutzungsrechte-
inhaber der Welt umfasst, stellt dies für den renommierten Medienrechtsanwalt Christian
Solmecke ein unmögliches Unterfangen dar. Schließlich würde bereits jedes Urlaubsfoto unter
Urheberrechtsschutz stehen. 32

32
  Vgl Solmecke, Herr: Artikel 13 - ein umfassender Überblick über die Hintergründe und Alternativen, in: wbs-law.de,
16.03.2019, URL: https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2019/03/Analyse-Artikel-13-Version-1.2-WILDE-
BEUGER-SOLMECKE-Rechtsanwälte.pdf, Abruf am 12.09.2019.
14. Oktober 2019                                                                                                17/41
Der Verhandlungsführer des Europaparlaments Axel Voss äußert sich dazu wie folgt: „Wie genau
die Plattformen die Autorisierung der Rechteinhaber erlangen, bleibt ihnen überlassen. Die gängi-
ge Praxis ist, dass die Plattformen mit Verwertungsgesellschaften Verträge schließen, die eine
Vielzahl von Rechteinhabern vertreten.“ 33

Verwertungsgesellschaften vertreten die Interessen der Urheber oder sonst Berechtigten. Sie
schließen zunächst mit den Rechteinhabern Verträge ab, um in der Folge die Werke der Berech-
tigten gebündelt an Verwerter zu lizensieren. Das dadurch eingenommene Entgelt wird nach Bei-
trag gewichtet an die Rechteinhaber ausgeschüttet. Auch werden Rechtsverletzungen von Ver-
wertungsgesellschaften im Interesse der Berechtigten verfolgt.34

Dass es für Sparten wie Musik, Fotografie und Tonkunst mehrere verschiedene Verwertungs-
                                                                      35
gesellschaften gibt, ist nicht zwangsläufig problematisch.                 Kompliziert wird es zunächst deswe-
gen, da diese Verwertungsgesellschaften meist nur die Rechte inländischer Rechteinhaber wahr-
nehmen. Dies hätte Verhandlungen mit zahlreichen Verwertungsgesellschaften innerhalb der
Europäischen Union zur Folge – ein mühsames Unterfangen. Die wahre Problematik zeigt sich
jedoch darin, dass wahrlich nicht alle Rechteinhaber (man denke an den Bürger, der seine Ur-
                                                                                                      36
laubsfotos auf Instagram hochlädt) durch Verwertungsgesellschaften vertreten sind.

Befürworter von Art 17 sehen hier Art 12 leg cit einschlägig. Besagter Artikel gibt den Mitglied-
staaten das Recht, Kollektivlizenzen für Verwertungsgesellschaften einzuführen. Somit bestehe
die Vermutung, dass jeder Rechteinhaber bei der jeweilig zuständigen Verwertungsgesellschaft
unter Vertrag steht. Einer ausdrücklichen Zustimmung der Rechteinhaber bedarf es hierzu nicht,
wenngleich ihnen ein Widerspruchsrecht eingeräumt wird. Tatsächlich würde dies den Plattformen
das Einholen der notwendigen Erlaubnisse deutlich erleichtern. 37

33
   Vgl Hartung: Countdown für neues EU-Urheberrecht, in: medienpolitik.net, 25.03.2019, URL:
https://www.medienpolitik.net/2019/03/countdown-fuer-neues-eu-urheberrecht/, Abruf am 03.09.2019.
34
   Vgl Meyer, Wirtschaftsprivatrecht8 (2017), 246.
35
   Vgl Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften: Verwertungsgesellschaften und Einrichtungen nach § 1 Abs 3
VerwGesG 2016, in: justiz.gv.at, URL: https://www.justiz.gv.at/web2013/aufsichtsbehoerde/aufsichtsbehoerde-fuer-
verwertungsgesellschaften/verwertungsgesellschaften-und-einrichtungen-nach--1-abs-3-verwgesg-
2016~2c94848b5af5744b015bf26a27f71b97.de.html, Abruf am 12.09.2019.
36
   Vgl Solmecke, Herr: Artikel 13 - ein umfassender Überblick über die Hintergründe und Alternativen, in: wbs-law.de,
16.03.2019, URL: https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2019/03/Analyse-Artikel-13-Version-1.2-WILDE-
BEUGER-SOLMECKE-Rechtsanwälte.pdf, Abruf am 12.09.2019.
37
   Vgl Solmecke, Herr: Artikel 13 - ein umfassender Überblick über die Hintergründe und Alternativen, in: wbs-law.de,
16.03.2019, URL: https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2019/03/Analyse-Artikel-13-Version-1.2-WILDE-
BEUGER-SOLMECKE-Rechtsanwälte.pdf, Abruf am 12.09.2019.
14. Oktober 2019                                                                                                 18/41
Gleich mehrere Punkte stimmen jedoch nachdenklich. Ob die Mitgliedstaaten Art 12 umsetzen
oder nicht, steht ihnen frei (arg „Die Mitgliedstaaten können vorsehen“). Julia Reda - von 2014 bis
2019 Mitglied des Europäischen Parlaments für die Piratenpartei Deutschland - hält es etwa für
unwahrscheinlich, dass Deutschland diese Norm in nationales Recht gießen wird. Außerdem wur-
de Reda zufolge Art 12 „nie als Durchsetzungsmittel für Artikel [17] diskutiert.“ 38 Weiters erscheint
es - auch in Hinblick auf das in Art 17 Grundrechte-Charta gesicherte Grundrecht auf
Eigentumsfreiheit 39 - problematisch, wenn Verwertungsgesellschaften Lizenzrechte von Rechte-
inhabern an Dritte vergeben dürfen, ohne diese tatsächlich zu vertreten.

Angenommen ein Rechteinhaber macht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch und entzieht
der Verwertungsgesellschaft das ohnehin fiktive Mandat - hat die Plattform dann immer noch „alle
Anstrengungen übernommen, um die Erlaubnis einzuholen“?

Einen Anhaltspunkt dazu liefert Art 17 Abs 5:
          „Bei der Feststellung, ob der Diensteanbieter den in Absatz 4 festgelegten Verpflichtungen
          nachgekommen ist, wird im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter ande-
          rem Folgendes berücksichtigt:
          a) die Art, das Publikum und der Umfang der Dienste sowie die Art der von den Nutzern
          des Dienstes hochgeladenen Werke oder sonstigen Schutzgegenstände; und
          b) die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und die Kosten, die den Anbietern
          dieser Dienste hierfür entstehen.“

An Diensteanbieter des Formats YouTube, die womöglich ein Milliardenpublikum vorweisen
können, 40 muss demnach ein strenger Maßstab angelegt werden und es erscheint unwahrschein-
lich, dass Verhandlungen mit den Verwertungsgesellschaften ausreichen werden, um Abs 4 zu
genügen.

Abs 4 lit b sieht vor, dass Diensteanbieter „nach hohen branchenüblichen Standards“ gewähr-
leisten müssen, dass bestimmte Werke, die den Plattformen von den jeweiligen Rechteinhabern
zugänglich gemacht werden, nicht durch Nutzer hochgeladen werden können. Man nehme an,
der Diensteanbieter habe tatsächlich (erfolglos) alle Anstrengungen übernommen, um die
Erlaubnis eines bestimmten Rechteinhabers zu erlangen. Möchte dieser Rechteinhaber nun si-
cherstellen, dass seine Werke nicht unerwünscht hochgeladen werden, so muss er selbst aktiv

38
   Vgl Reda, 27.02.2019, URL: https://twitter.com/Senficon/status/1100858523620118539, Abruf am 04.09.2019.
39
   Vgl Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl 2016 C 202, 389.
40
   Vgl Youtube: YouTube-Presseinhalte, in: youtube.com, oD, URL: https://www.youtube.com/intl/de/about/press/,
Abruf am 05.09.2019.
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werden und der Plattform seine Werke zur Verfügung stellen. Nur so kann diese wiederum die
Uploads seiner Nutzer nach diesen Inhalten filtern. 41

Inwiefern dies in der Praxis ein Problem darstellen kann und warum Kritiker der Reform keine
(richtlinienkonforme) Alternative zu Upload-Filtern sehen, wird in einem späteren Kapitel erläutert.
An dieser Stelle sei lediglich noch erwähnt, dass große Plattformen solche Systeme bereits in
Verwendung haben. Im Fall YouTube ist dies das „Content ID-System“, welches wie in Abs 4 lit b
umschrieben funktioniert. Nutzer senden Referenzdateien kombiniert mit einer Beschreibung des
Inhalts an YouTube. Das Content ID-System scannt in Folge alle Uploads und stellt es im Falle
eines Übereinstimmens dem Nutzer frei, ob er den Inhalt bannen, die Werbeeinnahmen für sich
beanspruchen oder online gehen lassen möchte. 42

Schließlich muss auch die Voraussetzung des Abs 4 lit c durch den Diensteanbieter erfüllt sein,
um einer Haftung zu entkommen. Lit c besagt sinngemäß: Sollte der Diensteanbieter durch einen
Rechteinhaber darauf hingewiesen werden, dass eines seiner Werke in rechtswidriger Weise
hochgeladen wurde, so ist er dazu verpflichtet, diesen Inhalt umgehend zu entfernen und „alle
Anstrengungen“ zu unternehmen, um sicherzustellen, dass dieser Inhalt nicht erneut hochgeladen
werden kann.

Diensteanbieter sind schon heute gem Art 14 der E-Commerce Richtlinie verpflichtet, illegale In-
                                               43
halte nach Kenntnisnahme zu löschen.                Dieser Ansatz ist auch in den USA zu finden und dort
als „Notice and Takedown“-Verfahren bekannt. Neu ist die Forderung an die Diensteanbieter, ge-
löschte Inhalte einem erneuten Hochladen unzugänglich zu machen. Doch auch diese Vorgangs-
weise findet sich sinngemäß in einem Urteil des Bundesgerichtshofes in Deutschland. 44 Inwiefern
dies möglicherweise mit dem noch aktuellen EU-Recht in Konflikt steht, bleibt an dieser Stelle
außer Betracht.

41
   Vgl Solmecke: Artikel 13 - Dieses Chaos haben wir jetzt! RA Solmecke (50 min Video), in: youtube.com,
14.02.2019, URL: https://www.youtube.com/watch?v=Ql9xCDJXnJc, Abruf am 05.09.2019.
42
   Vgl Google: How Google Fights Piracy, in: storage.googleapis.com, 01.10.2018, URL:
https://storage.googleapis.com/gweb-uniblog-publish-prod/documents/How_Google_Fights_Piracy_2018.pdf, Abruf
am 12.09.2019.
43
   Vgl Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), ABl 2000 L 178, 1.
44
   Vgl BGH 12.07.2019, I ZR 18/11.
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E. Abs 6

          „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Geltung der in Absatz 4 festgelegten Verantwor-
          tung für neue Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, deren Dienste der Öffent-
          lichkeit in der Union seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen und deren Jahres-
          umsatz, berechnet nach der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG (20), 10 Mio. EUR
          nicht übersteigt, darauf beschränkt ist, Absatz 4 Buchstabe a einzuhalten und nach Erhalt
          eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich zu
          handeln, um den Zugang zu den entsprechenden Werken und sonstigen Schutzgegen-
          ständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke und sonstigen Schutzgegenstände
          von ihren Internetseiten zu entfernen.

          Übersteigt — berechnet auf der Grundlage des vorausgegangenen Kalenderjahrs — die
          durchschnittliche monatliche Anzahl unterschiedlicher Besucher der Internetseiten derar-
          tiger Diensteanbieter 5 Mio., so müssen die Anbieter derartiger Dienste außerdem den
          Nachweis erbringen, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um das künftige
          Hochladen der gemeldeten Werke und sonstigen Schutzgegenstände, zu denen die
          Rechteinhaber einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, zu
          verhindern.“

Eine Ausnahme von Abs 4 - zumindest lit b und c betreffend - wird in Abs 6 der Richtlinie normiert.
Demnach haben Diensteanbieter, die erstmals vor weniger als drei Jahren aktiv geworden sind
und gleichzeitig einen Umsatz von maximal zehn Millionen Euro generieren, lediglich Abs 4 lit a
zu erfüllen. Sie müssen also alle Anstrengungen unternehmen, um die Erlaubnis der Rechteinha-
ber einzuholen (siehe Ausführungen zu Abs 4). Dabei ist wohl im Lichte der Verhältnismäßigkeit
ein wesentlich geringerer Maßstab anzulegen als bei den großen Diensteanbietern (arg Abs 5).
Zusätzlich müssen diese „kleinen“ Diensteanbieter sicherstellen, dass illegal hochgeladene Wer-
ke bei entsprechendem Hinweis durch den Rechteinhaber von der Plattform genommen werden
müssen. Dies entspricht der schon bisher geltenden Regelung des Art 14 der E-Commerce
Richtlinie. 45

Wird eine Plattform durchschnittlich von mehr als fünf Millionen Personen pro Monat besucht, so
hat sie alle Anstrengungen zu unternehmen, um ein künftiges Hochladen dieser rechtswidrig on-
line gestellten Werke auszuschließen. Diese Regelung erinnert stark an Abs 4 lit c.

45
  Vgl Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), ABl 2000 L 178, 1.
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Bedenklich ist, dass Plattformen, die ihre Dienste bereits seit drei oder mehr Jahren anbieten,
argumentum e contrario unter den Vollanwendungsbereich des Abs 4 fallen, unabhängig vom
erzielten Umsatz. So zumindest der Gesetzeswortlaut. Zu welchen Problemstellungen dies in der
Praxis führen kann, wird in Kapitel III gezeigt.

F. Abs 7

          „Die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten
          und den Rechteinhabern darf nicht bewirken, dass von Nutzern hochgeladene Werke oder
          sonstige Schutzgegenstände, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht oder ver-
          wandte Schutzrechte vorliegt, nicht verfügbar sind, und zwar auch dann, wenn die Nutzung
          eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes im Rahmen einer Ausnahme oder
          Beschränkung erlaubt ist.
          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich alle Nutzer, die nutzergenerierte Inhalte auf
          Diensten für das Teilen von Online-Inhalten hochladen oder auf Diensten für das Teilen
          von Online-Inhalten zugänglich machen, in jedem Mitgliedstaat auf jede der folgenden
          Ausnahmen oder Beschränkungen stützen können:
          a) Zitate, Kritik und Rezensionen;
          b) Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches.“

Nach Abs 7 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass geschützte Werke sehr wohl hochge-
laden werden können, wenn sie unter eine Ausnahme oder Beschränkung iSd lit a und lit b leg cit
zu subsumieren sind. Explizit genannt sind Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien und
Pastiches.

Nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit ist von einer taxativen Aufzählung auszugehen, da
unterschiedliche Ausnahmen in den Mitgliedstaaten eine Umsetzung dieser schon jetzt
anspruchsvollen Norm weiter erschweren würden. Auf konkrete Lösungsansätze darf man auch
(oder erst recht) im Falle einer Vermeidbarkeit von Upload-Filtern gespannt sein. Abs 7 schweigt
dazu.

G. Abs 8

          „Die Anwendung dieses Artikels darf nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung
          führen.

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Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten
          den Rechteinhabern auf deren Ersuchen angemessene Informationen über die Funktions-
          weise ihrer Verfahren im Hinblick auf die Zusammenarbeit nach Absatz 4 und — im Fall
          von Lizenzvereinbarungen zwischen den Anbietern dieser Dienste und den Rechte-
          inhabern — Informationen über die Nutzung der unter diese Vereinbarungen fallenden
          Inhalte bereitstellen.“

Nach dem Vorbild von Abs 8 sollen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Diensteanbieter
auf Ersuchen der Rechteinhaber Informationen „zur Funktionsweise ihrer Verfahren“ bereitstellen.
Zusätzlich werden Diensteanbieter verpflichtet, auf Verlangen Auskunft darüber geben, wie die
Inhalte der Rechteinhaber genutzt werden.

Spannend wird vor allem zu beobachten sein, wie die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Art 17
zu keiner allgemeinen Überwachungspflicht führt, wie eingehend in Abs 8 normiert und auch
schon in Art 15 der E-Commerce Richtlinie festgelegt. 46 Dr Tobias Keber, Professor für Medien-
recht und Medienpolitik an der Hochschule der Medien in Stuttgart, vergleicht die Regelung in
Hinblick auf (die nach seiner Meinung nach in der Regel nicht umgänglichen) Upload-Filter mit
einem „schwimmen ohne nass zu werden“. 47

H. Abs 9

          „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten
          den Nutzern ihrer Dienste im Fall von Streitigkeiten über die Sperrung des Zugangs zu den
          von diesen hochgeladenen Werken oder sonstigen Schutzgegenständen bzw. über die
          Entfernung der von diesen hochgeladenen Werke oder sonstigen Schutzgegenstände
          wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stellen.
          Verlangen Rechteinhaber die Sperrung des Zugangs zu ihren Werken oder sonstigen
          Schutzgegenständen oder die Entfernung dieser Werke oder sonstigen Schutzgegen-
          stände, so begründen sie ihr Ersuchen in angemessener Weise. Im Rahmen des in Unter-
          absatz 1 vorgesehenen Verfahrens eingereichte Beschwerden sind unverzüglich zu bear-
          beiten, und Entscheidungen über die Sperrung des Zugangs zu hochgeladenen Inhalten

46
   Vgl Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), ABl 2000 L 178, 1.
47
   Vgl Kerber: EU-Urheberrechtsreform: Experten zu Upload-Filtern, in: sciencemediacenter.de, 08.03.2019, URL:
https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/eu-urheberrechtsreform-experten-zu-
upload-filtern/, Abruf am 25.09.2019.
14. Oktober 2019                                                                                              23/41
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