Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Bremerhaven September / Oktober 2020 Neue Ideen für grünes Wirtschaften So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel Weniger Geld für mehr Arbeit Der verlorene Jahrgang Weiterbildung im Netz Studie: Tarifflucht in Bremen Ausbildungssuche in der Wie Corona der Digitalisierung auf die alarmierend Pandemie Sprünge hilft
BAM — September / Oktober 2020 Inhalt Galerie der Arbeitswelt Dauereinsatz - Entlastung für die Hände Studie: Tarifflucht in Bremen alarmierend Seite 16 Seite 10 Seite 18 Inhalt SERVICE & BERATUNG 10 Arbeit & Gesundheit Im Dauereinsatz — Entlastung für die Hände 11 Fragen & Antworten THEMEN Beruf und Pflege — miteinander vereinbaren Schwerpunkt 22 Alles, was Recht ist 6 Neue Ideen für grünes Wirtschaften Rechtstipp / Rechtsirrtum: Wenn ich meine So begegnen Bremens Betriebe dem volle Rente bewilligt bekommen habe, muss Klimawandel ich nicht mehr kündigen 14 Der verlorene Jahrgang 23 Drei Fragen Ausbildungssuche in der Pandemie zu Kindern und Steuern 18 Studie: Tarifflucht in Bremen alarmierend Seit der Jahrtausendwende geht die Tarif- IN JEDEM HEFT bindung in ganz Deutschland stetig zurück, was für die betroffenen Beschäftigten 3 Editorial erhebliche negative Auswirkungen hat 4 Die Bremer Arbeitswelt in Zahlen 20 Von der Komfort- in die Lernzone Online-Shopping verändert den Einzelhandel Weiterbildung im Netz: Wie Corona der Digitalisierung auf die Sprünge hilft 5 Kurz gemeldet 12 Tipps & Termine 16 Galerie der Arbeitswelt Maskenbildner/in Aktuelle politische Inhalte Die Kunst der Verwandlung BAM und Service-Informationen im Abo? von uns finden Sie auf T witter 22 Impressum (@ANK_HB), facebook e (Arbeitnehmerkammer Bremen), 23 Cartoon er.d bam@ ehmerkamm YouTube und Xing. n arbeit 24 Beratungsangebote & Öffnungszeiten — 2
Editorial BAM — September / Oktober 2020 EDITORIAL #first7jobs City entwickeln Unter dem Twitter-Hashtag #first7jobs erfährt man endlich, wie Karrieren gestartet wurden. – auch als Kellner? Babysitter? Oder doch eher Marketing-Hase in der Fuß- gängerzone? Wir wollten wissen, wie prominente Bremerinnen und Arbeitsort Bremer ihre Berufslaufbahn be gonnen haben. Bereits als Schülerin begibt sich Isa Fischer am liebsten mit Zei- chenstift oder Tusche auf Spuren suche und zeichnet so z iemlich alles, was ihr im Alltag oder auf Reisen begegnet. Direkt nach dem Grafikdesign-Studium an der Kunsthochschule macht sie Peter Kruse sich mit ihrem Gestaltungsatelier Präsident der selbstständig. 2012 entsteht die Arbeitnehmerkammer Idee, in Bremen und umzu Häuser Bremen als Auftragsarbeiten zu zeichnen. Seitdem sitzt die Stadtzeichnerin bei Wind und Wetter mit Aquarell- farbe, Pinsel und Klappstuhl vor Liebe Kolleginnen und Kollegen, Privathäusern oder öffentlichen Gebäuden und lässt sich durch fast 30.000 Menschen arbeiten in der Bremer Innenstadt – nirgends in der Stadt nichts aus der Ruhe bringen. gibt es eine höhere Arbeitsplatzdichte. Und doch wird allzu oft, wenn wir über Am Ende entstehen einmalige die City sprechen, hauptsächlich von Stadtentwicklung gesprochen – und zu Bilder – kleine Kunstwerke und wenig über Beschäftigung. wunderbare Erinnerungen für die Menschen, die in den Gebäuden Trauriger Anlass für die zahlreichen Debatten zur Innenstadt waren zuletzt die leben oder arbeiten. Ladenschließungen, sie treffen das Oberzentrum Bremen empfindlich. Und das sind nicht einfach Einzelereignisse. Nicht erst seit und mit Corona verlieren die Arbeit in einem Baguette-Laden Ladengeschäfte Umsatz an den Onlinehandel. Die ganze Branche steht unter Obst und Gemüse auf einem Druck – der allzu oft direkt an die Beschäftigten weitergegeben wird. Durch Aus- Wochenmarkt verkaufen stieg aus dem Tarif oder Personalabbau. Im Kaufhaus Waren auszeichnen und Regale auffüllen Es ist also richtig, die Innenstadt nicht bloß als Konsumzone zu sehen, der Feh- Zigarettenpromotion im Super- ler wurde lange Zeit gemacht. Heute muss es in der „guten Stube“ um Woh- markt (als Nichtraucherin) nungen gehen, um Dienstleistungen, Arztpraxen, IT-Büros, Architekten, Kanz- Kulissen malen (Bremer Theater) leien – die großstadttypischen wissensintensiven Dienstleistungen müssen hier Mitarbeit an Bühnenbildern fürs attraktive Räume finden und weiter wachsen. Wo Arbeit ist, da ist auch Leben – Fernsehen von Radio Bremen schon deshalb müssen wir auf den City-Gipfeln über die Innenstadt als Arbeits- platz sprechen. Und was den Einzelhandel betrifft: Die Städte brauchen mehr inhabergeführte, unverwechselbare Läden. Denn eines ist tödlich: eine austauschbare Innenstadt ohne Gesicht und Profil. Dabei nicht vergessen: Im Einzelhandel ist die Tarifbin- dung im Sturzflug. Wenn hier gefördert wird, dann bitte an Tarife binden! Foto: privat Ihr Peter Kruse Isa Fischer Kontakt: bam@arbeitnehmerkammer.de — 3
BAM — September / Oktober 2020 DIE BREMER ARBEITSWELT IN ZAHLEN Online-Shopping verändert In den vergangenen zehn Jahren den Einzelhandel ist die Beschäftigung im Einzel- handel zwar leicht gestiegen. Gleichzeitig wurden aber Vollzeitstellen abgebaut. Rund 28.000 Beschäftigte sind im Land Bremen Hiervon waren vor allem im Einzelhandel tätig. Der Onlinehandel verschärft Frauen betroffen. jedoch zunehmend den Wettbewerb: Mittlerweile wird jeder neunte Euro beim Internet-Shopping ausgegeben. Die Corona-Pandemie könnte diesen Trend noch beschleunigen. Beschäftigungsentwicklung Umsatzentwicklung im Onlinehandel im Einzelhandel im Land Bremen in Deutschland (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) in Mrd. Euro 59,2 48,9 39,9 18.601 20.325 32 24,4 15,6 10,4 2009 2019 6,4 1,6 3 09 03 05 07 Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; HDE Handelsverband Deutschland: Online Monitor 2020 01 19 13 15 17 11 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Beschäftigungsstruktur im Bremer Einzelhandel Männer Frauen Anteil des Onlinehandels nach Branche 4.835 in Prozent (2019) Elektro 33,8 9.142 2.623 1.785 Fashion und 30 4.803 Accessoires 4.595 Freizeit und Minijobs Teilzeit Vollzeit 28,9 Hobby 70 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen. Büro und 11 Prozent des 24,6 Nur noch jede vierte von ihnen hat eine Vollzeitstelle. Schreibwaren Einzelhandels- Umsatzes werden Schmuck und 18,9 online Verlagsprodukte, Uhren erwirtschaftet. Sonstiges Sport- und Spielwaren Wohnen und 15 Informations- und Einrichten Kommunikationstechnik Gesundheit und Bekleidung, 14,3 Vor allem bei Schmuck Wellness Möbel und Haushalts- Elektro-Artikeln sowie und Kosmetik Heimwerken und bei Mode und Accessoires geräte, Baumärkte 6 Garten hat der Zuwachs im Onlinehandel zu einem Nahrungsmittel Supermärkte und Lebensmittel und Umsatzrückgang im 2,5 Warenhäuser Drogerieartikel stationären Handel geführt. 6.500 Beschäftigte arbeiten im Verkauf von Bekleidung, Schmuck und Kosmetik, 6.400 in Supermärkten und Discountern. Damit arbeiten in beiden Bereichen rund zwei Drittel aller Beschäftigten im Einzelhandel. — 4
BAM — September / Oktober 2020 Ab 2. September Kurz neue Steuertermine Termine für die Steuer beratung vergibt die Ar beitnehmer- KammerCard gemeldet e mit der kostenfreie n kammer nur noch onlin oder telefonisch. Weitere Infos unter mer.de/steuerrecht www.arbeitnehmerkam www.arbeitnehmerkammer.de Dem Hass keine Chance – Preis an Bremerhavener Oberschule Für ihr Engagement gegen Ausgrenzung und Gewalt hat die Arbeit- nehmerkammer Bremerhavener Schülerinnen und Schüler beim Senats-Wettbewerb „Dem Hass keine Chance“ mit einem Sonder- preis über 500 Euro ausgezeichnet. Der Preis ging an die Oberschule Geestemünde und ihr Projekt „Meine lieben Kinder“. Die Gruppe hat eine Szenische Lesung auf die Bühne gebracht, die den Briefwech- sel der Bremerhavener Jüdin Jeanette Schocken zum Thema macht. Stand der Digitalisierung 1938 waren ihre Kinder und Enkel nach der Reichspogromnacht ins in Bremer Betrieben und Ausland geflohen. Mit der Vergabe des Sonderpreises will die Arbeit- Dienststellen nehmerkammer junge Menschen ermutigen, sich gegen Ausgren- zung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einzusetzen. Digitalisierung in Verlängerte Bremer Betrieben Bewerbungsfrist für Zertifikatsstudium Wo stehen Bremer Betriebe und Dienststellen in puncto Digitalisierung, hat die Arbeitnehmer- Die Bewerbungsfrist für den berufsbegleitenden Studiengang kammer bereits zum zweiten Mal Interessen- „Arbeitsbezogene Beratung“ wurde bis zum 31. Oktober 2020 ver- vertretungen gefragt. Welche digitalen Techni- längert. Ziel des Studienangebotes ist es, die Beratungskompetenz ken werden bereits eingesetzt? Wie verändert von betrieblichen Interessenvertretern zu stärken und dadurch zu sich die Arbeit dadurch und sind die jeweiligen professionalisieren. Der Abschluss kann darüber hinaus der beruf- Interessenvertretungen in den Gestaltungspro- lichen Weiterentwicklung dienen. Start ist corona-bedingt erst im zess der Digitalisierung eingebunden? Antwor- Januar 2021. Veranstalter des Studiengangs sind das Zentrum für ten auf diese und weitere Fragen liefert die im Arbeit und Politik (zap) der Universität Bremen in Kooperation mit Sommer vorgelegte Auswertung. der Akademie für Weiterbildung und der Arbeitnehmerkammer. Übrigens: Der Studiengang kann auch als Teil des bundesweit ersten Weitere Infos unter Masterstudiums für Betriebs- und Personalräte belegt werden. www.arbeitnehmerkammer.de/stand-der-digi- talisierung Weiter Infos unter www.uni-bremen.de/mabo Neue Spielzeit im Capitol beginnt Unser Kabarett- und Satireprogramm im Bremerhavener Capitol kann im September end- lich wieder starten – wenn auch unter besonderen Voraussetzungen und mit deutlich begrenzter Anzahl an Plätzen. Wir freuen uns, Sie zu zahlreichen spannenden und unter- haltsamen Veranstaltungen willkommen heißen zu können. Das Programm finden Sie auf unserer Website unter Zu Gast im Capitol: Linda Zervakis www.arbeitnehmerkammer.de/capitol (Foto: Elissavet Patrikiou) — 5
SCHWERPUNKT Neue Ideen für grünes Wirtschaften — So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel An einer ökologischen Wende in allen Lebensbereichen führt kein Weg vorbei, darin sind sich Klima-Experten weltweit einig. Auch das industriell geprägte Bundesland Bremen steht dadurch vor großen Herausforderungen. Zugleich bietet der grüne Wandel aber auch vielfältige Möglichkeiten, den Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen Text: Anne-Katrin Wehrmann – Fotos: Jonas Ginter
Schwerpunkt BAM — September / Oktober 2020 Bremen als traditionelles Industrieland steht dadurch vor großen Herausfor- derungen in allen Wirtschafts- und „Klimaschutz oder Lebensbereichen. „Wir haben hier auf sehr kleiner Fläche einen bemerkens- Arbeitsplätze? Von die- werten Mix an Industrie vereint“, erläu- ser Denke müssen wir tert Tim Voss, Referent für Wirtschafts- politik bei der Arbeitnehmerkammer, uns verabschieden.“ und benennt beispielhaft die Stahl-, Tim Voss, Arbeitnehmerkammer Bremen Auto- und Lebensmittelindustrien so- wie die Luft- und Raumfahrtbranche. „Diese Bereiche wollen wir nicht auf- A ngefangen hat alles vor gut geben, sondern wir müssen sie ökolo- zehn Jahren mit einer Idee: gisch umgestalten, um sie zukunftsfä- Die Schaffung zukunftsfähiger Arbeits- Der Energieverbrauch im hig zu machen.“ Andernfalls bestehe plätze – das ist auch eines der Kernan- Haus müsste sich doch die Gefahr, dass dem Standort auch in liegen der Bremerhavener Wirtschafts- erkennbar senken lassen, wenn die nachgelagerten Bereichen viele Arbeits- förderung BIS. Gelingen soll das unter Klimaanlage ausgeschaltet bleibt, plätze verloren gingen. anderem mit einem Projekt, das in die- bis der Gast tatsächlich sein Zimmer ser Form und Größe derzeit bundesweit betritt. Seither ist eine ganze Menge Zukunftsfähige Arbeitsplätze einmalig ist: Im Süden der Stadt soll in passiert. Neben der kontinuierlichen Als Impuls für eine sozialverträgliche fünf Bauabschnitten auf insgesamt 150 Reduzierung von Energie- und Mate- Gestaltung der ökologischen Wende Hektar das nachhaltige Gewerbegebiet rialverbräuchen sowie anfallenden im Land Bremen hat die Arbeitneh- Lune Delta entstehen. BIS-Geschäfts- Lebensmittelabfällen setzt das Atlan- merkammer kürzlich ein Positionspa- führer Nils Schnorrenberger geht davon tic Hotel Sail City in Bremerhaven pier zu diesem Thema veröffentlicht. aus, dass dort in etwa vier Jahren die unter anderem auf Ökostrom, ener- Es beleuchtet unterschiedliche Wirt- ersten Unternehmen aus dem Bereich giesparende Küchengeräte, regio- schafts- und Lebensbereiche und zeigt der nachhaltigen Wirtschaft einziehen nale Produkte, Bienenvölker auf dem Handlungsmöglichkeiten auf – zum könnten. „Je nach Größe werden wir Hoteldach und ein von Beschäftig- Beispiel bei der nachhaltigen Auf- Platz für 50 bis 100 Betriebe haben“, ten gebildetes Green-Team zur Ent- stellung von Häfen und Logistik, der meint er. „Wir wollen sowohl jungen wicklung weiterer Ideen. Das sind Gewinnung und Anwendung von grü- als auch etablierten, kleinen wie gro- nur einige von vielen unterschiedli- nem Wasserstoff als nachhaltiger Ener- ßen Unternehmen der Green Economy chen Maßnahmen, mit denen sich der giequelle oder der Offshore-Windener- einen Heimathafen bieten.“ Schon im Hoteldirektor und sein Team für Kli- gie als Säule für die Energiewende. Bebauungsplan sollen zudem verschie- maschutz und Nachhaltigkeit einset- Auch wenn Bremerhaven als Produk- dene grüne Komponenten, wie eine zen. „Wir haben früh entschieden, tionsstandort hier in den vergangenen Versorgung aus erneuerbaren Ener- hier das grüne Segel zu setzen“, sagt Jahren zahlreiche Arbeitsplätze ver- gien oder die extensive Begrünung der Hoteldirektor Tim Oberdieck. „Das loren hat: „In der Forschung und Ent- Gebäudedächer, festgeschrieben wer- hat sich in jeder Hinsicht gelohnt.“ wicklung und auch beim Recycling der den. In Zusammenarbeit mit Bremerha- Zum einen seien die globalen Klima- Offshore-Anlagen bieten sich künftig vener Forschungspartnern ist darüber schutzziele nur dann zu erreichen, viele neue Beschäftigungspotenziale“, hinaus ein Kompetenzzentrum Wasser- wenn sich Akteure auf allen Ebenen macht Voss deutlich. Insgesamt ist ihm stoff geplant. „Wir stellen schon jetzt dafür einsetzen. Und zum anderen die Feststellung wichtig, dass die häu- ein bundesweites Interesse an dem Pro- zahle sich dieser Einsatz für das Hotel fig diskutierte Frage „Klimaschutz oder jekt fest“, berichtet Schnorrenberger. ganz konkret auch betriebswirtschaft- Arbeitsplätze?“ der falsche Ansatz sei. „Umweltschutz ist langfristig ein wich- lich aus. „Von dieser Denke müssen wir uns tiges Thema. Wir denken darum, dass verabschieden, beides lässt sich mit- hier nachhaltige Arbeitsplätze entste- Das Vier-Sterne-Hotel am Weserdeich einander vereinbaren“, betont er und hen werden.“ wurde für seine Bemühungen vor verweist auf eine aktuelle Studie der zwei Jahren mit dem Bremer Klima- Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel Bildungsoffensive als Grundstein schutz-Preis ausgezeichnet und gilt als „Jobwende – Effekte der Energiewende Für ein umfassendes Bild, welche Chan- Musterbeispiel dafür, wie sich ökologi- auf Arbeit und Beschäftigung“. Klima- cen sich der Seestadt durch den ökolo- sche und ökonomische Ziele gewinn- schutz sei insgesamt mit positiven wirt- gischen Wandel bieten, finanziert die bringend miteinander verbinden schaftlichen Effekten verbunden, heißt Arbeitnehmerkammer derzeit ein For- lassen. Nicht erst mit dem Pariser Kli- es da: „Aufgrund der Energiewende schungsprojekt des Instituts Arbeit und maabkommen von 2016 ist deutlich entstehen in vielen Bereichen neue Wirtschaft (iaw) der Universität Bre- geworden, dass der Ausstoß von Treib- Arbeitsplätze.“ Bei entsprechender poli- men, dessen Ergebnisse Mitte kommen- hausgasen im Großen wie im Klei- tischer Flankierung könne das den Ver- den Jahres vorliegen sollen. Der Titel: nen reduziert werden muss, wenn die lust von Jobs in anderen Wirtschaftsbe- „Green Economy – eine Perspektive für Erderwärmung keine unkontrollier- reichen mehr als ausgleichen. die Wirtschafts-, Beschäftigungs- und baren Ausmaße annehmen soll. Auch Stadtentwicklung in Bremerhaven?“ — 7
BAM — September / Oktober 2020 Schwerpunkt Geschäftsführer Arne Kruse die Hin- tergründe, vor denen die Idee entstan- den ist. „Der Zugang zum Kunden wird schwieriger, die Anzahl der Lieferun- gen nimmt rapide zu, die Komplexität der Innenstadtlogistik ebenso.“ Die Pra- xis habe gezeigt, dass sich Standardpa- kete mit dem Rytle-System bis zu 50 Prozent schneller ausliefern ließen als bei der klassischen Zustellung mit Lie- ferwagen. Und das Konzept kommt an: Mittlerweile sind schon mehr als 1.000 Rytle-Fahrzeuge in weltweit gut 50 Städten – unter anderem in Europa und den USA – auf der Straße. „Prak- tisch alle großen Paketdienstleister der Welt sind entweder schon im Boot oder im Gespräch mit uns“, berichtet Kruse. Rund 60 Arbeitsplätze sind nach sei- ner Aussage an den unterschiedlichen Standorten schon entstanden. Weitere sollen folgen. Grüner Wasserstoff für die Industrie Innovative Ideen wie diese wird es auch weiterhin brauchen, wenn die ökologi- sche Wende gelingen soll. Auch den traditionellen Industriezweigen kommt Küchenchef Dominik Flettner vom Hotel Sail City in Bremerhaven beim grünen Umbau des Wirtschafts- mit Imker Andreas Bredehorn standorts allerdings eine entschei- dende Bedeutung zu. Eine wichtige Rolle könnte hierbei die Wandlung von Windenergie in Wasserstoff spielen, um Und auch in Bremen finden sich gute Weiterbildung ebenso wie eine Erwei- sie anschließend bedarfsgerecht nutzen Voraussetzungen für eine erfolgreiche terung von passenden Studienangebo- und energieintensive Industrien ver- Gestaltung der ökologischen Wende. ten, sonst wird es schwierig.“ sorgen zu können. Die Universität Bre- „Wir haben hier viel Know-how, quali- Die Verkehrswende einleiten und das men hat hierzu gerade mit mehreren fizierte Fachkräfte und vergleichsweise Gründungsgeschehen lebendig gestal- Industriepartnern ein Forschungspro- immer noch gute finanzielle Ressour- ten, um innovative grüne Produkte jekt mit dem Titel H2B zur „graduel- cen“, macht Wirtschaftspolitikreferent auf den Markt zu bringen und dabei len Defossilisierung der Stahlindustrie Tim Voss deutlich. „Wer, wenn nicht zugleich die Abhängigkeit von traditi- und urbaner Infrastrukturen“ gestartet. wir, ist in der Lage, diesen Wirtschafts- onellen Bestandsindustrien zu verrin- „Schlüsselstelle wird ein Elektrolyseur, standort umzubauen?“ Ein wichtiger gern: Das sind zwei weitere Punkte aus der auf dem Gelände von ArcelorMit- Grundstein zum Gelingen sei aller- dem oben erwähnten Kammer-Positi- tal grünen Wasserstoff für Industrie- dings eine zielgerichtete Bildungsof- onspapier. Für beide steht beispielhaft und Verkehrsanwendungen herstellt“, fensive: „Wir brauchen umfangreiche das 2017 gegründete Bremer Start-up erläutert H2B-Projektleiter Christian Maßnahmen im Bereich der Aus- und Rytle, das sich nicht weniger als eine Schnülle vom Fachgebiet Resiliente Revolution der City-Logistik zum Ziel Energiesysteme der Uni. Das Bremer gesetzt hat. Herzstück des Konzepts Stahlwerk sei der größte CO2-Verur- ist ein E-Lastenrad, das mit einer fer- sacher Bremens und stoße derzeit so tig kommissionierten Wechselbox bela- viel Kohlendioxyd aus wie der gesamte „Wer, wenn nicht wir, den wird und dessen Fahrer die benö- Rest der Stadt. „Wir müssen die Stahl- ist in der Lage, diesen tigten Informationen über eine eigens werke in Deutschland grün bekom- entwickelte Software via Smartphone men“, macht Torben Stührmann, Team- Wirtschaftsstandort erhält. Leere Boxen lassen sich in mobi- leiter des Fachgebiets, deutlich. „Ohne umzubauen?“ len Depots schnell und unkompliziert eine ökologische Wende werden die gegen volle austauschen. „Für Logisti- Arbeitsplätze nicht zu halten sein.“ In Tim Voss, Arbeitnehmerkammer Bremen ker und Kuriere stellt die Urbanisierung einem weiteren Schritt geht es darum, der Städte eine wachsende Herausfor- mit dem Industriehafen als „Transfor- derung dar“, erläutert Mitgründer und mationsplattform“ weitere Potenziale — 8
BAM — September / Oktober 2020 KOMMENTAR der Wasserstoffnutzung aufzuzeigen – Unterdessen hat sich das Atlantic zum Beispiel als Baustein einer euro- Hotel Sail City mit seinem innovati- päischen Wasserstoffinfrastruktur oder ven Ansatz schon weit über Bremer- als Motor für eine Mobilitätswende im haven hinaus einen Namen gemacht. Güterverkehr. Der Aufbau der Techno- Hoteldirektor Tim Oberdieck erhält Foto: Stefan Schmidbauer logie sei zwar anfangs mit hohen Kos- nicht nur regelmäßig überregionale ten verbunden, räumt Stührmann ein. Einladungen, um von den erreich- „Aber für die kommenden 50 Jahre ist ten Erfolgen zu berichten und emp- Tim Voss, das von essenzieller Bedeutung, weil fängt Wirtschaftsvertreter sowie Referent für wir damit ein Umfeld schaffen, in dem Studierende zur „grünen Hausfüh- Wirtschafts sich die industriellen Strukturen über- rung“. Er findet auch leichter als politik haupt erst erhalten lassen.“ andere Unternehmen qualifiziertes und motiviertes Personal. „Nach- haltigkeit ist definitiv ein Thema, mit dem junge Leute sich auseinan- CO2-Minderung dersetzen“, sagt er. „Wir stellen in „Ohne eine Vorstellungsgesprächen immer wie- als Jobmotor ökologische Wende der fest, dass sich viele ganz gezielt bei uns bewerben, weil sie hier mit- werden die wirken und eigene Ideen einbrin- Arbeitsplätze nicht gen können.“ Klimaschutz gegen den Fachkräftemangel – ein weite- zu halten sein.“ res Argument, das künftig noch so Torben Stührmann, Universität manchen Betrieb vom ökologischen Bremen Wandel überzeugen könnte. Als traditionelles Industrieland ist Bremen im Hinblick auf die ökologische Wende mit besonderen Herausforderungen kon- frontiert. CO2-Minderung und Klimaschutz können nur mit massiven Investitionen in Forschung, Wissenschaft und technische Infrastrukturen bewältigt werden. Dass man sich parteiübergreifend verständigt hat, eine Enquete-Kommission zur Erar- beitung einer Klimaschutzstrategie für Bre- men zu bilden, ist ausdrücklich zu begrü- Klima-Planspiel zeigt: Es gibt keine einfachen ßen. Diese Strategie muss aber auch die Lösungen Umsetzung konkreter Projekte nach sich ziehen. Wie lässt sich der Klimawandel sozial und gerecht gestalten? Wie Klimaschutz ist nicht nur ein Instru- können wegfallende Arbeitsplätze, etwa in der Industrie, ersetzt ment zur Reduzierung der Treibhausgase- werden? Mit diesen Fragen haben sich die Teilnehmerinnen und missionen. Sie ist ein zentrales Handlungs- Teilnehmer des Planspiels „Just Transition“ auseinandergesetzt, feld im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit das die Arbeitnehmerkammer zusammen mit der wisoak und dem unseres Wirtschaftsstandortes und den Kulturzentrum Schlachthof organisiert hat. Deutlich wurde: Einfa- Erhalt von Beschäftigungsverhältnis- che und schnelle Lösungen gibt es nicht. Die ökologische Wende sen. Mehr noch: Wissenschaftliche Stu- kann nur gelingen, wenn sie von möglichst vielen Akteuren getra- dien belegen eindeutig, dass ehrgeizige gen und im Dialog gestaltet wird. Während des Planspiels hat- Klimaschutzziele mit positiven beschäfti- ten die Teilnehmer unterschiedliche Perspektiven eingenommen gungspolitischen Effekten verbunden sein und Verhandlungen simuliert: zwischen verschiedenen staatlichen können. Ökologische Nachhaltigkeit und (Bundes- und Regionalregierungen) und nicht-staatlichen Akteu- Wohlstand sind daher nicht länger als ren - etwa Gewerkschaften, Energieerzeugern oder Verbänden der Gegensätze zu begreifen. Vielmehr wird Automobil- und Landwirtschaft. Dabei mussten sie einerseits kli- sich das Beschäftigungswachstum in den mapolitische Vorgaben einhalten und andererseits Effekte etwa Leitmärkten für Klimaschutztechnologien, für den Arbeitsmarkt im Auge behalten. „Die Diskussionen haben wie in der Wasserstoffwirtschaft, fortset- gezeigt, wie schwierig es ist, verschiedene Interessen zu einem so zen. Vorhandene Forschungs- und Dienst- komplexen Thema zusammenzubringen. Denn: Jede Änderung in leistungsstrukturen – insbesondere in Bre- einem Bereich hat Auswirkungen auf einen anderen, deshalb ist der merhaven – stellen eine Basis dar, um sich Diskurs hier so wichtig“, betont Tim Voss, der das Planspiel für die als Vorzeigestandort für Klimaschutz zu Arbeitnehmerkammer begleitet hat. etablieren. — 9
BAM — September / Oktober 2020 Arbeit & Gesundheit Im Dauereinsatz — Entlastung für die Hände Text: Suse Lübker G reifen, festhalten, heben, ziehen, schieben – ganz selbstverständlich benutzen wir unsere Hände im Alltag und merken meist oft erst bei einer Ver- letzung, wie sehr wir auf sie angewiesen sind. In vielen Berufen werden die Hände besonders beansprucht, auf der Baustelle natürlich, aber auch im Lebensmittelhand- werk – so leistet ein Schlachter echte Knochenarbeit, wenn er am Fließband Fleisch zerlegt. Und was wären eine Geigerin, gereizt. Nicht selten führt der Dauereinsatz der Hände sogar ein Maler oder eine Physiotherapeutin, wenn das wertvollste zu Knochen- und Gelenkschäden oder zu Durchblutungs Arbeitsmittel ausfällt? störungen in den Fingern. Ganz typisch für „Handarbeiter“ sind Sehnenscheidenentzündungen oder Druckschädigungen Problem Überbeanspruchung der Nerven (Karpaltunnelsyndrom). Besonders hoch ist das Gesundheitsrisiko für Menschen, die täglich und über einen langen Zeitraum an vibrierenden Handschutz ist Arbeitsschutz Maschinen arbeiten oder schwere Geräte mit hohem Kraft- Doch wie können Fehl- und Überbelastungen verhindert aufwand bedienen – etwa Schlosser, Maurer oder Schleifer. werden? Laut Arbeitsschutzgesetz muss der Arbeitgeber für Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten sorgen. Wie (BAuA) sind circa 1,8 Millionen Beschäftigte in Deutschland sich Gefährdungen am besten beurteilen lassen, weiß Jörg allein durch Hand-Arm-Vibrationen gesundheitsgefährdend Feldmann von der BAuA: Er empfiehlt die sogenannte Leit- belastet. Aber auch Kassiererinnen, die stundenlang Waren merkmalmethode, mit der Belastungen am Arbeitsplatz in über den Scanner ziehen, beanspruchen mit ihrer Arbeit die einem Punktesystem bewertet werden. „Die Methode ist für Hände und Handgelenke einseitig. Die Folge: Die Hände die Praxis gut nachvollziehbar, mit dem Ampelsystem lässt schmerzen, die Muskeln ermüden oder die Sehnen sind sich schnell erfassen, wann ein Arbeitnehmer besonders gefährdet ist und wo Maßnahmen ansetzen müssen.“ Symptome ernst nehmen Es gibt viele Arten, seine Hände bei der Arbeit zu schützen, von ergonomisch gut gestalteten Werkzeugen über Schutz- handschuhe bis hin zu Bewegungs- und Entspannungs übungen. Eine wichtige Rolle spiele die Arbeitsorganisation, so Feldmann: „Dabei sollten generell Fehlbelastungen durch einseitige und anspannende Arbeitsausführungen vermieden werden. Tätigkeitswechsel können entlasten. Ist das nicht möglich, können Bewegungspausen helfen.“ Wichtig sei es, so Feldmann, Symptome ernst zu nehmen und bei S chmerzen rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um ernsthafte Erkrankungen zu verhindern. — 10
Fragen & Antworten BAM — September / Oktober 2020 Beruf und Pflege — miteinander vereinbaren Etwa jeder elfte Beschäftigte ist neben seinem Foto: iStock / FredFroese Job auch für einen pflegebedürftigen Menschen verantwortlich. Und etwa drei Viertel der Pflegen den sind Frauen Pflegebedürftigkeit verändert das Familienleben stark und kann sich auf die Erwerbstätigkeit auswirken Text: Meike Lorenzen 3. Ich muss mich um einen akuten Pflegefall kümmern. 5. Wird das Pflegegeld auf das Arbeitslosengeld Wie organisiere ich das bei angerechnet? der Arbeit? Nein, das Pflegegeld (SGB XI) wird Bei akuten Situationen haben in allen nicht auf das Arbeitslosengeld (ALG I) 1. Wer wird von der Pflege- versicherung finanziell Betrieben Beschäftigte das Recht auf angerechnet, sofern privat gepflegt unterstützt? unbezahlte Freistellung bis zu zehn wird. Wer jedoch aufgrund der Pflege- Leistungen der Pflegeversicherung Arbeitstagen. Bis 30. September greift tätigkeit keine 15 Stunden pro Woche erhält nur, wer in einen Pflegegrad eine Sonderregelung. Aufgrund der mehr arbeiten kann, erhält kein ALG I. eingestuft wird. Dies geschieht, wenn Corona-Pandemie wurde der Zeit- eine zu pflegende Person regelmäßig raum auf 20 Tage verlängert, sofern und dauerhaft Hilfe benötigt – etwa bei eine akute Pflegesituation aufgrund der Körperpflege, Nahrungsaufnahme, COVID-19 auftritt. Die Verhinderung Mobilität, Haushalt, Kommunikation und die voraussichtliche Dauer müssen und anderem. Den Antrag stellen Sie dem Arbeitgeber sofort mitgeteilt wer- Ausführliche Informationen bei Ihrer Pflegekasse über die Kranken- den. Auf Verlangen muss ein ärztliches (auch zu Alzheimer und Demenz kasse. Attest über die Pflegebedürftigkeit vor- erkrankungen) finden Sie in unse- gelegt werden. Für die Zeit der Freistel- rem Infoblatt „Arbeit und Pflege“ lung können Sie Pflegeunterstützungs- 2. Wie können Pflegende ihren Alltag besser organisieren? geld bei der Pflegekasse beantragen. aus der Reihe „Gesundheit!“. www.arbeitnehmerkammer.de/ Beziehen Sie Familie, Freunde oder gesundheit Nachbarn in die alltägliche Arbeit oder organisatorische Fragen (Heim 4. Was ist, wenn ich länger- fristig pflege? Mitglieder erhalten die Infoblätter oder Hauspflege?) mit ein. Informie- Hier können Regelungen aus unter- aus der Reihe „Gesundheit!“ ren Sie sich über Hilfe wie „Essen auf schiedlichen Gesetzen genutzt werden. kostenlos in allen Geschäfts Rädern“ oder Abhol- und Fahrdienste. Das Pflegezeitgesetz ermöglicht eine stellen der Arbeitnehmerkammer. Ganz wichtig: Planen Sie Auszeiten für Freistellung von bis zu sechs M onaten, sich selbst ein! Sprechen Sie außerdem um nahe Angehörige zu Hause zu selbstbewusst mit Ihrem Arbeitgeber. pflegen. Außerdem ist eine Freistellung Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bis zu drei Monate für die Begleitung in ist auch Aufgabe für Führungskräfte der letzten Lebensphase möglich. Über und Interessenvertretungen. das Familienpflegezeitgesetz kann die Arbeitszeit über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren auf 15 Stunden in der Woche reduziert werden. Lassen Sie sich juristisch beraten! — 11
BAM — September / Oktober 2020 Tipps & Termine Tipps & Termine Barbara Röpke AUSSTELLUNGSTIPP Ausstellung: Barbara Röpke – Gedankenstriche, Jetzt aber Kunst 3. September bis 29. Oktober Nach der Arbeit die Ausstellungen in der Forum, Barkhausenstr. 16, Kunsthalle Bremen kennenlernen? Mit fünf Bremerhaven Euro (inklusive Eintritt) sind KammerCard- Inhaber dabei. Wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr doch noch drei Feierabend- Foto: Kunsthalle Bremen / Marcus Meyer Führungen anbieten können: Gewinnen Sie am 29. September einen Einblick in die neue Dauerausstellung „Remix 2020. Die Sammlung neu sehen“. Am 27. Oktober heißt es „Zeit für ein Meisterwerk – Eine Stunde. Ein Bild. Ungezählte Möglichkeiten“. Eine völlige neue und unvergessliche Form der Werkbetrachtung! Unsere letzte Führung in diesem Jahr am 24. November hat schließlich „Die Picasso-Connection. Der Künstler und sein Bremer Galerist“ zum Thema. Sichern Sie sich frühzeitig einen Platz. Anmeldung mit KammerCard-Nummer: kammercard@arbeitnehmerkammer.de Foto: Cosima Hanebeck oder 0421 . 3 63 01 0 Eine Brecht-Revue – www.arbeitnehmerkammer.de/kunsthalle Lieder von Bert Brecht www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard mit Projektionen von Jürgen Strasser 4. Oktober, 19 Uhr BUCH-TIPP Bötjersche Scheune, Bauern- reihe 3, 27726 Worpswede Love first, work second 10. Oktober, 20 Uhr Pfeif auf die Arbeit, lass uns lieben! Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen Elisabeth Gatt-Iro und Stefan Gatt: Love first, work second Pfeif auf die Arbeit, lass uns lieben! Orac, 2020, 205 Seiten Haben Sie manchmal auch das Gefühl, dass Ihr Beruf an erster Stelle steht, Ihr Privatleben zu kurz kommt und Sie den Arbeitsärger immer öfter mit nach Hause nehmen? Wie Sie es schaffen, Ihr Verhalten zu ändern und Ihre Paar-Beziehung auf den ersten Platz zu stellen vor Karriere und Arbeitsstress, beschreiben die beiden Experten Elisabeth Gatt-Iro und ihr Ehemann anschaulich Kübra Gümüsay, Foto: Paula Winkler mit vielen Fallbeispielen. Sie greifen auf persönliche Erfahrungen zurück, geben Beziehungstipps und Anleitung zur Selbstreflexion. Ziel „Sprache und Sein” – Kübra dieses Buches ist es, die Paar-Beziehung zu stärken und Gümüsay – Lesung – In eine optimale Love-Work-Balance zu finden. Kooperation mit globa- le°-Festival für grenzüber- schreitende Literatur und OUT LOUD Bremen 29. Oktober, 20 Uhr Dieses Buch können Sie in der Stadtbibliothek ausleihen. KammerCard-Inhaber Capitol, Hafenstraße 156, erhalten auf die BIBCARD der Stadtbibliothek zehn Prozent Ermäßigung! Bremerhaven www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard — 12
Veranstaltungskalender BAM — September / Oktober 2020 finden unsere rona-Pandemie Aufgrund der Co Teilnehmerzahl mit begrenzter Veranstaltungen . Veranstaltungen statt. Wir bitten daher um vorher Bitte informiere ige Anmeldung n Sie sich vor de ng auf unserer m Be su Website über ch der Veranstaltu ngen. mögliche Änderu BREMEN & BREMEN-NORD Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“ 22. September Gehalt – was Beschäftigte wissen sollten – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 29. September Rücken – Reha – Rente? – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 29. September Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld – Lindenstraße 8, Bremen-Nord 6. Oktober Kinder und Steuern – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 27. Oktober Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen je 18 – 19.30 Uhr Anmeldung erforderlich! Bremen: 0421 . 3 63 01-28 oder recht@arbeitnehmerkammer.de Bremen-Nord: 0421 . 6 69 50-0 oder nord@arbeitnehmerkammer.de 23. September Zukunft der Rente 17 – 19.30 Uhr Maritim Hotel & Congress Centrum Bremen (Hanse Saal), Hollerallee 99, 28215 Bremen Reihe für Betriebs- und Personalräte: Arbeitsalltag in Corona-Zeiten 23. September Funktionierender Arbeitsschutz in Zeiten der Pandemie und darüber hinaus 7. Oktober Wirtschaftsausschuss jetzt besonders wichtig je 15 – 17 Uhr beide Veranstaltungen im Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 28. September Heimat – Eine Besichtigung des Grauens – Szenische Lesung von und mit Thomas Entfä llt und wird Ebermann ch ge holt! 20 Uhr und Thorsten Mense – Heimatmuseum Schloss Schönebeck, Im Dorfe 1–3, 28757 Bremen na Feierabend-Führungen in der Kunsthalle 29. September Remix 2020. Die Sammlung neu sehen 27. Oktober Zeit für ein Meisterwerk – Eine Stunde. Ein Bild. Ungezählte Möglichkeiten je 18.30 Uhr Anmeldung: kammercard@arbeitnehmerkammer.de oder 0421 . 3 63 01 0 7. Oktober „Ich nix Nazi“ – Das Kriegsende 1945 in Bremen aus britischer und amerikanischer 19 Uhr Perspektive – Bildvortrag von Dr. Diethelm Knauf – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen 8. Oktober MENETEKEL – Stephan Schrader (Cello) spielt Präludien von Mieczyslaw Weinberg zu 20 Uhr Projektionen des Medienkünstlers Safie Etiel – Denkort Bunker Valentin, Rekumer Siel, 28777 Bremen 10. Oktober Eine Brecht-Revue – Lieder und Geschichten von Bert Brecht mit Projektionen von 20 Uhr Jürgen Strasser – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen 23. Oktober Nichts ist, wie es scheint – Vortrag zu Verschwörungstheorien von Prof. Dr. Michael Butter, 20 Uhr Universität Tübingen – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen 27. Oktober Spurwechsel – Workshop zur Berufsweggestaltung und Kompetenzbilanzierung für Betriebs- 9 – 16.30 Uhr und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen 30. Oktober Karosh Taha und Deniz Utlu – Doppellesung – In Kooperation mit globale°-Festival für 19 Uhr grenzüberschreitende Literatur – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen BREMERHAVEN 3. September Ausstellung: Barbara Röpke – Gedankenstriche – Forum, Barkhausenstr. 16, Bremerhaven bis 29. Oktober Anmeldung zur Ausstellungseröffnung erforderlich unter 0471 . 9 22 35-15 oder kultur@arbeitnehmerkammer.de Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“ 15. September Zurück in den Beruf – Der Spagat zwischen Kind und Beruf 22. September Flexirente – so geht’s 27. Oktober Digitale Arbeit – Meine Daten im Job je 17 – 18.30 Uhr Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven Anmeldung erforderlich unter 0471 . 9 22 35-0 oder va-bhv@arbeitnehmerkammer.de Capitol Infos unter: arbeitnehmerkammer.de/capitol Weitere Veranstaltungen und Informationen unter www.arbeitnehmerkammer.de/veranstaltungen = für alle = für Politikinteressierte = für Betriebs- und Personalräte — 13
BAM — September / Oktober 2020 2016 Der verlorene Jahrgang — Ausbildungssuche in der Pandemie Wer sich aktuell bewirbt, hat es schwer. Die Corona-Krise hat nicht nur für Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit gesorgt – sie hat auch den Ausbildungsmarkt schrumpfen lassen in Kurzarbeit“, so Geraedts. Die Ausbildung von Fachkräfte- Text: Meike Lorenzen nachwuchs rückte erst einmal weit in den Hintergrund. Fotos: Kay Michalak Für den Übergang in Ausbildung braucht es die Schulen 16 Prozent weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahresmo- In dieser chaotischen Gemengelage suchen junge Männer nat standen im Juni bei der Berufsberatung der Agentur für und Frauen einen Ausbildungsplatz. Unterstützung finden sie Arbeit im Land Bremen zur Vermittlung an. „Für Bremen ist unter anderem bei der Jugendberufsagentur. In Bremerha- das dramatisch. Das Land stand bei der Zahl der Ausbildungs- ven arbeitet dort Swantje Hüsken. „Wir standen mit Corona plätze schon vor Corona nicht gut da“, sagt Regine Geraedts, vor der großen Herausforderung, wie wir die Jugendlichen Referentin für Arbeitmarktpolitik der Arbeitnehmerkam- überhaupt erreichen können“, sagt Hüsken. Die Pandemie mer Bremen. Nach dem Einbruch durch die Finanzkrise hat offenbart, wie stark das System der Ausbildungsvermitt- 2008/2009 seien im Stadtstaat etwa 700 Ausbildungsplätze lung an der Zusammenarbeit mit den Schulen hängt. Und die verloren gegangen. Auch als die Konjunktur auf Hochtouren waren geschlossen – ebenso viele Betriebe. lief, die Auftragsbücher voll waren und immer mehr Fach- „Sorgsam gesponnene Netze der vergangenen Jahre kräfte gebraucht wurden, habe sich der Ausbildungsmarkt müssen wir gerade auf ganz neue Füße stellen“, so Hüsken. nicht erholt. Das Ausbildungsengagement der Betriebe hatte Denn Beratung und Begleitung im Übergang von der Schule im vergangenen Jahr einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. in Ausbildung ist für die Jugendlichen enorm wichtig. Und Nicht einmal jeder vierte Betrieb bildete noch aus. das nicht nur, um in die Berufswelt einzusteigen und eigenes Und jetzt auch noch Corona. „Als viele Jugendliche Geld zu verdienen. Hüsken: „Etliche Jugendliche sind noch mit ihrem Halbjahreszeugnis in der Hand losziehen wollten, schulpflichtig und müssen nach dem Schulabschluss irgend- um sich zu bewerben, gingen im Land Bremen viele Betriebe wie untergebracht werden, wenn sie keine Ausbildungsstelle — 14
Ausbildung BAM — September / Oktober 2020 finden.“ Schulpflichtig ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht Am 1. Juli schaltete die Jugendberufsagentur in Bre- vollendet und keine zehn Schuljahre sowie zwei berufsbil- merhaven eine Hotline. Jugendliche konnten anrufen und dende Jahre absolviert hat. sich dann nach und nach mit rund 30 Ausbildungsbetrieben „Besonders besorgt sind wir mit Blick auf die Jugend- verbinden lassen. Im Herbst ist eine Art Ausbildungssuche lichen, die schon in Übergangssystemen sind.“ Sie bräuchten im Park geplant. „An der frischen Luft, verbunden mit einem im Sommer dringend einen Ausbildungsplatz, sonst fielen sie Spaziergang und ungezwungenen Gesprächen – so stellen wir aus dem Raster und fänden oftmals keinen Zugang mehr zu uns das vor“, sagt Hüsken. Sie ist sich sicher, dass die eine der Vermittlungsunterstützung, die sie dringend bräuchten. oder andere aus der Not entstandene Idee auch künftig ange- Für viele sozial benachteiligte Jugendliche sei das nicht sel- boten wird. ten der erste Schritt in die Arbeitslosigkeit. Ausbildung bleibt wichtig Anders als in der Finanzkrise vor zwölf Jahren sind akut alle Branchen gleichzeitig betroffen. „Besonders besorgt sind wir mit „In Bremen gibt es gut 16.000 Betriebe, seit März Blick auf die Jugendlichen, die schon haben gut 7.000 von ihnen Kurzarbeit angemeldet“, weiß Regine Geraedts. Insgesamt sei noch nicht absehbar, wie in Übergangssystemen sind.“ sich die einzelnen Branchen langfristig entwickeln werden. Swantje Hüsken, Jugendberufsagentur Bremerhaven Diese Unsicherheit betrifft jedes einzelne Unternehmen und begrenzt den Planungshorizont. Geraedts: „Das wirkt sich verständlicherweise auf die Bereitschaft aus, Verantwor- tung für Auszubildende zu übernehmen.“ Sie erwartet einen beschleunigten Strukturwandel der Wirtschaft. Aber eines So langsam kommt in Bremerhaven wieder Bewegung in sei klar: „Der Bedarf an Fachkräften wird nicht weniger, er das Thema Ausbildung. „Die Schulen haben sich unterein- wird nur anders. Investitionen in Ausbildung bleiben deshalb ander gut vernetzt, Schulpraktika finden inzwischen wieder enorm wichtig, auch jetzt.“ statt und die weiterführenden Schulen haben sich darauf ein gestellt, dass notwendige Praktikumsnachweise auch nach- träglich noch von den jungen Menschen eingereicht werden“, Swantje Hüsken so Hüsken. arbeitet als Referentin für Foto: Thomas Schütze die Jugendberufsagentur in Es braucht einen Ausbildungsfonds Bremerhaven Alle Unterstützung nützt nichts, wenn das Ausbildungsan gebot zu niedrig ist. Gemeinsam mit dem DGB hat die Arbeitnehmer kammer daher einen auf zwei Jahre befristeten Zukunfts- fonds für Ausbildung im Land Bremen gefordert. „Den akuten Frische Ideen aus Bremerhaven Engpass könnten wir beheben, indem der Staat interveniert“, Eins zeichnet sich jetzt schon ab: Die Krise am Ausbildungs- so Geraedts. Vorübergehend könnten mehr außerbetriebliche markt ist kein Phänomen 2020. 2021 strömt aufgrund der Ausbildungsplätze geschaffen werden, auch die schulischen Wiedereinführung der 13-jährigen Gymnasialzeit in Nieder- Ausbildungen im Bereich Gesundheit, Pflege und Erziehung sachsen ein doppelter Abiturjahrgang auf den Arbeitsmarkt. könnten aufgestockt werden. Hier gebe es schließlich schon Das wird auch Bremen spüren und die Not für Jugendliche, jetzt einen großen Bedarf an Personal. die einen Ausbildungsplatz suchen, noch größer werden. „Unterm Strich bleibt Ausbildung aber Aufgabe der Betriebe“, sagt Geraedts. Auf Dauer sei deshalb ein Ausbildungsfonds eine vernünftige Lösung, wie er im Koalitionsvertrag ange- „Investitionen in Ausbildung bleiben dacht ist. „Die Verantwortung für die Ausbildung des Fach- kräftenachwuchses solidarisch auf alle Schultern in der Wirt- enorm wichtig, auch jetzt.“ schaft zu verteilen, ist ein überzeugender Vorschlag“, meint die Arbeitsmarktexpertin. Dann wäre die Ausbildung des Regine Geraedts, Arbeitnehmerkammer Bremen Fachkräftenachwuchses nicht länger vom Engagement ein- zelner Unternehmen abhängig. Swantje Hüsken gehört zu denen, die kämpfen. „Seit dem Verlust an persönlichen Kontakten, laufen hier die Telefone heiß“, sagt sie. „Wir haben natürlich eine Online-Beratung bei der Jugendberufsagentur angeboten. Aber das ersetzt keinen persönlichen Kontakt.“ Für sie und ihre Kolleginnen Probleme in der Ausbildung? Das Beratungsangebot heißt das: kreativ werden. „Bleib dran“ hilft weiter! Infos unter www.arbeitnehmerkammer.de/azubis — 15
BAM — September / Oktober 2020 Galerie der Arbeitswelt Masken, Perücken, Wunden – Maskenbildner Derek Halweg sorgt für das passende Äußere der Schauspieler am Theater — 16
BAM — September / Oktober 2020 GALERIE DER ARBEITSWELT Die Kunst der Verwandlung Derek Halweg arbeitet als Maskenbildner am Theater Bremen. Er sorgt dafür, dass Schauspieler sich in echte Charaktere verwandeln – mit Hilfe von Masken, Perücken und anderen Accessoires Text: Insa Lohmann – Foto: Kay Michalak P insel, Farbpaletten, Haarteile und Nähutensilien die Haare angebracht werden. Zwischen 40 und 60 Arbeits verteilen sich auf den großen Tischen. Ein Hauch stunden vergehen bis zur Fertigstellung. Dass die Masken- von Puder und Theaterschminke liegt in der Luft. bildner soviel Zeit in die Perücken investieren, hat einen In den Regalen sind Masken aufgereiht: bunte, guten Grund: „Ein Charakter lässt sich am krassesten durch skurrile, menschliche und tierische Köpfe, Fabelwesen – die Haare verändern“, sagt Derek Halweg. auch ein überdimensionaler Kopf von US-Präsident Donald Trump steht hier. In der Maskenabteilung befinden sich nicht Es ist seine erste Spielzeit hier in der Hansestadt, aber bereits nur die Arbeitsutensilien, sondern auch die fertigen Werke seine vierte Station an einem Theater: „Theater hat mich von Derek Halweg und seinen Kollegen. Halweg arbeitet schon immer begeistert“, erzählt Halweg. „Alles ist live, man als Maskenbildner am Theater Bremen, das Anfertigen von kann nichts zurückspulen.“ Damit trotzdem alles reibungslos Masken ist seine große Leidenschaft. Berühmte Horrorfilme abläuft, ist im Vorfeld eine enge Zusammenarbeit mit den wie „American Werewolf“ brachten ihn als Jugendlichen auf Kostümbildnern notwendig: Wie sollen die Figuren aussehen? die Faszination. Rund sechs Wochen Vorlauf haben die Maskenbildner, bis die Produktion auf der Bühne stehen muss. Und dann kommt Eigentlich wollte Derek Halweg Bildhauer werden, mit für Derek Halweg der große Moment: „Die Maskenbildner 16 ging er auf eine Kunstgewerbeschule. Vom Beruf des sind die letzte Station, bevor der Darsteller auf die Bühne Maskenbildners hatte er keine Vorstellung. Halweg lebte geht.“ Für Halweg und seine Kollegen am Theater Bremen damals in Freiburg, verbrachte viel Zeit am dort ansässigen geht es nicht nur um das perfekte Haar, den gerichteten Bart Theater. Er erfuhr mehr über den Beruf des Maskenbildners, oder eine beeindruckende Maske, sondern um den Verwand- inzwischen eine staatlich anerkannte Ausbildung. Halweg lungsprozess der Schauspieler. „Wir helfen den Darstellern, lernte das Handwerk am Theater in Freiburg, leitete dort in ihre Rolle zu finden“, sagt Halweg. Da Theater meist mit zehn Jahre die Abteilung. „Es ist ein sehr umfangreicher einem festen Ensemble arbeiten, spielen junge Schauspieler Beruf“, sagt er. „Es geht nicht nur darum, Menschen (schön) auch ältere Rollen – und umgekehrt. „Wichtig ist, dass es zu schminken. Der Bereich Beauty ist nur ein verschwindend authentisch aussieht“, sagt Halweg. geringer Anteil.“ Beim Maskenbildner liegen alle Arbeitsbereiche, die mit den Haaren, der Haut, den Masken und Körperteilen Maskenbildner/in der Schauspieler zu tun haben. So werden in der Masken- bildnerwerkstatt am Theater Bremen nicht nur die Masken Die Ausbildung zum/zur Maskenbildner/in dauert in der selbst angefertigt, sondern auch Perücken – die zum Großteil Regel drei Jahre. Voraussetzung dafür ist häufig eine aus Echthaar bestehen –, Bärte, Wunden oder Glatzen. „Der Hochschulreife sowie häufig eine vorherige Ausbildung, Maskenbildner vereint viele Berufe in einem“, sagt Derek beispielsweise als Kosmetiker oder Friseur wünschenswert. Halweg. Vor allem das Anfertigen der Perücken ist sehr zeit Maskenbildner/innen arbeiten an Theatern und Opern, intensiv: Bevor es an die Arbeit geht, muss ein Abdruck vom beim Fernsehen oder Film. Kopf des Darstellers gegossen werden – erst dann können — 17
BAM — September / Oktober 2020 Studie: Tarifflucht in Bremen alarmierend Seit der Jahrtausendwende geht die Tarifbindung in ganz Deutschland stetig zurück, was für die betroffenen Beschäftigten erhebliche negative Auswirkungen hat. Auch in Bremen ist die Lage durchaus kritisch zu betrachten: Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Interview: Anne-Katrin Wehrmann Hans-Böckler-Stiftung. „Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, Foto: Kay Michalak dass der Erosionsprozess in Bremen weiter fortgeschritten ist, als man zunächst vermuten würde. Das ist aus meiner Ein paar Zahlen vorweg: Der Anteil von Beschäftigten, die in Sicht ein Alarmzeichen.“ Die Begründung des Wissenschaft- Unternehmen mit Tarifbindung arbeiten, ist zwischen 1998 lers: Die Zahlen allein lassen unberücksichtigt, dass regio- und 2018 in den westlichen Bundesländern von 76 auf 56 nal sehr unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen vorzufinden Prozent gesunken, in den östlichen von 63 auf 45 Prozent. In sind. So weist Bremen einen vergleichsweise hohen indust- Bremen fiel der Anteil tariflich Beschäftigter zwischen 2008 riellen Sektor, einen ausgeprägten öffentlichen Dienst und und 2018 von 67 auf 55 Prozent. Auf den ersten Blick sieht relativ viele Großunternehmen auf – Faktoren, die tarifli- es so aus, als bewegte sich das kleinste Bundesland mit die- che Regelungen grundsätzlich eher begünstigen. „Vor die- sen Zahlen im stabilen Mittelfeld. „Das ist aber nur ein ober- sem Hintergrund müsste die Tarifbindung hier eigentlich viel flächlicher Eindruck“, sagt Professor Thorsten Schulten vom höher sein“, meint Schulten. — 18
Studie BAM — September / Oktober 2020 Im Auftrag der Arbeitnehmerkammer hat das WSI gerade Tarifflucht aufgefallen ist. „Wir beobachten dort eine wach- zusammen mit dem Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) sende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse“, berichtet der Universität Bremen eine Studie zur Tarifbindung und Arbeitswissenschaftler Andreas Friemer vom iaw. „In Ver- Tarifflucht im Land Bremen erstellt. Ein weiteres Ergebnis bindung mit dem zunehmenden Verlust von Vollzeitstellen dieser Untersuchung ist, dass der Anteil tarifgebundener steigt gerade für die im Einzelhandel beschäftigten Frauen Betriebe in keinem anderen Bundesland so drastisch sank auch die Gefahr der Altersarmut.“ Als Positivbeispiel steht wie in Bremen – nämlich zwischen 2000 und 2018 von 38 dem das Hotel- und Gaststättengewerbe gegenüber, wo sich auf nur noch 17 Prozent. „Das zeigt, dass es die nach wie die Bremer Tarifparteien im vergangenen Herbst auf eine vor vergleichsweise hohe Tarifbindung bei den Beschäftigten Fortsetzung des bereits seit 2016 gültigen allgemein verbind- vor allem deswegen gibt, weil die Wirtschaft hier überdurch- lichen Tarifvertrags geeinigt haben (s. Info-Kasten). Der Ent- schnittlich stark von Großunternehmen geprägt wird“, erläu- gelttarifvertrag gilt damit für alle im Land Bremen Beschäf- tert Schulten. Einer der wesentlichen Gründe für die bun- tigten, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. desweite Tendenz zur Tarifflucht seit der Jahrtausendwende „Die AVE ist eine gute Möglichkeit, für einen fairen Wett- ist nach seiner Aussage, dass die Arbeitgeberverbände den bewerb und vergleichbare Arbeitsbedingungen zu sorgen“, Unternehmen seither eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung macht Friemer deutlich. anbieten, die sogenannte OT-Mitgliedschaft. Warum die Situ- ation in Bremen besonders alarmierend ist, kann der Wissen- Die Bremer Landesregierung weiß um die Bedeutung dieses schaftler anhand der Datenlage nicht vollständig erklären. Themas und hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, an „Es sieht so aus, dass es hier bei neu gegründeten und klei- einer Ausweitung der Tarifbindung arbeiten zu wollen. neren Unternehmen eine besondere Neigung gibt, sich nicht „Dafür wäre es wichtig, sich auf Bundesebene für eine Stär- an Tarife zu halten.“ kung der AVE einzusetzen“, sagt Marion Salot. „Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn nur noch eine Partei den entsprechenden Antrag einreichen müsste und die Arbeit- geber im Tarifausschuss ihr Veto-Recht verlieren würden.“ Einen weiteren zielführenden Ansatz sieht die Referentin in „Tarifverträge bieten einen wichtigen einer Überarbeitung des Bremer Tariftreue- und Vergabege- setzes – und zwar dahingehend, dass bei der Vergabe öffent Schutz, weil sie Standards licher Aufträge nur noch solche Unternehmen zum Zuge kom- für alle zentralen Arbeitsbedingungen men, die sich an Tarifverträge halten. Und nicht zuletzt ist es nach ihrer Aussage wichtig, für eine gute gewerkschaftliche festschreiben.“ Organisation und das Gründen von Betriebsräten zu werben. Marion Salot, Arbeitnehmerkammer Bremen Denn, so Salot: „Starke Gewerkschaften und Betriebsräte sind ein Schlüssel für die Durchsetzung von Tarifverträgen.“ Weniger Geld für mehr Arbeit Für die Beschäftigten ist diese Entwicklung mit zum Teil erheblichen negativen Folgen verbunden. „Insgesamt bie- ten Tarifverträge einen wichtigen Schutz für Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer, weil sie Standards für alle zen- tralen Arbeitsbedingungen festschreiben“, betont Marion Salot, Referentin für Wirtschaftspolitik und Gleichstellung bei der Arbeitnehmerkammer. So hat die Studie ergeben, dass Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) in Bremen durchschnittlich gut eine Stunde länger arbeiten müssen und zehn Prozent weniger verdienen als Beschäftigte Das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) in tarifgebundenen Betrieben. In einigen Branchen können besagt, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt die Löhne in Unternehmen mit Tarifbindung sogar bis zu werden können, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies 30 Prozent höher sei. „Zur sozialen Absicherung ist es darum gemeinsam beantragen und die AVE „im öffentlichen Inte- enorm wichtig, dass die Tarifbindung wieder ausgeweitet resse geboten erscheint“. In diesem Fall wird der entspre- wird“, meint Salot. chende Tarifvertrag auch für die bis dahin nicht tarifge- bundenen Unternehmen und ihre Beschäftigten innerhalb Die aktuelle Studie zur Tarifbindung im Land Bremen stellt der jeweiligen Branche und des räumlichen Geltungsbe- neben der Datenlage auch die Besonderheiten in unter- reichs verbindlich. In der Praxis scheitert die AVE häufig schiedlichen Branchen dar, die an den Wirtschaftsstandor- am Widerstand der Arbeitgeber. Der für die Entscheidung ten Bremen und Bremerhaven eine besonders wichtige Rolle zuständige Tarifausschuss ist paritätisch mit jeweils drei spielen. Als eines der Negativbeispiele wird dort der Ein- Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt und muss zelhandel benannt, der mit 28.000 Beschäftigten (davon nach aktueller Gesetzeslage mit einer Mehrheit für die AVE 70 Prozent weiblich) die viertgrößte Branche im Land dar- stimmen, damit sie in Kraft tritt. stellt und in den vergangenen Jahren durch systematische — 19
Sie können auch lesen