Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...

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Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Bremerhaven    September /  Oktober 2020

                  Neue Ideen für grünes
                      Wirtschaften
                    So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel

Weniger Geld für mehr Arbeit          Der verlorene Jahrgang           Weiterbildung im Netz
Studie: Tarifflucht in Bremen         Ausbildungssuche in der          Wie Corona der Digitalisierung auf die
alarmierend                           Pandemie                         Sprünge hilft
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
BAM — September / Oktober 2020                                                             Inhalt

      Galerie der Arbeitswelt                       Dauereinsatz - Entlastung für die Hände   Studie: Tarifflucht in Bremen alarmierend
      Seite 16                                      Seite 10                                  Seite 18

      Inhalt                                                               SERVICE & BERATUNG

                                                                           10
                                                                               Arbeit & Gesundheit
                                                                           			 Im Dauereinsatz — Entlastung für die Hände

                                                                           11			 Fragen & Antworten
      THEMEN                                                               			 Beruf und Pflege — miteinander vereinbaren

      			 Schwerpunkt                                                      22			    Alles, was Recht ist
      6			Neue Ideen für grünes Wirtschaften                                        Rechtstipp / Rechtsirrtum: Wenn ich meine
      			 So begegnen Bremens Betriebe dem                                          volle Rente bewilligt bekommen habe, muss
      			 Klimawandel                                                               ich nicht mehr kündigen

      14
        Der verlorene Jahrgang                                             23
                                                                               Drei Fragen
        Ausbildungssuche in der Pandemie
      			                                                                  			 zu Kindern und Steuern

      18		  Studie: Tarifflucht in Bremen alarmierend
            Seit der Jahrtausendwende geht die Tarif-                      IN JEDEM HEFT
            bindung in ganz Deutschland stetig zurück,
            was für die betroffenen Beschäftigten                          3			Editorial
            erhebliche negative Auswirkungen hat
        		                                                                 4			Die Bremer Arbeitswelt in Zahlen
      20			 Von der Komfort- in die Lernzone                               			 Online-Shopping verändert den Einzelhandel
            Weiterbildung im Netz: Wie Corona der
      			 Digitalisierung auf die Sprünge hilft                            5			Kurz gemeldet

                                                                           12			 Tipps & Termine

                                                                           16			 Galerie der Arbeitswelt
                                                                           			 Maskenbildner/in
                                      Aktuelle politische Inhalte          			 Die Kunst der Verwandlung
        BAM                          und Service-Informationen

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                                        (@ANK_HB), facebook

                                e    (Arbeitnehmerkammer Bremen),          23			    Cartoon
                 er.d
  bam@ ehmerkamm                          ­YouTube und Xing.
         n
  arbeit                                                                   24			    Beratungsangebote & Öffnungszeiten

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Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
Editorial                                                  BAM — September / Oktober 2020

                                                        EDITORIAL

               #first7jobs
                                                        City entwickeln
               Unter dem Twitter-Hashtag
                #first7jobs erfährt man endlich,
               wie Karrieren gestartet wurden.
                                                        – auch als
               Kellner? Babysitter? Oder doch
                eher Marketing-Hase in der Fuß-
                gängerzone? Wir wollten ­wissen,
               wie prominente Bremerinnen und
                                                        Arbeitsort
               ­Bremer ihre Berufslaufbahn be­­
                gonnen haben.

               Bereits als Schülerin begibt sich
                Isa Fischer am liebsten mit Zei-
                chenstift oder Tusche auf Spuren­
                suche und zeichnet so z  ­ iemlich
                alles, was ihr im Alltag oder auf
               Reisen begegnet. Direkt nach
                dem Grafikdesign-Studium an
                der Kunsthochschule macht sie
                                                                                    Peter Kruse
                sich mit ihrem Gestaltungsatelier
                                                                                 Präsident der
                selbstständig. 2012 entsteht die
                                                                          Arbeitnehmerkammer
               Idee, in Bremen und umzu Häuser
                                                                                      Bremen
                als Auftragsarbeiten zu zeichnen.
               Seitdem sitzt die Stadt­zeichnerin
                bei Wind und Wetter mit Aquarell-
               farbe, Pinsel und Klappstuhl vor         Liebe Kolleginnen und Kollegen,
               Privathäusern oder öffentlichen
                Gebäuden und lässt sich durch           fast 30.000 Menschen arbeiten in der Bremer Innenstadt – nirgends in der Stadt
                nichts aus der Ruhe bringen.            gibt es eine höhere Arbeitsplatzdichte. Und doch wird allzu oft, wenn wir über
               Am Ende entstehen einmalige              die City sprechen, hauptsächlich von Stadtentwicklung gesprochen – und zu
               ­Bilder – kleine Kunstwerke und          wenig über Beschäftigung.
               wunderbare Erinnerungen für die
                Menschen, die in den Gebäuden           Trauriger Anlass für die zahlreichen Debatten zur Innenstadt waren zuletzt die
                leben oder arbeiten.                    Ladenschließungen, sie treffen das Oberzentrum Bremen empfindlich. Und das
                                                        sind nicht einfach Einzelereignisse. Nicht erst seit und mit Corona verlieren die
                  Arbeit in einem Baguette-Laden        Ladengeschäfte Umsatz an den Onlinehandel. Die ganze Branche steht unter
                  Obst und Gemüse auf einem             Druck – der allzu oft direkt an die Beschäftigten weitergegeben wird. Durch Aus-
                  Wochenmarkt verkaufen                 stieg aus dem Tarif oder Personalabbau.
                  Im Kaufhaus Waren auszeichnen
                  und Regale auffüllen                  Es ist also richtig, die Innenstadt nicht bloß als Konsumzone zu sehen, der Feh-
                  Zigarettenpromotion im Super-         ler wurde lange Zeit gemacht. Heute muss es in der „guten Stube“ um Woh-
                  markt (als Nichtraucherin)            nungen gehen, um Dienstleistungen, Arztpraxen, IT-Büros, Architekten, Kanz-
                  Kulissen malen (Bremer ­Theater)      leien – die großstadttypischen wissensintensiven Dienstleistungen müssen hier
                  Mitarbeit an Bühnenbildern fürs       attraktive Räume finden und weiter wachsen. Wo Arbeit ist, da ist auch Leben –
                  Fernsehen von Radio Bremen            schon deshalb müssen wir auf den City-Gipfeln über die Innenstadt als Arbeits-
                                                        platz sprechen.

                                                        Und was den Einzelhandel betrifft: Die Städte brauchen mehr inhabergeführte,
                                                        unverwechselbare Läden. Denn eines ist tödlich: eine austauschbare Innenstadt
                                                        ohne Gesicht und Profil. Dabei nicht vergessen: Im Einzelhandel ist die Tarifbin-
                                                        dung im Sturzflug. Wenn hier gefördert wird, dann bitte an Tarife binden!
Foto: privat

                                                        Ihr Peter Kruse

                           Isa Fischer                  ­Kontakt:     bam@arbeitnehmerkammer.de

                                                                                                                                            — 3
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BAM — September / Oktober 2020

      DIE BREMER ARBEITSWELT IN ZAHLEN

      Online-Shopping verändert                                                                  In den vergangenen zehn Jahren

      den Einzelhandel                                                                            ist die Beschäftigung im Einzel-
                                                                                                    handel zwar leicht gestiegen.
                                                                                                      Gleichzeitig wurden aber
                                                                                                   Vollzeitstellen abgebaut.
      Rund 28.000 Beschäftigte sind im Land Bremen                                                 Hiervon waren vor allem
      im Einzelhandel tätig. Der Onlinehandel verschärft                                              Frauen betroffen.
      jedoch zunehmend den Wettbewerb: Mittlerweile
      wird jeder neunte Euro beim Internet-Shopping
      ausgegeben. Die Corona-Pandemie könnte diesen
      Trend noch beschleunigen.

      Beschäftigungsentwicklung                                          Umsatzentwicklung im Onlinehandel
      im Einzelhandel im Land Bremen                                     in Deutschland
                      (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte)
                                                                             in Mrd. Euro                                                   59,2
                                                                                                                                     48,9
                                                                                                                              39,9
                                     18.601
                                                           20.325                                                        32
                                                                                                                  24,4
                                                                                                           15,6
                                                                                                 10,4
                                     2009                      2019                        6,4
                                                                               1,6     3

                                                                                        09
                                                                                        03

                                                                                        05

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                                                                                                                                                           Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; HDE Handelsverband Deutschland: Online Monitor 2020
                                                                               01

                                                                                        19
                                                                                        13

                                                                                        15

                                                                                        17
                                                                                        11
                                                                                     20

                                                                                     20
                                                                                     20

                                                                                     20
                                                                             20

                                                                                     20
                                                                                     20
                                                                                  20

                                                                                     20

                                                                                     20
      Beschäftigungsstruktur im Bremer Einzelhandel

                            Männer       Frauen                          Anteil des Onlinehandels nach Branche
                                          4.835                          in Prozent (2019)

                                                                                     Elektro     33,8
                                            9.142
                             2.623
                             1.785                                            Fashion und
                                                                                                 30
                                          4.803                               Accessoires
                             4.595
                                                                              Freizeit und
                     Minijobs        Teilzeit       Vollzeit                                     28,9
                                                                                    Hobby

       70 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen.                Büro und                                                 11 Prozent des
                                                                                                 24,6
       Nur noch jede vierte von ihnen hat eine Vollzeitstelle.              Schreibwaren                                                 Einzelhandels-
                                                                                                                                        Umsatzes werden
                                                                            Schmuck und
                                                                                                 18,9                                         online
                                      Verlagsprodukte,                            Uhren
                                                                                                                                         erwirtschaftet.
                     Sonstiges        Sport- und Spielwaren
                                                                             Wohnen und
                                                                                                 15
     Informations- und                                                        Einrichten
  Kommunikationstechnik                                                   Gesundheit und
                                                          Bekleidung,                            14,3                                Vor allem bei
                                                          Schmuck               Wellness
 Möbel und Haushalts-                                                                                                          Elektro-Artikeln sowie
                                                          und Kosmetik   Heimwerken und                                       bei Mode und Accessoires
    geräte, Baumärkte                                                                            6
                                                                                 Garten                                          hat der Zuwachs im
                                                                                                                               Onlinehandel zu einem
           Nahrungsmittel                              Supermärkte und   Lebensmittel und                                        Umsatzrückgang im
                                                                                                     2,5
                                                       Warenhäuser         Drogerieartikel                                        stationären Handel
                                                                                                                                        geführt.
       6.500 Beschäftigte arbeiten im Verkauf von Bekleidung,
       Schmuck und Kosmetik, 6.400 in Supermärkten und
       Discountern. Damit arbeiten in beiden Bereichen rund zwei
       Drittel aller Beschäftigten im Einzelhandel.

— 4
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
BAM — September / Oktober 2020

                                                                     Ab 2. September
Kurz                                                                 neue Steuertermine
                                                                     Termine für die Steuer
                                                                                            beratung vergibt die Ar
                                                                                                                     beitnehmer-
                                                                                                                     KammerCard

gemeldet
                                                                                             e mit der kostenfreie n
                                                                     kammer nur noch onlin
                                                                     oder telefonisch.

                                                                      Weitere Infos unter
                                                                                             mer.de/steuerrecht
                                                                         www.arbeitnehmerkam

   www.arbeitnehmerkammer.de
                                                    Dem Hass keine Chance –
                                                    Preis an Bremerhavener
                                                    Oberschule
                                                    Für ihr Engagement gegen Ausgrenzung und Gewalt hat die Arbeit-
                                                    nehmerkammer Bremerhavener Schülerinnen und Schüler beim
                                                    Senats-Wettbewerb „Dem Hass keine Chance“ mit einem Sonder-
                                                    preis über 500 Euro ausgezeichnet. Der Preis ging an die Oberschule
                                                    ­Geestemünde und ihr Projekt „Meine lieben Kinder“. Die Gruppe hat
                                                     eine Szenische Lesung auf die Bühne gebracht, die den Briefwech-
                                                     sel der Bremerhavener Jüdin Jeanette Schocken zum Thema macht.
   Stand der Digitalisierung                         1938 waren ihre Kinder und Enkel nach der Reichspogromnacht ins
   in Bremer Betrieben und
                                                     Ausland geflohen. Mit der Vergabe des Sonderpreises will die Arbeit-
   Dienststellen
                                                     nehmerkammer junge Menschen ermutigen, sich gegen Ausgren-
                                                     zung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einzusetzen.

Digitalisierung in                                  Verlängerte
Bremer Betrieben                                    Bewerbungsfrist für
                                                    Zertifikatsstudium
Wo stehen Bremer Betriebe und Dienststellen in
puncto Digitalisierung, hat die Arbeitnehmer-       Die Bewerbungsfrist für den berufsbegleitenden Studiengang
kammer bereits zum zweiten Mal Interessen-          „Arbeitsbezogene Beratung“ wurde bis zum 31. Oktober 2020 ver-
vertretungen gefragt. Welche digitalen Techni-      längert. Ziel des Studienangebotes ist es, die Beratungskompetenz
ken werden bereits eingesetzt? Wie verändert        von betrieblichen Interessenvertretern zu stärken und dadurch zu
sich die Arbeit dadurch und sind die jeweiligen     professionalisieren. Der Abschluss kann darüber hinaus der beruf-
Interessenvertretungen in den Gestaltungspro-       lichen Weiterentwicklung dienen. Start ist corona-bedingt erst im
zess der Digitalisierung eingebunden? Antwor-       Januar 2021. Veranstalter des Studiengangs sind das Zentrum für
ten auf diese und weitere Fragen liefert die im     Arbeit und Politik (zap) der Universität Bremen in Kooperation mit
Sommer vorgelegte Auswertung.                       der Akademie für Weiterbildung und der Arbeitnehmerkammer.
                                                    Übrigens: Der Studiengang kann auch als Teil des bundesweit ersten
Weitere Infos unter                                 Masterstudiums für Betriebs- und Personalräte belegt werden.
     www.arbeitnehmerkammer.de/stand-der-digi-
talisierung                                         Weiter Infos unter       www.uni-bremen.de/mabo

Neue Spielzeit im Capitol beginnt
Unser Kabarett- und Satireprogramm im Bremerhavener Capitol kann im September end-
lich wieder starten – wenn auch unter besonderen Voraussetzungen und mit deutlich
begrenzter Anzahl an Plätzen. Wir freuen uns, Sie zu zahlreichen spannenden und unter-
haltsamen Veranstaltungen willkommen heißen zu können.

Das Programm finden Sie auf unserer Website unter                                           Zu Gast im Capitol: Linda Zervakis
   www.arbeitnehmerkammer.de/capitol                                                        (Foto: Elissavet Patrikiou)

                                                                                                                                 — 5
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
SCHWERPUNKT

Neue Ideen für grünes
    Wirtschaften
— So begegnen Bremens Betriebe dem
           Klimawandel

 An einer ökologischen Wende in allen Lebensbereichen führt
   kein Weg vorbei, darin sind sich Klima-Experten weltweit
    einig. Auch das industriell geprägte Bundesland Bremen
 steht dadurch vor großen Herausforderungen. Zugleich bietet
   der grüne Wandel aber auch vielfältige Möglichkeiten, den
       Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen

               Text: Anne-Katrin Wehrmann – Fotos: Jonas Ginter
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
Schwerpunkt                                                      BAM — September / Oktober 2020

                                          Bremen als traditionelles Industrieland
                                          steht dadurch vor großen Herausfor-
                                          derungen in allen Wirtschafts- und           „Klimaschutz oder
                                          Lebensbereichen. „Wir haben hier auf
                                          sehr kleiner Fläche einen bemerkens-
                                                                                     Arbeitsplätze? Von die-
                                          werten Mix an Industrie vereint“, erläu-   ser Denke müssen wir
                                          tert Tim Voss, Referent für Wirtschafts-
                                          politik bei der Arbeitnehmerkammer,
                                                                                      uns verabschieden.“
                                          und benennt beispielhaft die Stahl-,       Tim Voss, Arbeitnehmerkammer Bremen
                                          Auto- und Lebensmittelindustrien so-
                                          wie die Luft- und Raumfahrtbranche.
                                          „Diese Bereiche wollen wir nicht auf-

A
         ngefangen hat alles vor gut      geben, sondern wir müssen sie ökolo-
          zehn Jahren mit einer Idee:     gisch umgestalten, um sie zukunftsfä-      Die Schaffung zukunftsfähiger Arbeits-
           Der Energieverbrauch im        hig zu machen.“ Andernfalls bestehe        plätze – das ist auch eines der Kernan-
            Haus müsste sich doch         die Gefahr, dass dem Standort auch in      liegen der Bremerhavener Wirtschafts-
erkennbar senken lassen, wenn die         nachgelagerten Bereichen viele Arbeits-    förderung BIS. Gelingen soll das unter
Klimaanlage ausgeschaltet bleibt,         plätze verloren gingen.                    anderem mit einem Projekt, das in die-
bis der Gast tatsächlich sein Zimmer                                                 ser Form und Größe derzeit bundesweit
betritt. Seither ist eine ganze Menge     Zukunftsfähige Arbeitsplätze               einmalig ist: Im Süden der Stadt soll in
passiert. Neben der kontinuierlichen      Als Impuls für eine sozialverträgliche     fünf Bauabschnitten auf insgesamt 150
Reduzierung von Energie- und Mate-        Gestaltung der ökologischen Wende          Hektar das nachhaltige Gewerbegebiet
rialverbräuchen sowie anfallenden         im Land Bremen hat die Arbeitneh-          Lune Delta entstehen. BIS-Geschäfts-
Lebensmittelabfällen setzt das Atlan-     merkammer kürzlich ein Positionspa-        führer Nils Schnorrenberger geht davon
tic Hotel Sail City in Bremerhaven        pier zu diesem Thema veröffentlicht.       aus, dass dort in etwa vier Jahren die
unter anderem auf Ökostrom, ener-         Es beleuchtet unterschiedliche Wirt-       ersten Unternehmen aus dem Bereich
giesparende Küchengeräte, regio-          schafts- und Lebensbereiche und zeigt      der nachhaltigen Wirtschaft einziehen
nale Produkte, Bienenvölker auf dem       Handlungsmöglichkeiten auf – zum           könnten. „Je nach Größe werden wir
Hoteldach und ein von Beschäftig-         Beispiel bei der nachhaltigen Auf-         Platz für 50 bis 100 Betriebe haben“,
ten gebildetes Green-Team zur Ent-        stellung von Häfen und Logistik, der       meint er. „Wir wollen sowohl jungen
wicklung weiterer Ideen. Das sind         Gewinnung und Anwendung von grü-           als auch etablierten, kleinen wie gro-
nur einige von vielen unterschiedli-      nem Wasserstoff als nachhaltiger Ener-     ßen Unternehmen der Green Economy
chen Maßnahmen, mit denen sich der        giequelle oder der Offshore-Windener-      einen Heimathafen bieten.“ Schon im
Hoteldirektor und sein Team für Kli-      gie als Säule für die Energiewende.        Bebauungsplan sollen zudem verschie-
maschutz und Nachhaltigkeit einset-       Auch wenn Bremerhaven als Produk-          dene grüne Komponenten, wie eine
zen. „Wir haben früh entschieden,         tionsstandort hier in den vergangenen      Versorgung aus erneuerbaren Ener-
hier das grüne Segel zu setzen“, sagt     Jahren zahlreiche Arbeitsplätze ver-       gien oder die extensive Begrünung der
Hoteldirektor Tim Oberdieck. „Das         loren hat: „In der Forschung und Ent-      Gebäudedächer, festgeschrieben wer-
hat sich in jeder Hinsicht gelohnt.“      wicklung und auch beim Recycling der       den. In Zusammenarbeit mit Bremerha-
Zum einen seien die globalen Klima-       Offshore-Anlagen bieten sich künftig       vener Forschungspartnern ist darüber
schutzziele nur dann zu erreichen,        viele neue Beschäftigungspotenziale“,      hinaus ein Kompetenzzentrum Wasser-
wenn sich Akteure auf allen Ebenen        macht Voss deutlich. Insgesamt ist ihm     stoff geplant. „Wir stellen schon jetzt
dafür einsetzen. Und zum anderen          die Feststellung wichtig, dass die häu-    ein bundesweites Interesse an dem Pro-
zahle sich dieser Einsatz für das Hotel   fig diskutierte Frage „Klimaschutz oder    jekt fest“, berichtet Schnorrenberger.
ganz konkret auch betriebswirtschaft-     Arbeitsplätze?“ der falsche Ansatz sei.    „Umweltschutz ist langfristig ein wich-
lich aus.                                 „Von dieser Denke müssen wir uns           tiges Thema. Wir denken darum, dass
                                          verabschieden, beides lässt sich mit-      hier nachhaltige Arbeitsplätze entste-
Das Vier-Sterne-Hotel am Weserdeich       einander vereinbaren“, betont er und       hen werden.“
wurde für seine Bemühungen vor            verweist auf eine aktuelle Studie der
zwei Jahren mit dem Bremer Klima-         Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel     Bildungsoffensive als Grundstein
schutz-Preis ausgezeichnet und gilt als   „Jobwende – Effekte der Energiewende       Für ein umfassendes Bild, welche Chan-
Musterbeispiel dafür, wie sich ökologi-   auf Arbeit und Beschäftigung“. Klima-      cen sich der Seestadt durch den ökolo-
sche und ökonomische Ziele gewinn-        schutz sei insgesamt mit positiven wirt-   gischen Wandel bieten, finanziert die
bringend     miteinander     verbinden    schaftlichen Effekten verbunden, heißt     Arbeitnehmerkammer derzeit ein For-
lassen. Nicht erst mit dem Pariser Kli-   es da: „Aufgrund der Energiewende          schungsprojekt des Instituts Arbeit und
maabkommen von 2016 ist deutlich          entstehen in vielen Bereichen neue         Wirtschaft (iaw) der Universität Bre-
geworden, dass der Ausstoß von Treib-     Arbeitsplätze.“ Bei entsprechender poli-   men, dessen Ergebnisse Mitte kommen-
hausgasen im Großen wie im Klei-          tischer Flankierung könne das den Ver-     den Jahres vorliegen sollen. Der Titel:
nen reduziert werden muss, wenn die       lust von Jobs in anderen Wirtschaftsbe-    „Green Economy – eine Perspektive für
Erderwärmung keine unkontrollier-         reichen mehr als ausgleichen.              die Wirtschafts-, Beschäftigungs- und
baren Ausmaße annehmen soll. Auch                                                    Stadtentwicklung in Bremerhaven?“

                                                                                                                                — 7
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
BAM — September / Oktober 2020                                                            Schwerpunkt

                                                                                             Geschäftsführer Arne Kruse die Hin-
                                                                                             tergründe, vor denen die Idee entstan-
                                                                                             den ist. „Der Zugang zum Kunden wird
                                                                                             schwieriger, die Anzahl der Lieferun-
                                                                                             gen nimmt rapide zu, die Komplexität
                                                                                             der Innenstadtlogistik ebenso.“ Die Pra-
                                                                                             xis habe gezeigt, dass sich Standardpa-
                                                                                             kete mit dem Rytle-System bis zu 50
                                                                                             Prozent schneller ausliefern ließen als
                                                                                             bei der klassischen Zustellung mit Lie-
                                                                                             ferwagen. Und das Konzept kommt
                                                                                             an: Mittlerweile sind schon mehr als
                                                                                             1.000 Rytle-Fahrzeuge in weltweit gut
                                                                                             50 Städten – unter anderem in Europa
                                                                                             und den USA – auf der Straße. „Prak-
                                                                                             tisch alle großen Paketdienstleister der
                                                                                             Welt sind entweder schon im Boot oder
                                                                                             im Gespräch mit uns“, berichtet Kruse.
                                                                                             Rund 60 Arbeitsplätze sind nach sei-
                                                                                             ner Aussage an den unterschiedlichen
                                                                                             Standorten schon entstanden. Weitere
                                                                                             sollen folgen.

                                                                                             Grüner Wasserstoff für die
                                                                                             Industrie
                                                                                             Innovative Ideen wie diese wird es auch
                                                                                             weiterhin brauchen, wenn die ökologi-
                                                                                             sche Wende gelingen soll. Auch den
                                                                                             traditionellen Industriezweigen kommt
      Küchenchef Dominik Flettner vom Hotel Sail City in Bremerhaven
                                                                                             beim grünen Umbau des Wirtschafts-
      mit Imker Andreas Bredehorn
                                                                                             standorts allerdings eine entschei-
                                                                                             dende Bedeutung zu. Eine wichtige
                                                                                             Rolle könnte hierbei die Wandlung von
                                                                                             Wind­energie in Wasserstoff spielen, um
      Und auch in Bremen finden sich gute         Weiterbildung ebenso wie eine Erwei-       sie anschließend bedarfsgerecht nutzen
      Voraussetzungen für eine erfolgreiche       terung von passenden Studienangebo-        und energieintensive Industrien ver-
      Gestaltung der ökologischen Wende.          ten, sonst wird es schwierig.“             sorgen zu können. Die Universität Bre-
      „Wir haben hier viel Know-how, quali-       Die Verkehrswende einleiten und das        men hat hierzu gerade mit mehreren
      fizierte Fachkräfte und vergleichsweise     Gründungsgeschehen lebendig gestal-        Industriepartnern ein Forschungspro-
      immer noch gute finanzielle Ressour-        ten, um innovative grüne Produkte          jekt mit dem Titel H2B zur „graduel-
      cen“, macht Wirtschaftspolitikreferent      auf den Markt zu bringen und dabei         len Defossilisierung der Stahlindustrie
      Tim Voss deutlich. „Wer, wenn nicht         zugleich die Abhängigkeit von traditi-     und urbaner Infrastrukturen“ gestartet.
      wir, ist in der Lage, diesen Wirtschafts-   onellen Bestandsindustrien zu verrin-      „Schlüsselstelle wird ein Elektrolyseur,
      standort umzubauen?“ Ein wichtiger          gern: Das sind zwei weitere Punkte aus     der auf dem Gelände von ArcelorMit-
      Grundstein zum Gelingen sei aller-          dem oben erwähnten Kammer-Positi-          tal grünen Wasserstoff für Industrie-
      dings eine zielgerichtete Bildungsof-       onspapier. Für beide steht beispielhaft    und Verkehrsanwendungen herstellt“,
      fensive: „Wir brauchen umfangreiche         das 2017 gegründete Bremer Start-up        erläutert H2B-Projektleiter Christian
      Maßnahmen im Bereich der Aus- und           Rytle, das sich nicht weniger als eine     Schnülle vom Fachgebiet Resiliente
                                                  Revolution der City-Logistik zum Ziel      Energiesysteme der Uni. Das Bremer
                                                  gesetzt hat. Herzstück des Konzepts        Stahlwerk sei der größte CO2-Verur-
                                                  ist ein E-Lastenrad, das mit einer fer-    sacher Bremens und stoße derzeit so
                                                  tig kommissionierten Wechselbox bela-      viel Kohlendioxyd aus wie der gesamte
         „Wer, wenn nicht wir,                    den wird und dessen Fahrer die benö-       Rest der Stadt. „Wir müssen die Stahl-
        ist in der Lage, diesen                   tigten Informationen über eine eigens      werke in Deutschland grün bekom-
                                                  entwickelte Software via Smartphone        men“, macht Torben Stührmann, Team-
          Wirtschaftsstandort                     erhält. Leere Boxen lassen sich in mobi-   leiter des Fachgebiets, deutlich. „Ohne
             umzubauen?“                          len Depots schnell und unkompliziert       eine ökologische Wende werden die
                                                  gegen volle austauschen. „Für Logisti-     Arbeitsplätze nicht zu halten sein.“ In
      Tim Voss, Arbeitnehmerkammer Bremen
                                                  ker und Kuriere stellt die Urbanisierung   einem weiteren Schritt geht es darum,
                                                  der Städte eine wachsende Herausfor-       mit dem Industriehafen als „Transfor-
                                                  derung dar“, erläutert Mitgründer und      mationsplattform“ weitere Potenziale

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Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
BAM — September / Oktober 2020

                                                                                   KOMMENTAR
der Wasserstoffnutzung aufzuzeigen –      Unterdessen hat sich das Atlantic
zum Beispiel als Baustein einer euro-     Hotel Sail City mit seinem innovati-
päischen Wasserstoffinfrastruktur oder    ven Ansatz schon weit über Bremer-
als Motor für eine Mobilitätswende im     haven hinaus einen Namen gemacht.
Güterverkehr. Der Aufbau der Techno-      Hoteldirektor Tim Oberdieck erhält

                                                                                                                                Foto: Stefan Schmidbauer
logie sei zwar anfangs mit hohen Kos-     nicht nur regelmäßig überregionale
ten verbunden, räumt Stührmann ein.       Einladungen, um von den erreich-
„Aber für die kommenden 50 Jahre ist      ten Erfolgen zu berichten und emp-             Tim Voss,
das von essenzieller Bedeutung, weil      fängt Wirtschaftsvertreter sowie            Referent für
wir damit ein Umfeld schaffen, in dem     Studierende zur „grünen Hausfüh-            Wirtschafts­
sich die industriellen Strukturen über-   rung“. Er findet auch leichter als                politik
haupt erst erhalten lassen.“              andere Unternehmen qualifiziertes
                                          und motiviertes Personal. „Nach-
                                          haltigkeit ist definitiv ein Thema,
                                          mit dem junge Leute sich auseinan-

                                                                                      CO2-Minderung
                                          dersetzen“, sagt er. „Wir stellen in
        „Ohne eine ­                      Vorstellungsgesprächen immer wie-

                                                                                       als Jobmotor
    ökologische Wende                     der fest, dass sich viele ganz gezielt
                                          bei uns bewerben, weil sie hier mit-
        werden die                        wirken und eigene Ideen einbrin-
    Arbeitsplätze nicht                   gen können.“ Klimaschutz gegen
                                          den Fachkräftemangel – ein weite-
      zu halten sein.“                    res Argument, das künftig noch so
    Torben Stührmann, Universität         manchen Betrieb vom ökologischen
               Bremen                     Wandel überzeugen könnte.
                                                                                   Als traditionelles Industrieland ist Bremen
                                                                                   im Hinblick auf die ökologische Wende
                                                                                   mit besonderen Herausforderungen kon-
                                                                                   frontiert. CO2-Minderung und Klimaschutz
                                                                                   können nur mit massiven Investitionen in
                                                                                   Forschung, Wissenschaft und technische
                                                                                   Infrastrukturen bewältigt werden. Dass
                                                                                   man sich parteiübergreifend verständigt
                                                                                   hat, eine Enquete-Kommission zur Erar-
                                                                                   beitung einer Klimaschutzstrategie für Bre-
                                                                                   men zu bilden, ist ausdrücklich zu begrü-
 Klima-Planspiel zeigt: Es gibt keine einfachen                                    ßen. Diese Strategie muss aber auch die
 Lösungen                                                                          Umsetzung konkreter Projekte nach sich
                                                                                   ziehen.
 Wie lässt sich der Klimawandel sozial und gerecht gestalten? Wie                          Klimaschutz ist nicht nur ein Instru-
 können wegfallende Arbeitsplätze, etwa in der Industrie, ersetzt                  ment zur Reduzierung der Treibhausgase-
 werden? Mit diesen Fragen haben sich die Teilnehmerinnen und                      missionen. Sie ist ein zentrales Handlungs-
 Teilnehmer des Planspiels „Just Transition“ auseinandergesetzt,                   feld im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit
 das die Arbeitnehmerkammer zusammen mit der wisoak und dem                        unseres Wirtschaftsstandortes und den
 Kulturzentrum Schlachthof organisiert hat. Deutlich wurde: Einfa-                 Erhalt     von    Beschäftigungsverhältnis-
 che und schnelle Lösungen gibt es nicht. Die ökologische Wende                    sen. Mehr noch: Wissenschaftliche Stu-
 kann nur gelingen, wenn sie von möglichst vielen Akteuren getra-                  dien belegen eindeutig, dass ehrgeizige
 gen und im Dialog gestaltet wird. Während des Planspiels hat-                     Klimaschutzziele mit positiven beschäfti-
 ten die Teilnehmer unterschiedliche Perspektiven eingenommen                      gungspolitischen Effekten verbunden sein
 und Verhandlungen simuliert: zwischen verschiedenen staatlichen                   können. Ökologische Nachhaltigkeit und
 (Bundes- und Regionalregierungen) und nicht-staatlichen Akteu-                    Wohlstand sind daher nicht länger als
 ren - etwa Gewerkschaften, Energieerzeugern oder Verbänden der                    Gegensätze zu begreifen. Vielmehr wird
 Automobil- und Landwirtschaft. Dabei mussten sie einerseits kli-                  sich das Beschäftigungswachstum in den
 mapolitische Vorgaben einhalten und andererseits Effekte etwa                     Leitmärkten für Klimaschutztechnologien,
 für den Arbeitsmarkt im Auge behalten. „Die Diskussionen haben                    wie in der Wasserstoffwirtschaft, fortset-
 gezeigt, wie schwierig es ist, verschiedene Interessen zu einem so                zen. Vorhandene Forschungs- und Dienst-
 komplexen Thema zusammenzubringen. Denn: Jede Änderung in                         leistungsstrukturen – insbesondere in Bre-
 einem Bereich hat Auswirkungen auf einen anderen, deshalb ist der                 merhaven – stellen eine Basis dar, um sich
 Diskurs hier so wichtig“, betont Tim Voss, der das Planspiel für die              als Vorzeigestandort für Klimaschutz zu
 Arbeitnehmerkammer begleitet hat.                                                 etablieren.

                                                                                                                          — 9
Neue Ideen für grünes Wirtschaften - So begegnen Bremens Betriebe dem Klimawandel - Arbeitnehmerkammer ...
BAM — September / Oktober 2020                                                           Arbeit & Gesundheit

       Im Dauereinsatz
       — Entlastung
       für die Hände
       Text: Suse Lübker

       G
                   reifen, festhalten, heben, ziehen, schieben – ganz
                   selbstverständlich benutzen wir unsere Hände im
                   Alltag und merken meist oft erst bei einer Ver-
                   letzung, wie sehr wir auf sie angewiesen sind. In
       ­vielen Berufen werden die Hände besonders beansprucht,
        auf der Baustelle natürlich, aber auch im Lebensmittelhand-
        werk – so leistet ein Schlachter echte Knochenarbeit, wenn er
        am Fließband Fleisch zerlegt. Und was wären eine Geigerin,      gereizt. Nicht selten führt der Dauereinsatz der Hände sogar
        ein Maler oder eine Physiotherapeutin, wenn das wertvollste     zu Knochen- und Gelenkschäden oder zu Durchblutungs­
        Arbeitsmittel ausfällt?                                         störungen in den Fingern. Ganz typisch für „Handarbeiter“
                                                                        sind Sehnenscheidenentzündungen oder Druckschädigungen
       Problem Überbeanspruchung                                        der Nerven (Karpaltunnelsyndrom).
       Besonders hoch ist das Gesundheitsrisiko für Menschen, die
       täglich und über einen langen Zeitraum an vibrierenden           Handschutz ist Arbeitsschutz
       Maschinen arbeiten oder schwere Geräte mit hohem Kraft-          Doch wie können Fehl- und Überbelastungen verhindert
       aufwand bedienen – etwa Schlosser, Maurer oder Schleifer.        ­werden? Laut Arbeitsschutzgesetz muss der Arbeitgeber für
       Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin           die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten sorgen. Wie
       (BAuA) sind circa 1,8 Millionen Beschäftigte in Deutschland       sich Gefährdungen am besten beurteilen lassen, weiß Jörg
       allein durch Hand-Arm-Vibrationen gesundheitsgefährdend           Feldmann von der BAuA: Er empfiehlt die sogenannte Leit-
       belastet. Aber auch Kassiererinnen, die stundenlang Waren         merkmalmethode, mit der Belastungen am Arbeitsplatz in
       über den Scanner ziehen, beanspruchen mit ihrer Arbeit die        einem Punktesystem bewertet werden. „Die Methode ist für
       Hände und Handgelenke einseitig. Die Folge: Die Hände             die Praxis gut nachvollziehbar, mit dem Ampelsystem lässt
       schmerzen, die Muskeln ermüden oder die Sehnen sind               sich schnell erfassen, wann ein Arbeitnehmer besonders
                                                                         gefährdet ist und wo Maßnahmen ansetzen müssen.“

                                                                        Symptome ernst nehmen
                                                                        Es gibt viele Arten, seine Hände bei der Arbeit zu schützen,
                                                                        von ergonomisch gut gestalteten Werkzeugen über Schutz-
                                                                        handschuhe bis hin zu Bewegungs- und Entspannungs­
                                                                        übungen. Eine wichtige Rolle spiele die Arbeitsorganisation,
                                                                        so Feldmann: „Dabei sollten generell Fehlbelastungen durch
                                                                        einseitige und anspannende Arbeitsausführungen vermieden
                                                                        werden. Tätigkeitswechsel können entlasten. Ist das nicht
                                                                        möglich, können Bewegungspausen helfen.“ Wichtig sei es,
                                                                        so Feldmann, Symptome ernst zu nehmen und bei S  ­ chmerzen
                                                                        rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um ernsthafte Erkrankungen
                                                                        zu verhindern.

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Fragen & Antworten                                                       BAM — September / Oktober 2020

Beruf und Pflege
— miteinander
vereinbaren
Etwa jeder elfte Beschäftigte ist neben seinem

                                                                                                                                          Foto: iStock / FredFroese
Job auch für einen pflegebedürftigen Menschen
verantwortlich. Und etwa drei Viertel der Pflegen­
den sind Frauen

                                                                           Pflegebedürftigkeit verändert das Familienleben stark
                                                                           und kann sich auf die Erwerbstätigkeit auswirken

Text: Meike Lorenzen                      3.     Ich muss mich um einen
                                                 akuten Pflegefall kümmern.
                                                                                       5.    Wird das Pflegegeld
                                                                                             auf das Arbeitslosengeld
                                                 Wie organisiere ich das bei                 angerechnet?
                                                 der Arbeit?                          Nein, das Pflegegeld (SGB XI) wird
                                          Bei akuten Situationen haben in allen       nicht auf das Arbeitslosengeld (ALG I)
 1.    Wer wird von der Pflege-
       versicherung finanziell 		         Betrieben Beschäftigte das Recht auf        angerechnet, sofern privat gepflegt
       unterstützt?                       unbezahlte Freistellung bis zu zehn         wird. Wer jedoch aufgrund der Pflege-
Leistungen der Pflegeversicherung         Arbeitstagen. Bis 30. September greift      tätigkeit keine 15 Stunden pro Woche
erhält nur, wer in einen Pflegegrad       eine Sonderregelung. Aufgrund der           mehr arbeiten kann, erhält kein ALG I.
eingestuft wird. Dies geschieht, wenn     Corona-Pandemie wurde der Zeit-
eine zu pflegende Person regelmäßig       raum auf 20 Tage verlängert, sofern
und dauerhaft Hilfe benötigt – etwa bei   eine akute Pflegesituation aufgrund
der Körperpflege, Nahrungsaufnahme,       COVID-19 auftritt. Die Verhinderung
Mobilität, Haushalt, Kommunikation        und die voraussichtliche Dauer müssen
und anderem. Den Antrag stellen Sie       dem Arbeitgeber sofort mitgeteilt wer-      Ausführliche Informationen
bei Ihrer Pflegekasse über die Kranken-   den. Auf Verlangen muss ein ärztliches      (auch zu Alzheimer und Demenz­
kasse.                                    Attest über die Pflegebedürftigkeit vor-    erkrankungen) finden Sie in unse-
                                          gelegt werden. Für die Zeit der Freistel-   rem Infoblatt „Arbeit und Pflege“
                                          lung können Sie Pflegeunterstützungs-
2.      Wie können Pflegende ihren
        Alltag besser organisieren?       geld bei der Pflegekasse beantragen.
                                                                                      aus der Reihe „Gesundheit!“.
                                                                                          www.arbeitnehmerkammer.de/
Beziehen Sie Familie, Freunde oder                                                    gesundheit
Nachbarn in die alltägliche Arbeit
oder organisatorische Fragen (Heim
                                          4.       Was ist, wenn ich länger-
                                                   fristig pflege?                    Mitglieder erhalten die Infoblätter
oder Hauspflege?) mit ein. Informie-      Hier können Regelungen aus unter-           aus der Reihe „Gesundheit!“
ren Sie sich über Hilfe wie „Essen auf    schiedlichen Gesetzen genutzt ­werden.      kosten­los in allen Geschäfts­
Rädern“ oder Abhol- und Fahrdienste.      Das Pflegezeitgesetz ermöglicht eine        stellen der Arbeitnehmerkammer.
Ganz wichtig: Planen Sie Auszeiten für    Freistellung von bis zu sechs M­ onaten,
sich selbst ein! Sprechen Sie außerdem    um nahe Angehörige zu Hause zu
selbstbewusst mit Ihrem Arbeitgeber.      ­pflegen. Außerdem ist eine Freistellung
Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege     bis zu drei Monate für die Begleitung in
ist auch Aufgabe für Führungskräfte        der letzten Lebensphase möglich. Über
und Interessenvertretungen.                das Familienpflegezeitgesetz kann die
                                           Arbeitszeit über einen Zeitraum von
                                           bis zu zwei Jahren auf 15 Stunden in
                                           der Woche reduziert werden. Lassen Sie
                                           sich juristisch beraten!

                                                                                                                                   — 11
BAM — September / Oktober 2020                                       Tipps & Termine

       Tipps &
       Termine
                                                                                                  Barbara Röpke

       AUSSTELLUNGSTIPP                                                                           Ausstellung: Barbara
                                                                                                  Röpke – Gedankenstriche,
       Jetzt aber Kunst                                                                           3. September bis 29.
                                                                                                  Oktober
       Nach der Arbeit die Ausstellungen in der                                                   Forum, Barkhausenstr. 16,
       Kunsthalle Bremen kennenlernen? Mit fünf                                                   Bremerhaven
       Euro (inklusive Eintritt) sind KammerCard-
       Inhaber dabei. Wir freuen uns, dass wir in
       ­diesem Jahr doch noch drei Feierabend-­          Foto: Kunsthalle Bremen / Marcus Meyer
        Führungen anbieten können: Gewinnen Sie
        am 29. September einen Einblick in die neue Dauerausstellung „Remix 2020. Die
        Sammlung neu sehen“. Am 27. Oktober heißt es „Zeit für ein Meisterwerk – Eine
        Stunde. Ein Bild. Ungezählte Möglichkeiten“. Eine völlige neue und unvergessliche
        Form der Werkbetrachtung! Unsere letzte Führung in diesem Jahr am 24. November
        hat schließlich „Die Picasso-Connection. Der Künstler und sein Bremer Galerist“ zum
        Thema. Sichern Sie sich frühzeitig einen Platz.
        Anmeldung mit KammerCard-Nummer:              kammercard@arbeitnehmerkammer.de            Foto: Cosima Hanebeck
        oder     0421 . 3 63 01 0
                                                                                                  Eine Brecht-Revue –
            www.arbeitnehmerkammer.de/kunsthalle
                                                                                                  Lieder von Bert Brecht
            www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard
                                                                                                  mit Projektionen von
                                                                                                  Jürgen Strasser
                                                                                                  4. Oktober, 19 Uhr
                                   BUCH-TIPP
                                                                                                  Bötjersche Scheune, Bauern-
                                                                                                  reihe 3, 27726 Worpswede
                                   Love first, work second                                        10. Oktober, 20 Uhr
                                   Pfeif auf die Arbeit, lass uns lieben!                         Kultursaal, Bürgerstr. 1,
                                                                                                  Bremen
                                   Elisabeth Gatt-Iro und Stefan Gatt:
                                   Love first, work second
                                   Pfeif auf die Arbeit, lass uns lieben!
                                   Orac, 2020, 205 Seiten

                                    Haben Sie manchmal auch das Gefühl, dass Ihr Beruf an
                                    erster Stelle steht, Ihr Privatleben zu kurz kommt und Sie
                                    den Arbeitsärger immer öfter mit nach Hause nehmen?
                                    Wie Sie es schaffen, Ihr Verhalten zu ändern und Ihre
       Paar-Beziehung auf den ersten Platz zu stellen vor Karriere und Arbeitsstress,
       beschreiben die beiden Experten Elisabeth Gatt-Iro und ihr Ehemann anschaulich             Kübra Gümüsay,
                                                                                                  Foto: Paula Winkler
       mit vielen Fallbeispielen. Sie greifen auf persönliche Erfahrungen zurück, geben
       Beziehungstipps und Anleitung zur Selbstreflexion. Ziel                                    „Sprache und Sein” – Kübra
       dieses Buches ist es, die Paar-Beziehung zu stärken und                                    Gümüsay – Lesung – In
       eine optimale Love-Work-Balance zu finden.                                                 Kooperation mit globa-
                                                                                                  le°-Festival für grenzüber-
                                                                                                  schreitende Literatur und
                                                                                                  OUT LOUD Bremen
                                                                                                  29. Oktober, 20 Uhr
       Dieses Buch können Sie in der Stadtbibliothek ­ausleihen. KammerCard-Inhaber
                                                                                                  Capitol, Hafenstraße 156,
       erhalten auf die BIBCARD der Stadtbibliothek zehn Prozent ­Er­­mäßi­gung!
                                                                                                  Bremerhaven
          www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard

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Veranstaltungskalender                                                       BAM — September / Oktober 2020

                                                                                                                        finden unsere
                                                                                                       rona-Pandemie
                                                                                     Aufgrund der Co                     Teilnehmerzahl
                                                                                                        mit begrenzter
                                                                                     Veranstaltungen                                    .

Veranstaltungen                                                                      statt. Wir bitten
                                                                                                       daher um vorher
                                                                                         Bitte informiere
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                                                                                                           n Sie sich vor de
                                                                                                       ng auf unserer
                                                                                                                             m Be su
                                                                                                                       Website über
                                                                                                                                     ch

                                                                                      der Veranstaltu
                                                                                                         ngen.
                                                                                      mögliche Änderu
    BREMEN & BREMEN-NORD

                         Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“
22. September               Gehalt – was Beschäftigte wissen sollten – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen
29. September               Rücken – Reha – Rente? – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen
29. September               Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld – Lindenstraße 8, Bremen-Nord
6. Oktober                  Kinder und Steuern – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen
27. Oktober                 Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld – Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen
je 18 – 19.30 Uhr        Anmeldung erforderlich!
                         Bremen:    0421 . 3 63 01-28 oder    recht@arbeitnehmerkammer.de
                         Bremen-Nord:      0421 . 6 69 50-0 oder    nord@arbeitnehmerkammer.de

23. September            Zukunft der Rente
17 – 19.30 Uhr           Maritim Hotel & Congress Centrum Bremen (Hanse Saal), Hollerallee 99, 28215 Bremen

                         Reihe für Betriebs- und Personalräte: Arbeitsalltag in Corona-Zeiten
23. September                Funktionierender Arbeitsschutz in Zeiten der Pandemie und darüber hinaus
7. Oktober                   Wirtschaftsausschuss jetzt besonders wichtig
je 15 – 17 Uhr           beide Veranstaltungen im Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen

28. September            Heimat – Eine Besichtigung des Grauens – Szenische Lesung von und mit Thomas     Entfä llt und wird
                                                                                                              Ebermann
                                                                                                            ch ge  holt!
20 Uhr                   und Thorsten Mense – Heimatmuseum Schloss Schönebeck, Im Dorfe 1–3, 28757 Bremen na

                         Feierabend-Führungen in der Kunsthalle
29. September               Remix 2020. Die Sammlung neu sehen
27. Oktober                 Zeit für ein Meisterwerk – Eine Stunde. Ein Bild. Ungezählte Möglichkeiten
je 18.30 Uhr             Anmeldung:      kammercard@arbeitnehmerkammer.de oder         0421 . 3 63 01 0

7. Oktober               „Ich nix Nazi“ – Das Kriegsende 1945 in Bremen aus britischer und amerikanischer
19 Uhr                   Perspektive – Bildvortrag von Dr. Diethelm Knauf – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen

8. Oktober               MENETEKEL – Stephan Schrader (Cello) spielt Präludien von Mieczyslaw Weinberg zu
20 Uhr                   Projektionen des Medienkünstlers Safie Etiel – Denkort Bunker Valentin, Rekumer Siel, 28777 Bremen

10. Oktober              Eine Brecht-Revue – Lieder und Geschichten von Bert Brecht mit Projektionen von
20 Uhr                   Jürgen Strasser – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen

23. Oktober              Nichts ist, wie es scheint – Vortrag zu Verschwörungstheorien von Prof. Dr. Michael Butter,
20 Uhr                   Universität Tübingen – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen

27. Oktober              Spurwechsel – Workshop zur Berufsweggestaltung und Kompetenzbilanzierung für Betriebs-
9 – 16.30 Uhr            und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen

30. Oktober              Karosh Taha und Deniz Utlu – Doppellesung – In Kooperation mit globale°-Festival für
19 Uhr                   grenzüberschreitende Literatur – Kultursaal, Bürgerstr. 1, Bremen

    BREMERHAVEN

3. September             Ausstellung: Barbara Röpke – Gedankenstriche – Forum, Barkhausenstr. 16, Bremerhaven
bis 29. Oktober          Anmeldung zur Ausstellungseröffnung erforderlich unter   0471 . 9 22 35-15 oder
                           kultur@arbeitnehmerkammer.de

                         Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“
15. September               Zurück in den Beruf – Der Spagat zwischen Kind und Beruf
22. September               Flexirente – so geht’s
27. Oktober                 Digitale Arbeit – Meine Daten im Job
je 17 – 18.30 Uhr        Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven
                         Anmeldung erforderlich unter     0471 . 9 22 35-0 oder va-bhv@arbeitnehmerkammer.de

Capitol                      Infos unter: arbeitnehmerkammer.de/capitol

Weitere Veranstaltun­gen und ­Informationen unter             www.arbeit­nehmer­kammer.de/veranstaltungen

                        = für alle      = für Politikinteressierte     = für Betriebs- und Personalräte
                                                                                                                                  — 13
BAM — September / Oktober 2020
                                 2016

               Der verlorene Jahrgang
                — Ausbildungssuche
                  in der Pandemie
                  Wer sich aktuell bewirbt, hat es schwer. Die Corona-Krise hat
               nicht nur für Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit gesorgt – sie hat auch
                            den Ausbildungsmarkt schrumpfen lassen

                                                                      in Kurzarbeit“, so Geraedts. Die Ausbildung von Fachkräfte-
       Text: Meike Lorenzen                                           nachwuchs rückte erst einmal weit in den Hintergrund.
       Fotos: Kay Michalak
                                                                      Für den Übergang in Ausbildung braucht es die Schulen
       16 Prozent weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahresmo-       In dieser chaotischen Gemengelage suchen junge Männer
       nat standen im Juni bei der Berufsberatung der Agentur für     und Frauen einen Ausbildungsplatz. Unterstützung finden sie
       Arbeit im Land Bremen zur Vermittlung an. „Für ­Bremen ist     unter anderem bei der Jugendberufsagentur. In Bremerha-
       das dramatisch. Das Land stand bei der Zahl der Ausbildungs-   ven arbeitet dort Swantje Hüsken. „Wir standen mit Corona
       plätze schon vor Corona nicht gut da“, sagt Regine Geraedts,   vor der großen Herausforderung, wie wir die Jugendlichen
       Referentin für Arbeitmarktpolitik der Arbeitnehmerkam-         überhaupt erreichen können“, sagt Hüsken. Die Pandemie
       mer Bremen. Nach dem Einbruch durch die Finanzkrise            hat offenbart, wie stark das System der Ausbildungsvermitt-
       2008/2009 seien im Stadtstaat etwa 700 Ausbildungsplätze       lung an der Zusammenarbeit mit den Schulen hängt. Und die
       verloren gegangen. Auch als die Konjunktur auf Hochtouren      waren geschlossen – ebenso viele Betriebe.
       lief, die Auftragsbücher voll waren und immer mehr Fach-              „Sorgsam gesponnene Netze der vergangenen Jahre
       kräfte gebraucht wurden, habe sich der Ausbildungsmarkt        müssen wir gerade auf ganz neue Füße stellen“, so Hüsken.
       nicht erholt. Das Ausbildungsengagement der Betriebe hatte     Denn Beratung und Begleitung im Übergang von der Schule
       im vergangenen Jahr einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht.      in Ausbildung ist für die Jugendlichen enorm wichtig. Und
       Nicht einmal jeder vierte Betrieb bildete noch aus.            das nicht nur, um in die Berufswelt einzusteigen und eigenes
               Und jetzt auch noch Corona. „Als viele Jugendliche     Geld zu verdienen. Hüsken: „Etliche Jugendliche sind noch
       mit ihrem Halbjahreszeugnis in der Hand losziehen wollten,     schulpflichtig und müssen nach dem Schulabschluss irgend-
       um sich zu bewerben, gingen im Land Bremen viele Betriebe      wie untergebracht werden, wenn sie keine Ausbildungsstelle

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Ausbildung                                                     BAM — September / Oktober 2020

     finden.“ Schulpflichtig ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht          Am 1. Juli schaltete die Jugendberufsagentur in Bre-
     vollendet und keine zehn Schuljahre sowie zwei berufsbil-        merhaven eine Hotline. Jugendliche konnten anrufen und
     dende Jahre absolviert hat.                                      sich dann nach und nach mit rund 30 Ausbildungsbetrieben
             „Besonders besorgt sind wir mit Blick auf die Jugend-    verbinden lassen. Im Herbst ist eine Art Ausbildungssuche
     lichen, die schon in Übergangssystemen sind.“ Sie bräuchten      im Park geplant. „An der frischen Luft, verbunden mit einem
     im Sommer dringend einen Ausbildungsplatz, sonst fielen sie      Spaziergang und ungezwungenen Gesprächen – so stellen wir
     aus dem Raster und fänden oftmals ­keinen Zugang mehr zu         uns das vor“, sagt Hüsken. Sie ist sich sicher, dass die eine
     der Vermittlungsunterstützung, die sie dringend bräuchten.       oder andere aus der Not entstandene Idee auch künftig ange-
     Für viele sozial benachteiligte Jugendliche sei das nicht sel-   boten wird.
     ten der erste Schritt in die Arbeitslosigkeit.

     Ausbildung bleibt wichtig
     Anders als in der Finanzkrise vor zwölf Jahren sind akut alle
     Branchen gleichzeitig betroffen.
                                                                      „Besonders besorgt sind wir mit
             „In Bremen gibt es gut 16.000 Betriebe, seit März        Blick auf die Jugendlichen, die schon
     haben gut 7.000 von ihnen Kurzarbeit angemeldet“, weiß
     Regine Geraedts. Insgesamt sei noch nicht absehbar, wie
                                                                      in Übergangssystemen sind.“
     sich die einzelnen Branchen langfristig entwickeln werden.
                                                                      Swantje Hüsken, Jugendberufsagentur Bremerhaven
     Diese Unsicherheit betrifft jedes einzelne Unternehmen und
     begrenzt den Planungshorizont. Geraedts: „Das wirkt sich
     verständ­licherweise auf die Bereitschaft aus, Verantwor-
     tung für Auszubildende zu übernehmen.“ Sie erwartet einen
     beschleunigten Strukturwandel der Wirtschaft. Aber eines         So langsam kommt in Bremerhaven wieder Bewegung in
     sei klar: „Der Bedarf an Fachkräften wird nicht ­weniger, er     das Thema Ausbildung. „Die Schulen haben sich unterein-
     wird nur anders. Investitionen in Ausbildung bleiben deshalb     ander gut vernetzt, Schulpraktika finden inzwischen wieder
     enorm wichtig, auch jetzt.“                                      statt und die weiterführenden Schulen haben sich darauf ein­
                                                                      gestellt, dass notwendige Praktikumsnachweise auch nach-
                                                                      träglich noch von den jungen Menschen eingereicht werden“,
     Swantje Hüsken                                                   so Hüsken.
     arbeitet als Referentin für
                                               Foto: Thomas Schütze

     die Jugendberufsagentur in                                       Es braucht einen Ausbildungsfonds
     Bremerhaven                                                      Alle Unterstützung nützt nichts, wenn das Ausbildungsan­
                                                                      gebot zu niedrig ist.
                                                                              Gemeinsam mit dem DGB hat die Arbeitnehmer­
                                                                      kammer daher einen auf zwei Jahre befristeten Zukunfts-
                                                                      fonds für Ausbildung im Land Bremen gefordert. „Den akuten
     Frische Ideen aus Bremerhaven                                    Engpass könnten wir beheben, indem der Staat interveniert“,
     Eins zeichnet sich jetzt schon ab: Die Krise am Ausbildungs-     so Geraedts. Vorübergehend könnten mehr außerbetriebliche
     markt ist kein Phänomen 2020. 2021 strömt aufgrund der           Ausbildungsplätze geschaffen werden, auch die schulischen
     Wiedereinführung der 13-jährigen Gymnasialzeit in Nieder-        Ausbildungen im Bereich Gesundheit, Pflege und Erziehung
     sachsen ein doppelter Abiturjahrgang auf den Arbeitsmarkt.       könnten aufgestockt werden. Hier gebe es schließlich schon
     Das wird auch Bremen spüren und die Not für Jugendliche,         jetzt einen großen Bedarf an Personal.
     die einen Ausbildungsplatz suchen, noch größer werden.
                                                                      „Unterm Strich bleibt Ausbildung aber Aufgabe der Betriebe“,
                                                                      sagt Geraedts. Auf Dauer sei deshalb ein Ausbildungsfonds
                                                                      eine vernünftige Lösung, wie er im Koalitionsvertrag ange-
„Investitionen in Ausbildung bleiben                                  dacht ist. „Die Verantwortung für die Ausbildung des Fach-
                                                                      kräftenachwuchses solidarisch auf alle Schultern in der Wirt-
enorm wichtig, auch jetzt.“                                           schaft zu verteilen, ist ein überzeugender Vorschlag“, meint
                                                                      die Arbeitsmarktexpertin. Dann wäre die Ausbildung des
Regine Geraedts, Arbeitnehmerkammer Bremen
                                                                      Fachkräftenachwuchses nicht länger vom Engagement ein-
                                                                      zelner Unternehmen abhängig.

     Swantje Hüsken gehört zu denen, die kämpfen. „Seit dem
     Verlust an persönlichen Kontakten, laufen hier die Telefone
     heiß“, sagt sie. „Wir haben natürlich eine Online-Beratung
     bei der Jugendberufsagentur angeboten. Aber das ersetzt
     keinen persönlichen Kontakt.“ Für sie und ihre Kolleginnen       Probleme in der Ausbildung? Das Beratungsangebot
     heißt das: kreativ werden.                                       „Bleib dran“ hilft weiter! Infos unter
                                                                          www.arbeitnehmerkammer.de/azubis

                                                                                                                                      — 15
BAM — September / Oktober 2020                      Galerie der Arbeitswelt

                                    Masken, Perücken,
                                 Wunden – Maskenbildner
                                  Derek Halweg sorgt für
                                 das passende Äußere der
                                 Schauspieler am Theater

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BAM — September / Oktober 2020

                                              GALERIE DER ARBEITSWELT

                 Die Kunst
             der Verwandlung
         Derek Halweg arbeitet als Maskenbildner am Theater Bremen.
    Er sorgt dafür, dass Schauspieler sich in echte Charaktere verwandeln –
            mit Hilfe von Masken, Perücken und anderen Accessoires

                                         Text: Insa Lohmann – Foto: Kay Michalak

P
          insel, Farbpaletten, Haarteile und Nähutensilien      die Haare angebracht werden. Zwischen 40 und 60 Arbeits­
          verteilen sich auf den großen Tischen. Ein Hauch      stunden vergehen bis zur Fertigstellung. Dass die Masken-
          von Puder und Theaterschminke liegt in der Luft.      bildner soviel Zeit in die Perücken investieren, hat einen
          In den Regalen sind Masken aufgereiht: bunte,         guten Grund: „Ein Charakter lässt sich am krassesten durch
skurrile, menschliche und tierische Köpfe, Fabelwesen –         die Haare verändern“, sagt Derek Halweg.
auch ein überdimensionaler Kopf von US-Präsident Donald
Trump steht hier. In der Maskenabteilung befinden sich nicht    Es ist seine erste Spielzeit hier in der Hansestadt, aber bereits
nur die Arbeitsutensilien, sondern auch die fertigen Werke      seine vierte Station an einem Theater: „Theater hat mich
von Derek Halweg und seinen Kollegen. Halweg arbeitet           schon immer begeistert“, erzählt Halweg. „Alles ist live, man
als Masken­bildner am Theater Bremen, das Anfertigen von        kann nichts zurückspulen.“ Damit trotzdem alles reibungslos
­Masken ist seine große Leidenschaft. Berühmte Horrorfilme      abläuft, ist im Vorfeld eine enge Zusammenarbeit mit den
 wie „American Werewolf“ brachten ihn als Jugendlichen auf      Kostümbildnern notwendig: Wie sollen die Figuren aus­sehen?
 die Faszination.                                               Rund sechs Wochen Vorlauf haben die Masken­bildner, bis
                                                                die Produktion auf der Bühne stehen muss. Und dann kommt
Eigentlich wollte Derek Halweg Bildhauer werden, mit            für Derek Halweg der große Moment: „Die Masken­bildner
16 ging er auf eine Kunstgewerbeschule. Vom Beruf des           sind die letzte Station, bevor der Darsteller auf die Bühne
Masken­bildners hatte er keine Vorstellung. Halweg lebte        geht.“ Für Halweg und seine Kollegen am ­Theater Bremen
damals in Freiburg, verbrachte viel Zeit am dort an­­sässigen   geht es nicht nur um das perfekte Haar, den gerichteten Bart
Theater. Er erfuhr mehr über den Beruf des Maskenbildners,      oder eine beeindruckende Maske, sondern um den Verwand-
inzwischen eine staatlich anerkannte Ausbildung. Halweg         lungsprozess der Schauspieler. „Wir helfen den Darstellern,
lernte das Handwerk am Theater in Freiburg, leitete dort        in ihre Rolle zu finden“, sagt Halweg. Da Theater meist mit
zehn Jahre die Abteilung. „Es ist ein sehr umfangreicher        einem festen Ensemble arbeiten, spielen junge Schauspieler
Beruf“, sagt er. „Es geht nicht nur darum, Menschen (schön)     auch ältere Rollen – und umgekehrt. „Wichtig ist, dass es
zu schminken. Der Bereich Beauty ist nur ein verschwindend      authentisch aussieht“, sagt Halweg.
geringer Anteil.“
        Beim Maskenbildner liegen alle Arbeitsbereiche, die
mit den Haaren, der Haut, den Masken und Körperteilen           Maskenbildner/in
der Schauspieler zu tun haben. So werden in der Masken-
bildnerwerkstatt am Theater Bremen nicht nur die Masken         Die Ausbildung zum/zur Maskenbildner/in dauert in der
selbst angefertigt, sondern auch Perücken – die zum Großteil    Regel drei Jahre. Voraussetzung dafür ist häufig eine
aus Echthaar bestehen –, Bärte, Wunden oder Glatzen. „Der       ­Hochschulreife sowie häufig eine vorherige Ausbildung,
Masken­bildner vereint viele Berufe in einem“, sagt Derek        ­beispielsweise als Kosmetiker oder Friseur wünschenswert.
Halweg. Vor allem das Anfertigen der Perücken ist sehr zeit­      Maskenbildner/innen arbeiten an Theatern und Opern,
intensiv: Bevor es an die Arbeit geht, muss ein Abdruck vom       beim Fernsehen oder Film.
Kopf des Darstellers gegossen werden – erst dann können

                                                                                                                                    — 17
BAM — September / Oktober 2020

          Studie: Tarifflucht in Bremen
                   alarmierend
             Seit der Jahrtausendwende geht die Tarifbindung in ganz Deutschland stetig zurück,
                  was für die betroffenen Beschäftigten erhebliche negative Auswirkungen hat.
            Auch in Bremen ist die Lage durchaus kritisch zu betrachten: Das zeigt eine aktuelle
                                        Studie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer

                                                                        Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der
       Interview: Anne-Katrin Wehrmann                                  Hans-Böckler-Stiftung. „Ein Blick hinter die Kulissen zeigt,
       Foto: Kay Michalak                                               dass der Erosionsprozess in Bremen weiter fortgeschritten
                                                                        ist, als man zunächst vermuten würde. Das ist aus meiner
       Ein paar Zahlen vorweg: Der Anteil von Beschäftigten, die in     Sicht ein Alarmzeichen.“ Die Begründung des Wissenschaft-
       Unternehmen mit Tarifbindung arbeiten, ist zwischen 1998         lers: Die Zahlen allein lassen unberücksichtigt, dass regio-
       und 2018 in den westlichen Bundesländern von 76 auf 56           nal sehr unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen vorzufinden
       Prozent gesunken, in den östlichen von 63 auf 45 Prozent. In     sind. So weist Bremen einen vergleichsweise hohen indust-
       Bremen fiel der Anteil tariflich Beschäftigter zwischen 2008     riellen Sektor, einen ausgeprägten öffentlichen Dienst und
       und 2018 von 67 auf 55 Prozent. Auf den ersten Blick sieht       relativ viele Großunternehmen auf – Faktoren, die tarifli-
       es so aus, als bewegte sich das kleinste Bundesland mit die-     che Regelungen grundsätzlich eher begünstigen. „Vor die-
       sen Zahlen im stabilen Mittelfeld. „Das ist aber nur ein ober-   sem Hintergrund müsste die Tarifbindung hier eigentlich viel
       flächlicher Eindruck“, sagt Professor Thorsten Schulten vom      höher sein“, meint Schulten.

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Studie                                                    BAM — September / Oktober 2020

     Im Auftrag der Arbeitnehmerkammer hat das WSI gerade           Tarifflucht aufgefallen ist. „Wir beobachten dort eine wach-
     zusammen mit dem Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw)          sende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse“, berichtet
     der Universität Bremen eine Studie zur Tarifbindung und        Arbeitswissenschaftler Andreas Friemer vom iaw. „In Ver-
     Tarifflucht im Land Bremen erstellt. Ein weiteres Ergebnis     bindung mit dem zunehmenden Verlust von Vollzeitstellen
     dieser Untersuchung ist, dass der Anteil tarifgebundener       steigt gerade für die im Einzelhandel beschäftigten Frauen
     Betriebe in keinem anderen Bundesland so drastisch sank        auch die Gefahr der Altersarmut.“ Als Positivbeispiel steht
     wie in Bremen – nämlich zwischen 2000 und 2018 von 38          dem das Hotel- und Gaststättengewerbe gegenüber, wo sich
     auf nur noch 17 Prozent. „Das zeigt, dass es die nach wie      die Bremer Tarifparteien im vergangenen Herbst auf eine
     vor vergleichsweise hohe Tarifbindung bei den Beschäftigten    Fortsetzung des bereits seit 2016 gültigen allgemein verbind-
     vor allem deswegen gibt, weil die Wirtschaft hier überdurch-   lichen Tarifvertrags geeinigt haben (s. Info-Kasten). Der Ent-
     schnittlich stark von Großunternehmen geprägt wird“, erläu-    gelttarifvertrag gilt damit für alle im Land Bremen Beschäf-
     tert Schulten. Einer der wesentlichen Gründe für die bun-      tigten, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.
     desweite Tendenz zur Tarifflucht seit der Jahrtausendwende     „Die AVE ist eine gute Möglichkeit, für einen fairen Wett-
     ist nach seiner Aussage, dass die Arbeitgeberverbände den      bewerb und vergleichbare Arbeitsbedingungen zu sorgen“,
     Unternehmen seither eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung      macht Friemer deutlich.
     anbieten, die sogenannte OT-Mitgliedschaft. Warum die Situ-
     ation in Bremen besonders alarmierend ist, kann der Wissen-    Die Bremer Landesregierung weiß um die Bedeutung ­dieses
     schaftler anhand der Datenlage nicht vollständig erklären.     Themas und hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, an
     „Es sieht so aus, dass es hier bei neu gegründeten und klei-   einer Ausweitung der Tarifbindung arbeiten zu wollen.
     neren Unternehmen eine besondere Neigung gibt, sich nicht      „Dafür wäre es wichtig, sich auf Bundesebene für eine Stär-
     an Tarife zu halten.“                                          kung der AVE einzusetzen“, sagt Marion Salot. „Das wäre
                                                                    zum Beispiel dann der Fall, wenn nur noch eine Partei den
                                                                    entsprechenden Antrag einreichen müsste und die Arbeit-
                                                                    geber im Tarifausschuss ihr Veto-Recht verlieren würden.“
                                                                    Einen weiteren zielführenden Ansatz sieht die Referentin in
„Tarifverträge bieten einen wichtigen                               einer Überarbeitung des Bremer Tariftreue- und Vergabege-
                                                                    setzes – und zwar dahingehend, dass bei der Vergabe öffent­
 Schutz, weil sie Standards                                         licher Aufträge nur noch solche Unternehmen zum Zuge kom-
für alle zentralen Arbeitsbedingungen                               men, die sich an Tarifverträge halten. Und nicht zuletzt ist es
                                                                    nach ihrer Aussage wichtig, für eine gute gewerkschaft­liche
festschreiben.“                                                     Organisation und das Gründen von Betriebsräten zu werben.
Marion Salot, Arbeitnehmerkammer Bremen                             Denn, so Salot: „Starke Gewerkschaften und Betriebsräte sind
                                                                    ein Schlüssel für die Durchsetzung von Tarifverträgen.“

     Weniger Geld für mehr Arbeit
     Für die Beschäftigten ist diese Entwicklung mit zum Teil
     erheblichen negativen Folgen verbunden. „Insgesamt bie-
     ten Tarifverträge einen wichtigen Schutz für Arbeitneh-
     merinnen und Arbeitnehmer, weil sie Standards für alle zen-
     tralen Arbeitsbedingungen festschreiben“, betont Marion
     Salot, Referentin für Wirtschaftspolitik und Gleichstellung
     bei der Arbeitnehmerkammer. So hat die Studie ergeben,
     dass Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen          Allgemeinverbindlicherklärung (AVE)
     in ­Bremen durchschnittlich gut eine Stunde länger arbeiten
     müssen und zehn Prozent weniger verdienen als Beschäftigte      Das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE)
     in tarifgebundenen Betrieben. In einigen Branchen können        besagt, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt
     die Löhne in Unternehmen mit Tarifbindung sogar bis zu          werden können, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies
     30 Prozent höher sei. „Zur sozialen Absicherung ist es darum    gemeinsam beantragen und die AVE „im öffentlichen Inte-
     enorm wichtig, dass die Tarifbindung wieder ausgeweitet         resse geboten erscheint“. In diesem Fall wird der entspre-
     wird“, meint Salot.                                             chende Tarifvertrag auch für die bis dahin nicht tarifge-
                                                                     bundenen Unternehmen und ihre Beschäftigten innerhalb
     Die aktuelle Studie zur Tarifbindung im Land Bremen stellt      der jeweiligen Branche und des räumlichen Geltungsbe-
     neben der Datenlage auch die Besonderheiten in unter-           reichs verbindlich. In der Praxis scheitert die AVE häufig
     schiedlichen Branchen dar, die an den Wirtschaftsstandor-       am Widerstand der Arbeitgeber. Der für die Entscheidung
     ten Bremen und Bremerhaven eine besonders wichtige Rolle        zuständige Tarifausschuss ist paritätisch mit jeweils drei
     spielen. Als eines der Negativbeispiele wird dort der Ein-      Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt und muss
     zelhandel benannt, der mit 28.000 Beschäftigten (davon          nach aktueller Gesetzeslage mit einer Mehrheit für die AVE
     70 Prozent weiblich) die viertgrößte Branche im Land dar-       stimmen, damit sie in Kraft tritt.
     stellt und in den vergangenen Jahren durch systematische

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