Auf dem Weg zur Weltreligion: der Buddhismus in Gandha-ra
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Th e ma Gan dh a- ra Religion Auf dem Weg zur Weltreligion: der Buddhismus in Gandha-ra Fast ein Jahrtausend lang waren der Norden Pakistans und Teile Afghanistans geradezu eine Hochburg des Buddhismus. Diese kul- turelle Prägung ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten, wird aber durch das Gandha-ra-Projekt erneut ins Bewusstsein gerufen. Von Je ns-Uwe Hartman n 30 Akademie Aktuell 01-2013
Gan dh a- ra Th e ma Pakistan u nd Afghanistan gehören zu einer Abb. 1: Das Tal von Bamiyan Region, der spätestens seit dem 11. September mit den leeren Felsnischen der 2001 eine ständige Medienpräsenz garantiert beiden großen Buddhafiguren ist. Es vergeht kaum ein Tag ohne eine ein- im Hintergrund. schlägige Pressemeldung. Solche Meldungen kreisen um Terror und Taliban, um Mullahs und Mohnanbau, und sie beschäftigen sich vor allem mit der extrem instabilen politischen Situation und der daraus resultierenden Gefährdung der weltweiten Sicherheitslage. In der westlichen Wahrnehmung ist die Region untrennbar mit dem Islam verbunden und dieser wiederum mit einer besonderen Gewaltbereitschaft, die beide schon immer ihr Schicksal bestimmt zu haben scheinen. Dabei gerät ihre ungemein vielfältige Kulturgeschichte völlig aus dem Blick. Lediglich einmal, im März 2001, trat schlagartig die bud- dhistische Vergangenheit hervor, als die Taliban die beiden monumentalen Buddhastatuen im Bamiyan-Tal trotz weltweiter Proteste zerstörten. Dieses Ereignis zog ein entsprechendes Medien- echo nach sich, das bis heute nicht verhallt ist. Über die Beweggründe der Taliban für die ebenso plakative wie barbarische Maßnahme ist viel spekuliert worden. Damals sollten erhebliche UNESCO-Mittel in die Restaurierung der Statuen investiert werden. Die seinerzeitigen Macht- haber wünschten dieses Geld umzuwidmen und anscheinend für andere, vorgeblich soziale Zwecke zu verwenden, was sich jedoch als un- durchführbar erwies. Man kann die Zerstörung der Statuen also auch als einen Racheakt sehen und muss sie nicht unbedingt als einen Versuch interpretieren, die vorislamische Vergangenheit Afghanistans auszulöschen. In jedem Fall aber rückte sie den buddhistischen Anteil an der Geschichte der Region wenigstens punktuell sehr deutlich in den Blick der Öffentlichkeit. Schmelztiegel im Nordwesten Fast ein Jahrtausend lang bildeten der Norden Pakistans und Teile von Afghanistan geradezu eine Hochburg des Buddhismus. Diese äußers- te Nordwestecke des indischen Subkontinents hatte er bereits um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. erreicht. Zumindest legen dies Inschriften nahe, die Aśoka (ca. 268–232 v. Chr.), der bekann- teste Herrscher des ersten indischen Großreichs, dort anbringen ließ. Den über das ganze Reich Abb.: K. Higuchi (ed.): Bamiyan, Vol. 1, 1983, Plate 1 verteilten Inschriften zufolge hat Aśoka alle Reli- gionen gefördert, ganz besonders aber den Bud- dhismus, und daher darf man annehmen, dass diese Förderung einen Ausbreitungsschub nach sich zog, der auch in den Nordwesten führte. 01-2013 Akademie Aktuell 31
Th e ma Gan dh a- ra Abb. 2: Das Reich der Kus.a-n.as. Diese Region hat eine ungemein bewegte Ge- Ausdruck zu verleihen und buddhistische Bauten schichte zu verzeichnen: Zwar ragen gewaltige zu verzieren. Da stand Herakles Pate für einen Gebirgsmassive auf, aber anders als der Hima- wehrhaften Begleiter des Buddha (Abb. 3), und da laja versperren sie den Weg nach Indien nicht, dienten griechische Girlanden und Pilaster mit und daher ist der Nordwesten schon immer das korinthischen Kapitellen als Strukturelemente in Einfallstor in den Subkontinent gewesen. Alex- Friesen und in narrativen Reliefs. Abb.: Chr. Luczanits (Hrsg.), Gandhara 2008, 39 und 519, Abb. 3 ander der Große etwa marschierte auf seinem Indienzug (327/26 v. Chr.) auch durch Gandha-ra. Verbreitung entlang der Handelswege Ein ephemeres Ereignis, so möchte man mei- nen, schon wegen seiner kurzen Dauer: ganz im Die Überlieferungslage erlaubt bislang nicht, Gegenteil aber brachte es für mehrere Jahrhun- die Ausbreitungsgeschichte des Buddhismus derte griechische Kultur bis an den Hindukusch. nach Gandha-ra auch nur in ihren groben Zügen, Nicht umsonst ließ Aśoka auch das Griechische geschweige denn in ihren Einzelheiten, zu und das Aramäische für seine Inschriften im rekonstruieren. Bis zur Entdeckung der neuen Nordwesten verwenden, weil sie offenbar als Handschriften war man fast ausschließlich auf lokale Prestigesprachen fungierten. Griechische archäologische Zeugnisse angewiesen. Alle Kunst blieb sogar bis weit nach der Zeitenwen- Anzeichen deuten aber darauf hin, dass zwei de präsent. Daher bedienten sich die lokalen Faktoren eine besonders wichtige Rolle spielten, Bildhauer ausgiebig des mediterranen – dann bereits gräko-römischen – Formeninventars, als sie in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten daran gingen, buddhistischen Inhalten bildlichen 32 Akademie Aktuell 01-2013
Gan dh a- ra Th e ma nämlich Handel und staatliche Förderung. Die Förderung durch die Herrscher Ausbreitung folgte den Handelswegen: Offenbar waren es vor allem buddhistische Händler und In der buddhistischen Literatur wird immer Kaufleute, die zur Verbreitung beitrugen. Sie ver- wieder von staatlicher Förderung berichtet. Als fügten über die notwendigen Mittel, um entlang das paradigmatische Vorbild gilt dabei Kaiser der Handelswege Kultbauten und Klöster zu Aśoka, der von Patna aus regierte. Zwar sind die errichten und damit die Ansiedlung von Mön- buddhistischen Werke, die von ihm berichten, chen zu ermöglichen. Erst die Einrichtung von Jahrhunderte jünger und können daher keinen klösterlichen Zentren konnte Dauerhaftigkeit ga- unmittelbaren Anspruch auf historische Verläss- rantieren, denn die Bewahrung und Weitergabe lichkeit erheben, aber Aśokas Inschriften bestä- der religiösen Überlieferung lag in den Händen tigen seine besondere Verbundenheit mit dem der Mönche. Buddhismus. Wir sind weit davon entfernt, die Dynamik und In ganz ähnlicher Weise wird Kanis.ka (ab ca. 127 die Einzelheiten solcher Prozesse zu verstehen. n. Chr.), der wichtigste Herrscher der Kus.a-n.a- Ein wesentlicher Grund für das Interesse der Dynastie, in den buddhistischen Quellen als ein Kaufleute scheint aber die Absicherung gegen uneingeschränkter Förderer dargestellt. Sein Gefahren gewesen zu sein. Fernreisen bargen Machtzentrum aber lag nun mitten in Gandha-ra. ein extrem hohes Risikopotential, nicht nur für Archäologische Zeugnisse, besonders Münz- Leib und Leben der Reisenden, sondern auch für funde, zeigen zwar, dass Kanis.ka durchaus auch den finanziellen Erfolg. Rückversicherung war andere Religionen zu fördern wusste, aber es daher notwendig, insbesondere bei den höheren spricht vieles dafür, dass der Buddhismus in Mächten. Jede Religion stellt für solche Zwecke dieser Zeit tatsächlich eine besondere Unter- ein mehr oder minder breites Angebot apotro- stützung erfuhr. So findet sich das erste zeitlich päischer, d. h. schutzverheißender, Praktiken gesicherte Bildnis des Buddha auf Goldmünzen bereit, die Schutz und Erfolg in allen Belangen von Kanis.ka, verbunden mit der griechischen des täglichen Lebens versprechen. Es hat den Aufschrift ΒOΔΔO (Abb. 4). Ähnlich wie bei Anschein, dass den buddhistischen Praktiken sei- Aśoka wird man davon ausgehen können, dass nerzeit eine ganz besondere Effizienz zugespro- der Buddhismus in der Region schon vorher chen wurde, und es ist gewiss kein Zufall, dass eine gewisse Bedeutung besessen haben muss, auch unter den jetzt gefundenen Handschriften um staatlicherseits überhaupt als wichtig und mindestens ein einschlägiger Text bewahrt ist. förderungswürdig wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig hat es den Anschein, dass die bud- dhistischen Ideen von Herrscher und Herrschaft als Staatsideologien verwendbar waren oder, um Abb. 3: Herakles als Begleiter des es vorsichtiger zu formulieren, zumindest mit be- Buddha, aus Hadda (Afghanistan). stehenden Ideologien nicht in Konflikt gerieten. Und schließlich dürfte auch hier das bereits im Zusammenhang mit den Kaufleuten erwähnte apotropäische Angebot des Buddhismus nicht ohne Bedeutung gewesen sein. Wir kennen aus deutlich späterer Zeit die wichtige Rolle, die staatserhaltenden und herrschaftslegitimie- renden Ritualen etwa im Buddhismus Ost- und Zentralasiens zukam, und wir wissen, dass die buddhistischen Mönche bei vielen Herrschern im Verdacht standen, über ganz besondere magi- sche Fähigkeiten zu verfügen. Natürlich ist es gefährlich, solche Phänomene in eine ferne Vergangenheit zurückzuprojizieren; dennoch muss man danach fragen, welchen Vorteil ein Herrscher darin gesehen haben könnte, den Buddhismus in einer Situation zu fördern, die ihm eine breite Auswahl aus anderen indischen und nichtindischen Religionen bot. 01-2013 Akademie Aktuell 33
Th e ma Gan dh a- ra Betrachtet man die frühe buddhistische Literatur, Frühe buddhistische Lehren und so wird schnell deutlich, dass sie den Buddha „Großes Fahrzeug“ als eine Gestalt konstruiert, deren übernatür- liche Fähigkeiten allen anderen menschlichen Die Handschriften führen uns einen und – ganz besonders wichtig – nichtmenschli- Entwicklungsstand vor Augen, der chen Wesen haushoch überlegen waren. Nicht- älter ist als alles bisher Bekannte menschliche Gegner hat er entweder unterwor- und vor der späteren Kanonisierung fen, oder sie haben sich ihm freiwillig unterstellt der Worte des Buddha anzuset- und dabei seinen Anhängern ihren Schutz zen ist. Damit können wir diese versprochen. Wer ihm folgt, partizipiert also an Entwicklung in eine Zeit zurückver- solchen Schutzversprechungen. folgen, über die uns bislang keine Informationen vorlagen. Gleichzei- In der Zeit der Kus.a-n.a-Dynastie erlebte der Bud- tig zeigen die Handschriften, dass dhismus wohl seine größte Blüte in der Region. die systematische Beschäftigung Der Herrschaftsbereich dieser Dynastie erstreck- mit den Lehrinhalten schon bemer- te sich einerseits bis weit nach Nordindien kenswert weit fortgeschritten war hinein; er umfasste andererseits Baktrien und und dass Scholastik sich in der Re- strahlte aus bis ins zentralasiatische Tarim- gion einer besonderen Beliebtheit Becken, die heutige Autonome Region Xinjiang erfreut haben muss. der Volksrepublik China. Dadurch verband er die Ost-West-Achse der Seidenstraße mit Indien und Am überraschendsten ist aber garantierte sichere Handelswege für den äußerst wahrscheinlich die Entdeckung einträglichen Fernhandel. Die Verbindung zwi- von Fragmenten aus einer ganzen schen der Seidenstraße und Indien führte direkt Reihe von Maha-ya-na-Su-tras. Dabei durch Gandha-ra und brachte erheblichen Reich- handelt es sich um Werke, die ihrem tum in die Region. Gleichzeitig öffnete sie dem Anspruch nach als authentische Buddhismus den Weg nach Osten. Spätestens Lehrreden (su-tra) des Buddha im 1. Jahrhundert n. Chr. erreichte er China, und gelten, tatsächlich aber jüngeren es war der Buddhismus Gandha-ras, der für die Datums sind und dogmatischen Adaption in Ostasien prägend wurde. Am deut- Weiterentwicklungen Ausdruck lichsten war dies bisher an der Kunst abzulesen, verleihen. In ihnen werden neue die entlang der Seidenstraße durch Zentralasien Vorstellungen über die Welt, die hindurch relativ gut zu verfolgen ist und zugleich Wirklichkeit, den Buddha selbst, den allmählichen Wandel der gräko-römischen aber auch neue religiöse Praktiken Vorlagen zu den chinesischen Ausgestaltun- vertreten. Sie bilden die geistige Abb. 4: Buddhadarstellung und gen erkennen lässt. Die neuen Handschriften Grundlage einer Bewegung, die Herrscherportrait auf einer erlauben nun erstmals, auch die Literatur in den zusammenfassend als Großes Fahr- Goldmünze des Kanis.ka aus Blick zu nehmen und deren nachhaltige Auswir- zeug (Maha-ya-na) bezeichnet wird dem Stu-pa von Ahin-Posh, kungen auf den ostasiatischen Buddhismus zu und für den heutigen Buddhismus Jalalabad, südliches Afghanis- untersuchen. Ost- und Zentralasiens bestimmend tan, 2. Jhdt. geworden ist. Die Entstehung dieser Bewegung Abb.: Trustees of the British Museum, Nr. IOC.289 ist gegenwärtig eines der am intensivsten diskutierten Probleme der Buddhismus- Forschung. Bisher war sie weder zeitlich noch räumlich festzumachen; als terminus ante quem galten die ersten Übersetzungen ins Chinesische ab 180 n. Chr. Nun scheint es plötzlich, dass Gandha-ra bei der Entstehung des Maha-ya-na eine Schlüsselrolle gespielt haben könnte. Der Nord- 34 Akademie Aktuell 01-2013
Gan dh a- ra Th e ma Zeugnis dieser Periode waren die Abb. 5: Der große Buddha von beiden monumentalen Buddhas Bamiyan vor seiner Zerstörung. von Bamiyan. Eine Radiokarbon- Untersuchung organischer Proben aus dem Schutt der beiden Statuen ergab, dass der kleinere Buddha, ursprünglich 35 m hoch, zwischen 544 und 592 entstanden sein muss und der größere, sogar 53 m hoch, zwischen 591 und 644. Als einzigartige Dokumente liegen uns zwei Augenzeugenberichte aus dieser Zeit vor, beide von Mönchen, die aus China kamen und entlang der Seidenstraße als Pilger nach Indien wanderten. Demnach waren beide Statuen 632 bereits vollen- det, als Xuanzang das Tal besuchte und in seinem Reisebericht nicht nur die Statuen beschrieb, sondern auch die lebendige buddhistische Gemeinde, die er dort vorfand. Außerdem besuchte er eine weitere, noch viel größere Figur des liegen- den (= sterbenden) Buddha. Da er als zuverlässiger Berichterstatter gilt, hat man intensiv nach dieser dritten Statue gesucht, bislang aber nur die Reste einer deutlich kleineren mit einer Länge von 19 m auffinden können. Knapp 100 Jahre nach ihm kam der Koreaner Hyecho durch Bamiyan. Auch er malt noch immer ein sehr positives Bild des dortigen Buddhis- mus: Er spricht von der Förderung sowohl durch den Herrscher wie durch alle Schichten der Gesell- westen des indischen Subkontinents, früher eher schaft und erwähnt Mönche und Klosteranlagen. Abb.: J. Ozols, V. Thewalt, Aus dem Osten des Alexanderreiches, 1984, Cover als Randlage betrachtet, tritt also schlagartig Der ungeheure Aufwand für Herstellung und als kulturelles Zentrum hervor – fast möchte Erhalt solcher Monumentalstatuen – der große Der Autor man sagen als Drehkreuz –, wo Entwicklung und Buddha war immerhin halb so hoch wie die Prof. Dr. Jens-Uwe Hartmann Ausbreitung des Buddhismus maßgeblich mit- Türme der Münchner Frauenkirche – verweist hat den Lehrstuhl für Indologie bestimmt wurden. eindrucksvoll auf die Bedeutung, die der Bud- an der LMU München inne. Er ist dhismus um die Mitte des ersten nachchristli- ordentliches Mitglied der Baye- Die Buddhas in Bamiyan chen Jahrtausends in der Region besessen haben rischen Akademie der Wissen- muss. Die neuen Handschriften zeigen nicht schaften und stellvertretender Die Herrschaft der Kus.a-n.as scheint eine beson- minder eindringlich, dass er diese Bedeutung Vorsitzender ihrer Kommission dere Blütezeit gewesen zu sein, für den Fern- bereits 500 Jahre früher erreicht hatte. n für zentral- und ostasiatische handel ebenso wie für die Kultur. Zahlreiche Studien. Gemeinsam mit Prof. archäologische Zeugnisse belegen dies. Aber Dr. Harry Falk (FU Berlin) leitet auch nach dem Untergang der Kus.a-n.as blieb der er das Projekt „Die frühbud- Buddhismus noch jahrhundertelang ein prä- dhistischen Handschriften aus gendes Element der Region. Eindrucksvollstes Gandha-ra“. 01-2013 Akademie Aktuell 35
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