Wer Aktien kauft, kauft das Management
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PRODUKTE & MÄRKTE XXXXX «Wer Aktien kauft, kauft das Management» Die Nebenwerte-Investoren Erhard Lee und Marc Possa erläutern, welche Faktoren sie bei der Aktienauswahl für ihre Fonds beachten. VON ANDREAS KÄLIN strukturelles Wachstum aufweisen, China, Indien, Russland, in Südame- nicht nur ein zyklisch bedingtes. rika. Bezüglich des Marketing ist die D ie Domäne von Erhard Lee und Lee: Speziell unter Nebenwerten fin- Jungfraubahn für mich eine der bes- Marc Possa sind Schweizer Neben- det man Trouvaillen. Man kann ein ten Firmen überhaupt. Da zeigt sich werte. Beide orientieren sich am schönes Portfeuille erstellen mit Ak- eine Eigenschaft des Managements. Value-Stil. Er besteht darin, nach klassi- tien, die tiefe Kurs-Gewinn-Verhält- Und ein Beispiel für ein schlecht ge- schen Kritierien wie dem Kurs-Gewinn- nisse von fünf bis zehn haben. führtes Unternehmen? oder Kurs-Buchwert-Verhältnis unterbe- Das Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buch- Lee: Orell Füssli. Der Massenbuch- wertete Aktien herauszufiltern. Erhard Verhältnis sind für Sie als value- handel ist ein Geschäftsmodell, das Lee legt dazu im Fonds AMG Substanz- orientierte Investoren wichtig. Auf in Frage steht, angesichts der Mög- werte Schweiz viel Wert auf eine stete was für Faktoren achten Sie noch? lichkeiten, Bücher elektronisch he- Ertragsentwicklung der Unternehmen. Possa: Wer Aktien kauft, kauft das runterzuladen. Und die Leute, die Marc Possa wendet den Value-Stil weniger Management. Ich muss Vertrauen ha- Orell Füssli leiteten, haben diesen strikt an und der von ihm betreute Fonds ben ins Management, wie beim Elek- Wandel zu wenig gesehen. SaraSelect ist stärker auf zyklische Indus- tronikkomponentenherstellers Lem, Possa: Aber Orell Füssli steckt im trieaktien ausgerichtet, was zu einer klar der grössten Position in unserem Umbruch. Mit Heinrich Fischer hat volatileren Wertentwicklung führt. Fonds. CEO Francois Gabella weiss jetzt ein gestandener Manager das genau, was in den Fabriken läuft oder Verwaltungsratspräsidium übernom- Herr Lee, Herr Possa, Sie suchen in China, weil er gerade dort war. Da günstige Schweizer Nebenwerte. Ist fühle ich mich wohler als bei Nestlé, es derzeit leicht, fündig zu werden? wo CEO Bulcke im Elfenbeinturm Possa: Zurzeit wird ein Drittel aller sitzt und seine Datenaggregationen Erhard Lee hat 30 Jahre Schweizer Small und Mid caps un- erhält. Er weiss nicht so schnell, was Börsenerfahrung gesammelt, ter ihrem Buchwert gehandelt. Das an der Front abgeht. auch im hektischen Ringhan- ist eine hohe Zahl, auch im langfris- Lee: Sehr wichtig ist eine hohe Konti- del. Als Fondsmanager will er tigen Vergleich. Zudem agieren viele nuität im Management, ein langjäh- heute «ruhig schlafen», wes- dieser Firmen in Bereichen, die ein riger Erfolgsausweis. Bei der Jung- halb er gern in Unternehmen fraubahn hat das Management in mit «langweiligen Geschäften» zwanzig Jahren einmal gewechselt, investiert. Lee ist Alleininha- in so einer Firma stimmt der Geist. ber der Firma AMG & Analysen «Wenn sich die Direktoren- BILD: PETER FROMMENWILER Was macht denn die Führung der & Anlagen. Ihr Flagschiff ist Parkplätze vor dem Haupt- Jungfraubahn so gut? der Fonds AMG Substanzwerte eingang befinden, ist das ein Lee: Das Marketing ist einzigartig, Schweiz, der sich auf Small das unterschätzt man völlig. Die caps fokussiert und auch Leer- schlechtes Signal.» Jungfraubahn hat seit über 20 Jah- verkäufe tätigt, um sich gegen Erhard Lee, AMG Substanzwerte Schweiz ren eigene Vertriebsleute vor Ort, in Börseneinbrüche abzusichern. 54 STOCKS 18 / 2012
men, er bringt eine neue Dynamik hi- nein. Es gab verschiedene Rochaden. Lee: Es ist möglich, dass es besser kommt. Aber da bin ich zu vorsich- tig. Ich kaufe erst, wenn das Manage- ment über längere Zeit einen Leis- tungsausweis erbracht hat. Was ist ein typisches Merkmal für ein guten Management? Possa: Gute Manager bringen mehr, als sie versprochen haben. Und was wichtig ist, jeder Manager hinter- lässt eine Spur. Er prägt eine Kultur, die sich auf das Unternehmen positiv oder halt negativ auswirkt. Lee: Genau, ich will die Kultur eines Unternehmens spüren. Darum besu- che ich die Firmen, etwa um zu se- hen, wie mich die Leute empfangen, das sind alles wichtige Details. Ich schaue nach, wo sich die Besucher- parkplätze befinden. Wo müssen die denn sein? Lee: Wenn sich statt der Besucher- die Direktorenparkplätze vor dem Ein- gang befinden, ist das ein schlechtes Signal. Dann kaufe ich nicht. Es gibt neben den Managern andere wichtige Mitspieler in einem Unter- nehmen. Achten Sie darauf, welche Aktionäre mit ihnen im Boot sitzen? Lee: Das ist ein wichtiges Kriterium. Bei mir scheidet zum Beispiel ein En- gagement bei Sulzer von Anfang an aus, wegen dem Haupteigner. Ent- Marc Possa übernahm per Mitte 2011 die Verantwor- tung für den SaraSelect, der von Peter Lehner aufgebaut wurde und zu den bekannten Schweizer Nebenwertefonds zählt. Possa charakterisiert sich als Mensch, der Übertreibun- gen nicht mag und langfristig denkt – das passt zum Stil des SaraSelect, der spekulative Ti- tel meidet und einen langen Anlagehorizont hat: Die ausge- wählten Firmen werden über BILD: die Zyklen hinweg begleitet. 18 / 2012 STOCKS 55
PRODUKTE & MÄRKTE XXXXX weder will man mit einem Viktor schaue, was für Aktien diese Fonds möglich für sich ab, das Kurspoten- Vekselberg in einem Boot sitzen oder halten. Dann verkaufe ich diese Ak- zial für den Aktionär ist begrenzt. nicht. Ich will es nicht. Punkt. tien manchmal leer, um so von einem Lee: Bei den Grossbanken fehlt mir Was stört Sie an dem russischen Kurseinbruch profitieren zu können. eine Führung, die sich an den Inter- Oligarchen? Mögen Sie andererseits Unterneh- essen der Eigentümer orientiert. Lee: Kann ich solch einem Mitak- men, die von einer Familie kontrol- Meiden Sie Finanzwerte denn tionär vertrauen? Die Verlässlich- liert werden? konsequent? keit fehlt. Man weiss nie, was mit ei- Lee: Die Frage ist, macht es die Fami- Possa: Für uns ist die Finanzinstrie ner Gesellschaft passieren wird, die lie gut oder nicht. Ein gutes Beispiel ein rotes Tuch. Die Welt ist auch over- solch ein Aktionariat hat. ist die Familie Cornaz, die die Stim- banked und overinsured, es gibt zu Possa: Ich sehe es gar nicht gerne, menmehrheit am Verpackungsglas- viele Banken und Versicherungen. wenn kurzfristig agierende, angel- hersteller Vetropack hält. Da denkt Von daher ist es für sie schwierig, sächsisch geprägte Fonds mit an Bord man für die nächste Generation. wirklich Mehrwert zu generieren. sind. Solche wie BlackRock. Die ge- Wenn Vetropack eine neue Glashütte Lee: Ich meine, das Versicherungs- hen mit Hü und Hott in einen Titel hi- aufstellt, ist das Investition für die geschäft kann man profitabel betrei- nein und drücken den Kurs so gleich nächsten 20 bis 50 Jahre. ben. Die grössten Risiken liegen im mal um 10 Prozent nach oben. Einige Possa: Der strategische Horizont sol- Anlagebereich der Versicherungen. Zeit später stossen sie mit dem glei- cher Familien ist anders als bei nor- Da picke ich mir halt die mit den ge- chen Trompetengetöse ihre 5-Pro- malen Managern, viel längfristiger. ringsten Risiken heraus, das sind zur- zent-Beteiligung ab und schicken Vor allem Manager in der Finanz- zeit die Swiss Life und vor allem die den Kurs damit ins Tal. industrie versuchen doch, in ihrer Vaudoise Assurances. Die werden Ausser BlackRock, welche anderen Zeit die Zitrone auszupressen. Läuft beide zu 0,4mal den Buchwert ge- Fonds sind als Mitaktionäre noch es gut läuft, schöpfen sie so viel wie handelt. Das ist absurd günstig. unerwüscht? Possa: Alle, die auf eine typisch an- gelsächsische Art vorgehen und sich, was den Anlagehorizont betrifft, ei- «Wir investieren vor allem auch in die klassische, nem unterjährigen Joch unterstellen. produzierende und kapitalintensive Industrie. Da Wenn wir in eine Firma investieren, gibt es einen gewissen Schutz.» versuchen wir, als stabile Aktionäre Marc Possa, mit einer Nespresso-Kapsel, für die Dätwyler zuliefert. und langjährige Partner die Strategie des Managements mitzutragen. Lee: Die kurzfristig orientierten Fonds haben auch ein Problem. Gibt es eine Krise, müssen sie verkaufen, damit beschleunigen sie den Kurs- einbruch in ihren Titeln noch. Ich SaraSelect % Rendite zehnjähriger Staatsanleihen 400 350 300 250 Apple 200 150 SMI BILD: PETER FROMMENWILER (2) 100 50 2009 2010 2011 2012 Quelle: Xyyyyyyyyysasadasyy Valor 99,9 Mrd CHF 5-Jahres-Performance 9.9 CHF Fondsvolumen 99.9 56 STOCKS 18 / 2012
XXXXX PRODUKTE & MÄRKTE AMG Substanzwerte Schweiz % Rendite zehnjähriger Staatsanleihen 400 350 300 250 Apple 200 150 SMI 100 50 2009 2010 2011 2012 Quelle: Xyyyyyyyyysasadasyy Valor 99,9 Mrd CHF 5-Jahres-Performance 9.9 CHF Fondsvolumen 99.9 Possa: Das Management der Swiss Life hat aber ein fragwürdiges Geba- ren gezeigt, einen Drang zur Grösse, der zur kostspieligen Fehlakquisition von AWD führte. Lee: Das stimmt schon. Aber darum «Von meinem Typ her ziehe ich eine IVF Hartmann haben wir die Swiss-Life-Aktien ja vor. Die Verbandstofffabrik hat ein langweiliges, erst nach dem Kurssturz gekauft. aber grundsolides Geschäft» Possa: Ihr handelt opportunistischer. Wir sind von unserer Anlagephilo- Erhard Lee, mit einem Pflaster der Schaffhauser Firma IVF Hartmann sophie her stringenter, Finanztitel werden wir kaum kaufen. Auch bei Stromfirmen sind wir ultravorsichtig. zialisten Kudelski habe ich noch nie gewissen Schutz. Wer die Schwei- Was für einen Nachteil weisen die verstanden, wie das Ganze funktio- zer Maschinen- oder Elektroindust- Stromversorger auf, Herr Possa? niert, wieso soll ich da investieren? rie analysiert, erkennt, wie hoch die Possa: Weil da im Verwaltungsrat Po- Gerade im Fall von neuen Techno- Eintrittshürden für ihre Technolo- litiker sitzen. Da kann der Wind rasch logien gilt, die Hoffnung wird an der gien sind. Die Firmen haben über drehen. Ein Politiker will die Wieder- Börse immer zu teuer bezahlt. Jahrzehnte eine Lernkurve durch- wahl, der hat einen kürzeren Hori- Possa:Ja, Junge Industrien, wie die gemacht und sich zu Partnern ihrer zont, das ist per se heikel bei der Um- Biotechindustrie, mögen sexy wir- Kunden entwickelt. Dann erhält man setzung einer langfristigen Strategie. ken. Aber nüchtern betrachtet muss auch einen Preisvorteil. So wie Ems- Lee: Der Strommarkt ist nicht frei, ich mir sagen, ich kann da nicht bes- Chemie. Obwohl sie zur Hälfte im richtig, die Preise sind zu stark re- ser sein als andere Investoren, weil Hartwährungsland Schweiz produ- guliert. Auch wir meiden subventio- ich das Geschäft nicht verstehe. Übri- ziert, erzielte sie zuletzt eine opera- nierte Bereiche eher. In den Stromti- gens meide ich auch Firmen, die von tive Marge von 18 Prozent. teln sind wir dennoch drin, lange ha- einem Treiber abhängig sind, so wie Bringen typische Schweizer Tugen- ben wir damit super verdient, in den Meyer Burger von der Entwicklung den den Erfolg? letzten Jahren mussten wir Verluste der Solarbranche. Wir legen Wert auf Possa: Ja, zu unseren Tugenden ge- einstecken. Aber auch da war es für eine gewisse Diversifikation, auch hören die Zuverlässigkeit, der Quali- mich wichtig zu sehen, welche Firma was die Absatzmärkte betrifft. tätssinn, der gute Service nach dem ein gutes Management hat, so wie In welchen Branchen finden Verkauf. All das wird noch wichtiger, Repower. Ihre Aktien haben viel we- Sie besonders häufig geeignete wegen des strukturellen Trends zur niger als andere Stromtitel verloren. Anlagemöglichkeiten? Miniaturisierung, der die Qualitäts- Herr Lee, gibt es für Sie als Investor Possa: Verglichen zu Erhard›s Fonds ansprüche weiter steigen lässt.Sol- eigentliche Tabus? investieren wir stärker in die klassi- che Eigenschaften kann ein chinesi- Lee: Ich meide alles, was ich nicht sche, produzierende und kapitalin- scher Konkurrent nicht von heute auf verstehe. Beim Verschlüsselungsspe- tensive Industrie. Da gibt es einen morgen übernehmen. 18 / 2012 STOCKS 57
XXXXX PRODUKTE & MÄRKTE Die grössten Postionen Blindtext BlindtextWeit hinten, nsona tabelle folgt tabelle folgt Lee: Man muss aber sehen, dass es den richtigen Zeitpunkt zum Aus- auch bei Produkten oder Technolo- stieg und Wiedereinstieg zu finden. gien Zyklen gibt. Der Hörgeräteher- Weil es unsinnige Übertreibungen an steller Sonova ist für mich auf einem «Die Schweizer Tugenden der Börse gibt, bei denen man nicht absteigenden Ast im Produktzyk- werden wichtiger, wegen sagen kann, wieweit sie gehen. So hat lus, weil er sich nicht mehr wie frü- die Sika-Aktie in der Finanzkrise drei des strukturellen Trends zur her technologisch und über eine wei- Viertel verloren, obwohl der Spezia- tere Miniaturisierung von der Kon- Miniaturisierung» litätenchemiehersteller immer einen kurrenz abheben kann. Das hat der Marc Possa, SaraSelect positiven Cashflow ausgewiesen hat. ausgeschiedene CEO Chapero gese- Lee: Das hat eben damit zu tun, wer hen und Sonova von einer technolo- die Aktien hält. Viele kurzfristig ori- gie- zu einer marketinggetriebenen entierte Fonds. Wenn es anfängt zu Firma gewandelt. Der neue CEO muss Zyklikern aufgebaut, wie im Verbin- kriseln, verabschiedet man sich bes- erst zeigen, dass er es auch kann. dungstechniker Bossard. sern von solchen Titeln. Übrigens Herr Lee, anders als Herr Possa mö- Dass Sie in Zykliker investieren, gibt es zwei Arten von Zyklizität. Ein gen Sie die zyklischen Schweizer In- heisst doch, Sie sind zurzeit opti- Industriekonzern wie Georg Fischer dustriewerte weniger? mistisch eingestellt für die Börse. erlebt tatsächlich Gewinneinbrüche. Lee: Ich meide sie eher, wegen der Lee: Genau, ich bin sehr positiv ein- Bei Sika bleiben auch in der Krise die Kursschwankungen. Von meinem gestellt für die Wirtschaft und halte Gewinne erstaunlich stabil, da bricht Typ her ziehe ich den Plakatwerber die Zykliker für unterbewertet. nur der Aktienkurs ein. APG vor, der hat ein langweiliges Ge- Possa: Ja. In den Bewertungen spie- Trotzdem geht es nicht nur darum, schäft, das auch in der Krise gut läuft. geln sich zu starke Rezessionsängste. die richtigen Titel zu kaufen. Man BILD: PETER FROMMENWILER Oder IVF Hartmann. Die Verbands- Gerade wer in schwankungsanfäl- muss auch wissen, wann die Zeit ge- stofffabrik hat ebenfalls ein langwei- lige Zykliker investiert, muss sich kommen ist, zu verkaufen. liges, aber grundsolides Geschäft, heute fragen, ob die Kaufen- und Lee: Richtig, der Zeitpunkt für die dass ein schönes Gewinnwachstum Halten-Strategie noch dienlich ist. Trennung kommt, wenn eine Firma gebracht hat. Zuletzt haben wir aber Possa: Das ist das Timing angespro- ihre Ziele nicht mehr erfüllt oder die auch die eine oder andere Position in chen. Es ist schwierig, bei Zyklikern Aktie stark überbewertet ist. In den letzten 18 Monaten haben wir die Engagements in Immobilienaktien stark abgebaut, aus Mobimo sind wir ganz hinaus. Ich glaube, der Immobi- liensektor ist zu hoch bewertet. Possa: Viele Schweizer Immobilien- aktien werden mit einer Prämie um 20 Prozent zum inneren Wert gehan- delt. Da hat sich eine Blase gebildet. Roundtable. Erhard Lee und Marc Possa im Gespräch mit /stocks18/roundtable/ Stocks-Redaktor Kurse AMG Substanzwerte BILD: Andreas Kälin. Schweiz und SaraSelect 18 / 2012 STOCKS 59
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