"Aufholen nach Corona" Empfehlungen zur Umsetzung des Aktions-programms
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„Aufholen nach Corona“ Empfehlungen zur Umsetzung des Aktions- programms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung, 02. Juni 2021 Im Mai 2021 hat die Bundesregierung das „Ak- werden. Eine Autor_innengruppe der Friedrich- tionsprogramm Aufholen nach Corona für Kin- Ebert-Stiftung mit Expertinnen und Experten aus der und Jugendliche“ beschlossen. Mit einem Wissenschaft, Bildungsverwaltung und Bildungs- Finanzvolumen von 2 Milliarden Euro sollen praxis legt in der vorliegenden Stellungnahme Lernrückstände abgebaut, die frühkindliche Bil- Empfehlungen zur erfolgreichen Umsetzung des dung gestärkt, Freizeit- und Ferienaktivitäten so- Aktionsprogramms vor. wie weitere außerschulische Angebote gefördert Die Corona-Pandemie – seit mehr als einem Jahr ein Euro zum Abbau von Lernrückständen und 1 Mrd. Ausnahmezustand insbesondere für Kinder und Ju- Euro zur Förderung frühkindlicher Bildung, für Frei- gendliche: Schulen sind wochenlang geschlossen, zeit-, Ferien- und Sportaktivitäten sowie für die Be- Freizeitaktivitäten fallen aus, soziale Kontakte sind gleitung von Kindern und Jugendlichen im Alltag und eingeschränkt - der gewohnte Alltag findet nicht in der Schule. Im Gegenzug sollen die Länder, laut mehr statt. Viele fallen aus ihrem normalen Gefüge Verfassung für Schule und Unterricht zuständig, mit heraus, verlieren einen großen Teil ihrer Lebensräu- „eigenen Beiträgen und Maßnahmen“ zur Kompen- me. Manche sind auf sich allein gestellt, sozial iso- sation von Lerndefiziten beitragen (vgl. Kabinettsbe- liert, für viele sind die Tage gleichförmig und lang, schluss der Bundesregierung). Nach Abschluss einer ohne Besuch, ohne Plan. Waren es doch die Schule entsprechenden Vereinbarung wollen Bund und Län- und Aktivitäten in der Freizeit wie in Vereinen, die der das Programm zeitnah umsetzen. ihrem Alltag Struktur, die ihnen Halt und Verlässlich- keit gaben. Entfremdungs- und Defiziterfahrungen Dass „Aufholen nach Corona“ nicht nur auf die Kom- belasten die psychosoziale Stabilität, geschlossene pensation pandemiebedingter Lernrückstände zielt, Schulen die Lernentwicklung. sondern ebenso auf die Abschwächung psychosozia- ler Folgeschäden und damit Kinder und Jugendliche Um Kinder und Jugendliche beim Aufholen „pande- als ganze Persönlichkeiten in den Blick nimmt, ist miebedingter Lernrückstände“ zu unterstützen und sehr zu begrüßen. Nun kommt es darauf an, das be- „körperlichen und seelischen“ Langzeitfolgen entge- schlossene Aktionsprogramm mit Leben zu erfüllen, genzuwirken (vgl. Kabinettsbeschluss der Bundesre- es in enger Zusammenarbeit von Bildungspolitik und gierung), hat die Bundesregierung am 4. Mai 2021 ein Schuladministration, mit Schulen, der Kinder- und Ju- „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder gendhilfe sowie weiteren externen Bildungsanbietern und Jugendliche“ beschlossen und für die Jahre 2021 und 2022 insgesamt 2 Mrd. Euro bereitgestellt - 1 Mrd.
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 02/07 zu konkretisieren, erfolgreich umzusetzen und nach- gabe erforderlich. Die Schulen sollten alsbald er- haltige Lehren aus dem Programm auch über die Zeit fahren, wie hoch das ihnen zur Verfügung gestellte der Krise hinaus zu ziehen. Budget ist, die Mittel jedoch nicht selbstständig verwalten müssen. Zudem sollte auf aufwändige Eine Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung Antragsstellung und Verwendungsnachweise ver- mit Vertreter_innen aus Wissenschaft, Bildungsverwal- zichtet werden. tung und Bildungspraxis empfiehlt, sich bei der Aus- gestaltung der Fördermaßnahmen an den in diesem Faire Verteilung der Mittel Papier zusammengefassten Leitlinien zu orientieren. 1 Milliarde Euro Bundesmittel für zusätzliche Lern- förderung sind ein durchaus beachtlicher Betrag, der zu einem zielgenauen Einsatz verpflichtet. Auf- Empfehlungen gabe der Schuladministration in den Ländern ist es, grundsätzliche Kriterien festzulegen, wer die Kompensation von Lernrückständen beanspruchen I. MaSSnahmen zur kann, wer also, wie es im Aktionsprogramm heißt, Kompensation „förderbedürftig“ ist. Das sind im Rahmen der Lern- von Lernrückständen förderung - so ist es vorgegeben - in erster Linie Schüler_innen mit fehlenden Basiskompetenzen in den Kernfächern. Die im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Lernförde- rung formulierten Eckpunkte überlassen die konkrete Zudem sind die Länder aufgefordert, einen von al- Umsetzung weitgehend den Ländern. Die vom Bund len Beteiligten als fair empfundenen Verteilungs- zur Verfügung gestellten Mittel sollen „schulformun- schlüssel für die zusätzlichen finanziellen Mittel abhängig und trägerneutral“ (Kabinettsbeschluss der zu finden. Eine Mittelzuweisung sollte sich am tat- Bundesregierung) zur Verfügung gestellt werden. Fest- sächlichen Förderbedarf der Schüler_innen einer gelegt sind darüber hinaus die Konzentration auf die Schule orientieren und nicht gleichmäßig über alle sog. Kernfächer, eine hohe Kontinuität möglichst klei- Schulen verteilt werden. Es ist davon auszugehen, ner Lerngruppen und die Ermöglichung von „Drehtür- dass der Förderbedarf an Schulen in herausfor- modellen“, also einer temporären Herausnahme von dernden Lagen vergleichsweise größer ist. Schüler_innen aus dem Unterricht und Individualför- derung durch eine zusätzliche Lehrperson. Die Länder Bund und Länder sind aufgefordert, für Fälle der sind aufgefordert, insbesondere Lernförderprogramme Ressourcenverteilung grundsätzlich bedarfsge- in den Ferien zu organisieren und im neuen Schuljahr rechte Verteilungsmechanismen zu entwickeln, unterrichtsbegleitende Fördermaßnahmen aufzulegen. die die soziale Lage von Schüler_innen oder deren Förderbedarf zur Grundlage haben. „Ungleiches Der verhältnismäßig weite Spielraum für die konkrete ungleich behandeln“ sollte mehr denn je zu einem Ausgestaltung vor Ort birgt sowohl Chancen als auch bildungspolitischen Grundsatz werden. Risiken - Chancen, weil damit Raum für Erprobung und Innovation entsteht und zugleich gewährleistet werden Gestaltungsfreiheit und Unterstützung für die Bil- kann, dass Maßnahmen an die jeweiligen schulkultu- dungseinrichtungen rellen und schulorganisatorischen Gepflogenheiten an- Schulen sollten über die von ihnen angebotenen schlussfähig sind, und Risiken, weil nicht alle Schulen Fördermaßnahmen selbst entscheiden können und gleichermaßen erfahren und handlungssicher sind, um ggf. Kooperationen mit außerschulischen Partnern passgenaue Förderprogramme aufzulegen und vorhan- eingehen. Innerhalb dieses Rahmens sollten die dene Spielräume zum Wohle der Schüler_innen aus- Schulen vielfältige Wege beschreiten können, um zuschöpfen. Darum benötigen Schulen beides: Festle- ein passendes, abgestimmtes und an bestehende gungen, für wen, wofür und wie die Mittel eingesetzt Entwicklungen anschlussfähiges Angebot zu ent- werden sollen, und Freiraum, um die je eigenen Heraus- wickeln. Schuladministrationen sind gefordert, zu- forderungen bewältigen zu können. Wir empfehlen: gleich Vertrauen in die Gestaltungskraft der Schulen zu setzen als auch die notwendigen Unterstützungs- Schnelle, unbürokratische Mittelvergabe strukturen bereitzustellen. Da die Fördermaßnahmen mit Beginn des neuen Schuljahres starten sollen, sind mehr denn je unbü- Bestehende schulische Förderkonzepte (z.B. die rokratische Verfahren für eine schnelle Mittelver- Entwicklung offener Lernlandschaften, der Be-
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 03/07 such außerschulischer Lernorte, die Nutzung bergreife Kooperation, um geeignete Testverfahren von Lernapps, der Ausbau von Förderangeboten zu sammeln, zu systematisieren und für die Hand im Ganztag) sollten mit den zusätzlich zur Verfü- der Lehrkräfte aufzubereiten. gung gestellten Mitteln weiterentwickelt werden können. Lehrkräfte, Lernende und Eltern sollten Die Fördermaßnahmen sollten dort ansetzen, wo einen Überblick über landesweit oder kommunal der diagnostizierte Bedarf am dringlichsten ist. Die zugängliche Förderangebote erhalten. Auch um Landesinstitute sollten zeitnah Materialien sich- Synergieeffekte zu erzielen, sollten bestehende ten, prüfen und bei positiver Bewertung verfügbar Förderangebote auf allen Ebenen miteinander machen. Gegebenenfalls müssen weitere Angebote vernetzt werden. Mittels digitaler Tools kann die entwickelt werden. Auch hier sollten die Länder Gesamtheit der Maßnahmen schnell bekannt und über eine länderübergreifende Kooperation und zugänglich gemacht werden. die Nutzung gemeinsamer Lernplattformen wie beispielsweise das gemeinsame Bildungsportal der Förderangebote zeitlich und inhaltlich gut dosieren Länder MUNDO nachdenken. Ziel sollte es sein, Die Zeit drängt, die Ferienangebote sollen mög- den Bildungseinrichtungen schnellstmöglich digi- lichst schon in den anstehenden Sommerferien, tale Tools zur Nutzung von Lehr- und Lernmaterial die weitere Lernförderung mit Beginn des neu- zur Verfügung zu stellen - mittelfristig sollten es en Schuljahres starten. Das ist nachvollziehbar, solche sein, die eine integrierte Feedbackfunktion schließlich erschweren fehlende Basiskompetenzen bieten und die gestellten Aufgaben den Lernenden das weitere Lernen. Angesichts dessen können für anpassen. bestimmte Schüler_innengruppen Intensivkurse eine Lösung sein. Keine Förderung ohne Motivation, Vereinbarung, Feedback Mitunter kann jedoch eine regelmäßige, zeitlich Förderung ist dann besonders wirksam, wenn sie und inhaltlich gut dosierte Förderung wirksamer auf individueller Motivation und Feedback basiert. sein als ein gelegentlich durchgeführter ganztätiger Die Motivation wird nicht zuletzt dadurch beein- Intensivkurs. Wer kontinuierlich, in überschau- flusst, welche Bedeutung einer Maßnahme oder barem Umfang fördert, kann gezielter, schneller, den mit ihr verbundenen Zielen beigemessen wird. individueller und motivierender auf Lernschwie- Die subjektive Wahrnehmung von Relevanz ist ein rigkeiten reagieren. Lange zu lernen, heißt nicht wesentlicher Prädiktor für die Lernmotivation. Da- automatisch, viel zu lernen. rum sollten Fachlehrer_innen oder die Klassenlei- tungen die Lernenden und deren Eltern über mit Förderung und Diagnostik in einer Hand einer Nutzung individualisierter Lernangebote Die konkrete Identifizierung förderbedürftiger verbundenen Chancen informieren, ihnen bei der Schüler_innen sollte den Schulen obliegen. Über- Auswahl entsprechender Angebote beratend zur prüfen zu wollen, ob Lernrückstände ausschließ- Seite stehen, die Fördermaßnahmen motivierend lich pandemiebedingt entstanden sind oder nicht, und systemisch Feedback gebend begleiten. Ver- erscheint auf Grund der Mehrdimensionalität von einbarungen zwischen den Beteiligten können hel- Ursachen für Bildungsbenachteiligung sachfremd fen, individuelle Lernziele zu konkretisieren und und letztlich realitätsfern. deren Erreichen zu überprüfen. Für die Gruppe der zu Fördernden sollte mög- Das Förderprogramm adressiert junge Menschen lichst eine differenzierte und fachbezogene Indivi- mit Lernrückständen in Kernfächern. Da Schü- dualdiagnostik eingesetzt werden, damit die spe- ler_innen jedoch in den Fächern, in denen sie lei- zifischen Lernschwierigkeiten individuell iden- stungsschwächer sind, für die sie also mehr lernen tifiziert werden können. Dazu sollten - soweit sollten, oftmals mit geringerer Lernmotivation und vorhanden und zugänglich - standardisierte Test- weniger effektiv lernen, ist es umso wichtiger, ih- instrumente in Einsatz gebracht werden, die mit nen Angebote vorzuhalten, die über die rein kogni- vertretbarem Aufwand im schulischen Alltag an- tive Förderung hinausgehen. wendbar sind. Aufgabe der Länder ist es, während der Laufzeit des Aktionsprogramms Lehrkräften Professionalität der Durchführenden ein entsprechend geprüftes, qualitätsgesichertes Angesichts des Umfangs, in dem zusätzliche Förder- und zugleich alltagstaugliches Angebot zur Verfü- programme und -kurse aufgebaut werden sollen, gung zu stellen. Sinnvoll wäre dazu eine länderü- ist kaum davon auszugehen, dass sie ausschließ-
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 04/07 lich durch bereits qualifizierte oder erfahrene Lehr- Förderung mit sportlicher oder kultureller Aktivi- personen erbracht werden können. Vielmehr wird tät verbunden wird), die dieser Individualität Rech- – so ist es auch im Programm angelegt – auf Stu- nung tragen. dierende, Kulturschaffende und sonstige Freiberuf- ler_innen zurückgegriffen werden müssen. Sofern Die angebotenen Lernfördermaßnahmen fokussie- diese Personen nicht über einen entsprechenden ren auf die Förderung von Basiskompetenzen in Qualifikationsnachweis für ihre Lehrbefähigung Kernfächern. Schüler_innen sollten jedoch auch oder entsprechende Erfahrung verfügen, sollten die Erfahrung machen, dass schulisches Lernen die die Ländern ihnen Qualifizierungsangebote vor- gesamte Persönlichkeit in den Blick nimmt. Pro- halten, die sie im Vorfeld oder während ihrer Tätig- jektorientiertes Lernen, das kulturelle, ästhetische keit durchlaufen müssen. oder auch körperliche und soziale Erfahrungen sowie die Einübung basaler Kompetenzen zulässt, Verzahnung von Förderangeboten und Regelunterricht sollte das Ziel sein. Förderangebote und Regelunterricht sollten auf- einander bezogen sein. Wenn Schüler_innen ei- Evaluation von Anfang an nen Zusammenhang von außerschulischem und Es sollte zu Beginn der Umsetzung des Aktionspro- schulischem Lernen nicht erkennen, besteht die gramms zur Lernförderung seitens der politisch Ver- Gefahr, dass sie mit den Maßnahmen überfordert antwortlichen in den Ländern ein Design für eine sind, diese als zusätzliche Belastung empfinden, Evaluation entwickelt und folgerichtig umgesetzt nicht aber als Möglichkeit, den Anschluss zum Un- werden. Ein Programm dieser Größenordnung erfor- terricht wiederherzustellen. Umgekehrt sollte der dert eine wissenschaftliche Bewertung, die sich we- Regelunterricht die aktuellen Fördermaßnahmen nigstens auf Verfahren der Leistungszuweisung, der und den jeweiligen Lernstand der Schüler_innen Prozessgestaltung, der Realisierung von geplanten im Blick haben. Einer engen Verknüpfung und dem Angeboten (Output) und soweit möglich der Wir- Austausch von Schule und zusätzlichen Akteuren kungen auf der Ebene der Schüler_innen (Outco- - selbstverständlich unter Beachtung des dienst- mes) bezieht. Hierzu gehört selbstverständlich eine rechtlichen Rahmens - kommt dabei eine besonde- Dokumentation der einschlägigen administrativen re Bedeutung zu. Entscheidungen und ihrer Begründungen. Trotz der zu erwartenden Variabilität der Einzelmaßnahmen Berücksichtigung von Lernstrategien und Metako- sollte auch begründet dargelegt werden, ob und in- gnition wieweit hier konzeptionelle Überschneidungen aus- Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass für digital gemacht werden können, so dass auch für „Bündel“ gestützte Lernformen die Fähigkeit zu Selbststeu- von Maßnahmen systematische formative und sum- erung und Selbstregulation zwingende Vorausset- mative Evaluationen möglich werden. zung ist. Kinder und Jugendliche, die über diese Fä- higkeiten nicht verfügen, sind auch bei ansonsten Im Hinblick auf die vielfältigen und wahrschein- guten Leistungen benachteiligt gegenüber denen, lich sehr unterschiedlichen Einzelmaßnahmen die ihren eigenen Lernprozess gut strukturieren bzw. Projekte innerhalb des Aktionsprogramms können. Um das nachholende Lernen nicht nur in sollten den Schulen (und gegebenenfalls anderen die Verantwortung von externen Lernbegleitern zu Leistungsanbietern) einfache und damit wenig auf- legen, sondern Schüler_innen das selbstständige wendige Hinweise zur Dokumentation fundamen- Nachholen zu ermöglichen, sollte ein Fokus auch taler Daten zur Verfügung gestellt werden. Damit auf der Vermittlung von Lernstrategien und Meta- könnten ex post wenigstens geordnete und damit kognition liegen. Vergleiche ermöglichende Reflexionen zu Umset- zung, Erfahrungen und Wirksamkeit pädagogischer Vielfältige Förderangebote Interventionen möglich werden. Junge Menschen unterscheiden sich sowohl in Bezug auf ihre Kompetenzstände als auch in der Art und Weise des Lernens. Daher sollten an je- der Schule, zumindest jedoch an kooperierenden Schulen, Lernangebote vorgehalten werden (z.B. „Pushdays“ mit mehrstündiger Förderung in einem Kernfach oder „Kombi-Tage“, an denen fachliche
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 05/07 Bestehende Angebote im Bereich der frühkind- II. Frühkindliche Bildung, lichen Bildung für Kinder mit sprachlichem Förder- auSSerschulische Angebote bedarf sollten dauerhaft finanziert werden, ebenso und Ferienzeiten, Begleitung Angebote für besonders belastete Familien. und Unterstützung im Alltag Die Schulsozialarbeit sollte als regelhaftes Angebot und in der Schule — mit gesetzlich vorgesehenen Betreuungsschlüsseln die weiteren MaSSnahmenpakte in ausnahmslos allen Schulen verankert werden; Umfang und Qualität dürfen nicht (länger) von der des Aktionsprogramms Situation kommunaler Haushalte abhängen. Während der Pandemie bei Kindern beobachteten Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen sollten in Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffällig- die Lage versetzt werden, noch stärker auf „Komm- keiten zu begegnen, Kindern und Jugendlichen Gele- Strukturen“ zu setzen, beispielsweise mit innova- genheiten zum sozialen Lernen zu geben, sie im Alltag tiven mobilen Angeboten aus den Bereichen Spiel, und in der Schule zu begleiten, zu unterstützen und Sport und Kultur in den Lebensorten der jungen den Familien insgesamt die Chance zu bieten, wieder Menschen. Energie zu sammeln - darauf zielen die weiteren Maß- nahmenpakete des Aktionsprogramms. Das ist gut so, Familien- und Erziehungsberatungsstellen sollten weil erst dadurch die Persönlichkeit des jungen Men- gestärkt werden, damit diese ihre Angebote noch schen insgesamt in den Blick genommen wird. stärker an Orten wahrnehmen können, wo sie auf Familien in sozial herausgeforderten Lebens- In der Tat: Über die schulische Ebene hinaus ist die lagen antreffen können, etwa in Familienzentren Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung, der und sonstigen quartiersbezogenen Strukturen wie Ausbau von niedrigschwelligen Beratungs- und Unter- Nachbarschafts-/Bewohnertreffs. Der Familienzen- stützungsangeboten für Familien, aber auch der Aus- trumsgedanke sollte aus dem System der Kinderta- bau von psychosozialen und erlebnispädagogischen geseinrichtungen auch auf die Grundschule ausge- Angeboten für Kinder- und Jugendliche im Hinblick dehnt werden. auf die Schaffung von sozialen, schulischen und beruf- lichen Zukunftsperspektiven unverzichtbar. Die Berufsberatung sollte weiterentwickelt, Prakti- ka und berufliche Orientierungskurse ausgebaut Hierfür sollten bestehende Strukturen und Rahmenbe- werden. Die Struktur der Jugendberufsagenturen, dingungen in den Kommunen genutzt und ausgebaut bestehend aus den Rechtskreisen des SGB II, III werden. Darum sollten die Bundesmittel zur quanti- und VIII, ist gefordert, sich so auszurichten, dass tativen und qualitativen Stärkung von bewährten Un- die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die vor terstützungsstrukturen im Bereich der Kinder- und dem Übergang von der Schule ins Berufsleben ste- Jugendhilfe, der psychosozialen Beratungsangebote, hen, dort erreicht werden können, wo sie sind: In der Erziehungsberatung, der Ganztagsbetreuung, der der Schule, aber auch bei der Freizeitgestaltung in Schulsozialarbeit sowie Unterstützungsstrukturen der Jugendarbeit oder im Sportverein. der Schulpsychologie flexibel genutzt werden sowie weiteren Akteure in den Kommunen wie Integrati- onseinrichtungen, Stadtteilstrukturen und auch dem Ausblick zivilgesellschaftlichen Engagement zur Verfügung ste- hen. Zugleich sollten für die in den Kommunen be- stehenden Strukturen zusätzliche Personalressourcen „Aufholen nach Corona“ stellt einen ersten wichtigen mobilisiert und weitere Förderprogramme entwickelt Schritt zur Aufarbeitung pandemiebedingter Lernrück- werden, um kurz- und mittelfristig niedrigschwellige stände, zur Reduzierung von Bildungsbenachteiligung und kindgerechte Bewegungs- und Erholungsmöglich- und zum Ausgleich psychosozialer Folgen dar. Erfolg- keiten zu schaffen und die Eltern zu entlasten. reiche Ansätze sollten über die Krise hinaus genutzt und weiterentwickelt werden. Unterstützungsbedarfe Erforderlich erscheint eine dauerhafte Stärkung der - insbesondere in Bezug auf die Sicherung von Basis- kommunalen Bildungslandschaften. Dabei geht es so- kompetenzen, auf die Förderung selbstregulierten Ler- wohl um Förder- als auch um Beratungsangebote für nens und die Nutzung digitaler Tools - werden länger- Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Wir empfehlen: fristig bestehen bleiben.
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 06/07 Aus der Pandemie sollten aber auch Lehren für die Zu- sammenarbeit der unterschiedlichen Ebenen des Bil- Die Autor_innengruppe: dungssystems gezogen werden. Es sollten schon jetzt Überlegungen darüber angestellt werden, wie Bund, Die Autor_innengruppe hat im Mai 2021 getagt und die Länder und Kommunen im Schulterschluss Kinder, vorliegende Stellungnahme kollaborativ erarbeitet. Ihr Jugendliche und Familien dauerhaft unterstützen und gehören neun Expert_innen aus Wissenschaft, Bildungs- in erforderlichem Umgang pädagogisches Personal ge- verwaltung und Bildungspraxis an: winnen und qualifizieren können. Schließlich geht es um die Reduzierung von Bildungsungleichheit und Prof. Dr. Wolfgang Böttcher, Institut für Erziehungs- um die Realisierung von Chancengleichheit als einem wissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universi- Kernversprechen unserer Demokratie, das bis heute tät Münster nicht eingelöst ist. Dr. Martina Diedrich, Direktorin des Instituts für Bil- dungsmonitoring und Qualitätsentwicklung Hamburg Christof Haering, Schulleiter des Landfermann-Gym- nasiums Duisburg Klaus Hebborn, Beigeordneter Deutscher Städte- tag, Leiter des Dezernats Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung Burkhard Jungkamp, Staatssekretär a.D. und Modera- tor des Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung Prof. Dr. Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation Dr. Martin Pfafferott, Leiter Bildung und Wissen- schaft der Friedrich-Ebert-Stiftung Markus Schön, Stadtdirektor der Stadt Krefeld, Ge- schäftsbereich Bildung, Jugend, Arbeit, Sport, Migra- tion und Integration Frank Wagner, Leiter der Gebrüder-Grimm-Schule Hamm
„Aufholen nach Corona“: Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Stellungnahme einer Autor_innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung | 02. Juni 2021 Seite 07/07 Impressum Verantwortlich und Kontakt Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung Dr. Martin Pfafferott Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin Leitung Bildung und Wissenschaft Abteilung Analyse, Planung und Beratung Abteilung Analyse, Planung und Beratung Germany 2021 Friedrich-Ebert-Stiftung martin.pfafferott@fes.de Redaktion: Burkhard Jungkamp, Dr. Martin Pfafferott Gestaltung & Satz: minus Design, Berlin Illustration auf Seite 1: © Johannes Beck Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung dürfen nicht für Wahlkampfzwecke verwendet werden. Besuchen Sie unseren Bildungsblog www.fes.de/bildungsblog Folgen Sie uns auch auf twitter.
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