Rassismuskritik in der Lehrer/-innenfortbildung Bausteine einer europäischen Fortbildung für Leh-rerinnen und Lehrer zu den Themen Migration ...

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Rassismuskritik in der Lehrer/-innenfortbildung Bausteine einer europäischen Fortbildung für Leh-rerinnen und Lehrer zu den Themen Migration ...
1/2011                                   Politik unterrichten

Rassismuskritik in der Lehrer/-innenfortbil-
dung
Bausteine einer europäischen Fortbildung für Leh-
rerinnen und Lehrer zu den Themen Migration und
politisch-interkulturelle Kompetenz
Meike Jens

Fortbildungen für Lehrkräfte       im Schulalltag zu unbewussten
zum Thema Interkulturalität        Diskriminierungen durch Leh-
machen häufig „die Anderen“,       rende gegenüber Schülerinnen
aktuell z.B. „die“ Muslime,        und Schülern mit Migrationshin-
zum Gegenstand und wollen          tergrund. Dies wirkt sich negativ
deren Verhalten erklären. Die      auf die Lernmotivation dieser
Dimension der Selbstreflexion      Klientel aus. Wie weiter unten
bezüglich der eigenen Normen       erläutert wird, geht es in dem
und Werte sowie der eigenen        Fortbildungsmodul nicht darum,
gesellschaftlichen Machtposi-      Lehrerinnen und Lehrern „fal-
tion wird in vielen Fällen nicht   sches“ Denken abzugewöhnen.
thematisiert. Das gleiche gilt     Stattdessen werden Vorurteile
für das Phänomen der struktu-      und potentiell diskriminierendes    Kommission verändert werden,
rellen Diskriminierung, von der    Verhalten unter der Berücksich-     weil sie nicht mit internationalen
Schülerinnen und Schüler mit       tigung gesellschaftlicher Macht-    Menschenrechtsnormen zu ver-
Migrationshintergrund betroffen    verhältnisse analysiert. Daneben    einbaren war, dies betraf bspw.
sind, jedoch auch viele andere     werden in der Fortbildung Materi-   das Recht auf Freizügigkeit. Ein
Gruppen.                           alien für Grundschullehrer/-innen   kleiner Ausflug in Rechtsgefil-
                                   vorgestellt, welche im Unterricht   de wird vom MIRACLE Kon-
Das MIRACLE Projekt                eingesetzt werden können. Die       sortium als sinnvoll erachtet,
                                   Lerngegenstände Flucht und Mi-      um z.B. die Vorstellungen von
Eine Fortbildung, die derzeit      gration stehen im Zentrum dieser    Teilnehmer/-innen über die An-
innerhalb des multilateralen       Materialien, welche größtenteils    zahl von Flüchtlingen und Asyl-
Comenius Projekts MIRACLE –        an den didaktischen Prinzipien      suchenden in der EU bzw. über
Migrants and Refugees a Chal-      Dialog- und Koopartionsorientie-    Anerkennungsquoten von Asyl-
lenge for Learning in European     rung ausgerichtet sind.             gesuchen mit aktuellen statisti-
Schools konzipiert wird, be-            Lehrer/-innen haben in der     schen Angaben aufeinander zu
rücksichtigt diese beiden Kom-     Fortbildung ebenfalls die Mög-      beziehen.
ponenten. An der Entwicklung       lichkeit, sich über grundlegende
beteiligt sind insgesamt ca. 25    Vereinbarungen der EU Asylpo-       Rassismus
Mitarbeiterinnen und Mitarbei-     litik zu informieren. Zum einen
ter aus Forschungsinstituten,      kann potentiell jede Lehrkraft      Die Themen Flucht und Migra-
NGOs, Verbänden sowie Leh-         Schüler/-innen in der Klasse ha-    tion und politisch-interkulturelle
rerinnen und Lehrer aus sechs      ben, für die und deren Familien     Kompetenz können nicht be-
europäischen Ländern. Koor-        andere Gesetze gelten als für       handelt werden, ohne das Phä-
dinierende Einrichtung ist die     jene Schülerinnen mit deutscher     nomen Rassismus zu erörtern.
Professur für Didaktik der Poli-   Staatsangehörigkeit. Bei einem      Vielmehr ist rassismus-kritische
tischen Bildung an der Leibniz     Klassenausflug muss evtl. dar-      Bildung ein zentraler Bestand-
Universität Hannover.              auf geachtet werden, dass eine      teil der interkulturellen Päda-
                                   Genehmigung zum Verlassen           gogik als auch der politischen
Inhalte der Fortbildung            des Landkreises vorliegt. Zum       Bildung. Die Verfolgung von
                                   anderen soll es die Möglichkeit     People of Colour (Sklavenhan-
In diesem Text geht es haupt-      geben, über Hintergründe und
sächlich um das Fortbildungs-      Auswirkungen bestimmter Re-
modul        „rassismuskritische   gelungen, z.B. der EU Richtlinie
                                                                       1   European Centre on Racism
politische Bildung“. Ausschlag-    zur Festlegung von Mindest-
                                                                           and Xenophobia (2004) Mig-
gebend für die starke Stellung     normen für die Aufnahme von             rants, Minorities and Education
dieses Moduls in der Fortbil-      Asylbewerbern in den Mitglied-          – Documenting Discrimination
dung sind die Ergebnisse der       staaten (2003/9/EG), zu disku-          and Integration in 15 Member
Studie „Migrants, Minorities and   tieren. Diese musste beispiels-         States of the EU
Education“1: Zum Teil kommt es     weise mehrfach durch die EU
                                                                                                                   25
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     del, Apartheidsysteme in den
     USA und im südlichen Afrika
     etc.) wirkt sich bis in die heutige
     Zeit aus. Unsere Imaginationen
     sind geprägt von rassistischen
     Zuschreibungen (s. Abb. 1 und
     Abb. 2).2
        Während der Kolonialzeit
     wurden schwarze Menschen in
     deutschen Zoos zur Schau ge-
     stellt. Die Auswahl des Fotos
     (Abb. 2) sowie der Textauszug
     aus der Werbebroschüre (s. u.)
     des Eberswalder Zoos, könn-
     ten den Gedanken nahe legen,
     dass Menschen im Zoo zu „be-
     wundern“ sind:

                                                             Abb. 1: Werbeanzeige einer Mietwagenfirma

         -- Entdecken Sie nachtaktive Tiere im Zoo bei einem individuellen nächtlichen Zoo-Rundgang
         -- Lernen macht Spaß – Angebote der Zooschule für die Jüngsten
         -- Erfreuen Sie sich an Informationen über Namibia und die San, die vom Aussterben bedrohten
            letzten ersten Menschen
         -- Bewundern und erwerben Sie die Schnitzereien, Flechtarbeiten und weiteres Kunsthandwerk,
            das von ihnen geschaffen wurde.
     Textauszug aus Werbebroschüre
       (2010) des Eberswalder Zoos

     Im Broschürentext wird kein
     Absatz zwischen Zoo/Tieren
     vs. Menschen eingefügt – es
     wird auch keine andere Form
     der visuellen und inhaltlichen
     Trennung vorgenommen.3 Das
     Phänomen Rassismus basiert
     maßgeblich auf hierarchischen
     Unterscheidungen,      „Andere“
     werden als minderwertig konst-
     ruiert, ihnen werden in der Fol-
     ge häufig weniger Rechte zuge-
     standen (vgl. LEIPRECHT 2001:            Abb. 2: Dieses Bild stammt von der Seite: http://www.zoo.eberswalde.de/
     25f).4 Im Alltag ebenso wie im           veranstaltungen/index.html (Zugriff 5.7.2011), es weist auf die Veranstal-
     Bildungswesen kommt es zu                           tung: „Afrikanische Zoo-Nacht“ am 30. Juli 2011 hin.

     2    Weiterführende Literatur zu diesen Themen, z.B. Eggers, Maureen et al. (Hg.) (2005): Kritische Weißseinsfor-
          schung in Deutschland. Mythen, Masken und Subjekte. Münster. Unrast-Verlag
     3     Da in diesem Aufsatz aus Platzgründen nicht detaillierter auf Kolonialismen und deren Kontinuitäten einge-
          gangen werden kann, verweise ich auf folgendes Buch: Kundrus, Birthe (2003) (Hg.): Phantasiereiche. Zur
          Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus. Frankfurt/M., Campus
     4    Leiprecht bezieht sich auf Arbeiten von Balibar, Etienne (1990) (s. Literatur), Hall, Stuart (1989), Kalpaka, An-
          nita; Räthzel, Nora (1990), Miles, Robert (1989) und andere
          - Hall, Stuart (1989): Ausgewählte Schriften – Ideologie, Kultur, Medien, Neue Rechte, Rassismus. Herausge-
          geben von Nora Räthzel. Hamburg
          - Kalpaka, Annita; Räthzel, Nora (Hg) (1990): Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein. Leer, 2. überarb.
          Auflage
          - Miles; Robert (1989): Bedeutungskonstitution und der Begriff des Rassismus. In: das Argument. Zeitschrift
          für Philosophie und Sozialwissenschaften. 31. Jg. Heft 3. Hamburg Mai/Juni 1989, 353-368

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Ausschlüssen und Diskriminie-        werden. Diskriminierungen auf         de Afrika-Bild von Armut und
rungen. In heutiger Zeit finden      institutioneller Ebene sind ein-      Rückständigkeit wider. Auch in
rassistische Diskriminierungen       gebettet in Organisationsstruk-       Werken zur politischen Bildung
weniger anhand vermeintlicher        turen von Institutionen, d.h.         lassen sich stereotype Afrika-
Merkmale bzgl. der „Rasse“           rassistische Diskriminierungen        Bilder nachweisen.6
statt5, sondern es werden eher       finden auch innerhalb des Orga-           Dominante Diskurse können
Distinktionen anhand der Diffe-      nisationsablaufs der Schule statt     sich in Gesetzen und Verord-
renzlinie „Kultur“ vorgenommen.      (vgl. GOMOLLA 2005: 4). Dies          nungen manifestieren. Schul-
So hat BALIBAR herausgear-           wird weiter unten detaillierter       leitungen sind z.B. verpflichtet,
beitet, dass häufig angenom-         erläutert. Rassistische Diskrimi-     Schülerinnen und Schüler ohne
men wird, „fremde“ Kulturen          nierungen auf diskursiv-ideolo-       anerkannten Aufenthaltstitel an
seien nicht mit der jeweiligen       gischer Ebene sind Bestandteil        die Ausländerbehörde zu mel-
Mehrheits-Kultur vereinbar (vgl.     von politischen, sozialen, juristi-   den. Dies kann dazu beitragen,
BALIBAR 1990: 28). Ein Be-           schen und medialen Diskursen.         dass die Familie dieser Schüle-
standteil dessen ist, dass das       Diskurse werden hier verstan-         rinnen und Schüler abgescho-
Verhalten einer Person aus-          den als herrschende, d.h. offizi-     ben wird. Des Weiteren besteht
schließlich mit ihrer vermeint-      ell akzeptierte und praktizierte      für Kinder, deren Eltern ein Asyl-
lichen Gruppenzugehörigkeit,         Sprach- und Lesarten. Diskurse        gesuch gestellt haben in den
(z.B. „Kulturkreis“, „Mentalität“)   drücken gleichzeitig Praktiken        meisten Bundesländern keine
erklärt wird. So wird Kultur als     aus und ziehen diese nach sich        Schulpflicht.7 So trägt die Ins-
etwas Statisches festgeschrie-       (vgl. HOLZKAMP 1994: 16). Bei-        titution Schule zur Entstehung
ben und hybride Zugehörigkeit        spielsweise hat Sarrazin nicht        und Aufrechterhaltung sozialer
wird negiert. Auch Lehrende          endlich das ausgedrückt, was in       Ungleichheit bei. Zur Analyse
erklären das Verhalten von           den Augen vieler Menschen hät-        der (re-)produzierten Diskrimi-
„Schülern mit Migrationshinter-      te längst schon einmal gesagt         nierungen können folgende Fra-
grund“ teilweise ausschließlich      werden müssen. Stattdessen            gen dienen:
mit deren vermeintlicher kul-        hat er die seit Jahren währenden
turellen Zugehörigkeit. So do-       rassistischen Diskurse zusam-         1. Welchen rechtlichen und po-
kumentiert WEBER, dass das           mengefasst,        niedergeschrie-       litischen Vorgaben muss ent-
„Sich-schlau-Fragen“        eines    ben und geschickt vermarktet,            sprochen werden?
deutsch-türkischen       Schülers    u.a. mit Hilfe des Vorabdrucks        2. Wie sehen die Beziehungen
vom Lehrer nicht als solches         im SPIEGEL. Foucault hat ge-             zwischen den Angehörigen,
identifiziert wird, statt dessen     zeigt, dass Diskurs und Macht            die ebenfalls Teil der Organi-
erklärt er dieses Verhalten mit      miteinander verbunden sind,              sation sind, aus?
der angeblichen „Basar-Menta-        woraus eine Definitionsmacht          3. Welches      sind    Normen,
lität“ des Schülers (vgl. WEBER      erwächst: Welche Art zu Reden,           etablierte    Praxen      und
2008: 49ff). Je nach Frequenz        z.B. über eine bestimmte Grup-           Organisations“zwänge“ der
und Intensität solcher Zuschrei-     pe von Menschen, gilt als (noch)         Schule?
bungen kann es zu Leistungs-         angemessen und wahr? (vgl.            (vgl. FEAGIN/FEAGIN 1986 zit.
abfall und Selbstwertproblemen       ebd.). Erinnert werden kann in        nach: GOMOLLA 2005: 6)
bei Schülerinnen und Schülern        diesem Zusammenhang an Zi-
kommen.                              tate von Politikerinnen und Po-
     (Rassistische) Diskriminie-     litikern Anfang der 1990er Jahre
rungen können auf unterschied-       über sog. „Asylanten“, „Asylan-
                                                                           5   Die Vorstellung, dass mensch-
lichen Ebenen stattfinden, im        tenflut“, „Asylantenschwemme“             liche Rassen existieren ist
Alltagsverständnis      dominiert    etc. Die Abb. 1, Werbeanzeige             wissenschaftlich nicht halt-
allerdings die Vorstellung, dass     einer Mietwagenfirma, verdeut-            bar. Wenn in diesem Text von
sich Rassismus hauptsächlich         licht zum einen den dominanten            „Rasse“ die Rede ist, bezieht
auf der zwischenmenschlichen         rassistischen Diskurs, nach dem           sich dies auf ihre soziale Kon-
Ebene, z.B. in Form von ver-         die Schwarzen den Weißen un-              struktion.
balen oder tätlichen Angriffen       terlegen seien. Selbstverständ-       6   Vgl.: Bendix, Daniel (2007):
zeigt. Viele Fortbildungen zum       lich bezieht sich dies an dieser          ‘Afrika’ in der politischen Er-
                                                                               wachsenenbildung in Deutsch-
Thema interkulturelle Kompe-         Stelle vordergründig auf den
                                                                               land. In: kursiv. Journal für po-
tenz fokussieren ebenfalls die       Fußball. Die durch Weiße über             litische Bildung, 3/07: 74-80
individuellen Einstellungen bzw.     Jahrhunderte hinweg vorgenom-         7   Obwohl die UN-Kinderrechts-
Vorurteile der Teilnehmenden.        men Abwertungen gegenüber                 konvention, die von der Bun-
Jedoch können Diskriminierun-        Schwarzen bzw. People of Co-              desrepublik Deutschland rati-
gen ebenso auf institutioneller      lour schwingen hier jedoch mit.           fiziert wurde, dies in Artikel 28
als auch auf einer ideologisch-      Weiterhin spiegelt die Anzeige            vorsieht.
diskursiver Ebene identifiziert      das in den Medien vorherrschen-
                                                                                                                        27
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     Institutionelle Diskriminierung ist   Dieses sind die Hauptziele in       Menschen wird nicht nur in Be-
     Bestandteil des Organisations-        der Anti-Bias Arbeit. An dieser     zug auf „kulturalisierende“ oder
     systems Schule. Sie kann z.B.         Stelle muss darauf hingewie-        „rassialisierende“ Kategorisie-
     vorliegen, wenn einschulungs-         sen werden, dass im Anti-Bias       rungen thematisiert, sondern
     pflichtige Kinder mit dem alleini-    Verständnis kein deterministi-      ebenso bezüglich des Ge-
     gen Hinweis in den Schulkinder-       scher Zusammenhang zwischen         schlechts, der Geschlechtsiden-
     garten zurück gestellt werden,        herrschenden        rassistischen   tität, der sexuellen Orientierung,
     dass dort der Spracherwerb            Diskursen und je individuellem      der körperlichen und geistigen
     erfolgen soll (GOMOLLA 2005:          rassistischen Denken und Han-       Gesundheit, des Alters oder der
     6). Schülerinnen und Schüler          deln besteht. Jeder Mensch          sozialen Schicht.
     mit Migrationsgeschichte er-          kann sich vielmehr bewusst zu
     halten überproportional häufig        jenen herrschenden Diskursen        Fazit
     eine Empfehlung für Förder-           und den darin evidenten Prämis-
     und Hauptschulen (s. Fazit).          sen verhalten (vgl. HOLZKAMP        Die Fortbildung des MIRAC-
     GOMOLLA und RADTKE erklä-             1994, S. 17).                       LE Konsortiums, die im Okto-
     ren dies u.a. damit, dass diese       Dominante resp. herrschende         ber 2011 unter dem Titel Civic
     Schülerinnen und Schüler dem          Diskurse prägen das Bild von        Cross-Cultural Competencies
     Normalisierungs- und Homoge-          „den Anderen“. Beispiele dafür      for Elementary School Teachers
     nisierungsprinzip der Institution     sind Abbildung eins und zwei.       in Berlin angeboten wird, be-
     Schule zuwiderlaufen (monolin-        Diese stereotypen Vorstellungen     inhaltet zentrale Aspekte der
     guale, christliche, mittelständi-     von „Anderen“ sind Menschen je-     rassismuskritischen politischen
     sche Ausrichtung von Schule).         doch oft nicht bewusst. Deshalb     Bildung. Die Teilnehmenden
                                           sind selbstreflexive Elemente in    können erkennen bzw. erfah-
     Anti-Bias Ansatz                      einer Fortbildung zu den The-       ren, wie Herrschaft und soziale
                                           men Migration und interkulturelle   Ungleichheit legitimiert werden.
     Anti-Bias (engl. „bias“8 bedeutet     Kompetenz von entscheidender        Sie können sich z. B. ihrer indivi-
     Voreingenommenheit, Schief-           Bedeutung. Mit Übungen aus          duellen Privilegien bewusst wer-
     lage oder Vorurteil) wurde in         dem Anti-Bias Ansatz können         den, die ihnen allein aufgrund
     den 1980er-Jahren von Louise          sich die Teilnehmenden den ei-      ihres Weißseins zuteil werden.
     DERMAN-SPARKS und Ca-                 genen gesellschaftlichen Kon-       Mit der Verankerung des Mo-
     rol BRUNSON-PHILLIPS in               text vergegenwärtigen, innerhalb    duls „strukturelle Diskriminie-
     den USA entwickelt, Zielgrup-         dessen sie agieren. Denn jede       rung“ innerhalb der Fortbildung,
     pe waren damals in erster Li-         Vorstellung, die wir von anderen    soll gezeigt werden, dass die
     nie Kinder des Elementar- und         haben, hängt mit diesem Kontext     quasi-selbstverständlichen Mo-
     Primarbereichs. Es wird da-           UND mit uns selbst zusammen.        tive    institutionell-rassistischer
     von ausgegangen, dass jeder           Dementsprechend stehen die          Diskurse, Einfluss auf Individu-
     Mensch andere diskriminiert           individuellen Einstellungen der     en haben können. Jedoch ist
     und selbst diskriminiert wird.        Teilnehmer nicht im Mittelpunkt     es möglich, dass jeder Mensch
     Dementsprechend hat jeder             des diskriminierungskritischen      sich bewusst zu diesen Motiven
     Mensch Vorurteile. Sie werden         Moduls, eigene Einstellungen        verhält, so dass die scheinbar
     im Anti-Bias Ansatz jedoch nicht      und Vorstellungen werden je-        allgemeingültigen Denk- und
     in erster Linie als individuelle      doch auch thematisiert. Auf die-    Handlungsmöglichkeiten reflek-
     Fehlurteile angesehen, sondern        se Weise wird vermieden, dass       tiert und gegebenenfalls in Fra-
     es wird davon ausgegangen,            sich die Teilnehmerinnen und        ge gestellt werden können. Ein
     dass Vorurteile und Diskriminie-      Teilnehmer wie Objekte fühlen,      Beispiel soll dies verdeutlichen:
     rungen in der Gesellschaft ins-       denen „falsches“ Denken ab-         Eine hessische Studie zu Über-
     titutionalisiert sind. Rassistische   erzogen werden soll. Des Wei-       gangsempfehlungen zeigt, dass
     oder andere diskriminierende          teren kann so dem Entstehen         Lehrerinnen und Lehrer Kinder
     Diskurse können sich im eige-         von Schuldgefühlen entgegen
     nen Handeln und Denken nie-           gewirkt werden. Diese würden
     derschlagen, gewissermaßen            einen Reflexionsprozess blo-
     als Prämissen (vgl. HOLZKAMP          ckieren.
     1994: 17). Durch die Verge-               Ein weiteres Spezifikum des     8   „Bias“ wird durch Louise Der-
     genwärtigung dieses Zusam-            Anti-Bias-Ansatzes ist, neben           man-Sparks so erklärt: „Any
     menhangs, können zum einen            der Einbeziehung von verschie-          attitude, belief, or feeling that
     die eigenen Verhaltensweisen          denen Diskriminierungsebenen            results in, and helps to justify,
     reflektiert werden. Gleichzeitig      (s. o.), dass unterschiedliche          unfair treatment of an individu-
     können institutionalisierte un-       Formen von Diskriminierung              al because of his or her identi-
     terdrückende Ideologien aufge-        analysiert werden. Die Ausgren-         ty.” (Derman-Sparks 1989: 3)
     deckt und hinterfragt werden.         zung und Herabsetzung von
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aus der sogenannten „Unter-                Viele ökonomisch benach-           Handeln in ihrer Schule analy-
schicht“ seltener für das Gym-        teiligte Kinder haben gleichzei-        sieren werden, welches insbe-
nasium empfehlen als Kinder           tig einen Migrationshintergrund,        sondere zu Ungleichbehand-
aus der Mittel- und Oberschicht,      der herrschende Diskurs über            lungen von Schüler/-innen führt.
trotz gleichen Notendurch-            diese Gruppe beinhaltet, dass           Übergeordnete Ziele der hier
schnitts. Dies ist in den meisten     Sprachprobleme in erster Li-            skizzierten rassismuskritischen
Fällen kein Akt von absichtli-        nie der Grund für schlechtere           politischen Bildung sind dem-
cher Diskriminierung, sondern         Leistungen seien. Es kann an-           entsprechend eine egalitärere
es geschieht häufig unbewusst,        genommen werden, dass eini-             Gesellschaft und die damit ver-
quasi im Fahrwasser der Ho-           ge Lehrerinnen und Lehrer, die          bundenen       gesellschaftlichen
mogensierungstendenz der Or-          an einer MIRACLE Fortbildung            und politischen Partizipations-
ganisation Schule (s.o.). Statt       teilnehmen, ebenfalls dieser An-        möglichkeiten der unterschied-
dass sich der Auftraggeber            sicht sind. Da in der Fortbildung       lichsten Gesellschaftsmitglieder.
der Studie, das Sozialdezernat        jedoch auch über institutionelle        Geplant ist, dass die MIRACLE
Wiesbaden, mit der Produktion         Diskriminierung diskutiert wird         Fortbildung regelmäßig, d.h.
von sozialer Ungleichheit be-         (s. Studie zu Übergangsempfeh-          ein bis zwei Mal jährlich an-
fasst, indem z. B. das Organi-        lungen), kann es möglich wer-           geboten wird. Auch wenn sich
sationshandeln innerhalb der          den, dass Teilnehmer/-innen die         der Tagungsort außerhalb der
Institution Schule systematisch       Eindimensionalität dominanter           Bundesrepublik befindet, kön-
untersucht wird und Schullei-         Diskurse (z.B. Sprachprobleme           nen sich deutsche Lehrerinnen
tungen und Lehrkräfte darüber         > schlechtere Leistungen) er-           und Lehrer bewerben. Im Falle
informiert werden, empfiehlt es,      kennen. Auf diese Weise würde           einer positiven Antwort der nati-
die Elternbildung zu verstärken       dieses Motiv einen Teil seiner          onalen Agentur (Pädagogischer
und Kitas und Grundschulen mit        Wirkungsmacht verlieren. Hinzu          Austauschdienst) werden alle
vielen armen Kindern personell        kommt, dass einige Teilnehmer/-         Kosten übernommen. Nähere
und materiell besser auszustat-       innen im Anschluss an die Fort-         Informationen sind auf dieser
ten (KALPAKA 2009 in: LANGE/          bildung eventuell widerständig          Webseite zu finden: http://www.
POLAT: 180).                          auf diese Diskurse einwirken            miracle-comenius.org.
                                      bzw. auch das organisatorische
Literatur:

BALIBAR, Etienne (1990): Gibt es einen “Neo-Rassismus“? In: BALIBAR, Etienne; WALLERSTEIN, Immanuel:
  Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten. Hamburg. Argument-Verlag, S. 23-38
DERMAN-SPARKS, Louise and the A.B.C. Task Force (1989) Anti-Bias-Curriculum. Tools for empowering young
  children. National Association for the Education of Young Children. Washington D.C.
GOMOLLA, Mechthild (2005): Schulerfolg in der Einwanderungsgesellschaft. Lokale Strategien – internationale
  Erfahrungen.
URL: http://egora.uni-muenster.de/ew/ikp/medien/gomolla2005iksQuer9.pdf (Stand 7.7.2011).
GOMOLLA, Mechthild, RADTKE, Frank Olaf (2002) Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer
  Differenz in der Schule. Opladen. Leske und Budrich.
HOLZKAMP, Klaus (1994): Antirassistische Erziehung als Änderung rassistischer „Einstellungen“? - Funktions-
  kritik und subjektwissenschaftliche Alternative. In: Jäger, Siegfried (Hg.) Aus der Werkstatt: Anti-rassistische
  Praxen. Konzepte – Erfahrungen – Forschung. Duisburg. DISS
KALPAKA, Annita (2009) Funktionales Wissen und Nicht-Wissen in der Migrationsgesellschaft. Ansatzpunkte für
  reflexive politische Bildungsarbeit. In: LANGE, Dirk; POLAT, Ayça (Hg): Unsere Wirklichkeit ist anders. Migrati-
  on und Alltag. Bonn. BpB
LEIPRECHT, Rudolf (2001) Alltagsrassismus. Eine Untersuchung bei Jugendlichen in Deutschland und der Nie-
  derlande. Münster, New York. Waxmann
WEBER, Martina (2008): Intersektionalität sozialer Unterscheidungen im Schulalltag. In: Seemann, Malwine
  (Hg.): Ethnische Diversitäten, Gender und Schule. Geschlechterverhältnisse in Theorie und Praxis. Oldenbur-
  ger Beiträge zur Geschlechterforschung. Oldenburg. BIS-Verlag

                    3. Fachdidaktische Tagung für Geschichte und Politik:
                      „Ausgrenzung - Vertreibung – Völkermord“
                                          23./24. Februar 2012
                                      Akademie des Sports Hannover

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