Ausgewählte Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm für Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer - Institut für Erziehungswissenschaft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Highlights Ausgewählte Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm für Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer 05/2017 Max-Plack-Institut für Bildungsforschung Berlin Universität Freiburg Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Universität Potsdam
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege Vor fast 10 Jahren haben Sie an der COACTIV- Prof. Dr. Uta Klusmann Referendariatsstudie (COACTIV-R) teilgenom- Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel men. Olshausenstraße 62, Wir Wissenschaftler(innen) sind Ihnen außer- 24118 Kiel Telefon: 0431 – 880 3090 ordentlich dankbar, dass dank Ihrer Unterstüt- Mail: klusmann@ipn.uni-kiel.de zung diese einmalige Studie entstanden ist, und wir eine große Anzahl von Lehramtskandi- Prof. Dr. Mareike Kunter dat(inn)en so umfassend untersuchen durften. Goethe Universität Frankfurt am Main Die Ergebnisse der Studie sind nicht nur wis- Theodor-W.-Adorno-Platz 6 60629 Frankfurt am Main senschaftlich hoch bedeutsam und im Fachkol- Telefon: 069 – 798 35369 legium auf großes Interesse gestoßen, sondern Mail: kunter@paed.psych.uni-frankfurt.de haben auch in den Debatten der Bildungsad- ministration und Bildungspolitik maßgebliche Prof. Dr. Dirk Richter Impulse gesetzt. Universität Potsdam Karl-Liebknecht-Straße 24–25 Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen ei- 14476 Potsdam Telefon: 0331 – 977 2133 nen Überblick geben, was seit den Erhebungen Mail: dirk.richter@uni-potsdam.de passiert ist und Ihnen zentrale Forschungser- gebnisse vorstellen. Prof. Dr. Thamar Voss Universität Freiburg Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Rempartstraße 11 Lektüre der Broschüre! 79098 Freiburg Telefon: 0761 – 203 96886 Die Abteilung am Berliner Max-Planck-Institut für Bil- Mail: thamar.voss@ezw.uni-freiburg.de dungsforschung, die das COACTIV-Forschungsprogramm geleitet hat, besteht in dieser Form seit der Emeritierung von Herrn Prof. Baumert nicht mehr. Die beteiligten Personen sind mittlerweile an ganz unter- schiedlichen Standorten und haben ein COACTIV-Netz- werk empirischer Forscher(innen) gebildet, das immer noch aktiv ist und den Datensatz nach wie vor aktiv ver- wendet und pflegt. 2
Inhalt Das COACTIV-Forschungsprogramm 4 Wie ist es aufgebaut und was ist seine Bedeutung? 4 Professionelle Kompetenz 5 Die gute Lehrkraft – Was bedeutet professionelle Kompetenz? 5 Zentrale Wissenschaftliche Befunde 7 Welche Rolle spielt die professionelle Kompetenz für den Unterricht? 7 Der Kern professioneller Kompetenz: Wissen und Können 7 Begeistert und distanzierungsfähig: Auf die richtige Balance kommt es an 9 Wie entwickelt sich professionelle Kompetenz? 10 Entwicklung professionellen Wissens 10 Entwicklung anderer Aspekte professioneller Kompetenz 11 Der berufliche Alltag im Vorbereitungsdienst: Welche Tätigkeiten werden besonders häufig als stressrelevant erlebt? 12 Wie geht es weiter? 14 Die nächsten Schritte 14 3
Das COACTIV-Forschungsprogramm Wie ist es aufgebaut und was ist seine Bedeutung? Über kaum einen Berufsstand wird öffentlich so viel Erste Hauptstudie diskutiert wie über den Lehrerberuf. Beinahe täglich Die erste Hauptstudie des Programms war ein- tauchen in den Medien neue Meldungen zur Kom- gebettet in die nationale Erweiterungsstudie zu petenz und psychischen Verfassung von Lehrkräf- PISA 2003. In dieser Studie wurden bei einer ten auf. So ist zu lesen, sie seien nicht ausreichend Stichprobe von über 300 Mathematiklehrkräften vorbereitet, seien schon im Lehramtsstudium und fachliche sowie motivational-emotionale Aspekte Vorbereitungsdienst überfordert, litten – einmal in professioneller Kompetenz erstmals direkt mittels den Beruf eingemündet – frühzeitig an Burnout. Es Test-und Fragebogenverfahren gemessen. Auf- existieren viele Meinungen und Mythen rund um grund der Ankopplung an die PISA-Studie konn- den Lehrerberuf, die eine wissenschaftliche Syste- ten Angaben der Lehrkräfte, Schulleiter(innen), matisierung der Frage nach der Bedeutung der pro- Eltern und Schüler(innen) genutzt werden, um fessionellen Kompetenz von Lehrkräften und den den Zusammenhang zwischen der professionellen personenseitigen sowie systembedingten Voraus- Kompetenz der Lehrkräfte, der Unterrichtsquali- setzungen zu deren Erwerb unerlässlich machen. tät und der Leistung und Motivation der Schü- ler(innen) zu untersuchen. Im Rahmen des Forschungsprogramms COACTIV (Cognitive activation in the mathematics class- w room and professional competence of teachers) wurde am Beispiel des Fachs Mathematik die pro- fessionelle Kompetenz von Lehrkräften untersucht. Zweite Hauptstudie Dieses Forschungsprogramm hat die Forschung zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften In der COACTIV-Referendariatsstudie (COACTIV-R) und die Lehrerbildungsforschung (insbesondere im wurde die professionelle Entwicklung von Lehr- deutschsprachigen Raum) maßgeblich geprägt. Es amtskandidat(inn)en während des Vorbereitungs- gibt kaum einen aktuellen Artikel oder Konferenz- dienstes untersucht und der Frage nachgegangen, beitrag zur professionellen Kompetenz von Lehr- welche individuellen und institutionellen Fakto- kräften im wissenschaftlichen Kontext, der sich ren diese Entwicklung beeinflussen. nicht auf das COACTIV-Programm beruft. Auch in bildungspolitischen Debatten werden immer wie- Diese zweite Hauptstudie haben Sie der Befunde aus dem Projekt zitiert. Impulse zu durch Ihre Teilnahme unterstützt Veränderungen der Lehreraus- und -weiterbildung berücksichtigen ebenfalls sehr häufig Befunde aus und so dazu beigetragen, dass der Blick von der Be- diesem Projekt, und Jürgen Baumert oder Marei- deutung professioneller Kompetenz auf die wich- ke Kunter, die „Köpfe“ des Forschungsprogramms, tige Frage nach der Entwicklung und Förderung sind unverzichtbare Mitglieder in Expertenkommis- derselben erweitert werden konnte. Untersucht sionen in diesem Bereich. wurden rund 800 Lehramtskandidat(inn)en der Mathematik zweimal im Verlaufe des Vorberei- tungsdienstes. Durch die Anlage als Zwei-Kohor- Das COACTIV-Forschungsprogramm ten Messwiederholungsstudie (siehe Abbildung) gilt daher als Paradebeispiel für konnte der gesamte (in den meisten Bundeslän- gelungene nutzenorientierte dern noch zweijährige) Vorbereitungsdienst ab- Grundlagenforschung: gedeckt werden. Eine Teilstichprobe nahm 2010 zusätzlich an einer Follow-up Erhebung teil. Er- Auf höchstem wissenschaftlichen Niveau wurden gänzend gab es Zusatzstudien zu ausgewählten nicht nur Forschungserkenntnisse gewonnen, son- Fragestellungen (z.B. eine Tagebuchstudie, eine dern ebenso relevante Erkenntnisse für die Praxis Studie zu Entwicklungsverläufen mit zusätzlichen generiert. Das Forschungsprogramm umfasste zwei Messzeitpunkten während des Vorbereitungs- Hauptstudien mit zahlreichen Zusatzstudien. dienstes, eine Studie zur Unterrichtseinschätzung oder eine Studie zur Ausbildungslehrkraft). 4
Das COACTIV-Buch Im Jahr 2011 wurden zentrale Ergebnisse des COACTIV-Forschungsprogramms national und in- ternational in einem Herausgeberwerk publiziert. Mareike Kunter, Jürgen Baumert, Werner Blum, Uta Klusmann, Stefan Krauss, Michael Neubrand (Hrsg.) (2011). Professionel- le Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungspro- gramms COACTIV. Münster: Waxmann Professionelle Kompetenz Die gute Lehrkraft: Überzeugungen, motivationale Orientierungen Was bedeutet professionelle Kompetenz? und die Selbstregulation der Lehrkräfte (Baumert & Kunter, 2006; 2011). Als Kern professioneller Kompetenz gilt das Wissen Im wissenschaftlichen Diskurs beschreibt professi- und Können in den Bereichen Fachwissen (tiefes onelle Kompetenz die persönlichen Voraussetzun- mathematisches Verständnis des zu unterrichten- gen für die erfolgreiche Bewältigung spezifischer den Schulstoffs), fachdidaktisches Wissen (Wis- beruflicher Anforderungen, die prinzipiell erlern- sen über die Vermittlung der fachlichen Inhalte) und vermittelbar sind (vgl. Kunter, 2011). und pädagogisches- psychologisches Wissen (fachübergreifendes Wissen über Lehr- und Lern- prozesse). Neben dem Wissen spielen Überzeu- Die erfolgreiche Bewältigung der an die Lehrkraft gungen einer Lehrkraft beispielsweise über an- gestellten Anforderungen im unterrichtlichen und gemessene Methoden des Lehrens eine wichtige außerunterrichtlichen Handeln verlangt ein hohes Rolle. Für die tatsächliche Umsetzung des Wissens Maß an professioneller Kompetenz. und Könnens im Unterricht sind zudem motivatio- Ein theoretisches Modell zur professionellen Kom- nale Orientierungen (z.B. die Freude am Fach und petenz von Lehrkräften wurde von der COAC- der Vermittlung von Inhalten) und die Selbstre- TIV-Arbeitsgruppe um Jürgen Baumert am Berliner gulation wichtige Bestandteile der professionellen Max-Planck-Institut für Bildungsforschung vorge- Kompetenz. Letztere wird als Fähigkeit verstanden, legt und ist schematisch in der Abbildung darge- ausgewogen mit den eigenen Ressourcen umzuge- stellt. Zentrale Aspekte professioneller Kompetenz hen, d.h. das richtige Maß zwischen Engagement sind nach diesem Modell das Professionswissen, und Distanz zu beruflichen Belangen zu finden. 5
Ein hohes Maß an professioneller Kompetenz sollte Lehrkräften eine qualitätsvolle Unterrichtsgestal- tung, engagiertes Handeln im Kollegium und gute Kontakte zur Elternschaft ermöglichen. Diese soll- te auch einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg und die Motivation der Schüler(innen) haben. Motivationale Orientierungen Aspekte professioneller Kompetenz Überzeugungen/ Werthaltungen/ Selbstregulation Ziele Professions- wissen Fach- Pädagogisch- psychologisches Organisations- Beratungs- Kompetenzbereiche Fachwissen didaktisches Wissen wissen wissen Wissen Wissen Tiefes über das Wissen Kompetenzfacetten Wissen Wissen über Verständnis mathe- über Wissen um Erklärungs- über effektive der matische mathe- Leistungs- wissen Lernprozesse Klassen- Schul- Denken matische beurteilung führung mathematik von Schüler Aufgaben (-innen) Zentrale Publikationen zur Konzeptualisie- Kunter, M., Klusmann, U., & Baumert, J. (2009). Pro- rung professioneller Kompetenz: fessionelle Kompetenz von Mathematiklehrkräften: Das COACTIV-Modell. In O. Zlatkin-Troitschans- Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Profes- kaia, K. Beck, D. Sembill, R. Nickolaus, & R. Mulder sionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für (Eds.), Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Wirkungen und ihre Messung (pp. 153–166). Wein- heim: Beltz. Baumert, J., & Kunter, M. (2011). Das Kompetenz- modell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert, Kunter, M. (2014). Forschung zur Lehrermotivati- W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss, & M. Neubrand on. In E. Terhart, H. Bennewitz & M. Rothland (Eds.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. (Eds.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (pp. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV 698-711). Münster: Waxmann. (pp. 29–53). Münster: Waxmann. Voss, T., Kunina-Habenicht, O., Hoehne, V., & Kunter, Klusmann, U. (2011). Allgemeine berufliche Motivati- M. (2015). Stichwort Pädagogisches Wissen von on und Selbstregulation. In M. Kunter, J. Baumert, Lehrkräften: Empirische Zugänge und Befunde. Zeit- W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss & M. Neubrand schrift für Erziehungswissenschaft, 18(2), 187–223. (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 277-294). Münster: Waxmann. 6
Beispielaufgabe zum fachdidaktischen Wissen Zentrale Wissenschaftliche „Parallelogramm“ Befunde Die Fläche eines Parallelogramms lässt sich berechnen aus Länge der Grund- In dem COACTIV-Forschungsprogramm wurde linie mal Länge der Höhe. erstmals in Deutschland ein empirischer Zugang zur Erfassung der professionellen Kompetenz von Mathematiklehrkräften realisiert. Es wurden Tes- tinstrumente zur Messung des Fachwissens, fach- didaktischen Wissens und pädagogischen-psy- chologischen Wissens in einem aufwendigen Entwicklungsprozess von einem Team aus Psycho- Höhe log(inn)en, Pädagog(inne)en, und Mathematik- didaktiker(inne)n in engem Austausch mit Prakti- ker(inne)n konstruiert. Zudem wurden zahlreiche psychologische Fragebögen eingesetzt und zum Teil neu entwickelt. Auf Basis dieser Instrumen- te wurden die professionelle Kompetenz, das un- Grundlinie terrichtliche Handeln und der Berufserfolg sowie mögliche Ursachen für den Erwerb professioneller Kompetenz untersucht. In Hinblick auf die Bedin- Geben Sie bitte ein Beispiel eines Parallelo- gungen für den Erwerb der professionellen Kom- gramms (anhand einer Skizze), an dem Schüler petenz konzentrierten sich die Forscher(innen) auf bei dem Versuch, diese Formel anzuwenden, eventuell scheitern könnten. die wichtige Phase des Vorbereitungsdienstes, Auch das pädagogische-psychologische Wissen erwies sich als bedeutsam: Anhand der Daten welcher verschiedene zentrale Lerngelegenheiten der 2. COACTIV-Hauptstudie (COACTIV-R) fan- bietet. den die Forscher(innen) erste Hinweise darauf, dass pädagogisches-psychologisches Wissen angehender Lehrkräfte mit der späteren Unter- richtsqualität in Zusammenhang stand (siehe Welche Rolle spielt die „Unter der Lupe“). professionelle Kompetenz für den Unterricht? Beispielaufgabe zur Erfassung des Der Kern professioneller Kompetenz: pädagogischen-psychologischen Wissens: Wissen und Können Gefühle der Hilflosigkeit treten besonders dann Die Ergebnisse der 1. COACTIV-Hauptstudie zeig- auf, wenn ein Misserfolg… ten, dass das fachdidaktische Wissen von Lehrkräf- (A) auf internale, stabile Ursachen, wie z.B. ten zur Vorhersage des Unterrichtserfolgs beitrug. mangelnde Intelligenz, zurückgeführt wird. Lehrkräfte, die über ein höheres Maß an Wissen über die Vermittlung mathematischer Inhalte ver- (B) auf internale, veränderbare Ursachen, fügten, gestalteten ihren Unterricht kognitiv ge- wie z.B. geringen Fleiß, zurückgeführt wird. haltvoller und wurden von ihren Schüler(inne)n als (C) auf externale, stabile Ursachen, wie z.B. stärker unterstützend wahrgenommen. Die sicht- die Schwierigkeit der Aufgaben, zurückge- baren Unterschiede in der Unterrichtsgestaltung führt wird. in Klassen von Lehrkräften mit hohem fachdidakti- schen Wissen führten im Laufe eines Schuljahres zu (D) auf externale, veränderbare Ursachen, einem höheren Lernzuwachs in Mathematik (z.B. wie z.B. Zufall oder Pech, zurückgeführt Baumert et al., 2010). wird. 7
Unter der Lupe: Bedeutung pädagogischen- psychologischen Wissens 7968 Schüler(innen) Fragebögen zur Unterrichts- qualität. Mithilfe von Mehrebenen-Strukturglei- (Voss, Kunter, Seiz, Hoehne, & Baumert, 2014) chungsmodellen konnte gezeigt werden, dass pädagogisches-psychologisches Wissen der ange- Die Bedeutung des fachlichen Wissens von Lehr- henden Lehrkräfte kräften für die Unterrichtsqualität und den Lerner- folg der Schüler(innen) gilt als belegt. Weniger For- schung gibt es bislang zur Bedeutung des generellen substanziell und statistisch signifikant pädagogischen-psychologischen Wissens für den zur Vorhersage der Unterrichtsqualität Unterrichtserfolg. Anhand eines Testinstruments aus Schülersicht beitrug. (Voss, Kunter & Baumert, 2011) konnte das päda- gogische-psychologische Wissen von 181 Lehramts- Schüler(innen) von Lehrkräften, die während des kandidat(inn)en reliabel erfasst werden. Es umfasst Vorbereitungsdienstes über ein höheres pädago- gisches-psychologisches Wissen verfügten, berich- Wissen über Lernprozesse und Schüler- teten von weniger Unterrichtsstörungen, einem heterogenität, Wissen über Unterrichts- besseren Monitoring der Lehrkräfte (also der Fä- higkeit, die im Klassenzimmer ablaufende Prozesse methoden und deren zieladäquate Orche- und Vorkommnisse im Blick zu haben) und fühl- strierung, Wissen über Leistungsbeur- ten sich gleichzeitig besser in ihren Lernprozessen teilung und Wissen über Klassenführung. unterstützt (konstruktive Unterstützung). Die von den Schüler(inne)n berichtete kognitive Akti- Ca. zwei Jahre später, als die Lehramtskandidat(inn)en vierung erwies sich als unabhängig vom pädagogi- bereits im Schuldienst standen, bearbeiteten deren schen-psychologischen Wissen. Monitoring R2 =.13 .21* Unterrichts- störungen R2 =.05 –20* Pädagogisches- psychologisches Kognitive Wissen Aktivierung R2 =.15 .38* Konstruktive Unterstützung R2 =.16 Referendare Schülereinschätzungen 2008 2010 Dargestellt sind die standardisierten Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Unterrichtsqualität (erfasst über Schülerein- schätzungen im Jahr 2010 zu den Merkmalen Monitoring, Unterrichtsstörungen, kognitive Aktivierung und konstruktive Un- terstützung) durch das pädagogische-psychologische Wissen von Lehramtskandidat(inn)en (erfasst während des Vorbereitungs- dienstes im Jahr 2008). Durchgezogene Pfeile symbolisieren statistisch signifikante Koeffizienten. Kontrolliert wurde in dem Modell für die Schulformzughörigkeit (gymnasial versus nicht-gymnasiale Schule). 8
Zentrale wissenschaftliche Publikationen zur Zentrale wissenschaftliche Publikationen zur Erfassung und Bedeutung professionellen Bedeutung motivationaler Orientierungen und Wissens: professioneller Selbstregulation: Baumert, J., Kunter, M., Blum, W., Brunner, M., Voss, T., Klusmann, U. (2011). Allgemeine berufliche Motivation Jordan, A., . . . Tsai, Y.-M. (2010). Teachers’ mathe- und Selbstregulation. In M. Kunter, J. Baumert, W. matical knowledge, cognitive activation in the class- Blum, S. Krauss, U. Klusmann, & M. Neubrand (Eds.), room, and student progress. American Educational Professionelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse Research Journal, 47(1), 133–180. des Forschungsprogramms COACTIV (pp. 277–294). Krauss, S., Brunner, M., Kunter, M., Baumert, J., Blum, Münster: Waxmann. W., Neubrand, M., & Jordan, A. (2008). Pedagogical Klusmann, U., Kunter, M., Trautwein, U., Lüdtke, O., & content knowledge and content knowledge of se- Baumert, J. (2008). Teachers’ occupational well-being condary mathematics teachers. Journal of Educational and the quality of instruction: The important role of Psychology, 100(3), 716–725. self-regulatory patterns. Journal of Educational Psy- Kunter, M., Klusmann, U., Baumert, J., Richter, D., Voss, chology, 100(3), 702–715. T., & Hachfeld, A. (2013). Professional competence Klusmann, U., Kunter, M. & Trautwein, U. (2009). Die of teachers: Effects on instructional quality and stu- Entwicklung des Beanspruchungserlebens von Lehre- dent development. Journal of Educational Psychology, rinnen und Lehrern in Abhängigkeit beruflicher Ver- 105(3), 805–820. haltensstile. Psychologie in Erziehung und Unterricht, Seiz, J., Voss, T., & Kunter, M. (2015). When knowing 56, 200-212. is not enough – the relevance of teachers’ cognitive Kunter, M. (2011). Motivation als Teil der professionellen and emotional resources for classroom management. Kompetenz: Forschungsbefunde zum Enthusiasmus Frontline Learning Research, 3(1), 54–75. von Lehrkräften. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, S. Voss, T., Kunter, M., & Baumert, J. (2011). Assessing Krauss, U. Klusmann, & M. Neubrand (Eds.), Professio- teacher candidates’ general pedagogical/psycholo- nelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse des For- gical knowledge: Test construction and validation. schungsprogramms COACTIV (pp. 259–276). Münster: Journal of Educational Psychology, 103(4), 952–969. Waxmann. doi:10.1037/a0025125 Kunter, M., Tsai, Y.-M., Klusmann, U., Brunner, M., Krauss, Voss, T., Kunter, M., Seiz, J., Hoehne, V., & Baumert, J. S., & Baumert, J. (2008). Students’ and mathematics (2014). Die Bedeutung des pädagogisch-psychologi- teachers’ perceptions of teacher enthusiasm and in- schen Wissens von angehenden Lehrkräften für die struction. Learning and Instruction, 18(5), 468–482. Unterrichtsqualität. Zeitschrift für Pädagogik, 60(2), 184–201. Begeistert und distanzierungsfähig: ten entscheidend. Begeisterung für das Fach allein Auf die Balance kommt es an scheint sich dagegen nicht unmittelbar auf die Art des Unterrichtens auszuwirken (Kunter et al., 2008). Das fachliche Wissen und Können stand allerding Zudem zeigte sich, dass auch die Fähigkeit der nicht alleine im Fokus der Forschung. Auch moti- Lehrkräfte, mit ihren eigenen Ressourcen und Kräf- vationale und emotionale Merkmale der Lehrkräfte ten hauszuhalten – welche die Forscher(innen) als wurden als wichtige Aspekte der professionellen selbstregulative Fähigkeit bezeichnen – relevant für Kompetenz untersucht. Als eine oft gewünschte ihr Unterrichtsverhalten und die Motivation der motivationale Eigenschaft von Lehrkräften wurde Schüler(innen) ist. Lehrkräfte, die zum Beispiel deren „Enthusiasmus“ näher unter- sucht. Die Forscher stellten fest, dass sich zwei ver- schiedene Arten von Enthusiasmus unterscheiden zwischen hohem beruflichen Engagement lassen: und Distanz zu beruflichen Belangen eine gute Balance fanden, Enthusiasmus für das Fach und Enthusiasmus für das Unterrichten. wurden von ihren Schüler(inne)n im Hinblick auf die von ihnen dargebotene konstruktive Unterstüt- Für die Unterrichtsqualität aus Sicht der Schüler(in- zung im Unterricht positiver beurteilt als Lehrkräfte, nen) war die Freude der Lehrkraft am Unterrich- die diese Balance nicht fanden. Diese Unterschie- 9
de manifestierten sich auch in der fachspezifischen 1.8 Motivation der Schüler(innen): Klassen, die von ei- 1.6 1.4 ner Lehrkraft mit hohen selbstregulativen Fähigkei- 1.2 ten unterrichtet wurden, waren auch gleichzeitig 1.0 Klassen, die eine höhere Motivation für das Un- 0.8 terrichtsfach berichteten (Klusmann, Kunter, Traut- 0.6 0.4 wein, Lüdtke, & Baumert, 2008). 0.2 0.0 Die professionelle Selbstregulation erwies sich zu- Fachwissen Fachdidaktisches Pädagogisches- dem als bedeutsam für das berufliche Wohlbefin- Wissen psychologisches den der Lehrkräfte selber: Auch hier zeigte sich, Wissen – ebenso wie bei der Unterrichtsqualität – dass Gymnasium Nicht-Gymnasium Lehrkräfte mit hohem Engagement und der gleich- zeitigen Fähigkeit sich von beruflichen Belangen Abgebildet sind die standardisierten Mittelwertsunterschiede distanzieren zu können das höchste berufliche (Cohens’ d) in Kohorte 1 zwischen erstem Messzeitpunkt (An- Wohlbefinden berichteten (Klusmann, 2011). fang des Vorbereitungsdienstes) und zweitem Messzeitpunkt (Ende des ersten Jahres des Vorbereitungsdienstes) getrennt für Lehramtskandidat(inn)en mit dem Studienziel Gymnasium und nicht-Gymnasium. Man sieht, dass sich im pädagogischen-psy- chologischen Wissen der größte Mittelwertsunterschied (d.h. Wie entwickelt sich Zuwachs) fand und Lehrkräften mit gymnasialem Ausbildungs- ziel in allen drei Wissensbereichen mehr dazulernten. die professionelle Kompetenz? Die Forscher(innen) fanden, dass sich die untersuch- Auch die Zuwächse im pädagogischen-psychologi- ten Lehrkräfte substantiell in allen Aspekten profes- schen und fachdidaktischen Wissen variierten subs- sioneller Kompetenz voneinander unterschieden. tantiell zwischen Personen: Lehramtskandidat(inn)en Um zu verstehen, wie diese Unterschiede zustande in gymnasialen Ausbildungsgängen konnten so- kommen, nahmen die Forscher(innen) die Lerngele- wohl das pädagogische-psychologische als auch genheiten im Vorbereitungsdienst in den Blick. das fachdidaktische Wissen stärker ausbauen (sie- he Abbildung), was sich zum Beispiel durch Un- terschiede in den Lerngelegenheiten erklären ließ. Entwicklung professionellen Wissens Beispielsweise lernten diejenigen mehr dazu, die angaben, ihre praktischen Unterrichtserfahrungen Die Befunde zeigten zunächst, dass das pädagogi- stärker zu reflektieren und bei denen das Seminar sche-psychologische Wissen der angehenden Lehr- klarer geplant und strukturiert war sowie dieje- kräfte im Verlaufe des Vorbereitungsdienstes be- nigen, die im Verlaufe des Vorbereitungsdienstes deutsam anstieg. Für das fachdidaktische Wissen mehr Lerngelegenheiten im Hinblick auf den Um- fand sich ebenfalls ein Zuwachs, der jedoch ver- gang mit Unterrichtsstörungen hatten (Voss, Rich- gleichsweise geringer ausfiel als der des pädagogi- ter, & Kunter, 2017). schen-psychologischen Wissens. Das Fachwissen blieb im Mittel über den Vorbereitungsdienst hinweg stabil. Die Forscher(innen) fanden he- raus, dass die Lehramtskdan- didat(inn)en des gymnasialen Ausbildungsgangs im Mittel ein höheres fachdidaktisches Wissen aus der ersten universitären Pha- se der Lehrerbildung in den Vor- bereitungsdienst mitbrachten, wohingegen die Lehramtskdandi- dat(inn)en aus nicht-gymnasialen Ausbildungsgängen mit höheren Werten im pädagogischen-psy- chologischen Wissen in den Vor- bereitungsdienst starteten. 10
Entwicklung anderer Aspekte professioneller Kompetenz Solch ein konstruktivistischer Mentoring-Ansatz stand in Zusammenhang mit einer positiveren Andere Aspekte professioneller Kompetenz folgten Entwicklung der Motivation der Lehramtskandi- nicht-linearen Veränderungsmustern: Die emotio- dat(inn)en und einer geringeren emotionalen Er- nale Erschöpfung beispielsweise stieg im ersten Jahr schöpfung (Richter et al., 2013). des Vorbereitungsdienstes bedeutsam an, wobei sie im Mittel im zweiten Jahr wieder auf das Ausgangs- niveau absank (Klusmann, Kunter, Voss, & Baumert, 2012; Richter et al., 2013). Die Lehramtskdandi- Beispielaufgabe zur Erfassung des Wissens dat(inn)en berichteten im Mittel somit am Ende des über Klassenführung: Vorbereitungsdienstes von einem vergleichbar hohen Stresserleben wie am Anfang des Vorbereitungsdiens- Unterrichtssituation (Videoclip): Die Klasse ver- tes, was auf einen „Erholungseffekt“ mit ansteigender tieft gerade ein Thema. Die Schüler(innen) sind Erfahrung hindeutet (Voss, Wagner, Klusmann, Traut- mit einer spannenden Aufgabe beschäftigt. Es wein, & Kunter, 2017). wird diskutiert, die Lehrkraft stellt immer wie- der Fragen. Die Schüler(innen) sind größtenteils Interessanterweise fanden sich Unterschiede zwi- bei der Sache. In der zweiten Reihe sitzt Mario. schen Personen im Hinblick auf den Anstieg der Er ruft etwas in die Klasse, was mit dem Thema emotionalen Erschöpfung: Personen, mit einer nichts zu tun hat. Auf seine Antwort hin begin- hohen Gewissenhaftigkeit, also der Disposition, nen einige Schüler zu kichern und zu albern. Die organisiert, zuverlässig und planvoll zu handeln, Lehrkraft geht darauf nicht ein und versucht die berichten über einen geringen Anstieg des Bean- inhaltliche Diskussion am Leben zu erhalten. Ma- spruchungserlebens im ersten Jahr des Vorberei- rio setzt sich zurück, verschränkt die Arme und tungsdienstes ebenso wie Personen mit einer ge- beteiligt sich nicht mehr. Irgendwann beginnt er ringeren Tendenz zu negativen Emotionen und in seiner Tasche zu kramen und einen Tennisball Labilität. Darüber hinaus erwies sich das Wissen herauszunehmen, den er dann in den Händen über eine effiziente Klassenführung als statistisch hält. Die Klasse kümmert sich nicht darum und signifikanter Einflussfaktor auf die emotionale Er- arbeitet weiter. Mario beginnt, den Ball leicht in schöpfung: Bei angehenden Lehrkräften, die mehr die Luft zu werfen und wieder zu fangen. Wissen über Klassenführung vorweisen konnten, stieg das Beanspruchungserleben weniger an als bei angehenden Lehrkräften mit weniger Wissen. Die- Fragen im Anschluss an das Video: ser Befund weist somit darauf hin, dass die (A) Was machen die Schüler(innen), was den Unterricht stört? Bitte beschreiben Sie mög- Klassenführung als eine große lichst konkret alle Verhaltensweisen und Herausforderung in der ersten Phase Vorkommnisse, die Sie gesehen haben und der Lehrtätigkeit die mögliche Quellen für Unterrichtsunter- brechungen und Störungen darstellen. wahrgenommen wird, aber das an der Universität vermittelte Wissen eine wichtige Ressource bei der (B) Ein Junge der Klasse hat mit einem Ball ge- Bewältigung darstellen kann (Klusmann, Kunter, spielt. Stellen Sie sich vor, Sie sind die Lehr- Voss, & Baumert, 2012). kraft und befürchten, dass er irgendwann be- ginnen wird, mit dem Ball herumzuwerfen. Weiterhin zeigte sich, dass der Ausbildungslehr- Was könnten Sie tun, um dies zu verhindern, kraft eine zentrale Bedeutung im Hinblick auf die ohne die Klasse in ihrer inhaltlichen Diskus- professionelle Entwicklung der angehenden Lehr- sion zu unterbrechen? Bitte nennen Sie alle kräfte im Vorbereitungsdienst zukommt. Insbeson- konkreten Maßnahmen, die Sie einleiten dere eine könnten. konstruktivistische Interaktion zwischen Mentor und Mentee, die gekennzeichnet ist durch Anregung zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit den eigenen praktischen Erfahrungen, erwies sich als funktional. 11
Der berufliche Alltag im Vorbereitungs- Darum haben wir uns entschlossen neben den rela- dienst: Welche Tätigkeiten werden tiv globalen Befragungen nach dem Befinden eine Zusatzstudie in COACTIV-R zu integrieren, die so besonders häufig als stressrelevant erlebt? alltagsnah wie möglich das Erleben der Lehrkräf- te im Vorbereitungsdienst untersuchen sollte. So Der Übergang in die berufliche Praxis wird oft als haben große Herausforderung für die angehenden Lehr- kräfte beschrieben. Zu groß sei die Differenz zwi- schen den im Studium vermittelten Inhalten und über 300 Teilnehmer(innen) den tatsächlichen praktischen Anforderungen an der COACTIV-R Studie Lehrkräfte. Es fehle nicht nur an Wissen und Kön- zusätzlich an einer 14-tägigen nen, sondern auch die Erwartungen der angehen- Tagebuchstudie teilgenommen. den Lehrkräfte wichen von den tatsächlichen Be- dingungen der Praxis ab. Als Ergebnis, so ist häufig zu lesen, erleiden die jungen Lehrkräfte einen „Pra- Sie haben uns jeden Abend berichtet, welche po- xisschock“, der sich unter anderem in hohem Stres- sitiven und negativen beruflichen und außerberuf- serleben und geringem Wohlbefinden zeigt. lichen Ereignisse sie erlebt haben. Diese Ereignisse Das Wohlbefinden der angehenden Lehrkräfte zu haben wir nach ihrem Inhalt einer von acht Tätig- untersuchen und die Ursachen für das Erleben von keitskategorien zugeordnet. Zusätzlich haben sie Stress besser zu verstehen, war auch ein Anliegen uns jeden Tag Fragen zur emotionalen Erschöpfung des COACTIV Forschungsprogramms. Bislang ba- (z.B. „Ich fühlte mich heute während der Arbeit sieren die Aussagen zum Erleben der Lehrkräfte erschöpft.“) und zur Freude (z.B. „Die Arbeit hat beim beruflichen Übergang eher auf Berichten ein- heute insgesamt richtig Spaß gemacht.“) beant- zelner Lehrkräfte als auf systematischen Studien. wortet (siehe „Unter der Lupe“). Unter der Lupe: Drittens, konnten wir sehen, in welchen von acht Ergebnisse der Tagebuchstudie Tätigkeitsbereichen die Lehrkräfte die meisten posi- tiven und negativen Ereignisse hatten. Die meisten (Schmidt, Klusmann und Kunter, 2016) Ereignisse, im Positiven wie im Negativen bezogen sich auf den Unterricht und die Ausbildung. Sehr Die Auswertungen der Tagebuchstudie ergaben ei- viele positive Ereignisse bezogen sich auch auf die nige interessante Befunde. Interaktion mit dem Kollegium. Deutlich seltener Erstens, zeigten sich über die 14 Tage hinweg sub- wurde die Vor- und Nachbereitung thematisiert. stantielle Schwankungen im beruflichen Erleben; Betrachtet man die Ereignisse im Unterricht genau- sowohl, was die Häufigkeit von negativen Ereignis- er, wird deutlich, dass es insbesondere Schwierig- sen als auch die emotionale Erschöpfung und die keiten bei der Klassenführung sind, die die ange- Freude am Beruf betraf. Das heißt, Personen, die an henden Lehrkräfte beschäftigen. einem Tag viele negative Ereignisse, Erschöpfung und wenig Freude erlebten, konnten am nächsten Tag genau das Gegenteil erleben. Diese täglichen Insgesamt sprechen unsere Befunde Schwankungen waren größer als die Unterschiede nicht für einen großen Praxisschock. zwischen Personen. Das heißt, es zeigte sich wenig individuelle Stabilität im beruflichen Befinden. Im Mittel berichten die angehenden Lehrkräfte viel Zweitens zeigte sich, dass die Lehrkräfte deutlich Positives. Das Thema Klassenführung ist allerdings mehr positive (6.231) als negative berufliche Er- ein Thema, das noch stärker in der Ausbildung ver- eignisse (4369) erlebten. Auch zeigte sich bei der ankert werden sollte. Auch sind bemerkenswert emotionalen Erschöpfung über 14 Tage auf einer viele negative Ereignisse mit dem Vorbereitungs- Skala von 1–4 ein Mittelwert von M = 1,67 und dienst selbst assoziiert, der doch eigentlich eine bei der Freude von M = 2,96. Dies zeigt, dass die unterstützende Funktion beim Übergang in die Mehrheit der angehenden Lehrkräfte ihren berufli- Praxis haben sollte. chen Alltag sehr positiv erlebt. 12
Dargestellt ist die Anzahl der positiven (blau) und negativen (grün) Ereignisse in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen (Unterrichten, Vor- und Nachbereitung...). Zentrale wissenschaftliche Publikationen Richter, D., Kunter, M., Lüdtke, O., Klusmann, U., An- zur Entwicklung professioneller Kompetenz: ders, Y., & Baumert, J. (2013). How different mentoring approaches affect beginning teachers’ development in Decker, A.-T., Kunter, M., & Voss, T. (2015). The relations- the first years of practice. Teaching and Teacher Educa- hip between quality of discourse during teacher induc- tion, 36, 166–177. tion classes and beginning teachers’ beliefs. European Schmidt, J., Klusmann, U., Lüdtke, O., Möller, J., & Kunter, Journal of Psychology of Education, 30(1), 41–61. M. (2016). What makes good and bad days for begin- Kleickmann, T., Richter, D., Kunter, M., Elsner, J., Besser, ning teachers? A diary study on daily uplifts and hassles. M., Krauss, S., & Baumert, J. (2013). Teachers’ pedago- Contemporary Educational Psychology, 48, 85–97. gical content knowledge and content knowledge: The Schmidt, J., Klusmann, U. & Kunter, M. (2016). Wird alles role of structural differences in teacher education. Jour- besser? Tägliches Erleben positiver und negativer Ereig- nal of Teacher Education, 64, 90–106. nisse von Lehramtskandidaten im Vorbereitungsdienst Kleickmann, T., Richter, D., Kunter, M., Elsner, J., Besser, und Lehrkräften im Vergleich. Psychologie in Erziehung M., Krauss, S., . . . Baumert, J. (2015). Content knowled- und Unterricht, 63, 278–291. ge and pedagogical content knowledge in taiwanese Voss, T., Wagner, W., Klusmann, U., Trautwein, U., & Kun- and german mathematics teachers. Teaching and Teacher ter, M. (2017). Changes in beginning teachers’ classroom Education, 46, 115–126. doi:10.1016/j.tate.2014.11.004 management knowledge and emotional exhaustion du- Klusmann, U., Kunter, M., Voss, T., & Baumert, J. (2012). ring the induction phase. Manuscript under revision. Berufliche Beanspruchung angehender Lehrkräfte: Die Voss, T., Richter, D., & Kunter, M. (2017). Development Effekte von Persönlichkeit, pädagogischer Vorerfahrung of teacher candidates’ content knowledge, pedagogical und professioneller Kompetenz. Zeitschrift für Pädago- content knowledge and general pedagogical/psycholo- gische Psychologie, 26(4), 275–290. gical knowledge. Manuscript in preparation. 13
Wie geht es weiter? gungen im Verlaufe des Vorbereitungsdienstes im Rahmen von COACTIV-R können wir die Das COACTIV-Forschungsprogramm ist national und international akzeptiert und rezipiert. Es hat richtungsweisende Impulse für die Forschung zu Bedeutung der verschiedenen Lehrkräften gegeben. Auf wissenschaftlichen Ta- – im Studium und Vorbereitungsdienst gungen im Bereich der empirischen Schul- und erworbenen – Aspekte professioneller Unterrichtsforschung wird das Projekt so häufig Kompetenz für die langfristige genannt, wie kaum ein anderes Projekt. COACTIV stand Pate für viele weitere Projekte in andern Fä- Entwicklung und den beruflichen Erfolg chern, Bildungskontexten und Altersstufen. Es be- von Lehrkräften untersuchen. gann als Grundlagenforschung, die Erkenntnisse sind jedoch nicht nur in der Forschung zur Kennt- Beispielweise können Antworten auf die Frage ab- nis genommen worden, sondern sind ebenso von geleitet werden, welche individuellen und institu- der Bildungsadministration, Bildungspolitik und tionellen Faktoren langfristig Ressourcen für eine den Praktikern auf großes Interesse gestoßen. erfolgreiche Professionalisierung von Lehrkräften darstellen und was potenzielle Risikofaktoren sind. Daher möchten wir dieses einmalige Wir haben dazu verschiedene Studien mit unter- Forschungsprogramm fortführen. schiedlichen methodischen Ansätzen und inhaltli- chen Schwerpunkten geplant und würden uns sehr freuen, wenn Sie uns weiter unterstützen und die Wir arbeiten weiterhin aktiv mit den Daten der Fortführung der Studie ermöglichen! Studie, und weitere Publikationen mit der reich- haltigen Datenbasis und den vielen Zusatzstudien In dem kurzen Fragebogen zu dem Sie den Link er- sind in Arbeit und Planung. Darüber hinaus planen halten haben, können Sie Ihr Interesse für weitere wir weiterführende Studien. Studien angeben. Die nächsten Schritte In COACTIV-R wurde eine sehr große Stichprobe von über 800 Lehramtskandidat(inn)en aus vier Bundesländern umfassend in ihrer professionellen Entwicklung im Vorbereitungsdienst untersucht. Es handelt sich somit um eine sehr große Stichprobe, die bereits mehrfach untersucht wurde und über die umfangreiche Information zu persönlichen Impressum Merkmalen, zur schulischen und universitären IPN · Leibniz-Institut für die Pädagogik Ausbildung, zu Merkmalen des Vorbereitungs- der Naturwissenschaften und Mathematik dienstes (und die Nutzung der Lerngelegenhei- Olshausenstraße 62 ten im Vorbereitungsdienst) sowie zu verschiede- 24118 Kiel nen Aspekten der professionellen Kompetenz Tel.: +49 (0)431 880 - 30 90 E-Mail: klusmann@ipn.uni-kiel.de vorliegen. Diese Datengrundlage ist einzigartig, www.ipn.uni-kiel.de und wir möchten sie gerne für die Beantwortung weiterer spannender und drängender Forschungs- Redaktion: fragen nutzen. Für uns bietet die Datengrundlage Thamar Voss die einmalige Gelegenheit, die professionelle Ent- Uta Klusmann Dirk Richter wicklung von Lehrkräften längerfristig und diffe- renziert weiter verfolgen zu können. Wir würden Gestaltung und Layout: uns somit sehr freuen, wenn wir Ihr Interesse für K. Graff, S. Schnetger, K. Vierk / IPN weitere Forschungsprojekte wecken können! Abbildungsnachweis: Auf der Grundlage der von uns angedachten wei- S. 2 oben links: © contrastwerkstatt/Fotolia.com; terführenden Studien werden wir empirisch fun- oben Mitte: © pixabay.com; oben rechts: © pixabay.com dierte Aussagen über die Kompetenzentwicklung S. 6 © contrastwerkstatt/Fotolia.com von Lehrkräften nach Abschluss der Ausbildung S. 10 © contrastwerkstatt/Fotolia.com treffen können. Durch Informationen der Befra- 14
Sie können auch lesen