Autoritäre Schatten in der Europäischen Union. Der Fall Österreich - Centre for Democratic Integrity

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Autoritäre Schatten in der Europäischen Union. Der Fall Österreich - Centre for Democratic Integrity
Autoritäre Schatten
in der Europäischen Union. Der Fall Österreich
Autoritäre Schatten in der Europäischen Union. Der Fall Österreich - Centre for Democratic Integrity
Das „Centre for Democratic Integrity“ (democratic-integrity.eu) ist ein
gemeinnütziger Verein, der 2020 in Wien gegründet wurde, um Versuche autoritärer,
auf illiberalen Wertesystemen beruhende Regime, negativen Einfluss in Europa zu
üben, zu überwachen und zu analysieren.

„Political Capital“ (politicalcapital.hu) ist ein unabhängiges Institut für
Politikforschung, -analyse und -beratung. Es wurde 2001 in Budapest gegründet und
ist den Leitsätzen der parlamentarischen Demokratie, der Marktwirtschaft, der
Menschenrechte und des Euro-Atlantizismus verpflichtet.

Das vorliegende Paper besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist eine
Zusammenfassung der Ergebnisse eines mehr als ein Jahr laufenden Projekts, welches
das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments hinsichtlich
außenpolitischer Fragen beobachtete, um ihre Anfälligkeit für autoritäre Einflüsse zu
ermitteln. Das Projekt wurde während der derzeitigen neunten Legislaturperiode
(2019-2024) durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf sieben mittel-
und südosteuropäischen Staaten (Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakei, Österreich,
Rumänien und Bulgarien). Für mehr Information zum Projekt besuchen Sie
https://politicalcapital.hu/authoritarian_shadows_in_the_eu/

Der zweite Teil ist eine Fallstudie, die sich mit dem Abstimmungsverhalten der
österreichischen Mitglieder des EU-Parlaments (ebenfalls während dessen neunter
Legislaturperiode) in außenpolitischen Fragen beschäftigt.

Unser Dank geht an das „National Endowment for Democracy“ für die Partnerschaft
und die Unterstützung dieses Projektes. Alle Fehler und Versäumnisse liegen bei uns.

Übersetzung ins Deutsche: Fyodor Shulgin.
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Autoritäre Schatten in der Europäischen Union. Kurzfassung
Péter Krekó, Patrik Szicherle, Csaba Molnár

Der Widerstand der EU-Institutionen                                      haben eine stabile Mehrheit im EU-
                                                                         Parlament. Diese Mehrheit ist nur dann
• Im Allgemeinen stellten wir fest, dass
                                                                         bedroht,          wenn         sich      die
  autoritäre Drittstaaten wie Russland und
                                                                         Parlamentsfraktionen          der      Mitte
  China sich schwerer tun, europäische
                                                                         aufspalten. Autoritäre Regime tun sich
  Institutionen    zu      beeinflussen     als
                                                                         leichter im Rat der Europäischen Union, wo
  nationale. Einer Supermacht mit einer
                                                                         außenpolitische              Entscheidungen
  klaren      Befehlskette      (insbesondere
                                                                         einstimmig getroffen werden müssen, was
  Russland mit seiner „Machtvertikale“) fällt
                                                                         bedeutet, dass ein einzelner Staat jede
  es nicht ohne weiteres leicht, mit einer
                                                                         Initiative blockieren kann. Dennoch erweist
  hybriden Organisation wie der EU
                                                                         es sich auch dort als schwierig,
  umzugehen, wo die Macht auf mehrere
                                                                         Entscheidungen zu beeinflussen, wie die
  Institutionen verteilt ist und einer gänzlich
                                                                         Sanktionen gegen Russland zeigen: Sie
  anderen Logik folgt als ein Nationalstaat.
                                                                         werden gegen den Willen vieler
  Die autoritäre Logik ist inkompatibel mit
                                                                         Mitgliedstaaten, wie z.B. Ungarn, Slowakei,
  der formellen und komplizierten EU-
                                                                         Griechenland,           Italien,       usw.
  Bürokratie, die oft als inkonsistent, zu
                                                                         aufrechterhalten. Das zeigt auch die Stärke
  komplex, unvorhersehbar und schwer
                                                                         von EU-Institutionen im Allgemeinen, was
  zugänglich betrachtet wird.
                                                                         die Ausübung von normativem Druck auf
• Autoritärer Druck wird traditionell am                                 ihre Mitglieder angeht.
  effektivsten über die Mitgliedstaaten via
                                                                       • Das EU-Parlament vertritt Positionen, die
  bilaterale Beziehungen ausgeübt und
                                                                         auf den Grundwerten der EU basieren,
  weniger über die die Europäische Union.
                                                                         und ist so zum „Gewissen“ der EU-
  Der russische Außenminister Sergey Lavrov
                                                                         Außenpolitik geworden. Natürlich ist das
  gab das offen zu, als er meinte, dass er
                                                                         Gewissen nicht immer der Motor des
  „eine Situation bevorzugen würde, in der
                                                                         politischen Handelns. Wenn aber nicht,
  jedes EU-Mitgliedsland von seinen
                                                                         dann erzeugt es zumindest Schuldgefühle.
  nationalen Interessen geleitet würde.“1
                                                                       Wo man sitzt, ist wo man steht: mehr
• Laut unseren Ergebnissen ist das EU-
                                                                       negativer Einfluss an den Rändern
  Parlament die kämpferischste unter allen
  EU-Institutionen. Direkt gewählte MdEPs,                             • Parlamentarische Randgruppen, wie die
  die durchwegs kritisch gegenüber                                       rechts außen stehende Fraktion „Identität
  autoritären Regimen wie dem Kreml sind,                                und Demokratie (ID)“ und die links außen

1
  “Spain: Russia Sanctions ‘Beneficial for No One’”, EUobserver,
https://euobserver.com/foreign/127940, aufgerufen am 1.
September 2020.

                                                                   3
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

  stehende „Konföderale Fraktion der                 Bewunderung für eine russische Politik, die
  Vereinten       Europäischen       Linken/         auf angeblicher nationaler Souveränität
  Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL)“                und auf Stolz basiert, (2) Medien: der
  unterstützen am ehesten autoritäre                 Einfluss von offiziellen und inoffiziellen pro-
  Regime; das gilt auch für die meisten              russischen       Medien        und       deren
  fraktionslosen Abgeordneten. Das ist eine          Berichterstattung, und (3) direkter Einfluss:
  bedeutsame Minderheit von 20% aller EU-            potentielle Unterstützung des Kremls für
  Parlamentarier, die jedoch meistens nicht          diese Parteien in finanzieller und
  ausreicht, um wichtige Entscheidungen zu           diplomatischer Hinsicht sowie über
  blockieren, wenn es einen breiten Konsens          Netzwerke. Darüber hinaus plädieren
  bei den etablierten Kräften gibt. Die              rechts-außen MdEPs oft für eine „Make the
  Mehrheit dieser Randgruppen würde                  EU Weak Again“-Politik, und setzen sich für
  sowohl eine Annäherung zwischen                    eine     Außenpolitik      ein,    die     von
  Russland und der EU begrüßen als auch die          Nationalstaaten und nicht EU-Institutionen
  Aufhebung von Sanktionen gegen                     ausgeht.
  Drittstaaten. Wenn die Wahlergebnisse
                                                   • Die Mitglieder der radikal linken
  dieser Parteien sich im Zuge der Pandemie
                                                     „GUE/NGL“ sind die schärfsten Kritiker
  und der Krise, die sie nach sich zieht,
                                                     der USA und der Trump-Regierung im EU-
  verbessern, würde dies zweifellos dazu
                                                     Parlament und plädieren dafür, dass die EU
  führen, dass autoritäre Mächte mehr
                                                     aufhört, Washington „blind zu folgen“. Sie
  Einfluss auf europäische (und nationale)
                                                     sind vehemente Verteidiger der Politik des
  Politikgestaltung bekommen.
                                                     Kreml, aber auch von Peking und Caracas.
• Die größten Mainstream-Fraktionen im
                                                   • Die sieben Länder, wo wir die meisten
  Europäischen Parlament („Europäische
                                                     Abgeordneten fanden, die autoritäre
  Volkspartei“, „Renew“, „Progressive
                                                     Regime unterstützen, sind eine bunte
  Allianz der Sozialdemokraten“) sind in der
                                                     Mischung aus westlichen und südlichen
  Regel sehr kritisch gegenüber autoritären
                                                     Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich,
  Praktiken und üben stärkeren normativen
                                                     Großbritannien, Irland, Griechenland,
  Druck auf ihre Mitglieder aus, was eine
                                                     Italien und Zypern). Diese nationalen
  konsistenteres Abstimmverhalten zur
                                                     Delegationen sind besonders anfällig dafür,
  Folge hat.
                                                     autoritäre Staaten zu unterstützen, da
• Rechtsaußen MdEPs der „ID“-Fraktion                besonders viele populistische linke und
  (z.B. der italienischen „Lega“ oder des            rechte Parteien unter ihnen sind.
  belgischen „Vlaams Belang“) sind oft
                                                   • Es gibt zahlreiche nationale Parteien, die
  unglaublich Kreml-freundlich, jedoch
                                                     autoritäre Regime stark unterstützen, die
  kritischer, wenn es um kommunistische
                                                     entweder Teil einer Regierungskoalition
  und linke Regime geht (z.B. China,
                                                     eines EU-Mitgliedstaates sind (z.B.
  Venezuela). Eine Kombination von drei
                                                     „PODEMOS“)         oder      die      eine
  Faktoren könnte diese Diskrepanz
                                                     Regierungskoalition       von       außen
  erklären: (1) Ideologie: aufrichtige
                                                     unterstützen (z.B. die „Portugiesische

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AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

  Kommunistische           Partei“,    die            eine     klare,   sehr     ambitionierte
  „Kommunistische Partei Böhmens und                  außenpolitische Vision für die EU, doch
  Mährens“). Sie können daher wichtige                wird die Umsetzung oft durch das Prinzip
  Hebel für autoritäre Regime sein, um                der Einstimmigkeit im Ministerrat
  europäische Politik zu beeinflussen.                blockiert.
Mittel- und südosteuropäische Parlamentarier        • EU-Institutionen,     insbesondere     das
vertreten eine härtere Position                       Parlament, sind in der Regel solidarischer
• Mittel- und Osteuropäische Staaten                  mit politischen Maßnahmen der USA (z.B.
  (Visegrád 4 und Österreich, Rumänien,               Sanktionen gegen Huawei) als die meisten
  Bulgarien) sind gegenüber Russland und              Mitgliedstaaten. Deshalb können die EU
  autoritären Staaten im Allgemeinen                  im Allgemeinen und insbesondere das EU-
  unnachgiebiger als der Durchschnitt der             Parlament von entscheidender Bedeutung
  EU-Mitgliedstaaten. In dieser Gruppe sind           sein, wenn es darum geht, die
  die     nationalen    Delegationen    von           transatlantische      Kooperation      und
  Tschechien       und     Bulgarien     die          Koordinierung        der     Außenpolitik
  unkritischsten, doch auch sie würden eher           aufrechtzuerhalten                    bzw.
  Autokraten wie Putin verurteilen als die            wiederaufzubauen, in Zeiten, in denen
  weiter oben erwähnte Gruppe von sieben              sowohl in Washington als auch in den
  meist älteren Mitgliedstaaten.                      europäischen Hauptstädten der Nutzen
                                                      einer solcher Kooperation immer wieder
• MdEPs, die offen den Kreml und andere               in Frage gestellt wird.
  autoritäre Regime unterstützen, gibt es in
                                                    POLITIKEMPFEHLUNGEN
  Tschechien, der Slowakei, Österreich und
  Bulgarien. Bulgarien hat eine Großpartei          Hin zu einer demokratischeren           und
  mit einer sehr milden Haltung gegenüber           effizienteren EU-Außenpolitik
  repressiven Regierungen, die „Bulgarische         • Das EU-Parlament ist derzeit kein
  Sozialistische Partei“. MdEPs der in Ungarn         Schlüsselakteur in der EU-Außenpolitik –
  regierenden „Fidesz“ stimmen meistens im            sollte es aber sein. Ein größeres
  Einklang mit der „Europäischen Volkspartei          Mitspracherecht für Parlamentarier in
  (EPP)“ ab – manchmal im Gegensatz zur               außenpolitischen Fragen könnte der EU
  bevorzugten Linie in Budapest. So hat der           helfen, ein stärkerer Akteur auf der
  ungarische Premier Viktor Orbán des                 internationalen Bühne zu werden, was
  Öfteren dazu aufgerufen, die Sanktionen             auch ein deklariertes Ziel der EU-
  gegen Russland aufzuheben und China-                Spitzenpolitiker ist. Weiters würde eine
  kritische Stellungnahmen der EU blockiert.          stärkere Rolle des EU-Parlamentes – des
EU-Außenpolitik     und      transatlantische         einzigen direkt gewählten Organs der EU –
Beziehungen                                           die Außenpolitik wertorientierter und
                                                      demokratischer machen. Das Europäische
• Europäische Außenpolitik wird einer der
                                                      Parlament      und     insbesondere   der
  kritischen Faktoren in den Debatten um die
                                                      „Ausschuss           für        auswärtige
  Zukunft der EU sein. Das EU-Parlament hat

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AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

    Angelegenheiten“ (AFET) sollten immer an                                  Mitgliedstaaten unterstützen, um Anreize
    der Ausarbeitung von EU-Dokumenten und                                    für eine breitere Berichterstattung über die
    Stellungnahmen beteiligt sein.                                            außenpolitischen Fragen der EU zu
                                                                              schaffen.
• Was den Ministerrat angeht, so sollte das
  Prinzip der Einstimmigkeit in das einer                                 • Die „Konferenz zur Zukunft Europas“ muss
  qualifizierten Mehrheit umgewandelt                                       die Probleme der EU-Außenpolitik
  werden – was bedeuten würde, dass ein                                     ansprechen. Dazu gehören die Einführung
  einzelner Mitgliedstaat nicht länger EU-                                  einer                        qualifizierten
  Entscheidungen torpedieren könnte. EU-                                    Mehrheitsentscheidung                    im
  Institutionen    –     insbesondere    der                                Außenministerrat, eine stärkere Rolle des
  Ministerrat – konnten bereits Wege finden,                                EU-Parlaments in außenpolitischen Fragen
  diese Obstruktionspolitik zu umgehen.2                                    und      die    Entwicklung   effektiverer
  Änderungen und Praktiken in dieser                                        Rahmenbedingungen für militärische und
  Richtung könnten der EU helfen, auf                                       zivile EU-Einsätze.
  globale Ereignisse schneller zu reagieren.                              Aufruf an Brüssel und Straßburg
  Zusätzlich         könnten         längere
  Ratspräsidentschaftsperioden (derzeitig                                 • Die diplomatischen Bemühungen von
  sind es nur sechs Monate) dazu beitragen,                                 westlichen nicht-EU-Staaten wie den USA
  die außenpolitische Agenda der EU unter                                   sollten stärker auf die Europäische Union
  den jetzigen institutionellen Bedingungen                                 insgesamt – und konkret das EU-
  ambitionierter zu machen.                                                 Parlament – fokussiert sein als
                                                                            ausschließlich auf bilaterale Beziehungen.
• Solange         die        institutionellen                               Denn die EU-Institutionen scheinen
  Rahmenbedingungen             unverändert                                 bereitwilliger zu sein, sich autoritären
  bleiben, muss das EU-Parlament seine                                      Einflüssen zu widersetzen als die meisten
  außenpolitischen Präferenzen aktiver                                      Mitgliedstaaten.
  kommunizieren, weil diese sich nicht
  immer mit den Positionen anderer EU-                                    Maßnahmen, um                     autoritäre           Einflüsse
  Institutionen decken, ganz zu schweigen                                 zurückzudrängen
  von denen der Nationalregierungen. Die                                  • Die     EU     muss       ein    effektives
  MdEPs und die Informationsbüros des                                       Investitionsüberwachungsprogramm
  Europäischen      Parlaments     in    den                                einführen, um die Übernahme wichtiger
  Hauptstädten der Mitgliedstaaten müssen                                   europäischer Unternehmen durch Akteure
  eine aktivere Rolle in der direkten                                       aus feindlichen Drittstaaten zu vermeiden.
  Vermittlung      von     außenpolitischen                                 Dies ist besonders im Zuge der Covid-19-
  Prioritäten auf nationaler Ebene spielen.                                 Pandemie und der resultierenden
  Die EU sollte Journalisten in den                                         Wirtschaftskrise wichtig, welche die Tür für

                                                                          Accuses EU of Ignoring Its Veto over Israel Criticism”, Euronews, 2.
2                                                                         Mai 2019, https://www.euronews.com/2019/05/02/eu-ignores-
  Z.B. ließ der finnische UN-Vertreter Kai Sauer Ungarn aus, als er       hungary-s-last-minute-veto-on-statement-criticising-israel.
die Namen jener EU-Länder vorlas, in deren Namen er sprechen
würde, in einer Stellungnahme, welche die israelische Politik
gegenüber den Palästinensern kritisiert. Siehe auch “Hungary

                                                                      6
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

  Erpressungspraktiken weit öffnet. Darüber         • Die       Cybersicherheit       europäischer
  hinaus sollte die EU alle Schlupflöcher             Institutionen sowie die entsprechende
  stopfen, die Mitgliedstaaten erlauben,              Kenntnis der EU-Beamten müssen ständig
  Großaufträge an Firmen aus autoritären              verbessert werden. Dies würde dazu
  Drittstaaten ohne eine transparente                 beitragen, Vorfälle zu verhindern, bei
  öffentliche Ausschreibung zu vergeben.              denen autoritäre Propaganda geleakte
• Das EU-Parlament sollte die Überprüfung             Dokumente        (echt     oder    gefälscht)
  seiner Abgeordneten und die Lobbying-               verwendet, um die öffentliche Meinung zu
  Regeln für diese verbessern. Ein öffentlich         manipulieren. Daher sollte die „Agentur
  zugänglicher persönlicher Meeting-Tracker           der       Europäischen        Union       für
  für Parlamentarier, der die Treffen der             Cybersicherheit (ENISA)“ fortlaufend die
  MdEPs mit Vertretern politischer und                Fähigkeiten des EU-Parlaments und
  wirtschaftlicher   Organisationen      aus          individueller Abgeordneter überwachen,
  Drittstaaten nachverfolgt, würde die                Cyberattacken abzuwehren. MdEPs und
  Transparenz erhöhen, indem Experten,                ihre Assistenten sollten ein grundlegendes
  Journalisten und Bürger besser darüber              Cybersicherheitstraining erhalten, um in
  informiert werden, wer europäische                  der Lage zu sein, potenzielle Gefahren zu
  Entscheidungen zu beeinflussen sucht.               identifizieren, wie z.B. Phishing-Mails.

                                                7
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Schema 1: Europäische Parlamentsfraktionen nach ihrer Einstellung gegenüber autoritären
Regimen geordnet (Durchschnitt pro MEP einer bestimmten Fraktion). Je höher der Wert, desto
kritischer ist die Haltung gegenüber autoritären Regimen.

                                    0                                                                  100

                     RE (liberal)                                                                 93

             EVP (mitte-rechts)                                                                   92

               S&D (mitte-links)                                                        84
            EKR (euroskeptische
                                                                                   78
                  Rechte)
                   Grüne (grün)                                         64

                  Fraktionslose                                    45

              ID (radikal rechts)                             41
              GUE/NGL (radikal
                                                    27
                   links)

Schema 2. Europäische Parlamentsfraktionen nach ihrer Einstellung gegenüber dem Kreml
geordnet (Durchschnitt pro MEP einer bestimmten Fraktion). Je höher der Wert, desto kritischer
ist die Haltung gegenüber dem Kreml.

                                    0                                                                  100

             EVP (mitte-rechts)                                                               90

                    RE (liberal)                                                             88

              S&D (mitte-links)                                                          87
             EKR (rechte
                                                                                  76
            Euroskeptiker)
                  Grüne (grün)                                               68

                  Fraktionslose                          36

             ID (radikal rechts)               24

        GUE/NGL (radikal links)           20

                                                    8
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

(-.&+, "J K&' 8)'-.4-.%$//1$-.& oO)/7'$/?'&%L0'$/$4-.&o G%8&N@&'/ 8&' 4$&6&% +$//&1L )%8
74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&% 5b$4&D',8A e4/&''&$-.A 9)+?%$&%A 2)1D,'$&%>A 8$& Xn #EL(/,,/&% 47@$&
8$& X_ %$-./ +$//&1L 78&' 74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&% 5*'7 ;8#R>J i& .^.&' 8&' T&'/A 8&4/7
0'$/$4-.&' $4/ 8$& V,1/)%D D&D&%M6&' ,)/7'$/?'&% 9&D$+&%J
                                    0                                                      100

           Mittel-/Osteuropa (7
                                                                                   85
           Staaten, 179 MdEPs)
       EU (28 Staaten, 783 MdEPs)                                             75
     nicht-Mittel-/Osteuropa (21
                                                                             72
         Staaten, 604 MdEPs)

(-.&+, WJ K&' 8)'-.4-.%$//1$-.& o['&+1L0'$/$4-.&o G%8&N@&'/ 8&' 4$&6&% +$//&1L )%8
74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&% 5b$4&D',8A e4/&''&$-.A 9)+?%$&%A 2)1D,'$&%>A 8$& Xn #EL(/,,/&% 47@$&
8$& X_ %$-./ +$//&1L 78&' 74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&% 5*'7 ;8#R>J i& .^.&' 8&' T&'/A 8&4/7
0'$/$4-.&' $4/ 8$& V,1/)%D D&D&%M6&' 8&+ ['&+1J
                                    0                                                      100

           Mittel-/Osteuropa (7
                                                                                   83
           Staaten, 179 MdEPs)
       EU (28 Staaten, 783 MdEPs)                                            72
     nicht-Mittel-/Osteuropa (21
                                                                        68
         Staaten, 604 MdEPs)

                                               9
AUTORITÄRE SCHATTEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

(-.&+, `J K&' 8)'-.4-.%$//1$-.& oO)/7'$/?'&%L0'$/$4-.&o G%8&N@&'/ 8&' 4$&6&% +$//&1L )%8
74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&%A 8&' $.'& ,11D&+&$%& #$%4/&11)%D D&D&%M6&' ,)/7'$/?'&% 9&D$+&% +$44/J
i& .^.&' 8&' T&'/A 8&4/7 0'$/$4-.&' 8$& #$%4/&11)%DJ K$& 61,)& H$%$& '&*'?4&%/$&'/ 8&%
#EXnL K)'-.4-.%$//J K$& \,.1&% 4$%8 ,)3 8$& %?-.4/& U,%FF,.1 ,)3D&')%8&/J

    100                                                                                         100

    75                                                                                          EU28

              92        88          84           83          82          77           77
     0                                                                                          0
           Rumänien    Polen      Ungarn      Österreich   Slowakei   Bulgarien    Tschechien

(-.&+, gJ K&' 8)'-.4-.%$//1$-.& o['&+1L0'$/$4-.&o G%8&N@&'/ 8&' 4$&6&% +$//&1L )%8
74/&)'7*?$4-.&% (/,,/&%A 8&' $.'& ,11D&+&$%& #$%4/&11)%D D&D&%M6&' ;740,) +$44/J i& .^.&'
8&' T&'/A 8&4/7 0'$/$4-.&' 8$& #$%4/&11)%DJ K$& 61,)& H$%$& '&*'?4&%/$&'/ 8&% #EXnLK)'-.4-.%$//J
K$& \,.1&% 4$%8 ,)3 8$& %?-.4/& U,%FF,.1 ,)3D&')%8&/J

    100                                                                                         100

    72                                                                                          EU28

              91        87          84           79          79          76           73
     0                                                                                          0
           Rumänien    Polen     Österreich    Ungarn      Slowakei   Tschechien   Bulgarien

                                                  10
DER FALL ÖSTERREICH

Der Fall Österreich. Traditionell starke Geschäfts-
beziehungen, aber wenig offizielle Unterstützung für den
Kreml
Anton Shekhovtsov

Österreich ist zwar EU-Mitglied, aber kein            Gleichzeitig ist die rechts außen stehende
NATO-Mitglied – dies ist durch eine Klausel in        „Freiheitliche Partei Österreich“ (FPÖ)
der österreichischen Verfassung festgelegt,           konsequent pro-Moskau. Mitglieder der FPÖ
die eine immerwährende militärische                   waren Teil der von Russland organisierten
Neutralität     des    Landes     vorschreibt.        „Wahlbeobachtermission“, die das illegitime
Österreichs      Neutralität   sowie      der         Referendum auf der ukrainischen Krim
traditionelle Schwerpunkt der Außenpolitik            beobachtet und unterstützt hat. FPÖ-
auf Geschäftsbeziehungen prägen die                   Mitglieder sind auf die annektierte Krim
weitgehend freundschaftlichen Beziehungen             gereist, um an dem von den russischen
der österreichischen politischen Eliten               Besatzungsbehörden               organisierte
gegenüber Russland – primär der beiden                „International       Economic        Forum“
stärksten Parteien, der mitte-rechts                  teilzunehmen. Ende 2016 unterzeichnete die
stehenden „Österreichischen Volkspartei               Partei      eine     „Vereinbarung      über
(ÖVP)“ und der mitte-links stehenden                  Zusammenwirken und Kooperation“ mit der
„Sozialdemokratischen Partei Österreichs              russischen      Regierungspartei     „Einiges
(SPÖ)“. Seit dem Beginn der russischen                Russland“.
Aggression gegen die Ukraine 2014 haben sich          2017-2019 bildeten die ÖVP und die FPÖ eine
wichtige Vertreter dieser beiden Parteien             Koalitionsregierung, doch trotz der pro-
öfters kritisch zu den EU-Sanktionen gegen            Moskau-Einstellung der FPÖ war diese nie in
Russland geäußert und dazu aufgerufen, diese          der Position, Österreichs Befolgung der
aufzuheben. Jedoch hat Österreich weder               allgemeinen      EU-Einstellung    gegenüber
unter der Kanzlerschaft der beiden                    Russland entscheidend in Frage zu stellen.
Sozialdemokraten Werner Faymann (2008-                2019 veröffentlichten Journalisten Auszüge
2016) und Christian Kern (2016-2017), noch            aus einem heimlich aufgenommenen Video,
der des konservativen Sebastian Kurz (2017-           das den FPÖ-Vorsitzenden dabei zeigt, wie er
2019, 2020) den EU-Konsens bezüglich dieser           sich bei einer vermeintlichen russischen
Sanktionen ernsthaft in Frage gestellt. Seit          Oligarchin um Geld und andere Formen der
Österreich 1995 der EU beigetreten ist, war           Unterstützung bemüht. Diese sogenannte
seine Außenpolitik großteils an der von               „Ibiza-Affäre“ führte zur Auflösung der ÖVP-
Deutschland ausgerichtet, und auch in Bezug           FPÖ-Regierung und einem Rückgang der
auf die EU-Sanktionen folgt Österreichs der           Zustimmungsraten für die FPÖ bei den
deutschen Position.                                   österreichischen EU- und Nationalratswahlen.

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DER FALL ÖSTERREICH

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                                                    100
            Österreichische Volkspartei (8)
                                                    100

                                                    94,87
           NEOS – Das Neue Österreich (1)
                                                    93,33

                                                    77,06
 Sozialdemokratische Partei Österreichs (5)
                                                    78,73

                                                    72,92
     Die Grünen - Die Grüne Alternative (3)
                                                    84,57

                                                    53,71
         Freiheitliche Partei Österreichs (3)
                                                    41,27

           Durchschnittlicher "Autoritären-kritischer" Einflusswert     Durchschnittlicher "Kreml-kritischer" Wert

Andere im Parlament vertretene Parteien wie                      und des ukrainischen Widerstands gegen die
die mitte-links-Partei der Grünen und die                        russische Aggression. Mandl kritisierte die
gemäßigten „NEOS“ sind meistens skeptisch                        russische Führung für die Beschönigung von
gegenüber Putins Russland und anderen                            sowjetischen Verbrechen und sorgt sich um
autoritären Regimen.                                             außereuropäische autoritäre Einflüsse in
Diese Standpunkte und Ausrichtungen                              Europa. Er ist ebenfalls solidarisch mit der
                                                                 Ukraine      und       unterstützt       ihre
entsprechen weitgehend dem Wahlverhalten
der österreichischen MdEPs.                                      Demokratisierung und Annäherung an die EU.

Die ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament                             Seit 2019 hat die österreichische ÖVP-
machen selten Aussagen zur Außenpolitik und                      Delegation kein einziges Mal zugunsten des
interessieren sich hauptsächlich für Fragen                      Kremls oder autoritärer Praktiken und
der Umwelt, Landwirtschaft, Tourismus, des                       Trends gestimmt.
Verbraucherschutzes         und           des                    EU-Abgeordnete der SPÖ bevorzugen Themen
Unternehmertums. Dennoch finden sich in                          wie    Kultur,     Geschlechtergleichstellung,
der ÖVP-Delegation zum EU-Parlament zwei                         Arbeitnehmerrechte, Umwelt und Verbrauch
prominente Kritiker des Kremls und                               als Außenpolitik. Jedoch hat einer der
autoritärer Praktiken: Othmar Karas und                          führenden SPÖ-MdEPs, Andreas Schieder, die
Lukas Mandl, die einen großen Einfluss auf die                   Kooperation zwischen Moskau und den
außenpolitische Linie der Delegation haben.                      europäischen Rechten (insbesondere der
Karas ist bekannt für seine Unterstützung                        FPÖ) kritisiert und lobte eine Resolution des
russischer    Demokratisierungsbewegungen                        EU-Parlaments, die ausländische Eingriffe in
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DER FALL ÖSTERREICH

    FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der stellvertretende Generalsekretär des Vereinigten Russlands, Sergej
 Schelesnjak, haben im Dezember 2016 eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Quelle: www.tango-noir.com

europäische Angelegenheiten tadelt. Schieder                Wie die ÖVP- und SPÖ-Abgeordneten so sind
befürwortet weiters die europäische                         auch die der österreichischen Grünen an
Integration der Westbalkanländer, was den                   außen- und geopolitischen Fragen nicht
Interessen des Kremls in dieser Region                      besonders interessiert und konzentrieren sich
widerspricht. Ein weiteres SPÖ-MdEPs,                       mehr      auf     landwirtschaftliche    und
Bettina Vollath, äußerte sich kritisch                      Umweltfragen. Gleichwohl ist Thomas Waitz
gegenüber autoritären Praktiken in der Türkei               ein scharfer Kritiker des „Nordstream 2“-
und China. Das Abstimmungsverhalten der                     Projekts, und sagt, dass es nur Putins
SPÖ-MdEPs       ist     im      Allgemeinen                 Interessen dient. Außerdem kritisierte er die
übereinstimmend mit ihrer pro-liberalen                     österreichischen Behörden, weil diese eine
Agenda, aber in Einzelfällen tolerierten sie                Anordnung zur Reduktion der Abhängigkeit
bestimmte      pro-Kreml-Positionen      und                von russischem Gas verzögerten. Ein weiteres
autoritäre Entwicklungen. Z.B. stimmten sie                 MdEP der Grünen, Monika Vana, kritisierte
gegen den Paragrafen in einer Resolution des                Russland für die Annexion der Krim und die
EU-Parlaments, der die Bildung eines                        Diskriminierung der LBGT-Community, sowie
Sonderkomitees       zur      Untersuchung                  China für den brutalen Umgang mit den
ausländischer Einmischung in Wahlen                         Uiguren. Während Vana und Sarah Wiener die
befürwortet.                                                meisten kritischen Resolutionen gegen den
                                                            Kreml und gegen autoritäre Handlungen
                                                            unterstützt haben, waren sie nicht immer
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DER FALL ÖSTERREICH

konsequent. So haben beide gegen          die         Stimme bei der Abstimmung über eine
Einfügung eines Verweises auf            den          Resolution, die von den russischen Behörden
sogenannten „Magnitsky Act“ in           eine         verlangte, den ukrainischen Regisseur Oleg
Russland betreffende Resolution des       EU-         Sentsov und alle anderen illegal in Russland
Parlamentes gestimmt.                                 und auf der Krim festgehaltenen Ukrainer
Wie erwartet, hat das „NEOS“-MdEP Claudia             sofort und bedingungslos freizulassen. Diese
Gammon nie eine pro-Kreml oder pro-                   Enthaltung war eine Rebellion gegen die
autoritäre Haltung eingenommen. Gamon                 Entscheidung der Fraktion „Europa der
war eine der schärfsten Kritiker von Putins           Nationen und der Freiheit“, gegen diese
Wien-Besuchen      und    verurteilte   den           Resolution zu stimmen. Ferner stimmten FPÖ-
damaligen FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian            Abgeordnete für die Resolution, die die
Strache für seine Forderung nach einer                russischen Behörden dazu aufrief, das Gesetz
Aufhebung der EU-Sanktionen gegen                     gegen „ausländische Agenten“ aufzuheben
Russland. Gamon lehnt ebenfalls die                   und die bestehende Gesetze mit der
Einmischung     ausländischer    autoritärer          Verfassung      Russlands      und     seinen
Regime in EU-Angelegenheiten ab.                      völkerrechtlichen Verpflichtungen in Einklang
                                                      zu bringen. Trotz dieser Abweichungen neigen
Als     Kontrast     zu     allen    anderen          die FPÖ-MdEPs meistens dazu, Kreml-
österreichischen Delegationen des EU-                 kritische Resolutionen nicht zu unterstützen,
Parlamentes hat die FPÖ-Delegation die                tendieren aber gleichzeitig dazu, autoritäre
meisten pro-Kreml-MdEPs. Harald Vilimsky              Praktiken woanders zu verurteilen, anstatt
reiste mehrmals nach Russland und war                 sie zu ignorieren.
ebenfalls Teil der Gruppe, die nach Moskau
ging, um das Abkommen mit „Einiges                    Im Großen und Ganzen zeigen die
Russland“ zu unterzeichnen. Georg Mayer rief          österreichischen MdEPs mit Ausnahme der
zu einer Aufhebung der EU-Sanktionen gegen            FPÖ-Abgeordneten            eine         starke
Russland auf, und Roman Haider kritisierte die        Unterstützung von Resolutionen, die die
Opposition gegen „Nordstream 2“ in der EU.            innerstaatlichen      und      internationalen
Dennoch ist die Haltung der FPÖ-MdEPs zu              Aktivitäten des Kremls kritisieren. In der
den Interessen des Kremls in Bezug auf Europa         Regel verurteilen sie auch autoritäre Trends in
und zu autoritären Praktiken in anderen               anderen Teilen der Welt, und selbst die FPÖ-
Teilen der Welt manchmal nuanciert. Z.B.              Abgeordneten schließen sich oft diesem
enthielten sich die FPÖ-Abgeordneten der              Konsens an.

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Web: democratic-integrity.eu

        Wien 2020
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