DAS EUROPÄISCHE SEMESTER UND DIE ENTWICKLUNG UND UMSETZUNG DER LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN FÜR ÖSTERREICH

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DAS EUROPÄISCHE SEMESTER UND
DIE ENTWICKLUNG UND
UMSETZUNG DER
LÄNDERSPEZIFISCHEN
EMPFEHLUNGEN FÜR ÖSTERREICH

Friedrich Sindermann
Parlamentsdirektion
Budgetdienst

                       www.parlament.gv.at
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Inhaltsverzeichnis
1     Einleitung ....................................................................................................................... 3
2     Fiskal- und wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Union .................... 4
3     Der Ablauf des Europäischen Semesters ....................................................................... 7
4     Die wesentlichen Akteure im Europäischen Semester ...................................................11
5     Das Europäische Semester im österreichischen Nationalrat .........................................13
6     Analysen des Budgetdienstes zum Europäischen Semester .........................................15
7     Die länderspezifischen Empfehlungen...........................................................................17
8     Entwicklung und Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen für Österreich .......21
    8.1      Überblick…………………………………………………………………………………... 21

    8.2      Öffentliche Finanzen ……………………………………………………………………...23

    8.3      Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik …………………………………………......26

    8.4      Regulatorisches Umfeld und Wettbewerb ……………………………………………...30

    8.5      Finanz- und Bankensektor ……………………………………………………………….32

9         Schlussfolgerungen ...................................................................................................34
Literaturverzeichnis ..............................................................................................................37

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EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

1    Einleitung

Das Europäische Semester bildet seit dem Jahr 2011 den Rahmen für die wirtschafts- und
fiskalpolitische Koordinierung innerhalb der Europäischen Union. Wesentliche Elemente sind
dabei die Vorgabe von wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Leitlinien für die gesamte
EU auf Grundlage des Jahreswachstumsberichts, die Überwachung von potenziellen
makroökonomischen Ungleichgewichten in den Mitgliedstaaten auf Grundlage des
Warnmechanismus-Berichts, der Beschluss von länderspezifischen Empfehlungen zu den aus
Sicht der Europäischen Kommission drängendsten Herausforderungen der einzelnen
Mitgliedstaaten und des Euro-Währungsgebiets sowie die Überwachung der Einhaltung der
insbesondere durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegebenen Fiskalregeln. Das
Europäische Semester bildet damit eine wesentliche Grundlage für die Arbeit des Parlaments
und des Budgetausschusses, der insbesondere die von der Regierung jährlich vorzulegenden
Berichte     (Stabilitätsprogramm,         Nationales       Reformprogramm,           Übersicht      über     die
Haushaltsplanung) behandelt. Der Budgetdienst erstellt daher regelmäßig Informationen und
Analysen zu den Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester.1

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den im Rahmen des Europäischen Semesters für
Österreich abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen und mit der Frage, wie sich diese
Empfehlungen im Zeitverlauf entwickelt haben bzw. zu welchem Grad sie umgesetzt wurden.
Dazu wird zunächst ein Überblick über die Vorgeschichte und die Entstehung des
Europäischen Semesters und der länderspezifischen Empfehlungen gegeben. Zur Einordnung
des Instruments der länderspezifischen Empfehlungen stellen die darauffolgenden Abschnitte
den Ablauf des Europäischen Semesters und die Rollen der dabei wesentlichen Akteure dar.
In jeweils eigenen Kapiteln wird auf die Bedeutung des Europäischen Semesters für die fiskal-
und wirtschaftspolitische Koordinierung, die Behandlung im österreichischen Nationalrat und
die daraus für den Budgetdienst resultierende Aufgabenstellung eingegangen. Nach einer
Darstellung der wesentlichen Grundlagen und des Aufbaus der länderspezifischen
Empfehlungen        wird     deren     Entwicklung       zunächst      im    Überblick     auf    Ebene       der
EU-Mitgliedstaaten präsentiert, bevor ein eigener Abschnitt spezifisch für Österreich die
Entwicklung       und      Umsetzung       der    abgegebenen          Empfehlungen         gegliedert      nach
Politikbereichen sowie die dazu gesetzten Reformfortschritte im Detail analysiert. Das
abschließende Kapitel fasst die wesentlichen Aspekte der Arbeit sowie die sich daraus
ergebenden Schlussfolgerungen zusammen.

1
 Ein Überblick findet sich unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/EUROPAEISCHERRAHMEN/, abgerufen am 17. März
2019.

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2     Fiskal- und wirtschaftspolitische Koordinierung in der

      Europäischen Union

Mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) haben die
Mitgliedstaaten vereinbart, sich in wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Fragen zu
koordinieren (Artikel 120, 121(1), 145-148 AEUV).2,3 In diesem Zusammenhang verabschiedet
der Rat der Europäischen Union seit 1993 jährlich eine allgemeine Empfehlung über die
Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union.4 Im Jahr
1997, dem Jahr des Inkrafttretens des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP), enthielt diese
Empfehlung erstmals auch länderspezifische Empfehlungen, die sich jedoch auf die
Einhaltung der im SWP festgeschriebenen Fiskalregeln beschränkten und sehr kurz gefasst
waren. Ab 1999 beschloss der Rat der Europäischen Union jährlich umfassendere
länderspezifische Empfehlungen sowie eine Empfehlung für die Wirtschaftspolitik im
Euro-Währungsgebiet. Inhaltlich gingen diese Empfehlungen über rein haushaltspolitische
Aspekte hinaus und wurden über die Zeit schrittweise ausgebaut, wobei auch vermehrt die
Ziele der im Jahr 2000 beschlossenen Lissabon-Strategie als Grundlage der Empfehlungen
herangezogen wurden.

Im Jahr 2005 beschloss der Europäische Rat, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die
beschäftigungspolitischen Leitlinien5 in Form von „integrierten Leitlinien“ zu behandeln, die
sowohl wirtschafts- als auch beschäftigungspolitische Aspekte umfassen sollten.6,7 Bis zu
diesem Zeitpunkt wurden die Empfehlungen zur Durchführung der Wirtschaftspolitik und die

2
  Artikel 120 AEUV: „Die Mitgliedstaaten richten ihre Wirtschaftspolitik so aus, dass sie im Rahmen der in Artikel 121 Absatz 2
genannten Grundzüge zur Verwirklichung der Ziele der Union im Sinne des Artikels 3 des Vertrags über die Europäische Union
beitragen. […]“. Artikel 121 (1): „Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem
Interesse und koordinieren sie im Rat nach Maßgabe des Artikels 120.“ Analoge Regelungen für den Bereich der
Beschäftigungspolitik finden sich insbesondere in den Artikeln 145 bis 148 AEUV, in denen unter anderem auch die jährliche
Erstellung des gemeinsamen Beschäftigungsberichtes von Rat und Kommission festgelegt wird.
3
  Die konkrete Vorgehensweise dazu wird in Artikel 121 (2) AEUV festgelegt: „Der Rat erstellt auf Empfehlung der Kommission
einen Entwurf für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union und erstattet dem Europäischen Rat
hierüber Bericht. Der Europäische Rat erörtert auf der Grundlage dieses Berichtes des Rates eine Schlussfolgerung zu den
Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union. Auf der Grundlage dieser Schlussfolgerung verabschiedet
der Rat eine Empfehlung, in der diese Grundzüge dargelegt werden. Der Rat unterrichtet das Europäische Parlament über seine
Empfehlung.“
4
 Vgl. Empfehlung des Rates vom 22. Dezember 1993 über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der
Gemeinschaft (94/7/EG), abgerufen am 6. Februar 2019.
5
  Artikel 148 (2) AEUV: „Anhand der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates legt der Rat auf Vorschlag der Kommission
und nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und
des in Artikel 150 genannten Beschäftigungsausschusses jährlich Leitlinien fest, welche die Mitgliedstaaten in ihrer
Beschäftigungspolitik berücksichtigen. Diese Leitlinien müssen mit den nach Artikel 121 Absatz 2 verabschiedeten Grundzügen
in Einklang stehen.“
6
  Dementsprechend übermittelt der RAA (Rat für allgemeine Angelegenheiten) dem Europäischen Rat, auf Grundlage der
Vorbereitungen in ECOFIN (Rat „Wirtschaft und Finanzen“) und EPSCO (Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und
Verbraucherschutz“), integrierte länderspezifische Empfehlungen und auch deren Annahme erfolgt in Form von integrierten
Empfehlungen.
7
  Vgl. dazu Pkt. 39(b) der Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates (Brüssel) vom 22./23. März
2005 (7619/1/05 REV 1 CONCL 1), abgerufen am 6. Februar 2019.

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Empfehlungen zur Durchführung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten in getrennten
Dokumenten behandelt.

Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008, die zu Rezessionen in zahlreichen
EU-Mitgliedstaaten, zu starken Anstiegen der öffentlichen Schuldenstände und zu teils
massiven Problemen bei der (Re-)Finanzierung auf den Finanzmärkten führte, rückte auch die
wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten stärker in den Mittelpunkt.
Am 12. Mai 2010 legte die Europäische Kommission eine Mitteilung8 vor, in der sie sich für
mehrere Maßnahmen zur Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung innerhalb der
EU aussprach. Der Vorschlag umfasste unter anderem eine Verschärfung der fiskalpolitischen
Überwachung der Mitgliedstaaten (insbesondere durch eine Stärkung der präventiven
Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und einen Ausbau der Schuldenregel) und
die Einführung eines Europäischen Semesters, mit dem Ziel einer frühzeitigen Vorgabe
wirtschaftspolitischer Leitlinien durch den Europäischen Rat, die in weiterer Folge bei der
Erstellung der nationalen fiskal- und wirtschaftspolitischen Programme berücksichtigt werden
sollten. Durch eine synchronisierte Bewertung der Haushalts- und Strukturpolitik auf
europäischer Ebene und durch die verstärkte Nutzung von „Peer Reviews“ im Rat der EU sollte
eine bessere Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage innerhalb der Union und eine
bessere Abstimmung mit den nationalen Haushaltszyklen erreicht werden. Diese Vorschläge
wurden in einer weiteren am 30. Juni 2010 veröffentlichten Mitteilung9 weiter präzisiert.
Gleichzeitig wurde auf Europäischer Ebene die EU-2020-Strategie als Nachfolgestrategie der
Lissabon-Ziele beschlossen. Der Fortschritt bei der Erreichung der EU-2020-Ziele sollte
ebenfalls im Rahmen des Europäischen Semesters überprüft werden.

Rechtlich wurde das Europäische Semester im Jahr 2010 zunächst nur über eine Ergänzung
im Code of Conduct des SWP geregelt.10 Dies lieferte die Grundlage für das erste Europäische
Semester, das am 12. Jänner 2011 mit der Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts
begann. Gleichzeitig mit der Änderung des Code of Conduct legte die Kommission jedoch
ihren Vorschlag für die sogenannten Sixpack-Maßnahmen vor, die neben der bereits oben
erwähnten Verschärfung der fiskalpolitischen Überwachung u.a. eine rechtliche Grundlage für

8
 Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2010: Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung (KOM (2010) 250, endg.),
abgerufen am 6. Februar 2019.
9
 Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2010: Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und
Beschäftigung – Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU (KOM (2010) 367, endg.), abgerufen am 6.
Februar 2019.
10
  Vgl. Specifications on the implementation of the Stability and Growth Pact and Guidelines on the format and content of Stability
and Convergence Programmes (konsolidierte Fassung vom 7. September 2010), abgerufen am 6. Februar 2019.

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das Europäische Semester vorsahen und am 16. November 2011 beschlossen wurden.11 Mit
dem Sixpack wurde auch das Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer
Ungleichgewichte rechtlich verankert und ebenfalls in das Europäische Semester
eingegliedert.12 Der erste Warnmechanismus-Bericht, der jährlich eine erste allgemeine
Einschätzung hinsichtlich potenzieller Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten liefert und auf
dessen Grundlage über die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse entschieden wird,
wurde im Februar 2012 veröffentlicht. Seit 2015 bilden die eingehenden Analysen im
Zusammenhang mit potenziellen makroökonomischen Ungleichgewichten einen Teil der
jährlichen Länderanalysen der Europäischen Kommission. Mit den 2013 beschlossenen
Twopack-Maßnahmen13                 wurde      das     Europäische        Semester        für   die    Staaten    des
Euro-Währungsgebiets um die bis zum 15. Oktober zu übermittelnden Übersichten über die
Haushaltsplanung zu einem ganzjährigen Überwachungs- und Koordinierungszyklus
erweitert.

11
  Die Sixpack-Maßnahmen umfassen die Verordnungen VO (EU) 1173/2011, VO (EU) 1174/2011, VO (EU) 1175/2011,
VO (EU) 1176/2011 und VO (EU) 1177/2011 sowie die Richtlinie 2011/85/EU. Die Rechtsgrundlage für das Europäische
Semester wurde insbesondere durch VO (EU) 1175/2011 geschaffen. Hyperlinks abgerufen am 6. Februar 2019.
12
     Vgl. insbesondere VO (EU) 1176/2011 sowie VO (EU) 1174/2011. Hyperlinks abgerufen am 6. Februar 2019.
13
   Die Twopack-Maßnahmen umfassen die Verordnungen VO (EG) 472/2013 und VO (EU) 473/2013. Hyperlinks abgerufen am
6. Februar 2019.

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3    Der Ablauf des Europäischen Semesters
Der Ablauf des Europäischen Semesters unterlag seit dessen Einführung im Jahr 2011 immer
wieder Änderungen (siehe auch vorangegangenen Abschnitt), die zum einen der Umsetzung
neuer vertraglicher Bestimmungen (z.B. Twopack-Maßnahmen 2013) und zum anderen der
Straffung des Semesters (z.B. frühere Veröffentlichung der Länderberichte und der
Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet seit 2015) dienten.

Die nachfolgende Grafik stellt den groben Ablauf des Europäischen Semesters nach
derzeitigem Stand im Überblick dar:

Grafik 1:        Zeitlicher Ablauf des Europäischen Semesters (Stand: März 2019)

Quelle: Budgetdienst

Die Europäische Kommission leitet das Europäische Semester jedes Jahr Ende November mit
der Veröffentlichung des sogenannten Herbstpakets ein. Dieses Paket beinhaltet einige für
das Europäische Semester wesentliche Dokumente:

    - Im        Jahreswachstumsbericht         identifiziert   die    Kommission      wesentliche
         Herausforderungen für die EU und formuliert allgemeine wirtschaftspolitische
         Prioritäten sowie an die Mitgliedstaaten gerichtete politische Leitlinien.

    - Als Begleitunterlage zum Jahreswachstumsbericht übermittelt die Kommission auch
         einen Entwurf für den gemeinsam mit dem Rat der EU zu erstellenden
         Beschäftigungsbericht. In diesem werden die beschäftigungs- und sozialpolitischen
         Entwicklungen innerhalb der EU zusammengefasst. Die Fortschritte der einzelnen
         Mitgliedstaaten werden anhand eines sozialpolitischen Scoreboards analysiert.

    - Im Warnmechanismus-Bericht identifiziert die Kommission anhand einer Reihe von
         Indikatoren jene Mitgliedstaaten, die potenzielle makroökonomische Ungleichgewichte
         (z.B. hohe Leistungsbilanzdefizite oder -überschüsse, hohe Verschuldung privater
         Haushalte) aufweisen und in weiterer Folge einer eingehenden Überprüfung
         unterzogen werden.

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     - Die Kommission übermittelt dem Rat außerdem einen Vorschlag für dessen
         Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet. Während diese Empfehlungen
         ursprünglich zeitgleich mit den länderspezifischen Empfehlungen diskutiert und
         beschlossen wurden, werden sie seit dem Europäischen Semester 2016 bereits im
         ersten Abschnitt des Europäischen Semesters behandelt und können somit eine
         Grundlage für die Empfehlungen auf Ebene der Mitgliedstaaten darstellen.

Nach der Präsentation durch die Kommission werden die Dokumente des Herbstpakets in den
entsprechenden Ausschüssen und Formationen des Rates der EU erörtert. Unter
Berücksichtigung           etwaiger        Änderungen           werden        die      Empfehlungen            für     das
Euro-Währungsgebiet im ECOFIN gebilligt und – nach Billigung durch den Europäischen Rat
– beschlossen. Der Rat nimmt außerdem Schlussfolgerungen zum Jahreswachstumsbericht,
zum Warnmechanismus-Bericht und zum Beschäftigungsbericht an. Zusätzlich finden in
unterschiedlichen Ratsformationen themenbezogene Aussprachen statt, deren Organisation,
Ausgestaltung und Themensetzung dem jeweiligen Ratsvorsitz vorbehalten sind.

In der Regel im Februar findet auch im Europäischen Parlament eine allgemeine Aussprache
zum Europäischen Semester mit dem Ratsvorsitz statt. Bei der interparlamentarischen
Konferenz nach Artikel 13 SKS-Vertrag14, die im Rahmen der Parlamentarischen Woche für
gewöhnlich ebenfalls im Februar in Brüssel abgehalten wird, haben auch Abgeordnete der
nationalen Parlamente die Möglichkeit sich mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments
zu Fragen des Europäischen Semesters und zur europäischen Wirtschafts- und
Beschäftigungspolitik auszutauschen. Eine zweite interparlamentarische Konferenz nach
Artikel 13 SKS-Vertrag findet im Herbst statt und wird im jeweiligen EU-Ratsvorsitzland
ausgerichtet.

Ende Februar/Anfang März veröffentlicht die Europäische Kommission ihre Länderberichte,
die einen Überblick über die strukturellen wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen
und ergriffenen Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten liefern. Sie dienen zum einen
der Evaluierung der Umsetzung der vorangegangenen länderspezifischen Empfehlungen
sowie der Erreichung der EU-2020-Ziele und zum anderen der Identifikation von
Problemfeldern, auf deren Grundlage die neuen Empfehlungen formuliert werden. Für
Mitgliedstaaten,          bei      denen         im      Warnmechanismus-Bericht                  ein       potenzielles
makroökonomisches Ungleichgewicht festgestellt wurde, enthalten die Länderberichte auch
die eingehenden Analysen, anhand derer die Europäische Kommission das Vorhandensein

14
  Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (SKS-Vertrag) wurde im Jahr
2013 als zwischenstaatlicher Vertrag abgeschlossen und von 25 Mitgliedstaaten unterzeichnet (keine Vertragsparteien sind die
Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und Kroatien). Sein wichtigster Bestandteil ist der Fiskalpakt, der einige
Elemente der Fiskalregeln verschärft und deren Umsetzung in nationales Recht festschreibt.

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von Ungleichgewichten beurteilt. Die diesbezügliche Entscheidung wird von der Kommission
in der Regel kurze Zeit nach der Veröffentlichung der Länderberichte bekanntgegeben.15

Die erste Phase des Europäischen Semesters endet im März mit der Billigung der
wirtschaftspolitischen Leitlinien bei der Frühjahrstagung des Europäischen Rats, mit denen
dieser wirtschaftspolitische Schwerpunkte vorgibt, die die Mitgliedstaaten bei der Erstellung
ihrer Stabilitäts- und Konvergenzprogramme16 (SKP) sowie der Nationalen Reformprogramme
(NRP) berücksichtigen sollten.

Während in der ersten Phase des Europäischen Semesters der Jahreswachstumsbericht und
die allgemeine wirtschafts- und sozial- bzw. beschäftigungspolitische Ausrichtung der EU im
Zentrum stehen, konzentriert sich die zweite Phase des Europäischen Semesters auf die
Übertragung dieser allgemeinen Leitlinien auf konkrete länderspezifische Empfehlungen. Die
Länderberichte stellen dabei einen ersten wesentlichen Schritt dar, da sie bereits weitgehende
Rückschlüsse auf die Sichtweise der Europäischen Kommission zulassen. Im Zuge der
Überarbeitung des Europäischen Semesters wurde der Zeitpunkt der Veröffentlichung ab 2015
um drei Monate vorverlegt, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, bei der Erstellung
der NRP sowie der SKP auf die Einschätzung der Kommission zu reagieren.17

Die Mitgliedstaaten legen vorzugsweise bis 15. April, spätestens jedoch bis 30. April ihre
Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme sowie ihre Nationalen Reformprogramme vor. Das
Stabilitätsprogramm, das in Österreich vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) erstellt
wird, stellt unter anderem die mittelfristige Haushaltsplanung, die zugrundegelegten
Konjunkturannahmen und die geplanten (fiskal)politischen Maßnahmen dar. Die Angaben im
Stabilitätsprogramm sind eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Einhaltung der
Fiskalregeln durch die Europäische Kommission. Das Nationale Reformprogramm, das in
Österreich vom Bundeskanzleramt (BKA) koordiniert und vorgelegt wird, orientiert sich an den
letztjährigen Empfehlungen des Rates, weist dazu umgesetzte, sich in Umsetzung befindliche
bzw. geplante Maßnahmen aus und informiert zudem über Wachstumshemmnisse, die den
nationalen Zielen entgegenwirken, über die entsprechenden Reformmaßnahmen sowie deren
Umsetzungsstand.

15
  Die überprüften Mitgliedstaaten werden dabei anhand eines vierstufigen Schemas in Länder mit keinen Ungleichgewichten,
Länder mit Ungleichgewichten, Länder mit übermäßigen Ungleichgewichten sowie in Länder mit übermäßigen Ungleichgewichten
mit Korrekturmaßnahmenplan eingestuft, wobei nur über Länder in der letzten Stufe, wenn sie keine ausreichenden
Korrekturmaßnahmen ergreifen, Sanktionsmaßnahmen verhängt werden können.
16
  Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets legen jährlich ihre mittelfristige Haushaltsplanung im Stabilitätsprogramm dar,
während EU-Mitgliedstaaten, die (noch) nicht am Euro teilnehmen, jährlich ein mittelfristiges Konvergenzprogramm übermitteln.
17
  Seit dem Jahr 2017 werden die Länderberichte außerdem im Vorfeld ihrer Veröffentlichung an die Mitgliedstaaten übermittelt,
um etwaige Unstimmigkeiten in technischen Fragen (z.B. in Bezug auf die der Analyse zu Grunde gelegten Daten) frühzeitig
auszuräumen.

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Auf Basis dieser Dokumente erstellt die Europäische Kommission in weiterer Folge einen
Vorschlag für die länderspezifischen Empfehlungen des Rates, wobei die erste Empfehlung
die fiskalische Position und einen etwaigen Anpassungsbedarf auf Grundlage der Analyse der
Stabilitäts- und Konvergenzprogramme durch die Kommission miteinbezieht. Nach
Veröffentlichung            der     Empfehlungen           (üblicherweise         im     Mai)      beginnen       diverse
                                              18
Vorbereitungsgremien des Rates                     die länderspezifischen Empfehlungen zu diskutieren und
Stellungnahmen vorzubereiten, die im Juni in den Ratsformationen ECOFIN sowie EPSCO
gebilligt werden. An dieser Stelle können auch Änderungsvorschläge eingebracht werden,
über die in weiterer Folge abzustimmen ist. In der Praxis erfolgt dabei eine thematische
Zuteilung der einzelnen Teilkomponenten der länderspezifischen Empfehlungen zu den
jeweiligen          Ausschüssen.            Zu      Querschnittsthemen             finden       auch        gemeinsame
Ausschusssitzungen statt. In diesen Ausschusssitzungen können die Mitgliedstaaten
Änderungen zu den Empfehlungen vorbringen. Im einfachsten Fall stimmt die Kommission
diesen Änderungen zu, dann werden sie in der Folge einfach im Gesamtpaket
mitbeschlossen.19 Stimmt die Kommission nicht zu, muss die Änderung von einer qualifizierten
Mehrheit im Rat unterstützt werden. Außerdem gilt das „comply or explain“-Prinzip, d.h. der
Mitgliedstaat muss eine Erklärung zu der gewünschten Änderung abgeben, die
gegebenenfalls als Anlage mit den Empfehlungen zu veröffentlichen ist. Nach Abschluss
dieses Verfahrens werden die Empfehlungen im Juli zunächst vom Europäischen Rat gebilligt,
danach im Rat (ECOFIN) angenommen und schließlich im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Während das Europäische Semester in den ersten Jahren mit dem Beschluss der
länderspezifischen Empfehlungen durch den Rat endete,20 wurde es mit den 2013
beschlossenen Twopack-Maßnahmen für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets ab
2014 um einen zusätzlichen Schritt in Form der Übersichten über die Haushaltsplanung
(ÜHP) erweitert. Die Euro-Mitgliedstaaten übermitteln in ihren ÜHP jährlich bis zum
15. Oktober (jedoch nicht vor dem 1. Oktober) unter anderem ihre gesamtstaatliche
Haushaltsplanung für das kommende Jahr, den angestrebten Budgetsaldo, die zugrunde
gelegten Konjunkturannahmen sowie eine Darstellung der in Bezug auf die vom Rat
abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen beschlossenen bzw. geplanten Maßnahmen.

18
  In der Regel werden dabei die nachfolgenden Ausschüsse befasst: Wirtschafts- und Finanzausschuss, Ausschuss für
Wirtschaftspolitik, Beschäftigungsausschuss und Ausschuss für Sozialschutz.
19
  Dies ist z.B. regelmäßig, jedoch nicht ausschließlich, bei geringfügigen Änderungen in der Formulierung von Empfehlungen
bzw. deren Begründung der Fall, die die Aussage nicht wesentlich verändern.
20
     Damit lief das Europäische Semester ursprünglich insgesamt ungefähr über den Zeitraum eines halben Jahres.

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4    Die wesentlichen Akteure im Europäischen Semester

Im Europäischen Semester nehmen mehrere Institutionen wichtige Rollen ein, wobei die
Europäische Kommission wohl gemeinsam mit dem Rat der EU als zentraler Akteur im
Europäischen Semester bezeichnet werden kann. Sie legt dem Rat wesentliche Berichte, wie
den Jahreswachstumsbericht und den Warnmechanismus-Bericht, zum Beschluss vor, erstellt
die Länderberichte, auf deren Grundlage sie dem Rat die länderspezifischen Empfehlungen
vorschlägt, prognostiziert die Entwicklung der Konjunktur und der öffentlichen Haushalte und
beurteilt die Einhaltung der Fiskalregeln.

Der Rat der EU, insbesondere der ECOFIN, die Euro-Gruppe, in beschäftigungs- und
sozialpolitischen Bereichen der EPSCO sowie der Europäische Rat haben ebenfalls einen
wesentlichen Einfluss auf das Europäische Semester. Der Europäische Rat kann durch seine
Schlussfolgerungen Weichenstellungen in der politischen Ausrichtung der Europäischen
Union vorgeben. Im ECOFIN werden Beschlüsse hinsichtlich der länderspezifischen
Empfehlungen gefasst und diese können mit entsprechenden Mehrheitsbeschlüssen
gegenüber dem Vorschlag der Kommission abgeändert werden. Auch bei einem Verstoß
gegen die Fiskalregeln ist für die Verhängung von Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat ein
Beschluss des Rates notwendig.

Zusätzlich zu ihrer Rolle im Rat der EU wirken die nationalen Regierungen am Europäischen
Semester mit, indem sie an mehreren Punkten des Semesters Dokumente an Kommission
und Rat übermitteln, die eine wesentliche Grundlage für die im Rahmen des Europäischen
Semesters ausgesprochenen Empfehlungen und Stellungnahmen darstellen. Außerdem
finden im Herbst und im Frühjahr bilaterale Gespräche zwischen VertreterInnen der
Kommission und der nationalen Regierungen statt, bei denen aktuelle Herausforderungen
sowie beschlossene oder geplante Maßnahmen diskutiert werden und deren Ergebnisse in die
Analysen der Kommission einfließen.

Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente (siehe dazu auch den
nachfolgenden Abschnitt) haben im Normalfall keine Möglichkeit der direkten Mitwirkung an
den Beschlüssen, die im Rahmen des Europäischen Semesters gefasst werden. Das
Europäische Parlament erarbeitet jedoch Stellungnahmen21 zu den wesentlichen Dokumenten
und diskutiert diese regelmäßig mit der Kommission und dem Rat. Die nationalen Parlamente
beraten insbesondere die von der jeweiligen Regierung an Kommission und Rat übermittelten
Dokumente. Auch die von der Kommission vorgelegten Dokumente werden in einigen

21
  Vgl. z.B. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2018 zu dem Thema „Europäisches Semester für die
Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Jahreswachstumsbericht 2018“ (2017/2226(INI)), abgerufen am 6. Februar 2019.

                                                                                                           11 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Parlamenten diskutiert, Ausmaß und Ausgestaltung der Behandlung des Europäischen
Semesters unterscheiden sich jedoch zwischen den einzelnen Parlamenten deutlich.22

Die Europäische Kommission tritt im Laufe des Europäischen Semesters auch regelmäßig mit
weiteren Interessensträgern und Institutionen, wie z.B. mit ArbeitnehmerInnen- und
ArbeitgeberInnenorganisationen, Banken, Wirtschaftsforschungsinstituten, etc., in Kontakt.
Einerseits führt die Europäische Kommission im Vorfeld ihrer Wirtschaftsprognosen
regelmäßig Gespräche mit diesen Institutionen, bei denen auch wirtschafts- und
fiskalpolitische Herausforderungen behandelt werden. Andererseits informiert die Europäische
Kommission nach Veröffentlichung ihres Vorschlags für die länderspezifischen Empfehlungen
ausführlich über deren Hintergründe und holt dabei Rückmeldungen der Interessensträger ein.

22
     Vgl. dazu Hagelstam et al. (2018).

                                                                                     12 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

5       Das Europäische Semester im österreichischen Nationalrat

Mit der Einführung des Europäischen Semesters wurde auch das Ziel verfolgt, die nationalen
Parlamente zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung enger und frühzeitiger
miteinzubeziehen.23 In den Sixpack-Verordnungen wird etwa in VO (EU) 1175/2011 ErwG 16
gefordert, „die nationalen Parlamente umfassend in das Europäische Semester und die
Erstellung der Stabilitätsprogramme, der Konvergenzprogramme sowie der nationalen
Reformprogramme [einzubinden], um die Transparenz der sowie die Eigenverantwortung und
die Rechenschaftspflicht für die getroffenen Entscheidungen zu steigern“. Zusätzlich weist die
Europäische Kommission in ihren Berichten regelmäßig auf die Notwendigkeit einer
umfassenden Einbindung der nationalen Parlamente hin.24 Die Bedeutung einer umfassenden
und zeitnahen25 Einbeziehung der nationalen Parlamente ergibt sich auch aus dem Umstand,
dass die Ergebnisse des Europäischen Semesters in die nationale Budgetplanung einfließen
sollten, deren Beschluss eine wesentliche Kompetenz der nationalen Parlamente darstellt.26

Mit dem Inkrafttreten des Fiskalpakts (als Teil des SKS-Vertrags) im Jahr 2013 wurde die
Rolle der nationalen Parlamente im Europäischen Semester weiter ausgebaut, indem dieser
in Artikel 13 die Organisation einer gemeinsamen Konferenz von Vertretern der zuständigen
Ausschüsse des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zur Diskussion der
Haushaltspolitik und anderer vom Vertrag erfasster Angelegenheiten vorsieht.27 Auf Grundlage
dieses Artikels wurde im Herbst 2013 erstmalig eine interparlamentarische Konferenz über
Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU in Litauen abgehalten.
Ab dem Jahr 2014 fanden die Konferenzen im Halbjahresrhythmus unter Organisation des
jeweiligen Vorsitzlandes im Februar in Brüssel als Teil der parlamentarischen Woche sowie im
Herbst im Vorsitzland selbst statt.28

Im       österreichischen       Nationalrat      werden      Inhalte     des     Europäischen          Semesters        im
Budgetausschuss und – weniger regelmäßig – im Ständigen Unterausschuss in
Angelegenheiten der Europäischen Union behandelt. In einzelnen Jahren waren im Rahmen
des Europäischen Semesters vorgelegte Berichte außerdem Gegenstand von Plenardebatten

23
     Vgl. VO (EU) 1173/2011 ErwG 11 und VO (EU) 1175/2011 ErwG 11. Hyperlinks abgerufen am 6. Februar 2019.
24
  Vgl. z.B. Mitteilung der Kommission vom 21. November 2018: Jahreswachstumsbericht 2019: Für ein starkes Europa in Zeiten
globaler Ungewissheit (COM (2018) 770 final), S. 18, abgerufen am 6. Februar 2019.
25
  Als zeitnahe Einbindung wird dabei im Allgemeinen eine Befassung des Parlaments vor Übermittlung des jeweiligen Dokuments
an die Europäische Kommission bzw. an den Rat verstanden.
26
     Vgl. dazu auch Rasmussen (2018).
27
   Vgl. Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, Artikel 13, abgerufen am
6. März 2019.
28
  Ein Überblick über die bisher abgehaltenen Artikel-13-Konferenzen sowie über die behandelten Themen findet sich auf der
Plattform für interparlamentarischen Austausch in EU-Angelegenheiten IPEX (abgerufen am 6. März 2019).

                                                                                                                   13 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

(siehe unten). Zusätzlich besucht zumindest einmal im Jahr eine Delegation der Europäischen
Kommission das österreichische Parlament, um die Abgeordneten auf Grundlage des
Länderberichts bzw. der länderspezifischen Empfehlungen über ihre Einschätzungen zu
informieren und diese mit den Abgeordneten zu diskutieren.

Die Bundesregierung legt dem Budgetausschuss jährlich das Nationale Reformprogramm,
das Stabilitätsprogramm und die Übersicht über die Haushaltsplanung vor. Während die
Ausschussbehandlung des Stabilitätsprogramms bis 2016 erst Anfang Mai und damit nach der
Übermittlung an die Kommission stattfand, wurde das Programm in den Jahren 2017 und 2018
bereits früher vorgelegt und noch im April im Ausschuss beraten. Im Jahr 2017 wurde das
Stabilitätsprogramm außerdem im Ausschuss nicht enderledigt und somit im Plenum
diskutiert.29 Das Nationale Reformprogramm wurde in den vergangenen Jahren im Mai,
teilweise jedoch auch erst im Juni oder Juli im Budgetausschuss behandelt. Die Behandlung
fand damit jeweils erst nach der Übermittlung an Kommission und Rat statt.30 Auch die
Übersicht über die Haushaltsplanung wurde regelmäßig erst zum Zeitpunkt der Übermittlung
an die EU-Institutionen dem Nationalrat vorgelegt und daher erst nach dieser Übermittlung,
jedoch in der Regel vor dem Beschluss des Bundesfinanzgesetzes, im Budgetausschuss
beraten.

Im Gegensatz zu den von der Regierung im Rahmen des Europäischen Semesters
vorzulegenden Berichten werden die auf europäischer Ebene erstellten Dokumente (v.a.
Jahreswachstumsbericht, Warnmechanismus-Bericht, Länderberichte, länderspezifische
Empfehlungen) nicht regelmäßig im Nationalrat behandelt, insbesondere in den ersten Jahren
nach der Einführung des Europäischen Semesters wurden sie jedoch teilweise im Ständigen
Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union (Jahreswachstumsbericht:
2013, 2014, 2015; länderspezifische Empfehlungen: 2013) und im Plenum (länderspezifische
Empfehlungen und Jahreswachstumsbericht im Jahr 2013) diskutiert.

29
   Die frühere Behandlung des Stabilitätsprogrammes im Jahr 2017 und die diesbezügliche Plenardebatte standen im
Zusammenhang mit der zunächst vorübergehenden gesetzlichen Änderung des Termins zur Vorlage des Bundesfinanzrahmens,
der bis 2016 im Frühjahr zumeist gleichzeitig mit dem Stabilitätsprogramm vorgelegt wurde und nunmehr zeitgleich mit dem
Budget vorzulegen ist. Im Jahr 2018 wurde das Stabilitätsprogramm gemeinsam mit der aufgrund der Neuwahlen ins Frühjahr
verlegten Budgetvorlage im März an den Nationalrat übermittelt.
30
  Im Jahr 2016 wurde das Nationale Reformprogramm im Budgetausschuss nicht enderledigt und daher in einer Plenardebatte
behandelt.

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EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

6    Analysen des Budgetdienstes zum Europäischen Semester

Der Budgetdienst erstellt regelmäßig Analysen zu den wesentlichen Entwicklungen und
Berichten im Europäischen Semester.31 Dies betrifft insbesondere die im Budgetausschuss
behandelten Berichte der Regierung (Nationales Reformprogramm, Stabilitätsprogramm,
Übersicht über die Haushaltsplanung). Zu Beginn des Europäischen Semesters nimmt der
Budgetdienst außerdem die Veröffentlichung des Herbstpakets der Europäischen Kommission
zum Anlass, um einen Überblick über das anlaufende Europäische Semester zu geben und
über die wesentlichen Inhalte des Pakets (u.a. Jahreswachstumsbericht, Warnmechanismus-
Bericht) bzw. über etwaige neue Initiativen der Kommission zu informieren.

Die Analysen des Budgetdienstes beschränken sich im Allgemeinen nicht auf die einzelnen
Berichte, sondern verschränken diese mit anderen im Budgetausschuss behandelten
Gegenständen (z.B. Bericht über die öffentlichen Finanzen, nationale Budgetdokumente) oder
stellen sie in den Kontext anderer im Rahmen des Europäischen Semesters veröffentlichter
Dokumente. So stellen die Informationen im Stabilitätsprogramm und in der Übersicht über
die Haushaltsplanung etwa eine wichtige Grundlage für die Analyse der vom BMF geplanten
gesamtstaatlichen Haushaltsentwicklung sowie für die Beurteilung der Einhaltung der
Fiskalregeln dar. Die Analysen zu diesen Dokumenten bieten daher die Möglichkeit,
technische Konzepte wie die Unterschiede zwischen dem Bundeshaushalt in administrativer
Darstellung und dem Bundessektor bzw. dem Gesamtstaat in der Systematik der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die jeweils relevanten Fiskalregeln sowie die
zugrundeliegenden Konzepte (z.B. strukturelles Defizit, Produktionspotenzial, Output-Lücke,
Einmalmaßnahmen, Stock-Flow-Adjustments) zu erläutern und die Planung des BMF in
Verbindung mit den Einschätzungen der Europäischen Kommission und des Fiskalrates zur
fiskalischen Entwicklung und zur Einhaltung der Fiskalregeln darzustellen.

Bei der Analyse des Nationalen Reformprogramms stellt der Budgetdienst auch die
wesentlichen Einschätzungen der Europäischen Kommission gemäß dem Länderbericht und
den länderspezifischen Empfehlungen dar. So lassen sich Gemeinsamkeiten und
Unterschiede in den von der Kommission identifizierten strukturellen Herausforderungen und
den von der Regierung durchgeführten und geplanten Maßnahmen und Reformprioritäten
identifizieren.

31
    Ein Überblick der zum Europäischen Semester erstellten Analysen des Budgetdienstes   findet   sich   unter
https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/EUROPAEISCHERRAHMEN/, abgerufen am 17. März 2019

                                                                                                    15 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Im Jahr 2013 verfasste der Budgetdienst außerdem auf Anfrage der Abgeordneten der Grünen
Fraktion im Budgetausschuss eine Kurzstudie zur Rolle der nationalen Parlamente im
Europäischen Semester, in der ein Überblick über das Europäische Semester im Allgemeinen
und insbesondere über die Mitwirkung der nationalen Parlamente von Dänemark,
Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Schweden im Europäischen Semester
gegeben wurde.32

Der Budgetdienst steht im Kontext des Europäischen Semesters auch im regelmäßigen
Austausch mit anderen Institutionen. Auf nationaler Ebene betrifft dies insbesondere den
Fiskalrat, in dem der Budgetdienst mit beratender Stimme vertreten ist. Der Budgetdienst
nimmt außerdem regelmäßig an den von der Vertretung der Europäischen Kommission in
Österreich abgehaltenen Informationsveranstaltungen zum Europäischen Semester teil. Auf
europäischer Ebene veranstaltet das Europäische Parlament regelmäßig Workshops und
Seminare zu Themen des Europäischen Semesters, die unter anderem das Ziel einer
stärkeren inhaltlichen und fachlichen Vernetzung der nationalen Parlamente und des
Europäischen Parlaments in Fragen des Europäischen Semesters haben und an denen auch
VertreterInnen der Europäischen Kommission, des Europäischen Fiskalrats und anderer am
Europäischen Semester beteiligter Institutionen teilnehmen. Der Budgetdienst steht zudem in
Kontakt mit den für Österreich zuständigen LänderreferentInnen der Europäischen
Kommission, die insbesondere im Rahmen ihrer Länderbesuche im Vorfeld der Erstellung der
Kommissionsprognose bzw. der länderspezifischen Empfehlungen regelmäßig auch die
Einschätzungen des Budgetdienstes einholen.

32
     Vgl. Budgetdienst (2013).

                                                                                    16 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

7       Die länderspezifischen Empfehlungen
Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, existiert das Instrument der
länderspezifischen Empfehlungen grundsätzlich bereits seit Ende der 1990er-Jahre, mit der
Einführung des Europäischen Semesters ab dem Jahr 2011 wurden die länderspezifischen
Empfehlungen jedoch um weitere Aspekte ausgeweitet und gewannen zusätzlich an
Bedeutung und Aufmerksamkeit. Ziel der länderspezifischen Empfehlungen ist es, für jeden
Mitgliedstaat sowie für das Euro-Währungsgebiet insgesamt die aus Sicht der Kommission
bzw. des Rates dringlichsten Herausforderungen zu identifizieren und damit Handlungsfelder
für Strukturreformen und fiskalpolitische Maßnahmen in den nächsten 12 bis 18 Monaten
vorzugeben.33 Dabei lassen sich drei Bereiche unterscheiden, auf die sich die
länderspezifischen Empfehlungen beziehen:34

        Die Überwachung der im Rahmen des SWP vorgesehenen Fiskalregeln. Die zur
            Einhaltung der Fiskalregeln empfohlenen haushaltspolitischen Maßnahmen bilden
            stets den ersten Teil der länderspezifischen Empfehlungen.

        Auf Grundlage des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten erhalten
            Mitgliedstaaten,          bei       denen   potenzielle     makroökonomische              Ungleichgewichte
            festgestellt wurden, Empfehlungen für die Beseitigung der diesbezüglichen Risiken.

        Empfehlungen              zu    allgemeinen      wirtschafts-        und      beschäftigungspolitischen
            Herausforderungen und Strukturproblemen werden auf Basis der integrierten
            Leitlinien35 (siehe auch Abschnitt 2) abgegeben, die auch die Grundlage für die
            Nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten darstellen. Die integrierten Leitlinien
            bilden die Basis der wirtschaftspolitischen Koordinierung der EU-Mitgliedstaaten und
            zielen auf die Umsetzung der EU-2020-Ziele ab.36

33
  Vgl. z.B. Mitteilung der Kommission vom 7. Juni 2011: Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung
der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012 (KOM (2011) 400 endg.), abgerufen am 6.
Februar 2019.
34
     Vgl. Hradiský, M. und Ciucci, M. (2018).
35
   Die integrierten Leitlinien verbinden seit 2005 die Empfehlung des Rates über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der
Mitgliedstaaten (Artikel 121 AEUV) und der Union und die beschäftigungspolitischen Leitlinien (Artikel 148 AEUV). Während die
Grundzüge der Wirtschaftspolitik auf unbestimmte Zeit beschlossen werden (zuletzt Empfehlung (EU) 2015/1184 des Rates vom
14. Juli 2015, abgerufen am 6. Februar 2019), müssen die beschäftigungspolitischen Leitlinien (zuletzt Beschluss (EU) 2018/1215
des Rates vom 16. Juli 2018, abgerufen am 6. Februar 2019) jedes Jahr neu beschlossen werden. Insgesamt bestehen die
integrierten Leitlinien aus vier allgemeinen wirtschaftspolitischen und vier beschäftigungspolitischen Grundsätzen.
36
     Vgl. dazu z.B. Forgacs (2015).

                                                                                                                      17 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Ausgestaltung und Aufbau der länderspezifischen Empfehlungen waren im Laufe der Zeit
bedeutenden Veränderungen unterworfen, wobei die Anzahl der länderspezifischen
Empfehlungen und der darin enthaltenen Teilkomponenten deutlich reduziert wurde und
weniger konkrete Handlungsempfehlungen aufgenommen wurden.

Während nach Einführung des Europäischen Semesters noch bis zu 8 Empfehlungen je
Mitgliedstaat abgegeben wurden, reduzierte die Europäische Kommission die Anzahl der
Empfehlungen ab 2015 im Rahmen einer Straffung37 des Europäischen Semesters deutlich
und fokussierte diese stärker auf die in den integrierten Leitlinien angesprochenen
Politikbereiche. Außerdem ging sie dazu über, weniger konkrete Handlungsempfehlungen
abzugeben, sondern eher allgemeine Problemlagen zu identifizieren und die Wahl der konkret
zu ergreifenden Maßnahmen stärker den Mitgliedstaaten zu überlassen. Die einzelnen
Empfehlungen setzen sich meist aus mehreren Sub-Komponenten zusammen, deren Anzahl
ab 2015 ebenfalls deutlich reduziert wurde. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass die
durchschnittliche Anzahl an abgegebenen Empfehlungen je Mitgliedstaat zwischen 2013 und
2017 von rd. 6 Empfehlungen auf knapp 3 Empfehlungen zurückgegangen ist. Die Anzahl der
Sub-Komponenten             reduzierte       sich     im     gleichen       Zeitraum        von     über      20     auf
rd. 8 Teilempfehlungen im Jahr 2017. In Österreich fiel die Reduktion mit einem Rückgang von
7 auf nunmehr 2 Empfehlungen noch etwas stärker aus als im EU-Durchschnitt. Die Anzahl
der Sub-Komponenten ging von 16 auf 7 zurück.

Grafik 2:        Anzahl der abgegebenen Empfehlungen und Sub-Komponenten

       Durchschnitt EU-Mitgliedstaaten                                                   Österreich

Quelle: The Country Specific Recommendations Database der Economic Governance Support Unit des Europäischen Parlaments
(Stand: 10. September 2018), abgerufen am 6. Februar 2019.

37
  Eine Beschreibung der 2015 vorgenommenen Straffung findet sich z.B. in der Mitteilung der Kommission vom 13. Mai 2015:
Europäisches Semester 2015: Länderspezifische Empfehlungen (COM (2015) 250 final). Informationen zur weiteren Straffung im
Jahr 2016 sind der Mitteilung der Kommission vom 18. Mai 2016: Europäisches Semester 2016: Länderspezifische Empfehlungen
(COM 2016) 321 final) zu entnehmen. Hyperlinks abgerufen am 6. Februar 2019.

                                                                                                                 18 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Die Europäische Kommission nimmt jeweils im Länderbericht eine Beurteilung der
Umsetzung der im vergangenen Jahr ausgesprochenen länderspezifischen Empfehlungen
vor. Seit dem Jahr 2013 bewertet sie dabei den Grad der Umsetzung für jede Empfehlung
sowie für die einzelnen Sub-Komponenten anhand einer fünfstufigen Skala. Für diese
Beurteilung        wird     folgendes       Bewertungsschema               herangezogen:            „keine     Fortschritte“,
„begrenzte Fortschritte“, „einige Fortschritte“, „substanzielle Fortschritte“, „vollständig
umgesetzt“.38 Anhand dieser Einteilung wird nachfolgend die von der Europäischen
Kommission vorgenommene Beurteilung der Umsetzung der an die EU-Mitgliedstaaten in den
Jahren       2013         bis    2017       abgegebenen            länderspezifischen            Empfehlungen             nach
Sub-Komponenten dargestellt.

Grafik 3:         Beurteilung der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen in den
                  EU-Mitgliedstaaten nach Sub-Komponenten in den Jahren 2013 bis 2017

 Keine Fortschritte                      Begrenzte Fortschritte               Einige Fortschritte            Substanzielle Fortschritte
 Vollständig umgesetzt

Anmerkung 1: Für das Jahr 2011 liegen keine systematischen Bewertungen des Umsetzungsfortschrittes vor. Für das Jahr 2012
wurden bei 29,0 % der Empfehlungen keine oder begrenzte Fortschritte, bei 59,4 % einige Fortschritte und bei 11,6 %
substanzielle Fortschritte oder eine vollständige Umsetzung festgestellt. Die Kategorisierung erfolgte jedoch noch nicht nach der
ab 2013 verwendeten Systematik.

Anmerkung 2: Die Grafiken bilden die ungewichteten Anteile an den insgesamt abgegebenen Teilempfehlungen
(Sub-Komponenten) ab. Dadurch haben Länder mit einer höheren Anzahl an Teilempfehlungen einen stärkeren Einfluss auf die
angeführten Prozentsätze.

Quelle: The Country Specific Recommendations Database der Economic Governance Support Unit des Europäischen Parlaments
(Stand: 10. September 2018), abgerufen am 6. Februar 2019.

38
   Zuvor kamen weniger Beurteilungsstufen zur Anwendung und es wurde keine Einzelbewertung der Sub-Komponenten
vorgenommen.

                                                                                                                        19 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Gemäß Einschätzung der Kommission machten die Mitgliedstaaten bei den meisten
Empfehlungen             „begrenzte       Fortschritte“      oder   „einige    Fortschritte“.    Der    Anteil   an
Sub-Komponenten, bei denen „keine Fortschritte“ festgestellt wurden, war im Jahr 2014 mit
14,8 % am höchsten und ging bis 2017 auf 8,8 % zurück, gleichzeitig stieg jedoch der Anteil
der Teilempfehlungen mit „begrenzten Fortschritten“ deutlich von 32,7 % auf 45,2 % an.
Schließlich         kam     es     auch     zu    einer     kontinuierlichen    Reduktion       des    Anteils   der
Sub-Komponenten mit „substanziellen Fortschritten“ und für die Jahre 2016 und 2017 wurden
keine Empfehlungen mehr als „vollständig umgesetzt“ bewertet.

Der relativ geringe Umsetzungsgrad der länderspezifischen Empfehlungen ist auch eine Folge
des relativ kurzen Zeitraums von ca. 8 Monaten zwischen der Erstellung der Empfehlungen
und der Evaluierung ihrer Umsetzung in den Länderberichten des darauffolgenden Jahres.39
Daher werden die Länderberichte seit dem Jahr 2017 um eine Beurteilung der mittelfristigen
Umsetzung der Empfehlungen ergänzt, wobei die Bewertung hier deutlich weniger feingliedrig
ist und sich im Wesentlichen auf grobe Politikbereiche beschränkt. Gemäß dieser
mittelfristigen Betrachtungsweise haben die Mitgliedstaaten in den Jahren 2011 bis 2018 in
Bezug auf mehr als zwei Drittel der an sie gerichteten Empfehlungen zumindest „einige
Fortschritte“ erzielt.40
Die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen lässt noch keine Rückschlüsse über die
Wirksamkeit des Instruments im Allgemeinen zu. Es ist durchaus möglich, dass die
Maßnahmen vollkommen unabhängig von den Empfehlungen ergriffen werden, z.B. wenn eine
nationale Regierung ein von der Kommission identifiziertes Strukturproblem ebenfalls als
zentrale Herausforderung ansieht. Tatsächlich dürfte dies ein wesentlicher Hintergrund für die
Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen sein. In diesem Zusammenhang versucht die
Kommission regelmäßig durch Informationsveranstaltungen und Feedback-Runden nationale
Entscheidungs- und Interessensträger von der Notwendigkeit der von ihr vorgeschlagenen
Reformen zu überzeugen und damit die Eigenverantwortung (engl. Ownership) für die
länderspezifischen Empfehlungen zu erhöhen, also zu erreichen, dass die Mitgliedstaaten die
Ziele der Empfehlungen zu ihren eigenen machen. Eine jedenfalls zulässige Interpretation des
Umsetzungsgrades der länderspezifischen Empfehlungen ist, dass dieser das Ausmaß
anzeigt, zu welchem die Mitgliedstaaten Reformmaßnahmen in den von der Kommission
identifizierten wesentlichen Problembereichen ergreifen.

39
     Vgl. Hradiský und Ciucci (2018) und Capella-Ramos (2018).
40
   Vgl. Mitteilung der Kommission vom 7. März 2018: Europäisches Semester 2018: Bewertung der Fortschritte bei den
Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden
Überprüfungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 (COM (2018) 120 final), abgerufen am 6. Februar 2019.

                                                                                                             20 / 38
EUROPÄISCHES SEMESTER – LÄNDERSPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

8     Entwicklung und Umsetzung der länderspezifischen

      Empfehlungen für Österreich

8.1    Überblick
In diesem Abschnitt wird eine vertiefende Analyse der seit Einführung des Europäischen
Semesters an Österreich abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen sowie der
Umsetzung der Empfehlungen gemäß dem jeweils im Folgejahr veröffentlichten Länderbericht
vorgenommen. Das ebenfalls in den Länderberichten enthaltene Monitoring der Erreichung
der EU2020-Ziele wird hier nicht dargestellt.41 Die nachfolgende Grafik stellt die Beurteilung
der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen in Österreich nach Sub-Komponenten
anhand der Länderberichte der Europäischen Kommission dar.

Grafik 4:        Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen (Sub-Komponenten) der Jahre
                 2013 bis 2018 für Österreich

 Keine Fortschritte                    Begrenzte Fortschritte           Einige Fortschritte         Substanzielle Fortschritte
 Vollständig umgesetzt

Quellen: The Country Specific Recommendations Database der Economic Governance Support Unit des Europäischen
Parlaments (Stand: 10. September 2018), abgerufen am 6. Februar 2019; Bewertungen für 2018 auf Basis des Länderberichtes
für Österreich 2019 (Europäische Kommission, 2019).

Wie die Grafik zeigt, hat Österreich im Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der
länderspezifischen Empfehlungen und des Länderberichtes in den Jahren 2013 bis 2017 bei
14 % bis 25 % der Sub-Komponenten „keine Fortschritte“ gemacht. Dieser Anteil lag im
Betrachtungszeitraum über den Werten auf EU-Ebene (siehe vorangegangener Abschnitt). In

41
  Eine Analyse der bisherigen Einhaltung der EU2020-Ziele findet sich in Budgetdienst (2018) - Nationales Reformprogramm
2018 und Einhaltung der Fiskalregeln, abgerufen am 6. Februar 2019.

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