Bahntechnische Ausrüstung des Rosshäuserntunnels: Alles in Einem - mondaycoffee
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Sonderdruck aus EI – EISENBAHNINGENIEUR – 11 / 2017, November 2017 planen und bauen
Eine Publikation der DVV Media Group – www.dvvmedia.com
Bahntechnische Ausrüstung des
Rosshäuserntunnels: Alles in Einem
Ein Auftragnehmer, eine Kollaborationsplattform: Die bahntechnische Ausrüstung
des Rosshäuserntunnels in der Schweiz hat einige Premieren vorzuweisen.
Roland Kugler | Lukas Baumgartner | Etappe des Doppelspurausbaus der Bahnli- dem Projekt betritt die BLS nicht nur im Stre-
André Schweizer nie zwischen Bern und Neuchâtel (Abb. 1). Er ckenverlauf neue Wege. Erstmals wurde der
ersetzt den bestehenden kurvenreichen Ab- Bahntechnik-Auftrag öffentlich ausgeschrie-
schnitt mitsamt dem sanierungsbedürftigen ben und in eine Hand vergeben. Und erstmals
Mit dem Neubau des Rosshäuserntunnels Einspurtunnel. Die neue Doppelspurstrecke erfolgt die Abwicklung auf einer einzigen, um-
im schweizerischen Kanton Bern beschrei- verkürzt die Fahrzeit und bildet die Voraus- fassenden Online-Plattform. Damit haben die
tet die BLS neue Wege: Zum einen hat das setzung für künftige Angebotsverbesserun- Beteiligten die Weichen gestellt für eine neue
aus der Berner Alpenbahngesellschaft gen der BLS, die als Bauherr auftritt. Seit dem Art der Zusammenarbeit und eine umfassende
Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) ent-stande Durchschlag Mitte 2015 ist der Innenausbau Art und Weise, wie Projekte abgewickelt wer-
ne Bahnunternehmen erstmals einen Bahn- des Tunnels in vollem Gange. Der Rohbau wur- den können.
technikauftrag für ein Vorhaben dieser de Mitte 2017 abgeschlossen. In den kommen-
Größenordnung an nur einen Auftrag- den neun Monaten werden Fahrbahn (Schot- Alles in Einem, eins:
nehmer vergeben. Zum anderen arbeiten ter, Schienen, Schwellen), Fahrleitungen sowie Organisationsstruktur
Bauherr und Bauträger bei der Projektab- sämtliche Kontroll- und Sicherheitssysteme im Die Rhomberg Sersa Rail Group wird mit ihren
wicklung, ebenfalls zum ersten Mal, über Tunnel eingebaut – alles von der Rhomberg Unternehmungen Rhomberg Bahntechnik
alle Ebenen hinweg gemeinschaftlich auf Sersa Rail Group, die bei dem Projekt als Ge- GmbH, Sersa Group AG, Sersa Maschineller
einer einzigen, umfassenden Kollabora samtunternehmer auftritt. Im Herbst 2018 soll Gleisbau AG und Sersa Technik AG von der
tionsplattform. Das Zwischenfazit: Sowohl die Inbetriebnahme erfolgen. Baulogistik über den Einbau der Fahrbahn
die strukturellen als auch die technischen Mit den veranschlagten rund 10,5 Mio. CHF und der bahntechnischen Ausrüstung bis hin
Neuerungen fordern einen Kulturwandel in zählt die bahntechnische Ausrüstung des Bau- zu den Innenausbauten sämtliche Leistungen
der Art der (Zusammen-)Arbeit. Die Vortei- werks sicher zu den kleineren Aufträgen in der verantworten – wie erwähnt eine Premiere:
le sind aber überzeugend. Branche – obwohl allein für die Fahrbahn pro Noch nie zuvor wurde bei der BLS ein Ausrüs-
Meter rund 6 t Schotter, 4 m Schienen und drei tungsprojekt dieser Größe als Bahntechnikauf-
Schwellen verbaut werden, insgesamt also trag an nur einen Anbieter vergeben.
Das Projekt rund 15 000 t Material oder 300 vollgeladene Der Auftragsvergabe vorausgegangen sind
Der 2,1 km lange Tunnel bildet das Kernstück Eisenbahnwagen mit einer Gesamtlänge von interne Überlegungen bei der BLS, durch
der Neubaustrecke Rosshäusern – Mauss, einer knapp 4 km. Aber sie hat es in sich. Denn mit eine Gesamtvergabe eine Prozess- und damit
Abb. 1: Der 2,1 km lange Tunnel bildet das Kern-
stück der Neubaustrecke Rosshäusern – Mauss.
Grafik: BLS
Sonderdruck aus EI | NOVEMBER 2017 1
planen und bauen
das Projektorganigramm um eine übergeord-
nete Managementebene erweitert, auf der
die Gesamtkoordination abgewickelt wurde
(Abb. 2). Sämtliche Entscheidungen, die Aus-
wirkungen auf den Terminplan oder die Kos-
ten haben, müssen hier getroffen werden,
fachliche Entscheidungen verbleiben auf der
Ebene der einzelnen Lose. Erfahrungen hierzu
hatte die BLS zwar bereits beim Großprojekt
Lötschbergtunnel sammeln können, für die
vorliegende Projektgröße ist es aber neu. Der
Rosshäuserntunnel ist auf die Bahntechnik he-
runtergebrochen nicht außergewöhnlich, son-
dern vielmehr vergleichbar mit einer Vielzahl
von Bahnhofsumbauten, Streckenneubauten
oder eben Tunnelausstattungen. Vorgabe in
der Ausschreibung war, dass der Auftragneh-
mer einen Ansprechpartner für die Gesamtko-
ordination garantieren muss. Hinzu kamen die
Qualifikationen der Schlüsselpersonen und die
Referenzen des anbietenden Unternehmens,
und zwar für jedes der einzelnen Leistungslo-
se. Ein wesentlicher Aspekt der neuen Aufga-
benstellung war die Antwort auf die Fragen,
ob die Angebotsleger die Aufgabe richtig
verstanden hatten und Kosten und Terminpla-
nung realistisch veranschlagt wurden.
Ein Nachteil dieser Vergabepraxis ist es, dass
an der einen oder anderen Stelle Kompromis-
se eingegangen werden müssen. Nicht bei al-
Abb. 2: Das Organigramm des Projekts „Rosshäuserntunnel“. Die Vergabe an einen einzigen len Leistungslosen ist der gleiche Anbieter die
Anbieter und die Einführung einer übergeordneten Organisationsebene führten zu einer Nummer eins. Die BLS hat diese Herausforde-
Prozess- und damit Kostenoptimierung. rung dahingehend gelöst, dass Mindestanfor-
derungen definiert wurden, die für jedes Los
erfüllt sein mussten. Zur Auswahl kamen die
Kostenoptimierung zu erreichen. Bislang war verantwortlich zeichnete. In der Regel fiel es Angebote, bei denen jedes einzelne Los diese
die Tätigkeit so geregelt, dass die Projekte auf dem Verantwortlichen für das größte Los zu, Einstiegshürde genommen hatte. Das qualita-
der Fachebene abgewickelt wurden, jeder die Koordinationsarbeiten zu übernehmen. tiv beste Angebot mit dem besten Preis-Leis-
also für die Systeme und die Beschaffungen Für den Auftrag „Rosshäuserntunnel“ wurde tungsverhältnis erhielt den Zuschlag.
Einen weiteren Nachteil, der allerdings kaum
ins Gewicht fällt, gibt es beim zeitlichen Ablauf
in der Planung: Einzelne Fachbereiche müssen
aufgrund des „Gesamtpakets“ Aufträge zu einem
Zeitpunkt ausschreiben bzw. Angebote zu ei-
nem Zeitpunkt legen, zu dem sie normalerweise
noch lange nicht aktiv werden würden – beim
Rosshäuserntunnel bspw. rund drei Jahre vor der
tatsächlichen Ausführung der Leistung. Eventu-
elle Preisänderungen, technische Fortschritte
etc. lassen sich so natürlich nicht einkalkulieren.
Im Gegenzug gibt es allerdings sehr früh eine
ungewohnte Klarheit über das gesamte Projekt.
Das erleichtert die Gesamtkoordination. Insbe-
sondere zwingt dieses Vorgehen dazu, sich früh-
zeitig mit den Anforderungen an den Rohbau zu
befassen. Da die Innovationszyklen im Bahnbe-
reich eher langsam ablaufen, sind die Nachteile
einer verfrühten Vergabe kaum relevant.
Die Vorteile überwiegen daher eindeu-
tig. Informationen werden kanalisiert und
über die Koordinierungsstelle punktgenau
aus den Fachbereichen eingesammelt und
weiterverteilt. Die Gesamtprojektleiter auf
Bauherren- und Auftragnehmer-Seite ha-
Abb. 3: Dank der Entscheidung, die Fahrbahn erst am Schluss zu realisieren, können viele ben jederzeit den Überblick und können
Arbeiten im und am Tunnel parallel abgewickelt werden. alle anstehenden Aufgaben und auftreten-
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planen und bauen
den Herausforderungen schnell und un-
bürokratisch regeln. Fehlplanungen und
kostspielige, nachträgliche Änderungen
werden vermieden. Einsparungen gibt es
auch im Bereich der BLS-Eigenleistungen.
Durch die umfassende, vorausschauende
Planung fallen etliche Logistikdienstleistun-
gen, Koordinationsaufgaben oder auch die
Bereitstellung von Ressourcen weg. Zudem
sorgt dieser umfassende Überblick sogar
für Prozessverbesserungen und Synergie-
effekte auf beiden Seiten. Ein Beispiel: Bei
Eisenbahntunneln wird traditionell nach
dem Rohbau als Erstes die Gleisfahrbahn
erstellt. Anschließend erfolgen alle Monta-
gen schienengebunden auf und rund um
die Fahrbahn. Beim Rosshäuserntunnel wur-
de dieser Ablauf auf den Kopf gestellt: Das
Gleis kommt als Letztes. Die bahntechnische
Ausstattung erfolgt nun straßengebunden,
und: Straßenlogistik ist immer flexibler als Abb. 4: Die Startseite des Projekts „Rosshäuserntunnel“ in MyNet: Das Onlinetool erleichtert die
Schienenlogistik – können sich doch bei- Koordination und Abwicklung spürbar.
spielsweise Straßenfahrzeuge im Tunnel
überholen, Schienenfahrzeuge jedoch nicht
(Abb. 3). Zudem laufen etliche Arbeiten pa- und transparentem Handeln zu gestalten. Mit den zusätzlich integrierten Funktionen
rallel, einzelne Infrastrukturen und techni- Die bislang für den Informationsaustausch für die Abwicklung von Sitzungen sowie das
sche Räume können so schneller an die BLS und als Ablagesystem intern wie auch mit Führen von Arbeitslisten und noch unerle-
übergeben werden. Durch diese Umstellung externen Partnern verwendeten E-Mails und digten Vorgängen werden Medienbrüche
des Einbaufahrplans wurden also klare Vor- Papiere werden somit stark reduziert. Alles vermieden und es gehen weniger Informati-
teile für Auftraggeber und -nehmer erzielt. findet auf der Plattform statt. E-Mails dienen onen verloren. Auch Home Office bzw. mobi-
Rhomberg Sersa konnte in diesem Beispiel vor allem noch dazu, direkte Links auf Doku- les Arbeiten wird damit einfacher. Insgesamt
einzelne Aufgaben aus dem ursprünglichen mente auf Sharepoint zu verschicken. sind die Koordination und die Organisation
Rohbau-Projekt in das eigene Auftragsvolu- Die Koordination und die Projektleitung wer- derart komplexer Projekte spürbar erleich-
men übernehmen, so dass Kostenoptimie- den dadurch deutlich vereinfacht. Ein wei- tert worden. Auch weit größere und noch
rungen entstanden. terer Vorteil ist die Aktualität der Informa- komplexere Vorhaben werden davon profi-
tionen. Alle haben jederzeit Zugriff auf den tieren. Zudem wird durch das gemeinsame
Alles in Einem, zwei: aktuellen Stand. Sämtliche Rückmeldungen und für alle sichtbare und nachvollziehbare
Kommunikationsplattform und Änderungen können so nachvollziehbar Arbeiten tatsächlich ein Gemeinschaftsge-
Schon zum Start des Rosshäusern-Projekts eingepflegt werden. Bei Besprechungen auf fühl aller Projektbeteiligter erreicht. Für die
stand mit OwnCloud eine interaktive, di- der Baustelle kann man Detailplanungen in operativen Tätigkeiten und den Ablauf der
gitale Plattform zur Verfügung, über die Echtzeit auf dem Smartphone oder Laptop Arbeiten ist das ganz sicher ein Vorteil.
zusammengearbeitet werden konnte. Die ansehen – nur bei ganz großen Plänen sto- Die Verantwortung des Projektleiters und
Zusammenarbeit beschränkte sich dabei ßen die Darstellungsmöglichkeiten auf den auch jedes einzelnen der involvierten Mit-
allerdings vornehmlich auf einen verein- mobilen Geräten leider noch an die Grenzen. arbeiter bekommt einen hohen Stellenwert.
fachten Datenaustausch. Um die Zusam-
menarbeit zwischen allen Projektbeteiligten
der BLS und der Rhomberg Sersa Rail Group Abb. 5: Blick in die
intern, untereinander sowie mit Subs, Liefe- Zukunft: Das Ost-
ranten und Partnern überall und jederzeit portal des Rosshäu-
ermöglichen zu können, hat der Auftragneh- serntunnels, wie es
mer seine Online-Unternehmensplattform nach Bauende im
„MyNet“ in das Projekt eingebracht (Abb. 4). Herbst 2018 ausse-
Das Netzwerk, das im Verlauf der Planungs- hen soll. Grafik: BLS
phase für den Rosshäuserntunnel entwickelt
und zur Einsatzreife vorangetrieben wurde,
basiert auf Sharepoint und vereint sämtli-
che Tools der internen und externen Kom-
munikation und des Projektmanagements
– vom Terminkalender und der Kalkulation
bis hin zu virtuellen Teammeetings oder
Filesharing. Damit gibt die Kollaborations-
plattform einen optimalen, strukturierten
Rahmen vor und erlaubt es den Anwendern
so, das professionelle Arbeiten auf Basis von
offener Kommunikation, freiem Fluss von
Wissen, vertrauensvoller Zusammenarbeit
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planen und bauen
Denn es ist ein anderes (Zusammen-)Arbei- Alles im Reinen? – Fazit ration, Koordination und Kommunikation
ten. Potenziell ist beispielsweise alles, was Für ein abschließendes Fazit ist es noch zu läuft.
auf MyNet eingestellt wird, auch direkt für früh – die Bauphase wird erst Ende 2018 abge- Voraussetzung ist allerdings ein Kulturwan-
alle einsehbar. Jedes Dokument muss daher schlossen sein (Abb. 5). Aktuell sind alle Betei- del bei den Unternehmen, die sich dieser
korrekt bezeichnet und abgelegt werden. ligten noch mehr oder weniger im Findungs- Herausforderung stellen wollen. Denn die
Kalkulationen und Finanzen andererseits und Veränderungsprozess. Daneben sind Zusammenarbeit wird transparenter, weni-
müssen codiert bzw. so abgelegt werden, einige weitere Punkte zu klären, beispielsweise ger hierarchisch und verantwortungsvoller.
dass nur bestimmte Nutzer Zugriff haben. die Frage, wie die Daten nach dem Projekten- Nicht jeder kann sich gleich schnell von ein-
Voraussetzungen sind also, dass die Projekt- de in die BLS-Welt zurückfließen werden. gefahrenen und immer ja auch bewährten
leiter einen klaren Rahmen vorgeben, was Dennoch steht bereits heute fest: BLS und Vorgehensweisen trennen und sich auf Neu-
wie abzulegen und zu behandeln ist, und Rhomberg Sersa sind sehr gut unterwegs es einlassen. Daher ist ein sanfter, schrittwei-
dass alle Kolleginnen und Kollegen, die auf und die positiven Erfahrungen überwie- ser Wandel nötig.
MyNet arbeiten, zuvor umfassend geschult gen klar. Die Zusammenarbeit ist einfacher, Keine Frage aber: Die Digitalisierung auch in
und sensibilisiert werden. Die Hardware vor effizienter und umfassender geworden. der Zusammenarbeit und eine zunehmende
Ort – Smartphone-Apps, iPads etc. – hinkt Es gibt auf jeder Seite lediglich einen An- Kollaboration sind Trends, die sich zweifellos
der Software leider noch etwas nach, die pa- sprechpartner, der die gesamte Koordina- weiter fortsetzen werden. Je früher sich die
pierlose Baustelle und die digitale Ausfüh- tion und die Gesamtverantwortung über- Bahnbranche daher auf diese Möglichkeiten
rung werden zumindest im Rosshäuserntun- und wahrnimmt. Und es gibt auch nur noch und diese neue Art zu arbeiten einlässt, des-
nel erst teilweise Realität. einen Kanal, über den die gesamte Kollabo- to besser ist das für alle Beteiligten.
Roland Kugler Lukas Baumgartner André Schweizer
Projektverantwortlicher stellv. Projektverantwortlicher Projektleiter
Rhomberg Bahntechnik GmbH, Rhomberg Bahntechnik GmbH, BLS Netz AG, CH-Bern
Niederlassung CH-Zürich Niederlassung CH-Zürich andre.schweizer@bls.ch
roland.kugler@rhombergrail.com lukas.baumgarnter@rhombergrail.com
Building for the future.
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