Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten

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Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Barack Obama
44. Präsident der Vereinigten Staaten
Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Mit seinen eigenen Worten
In diesem Auszug aus einer seiner Reden spricht     hatten mich schon immer inspiriert, aber als ich
Barack Obama über eine Zeit in seinem Leben, in     in der South Side eintraf, gab es keine Märsche
der er begann, „eine Welt jenseits meiner selbst“   und keine erhebenden Reden. Im Schatten eines
wahrzunehmen und über seinen Wunsch, eine           leer stehenden Stahlwerks gab es nur eine Men-
Kraft für den Wandel zu sein. Er hielt diese Rede   ge Menschen mit Schwierigkeiten. Und zunächst
bei einer Abschlussfeier der Wesleyan University    sind wir nicht besonders weit gekommen.

I
in Middletown (Connecticut) am 25. Mai 2008.
                                                    Ich erinnere mich noch gut an eines der ersten
       ch wurde in der Bewegung gegen das           Treffen, das wir organisierten, um mit einer
       Apartheid-Regime in Südafrika aktiv.         Gruppe führender Gemeindemitglieder über
       Ich begann, die Debatten über Armut und      Bandengewalt zu sprechen. Wir warteten und
       Gesundheitsfürsorge in unserem Land zu       warteten, dass jemand auftauchen würde, und
       verfolgen. Als ich meinen Abschluss am       schließlich betraten einige ältere Menschen den
College machte, war ich bessessen von einer ver-    Saal. Sie setzten sich. Eine kleine alte Frau hob
rückten Idee – dass ich auf Basisebene arbeiten     ihre Hand und fragte: „Findet hier das Bingo-
würde, um Wandel herbeizuführen.                    Spiel statt?“

Ich schrieb Briefe an alle möglichen Organisa-      Es war nicht einfach, aber schließlich machten
tionen im Land. Eines Tages bot mir schließlich     wir Fortschritte. Tag für Tag, Häuserblock für
eine kleine Kirchengruppe in der South Side von     Häuserblock brachten wir das Viertel zusammen,
Chicago an, als Community Organizer in Bezir-       registrierten neue Wähler, riefen außerschuli-
ken zu arbeiten, die stark von den Schließungen     sche Programme ins Leben, kämpften für neue
der Stahlfabriken betroffen waren. Meine Mutter     Arbeitsplätze und halfen den Menschen, ihr Le-
und meine Großeltern wollten, dass ich Jura stu-    ben mit einer gewissen Würde zu leben.
diere. Meine Freunde bewarben sich um Stellen
an der Wall Street. Und mir bot diese Organisa-     Aber ich stellte dabei auch fest, dass ich nicht
tion 12.000 Dollar im Jahr, plus 2.000 Dollar für   nur anderen Menschen half. Durch diese Arbeit
ein altes, ramponiertes Auto. Ich sagte zu.         fand ich eine Gemeinschaft, die mich akzeptier-
                                                    te, eine Richtung, nach der ich gesucht hatte und
Ich kannte in Chicago keine Menschenseele, und      zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich als
ich war mir auch nicht sicher, worum es beim        Bürger etwas bewirkte. Durch diese Arbeit ent-
Community Organizing überhaupt ging. Die Bür-       deckte ich, wie sich meine eigene unwahrschein-
gerrechtsbewegung und der Aufruf JFKs (Prä-         liche Geschichte in die größere Geschichte der
sident John F. Kennedys), dem Land zu dienen,       Vereinigten Staaten fügte.
Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Barack Obama
44. Präsident der Vereinigten Staaten

 Inhalt
 Barack Obama – Ein amerikanisches Leben ..................................                   2
 Barack Obamas Vision für die Zukunft . ........................................             10
 Die Familie Obama .......................................................................   12
 Vizepräsident Joseph Biden . .........................................................      14

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Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Barack Obama –
D
                ie einzigartige Biografie von Ba-          gegen den republikanischen Kandidaten Senator

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                rack Obama und seine erfolgreiche          John McCain.
                Kandidatur für das Präsidentenamt
                haben in der amerikanischen Politik                            it seinem geschliffenen Rede-
                ein neues Kapitel aufgeschlagen.                               stil, seiner eloquenten und op-
                                                                               timistischen Ausdrucksweise,
Präsident Obama, der erste afroamerikanische Prä-                              seiner Fähigkeit, junge Wähler
sident der Vereinigten Staaten, bringt eine Lebens-                            zu inspirieren und indem er das
geschichte mit, die der keines vorherigen amerika-         Internet raffiniert als Wahlkampfmittel einsetzte,
nischen Präsidenten gleicht. Barack Obama, Sohn            war Obama eindeutig ein Kandidat des 21. Jahr-
eines kenianischen Vaters und einer weißen Mutter          hunderts. Obama betonte in seinem Wahlkampf
aus dem Herzen der Vereinigten Staaten, erreichte          zwei übergreifende Themen: die Veränderung der
nationale Prominenz, als er beim Parteitag der De-         traditionellen Washingtoner Methoden bei der
mokraten 2004 eine wohlwollend aufgenommene                Handhabung politischer Angelegenheiten und den
Rede hielt. Im gleichen Jahr wurde er als Vertre-          Zusammenschluss von Menschen unterschiedli-
ter des Staates Illinois in den Senat gewählt. Nur         chen ideologischen, gesellschaftlichen und ethni-
vier Jahre später rückte er an die Spitze eines mit        schen Hintergrunds für die gemeinsame Sache.
demokratischen Schwergewichten bestückten Fel-
des auf und gewann die Nominierung seiner Partei           „Es gibt kein liberales und kein konservatives
für das Weiße Haus und die Präsidentschaftswahl            Amerika – es gibt die Vereinigten Staaten von

  Der junge Barack mit seiner Mutter,    Der neunjährige Barack in Indonesien        Barack im Alter von 10 Jahren mit
  Ann Dunham, ca. 1963.                  mit seiner Mutter, seinem Stiefvater Lolo   seinem kenianischen Vater Barack
                                         Soetoro und seiner Halbschwester Maya.      Obama sr.

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Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Ein amerikanisches Leben
Amerika,“ sagte Obama 2004 beim Nationalen               Vater seine Familie, zunächst, um in Harvard seine
Parteitag der Demokraten. „Es gibt kein schwar-          Studien fortzusetzen und dann, um als Ökonom für
zes und kein weißes Amerika, kein Amerika der            die Regierung in Kenia zu arbeiten. Barack Obama
Latinos und kein asiatisches Amerika, es gibt die        traf seinen Vater nur noch ein Mal, im Alter von
Vereinigten Staaten von Amerika. … Wir sind ein          zehn Jahren.
Volk, wir alle leisten unseren Treueschwur auf die
amerikanische Flagge, wir alle verteidigen die
Vereinigten Staaten von Amerika.“                        A     ls Obama sechs Jahre alt war, heiratete seine
                                                               Mutter erneut, dieses Mal einen im Ölgeschäft
                                                         tätigen Indonesier. Die Familie zog nach Indone­
Die frühen Jahre                                         sien, und Obama ging vier Jahre in der Hauptstadt
                                                         Jakarta zur Schule. Schließlich kehrte er nach Ha-
Obamas Eltern stammen aus sehr unterschiedli-            waii zurück, wo er die Highschool besuchte und
chen Verhältnissen. Seine Mutter, Ann Dunham,            bei seinen Großeltern mütterlicherseits lebte.
wurde in einer Kleinstadt in Kansas geboren und
wuchs dort auf. Nachdem ihre Familie nach Hawaii         In seinem ersten Buch – Ein amerikanischer Traum
umzog, lernte sie Barack Obama sr. kennen, einen         – beschreibt Obama diese Phase seines Lebens als
Stipendiaten aus Kenia, der an der University of         mit mehr als den üblichen Schwierigkeiten wäh-
Hawaii studierte. Die beiden heirateten 1959, und        rend der Pubertät befrachtet. Er musste sich mit
am 4. August 1961 wurde Barack Obama jr. in Ho-          seiner multiethnischen Abstammung auseinander-
nolulu geboren. Zwei Jahre später verließ Obamas         setzen, die damals in den Vereinigten Staaten noch

Barack Obama (Mitte) im Basketball-   Highschool-Abschlussfeier mit seinen Großeltern,   Als College-Student an der
team seiner Schule in Hawaii, 1977.   Madelyn Payne und Stanley Armour Dunham in         Columbia University in New York,
                                      Hawaii, 1979.                                      ca. 1983.

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recht unüblich war. Seine Wurzeln, die er sowohl in          Ruf zum Dienst für das Gemeinwohl
         der schwarzen als auch in der weißen Kultur hatte,
         mögen zu der aufgeschlossenen Vision beigetragen             Auf der Suche nach seiner Identität und einer Ziel-
         haben, die er Jahre später in die Politik einbrachte         richtung für sein Leben kündigte Obama schließ-
         – eine Vision, in der viele Ansichten Platz finden.          lich seine Stelle als Financial Writer einer interna-
                                                                      tionalen Consultingfirma in New York und machte
         „Barack hat die unglaubliche Fähigkeit, scheinbar            sich 1985 nach Chicago auf. Dort arbeitete er als
         widersprüchliche Wirklichkeiten miteinander in               Community Organizer für einen Kirchenverband in
         Einklang zu bringen und ihnen Kohärenz zu ver-               der South Side, einem armen, afroamerikanischen
         leihen,“ berichtet seine Kommilitonin im Jurastu-            Viertel, das vom Übergang von der Fertigungsin-
         dium, Cassandra Butts, der Redakteurin Larissa               dustrie zu einer Dienstleistungswirtschaft hart ge-
         MacFarquhar von der Zeitschrift New Yorker. „Das             troffen worden war.
         geschieht, wenn man aus einem Zuhause kommt,
         in dem einen weiße Menschen erziehen, und dann               „In diesen Nachbarschaften erhielt ich die beste
         draußen in der Welt als schwarzer Mensch wahrge-             Ausbildung, die ich je hatte, und dort wurde mir
         nommen wird.“                                                die wahre Bedeutung meines christlichen Glaubens
                                                                      bewusst,“ erinnert sich Obama Jahre später in der
         Obama verließ Hawaii, um zwei Jahre am Occi-                 Rede, mit der er seine Präsidentschaftskandidatur
         dental College in Los Angeles zu studieren. Später           ankündigt.
         zog er nach New York und schloss die Columbia
         University 1983 mit einem Bachelor of Arts ab.               Bei dieser Arbeit hatte Obama einige greifbare Er-
         In einer Rede im Jahr 2008 beschrieb Obama, wie              folge. Er verlieh den Bewohnern der South Side
         er damals dachte: „… Als ich meinen Abschluss                eine Stimme bei Themen wie Sanierung der Wirt-
         am College machte, war ich bessessen von einer               schaft, Berufsausbildung und bei Umweltmaßnah-
         verrückten Idee – dass ich auf Basisebene arbeiten           men. Seine Hauptrolle als Community Organizer
         würde, um Wandel herbeizuführen.“                            sah er allerdings darin, den von unten ausgehen-
                                                                      den Prozess zu beschleunigen, im Rahmen dessen

Harvard Law School in Boston               Bei der Wählerregistrierung in Chicago,         Barack und Michelle Obama an
(Massachusetts, ca. 1991).                 ca. 1992.                                       ihrem Hochzeitstag, 18. Oktober
                                                                                           1992.

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normale Bürger mobilisiert werden, ihre eigenen                  Mal für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Er
   Strategien für mehr politische und wirtschaftliche               wurde für Chicago in den Senat von Illinois ge-
   Einflussnahme zu entwickeln.                                     wählt. In vieler Hinsicht war diese Wahl eine lo-
                                                                    gische Fortsetzung seiner früheren Tätigkeit als

   N     ach drei Jahren dieser Arbeit kam Obama zu
         dem Schluss, dass wirkliche Verbesserungen
   für diese notleidenden Viertel Engagement auf hö-
                                                                    Community Organizer, und Obama brachte dieselbe
                                                                    aufgeschlossene Betrachtungsweise – der Politiker
                                                                    als jemand, der breitangelegte Koalitionen bildet
   herer Ebene erforderte, in den Einflussbereichen                 und Bürger dazu bringt, sich auf Basisebene einzu-
   von Recht und Politik. Er besuchte also die Har-                 bringen – in seine politische Vision ein.
   vard Law School, an der er zum ersten schwarzen
   Präsidenten des renommierten Harvard Law Re-                     „Alle Afroamerikaner, die nur über Rassismus als
   view gewählt wurde und seinen Abschluss 1991                     Hindernis für unseren Erfolg sprechen, lassen sich
   magna cum laude machte.                                          ernsthaft täuschen, wenn sie sich nicht auch mit den
                                                                    größeren wirtschaftlichen Kräften beschäftigen,
   Mit diesen Referenzen „hätte Obama alles tun kön-                die wirtschaftliche Unsicherheit für alle Arbeitneh-
   nen, was er wollte,“ stellte sein Wahlkampfberater               mer schaffen – Weiße, Latinos und Asiaten,“ sag-
   David Axelrod fest. Obama kehrte in seine Adop-                  te er damals. Zu den legislativen Errungenschaf-
   tivheimat Chicago zurück, wo er als Anwalt für                   ten während der nächsten acht Jahre im Senat des
   Bürgerrechte tätig war und Verfassungsrecht an der               Bundesstaats zählten die Wahlkampffinanzreform,
   Universität von Chicago lehrte. 1992 heiratete er                Steuerersenkungen für die trotz Erwerbstätigkeit
   Michelle Robinson, ebenfalls eine Juraabsolventin                Armen und Verbesserungen beim Strafrechtssys-
   aus Harvard, und arbeitete bei der Wählerregistrie-              tem des Bundesstaates.
   rung in Chicago mit, um Kandidaten der Demokra-
   ten wie Bill Clinton zu unterstützen.                            Auf der nationalen Bühne
   Obama engagierte sich weiterhin stark für das Ge-                Im Jahr 2000 ließ sich Obama zum ersten Mal für
   meinwohl und beschloss daher 1996, zum ersten                    die Wahl zum US-Kongress aufstellen und kandi-

Obama unterrichtet Verfassungsrecht         Obama wurde 1996 als Vertreter Chicagos             Obama, Mitglied des Senats von
an der University of Chicago Law            in den Senat von Illinois gewählt und dreimal       Illinois, mit seiner Familie, gesteht
School, ca. 1993.                           wiedergewählt.                                      bei den Wahlen zum US-Kongress
                                                                                                im Jahr 2000 seine Niederlage ein.
                   Ein amerikanischer Traum, veröffentlicht 1995.

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dierte erfolglos gegen Bobby Rush, den demokra-               den Senat in diesem November wieder zu überneh-
          tischen Amtsinhaber aus Chicago, um dessen Sitz               men (was ihnen schließlich erst 2006 gelang). Der
          im Repräsentantenhaus. Entmutigt durch seinen                 Wunsch, Obamas Wahlkampf durch eine promi-
          eindeutigen Verlust gegen Rush in den Vorwahlen               nente Rolle auf dem Parteitag zu stärken, die wohl-
          und auf der Suche nach Einfluss über die Legis-               bekannten rednerischen Fähigkeiten Obamas und
          lative des Staates Illinois hinaus, überzeugte er             der sehr vorteilhafte Eindruck, den er bereits auf
          Michelle von der Idee, für den US-Senat zu kan-               den demokratischen Präsidentschaftskandidaten
          didieren, als letzter Versuch, im Rahmen einer                John Kerry gemacht hatte, entschieden die Sache –
          „Alles-Oder-Nichts-Strategie“ seine politische                Obama hielt die Grundsatzrede auf dem Parteitag.
          Karriere voranzubringen.
                                                                        Obamas Rede, mit der er in erhebendem, geschlif-
          Das Rennen um den Sitz für Illinois im US-Senat               fenem Stil die Notwendigkeit betonte, Gräben zwi-
          2004 war im Jahr zuvor für alle eröffnet worden,              schen den Parteien zu überwinden und zu einer
          als der republikanische Amtsinhaber, Peter Fitzge-            „Politik der Hoffnung“ statt einer Politik des Zynis-
          rald, ankündigte, er würde nicht zur Wiederwahl               mus aufrief, tat mehr als die Parteitagsdelegierten
          antreten. Sieben Demokraten und acht Republi-                 nur aufzurütteln. Sie katapultierte Obama als auf-
          kaner stellten sich bei den jeweiligen Vorwahlen              gehenden Stern der demokratischen Partei in das
          ihrer Partei für die Nominierung zum Senat zur                Rampenlicht der Medien. Danach gewann er mit
          Wahl. Obama gewann die Nominierung der Demo-                  einer überwältigenden Mehrheit von 70 Prozent der
          kraten mühelos, er bekam einen größeren Anteil                abgegebenen Stimmen mühelos das Rennen um den
          der Stimmen – 53 Prozent – als die sechs Gegner               Senat in diesem Herbst. Obwohl die Zersplitterung
          zusammen.                                                     der Republikaner in Illinois in diesem Jahr sicher-
                                                                        lich zu Obamas Erdrutschsieg beitrug, war er auch
          Zu der Zeit hatten die Republikaner eine hauch-               für sich genommen beeindruckend, da er in 93 der
          dünne Mehrheit von 51 Sitzen im 100-köpfigen                  102 Landkreise des Bundesstaates als Sieger her-
          Senat; die Demokraten sahen deshalb diese Wahl                vorging und mehr als jeden zweiten weißen Wähler
          in Illinois als entscheidend für ihre Chancen an,             für sich gewann.

Obama, Mitglied des Senats      Noch als Kandidat für den US-Senat wird Obama einge-      Der Kandidat für den US-Senat
von Illinois, kandidiert in     laden, die Grundsatzrede auf dem Nationalen Parteitag     aus Illinois mit seiner Frau Michelle
Illinois im Juli 2004 für den   der Demokraten am 27. Juli 2004 zu halten.                und den Töchtern Sasha (vorne)
US-Senat.                                                                                 und Malia am Wahltag 2004.

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Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
O     bamas Ruf als neue Art von Politiker, der die
         traditionellen ethnischen Trennlinien überwin-
   den kann, wuchs kontinuierlich. In einem Profil
                                                               Präsidentschaftskandidatur
                                                               Der lange demokratische Vorwahlkampf 2008
   Obamas im Magazin New Yorker wies der Autor                 mit Vorwahlen in allen 50 Bundesstaaten war in
   William Finnegan darauf hin, wie leicht es Obama            vielerlei Hinsicht historisch. Afroamerikaner und
   fällt, „unauffällig die Ausdrucksweise seines Ge-           Frauen hatten bereits zuvor für das Präsidenten-
   sprächspartners anzunehmen“, und erklärte: „Ob-             amt kandidiert, aber dieses Mal waren eine Frau
   ama spricht sämtliche amerikanischen Mundarten.“            und ein Afroamerikaner die Spitzenkandidaten.
   Obama hat seine eigene Erklärung dafür, warum er            Als Barack Obama und sieben weitere Bewerber
   weiße Wähler gut versteht.                                  für die Nominierung der demokratischen Partei
                                                               2007 begannen sich zu organisieren, kam Obama
   „Ich kenne diese Menschen,“ sagte er. „Sie sind             in Meinungsumfragen immer wieder auf den zwei-
   wie meine Großeltern…ihr Verhalten, ihre Emp-               ten Platz hinter der wahrscheinlichen Spitzenkan-
   findlichkeiten, ihr Gefühl für das, was richtig und         didatin, der New Yorker Senatorin Hillary Clinton.
   falsch ist – es ist mir alles vertraut.“                    Obama war allerdings in der Anfangsphase des
                                                               Wettbewerbs sehr erfolgreich bei der Rekrutierung
   Im Senat stimmte die Abstimmungsbilanz Obamas               begeisterter Anhänger, insbesondere unter jungen
   mit dem liberalen Flügel der demokratischen Par-            Menschen. Er schuf eine landesweite Wahlkampf-
   tei überein. Seine Kritik am Krieg im Irak war sein         organisation auf Basisebene und sammelten Spen-
   Markenzeichen; sie ging zurück auf eine Rede im             den über das Internet.
   Jahr 2002 noch vor Ausbruch des Kriegs. Er warnte
   darin, dass jedwede derartige Militäraktion „nicht
   auf Prinzipien, sondern auf Politik“ basieren wür-
   de. Außerdem setzte er sich für die Förderung von
                                                               W      eil der Bekanntheitsgrad von Hillary Clinton
                                                                      wesentlich größer war und sie über eine gut
                                                               geölte Wahlkampfmaschinerie sowie die Unterstüt-
   ethischen Standards im Kongress, die Verbesserung           zung führender Demokraten auf Bundesstaaten­
   der Versorgung der Militärveteranen und den ver-            ebene verfügte, entwickelte das Wahlkampfteam
   mehrten Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen ein.          von Obama eine innovative Strategie, um diese

US-Senator Obama mit       Obama mit seiner keni­a­    Die Familie Obama legt im August 2006      Barack Obama gibt an der Seite
dem damaligen Vorsitzen­   nischen Großmutter, Sarah   Kränze an der Gedenkstätte für die Opfer   seiner Familie im Februar 2008
den des Auswärtigen        Hussein Obama, im Dorf      der Bombenanschläge 1998 auf die US-       seine Kandidatur für die Präsi-
Ausschusses des Senats,    Kogelo (Kenia) im August    Botschaft in Nairobi (Kenia) nieder.       dentschaft bekannt.
Joe Biden.                 2006.                               Hoffnung wagen, veröffentlicht 2006.

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Barack Obama 44. Präsident der Vereinigten Staaten
Vorteile auszugleichen: Man konzentrierte sich auf         tig Vorwahlen stattfanden. Obama gewann ländli-
         Staaten, in denen die Kandidaten die Delegierten in        che Staaten im Norden und im Süden und zog mit
         Wahlversammlungen (caucus) auswählten und auf              Clinton gleich. Und sie zahlte sich wieder aus, als
         kleinere Staaten, in denen bei den Präsidentschafts-       Obama im Februar zehn weitere Wahlen in Folge
         wahlen traditionell republikanisch gewählt wurde.          gewann. Er nahm damit bei der Zahl der Delegier-
         Diese Vorgehensweise nutzte das Verhältniswahlys-          ten eine Führungsposition ein, die Clinton nicht
         tem der demokratischen Partei für sich – Parteitags-       mehr einholen konnte.
         delegierte werden in jedem Staat in etwa im Ver-
         hältnis zum Anteil der Stimmen des Kandidaten              Eine Präsidentschaft Obama
         ernannt – im Gegensatz zum System der Republika-
         ner, bei dem die meisten oder alle Delegierten dem         Barack Obama zählt zu den jüngsten Präsidenten
         Sieger in jedem Staat zugesprochen werden.                 der Vereinigten Staaten. Gegen Ende der gebur-
                                                                    tenstarken Jahrgänge zwischen 1946 und 1964 als
         Die Strategie zahlte sich bei der ersten Wahlver-          Baby Boomer geboren, ist er auch der erste Präsi-
         sammlung im Land, die am 3. Januar 2008 in Iowa            dent, der in den Achtzigerjahren volljährig wurde,
         stattfand, aus, als Obama einen bestürzenden Sieg          was an sich schon auf Wandel hinweisen könnte.
         über Clinton errang. Der Sieg in Iowa änderte das          Die Atmosphäre, in der er aufwuchs, unterschied
         Spiel. Die Washington Post formulierte es folgen-          sich erheblich von den unruhigen Sechzigern, die
         dermaßen: „Sein Sieg über Clinton … änderte den            die Sichtweise der früher geborenen Baby Boomer
         Verlauf des Rennens, da Obama nun ihr Haupt-               prägten. Obama sagte über die Präsidentschafts-
         gegner wurde – der einzige Kandidat mit der Bot-           wahlen in den Jahren 2000 und 2004, bei denen
         schaft, den organisatorischen Möglichkeiten und            Kandidaten aus einer sehr viel früheren Kohorte
         den finanziellen Mitteln, ihren Status als Spitzen-        dieser Nachkriegsgeneration antraten, einmal: „Ich
         kandidatin anzugreifen.“                                   hatte manchmal das Gefühl, als beobachte ich das
                                                                    Psychodrama der Baby-Boomer-Generation – eine
         Die Strategie zahlte sich auch am Super Tuesday            in altem Groll verwurzelte Geschichte und Rache­
         am 5. Februar aus, an dem in 22 Staaten gleichzei-         pläne, die vor langer Zeit an einigen Colleges aus-

Obama (Dritter von rechts) bei einer TV-   Obama im Wahlkampf in der     Siegesfeier am Super Tuesday mit
Debatte mit sechs anderen Bewerbern für    Kleinstadt Peosta (Iowa).     Anhängern, 5. Februar 2008.
die Nominierung zum Präsidentschafts-      Obama ging aus der Vorwahl
kandidaten der demokratischen Partei,      in Iowa am 3. Januar 2008                           Bei einer Diskussion mit seiner
November 2007.                             als Sieger hervor.                                  Hauptgegnerin, Hillary Clinton.

                                                                8
geheckt wurden und nun auf nationaler Bühne aus-               Präsident Obama hat in der US-Politik neuen
  getragen wurden.“                                              Boden bereitet. Er kandidierte genau zu der Zeit,
                                                                 als viele Amerikaner das Gefühl hatten, ihr Land

  L    arissa MacFarquhar vom New Yorker bot eine
       Theorie zu der bemerkenswerten Attraktivi-
  tät Obamas bei allen politischen Gesinnungen an.
                                                                 bedürfe eines grundlegenden Richtungswechsels.
                                                                 E.J. Dionne, politischer Redakteur der Washing-
                                                                 ton Post, fasste das günstige Zusammentreffen
  „Die Abstimmungsbilanz Obamas zählt zu den                     der Kandidatur Obamas mit dem amerikanischen
  liberalsten im Senat,“ beobachetete sie, „aber er              Zeitgeist vielleicht ganz passend zusammen, als er
  war auch immer für Republikaner attraktiv, viel-               schrieb:
  leicht, weil er in konservativer Sprache über libe-
  rale Ziele spricht.“                                           Wandel, nicht Erfahrung, war an der Tagesord-
                                                                 nung. Mitreißen zu können, nicht Details zu be-
  „Mit seiner Sichtweise der Geschichte, mit seinem              herrschen, war die Tugend, die in den Wahlkampf-
  Respekt für Tradition, mit seiner Skepsis, dass die            reden am meisten geschätzt wurde. Ein sauberer
  Geschichte auf irgendeine andere Art als sehr, sehr            Bruch mit der Vergangenheit, nicht lediglich eine
  langsam verändert werden kann,“ schrieb sie, „ist              Rückkehr zu besseren Zeiten, war das wertvollste
  Obama zutiefst konservativ.“                                   Versprechen.

Barack und Michelle Obama bei einer Wahl­      Beim Gespräch mit        Präsidentschaftskandidat Barack Obama
kampfveranstaltung am 3. Juni 2008. Die        Journalisten in seinem   (ganz rechts) mit dem Vizepräsident­
Vor­wahlsiege an diesem Tag brachten genug     Wahlkampfflugzeug.       schaftskandidaten Joe Biden (ganz links) und
Parteitagsdelegierte, um die Nominierung der                            ihren Frauen auf dem Nationalen Parteitag
Demokratischen Partei zu gewinnen.                                      der Demokraten am 28. August 2008.

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Barack Obamas Vision
Auszüge aus „The American Moment“, einer Rede vor dem Chicago Council on Global Affairs am 23. April 2007

I
      ch bin der Meinung, dass die wichtigste Aufgabe jedes Präsidenten darin besteht, die amerikanischen
      Bürger zu schützen. Ich bin ebenso davon überzeugt, dass wir eine neue Vision amerikanischer Füh-
      rungsstärke und eine neue Konzeption unserer nationalen Sicherheit benötigen, um diese Aufgabe
      im 21. Jahrhundert effektiv zu erfüllen – eine Vision, die sich aus den Lektionen der Vergangenheit
      ableitet, aber nicht von überholten Denkweisen eingeschränkt wird.

In der heutigen globalisierten Welt ist die Sicherheit der Amerikaner untrennbar mit der Sicherheit aller
Menschen auf der Welt verbunden. Wenn Drogenhandel und Korruption in Lateinamerika die Demokratie
bedrohen, ist das auch ein Problem für die Vereinigten Staaten. Wenn arme Dorfbewohner in Indonesien
keine Wahl haben, als mit Vogelgrippe infizierte Hühner auf den Markt zu bringen, können wir das nicht als
weit entfernte Angelegenheit betrachten. Wenn Religionsschulen in Pakistan junge Kinder Hass lehren, sind
auch unsere Kinder bedroht.

Ob es um globalen Terrorismus oder Epidemien geht, um den Klimawandel oder die Weiterverbreitung von
Massenvernichtungswaffen – die Bedrohungen, die sich uns am Anfang des 21. Jahrhunderts stellen, lassen
sich nicht mehr von Grenzen aufhalten.

V
                                                *****

               iele Amerikaner finden die Vorstellung verlockend, dass wir uns zurückziehen und unseren
               Führungsanspruch auf der Welt aufgeben.

               Ich möchte jedoch betonen, dass eine derartige Aufgabe unserer Führungsrolle ein Fehler
               wäre, den wir nicht machen dürfen. Die Vereinigten Staaten können die Bedrohungen dieses
               Jahrhunderts nicht allein bewältigen, und die Welt kann sie auch nicht ohne die Vereinigten
Staaten bewältigen. Wir dürfen uns weder von der Welt zurückziehen, noch dürfen wir versuchen, ihren
Gehorsam zu erzwingen – wir müssen die Welt anführen, mit unseren Taten und unserem guten Beispiel.

Wir müssen diese Führungsrolle erfüllen, indem wir ein Militär aufbauen, das den Anforderungen des 21.
Jahrhunderts gerecht wird, um die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten und die Sicherheit aller Men-
schen zu fördern. Wir müssen diese Führungsrolle erfüllen, indem wir globale Anstrengungen anführen, um
die Verbreitung der gefährlichsten Waffen auf der Welt zu unterbinden. Wir müssen diese Führungsrolle er-
füllen, indem wir die Partnerschaften aufbauen und stärken, die wir zur Bewältigung unserer gemeinsamen
Herausforderungen und zum Sieg über unsere gemeinsamen Bedrohungen benötigen.

Die Vereinigten Staaten müssen diese Führungsrolle übernehmen, indem sie jenen Menschen die Hand rei-
chen, die an den vergessenen Orten der Welt ein einsames Leben in Hoffnungslosigkeit führen – denn wäh-
rend es immer diejenigen geben wird, die dem Hass nachgeben und Bomben an ihre Körper schnallen, gibt
es Millionen von Menschen, die einen anderen Weg einschlagen wollen – die wollen, dass unser Lichtstrahl
der Hoffnung ihnen als Orientierung dient.

                                                   10
für die Zukunft

D
               ie Vereinigten Staaten sind das Land, das geholfen hat, einen Kontinent vom Aufmarsch eines
               Verrückten zu befreien. Wir sind das Land, das den mutigen Bürgern einer geteilten Stadt
               gesagt hat, dass auch wir Berliner sind. Wir haben Generationen von jungen Menschen als
               Botschafter für den Frieden in Länder überall auf der Welt entsandt. Und wir sind das Land,
               das rasch Hilfsmittel für die Opfer eines zerstörerischen Tsunami nach Asien geflogen hat.

Jetzt müssen wir führen – jetzt ist es an der Zeit, eine weitere großartige amerikanische Geschichte zu erzäh-
len. So dass wir unseren Kindern eines Tages sagen können, dass dies die Zeit war, in der wir dazu beitrugen,
Frieden im Nahen Osten zu ermöglichen. Dass dies die Zeit war, in der wir uns dem Klimawandel stellten
und die Waffen konfiszierten, die die Menschheit hätten auslöschen können. Die Zeit, in der wir Hoffnung
an die vergessenen Orte auf der Welt gebracht haben. Und die Zeit, in der wir das Amerika erneuerten, das
Generationen von erschöpften Reisenden aus aller Welt angetrieben hat, bei uns Chancen, Freiheit und
Hoffnung zu finden.

                             Oben: Barack Obama spricht am 23. April 2007 vor dem Chicago Council on Global Affairs.

                                                      11
Die Familie Obama

Die Obamas bei einer Parade am Unabhängigkeitstag am 4. Juli 2008 in Butte (Montana). Von links nach rechts: Michelle,

D
Sasha, Barack und Malia.

                 ie Obamas sind die erste afroame­             „Das hätte ich sein können“, sagte Michelle Oba-
                 ri­k anische Familie, die ins Weiße           ma der Zeitschrift Newsweek. „Denn in Wahrheit
                 Haus einzieht.                                sollte ich nicht hier sein, hier stehen. Ich bin eine
                                                               statistische Unwahrscheinlichkeit. Ein schwar-
                Präsident Barack Obama und seine               zes Mädchen, das in der South Side von Chicago
                Frau Michelle sind sich der histori-           aufwuchs. Sollte ich Princeton besuchen? Nein…
schen Dimension dieser Wahl und ihrer Bedeutung                Sie sagten, die Harvard Law School sei vielleicht
für viele Amerikaner durchaus bewusst. In ihren                schon zu viel für mich. Aber ich ging hin, und ich
Reden während des Wahlkampfes erzählte Michel-                 war gut. Und ich war mit Sicherheit nicht dazu be-
le Obama oft, wie sie bei einem Friseur in South               stimmt, hier zu stehen.“
Carolina ein zehnjähriges Mädchen traf, das ihr
sagte, wenn Barack Obama zum Präsidenten ge-                   Die First Lady wurde als Michelle Robinson in
wählt würde, „bedeutet das, dass ich mir für mich              eine Arbeiterfamilie in Chicago (Illinois) geboren.
selbst alles vorstellen kann“.                                 Ihr Vater arbeitete beim städtischen Wasseramt und
                                                               war Wahlkreisleiter der Demokraten. Ihre Mutter
                                                               war Haufrau und kümmerte sich um sie und ihren
                                                               älteren Bruder Craig.

                                                          12
Michelle Robinson arbeitete hart in der Schule und         Die Obamas hoffen, dass ihnen ihre Begeisterung
bekam einen Platz im Jahrgang 1985 der Princeton           für den Dienst für das Gemeinwohl und ihre um-
University. Nach ihrem ersten Abschluss in Sozio-          fassenden professionellen Erfahrungen und Leis-
logie mit dem Nebenfach afroamerikanische Studi-           tungen bei den vor ihnen liegenden Herausfor-
en ging sie an die Harvard Law School.                     derungen helfen werden. Hinter Barack Obamas
                                                           Wunsch, Präsident zu werden und die Welt posi-
Barack Obama und Michelle Robinson lernten sich            tiv zu beeinflussen, stehen seine jungen Töchter
1989 in der Chicagoer Anwaltskanzlei Sidley &              Malia, geboren 1998, und Sasha (Kurzform für
Austin kennen, wo sie als Anwältin tätig war und
dem Praktikanten Obama als Mentorin zugewiesen
wurde.

Der zukünftige Präsident bat sie, zu einem sei-
ner Community-Organizing-Treffen in Chicago
zu kommen. Sie sagte zu und kam zu einer Ver-
anstaltung, bei der sie Newsweek berichtete, dass
er vor den Teilnehmern darüber gesprochen habe,
die Lücke zwischen „der Welt, wie sie ist, und der
Welt, wie sie sein sollte“ zu schließen.

Michelle Robinson und Barack Obama trafen sich
weiter und heirateten im Jahr 1992. Die Obamas
setzten sich beide leidenschaftlich für das Gemein-
wohl ein und arbeiteten einen Großteil ihrer beruf-
lichen Laufbahn im öffentlichen Dienst.
                                                           Oben: Michelle Obama spricht auf dem Nationalen
                                                           Partei­tag der Demokraten am 25. August 2008.
Nach ihrer Tätigkeit in der Kanzlei für Gesell-            Unten: Die meisten Reisen während des Wahlkampfs
schaftsrecht, in der sie sich kennenlernten, hatte         machten die Obamas zusammen.
Michelle Obama verschiedene Positionen in der
Stadtverwaltung von Chicago inne. Sie gründete             Natasha), geboren 2001. Die Mädchen werden die
zudem als geschäftsführende Direktorin die Orga-           jüngsten Bewohnerinnen des Weißen Hauses seit
nisation Public Allies in Chicago, die junge Men-          Amy Carter sein, die neun Jahre alt war, als ihr
schen ermutigt, für das Gemeinwohl zu arbeiten.            Vater Jimmy Carter 1976 zum Präsidenten gewählt
Jüngst war sie als Vizepräsidentin für Angelegen-          wurde.
heiten der Universitätsgemeinschaft und externe
Kommunikation im Medical Center der University             „Mein Leben kreist um meine zwei Mädchen“, sag-
of Chicago beschäftigt.                                                  te der damalige Senator Obama in
                                                                         einer Vatertagsrede in einer Chica-
„Sie scheint zweifelsfrei                                                goer Kirche. „Und ich mache mir
eine Person zu sein, die                                                 Gedanken darüber, was für eine
das Podium nutzen wird,                                                  Welt ich ihnen hinterlasse. Ich habe
das ihr das Weiße Haus                                                   erkannt, dass ein Leben nicht viel
bietet“, sagt Dr. Myra Gu-                                               bedeutet, wenn man nicht bereit
tin, Historikerin und Pro-                                               ist, seinen kleinen Teil beizutragen,
fessorin für Kommunika-                                                  um unseren Kindern – allen unse-
tionswissenschaften an der                                               ren Kindern – eine bessere Welt zu
Rider University in New                                                  hinterlassen. Das ist unsere wich-
Jersey. „Sie ist intelligent,                                            tigste Verantwortung als Väter und
eine gute Rednerin und hat                                               Eltern.“
professionelle Erfahrung
im Management.“

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Vizepräsident

Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden (links) mit dem designierten Präsidenschaftskandidaten Barack Obama auf dem
Nationalen Parteitag der Demokraten am 28. August 2008.

„M
                          eine Rolle bei der Been-             war der erste College-Absolvent in seiner Familie
                          digung des Völkermords               und hat ein Diplom der Syracuse University Law
                          auf dem Balkan und mein              School in New York.
                          Beitrag zur Verabschie-
                          dung des Gesetzes über               Der Wendepunkt der politischen Karriere Bidens
			                       Gewalt gegen Frauen                  kam 1972 mit seiner ersten Wahl in den US-Senat
zähle ich zu den stolzesten Momenten meines öf-                als Vertreter Delawares im Alter von 29 Jahren.
fentlichen Lebens.“ Dies schrieb der damalige                  Einige Wochen bevor er seinen Amtseid leistete,
Senator Joseph R. Biden, Vizepräsident der Ver-                kamen seine Frau und seine Tochter bei einem Au-
einigten Staaten, in seiner 2007 erschienen Auto-              tounfall ums Leben. Seine beiden kleinen Söhne
biografie Promises to Keep: On Life and Politics.              überlebten den Unfall, wurden aber schwer ver-
                                                               letzt. (Biden heiratete 1977 erneut, und aus die-
Der Schlüssel zum Verständnis dieser Selbstein-                ser Ehe ging eine Tochter hervor.) Ein weiterer
schätzung ist der Werdegang Bidens. Er ist Ka-                 Schicksalsschlag ereignete sich 1988, als man bei
tholik irischer Abstammung und wurde 1942 in                   ihm zwei potenziell tödliche Gehirnaneurysmen
bescheidenen Verhältnissen in Scranton geboren,                entdeckte. Der Genesungsprozess war lang und
einer Stadt in Pennsylvania, in der hauptsächlich              schmerzhaft. Er fehlte sieben Monate im Senat und
Arbeiterfamilien leben. Seine Mutter war Haus-                 musste die meiste Zeit Bettruhe einhalten.
frau, sein Vater Autoverkäufer. Als Biden zehn
Jahre alt war, zog die Familie nach Delaware. Er

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Joseph Biden
Während seiner Senatslaufbahn erarbeitete sich                Vorsitzender zuvor Biden war. Bei einem wichtigen
Biden eine hauptsächlich liberale Bilanz. Obwohl              außenpolitischen Thema waren Obama und Biden
er von Republikanern durchaus geschätzt wird und              jedoch unterschiedlicher Meinung. Biden stimm-
parteiübergreifend gearbeitet hat, unterstützte er            te für die endgültige Senatsresolution, mit der die
doch hauptsächlich seine eigene Partei. Während               amerikanische Invasion im Irak gebilligt wurde,
seiner letzten beiden Jahre im Senat stimmte Biden            während sich Obama (der damals noch nicht im
laut der Washington Post beispielsweise in 96,6               Senat war) dagegen aussprach.
Prozent aller Fälle mit den Demokraten. „Er wird
weithin als liberal eingestellter Internationalist be-        Bevor Biden jedoch für die endgültige Resolution
trachtet“, schrieb Michael Gordon in der New York             stimmte, arbeitete er mit dem republikanischen
Times. „Er hat die Bedeutung von Diplomatie be-               Senator Richard Lugar aus Indiana an einem Be-
tont, war aber gelegentlich auch bereit, sie durch
Androhung von Gewalt zu unterstützen.“

In den ersten Jahren im Senat konzentrierte sich
Biden auf innenpolitische Themen, insbesonde-
re auf bürgerliche Freiheiten, Strafverfolgung
und die Bürgerrechte. Er wurde 1975 Mitglied
des Justizausschusses and war von 1987 bis 1995
sein Vorsitzender. Bidens wichtigste legislative
Errungenschaft während dieser Zeit war das Ge-
setz über Gewalt gegen Frauen (Violence Against
Women Act, 1994), ein Meilenstein, den er selbst
verfasste und mit dem Milliarden Dollar an Bun-
desmitteln im Kampf gegen geschlechtsspezifi-
sche Kriminalität zur Verfügung gestellt wurden.
Aber Biden nahm gelegentlich auch Abstand von
den konventionellen liberalen Ansichten. Er setzte            Senator Biden (rechts sitzend) mit weiteren Mitgliedern
sich beispielsweise stark für strengere Urteile ge-           des Justizausschusses des Sanats im August 1986.
gen den Drogenhandel ein. Er war auch dagegen,
Schüler mit dem Bus an weiter entfernte Schulen               schluss, der militärische Aktionen nur nach der
zu transportieren, um gegen Segregation vorzuge-              Erschöpfung der diplomatischen Mittel zuließ.
hen, betonte aber gleichzeitig sein Engagement für            Biden stimmte für den Krieg, als diese Resolution
die Bürgerrechte.                                             abgelehnt worden war. Aber er stimmte auch gegen
                                                              einen Zusatz, der die Regierung Bush verpflichtet
Eine außenpolitische Perspektive                              hätte, vor der Invasion des Irak eine weitere Be-
                                                              fugnis einzuholen. Ab 2005 bezeichnete Biden
Biden zeichnete sich im Senat in außenpolitischen             seine Stimme für den Irakkrieg als „Fehler“. Wäh-
Angelegenheiten aus. Er ist seit 1975 Mitliged des            rend eines gemeinsamen Auftrittes in Springfield
einflussreichen Auswärtigen Ausschusses des Se-               (Illinois) nach der Nominierung Bidens zu seinem
nats und war von 2001 bis 2003 und erneut von                 Vize­präsidentschaftskandidaten sagte Obama, Bi-
2007 bis 2009 sein Vorsitzender. Barack Obama                 den sei „ein außenpolitischer Experte, dessen Herz
wurde nach seiner Wahl in den Senat im Jahr 2004              und Werte fest in der Mittelschicht verwurzelt
diesem Ausschuss zugeteilt und lernte Biden im                sind“. Obama nannte Biden auch „einen starken
Rahmen der Zusammenarbeit gut kennen. Obama                   Kritiker der Außenpolitik von Bush und McCain
saß dem Unterausschuss für Europa vor, dessen                 und eine Stimme für eine neue Richtung, die den

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US-Senatoren (von links nach rechts): John Kerry, Joseph Biden und Charles Hagel in Islamabad (Pakistan) im Februar 2008.

Kampf zu den Terroristen bringt und den Krieg im                                   Die meisten Beobachter sind der Meinung, dass die
Irak verantwortungsvoll beendet.“                                                  bedeutenste außenpolitische Leistung Bidens seine

W
                                                                                   Bemühungen zur Bekämfpung der Kriegshandlun-
            ährend seiner Zeit im Auswärtigen Aus-                                 gen auf dem Balkan während der Neunzigerjahre
            schuss des Senats reiste Biden viel ins                                war. Biden soll eine einflussreiche Stimme gewe-
            Ausland. Er kennt nicht nur zahlreiche                                 sen sein, die die Regierung Clinton drängte, Maß-
hochrangige ausländische Politiker sehr gut, son-                                  nahmen gegen den serbischen Anführer Slobodan
dern auch ihre Stellvertreter, ihre Spitzenberater                                 Milosevic zu ergreifen. Bei ihrem gemeinsamen
und führende Mitglieder der Opposition. Er hat                                     Auftritt in Springfield sagte Obama, Biden habe
sich mit so wichtigen Themen wie Waffen­k on­                                      „dazu beigetragen, Politik zu formulieren, die die
trolle, der Weiterverbreitung von Kernwaffen, der                                  Gewalt auf dem Balkan schließlich beendete“. Ins-
Erweiterung der NATO, Rivalitäten zwischen den                                     besondere forderte Biden einen Eingriff, um die
Supermächten sowie den amerikanischen Bezie-                                       ethnischen Säuberungen gegen Muslime in Bosni-
hungen mit der Dritten Welt befasst. Er setzte sich                                en aufzuhalten. Später unterstützte er die Bomben-
auch stark für die Global AIDS Initiative ein und                                  angriffe der NATO, um Serbien zu zwingen, das
befürwortete früh internationale Bestrebungen zur                                  Kosovo zu verlassen.
Beschränkung von Kohlenstoff- und Treibhaus-
gasemissionen. (Biden formulierte vor zwanzig                                      Biden bewarb sich zweimal um das Präsidentenamt
Jahren erstmals Gesetze im Bereich der Klima-                                      – 1998 und 2008. Beide Male war er nicht erfolg-
kontrolle). Im Allgemeinen sprach er sich zudem                                    reich. Das Wahlkampfteam von Obama sagte, man
für Freihandelsabkommen aus. Der langgediente                                      habe sich aus verschiedenen Gründen für Biden als
Senator interessierte sich außerdem besonders für                                  Vizepräsidentschaftskandidaten entschieden, vor-
Afrika. Schon früh kritisierte er das Apartheid-                                   rangig wurde aber die außenpolitische Expertise
Regime in Südafrika. In Darfur sprach er sich für                                  und Bilanz des Senators aus Delaware genannt. Bi-
stärkere Maßnahmen gegen das Blutvergießen in                                      den ist der erste katholische Vizepräsident sowie
der Region aus.                                                                    der erste Vizepräsident aus Delaware.
Alle Fotos © AP Images, außer: Titelseite: Mit freundlicher Genehmigung des Büros von US-Senator Barack Obama. Titel- & Rückseite (Einsatz):
U.S. Bureau of Engraving and Printing. Seite 4 (links): Time & Life Pictures/Getty Images. Produktion: Executive Editor George Clack. Managing
Editor Anita N. Green. Beiträge: Domenick DiPasquale, David Pitts, Kelly Bronk. Editor: Rosalie Targonski. Designer: Tim Brown. Photo Researcher:
Ann Monroe Jacobs.

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                                                                            16
Ich gelobe feierlich,
       dass ich das Amt des
   Präsidenten der Vereinigten
 Staaten getreulich verwalten und
  die Verfassung der Vereinigten
   Staaten nach besten Kräften
erhalten, schützen und verteidigen
   will. So wahr mir Gott helfe.
     Amtseid des amerikanischen Präsidenten

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