Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung - Dr. Tim Köhler-Rama Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung

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Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung - Dr. Tim Köhler-Rama Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung
Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit in
der gesetzlichen Rentenversicherung
                   Dr. Tim Köhler-Rama
   Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung
                     Berlin, 5.6.2019

                    Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin   1
Das Rentensystem ist historisch gewachsen und ambivalent
• 1889 Einführung der „Invaliditäts- und Altersversicherung“
    • Grundgedanke: Recht auf Rente als Gegenleistung für lebenslange Arbeit; Arbeiter sollten
      weniger abhängig vom Fürsorgesystem sein.
• 1957 Rentenreform
    • Grundgedanke: Statussicherung; die Höhe der Rente als Spiegelbild der im Erwerbsverlauf
      erworbenen Einkommensposition; Rente als Lohnersatz.
    • Anlass für die Rentenreform war grassierende Altersarmut.
    • Zur Durchsetzung der 70%igen Rentenerhöhung und Beitragssatzerhöhung von 11% auf 14%
      war eine Stärkung des Versicherungsprinzips unerlässlich.

                                     Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                     2
Das Rentensystem enthält zwei konfligierende Ziele

• Das Rentensystem enthält implizit zwei Ziele: Armutsvermeidung und Statussicherung.
• Somit enthält es sowohl Aspekte von Bedarfsgerechtigkeit als auch von Leistungsgerechtigkeit.
• Die Mischfinanzierung (rd. ¾ Beiträge, ¼ Steuerzuschuss) spiegelt diese Dualität wider.

• Welches Ziel soll prioritär verfolgt werden?
   • Die Grundfrage im Vorfeld der 57er-Reform war dieselbe wie heute: Soll die Rente das
      Existenzminimum für die Notfälle darstellen und sich auf Bedürftige beschränken oder soll es
      einen Rentenanspruch geben und die Höhe der Rente sich nach der Vorleistung richten?
   • Mehr Armutsvermeidung bedeutet mehr Umverteilung. Mehr Umverteilung bedeutet
      Verletzung des Äquivalenzprinzips
   • Statussicherung setzt die Armutsvermeidung eigentlich voraus. Ohne Armutsvermeidung
      macht Statussicherung keinen Sinn.

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Aktuelle Debatte I

• Abg. Weiß (CDU) an die Sachverständigen Werding und Bomsdorf:
„…Wie weit kann und darf im Rentensystem selbst vom Äquivalenzsystem und damit von der
Relation zwischen eigener Beitragszahlung und Leistung der Rentenversicherung abgewichen
werden?“
• Keine Antwort von Werding auf diese Frage.
Antwort Bomsdorf: „…Und nochmal: Ich bin skeptisch gegenüber der Meinung, dass die Rente
dazu da ist, Altersarmut zu bekämpfen. Wir müssen die Altersarmut da bekämpfen, wo sie im
Grunde beginnt, nämlich in der Arbeitszeit, und nicht an den Symptomen herumdoktern, wie das
jetzt vielfältig gemacht wird.“

Zitate aus: Wortprotokoll der 46. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 6.5.2019

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Aktuelle Debatte II

• „(…) Im Grundsicherungssystem gilt das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit. In der
  Sozialversicherung gilt ein Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Wir müssen diese beiden
  voneinander trennen und die Rechtsansprüche nicht miteinander vermischen (…) Deshalb, wenn
  man eine Reform macht, ist der zentrale Punkt – die Bedürftigkeitsprüfung nicht in die
  Rentenversicherung hinein zu treiben, sondern, eine Rente zu schaffen, die eine reine
  Versicherungsleistung ist. Die Vermischung beider Systemprinzipien wird eine abschüssige Bahn
  erzeugen, auf der wir dann zu einem gemischten Grundsicherungs-/Versicherungssystem
  kommen. Das halte ich für politisch gefährlich und sozial für nicht förderlich.“

• Zitat Sachverständiger Nullmeier; aus: Wortprotokoll der 46. Sitzung des Ausschusses für Arbeit
  und Soziales vom 6.5.2019

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„Verschmelzung von Renten- und Sozialhilfesystem“ (Steffen)

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                                               werden immer weniger realisierbar, weil sich
                                               die Rente an die Grundsicherung angleicht.
                                             • Für eine Rente oberhalb der Sozialhilfe
                                               werden mittlerweile 28 Entgeltpunkte
                                               benötigt. Ein Beschäftigter mit der Hälfte des
                                               Durchschnittsverdienstes (2019: rd. 1.600
                                               Euro) benötigt hierfür 56 Jahre.
                                             • Ein Beispiel: Der Durchschnittsverdienst einer
                                               Altenpflege-Fachkraft in Sachsen liegt aktuell
                                               bei rd. 2.200 Euro/mtl. Um auf die 28 EP
                                               (Nettorente: 800 Euro) zu kommen, muss sie
                                               40 Jahre durchgehend Vollzeit arbeiten.

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Bedarfsgerechtigkeit im Rentensystem

• Im Rentensystem gibt es keine Bedürftigkeitsprüfung. (Lediglich eine Einkommensanrechnung
  bei Hinterbliebenenrenten, die das BVerfG als „Fürsorgeleistung“ charakterisiert)
• Aber es gibt soziale Ausgleichselemente als Ausdruck von Bedarfsgerechtigkeit.
• Wenn aus Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Pflegetätigkeiten oder Kindererziehung
  Einkommensverluste resultieren, kompensiert das Rentensystem z. T. die daraus resultierenden
  Verluste an Rentenansprüchen.
• Auch die Aufstockung von geringen Rentenansprüchen sind im Rentenrecht seit 1972 enthalten:
    • Rente nach Mindestentgeltpunkten (für Zeiten bis 1991)
    • Kinderberücksichtigungszeiten für Zeiten ab 1992

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Soziale Risiken nehmen zu….

•   Längere Ausbildungs- und Arbeitslosigkeitszeiten in den jüngeren Kohorten
•   Mehr Zeiten mit niedrigen Verdiensten wegen Expansion des Niedriglohnsektors und
•   Mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse
•   Mehr und längere Phasen der Selbständigkeit*

*Quelle: Projekt Lebensverläufe und Altersvorsorge (LeA), Präsidentin Roßbach anlässlich des Presseseminars am
7./8.11.2018 in Würzburg. Es wurden Geburtsjahrgänge 1957 mit 1976 verglichen.

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….trotzdem werden Elemente des sozialen Risikoausgleichs
abgebaut.
• Einführung von Abschlägen bei den Erwerbsminderungsrenten (seit 2001); Verschärfung der
  Zugangsvoraussetzungen und Absenkung des Absicherungsniveaus beim Risiko der
  Berufsunfähigkeit für Geburtsjahrgänge bis 1960; Wegfall der Berufsunfähigkeitsrente für
  Geburtsjahrgänge ab 1961
• Verschärfung der Einkommensanrechnung bei Witwenrenten (seit 2002)
• Reduzierung der rentenrechtlichen Bewertung von Schul- und Hochschulzeiten (vollständiger
  Wegfall der Bewertung seit 2009)
• Wegfall der Altersrenten für Frauen und der Altersrenten nach Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit
  ab dem Alter 60 (ab 1952er Jahrgänge)
• vollständiger Wegfall der Bewertung von Zeiten, in denen Arbeitslosengeld II bezogen wird (seit
  2011).
• Wegfall der Rente nach Mindestentgeltpunkten (Beitragszeiten ab 1992)

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Zwischenfazit I

• Die Bedarfsgerechtigkeit im Rentensystem wurde durch die Reformen der letzten 20 Jahre stark
  reduziert.
• Folge: Weniger Einkommenssicherheit im Alter.
• Und: Starker Anstieg des Altersarmutsrisikos besonders vulnerabler Gruppen: Invalide,
  Langzeitarbeitslose, prekär Beschäftigte, Personen im Niedriglohnbereich (v. a. Frauen)
• Das Ziel der Armutsvermeidung wird nur unzureichend erfüllt.
• Anders als in den meisten anderen EU-Staaten fehlt in Deutschland
    • a. eine Mindestrente für langjährig Versicherte und
    • b. eine Hochwertung geringer Einkommen bei der Rentenberechnung.

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Leistungsgerechtigkeit im Rentensystem

• Rentenbeitrag = Eigenvorsorge
• Höhe der Rente spiegelt Höhe des Arbeitslohns wider („Rente als fortgesetzter Lohn“)
• Herrschende Logik: „Niedriges Einkommen = niedrige Rente = leistungsgerecht“
• Umverteilung im Rentensystem wird wegen des Äquivalenzprinzips in Deutschland mehrheitlich
  kritisch gesehen: „Umverteilung gehört in das Steuersystem“
• Tatsächlich bedeutet Umverteilung im Rentensystem, dass sich für einige das Beitrags-
  Leistungsverhältnis verbessert und für andere verschlechtert.
• Es gibt daher einen Zielkonflikt zwischen der Armutsvermeidung (mehr Bedarfsgerechtigkeit) und
  der Stärkung des Vorleistungsbezugs der Rente (mehr Leistungsgerechtigkeit).

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Zwischenfazit II

• Nur eine Rente, die bedarfs- und leistungsgerecht ist, wird gesellschaftlich akzeptiert.
• Die Rentenreform 1957 ist „Armutspolitik auf der Basis des Versicherungsprinzips“ (Göckenjan).
• Das primäre Ziel der damaligen Reform war die Beseitigung der massenhaften Altersarmut. Zur
  Durchsetzung des Ziels musste aber das Versicherungsprinzip implementiert werden, weil
  ansonsten die Reform nicht mehrheitsfähig gewesen wäre (Wallrabenstein).

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Was tun, wenn Altersarmut wieder zu einem
Massenphänomen wird?
• Die alleinige Adressierung des Altersarmutsrisikos an das Sozialhilfesystem ist keine Lösung, weil
  das staatliche Rentensystem in diesem Fall seine Akzeptanz und Legitimation verlieren würde.
• Also: Nach einem erfüllten Arbeitsleben muss eine Rente herauskommen, die oberhalb der
  Sozialhilfe liegt.
• Lösung in den meisten OECD-Staaten:
• Hochwertung niedriger Einkommen bei der Rentenberechnung (höhere Ersatzraten für
  Geringverdiener)
• Das ist gerecht, weil niedriges Einkommen ein ungleich verteiltes soziales Risiko darstellt, was
  i.d.R. mit einem höheren Invaliditätsrisiko und einer kürzeren Lebenserwartung einhergeht.

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Niedrige Ersatzraten für Geringverdiener in Deutschland

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                                                                         Percentage of individual earnings
                                         Base case                  Earnings profile                                 Base case            Earnings profile
                                   0,5            1       1,5      0,5          1       1,5                    0,5           1    1,5    0,5          1       1,5
          Australia               82,8          32,2     32,1     82,2       32,0      31,7 Korea             58,5        39,3   28,7   58,4       39,1      28,7
          Austria                 78,4          78,4     78,4     77,8       77,8      75,7 Latvia            47,5        47,5   47,5   47,0       47,0      47,0
          Belgium                 49,1          48,1     37,6     48,5       46,8      36,4 Luxembourg        89,5        76,7   72,5   89,0       76,3      72,0
          Canada                  54,1          41,0     28,5     53,9       40,3      28,5 Mexico            34,7        26,4   25,1   34,7       26,0      24,6
          Chile                   39,1          33,5     33,6     38,6       32,7      32,8 Netherlands       98,1        96,9   96,5   97,3       96,1      95,6
          Czech Republic          74,1          45,8     36,4     73,8       45,7      36,3 New Zealand       80,0        40,0   26,7   80,0       40,0      26,7
          Denmark                123,4          86,4     79,5    122,4       84,9      78,0 Norway            63,6        45,1   36,5   63,3       44,6      36,3
          Estonia                 62,0          49,7     45,6     61,4       49,1      45,0 Poland            31,6        31,6   31,6   31,6       31,6      31,6
          Finland                 56,6          56,6     56,6     56,2       56,2      56,2 Portugal          75,5        74,0   72,6   77,2       75,6      74,3
          France                  60,5          60,5     54,8     63,7       62,3      55,4 Slovak Republic   72,3        64,3   62,2   71,6       63,7      61,6
          Germany                 45,5          38,2     38,2     45,5       37,9      37,1 Slovenia          44,0        38,1   36,3   46,9       40,6      38,6
          Greece                  67,4          53,7     49,2     67,0       53,4      48,9 Spain             72,3        72,3   72,3   76,3       76,3      75,5
          Hungary                 58,7          58,7     58,7     58,2       58,2      58,2 Sweden            55,8        55,8   64,5   55,3       56,1      64,7
          Iceland                 77,6          69,0     67,9     77,3       68,4      67,4 Switzerland       56,0        42,1   28,5   55,6       42,2      28,5
          Ireland                 68,2          34,1     22,7     68,2       34,1      22,7 Turkey            69,9        69,9   69,9   68,7       68,7      68,7
          Israel                  99,4          67,8     45,2     98,0       67,8      45,2 United Kingdom    44,3        22,1   14,8   44,3       22,1      14,8
          Italy                   83,1          83,1     83,1     82,8       82,8      82,8 United States     48,3        38,3   31,7   48,8       38,8      32,0
          Japan                   47,8          34,6     30,2     47,6       34,4      30,0 OECD              64,9        52,9   48,4   65,0       53,0      48,6
          DC = defined contribution.
          Quelle: OECD, Pensions at a Glance,
          2017, S. 115.

                                                                Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                                                             14
Ist die Altersarmutsvermeidung Aufgabe
der GRV?
   Pro                                             Contra
   •   Die GRV ist eine Sozialversicherung, zu     •   Die GRV ist eine Versicherung, die
       deren Wesen auch der soziale                    wegfallendes Einkommen im Alter
       Ausgleich gehört. Armutsvermeidung              ersetzt. Zuwenig Rente ist daher Folge
       ist daher ein originäres Ziel der GRV.          eines zu geringen Einkommens
   •   Die GRV ist das einzige Pflicht-
                                                   •   Die Vermeidung von Altersarmut ist
       Vorsorgesystem in Deutschland. Es ist
                                                       eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
       daher ihre Aufgabe, Altersarmut zu
                                                       deren Lösung im Rahmen des
       vermeiden.
                                                       Steuersystems erfolgen soll. Das ist
   •   Grundsicherung ist nicht                        gerechter und effizienter.
       armutsvermeidend, sondern sichert
       nur das Existenzminimum.                    •   Der Armutsvermeidung dient die
                                                       Grundsicherung.
   •   Langjährig und Vollzeit beschäftigte
       Versicherte müssen eine Rente               •   Wer im Alter nicht arm sein will, kann
       erhalten, die oberhalb der                      und muss zusätzlich privat vorsorgen.
       Grundsicherung liegt. Sonst ist eine
       Pflichtversicherung verfassungsrechtlich
       nicht legitimierbar.

                              Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                           15
Grundrente/Respektrente

• Es gibt keinen Konsens über die Frage, ob die GRV Altersarmut verhindern soll.
• Statussicherung für eine Geringverdienerin oder einen Langzeitarbeitslosen lässt sich nur mit
  mehr Umverteilung und einer Verletzung des Äquivalenzprinzips realisieren. Also: mehr
  Bedarfsgerechtigkeit, weniger Leistungsgerechtigkeit.
• Die „Grundrente à la Heil“ würde an historische Vorläufer anknüpfen: Rente nach
  Mindesteinkommen (1972) und Rente nach Mindestentgeltpunkte (1989).
• Der Streit in der aktuellen Debatte dreht sich vor allem um die Frage der Bedürftigkeitsprüfung.
    Argument dafür: Zielgerichtete Maßnahme gegen Altersarmut
    Argument dagegen: Rentenansprüche würden noch mehr entwertet und das Rentensystem würde mit dem
    Sozialhilfesystem vermischt.

                                         Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                      16
FDP                AfD                  Die LINKE                  DIE GRÜNEN                 SPD                 CDU
Ausweitung der     Teilweise            Bessere                    Aufwertung von             „Grundrente“:       CDA-Plusrente:
Freibeträge bei    Freistellung der     Bewertung von              niedrigen Renten           Hochwertung         Freibetrag von GRV-
der                Renten bei der       ALG II-Zeiten und          mit mind. 30               niedriger Renten    Rentenansprüchen bei
Grundsicherung     Anrechnung auf       Schul-                     Versicherungsjahr          von Versicherten    der Berechnung der
auf alle Formen    den                  /Hochschulzeiten           en auf 30                  mit mind. 35        Grundsicherung;
der privaten und   Grundsicherungsa     Fortführung der            Entgeltpunkte              Versicherungsjahr   Versicherte mit
freiwilligen       nspruch;             Rente nach                 („Garantierente“);         en auf 0,8          mindestens 35
Vorsorge;          „mindestens 15%“     Mindestentgeltp.;          Rentenansprüche            Entgeltpunkte;      Versicherungsjahren
Bei der „Basis-    der GRV-Rente soll   Vorleistungsun-            von Ehepartnern            keine               bekommen ihre GRV-
Rente“ soll ein    nicht auf den        Abhängige                  werden                     Bedürftigkeits-     Rente um 25% erhöht;
Anteil von 20%     Grundsicherungs-     „Solidarische              gemeinsam                  Prüfung;            Bedürftigkeitsprüfung.
der GRV-Rente      anspruch             Mindestrente“ =            betrachtet                 Freibetrag von
von der            angerechnet          1050 Euro (netto)          (zunächst addiert,         GRV-Renten bei
Anrechnung auf     werden.              für alle; keine            dann halbiert;             der GruSi +
den                Bedürftigkeits-      Bedürftigkeits-            zusammen max.              Anhebung des
Grundsicherungs-   prüfung              prüfung;                   60 EP);                    Wohngeldes
anspruch                                Mindestlohn 12             keine
ausgenommen                             Euro                       Bedürftigkeits-
werden.                                 Anhebung des               prüfung
Bedürftigkeits-                         Rentenniveaus auf
prüfung                                 mindestens 53%

                                                    Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                                     17
Fazit

• Rentenanspruch unterliegt aufgrund der individuellen Beitragsleistung dem Eigentumsschutz
  (BVerfG 1980).
• Niedrige Renten von langjährig Versicherten mit Grundsicherungszuschlägen zu versehen
  („Kombirentenmodell“), würde bedeuten, dass die Rechtsposition vieler RentnerInnen
  geschwächt würde. Dies wäre ein Rückfall in die Zeit vor 1889.
• Die Grundsicherung ist kein Teil des vorsorgebezogenen Alterssicherungssystems, sondern –
  historisch gesehen - dessen Alternative.
• Wer Grundsicherung bezieht ist arm.
• Anspruch des Rentensystems war immer: Wer während des Erwerbslebens nicht arm war, soll es
  im Alter auch nicht sein.
• Das Rentensystem ist keine „Rentenmaschine“ (Brosig), sondern eine gesellschaftliche Einrichtung
  zur Organisation von Gerechtigkeit und Solidarität.
    • Problem: Hochwertung von Rentenanwartschaften von Geringverdienern hat nivellierende Effekte, erhöht die
      Grundsicherungsschwelle und untergräbt letztlich das lohnbasierte Rentensystem, d. H. der
      „Verschmelzungsprozess“ von Renten- und Sozialhilfesystem wird verstärkt.

                                            Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                              18
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

• Literatur:
• Brosig, Mindestsicherung im Alter, Arbeitnehmerkammer 2017
• Göckenjan, Gerd, Das Alter würdigen, 2000
• OECD, Pensions at a Glance, 2017
• Wallrabenstein, Astrid, Versicherung im Sozialstaat, 2009
• Köhler-Rama, Das Rentensystem verstehen, 2018
• Köhler-Rama, Zur Debatte über die Grundrente: Ist die Kritik berechtigt?, in: Soziale Sicherheit 4/2019

                                        Hans-Böckler-Stiftung, 5.6.2019, Berlin                             19
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