Bedrohungsmanagement im Kanton Glarus - Von der Idee über das Projekt zur Realisierung - Schweizerisches Polizei ...

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BEDROHUNGSMANAGEMENT IM KANTON GLARUS

Bedrohungsmanagement im Kanton Glarus
Von der Idee über das Projekt zur Realisierung

                                                                    Sandro Magni
                                                             Kantonspolizei Glarus
                                                              Chef Regionalpolizei

Schwere Gewaltdelikte im öffentlichen und privaten          Schwere Gewaltdelikte im öffentlichen und priva-
Bereich gehören zunehmend zum Alltag. Mit einer me-         ten Bereich sowie Drohungen gegen Angestellte der
thodisch strukturierten Zusammenarbeit zwischen ver-        Verwaltung gehören zunehmend zum Alltag. Beson-
schiedenen Fachstellen und der Polizei könnten solche       ders tragische und medial bekannte Fälle sind die
Ereignisse gemäss heutigen Erkenntnissen vielfach im        Amokläufe von Zug (Friederich L./2001), Biel (Peter
Vorfeld erkannt, besser eingeschätzt und deshalb viel       Hans K./2010), Pfäffikon/ZH (Shani S./2011) oder
eher verhindert werden. Bei den Glarner Amtsstellen         Menznau (Viktor B./2013). Mit einer methodisch
und anderen Institutionen wurde der Umgang mit In-          strukturierten Zusammenarbeit zwischen verschie-
formationen über potenzielle Gewalttäter oder sich an-      denen Fachstellen und der Polizei könnten solche
bahnende Gewalteskalationen unterschiedlich gehand-         Ereignisse gemäss heutigen Erkenntnissen vielfach
habt. Es bestanden keine Konzepte oder Strukturen und       im Vorfeld erkannt, besser eingeschätzt und deshalb
ein systematisches Vorgehen war nicht definiert. Die        viel eher verhindert werden. Im Kanton Glarus er-
Kantonspolizei stiess bei komplexeren Fällen schnell an     folgte bis vor Kurzem kein entsprechend strukturier-
die Grenzen des Datenschutzes, aber auch des Fachwis-       tes Vorgehen hinsichtlich möglicher Gewalttaten.
sens. Aufgrund dieser unklaren und unstrukturierten            Innerhalb der Glarner Amtsstellen und anderen
Ausgangslage setzte der Regierungsrat im Frühling 2015      Institutionen wurde der Umgang mit Informationen
eine Projektgruppe zur Erarbeitung eines Kantonalen         über potenzielle Gewalttäter, Querulanten mit mög-
Bedrohungsmanagements (KBM) ein. Die Strukturen             lichem Gefahrenpotenzial oder andere sich anbah-
und Prozesse wurden definiert und das Polizeigesetz         nende Gewalteskalationen unterschiedlich gehand-
auf die Bedürfnisse des KBM angepasst. In den betrof-       habt. Es bestanden keine Konzepte oder Strukturen
fenen Amtsstellen und Institutionen wurden Ansprech-        für dieses Phänomen und ein systematisches Vorge-
personen ausgebildet. Bei der Kantonspolizei Glarus         hen war somit nicht definiert. Wenn Meldungen er-
wurde eine Fachstelle KBM aufgebaut und es wurde ein        stattet wurden, gelangten diese in der Regel in sehr
interdisziplinäres Kernteam gebildet. Nach rund zehn        unterschiedlicher Qualität zur Kantonspolizei.
Monaten kommen wir zur Erkenntnis, dass sich die ge-           Wiederholt muss festgestellt werden, dass es mit
wählten Strukturen und Prozesse bewährt haben. Die          den zur Verfügung stehenden Informationen sehr
elementaren Komponenten eines KBM, die interdiszip-         schwierig oder gar unmöglich war, eine fundierte
linäre Zusammenarbeit sowie die Vernetzung der Amts-        Einschätzung vorzunehmen. Informationen über
stellen greifen. Betroffene Personen sind nicht mehr auf    einzelne Personen und deren Gesamtsituation konn-
sich alleine gestellt. Sie kennen ihre Ansprechpersonen     ten aufgrund des Amts- resp. Berufsgeheimnisses
und Möglichkeiten, wenn sie mit bedrohlichem Verhal-        nicht eingeholt werden. Die Kantonspolizei stiess
ten konfrontiert sind. Eine strukturierte, effiziente und   bei komplexeren Fällen schnell an die Grenzen des
professionelle Fallbearbeitung ist nun möglich. Dies        Datenschutzes, aber auch des Fachwissens. Als wei-
schafft Sicherheit, schont aber gesamtheitlich gesehen      tere Schwierigkeit zeigte sich die Umsetzung von
auch klar Ressourcen.                                       verhältnismässigen und geeigneten Massnahmen
                                                            mit anschliessender Fallbegleitung, sofern die er-
                                                            folgte Einschätzung solche verlangten. Die Kantons-
                                                            polizei kann zeitlich nur sehr beschränkt sichernde

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BEDROHUNGSMANAGEMENT IM KANTON GLARUS

Massnahmen treffen, welche meist bei Akutfällen                        Bedarf- und Interessensabklärung
angewandt werden. Für umfassende und fallbeglei-                       Als erstes sollte abgeklärt werden, ob im Kanton
tende Massnahmen sind andere Stellen wie z.B. die                      Glarus Bedarf und Interesse an einem Bedrohungs-
Staatsanwaltschaft, die Kindes- und Erwachsenen-                       management vorhanden waren. Weiter interessierte,
schutzbehörde (KESB), psychiatrische Dienste oder                      in welcher Form es eingeführt werden könnte und
die Bewährungshilfe zuständig. Wenn diese Stellen                      welche Anpassungen dafür notwendig wären.
aber nicht von Anfang an miteinbezogen waren und                          Deshalb stellten sich folgende Fragen:
somit gemeinsam an einer Lösung arbeiteten, erwies                     1. Wie oft sind die Verwaltungen/Institutionen mit
sich dies oftmals als problematisch.                                      Gewalt- oder Suizidandrohungen oder Andeu-
   Diese nicht klare und unstrukturierte Ausgangsla-                      tungen solcher Art im Alltag konfrontiert?
ge im Kanton Glarus sowie Gespräche mit verschie-                      2. Wie sieht der heutige Stand betreffend Informa-
denen Entscheidungsträgern anderer Amtsstellen                            tionsweitergabe bei Verdacht auf Gewalteskala-
gaben im Jahr 2013 den Ausschlag dazu, den Auf-                           tion aus?
bau eines Bedrohungsmanagements für den Kanton                         3. Welche Bedürfnisse sind bei den Verwaltungen/
Glarus im Rahmen einer Seminararbeit CAS FIP zu                           Institutionen betreffend Verhinderung von Ge-
prüfen (Magni 2014).                                                      walteskalation vorhanden und wie steht es um
   In einigen Kantonen und Städten waren damals                           die Bereitschaft, an einem Bedrohungsmanage-
Bedrohungsmanagements in Abklärung, im Aufbau                             ment aktiv mitzuarbeiten?
oder bereits eingeführt. Die Modelle unterschieden                     4. Welches ist die richtige Stelle, um ein Bedro-
sich je nach Kantons- resp. Verwaltungsstruktur.                          hungsmanagement operativ zu führen und die
Aufgrund der gut adaptierbaren Struktur orientierte                       Daten zu halten?
man sich damals am Bedrohungsmanagement des                            5. Welche Rechtsgrundlagen bezüglich Datenbe-
Kantons Solothurn, welches per 1. Januar 2013 ein-                        arbeitung und -weitergabe bestehen und wären
geführt worden war.                                                       Gesetzesrevisionen notwendig?

Bedrohungsmanagement als Möglichkeit zu                                Die durchgeführten Umfragen und Einzelgespräche
strukturiertem und vernetztem Vorgehen                                 ergaben, dass beinahe alle Amtsstellen und Insti-
(gemäss Institut für Psychologie und Bedro-                            tutionen mit verschiedensten Formen von Drohun-
hungsmanagement):                                                      gen oder Gewalteskalationen konfrontiert waren.
Hinter dem psychologischen Bedrohungsmanagement steht die              Einige Stellen waren bedingt durch ihre Aufgabe
Erkenntnis, dass schweren Gewalttaten nahezu immer erkennba-           oder die zu betreuende Kundschaft mehr damit
re Warnsignale vorausgehen. Hierbei handelt es sich um spezifi-        konfrontiert als andere. Jede/-r Angestellte oder die
sche Verhaltensmuster, die eine stufenweise Entwicklung hin zu         Amtsstelle waren aber mehrheitlich für sich alleine
einem Gewaltakt charakterisieren. Unterschiedliche Deliktsfor-         betroffen und versuchten, das Problem meistens ei-
men wie Tötungsdelikte durch Intimpartner, Amok oder Gewalt            genständig zu lösen.
am Arbeitsplatz weisen dabei jeweils charakteristische Hand-           Eine Minderheit ging
                                                                                                 Diese nicht klare und unstruk-
lungsmuster auf. Beim psychologischen Bedrohungsmanagement             systematisch und mit turierte Ausgangslage im Kanton
geht es also zunächst darum, potenziell risikobehaftetes Verhal-       dem      erforderlichen Glarus [...] gab im Jahr 2013 den
ten zu erkennen. Im zweiten Schritt wird die auffällige Person         Fachwissen vor. Ver- Ausschlag dazu, den Aufbau eines
mit speziellen Analyse-Instrumenten eingeschätzt und es wird           einzelt wurden Anzei- Bedrohungsmanagements für den
geprüft, inwieweit ein Risiko vorhanden ist und falls ja, wie hoch     gen erstattet. Solange Kanton Glarus [...] zu prüfen.
dieses ist. Im dritten Schritt arbeiten Fachleute verschiedener Dis-   nichts passierte, funk-
ziplinen daran, das Risiko zu entschärfen. Häufig erfolgt dabei        tionierte dieses Vorgehen gut. Für ständig schwe-
eine Grenzziehung in Kombination mit Unterstützungsangeboten           lende Konflikte fühlte sich niemand so richtig zu-
für die bedrohliche Person. Psychologisches Bedrohungsmanage-          ständig und keine Amtsstelle hatte den Überblick.
ment ist ein fortlaufender Prozess, der berücksichtigt, dass das       Der Tatsache, dass ein Risiko immer dynamisch ist
Risiko immer dynamisch ist und sich stets verändert. Deshalb sind      und sich stets verändert, wurde zu wenig Beach-
Analyse und Fallmanagement grundsätzlich fallbegleitend ausge-         tung geschenkt. Diese Situation verlangte nach ei-
richtet. (I:P:Bm 2017)                                                 nem Präventivkonzept.

format magazine no 7                                                                                                         55
BEDROHUNGSMANAGEMENT IM KANTON GLARUS

                Es war beinahe ausnahmslos allen Amtsstellen ein       Ausserdem erleichtert eine klare Bestimmung die
             Anliegen, dass im Kanton Glarus ein vernetztes und        Anwendung bzw. die Beurteilung der Verhältnismäs-
             standardisiertes Vorgehen für den Umgang mit Dro-         sigkeit durch die Behörden.
             hungen oder Gewalteskalationen eingeführt wird.
             Rund die Hälfte der Amtsstellen war auch dazu             Projekt
             bereit, aktiv in Form von Ansprechpersonen in den         Im Frühling 2015 setzte der Regierungsrat eine Pro-
             Ämtern oder durch die Weitergabe von Informati-           jektgruppe zur Erarbeitung eines Kantonalen Be-
             onen mitzuarbeiten. Es war also gesamtheitlich ein        drohungsmanagements (KBM) ein. Die Kantonspo-
             wirkliches Bedürfnis sowie eine hohe Bereitschaft         lizei wurde mit der Projektleitung beauftragt. Die
             zur Mitwirkung vorhanden – zwei wichtige Grund-           Projektgruppe bestand aus Kaderangehörigen der
             voraussetzungen, um ein Bedrohungsmanagement              Staats- und Jugendanwaltschaft, der Justiz, der KESB,
             erfolgreich einführen zu können.                          der kantonalen Aufsichtsstelle für Datenschutz, der
                Die Mehrheit der befragten Amtsstellen befand,         Psychiatrie des Kantonsspitals, der Volksschule und
                                         dass die Polizei die rich-    Sport, der sozialen Dienste und der Kantonspolizei
   Für das Betreiben eines funkti- tige Stelle für die opera-          Glarus. Somit war gewährleistet, dass alle relevanten
  onierenden Bedrohungsmanage- tive Führung eines Be-                  Stellen bereits in die Projektarbeit involviert waren
     ments ist die Möglichkeit des drohungsmanagements                 und sich entsprechend einbringen konnten.
   Daten- bzw. Informationsaus- ist. Dies weil es sich um                 Die Projektarbeit wurde in folgende Teilbereiche

tausches zwischen den betroffenen eine präventive Tätigkeit            gegliedert:
                                         zur Gewährleistung der        • Schaffen der kantonalen Rechtsgrundlagen für
           Amtsstellen wesentlich.
                                         öffentlichen Sicherheit          das KBM
             und Ordnung und zur Verhinderung von Straftaten           • Festlegen der Strukturen und Prozesse
             handelt, wofür die Polizei per Gesetz zuständig ist.      • Bestimmen und Ausbilden der Ansprechperso-
                                                                          nen und des Kernteams
               Rechtliche Grundlagen                                   • Implementieren der Instrumente für die Risiko-
               Für das Betreiben eines funktionierenden Bedro-            analyse
               hungsmanagements ist die Möglichkeit des Daten-            In einer Subarbeitsgruppe wurde die Revision des
               bzw. Informationsaustausches zwischen den betrof-       Polizeigesetzes mit den drei nachfolgend aufgeführ-
               fenen Amtsstellen wesentlich. Hierfür braucht es        ten Gesetzesartikeln erarbeitet, welche den Ansprü-
               jedoch entsprechende Rechtsgrundlagen. Charak-          chen des KBM genügten.
               teristisch für das Bedrohungsmanagement bzw. das        Art. 14a
               Fallmanagement zur Verhinderung von Gewalttaten         Gefährderansprache
               durch frühzeitiges Erkennen von bedrohlichem Ver-          1
                                                                           Die Kantonspolizei darf Personen, bei denen hinreichen-
               halten ist, dass präventiv oder eben frühzeitig Mass-   de Anzeichen für eine erhöhte Gewaltbereitschaft gegen Dritte
               nahmen eingeleitet werden. Dies bedingt, dass ins-      vorliegen, auf ihr Verhalten aufmerksam machen, sie über die
               besondere Meldungen und nähere Analysen nicht           Rechtslage sowie die Folgen von deren Missachtung informieren
               erst dann möglich sind, wenn eine Gefahr unmittel-      und entsprechend ermahnen.
               bar droht. Die Schwelle der Datenbearbeitung beim       Art. 32b
               Bedrohungsmanagement ist somit zeitlich nach vor-       Datenbearbeitung von gewaltbereiten Personen
               ne verschoben. Weil es hier oft um besonders schüt-        1
                                                                           Öffentliche Organe gemäss Artikel 2 Absatz 1 des Daten-
               zenswerte Personendaten geht, erwies es sich als        schutzgesetzes dürfen der Kantonspolizei Personen melden, bei
               problematisch, die Handlungen nur auf die üblichen      denen Anzeichen für eine Gewaltbereitschaft gegen Dritte vor-
               Datenbekanntgabenormen und den ebenso allge-            liegen. Dieses Melderecht gilt auch für Inhaber einer Berufsaus-
               meinen polizeigesetzlichen Aufgabenkatalog zu           übungsbewilligung gemäss Gesundheitsgesetz.
               stützen. Wegen der beim Bedrohungsmanagement               2
                                                                           Die Kantonspolizei prüft die bei ihr eingehenden Meldungen.
               erfolgenden Verschiebung der Eingriffsmöglichkeit       Hierzu dürfen, soweit notwendig, Personendaten, einschliesslich
               in das Gefahrenvorfeld war es deshalb angezeigt,        besonders schützenswerter Personendaten, bearbeitet und mit
               eine konkrete Rechtsgrundlage zu schaffen, die den      weiteren Stellen zur fachübergreifenden Konsultation ausge-
               Ansprüchen der Voraussehbarkeit wirklich genügt.        tauscht werden.

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    3
     Liegen hinreichende Anzeichen für eine erhöhte Gewaltbe-         funden und ausgebildet werden konnten. Die Mit-
reitschaft gegen Dritte vor, ergreift die Kantonspolizei die erfor-   glieder der Fachstelle KBM und die ständigen Mit-
derlichen Massnahmen. Sie kann insbesondere potenzielle Opfer         glieder des Kernteams wurden während fünf Tagen
informieren. Die Rechte des Gefährders sind soweit als möglich        durch Fachspezialisten ausgebildet.
zu wahren.
    4
        Ergibt die Prüfung, dass es bei der gemeldeten Person an                                   2HU[VUHSL(T[ZZ[LSSLU                    .LYPJO[L
                                                                                                     (UZWYLJOWLYZVULU                 (UZWYLJOWLYZVULU
hinreichenden Anzeichen für eine erhöhte Gewaltbereitschaft                                      NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN      NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN
gegen Dritte fehlt, werden die über sie erhobenen Personendaten
                                                                                    2HU[VUZZWP[HS                                                         .LTLPUKLU
gelöscht.                                                                         (UZWYLJOWLYZVULU                                                    (UZWYLJOWLYZVULU
Art. 34a                                                                      NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN                                         NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN

Arbeitsgruppe Erkennung                                                                                                -HJOZ[LSSL2)4
                                                                         /€OLYLZ:JO\S^LZLU                            2HU[VUZWVSPaLP                           =VSRZZJO\SLU
    1
     Der Regierungsrat setzt eine fachübergreifende Arbeitsgrup-          (UZWYLJOWLYZVULU                                2LYU[LHT                             (UZWYLJOWLYZVULU
                                                                      NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN                     0U[LYKPZaPWSPUpY                   NLZJO\S[M Y,YZ[IL\Y[LPS\UN
pe ein, welche die Kantonspolizei bei der frühzeitigen Erkennung
von Gewalttaten unterstützt und begleitet.
                                                                      Abb. 1: Struktur KBM Glarus
    Die beantragte Polizeigesetzesrevision durchlief
alle üblichen Instanzen wie die vorberatende Kom-                        Für die strukturierte und fundierte Risikoeinschät-
mission, das Parlament und schliesslich die Volksab-                  zung kommen unterschiedliche Modelle und Instru-
stimmung im Mai 2016, welche im Kanton Glarus                         mente zur Anwendung. Die Mitarbeitenden der Fach-
immer noch an der Landsgemeinde erfolgt, mit gro-                     stelle KBM wurden an DyRiAS, dem JACA-Modell
sser Befürwortung.                                                    (de Becker 2001), dem Stufenmodell (Calhoun und
    Wie bereits erwähnt, erschien die Struktur des                    Weston, 2003) und der Typologie von Warnverhalten
KBM Solothurn auch für den Kanton Glarus sehr                         (Guldimann, Hoffmann, Meloy 2013) ausgebildet.
geeignet. In allen betroffenen Amtsstellen und Ins-
titutionen der kantonalen Verwaltung und der Ge-                                                                   -LZ[Z[LSS\UNILZVUKLYLY
                                                                                                                       =VYRVTTUPZZL                                 5V[MHSS
meinden wurden Ansprechpersonen in der «Bedro-
hungs-Thematik» mit einem einmaligen Aufwand                                                                            4LSK\UNHU
von zwei Tagen ausgebildet. Die Aufgabe dieser                                                                         (UZWYLJOWLYZVU

Ansprechpersonen ist die erste Beurteilung/Ein-
                                                                                                                    (UZWYLJOWLYZVUZJOH\[                      )L\Y[LPS\UNHR\[
schätzung von Bedrohungsereignissen in der betref-                     2LPUL4HZZUHOTLILLUKLU                       OPU\UKIL\Y[LPS[                      4LSK\UNHU7VSPaLP
fenden Amtsstelle, die Beratung/Betreuung des be-
                                                                             -HSSM Y(T[ZJOLM
troffenen Mitarbeitenden und der Entscheid, ob der                                                                  4LSK\UNHU-HJOZ[LSSL                    (UOHUK4LSK\UN
                                                                                                                           2)4                             :64(K\YJOKPL7VSPaLP
Fall aufgrund seiner Qualität in standardisierter Form
der kantonalen Fachstelle Bedrohungsmanagement                               2LUU[UPZUHOTL                                                               )L\Y[LPS\UN(R\[ZP[\H[PVU!
                                                                                                                        )L\Y[LPS\UNPT
                                                                            2LPUL4HZZUHOTL                                                               7VSPaLPPUMVYTPLYLU\UK
zu melden ist. Die Fachstelle Bedrohungsmanage-                                 ILLUKLU
                                                                                                                        2)42LYU[LHT
                                                                                                                                                        ^LP[LYLZ=VYNLOLUILZWYLJOLU
ment wurde als neue Aufgabe bei der Kantonspo-
lizei Glarus angesiedelt. Diese prüft die Fälle und                          -HSSM Y(T[ZJOLM
                                                                                                                    -HSSM Y2)42LYU[LHT
stellt (falls notwendig) zur Beurteilung ein Kernteam                                                                        (UHS`ZL
                                                                                                                        -HSSTHUHNLTLU[
zusammen. Das Kernteam besteht aus ständigen                                                                              4HZZUHOTLU                              2HWV:6\UK2HWV.3
Mitgliedern der Staatsanwaltschaft, KESB, Psychia-
                                                                      Abb. 2: Prozesse KBM
trie und Kantonspolizei. Situativ kann das Kernteam
mit Fachleuten aus anderen Amtsstellen/Institutio-                    Realisierung und erste Erfahrungen
nen ergänzt werden.                                                   Die erforderlichen Personen waren bestimmt und aus-
    Zur Rekrutierung von geeigneten Ansprechper-                      gebildet. Die Strukturen und Prozesse waren definiert.
sonen wurde nach dem Top-down-Verfahren vor-                          Das revidierte Polizeigesetz trat per 1. Januar 2017
gegangen, d.h. die Informationen wurden von den                       in Kraft und so nahm das KBM Glarus die operative
zuständigen Regierungsräten an ihre Departemente                      Tätigkeit auf.
und Hauptabteilungen weitergeleitet. So war ge-                          Nach den ersten zehn Monaten kommen wir zur
währleistet, dass innert Kürze 30 Ansprechpersonen                    Erkenntnis, dass sich die gewählten Strukturen und
in den betroffenen Amtsstellen und Institutionen ge-                  Prozesse bewährt haben. Anfänglich gelangten Mel-

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BEDROHUNGSMANAGEMENT IM KANTON GLARUS

             dungen noch in nicht genügender Qualität zur Fach-                    Fälle konnten mit einer Verhaltensempfehlung an
             stelle KBM und die Ansprechpersonen nahmen ihre                       die Meldestelle zurückgegeben werden. In Elf Fällen
             Filterfunktion eher zögerlich wahr. Dies konnte aber                  war ein aktives Fallmanagement angezeigt, welches
             fortlaufend korrigiert werden. Die Fachstelle KBM                     in Zusammenarbeit mit geeigneten Amtsstellen/Ins-
             wird aber nicht nur aufgrund von Meldungen aktiv,                     titutionen oder Personen aus dem privaten Umfeld
             sondern agiert auch proaktiv. Sie prüft beispielswei-                 umgesetzt wird.
             se in Fällen von häuslicher Gewalt den Sachverhalt
             und führt eine Ersteinschätzung durch. Ein klarer                     Fazit
             Mehrwert ist, dass Meldungen und Informationen                        Elementare Komponenten bei einem KBM sind die
             nun an einer Stelle zusammenlaufen und es dadurch                     interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Vernetzung
             erst möglich wird, ein umfassendes und realistisches                  innerhalb der Amtsstellen/Institutionen und klare
                                        Bild über eine Situation zu                Zuständigkeiten. Im Kanton Glarus wurde ein Modell
Die Fachstelle KBM wird nicht erhalten. Sofern aufgrund                            realisiert, welches diesen Komponenten Rechnung
    nur aufgrund von Meldun- der Ersteinschätzung an-                              trägt. Weiter findet eine fortlaufende Sensibilisierung
 gen aktiv, sondern agiert auch gezeigt, hat sich die Ge-                          der Thematik in den Ämtern und Institutionen statt.
                          proaktiv. fährderansprache als sehr                      Betroffene Personen sind nicht mehr auf sich allei-
                                        gutes Instrument erwiesen.                 ne gestellt. Sie kennen ihre Ansprechpersonen und
             Sie bietet die Möglichkeit, die als bedrohlich wahrge-                Möglichkeiten, wenn sie mit bedrohlichem Verhal-
             nommene Person mit ihrem Verhalten zu konfrontie-                     ten konfrontiert sind oder eine mögliche Gewaltes-
             ren, dabei ihre Beweggründe zu erfahren und diese                     kalation erkennen. Im Unterschied zu Zeiten vor der
             zu verstehen, aber auch klare Grenzen zu setzen und                   Einführung des KBM ist heute eine strukturierte, ef-
             gegebenenfalls Vereinbarungen zu treffen. Seit dem                    fiziente und professionelle Fallbearbeitung möglich.
             1. Januar 2017 wurden der Fachstelle KBM insgesamt                    Dies schafft Sicherheit und schont gesamtheitlich
             21 Meldungen erstattet. In all diesen Fällen konnte                   gesehen auch klar Ressourcen.
             aufklärend und entschärfend gewirkt werden. Zehn

              Literaturverzeichnis
              Calhoun, Frederick S. & Weston, Stephen W., Contemporary             Magni, Sandro, Bedrohungsmanagement für den Kanton Glarus,
              Threat Management: A Practical Guide for Identifying, Assessing,     Seminararbeit CAS FIP, Neuchâtel: Schweizerisches Polizei-Institut/
              and Managing Individuals of Violent Intent, San Diego: Specialized   Hochschule Luzern, 2014.
              Training Services, 2003.                                             Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement (I:P:Bm),
              de Becker, Gavin, Mut zur Angst: Wie Intuition uns vor Gewalt        «Was ist psychologisches Bedrohungsmanagement», [Darmstadt]:
              schützt, Frankfurt am Main: Fischer, 2001.                           I:P:Bm, 2017. Verfügbar unter http://www.i-p-bm.com/home/
              Guldimann, Angela, Hoffmann, Jens & Meloy, J. Reid, «Eine            psychologisches-bedrohungsmanagement.html.
              Einführung in die Warnverhalten Typologie» in Hoffmann, Jens,
              Karoline Roshdi, Rudolf von Rohr (Hrsg.), Bedrohungsmanagement:
              Projekte und Erfahrungen aus der Schweiz, Frankfurt: Verlag für
              Polizeiwissenschaft, 2013.

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BEDROHUNGSMANAGEMENT IM KANTON GLARUS

Résumé
La gestion des menaces dans le canton de Glaris           au niveau cantonal (Kantonales Bedrohungsmanage-
Les actes de violence graves dans un contexte public      ment, KBM). Cette démarche a permis de définir les
ou privé se font plus fréquents. Selon l’état actuel      structures et processus requis et d’adapter la Loi sur
des connaissances, une collaboration structurée et        la police aux exigences de la KBM, puis de former
méthodique entre différents services et la police per-    des répondants au sein des unités administratives
mettrait souvent une détection précoce, une meil-         et institutions concernées. La Police cantonale de
leure évaluation et donc une meilleure prévention de      Glaris a, quant à elle, mis sur pied un service KBM
ces infractions. Dans le canton de Glaris, les autori-    et créé un noyau d’experts interdisciplinaires. Après
tés et d’autres institutions ne géraient pas de manière   dix mois de fonctionnement, elle arrive à la conclu-
uniforme les informations liées à des auteurs poten-      sion que ces nouvelles structures et ces nouveaux
tiels de crimes violents ou à des situations pouvant      processus ont fait leurs preuves. Les composantes
déboucher sur une escalade de la violence. Il n’exis-     essentielles de la KBM, la collaboration interdiscipli-
tait pas de concepts ou de structures dédiés et au-       naire et la mise en réseau des autorités fonctionnent.
cune démarche commune n’était définie. Dans des           Les personnes concernées ne sont plus livrées à
cas complexes, la Police cantonale a régulièrement        elles-mêmes, elles connaissent leurs interlocuteurs
atteint certaines limites tant en termes de protection    et les possibilités existantes pour réagir à des com-
des données que de connaissances techniques.              portements menaçants. Le traitement efficace et
    Cette situation peu claire et non structurée a ame-   professionnel des cas résultant de cet état de fait
né le Conseil d’État à créer un groupe de projet char-    augmente la sécurité et contribue globalement à une
gé de la mise en place d’une gestion des menaces          gestion plus rationnelle des ressources.

Cours ISP – SPI-Kurs – Corso ISP

La sécurité dans l’environnement des manifestations sportives (6.10.10.fd) :
1er au 5 avril 2019
Cette formation ISP traite les notions fondamentales et les différentes formes de violence lors de manifestations sportives.
Elle encourage également l’échange d’informations entre les spécialistes ainsi que la compréhension entre les différentes
sections d’engagements liées aux manifestations sportives. Dans les modules interactifs (workshop), des standards communs
aux manifestations sportives en Suisse sont élaborés et définis par les participants.

Objectifs :
• Création de standards communs pour les manifestations sportives en Suisse
•	Doctrine d’engagement commune pour les forces de maintien de l’ordre déployées dans le cadre de ce type d’interventions
   (sportives à risques)
• Approfondissement des aspects tactiques, légaux et psychologiques liés au hooliganisme
• Échange d’informations et d’expériences entre spécialistes

Public-cible :
Spécialistes du hooliganisme (spotter / spotter light), chefs d’engagement lors de manifestations sportives, police ferroviaire /
CGFR
Inscription jusqu’au :
29 janvier 2019 sur www.edupolice.ch

format magazine no 7                                                                                                        59
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