Chemnitzer Geschichtskalender - Monarch: Qucosa

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Chemnitzer Geschichtskalender

 Online-Plattform der Professur Geschichte Europas im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit an der
                                Technischen Universität Chemnitz
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                                        (ISSN: 2568-9304)

                                Kalenderblatt Juli 2021

             Schloss Augustusburg – Die Krone des Erzgebirges

                                Claudia Glashauser, Augustusburg

Zwischen 1471 und 1572 entstanden in Sachsen vier kurfürstliche Schlösser, die zu den bedeutendsten
architektonischen und zu ihrer Zeit modernsten Schöpfungen im Heiligen Römischen Reich deutscher
Nation gehörten: Schloss Albrechtsburg in Meißen, Schloss Hartenfels in Torgau, das Residenzschloss
in Dresden und Schloss Augustusburg bei Chemnitz.

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Schloss Augustusburg ist dabei eine in Europa bedeutende Schlossanlage, die vor allem wegen ihrer
regelmäßigen Vierflügelbauweise ihren internationalen Ruf erworben hat. Es war Kurfürst August
von Sachsen (nicht zu verwechseln mit Kurfürst August dem Starken, der sein Ur-Ur-Urenkel war),
der von 1568 – 1572 in der Renaissance dieses eindrucksvolle Schloss errichten ließ.

Anlass für den Schlossbau war der Sieg des Kurfürsten über seinen ernestinischen Vetter Johann
Friedrich II., der die an die Albertiner gefallene Kurwürde zurückgewinnen wollte. Während der
sogenannten Grumbachschen Händel 1567 konnte Kurfürst August Gotha erobern, den geächteten
Johann Friedrich II. gefangen nehmen und auf diesem Weg einige thüringische Ämter erwerben. Im
Auftrag von Kaiser Maximilian II. vollzog er erfolgreich die Reichsexekution, führte also die
Umsetzung der herrscherlichen Anordnung auf militärischem Wege aus.

Der Schlossbau soll an Augusts Triumph erinnern und demonstrieren, dass er der rechtmäßige
sächsische Kurfürst ist. Das Schloss gilt somit als Zeichen des Friedens und der Macht. Dabei war der
Platz wohl gewählt – weithin sichtbar auf dem Schellenberg erhebt sich Schloss Augustusburg auf
einem 516m hohen Quarzporphyrkegel über dem Zschopautal. Konzipiert als Jagd- und Lustschloss
hat das monumentale Bauwerk seither nichts von seiner Ausstrahlung verloren. Es gehört durch
seine Entstehungsgeschichte, architektonische Disposition und Erhaltung seiner inneren Bausubstanz
sowie wandgebundenen Innenausstattung zu den bedeutendsten Schlössern seiner Zeit in Europa.

Bereits im 13. Jahrhundert, im Zuge der Besiedlung des Erzgebirges, wurde auf dem Schellenberg
eine Ritterburg – die Burg Schellenberg – errichtet, die jedoch durch Brandschäden allmählich zerfiel.
Im Jahr 1567 wurden die Reste der Burg soweit abgetragen, dass im darauffolgenden Jahr der Bau
des Schlosses beginnen konnte. Unter der Leitung des Baumeisters Hieronymus Lotter begann der
Bau des Jagd- und Lustschlosses am 30. März 1568 mit der Grundsteinlegung. Nach nur 21 Monaten
waren die vier markanten Eckhäuser sowie die beiden Portale und das Zwischengebäude an der
Westseite im Rohbau fertiggestellt.

Das beschwerliche Herbeischaffen der Baumaterialien sowie Aufstände der Bauleute aufgrund der
schlechten Arbeitsbedingungen führten zu Bauverzögerungen. Die geplante Vollendung des
Schlosses 1571 konnte nicht eingehalten werden. Außerdem musste Lotter 15.000 Gulden eigenen
Geldes in den Schlossbau einbringen, um die Arbeiten voranzutreiben. Das sich verschlechternde
Verhältnis zwischen Lotter und dem Kurfürsten besiegelte letztendlich das Schicksal des Baumeisters.
Im Januar 1572 entließ August den greisen Lotter, obwohl bereits in nur vier Jahren das Kernschloss
und die Ställe fertig gestellt waren. Die weitere Oberaufsicht übergab er seinem Oberzeug- und
Baumeister Rochus Graf zu Lynar, der die Abschlussarbeiten leitete. Im Jahr 1573 waren alle Räume
ausgestattet und die restlichen Außenarbeiten erledigt.

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Schloss Augustusburg folgt einem streng geometrischen Aufbau, der mit den vier quadratischen
Eckhäusern „Sommerhaus – Lindenhaus – Küchenhaus – Hasenhaus“ ein griechisches Kreuz bildet.
Durch die Zwischengebäude und die Balustrade (heute nur noch teilweise vorhanden) sind die
Häuser untereinander verbunden. Mit dem Innenausbau begann 1570 auch die Ausmalung und
Ausstattung der Räume. Der jüngst zum Hofmaler ernannte Heinrich Göding hatte die anspruchsvolle
Aufgabe, alle Säle sowie ausgewählte Stuben und Kammern mit illusionistischem "Steinwerk"
auszumalen. Einige Räumlichkeiten wie der Venussaal, der Hasensaal oder die Affenstube sind durch
langjährige Restaurierungsarbeiten wieder in ihrer vollen Pracht zu bestaunen.

Die Augustusburger Schlosskirche wurde von dem niederländischen Baumeister Erhard van der Meer
entworfen. In der Planung wurde festgelegt, dass die kurfürstliche Familie direkten Zugang von ihren
Gemächern auf die Empore der Kirche hatte. Martin Luther und der protestantische Glaube dienten
auch für Kurfürst August als Richtschnur. Die Kirche war demnach einer der ersten protestantischen
Kirchenneubauten in Deutschland. Den Auftrag für das berühmte Altargemälde erhielt der
Wittenberger Maler Lucas Cranach der Jüngere. Es zeigt die kurfürstliche Familie am Fuße des
gekreuzigten Christi’. Neben dem Kurfürstenpaar sind alle Kinder, auch die damals schon
verstorbenen, dargestellt.

War der Schlossbau und die Innenausstattung in wenigen Jahren vollzogen, stellte die
Wasserversorgung in dieser Höhenlage für damalige Verhältnisse ein gravierendes Problem dar. Der
Kurfürst gab daher im Jahr 1568 dem Freiberger Oberbergmeister Hans Martin Planer den Auftrag,
einen Brunnen im Wirtschaftshof zu teufen, also einen senkrechten Schacht in das Gestein zu
treiben. Das Abteufen des Brunnens gestaltete sich äußert mühsam und langwierig. Denn aufgrund
des harten Gesteins bediente man sich der Technik des Feuersetzens, bei der ein Feuer auf dem Stein
gelegt und mit kaltem Wasser gelöscht wurde. Dadurch wird das Gestein brüchig und kann leichter
abgetragen werden. Durchschnittlich wurde der Brunnenschacht im Monat bei einem Durchmesser
von ca. 3,20 m um ca. 1,20 m abgeteuft. So dauerte es neun Jahre, bis man in 130,6 m Tiefe endlich
auf Wasser stieß.

Zu Beginn der Arbeiten waren Bergleute im Einsatz, später auch gefangene Wilddiebe, die
Strafarbeiten verrichteten. Zum Schutz des Brunnens wurde 1579 das ursprüngliche Brunnenhaus
mit einem Göpelwerk gebaut. Das Brunnenhaus mit der Maschinerie in der jetzigen Form wurde
nach einem Brand im Jahr 1831 neu errichtet. Es beherbergt den ältesten noch erhaltenen
Treibgöpel in Sachsen. Das Brunnenhaus war bis zum Anschluss an das öffentliche Wassernetz 1882
regelmäßig in Betrieb. Seit 2019 ist das Brunnenhaus assoziiertes Objekt des UNESCO-Welterbes der
Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří. Aufgrund des sinkenden Interesses der Landesherren verfiel
das Schloss zunehmend. Im 18. Jahrhundert war der Zustand besorgniserregend. Von 1798 – 1802
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erfolgte daher nach der Entscheidung des kurfürstlich-sächsischen Hofes ein großer Schlossumbau,
der den Erhalt des Schlosses sicherte. Eine museale Nutzung begann bereits 1922.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss jedoch als Reichsausbildungslager missbraucht.
Erst nach dem 2. Weltkrieg erlangte Schloss Augustusburg wieder an Bedeutung. Es wurden große
Anstrengungen unternommen, dieses vor dem weiteren Verfall zu schützen. Die 1960er und 1970er
Jahre brachten dann erste Fortschritte für die Wiederherstellung der ursprünglichen Kubatur des
Schlosses sowie restauratorische Maßnahmen an den Ausstattungsstücken und der Wandmalerei.

Das Denkmal „Schloss Augustusburg“ hat somit über die Jahre hinweg eine bedeutende Änderung
seiner inhaltlichen Aussage erfahren. War das Schloss bis ca. 1970 fast ausschließlich „Denkmal
seiner selbst“, so hat es fortan eine Erweiterung und Aufwertung erhalten. Zu dem beeindruckenden
Renaissanceensemble gesellten sich Museen und Ausstellungen unterschiedlichsten Charakters.
Heute   beherbergt   das Schloss     eindrucksvolle   Sammlungen    wie   das      Motorradmuseum,
Kutschenmuseum, Jagdtier- und Vogelkundemuseum und vieles mehr. Zudem reizen jährlich
wechselnde Sonderausstellungen Besucher unterschiedlichster Zielgruppen auf das Schloss. Somit
hat Schloss Augustusburg auch 450 Jahre nach seiner Entstehungszeit nichts an seiner regionalen und
europäischen Bedeutung verloren – wohl ganz im Sinne des sächsischen Kurfürsten August.

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Literatur

Augustusburg, Schloß und Amt auf dem Schellenberge. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses
vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd 2. Leipzig 1732, Sp. 2195.

Augustusburg, das Schloß. In: August Schumann: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von
Sachsen, Bd. 14. Zwickau 1827, S. 220–224.

Peter Geipel: Die Augustusburg und ihre Landschaft. Deutsche Berge, Bd. 4. Chemnitz 1926.

Britta Günther: Schloss Augustusburg. Sachsens schönste Schlösser, Burgen und Gärten, Bd. 2. Leipzig
2000.

Paul Heinicke: Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Schlosses Augustusburg. Chemnitz 1992
(Nachdruck der Originalausgabe von 1920).

Hans-Joachim Krause: Schloss Augustusburg 1572–1972. Baugeschichte und denkmalpflegerische
Instandsetzung. Augustusburg 1972.

Friedrich Wilhelm Renkewitz: Kurze Beschreibung des Schlosses Augustusburg und seiner
Umgebungen. Leipzig 1836.

Tonio Schulze / Franz Rappel: Schloss Augustusburg: die Krone des Erzgebirges…berühmt für seine
Museen und Sammlungen. Offizieller Führer. Hamburg, Augustusburg 2011.

Stadt Augustusburg (Hrsg.): Schellenberg – Augustusburg. Beiträge zur 800-jährigen Geschichte.
Augustusburg 2006.

Richard Steche: Augustusburg. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler
des Königreichs Sachsen. 6. Heft: Amtshauptmannschaft Flöha. Dresden 1886, S. 7.

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