Beitrag: Laschet am Ende-Manuskript - ZDF

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Manuskript

Beitrag: Laschet am Ende –
             Machtkampf in der Union

Sendung vom 12. Oktober 2021

von Andreas Halbach, Eleni Klotsikas und Reinhard Laska

Anmoderation:
Die CDU braucht nicht nur eine neue Führungsriege, sondern
neue Wege, sie zu wählen - sagen viele an der Basis. Es
wurde zu lange zu wenig auf sie gehört, sagen sie auch.
Deshalb konnte Armin Laschet auch ihre Favoriten
ausstechen: erst Friedrich Merz bei der Kür zum CDU-
Parteichef, dann Markus Söder beim Machtkampf um die
Kanzlerkandidatur. Und dieser Armin Laschet verlor mit der
Union krachend die Wahl. Jetzt sucht die CDU nach einem
Nachfolger und nach Erneuerung. Eleni Klotsikas und
Reinhard Laska berichten.

Text:
Ein gescheiterter Kanzlerkandidat, ein Parteivorsitzender auf
Abruf – ein Mann, der nicht loslassen will: Armin Laschet.

Hier ist er zu Hause, in Aachen-Burtscheid. Manchmal kauft er
an dem Büdchen seine Zigarillos. Die Burtscheider kennen
ihn, nach seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur -
mitfühlende Worte:

O-Ton:
Ich denke mal, man hat ihn einfach so ins kalte Wasser
geschmissen - wo man nicht vernünftig schwimmen kann, tut
es das nicht.

O-Ton:
Herr Laschet kann einem leidtun, hat sich sehr aufgeopfert -
und dann, was ich auch nicht richtig finde in der Politik, dass
das denn so undankbar ist. Wie die dann mit ihren Leuten
umgehen, das finde ich gar nicht ordentlich, so was.
O-Ton:
Vielleicht soll er sich jetzt auf sein Bundestagsmandat
konzentrieren und eine ruhige Kugel schieben und dann halt,
ja, gemütlich hier ein Bierchen trinken kommen.

Doch soweit ist es noch nicht. Laschet will nicht aufgeben.
Dabei haben er und seine CDU sogar in seiner Heimatstadt
verloren. Da half auch die Kanzlerin nicht. In seinem Aachen
machen die Grünen das Rennen, gewinnen mit satten 30
Prozent - so ist es in vielen großen Städten: Die CDU liegt
hinter den Grünen.

Der Europaabgeordnete Dennis Radtke hatte auf Kanzler
Laschet gesetzt, jetzt ist die Enttäuschung groß:

O-Ton Dennis Radtke, CDU, MdEP:
Wenn man sich das nackte Ergebnis ansieht, dann kommt
man zu dem Schluss, dass jede Menge falsch gelaufen ist.
Wir haben 2,5 Millionen Wähler als Unionsparteien in der
Mitte verloren, an SPD und Grüne. Und das hat nach meinem
Dafürhalten vor allen Dingen damit zu tun, dass wir bei vielen
sozialen Themen - ob beim Thema Wohnen, beim Thema
Rente - schlicht und ergreifend die PS nicht auf die Straße
bekommen haben.

Doch auch mit dem Lastenfahrrad kam die CDU nicht recht
voran. Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus –
zeitgleich zur Bundestagswahl - trat Lucas Schaal an: 31
Jahre alt, und trotzdem schon lange in der CDU. Mit ihm
wollte die Union in Berlin-Mitte gewinnen. Doch dann war da
noch Laschet.

O-Ton Lucas Schaal, Junge Union, Vorsitzender Kreisverband
Berlin-Mitte:
Es kam schon die Erfahrung, auch insbesondere von unseren
treuen Stammwählern, die am Stand vorbeikamen und die
gesagt haben, dass sie in der jetzigen Situation leider nicht
mehr die Union wählen können. Und das ist natürlich für
einen Wahlkämpfer schmerzhaft, wenn man das hört, uns das
immer in Verbindung mit dem Kanzlerkandidaten gebracht
wird.

Das dürfe nicht noch mal passieren, findet Lucas Schaal. Die
Partei müsse sich wieder auf ihre Basis besinnen.

O-Ton Lucas Schaal, Junge Union, Vorsitzender Kreisverband
Berlin-Mitte:
Ich glaube, dass man da ein Stück weit wieder eine
Versöhnung mit sich selbst braucht, das Oben und das Unten
in der Partei zu verbinden. Und ich halte dafür eine
Mitgliederbefragung um den nächsten Partievorsitz für das
richtige Mittel.

Die Union stecke in einer großen Krise - und das schon
ziemlich lang. Historiker pflichten dem bei:

O-Ton Prof. Andreas Rödder, Historiker, Johannes
Gutenberg-Universität Mainz:
Die Union hat in den letzten Jahren zunehmend auf eine
Politik der Anpassung gesetzt, die vor allen Dingen rote und
grüne Positionen übernommen hat. Und sie hat es versäumt,
eigene christdemokratische, christdemokratisch begründete
politische Positionen zu entwickeln. Und dadurch hat sie
einen Verlust an innerer Mitte, Sie können auch sagen, eine
Art christdemokratischen Identitätsverlust erlitten. Und den
spüren die Wähler, den merkt man einer Partei an und
darunter leidet die Union jetzt.

So wie in Sachsen. Über Jahrzehnte holte hier die Union jedes
Direktmandat. 2017 hatte es noch geklappt für Alexander
Krauß, doch diesmal ging es gründlich schief. Die AFD hat
sich durchgesetzt, nicht nur im Erzgebirge - zehn von 16
Direktmandaten in Sachsen.

O-Ton Alexander Krauss, CDU, Bundestagskandidat,
Erzgebirgskreis:
Das ist auch bitter, weil ich glaube, ich habe sehr viel für den
Wahlkreis gemacht, ich habe mich richtig angestrengt. Wir
haben hier viel erreicht, für diesen Wahlkreis. Und das ist
dann schade, wenn dann Leute gewählt werden, die noch
nicht mal einen Satz gerade sprechen können.

Und dann noch einen Kanzlerkandidaten, den Krauß am
liebsten versteckt hätte.

O-Ton Alexander Krauss, CDU, Bundestagskandidat,
Erzgebirgskreis:
Also, wir haben ein paar Armin-Laschet-Plakate auch bei uns
natürlich aufgehängt, keine Frage. Aber richtig ist, dass er
nicht die Zugkraft hatte, um wirklich dann Stimmen zu ziehen.
Also, Armin Laschet war uns eher weniger eine Hilfe.

O-Ton frontal:
Sondern?

O-Ton Alexander Krauss, CDU, Bundestagskandidat,
Erzgebirgskreis:
Ja, es war eher eine Belastung.
Mit der Parteiführung geht Krauss hart ins Gericht. Sie habe
auf der ganzen Linie versagt:

O-Ton Alexander Krauss, CDU, Bundestagskandidat,
Erzgebirgskreis:
Der Wahlkampf war mit heißer Nadel gestrickt, wir hatten kein
richtiges Thema, wofür wir standen, wo die Leute gesagt
haben, deswegen wähle ich CDU. Die CDU wollte weiter
regieren - und das ist zu wenig.

Alexander Krauß muss sich einen neuen Job suchen. Ob er
noch einmal für die CDU antritt, weiß er noch nicht.

O-Ton Alexander Krauss, CDU, Bundestagskandidat,
Erzgebirgskreis:
Also, die CDU sollte sich neu aufstellen und sie hat - glaube
ich - auch die Möglichkeit, sich in der Opposition zu
regenerieren. Und wir sollten aufpassen, dass wir Volkspartei
bleiben.

Volkspartei? Mit 17,2 Prozent in Sachsen nur noch dritte
Kraft.

Auch Christiane Schenderlein hat ihren Wahlkreis an die AfD
verloren, gelangt nur über die Liste in den Bundestag.

O-Ton Christiane Schenderlein, CDU, MdB, Landesverband
Sachsen:
Also, ich habe festgestellt, dass wir hier in der Region doch
schon verfestigte Strukturen haben, für die AfD. Das sind so
in etwa 25 Prozent, die sind ganz klar verortet in der Region,
und das ist ganz schwierig, an diese Personen überhaupt
heranzukommen, weil, sie sind auch gar nicht greifbar.

Er sollte helfen. Ihn holte die CDU gern nach Sachsen - keine
rheinische Frohnatur, sondern Friedrich März eben, mit 40
Prozent erfolgreich in seiner Heimat Sauerland. Das
überzeugt:

O-Ton Christiane Schenderlein, CDU, MdB, Landesverband
Sachsen:
Wir sollten schon ehrlich sein, und natürlich hat Friedrich
Merz auch hier in der Region Anklang. Das liegt daran, dass
er doch den Markenkern CDU im Wirtschaftsbereich und im
außenpolitischen Bereich ganz klar mitbedient, dass auch hier
im Mittelstand ein Interesse auch an Friedrich Merz besteht.
Er gehört mit in die aktuellen Reihen.
Friedrich Merz als Erneuerer der Partei oder Norbert Röttgen,
der in NRW die Landtagswahl verlor, nun als Retter der Union
- vielleicht Jens Spahn, als Corona-Manager der
Bundesregierung umstritten?

Und dann lauert da noch Markus Söder, der selbst gern
Kanzler geworden wäre.

O-Ton Prof. Andreas Rödder, Historiker, Johannes
Gutenberg-Universität Mainz:
Die Union steckt in einer historisch tiefen Krise und sie ist
dringend darauf angewiesen, dass sie sich inhaltlich erholt,
neu belebt und geradezu neu erfindet, wenn sie eine
politische Zukunft haben will. Und das ist eine
Zukunftsinvestition und keine Investition, die damit getan
wäre, dass sie zwei bis drei Personen austauschen oder
innerhalb von ein paar Wochen oder wenigen Monaten ein
paar organisatorische Maßnahmen verändern.

Zurück nach Aachen. In der Zeitung: Gerüchte um Rückzug.

Monsignore Heribert August ist Laschets geistlicher Beistand.
Nach dessen Niederlage hat er einen Rat für seinen Freund:

O-Ton Monsignore Heribert August, Päpstlicher Ehrenkaplan:
Also, ich wünsche ihm sehr, dass er dann ein bisschen mehr
Zeit bekommt für viele Dinge, die er jetzt in den, letzten
Jahren, sicher sein lassen musste - für die Familie, für die
Kinder, für die Feste der Kinder, und auch den Blick zu haben
auf das, was sie machen. Und dass er dann natürlich auch
gemütlich mal wieder mit uns zusammensitzt, sein Zigarillo
auspackt - und, ja, das genießt.

Laschet als entspannter Rentner – ob er das schon will?

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