Beitrag: Steuerbetrug leicht gemacht-Manuskript
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Manuskript Beitrag: Steuerbetrug leicht gemacht – Fahnder auf verlorenem Posten Sendung vom 11. März 2014 von Michael Haselrieder, Herbert Klar, Alexander Poel und Jobst Spengemann Anmoderation: Der mächtigste Mann des FC Bayern, Ulrich Hoeneß, gibt sich reumütig vor Gericht. Und gesteht scheibchenweise, immer mehr Steuern nicht gezahlt zu haben. Heute reden wir schon über mehr als 27 Millionen: Für Gewinne, die seine Konten in der Schweiz abgeworfen hatten. Das Alpenland windet sich noch immer, gibt nur zögerlich Auskunft übers Schwarzgeld. Auch die Steuerfluchtburgen Österreich, Liechtenstein und Luxemburg blockieren gerne solche EU-Regeln. Geloben aber Besserung. Und bieten weiter immer neue sichere Verstecke. Männern wie Hoeneß, für den es jetzt allerdings heiß werden könnte. Text: 9.30 Uhr heute Morgen. Es läuft nicht gut für den Präsidenten des FC Bayern. Fast stündlich werden zusätzliche Millionen gemeldet, die Uli Hoeneß hinterzogen habe: erst 3,5 dann 18,5, jetzt 27 Millionen. Für alle Unterlagen und Informationen war die Staatsanwaltschaft auf Uli Hoeneß angewiesen. Er selbst besorgte die Papiere in der Schweiz, legte vergangene Woche noch einmal tausende Seiten vor, denn Schweizer Banken helfen den deutschen Behörden in der Regel nicht bei der Aufklärung von Steuerbetrug. O-Ton Ken Heidenreich, Staatsanwaltschaft München: Wir haben immer gewusst, dass es Unterlagen gibt. Es lag aber nicht in unseren Händen, sie selber beizubringen. Wir haben den Angeklagten beziehungsweise die Verteidigung immer wieder drauf hingewiesen, die Unterlagen werden benötigt, um einen Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit auch zu bewirken. Nun wurden sie - bedauerlicherweise aus unserer Sicht - erst kurz vor dem Prozess uns vorgelegt. Möglich sind solche Steuerbetrügereien von Uli Hoeneß und anderen nur, weil in Steueroasen wie der Schweiz professionelle
Berater ihren Kunden helfen, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. Der Koblenzer Steuerfahnder Rainer S. hat viel Erfahrung mit versteckten Geldern in der Schweiz und Österreich. Er muss anonym bleiben, beschreibt seine tägliche Arbeit als Wettlauf zwischen Hase und Igel. O-Ton Rainer S., Steuerfahnder: Der Wettlauf beginnt ja ungleich, weil unsere Gegenseite im Vorteil ist. Sie macht sich Gedanken darüber, wie sie Steuern hinterzieht, so dass wir nicht dahinter kommen. Dann laufen wir immer hinterher. Deshalb sind Hinweise aus dem intimen Bereich, an die wir sonst nicht rankommen sehr, sehr wichtig. Zum Beispiel von der Ehefrau oder Nachbarn. Die zweitwichtigste Quelle im Kampf gegen Steuerbetrüger sind angekaufte CDs mit Kundendaten von Schweizer Banken. Reinhard Kilmer, ehemaliger Steuerfahnder, verhandelte monatelang mit dem Mitarbeiter einer Schweizer Großbank. O-Ton Reinhard Kilmer, ehemaliger Steuerfahnder: Datenankäufe sind sehr kompliziert. Schon die Kontaktaufnahme ist meistens sehr kompliziert, und sie ziehen sich, nach meiner Einschätzung, meistens über einen mehrmonatigen Zeitraum hin. Das hängt einfach damit zusammen, dass natürlich die deutsche Finanzverwaltung nicht die Katze im Sack kaufen möchte. Im September 2011 trifft Kilmer am Bodensee einen Schweizer Banker. Der bietet 350 Datensätze von deutschen Großanlegern. Er übergibt eine CD - mit ersten Informationen als Probe. Die erweisen sich als wertvoll für die Fahnder. Für die gestohlenen Daten bekommt der Bankmitarbeiter später einen Millionenbetrag und eine neue Identität. O-Ton Reinhard Kilmer, ehemaliger Steuerfahnder: Ich sehe den Ankauf eigentlich auch nur als eine Notlösung. So lange diese Länder Straftäter schützen, ist es für mich auch moralisch vertretbar, wenn man derartige Daten ankauft. Solche Informationen über Steuerbetrüger werden von den Staatsanwälten abgearbeitet. So konnten die Koblenzer Steuerfahnder zusammen mit ihren anderen Kollegen aus allen anderen Bundesländern insgesamt drei Milliarden Euro für die deutsche Staatskasse eintreiben. Doch nicht nur in der Schweiz blüht das Geschäft rund um die Steuerhinterziehung. Auch in EU-Staaten wie Österreich und Luxemburg. Diese beiden Länder blockieren seit langem die geplante EU-Zinsrichtlinie. Damit soll ein automatisierter und
europaweiter Datenaustausch der Zinserträge gewährleistet werden. O-Ton Markus Henn, Koordinator Netzwerk Steuergerechtigkeit: Luxemburg und Österreich sind bekanntermaßen Steueroasen. Sie haben in Einzelbereichen ihrer Gesetzgebung es geschafft, Gelder anzuziehen und wollen das weiterhin verteidigen. Wenn sie nichts zu verbergen hätten, könnten sie ja austauschen. Das heißt, es geht ihnen wirklich aktiv darum, ihr Bankgeheimnis zu schützen. Das hatte auch Gerhard Gribkowsky genutzt. Der ehemalige Risikovorstand der BayernLB setzte auf die Steueroase Österreich. Für sein Wohlverhalten bei einem Geschäft ließ er sich von Formel1-Legende Bernie Ecclestone mit 44 Millionen Euro schmieren. Um dem deutschen Fiskus zu entgehen engagiert Gribkowsky einen Steuerfachmann. Gerald Toifl - einen der bekanntesten Experten Österreichs. Er entwickelt für Gribkowsky ein Steuersparmodell. O-Ton Daniel Amelung, Strafverteidiger von G. Gribkowsky: Der Steuerberater auf österreichischer Seite hat ihm gesagt, dass das Modell in Österreich zur Steuerpflicht führe, aber in Deutschland eben nicht zur Steuerpflicht führe. Darauf hat er sich verlassen und musste dann feststellen, dass die deutschen Steuerbehörden, insbesondere die Steuerfahndung, das ganz anders sieht, und so kam es dann zur Anklage in der Sache. 2012 verurteilt das Landgericht München Gribkowsky zu achteinhalb Jahren Haft, hauptsächlich wegen Steuerhinterziehung von rund 15 Millionen Euro. Inzwischen ist auch Berater Toifl in München wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Salzburg. Wir suchen Professor Toifl, wollen mit ihm über seine Steuermodelle sprechen. An der juristischen Fakultät der Uni Salzburg hält Toifl noch immer Vorlesungen – in Steuerrecht. Doch Toifl treffen wir nicht an. O-Ton Frontal21: Wir würden gerne mal wissen, wieso hält er eigentlich bei ihnen noch Unterricht, wie kommt das, da gibt es ja gewisse Geschehnisse in puncto Fehlberatung et cetera pp. Wieso kann er denn noch bei ihnen, bei der Universität hier unterrichten? O-Ton Prof. Christoph Urtz, Leiter juristische Fakultät Universität Salzburg: Also, von Fehlberatung weiß ich nichts. Es gibt laufende Verfahren im strafrechtlichen Bereich, wo aber keine
Entscheidung getroffen wurde. Ich weiß auch gar nicht, ob da jetzt irgendwas weitergeht, das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber das hat ja mit Lehre nichts zu tun, prinzipiell. Und so werden Toifls Lehrbücher weiter im Unibetrieb verwendet, seine Version des Steuerstrafrechts gilt als reine Lehre. Gegenüber Frontal21 weist Toifl am Telefon alle Vorwürfe zurück. Vergangene Woche in Berlin. Der österreichische Finanzminister zu Besuch. Ein wichtiges Thema: die österreichische Blockade der EU-Zinsrichtlinie. Der Minister aus Wien spielt auf Zeit - wie immer. O-Ton Michael Spindelegger, ÖVP, Finanzminister Österreich: Wir sind gesprächsbereit. Wir haben jetzt demnächst zu erwarten, dass die Europäische Kommission uns einen Zwischenbericht gibt über die Verhandlungen mit Drittstaaten. Der wird jetzt auf den Tisch kommen und den werden wir dann sorgsam diskutieren. Solche Versprechen gab es in den vergangenen Jahren regelmäßig – von Österreich und von Luxemburg. Unterschrieben haben beide Länder bis jetzt nicht. Deshalb will der Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl den Druck mit einem bewährten Mittel der Steuerfahndung erhöhen. O-Ton Sven Giegold, Spitzenkandidat Die Grünen im Europäischen Parlament: Bisher haben wir ja nur aus Liechtenstein und der Schweiz CDs gekauft. Es ist eigentlich bedauerlich, dass wir das aus Luxemburg und Österreich bisher nicht getan haben. Das sollte man auch deutlich sagen, dass wir bereit sind, solche CDs zu kaufen, denn die Kriminalitätsfälle auf den CDs verjähren. Und wenn wir zu lange warten, bis in Europa eine Einigung hergestellt ist, sind wieder viele unbesteuert davongekommen. Deshalb CD-Käufe helfen für Steuergerechtigkeit und würden auch politischen Druck ausüben. Der Steuerbetrug von Uli Honeß konnte letztlich nur durch ein Datenleck entdeckt werden. Der Bayern-Präsident zeigte sich schnell noch selbst an. Über die Wirksamkeit seiner Anzeige streiten jetzt Staatsanwaltschaft und Verteidigung. O-Ton Michael Ludorf, Steuerfahndung Koblenz: Was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass der Beginn dieser ganzen Berichterstattung bei uns zu einem immensen Zugang der Selbstanzeigen geführt hat. Also, man kann sagen, das ist quasi explodiert Mitte letzten Jahres, als die Berichterstattung dazu losging. Und die Selbstanzeigen haben sich ungefähr um das Dreifache gegenüber den
Werten von vorher erhöht. Bundesweit gingen 60.000 Selbstanzeigen bei den Finanzämtern ein. Der Fall Hoeneß erhöht den Druck auf deutsche Steuerbetrüger. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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