Unwetter und ungewöhnliche Wetterereignisse - Über Erfahrungen unserer Altvorderen mit Naturkatastrophen Ende des
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Unwetter und ungewöhnliche Wetterereignisse Über Erfahrungen unserer Altvorderen mit Naturkatastrophen Ende des 19. Jahrhunderts berichtet das „Teltower Kreisblatt“ folgendes: 3. Januar 1883 Vom Hochwasser. Die Bewohner der Rheinlande haben ein schlimmes Neujahrsfest durch- gemacht, ein noch schlimmeres aber unsere rheinpfälzischen Brüder, welche von der Wasserkalamität in einer geradezu furchtbaren Weise heimgesucht sind. Die Nachrichten, welche von dorther kommen, sind geradezu schrecklich und das Elend, welches die reißenden Fluthen neuerdings über die überschwemmten Gegenden brachten, spotten jeder Beschreibung. Während das erst Mal die Fluth nur langsam stieg und Wochen ge- brauchte, um ihren höchsten Stand zu erreichen, wuchs sie diesmal mit so rapider Schnelligkeit, daß sie in allerkürzester Frist die Höhe, welche sie vor wenigen Wochen inne hatte, abermals erlangte, ja an vielen Stellen überschritt. Dammbrüche der gefährlichsten Art, Brücken- einstürze etc. werden gemeldet und bereits sind schon wieder eine erkleckliche Anzahl von Menschenleben zu Grunde gegangen. Immer und immer müssen wir zur Hilfe eilen, da die bisher eingegangenen Gaben, trotzdem sie eine sehr große Summe repräsentiren, auch nicht im Mindesten zur Linderung der entsetzlichen Noth hinreichen und noch viel gethan werden muß, wenn auch nur die allerdringendsten Bedürfnisse beschafft werden sollen. Darum thue Jeder, was in seinen Kräften steht – jede Gabe, und sei sie noch so bescheiden, ist willkommen, denn sie bildet wieder einen Tropfen in dem Strome der Wohlthätigkeit, der sich in jene Gegenden ergießt und nötig ist, wenn nicht Tausende elend verderben sollen. In Baden hat Neuburgweier bei Mörsch, wo ein entsetzlicher Rheinbruch stattgefunden hat, von den Einwohnern geräumt werden müssen, was, soweit bekannt gegeben wurde, ohne Verluste an Menschenleben vollzogen. Aber die Ortschaft ist zerstört, die Häuser zum größten Theil 34 Ebd., S. 39. – Siehe auch im Abschnitt 1.5.1 ,Beschreibung der Handschrift’. 6
eingestürzt. Artillerie, die auf die Meldung von dem Dammbruch von Karlsruhe abgeschickt ward, traf zu spät an der Unglücksstätte ein. Auch Liedolsheim ist von den Einwohnern verlassen worden. Die durch den Dammbruch bei Mundenheim hervorgerufene Ueber- schwemmung hat an Umfang zugenommen. In der Nähe von Fran- kenthal allein sind in Folge dessen bis gestern eingestürzt: in Bobenheim 70 Häuser, in Rorheim 80 Häuser, in Mörsch 80 Häuser, in Edigheim 60 Häuser, in Oppan 80 Häuser, in Studernheim 20 Häuser etc. In Frankenthal selbst sind 5 Häuser eingestürzt. Menschenleben scheinen indessen hier nicht zu beklagen zu sein. (Es folgt eine teilweise nicht lesbare Aufzählung von Schäden in verschiedenen Städten und eine Meldung über den höchsten Wasserstand in diesem Jahrhundert [?]. - Red.) In Köln sind in den überschwemmten Stadteilen Locomobilen aufgestellt, um die eingedrungenen Wassermassen zu entfernen. In der Witschgasse haben 2 Häuser, die einzustürzen drohten, gestützt werden müssen. Der im …. Garten bis jetzt durch die Ueberschwemmung angerichtete Schaden wird auf 20.000 Mark beziffert. In Düsseldorf blieb am 31. Dezember der Wasserstand nur 65 Ctm. hin- ter der ersten Hochfluth zurück. In einigen Straße stand das Wasser 70 Ctm. über dem Pflaster, doch war für die Communication genügend Sor- ge getragen, da der Magistrat den ganzen Kahnverkehr in seine Hand genommen. Der Wasserstand der Mosel ist bis jetzt noch nicht besorgnißerregend geworden. Dagegen ist ein neues Steigen des Main zu erwarten, nach- dem oberhalb von Haßfurt Wolkenbrüche niedergegangen sind. Auch in Thüringen hat das am 2. Weihnachtstage begonnene Hochwasser ange- halten, doch war die Ueberfluthung nicht so stark wie im November; immerhin hatten die Werra und ihre Nebenflüsse weite Strecken über- schwemmt und mußte einige Tage der Fahrpostverkehr zwischen Eise- nach und Treffurt eingestellt werden. Die Donau ist gleichfalls stark im Steigen begriffen. In Wien ist darum auf Anordnung des Statthalters das Central-Comité für Ueberschwem- mungs-Angelegenheiten zusammengetreten, um die nöthigen Vorkeh- rungsmaßregeln zu treffen. Immer neue, schrecklichere Nachrichten laufen aus den überschwemm- ten Gegenden ein und bis Mittwoch Morgen wurde noch ein allgemeines Steigen des Wassers gemeldet. Eine furchtbare Kunde kommt aus dem Dorfe Oppau. Fünfzehn Personen hatten sich in dem eine Stunde von Mannheim gelegenen Ort Sandhofen in einem großen Kahn auf den Weg gemacht, um den bedrängten Einwohnern von Oppau Nahrungsmittel zu überbringen. Nachdem ihnen dieses unter schweren Kämpfen mit den 7
reißenden Wasserfluthen gelungen war, machten sie sich mit weiteren fünfundzwanzig Personen auf den Rückweg, als ihr Fahrzeug an die überschwemmten Bäume stieß, umschlug und alle Insassen in die Tiefe des Strudels gerissen wurden. Der Kahn ging in Trümmer und wurden von den 40 Insassen nur 12 gerettet, während 28 den Tod in den Wellen fanden. Mainz. Die Situation wird eine immer kritischere. Der Rhein steigt so heftig und die Nachrichten von allerwärts lauten so bedenklich, daß trotz der vorzüglichen Vorkehrungen und trotz des Eifers, mit dem die Nothdämme geschützt werden, wenig Hoffnung vorhanden ist, die Stadt wasserfrei zu halten. Ueberwältigen die Fluthen die menschlichen An- strengungen, so ist hier auch ein unabsehbares Unglück zu erwarten. Wenn es gelingt, die Stadt vom Wasser frei zu halten, so haben die Be- wohner von Mainz neben der städtischen Verwaltung und den Militärbe- hörden in erster Linie Herrn Bauunternehmer Arnoldi zu danken, ohne dessen thatkräftige Hilfe es nicht möglich gewesen wäre, die Stadt, wie bis jetzt geschehen, zu schützen. Köln. Der Pegelstand ist hier 7,73, das Wasser ist im Fallen, die Nacht war stürmisch und regnerisch. In Koblenz zeigte der Pegel heute früh 7,89, in Bingerbrück 5,85, an beiden Orten war das Wasser im Steigen. Kassel. Die Fulda ist in Folge des anhaltenden Regens abermals stark gestiegen und über ihre Ufer getreten. Das Wasser der Havel und Spree ist in den letzten Tagen wieder um 9 Centimeter gestiegen. Es steht 10 Ctm. über dem Wintermaaß und etwa 14 Ctm. höher, als zu derselben Zeit des Vorjahres. Nicht blos die an der Havel und Spree belegenen Wiesen sind jetzt vollständig überschwemmt, sondern auch an der Unterhavel bei Pichelswerder sind verschiedene Gebäude vom Wasser bedroht. Auch in Holland und Belgien lauten die Berichte sehr traurig. Ein Theil des nordwestlichen Brabant ist vollständig überschwemmt. Viele Ort- schaften stehen vollständig unter Wasser. Zwischen verschiedenen Punkten in Limburg, Brabant und Geldern ist die Verbindung unter- brochen. 10. 2. 1883 Von der Hochwassernoth ist auch unsere Stadt Berlin in früheren Zeiten wiederholt heimgesucht worden. Einmal im Jahre 1694, als von Mitte Februar bis Mitte März die „große Wassergeschwulst gestanden“, wie es in den amtlichen Aufzeichnungen heißt. Der ganze Friedrichswerder und die Friedrichstadt waren überschwemmt, ebenso 8
der „Mühlenhof“ und der Molkenmarkt, auf denen man in Kähnen fuhr und selbst mit Erfolg fischte. In den Mühlen stand das Unterwasser „Ellentief“ und die Bauern aus dem Teltow'schen Kreise mußten mit ihren Nahrungsmitteln von den „Weinbergen“ (vor dem Halleschen Thore) aus in Kähnen bis zur Stadt befördert werden. Die ältesten Leute, heißt es ferner, haben dieses Wassers gleichen nicht gedacht, das nahe und ferne großes Unglück angerichtet. Auch Berlin wäre von einem solchen sicher ereilt worden, wenn nicht die Spree bei „Rickstorff“ (Rixdorf) ausgebrochen wäre und ihren Lauf, gleich einem großen Strom, durch den Thiergarten genommen hatte. Das zweite Mal ergoß, durch das Anschwellen der Spree überfluthet, der Landwehrkanal im Frühjahr 1829 seine Wasser, die durch das Hal- lesche Thor drangen und das „Rondeel“ (Belle-Allianceplatz) in einer Höhe von drei Fuß überschwemmten. Die Verbindung der den Platz umgebenden Häuser mußte durch erhöhte Bretterlagen vermittelt wer- den und Augenzeugen wollen selbst ein Hechtstechen daselbst wahr- genommen haben. 30.Januar 1884 Die Stürme der letzten Tage haben in vielen Theilen unseres Vater- landes großen Schaden angerichtet. Aus den massenhaften Mitthei- lungen greifen wir einige heraus. In Essen stürzte der Senior der Schornsteine der alten Maschinenfabrik „Union“ prasselnd zusammen, mit seinen gewichtigen Trümmern hoch die nebenan liegende Straße be- deckend. Glücklicherweise wurde der sonst stark frequentirte Weg im Augenblicke des Zusammenstürzens des rußgeschwärzten Riesen von Niemanden betreten; sonst hätte ein Unglück sehr leicht passieren kön- nen, da die Trümmer fast bis zum Stations-Gebäude des Köln Mindener Bahnhofs stürzten. - Wegen des Sturmes konnte Donnerstag Nacht der Kourierzug von Berlin nach Wien erst mit bedeutender Verspätung in Dresden eintreffen. Im Innern Dresdens hat der Sturm an den Dächern der Häuser vielen Schaden angerichtet, so daß sich die Sperrung meh- rerer Straßen nothwendig machte, um Unglücksfälle zu verhüten. Auf der Christianstraße hat der Sturm ein Baugerüst umgeworfen und gegen das gegenüberstehende Wohnhaus geworfen, wodurch die Balkons der ersten und dritten Etage arg gelitten haben. An der Ecke der Sporer- und Schloßstraße hat die eingestürzte Esse ein Kind stark am Kopfe ver- letzt. Spät Abends hat der Sturm das auf dem Bismarckplatze im Bau be- griffene Mellini-Theater in seinem gesammten Balkenwerke und Be- dachtung über den Haufen geworfen. Ein günstiger Zufall fügte es, daß das Material in der Richtung nach dem Bahnkörper zum Fallen kam, hätte der Orkan in der Richtung nach Strehlen zu seine Wirkung geltend 9
gemacht, wäre der betreffende Bahnwärter leicht unter den Trümmern begraben worden. - Im Erzgebirge herrschte ein sehr heftiger, stoßweise mit orkanartiger Kraft auftretender Südweststurm, welcher namentlich in den Hochwäldern vielfache Schäden durch sogenannten Windbruch angerichtet hat. - Aus Thüringen, 24. Januar, schreibt man: In verwichener Nacht zog ein mächtiger orkanartiger Sturm über Thüringen, der nicht geringen Scha- den angerichtet, auf Landstraßen und in der Flur wurden starke Bäume entwurzelt und geknickt, in Gotha wurden sogar Dächer abgehoben. Auch aus anderen Ländern laufen Nachrichten über die Verheerungen, welcher der Sturm angerichtet hat, ein. In London gab es mehrere schwere Unglücksfälle. Durch ein niederstürzendes Hausthor wurde ein Herr auf der Stelle getödtet, ebenso in Liverpool durch den Einsturz einer Mauer ein vorbeifahrender Farmer mit seinem Pferde. In Elton Vale bei Bury begrub ein niederstürzender Schornstein drei Frauen unter seinen Trümmern. In Sunnyhead wurde ein Mädchen von 9 Jahren, als es aus der Schule ging, vom Sturm erfaßt und in den Fluß geschleudert, wo es vor den Augen der Mutter ertrank. Auf gleiche Weise fand ein Arbeiter in York seinen Tod. In Chester riß der Sturm einer Frau ihr kleines Kind aus den Armen und dasselbe wurde von einem daherkommenden Wagen überfahren und getödtet. In Nasserton erreichte der Orkan eine solche Gewalt, daß er eine Locomotive aus den Schienen hob und umstürzte. Sehr schlimme Nachrichten liegen auch aus Dublin und von den Shetland-Inseln vor, wo die Verluste an Menschenleben eine sehr hohe Ziffer erreichen werden. Am 23. Februar 1884 berichtet das „Teltower Kreisblatt“ folgendes über Katastrophen und das Wetter: Das Jahr 1884 ist insofern für Berlin bemerkenswerth, als es nunmehr rund vierhundert Jahre her ist, daß Berlin zum großen Theil durch eine verheerende Feuersbrunst eingeäschert worden. Unter den Gebäuden, die ein Raub der Flammen wurden, befand sich auch das Rathhaus, das mit allen Acten und Urkunden eine Beute des Feuers wurde. Infolge die- ses Verlustes ist ein gut Stück des alten Berlins mit einem Schlage unse- rer Kenntniß entrückt und ein für allemal in Dunkelheit gehüllt. Eine ähnliche große Feuersbrunst hatte die kurfürstliche Residenzstadt im Jahre 1380 heimgesucht. Ueber den diesjährigen Winter äußert sich das Kgl. Meterologische Institut dahin, daß derselbe durchaus nicht zu den Seltenheiten gehört. 10
Seit 1720 haben wir in Berlin 37 mehr oder minder warme Winter ge- habt, der extremste war der von 1795/96, in welchem die Januar-Tem- peratur über 8 Grad zu hoch war, während in diesem Jahre die Abwei- chung nur 3 bis 5 Grad betrug. Eine Untersuchung der milden Winter und der darauf folgenden Sommer hat übrigens gezeigt, daß der Sommer um so wahrscheinlicher gleichfalls warm ist, je wärmer der vorher- gehende Winter war. Über Kleinmachnow berichtet das „Teltower Kreisblatt“ in seiner Ausgabe vom 16. Februar 1895: Teltow, 14. Februar. Eine betrübende Erscheinung bot in den letzten Tagen der kleine See des Rittergutes Klein-Machnow. Man hatte vergessen, rechtzeitig Öffnung in das Eis zu schlagen, so daß sämmtliche Fische dem sicheren Erstickungstode entgegengingen. Erst durch Leute, welche sich am Ufer des Sees, wo die Sonne das Eis bereits etwas losgeschmolzen hatte, in auffälliger Weise bemerkbar machten, wurde man auf den Umstand auf- merksam und holte schnell das Versäumte nach. Jene Leute hatten schon eine große Menge von Fischen, welche am Ufer begierig nach Luft schnappten, sich angeeignet und brachten dieselben sogar zum Verkauf. Eine Unzahl von Fischen lag aber auf dem Eise todt umher. Nunmehr ließ der Pächter des Sees große Löcher in das Eis hauen und die Folge davon war, daß eine ungeheure Zahl der Fische an diesen Öffnungen erschien, um das lang ersehnte Lebenselement einathmen zu können. Wohl an 100 Centner Fische wurden hier mit dem Hamen1 gefangen und sogleich nach Berlin an Abnehmer verkauft. Trotzdem sind Tausende und aber Tausende, meist junge Samenfische, umgekommen. Bereits vor Jahren ist schon einmal derselbe Vorgang eingetreten, und wie damals so wird auch jetzt der See wieder für längere Zeit recht fischarm sein. Trotz dieser traurigen Ereignisse ließen sich die Teltower nicht ihren Spaß verderben, denn am 16. Februar 1895 berichtet das „Teltower Kreisblatt“ über Vorbereitungen zum jährlichen „Maskenball“: Wie alljährlich, so veranstaltet auch in diesem Jahre der Männer-Ge- sang-Verein „Frohsinn“ am Mittwoch den 20. Februar im Saale der Frau Bastian einen Maskenball, zu welchem der Verein Einladungen aussendet. Da die Karnevalssaison gegenwärtig im besten Zuge ist, so kann man annehmen, daß es an Besuch, gutem Humor, Ulk und Scherz nicht fehlen wird. Durch den Eintrittspreis werden nicht maskirte Her- ren höher besteuert als maskirte; außerdem genießt der Maskirte die 1 Der Hamen = Fangnetz, siehe Duden 11
Maskenfreiheit, die demjenigen, der sein Alltagsgesicht mitbringt, nur insofern zur Verfügung steht, als er straflos angeulkt werden kann. Ein kluger Mann wird deshalb gut daran thun, die Narrheit vollends mit- zumachen, um die anderen ebenfalls zum Narren halten zu können. Abschrift und Komentar: E. Szilleweit 12
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