Beratung vor Befragung - ISPA consult Mitarbeiterbefragung
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MITARBEITERBEFR AGUNG ROUND TABLE Beratung vor Befragung Veränderungen in der Unternehmenswelt nehmen zu, passieren immer schneller, wichtige Themen mehren sich, alles wird komplexer. Welche Rolle spielen da die MAB- und Feedback-Landschaften? Der Round Table der Personalwirtschaft zeigte unter anderem: Das eigentlich Wichtige ist die Beratung. Die Tools sollten immer in Verbindung mit der strategischen Ebene gesehen werden. VON PETRA WALTHER Bilanz der Krise u Eine Situation kann sich jederzeit rasend schnell „Insbesondere bezüglich des mobilen Arbeitens hat ändern. Das ist wohl eine der wichtigsten Erkennt- die Pandemie wie eine Stromschnelle gewirkt“, so nisse aus der Corona-Krise. Aber noch einige wei- Feinstein. tere Learnings können aus der Pandemie gezogen Im Zusammenhang mit dem Thema „Remote Work“ werden. „Wir waren nicht wirklich darauf vorbe- ist vor allem gute Kommunikation in den Firmen reitet, wie dynamisch unsere Umwelt sein kann“, gefordert. „Es ist jetzt wichtiger denn je, mit den sagt Ingrid Feinstein, Director der Ipsos GmbH. Mitarbeitenden in Kontakt zu sein“, sagt Jens Bal- Vielen sei es schwergefallen, sich auf die geforderten lendowitsch, Managing Consultant für den Bereich Anpassungen richtig einzulassen. Dabei, gibt sie Employee Research /Engagement Solutions DACH mit Anspielung auf die Digitalisierung zu beden- bei Mercer. Für globale Unternehmen gelte das ein- ken, habe die Pandemie im Bereich der Arbeitswelt mal mehr, denn jedes Land stehe im Zusammenhang lediglich Trends beschleunigt, die vorher auch schon mit der Pandemie vor anderen Herausforderungen. zu beobachten waren. Doch das mit voller Wucht. „In manchen Ländern arbeiteten vor einem Jahr die Mitarbeitenden im Homeoffice, während die Lage in anderen Ländern zu dem Zeitpunkt schon wie- der recht entspannt war“, nennt Ballendowitsch ein INFO ZUM ROUND TABLE Beispiel. Grundlegend für alle Unternehmen sei, ent- Für ausgewählte aktuelle Themen holt sich die Personalwirtschaft sprechend der jeweiligen Lage zu verstehen, was bei Experten und Expertinnen an einen Tisch, um mit diesen Trends, ihren Mitarbeitenden anstehe. „Wie fühlen sich die den Markt und die Bedürfnisse von HR zu diskutieren. Die Exper- Menschen, die sich seit zig Monaten im Homeoffice tenrunde Mitarbeiterbefragung (die aus Pandemie-Gründen als befinden? Und wie fühlen sich die, die vom Büro aus Videokonferenz stattfand) wurde von Sven Frost, Redakteur der Personalwirtschaft, moderiert. mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice kommunizieren?“ 6 Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021
Die meisten Unternehmen, so findet Feinstein, sind sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgegan- Die Expertinnen und Experten des Round Table gen, haben das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden erfasst, sich gekümmert. Doch die große Heraus- forderung komme noch. Sie betrifft die Frage: „Wie stellen wir uns jetzt für die Zukunft auf?“ Feinstein erlebt eine große Unsicherheit in den Unternehmen, diesbezüglich das Richtige zu tun. „Alles geht immer schneller, es muss etwas passieren, aber es fehlt an Jens Ballendowitsch, Managing Gerd Beidernikl, Geschäftsführer, Orientierung“, so ihr Resümee. Consultant für den Bereich Employee vieconsult Vienna Corporate Research Research/Engagement Solutions, and Development GmbH Feedback-Instrumente spielen daher eine große Mercer Rolle – insbesondere, wenn sie in Richtung Emplo- yee Listening gehen, findet Mathias Rackow, General Manager bei Logit Effectory. „Gerade jetzt, wo sich die Führungskräfte – immer noch – in einer Aus- nahmesituation befinden und es auf allen Ebenen Herausforderungen gibt, sind Informationen über den operativen Bereich nötig, um die Problematik Gerhard Bruns, Geschäftsführer, Matthias Diete, dort zu verstehen und Lösungsansätze zu finden“, geva Gesellschaft für Vorstand, Cubia erläutert er. Verhaltensanalyse und Evaluation mbH Doch die Unsicherheit der Unternehmen bezieht sich nicht nur auf die operative Ebene. „Viele Unterneh- menslenker, die gedacht haben, sie wüssten, wie ihre Organisation tickt, merken nun, dass sie im Zuge der Pandemie dies nicht mehr von sich behaupten können“, sagt Christian Motzko, Geschäftsführer der Vocatus Workperfect GmbH. Angesichts dieser Ingrid Feinstein, Stefan Miklic, Verunsicherung bringe die Mitarbeiterbefragung die Director, Ipsos GmbH Managing Director/CEO, ISPA nötige Transparenz. Entsprechend erlebe er aktuell ein Hoch des Instruments. Ob die derzeit starke Nachfrage nach Mitarbeiterbe- fragungen tatsächlich auf einen allgemein vermehr- ten Bedarf an dem Tool zurückzuführen ist, wird von anderen Teilnehmenden des Round Table bezweifelt. „Viele Projekte wurden in der akuten Phase der Coro- Christian Motzko, Geschäftsführer, Jan Stephan Schmaderer, na-Krise gecancelt. Jetzt häufen sich die Befragungen, Vocatus WorkPerfect GmbH Managing Director, JSS da verschobene Projekte nachgeholt werden“, ist etwa die Einschätzung von Stefan Miklic, Managing Direc- tor bei der ISPA consult GmbH. Ähnlich sieht es Gerd Beidernikl, Geschäftsführer der Vieconsult Vienna Corporate Research and Development GmbH. „Wir arbeiten gerade einen Rückstand an Befragungen auf, die eigentlich schon vor einem Jahr hätten stattfinden Mathias Rackow, sollen“, sagt er. Ein gesteigertes Interesse an strategi- General Manager, Logit Effectory schen Mitarbeiterbefragungen sieht er daher nicht. Wohl aber den Bedarf vieler Organisationen, zu lau- fenden oder bereits bestehenden Veränderungen Feed In unserer Bilderstrecke auf www.personalwirtschaft.de finden Sie weitere aussagekräftige Zitate unserer Teilnehmenden. back aus der Belegschaft zu erhalten. Schließlich sei die Präsenzkultur und somit auch der Kontakt zu den Mitarbeitenden durch die Pandemie quasi durchtrennt Feedback- und Rückmelde-Landschaft langfristig auf- worden. Beidernikl: „Viele unserer Kunden beschäfti- gestellt sein muss, um Meinungen flexibel zur Unter- gen sich daher auch verstärkt mit der Frage, wie ihre nehmenssteuerung abzurufen.“ p Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021 7
MITARBEITERBEFR AGUNG ROUND TABLE Schwerpunktthemen u Es sind keineswegs neue Themen, mit denen die teren Aspekt hinzu: „Das Kulturthema rückt in den Unternehmen seit Corona beschäftigt sind. Viel- Vordergrund. Viele unserer Kunden wollen wissen, wo mehr wirkt die Pandemie wie ein inhaltlicher Ver- sie in puncto Unternehmenskultur stehen und wie sie stärker. Vorwiegend geht es um kulturelle Dinge. diese weiterentwickeln können“, so seine Erfahrung. Für Jan Stephan Schmaderer, Managing Director Auch Resilienz ist laut Motzko ein großes Thema. Das JSS HR & Consulting Services, ist es eindeutig: Was ist ebenfalls nicht neu, gewinnt aber vor dem Hinter- jetzt inhaltlich bei den Unternehmen und somit auch grund der Pandemie samt der Notwendigkeit zum für Mitarbeiterbefragungen im Vordergrund steht, mobilen Arbeiten nochmals eine andere Dimension. ist das Thema Führen über Distanz. Das Thema sei „Privatleben und Arbeitsleben verschwimmen noch bereits vor der Pandemie wichtig gewesen, nun habe stärker als zuvor. Daher müssen die Unternehmen es sich nochmals verstärkt. „Im Prinzip haben sich auch mehr als sonst die psychische Gesundheit ihrer auch die grundsätzlichen Mechanismen von Führung Mitarbeitenden im Blick behalten“, bringt es Schma- nicht verändert, nur weil Führung jetzt im virtuellen derer auf den Punkt. Jens Ballendowitsch fügt hinzu: Raum stattfindet“, stellt Schmaderer klar. „Es geht „Die Leute sitzen zu Hause und können sich ihre darum, die Leistung der Mitarbeitenden wahrzuneh- Arbeit einteilen, haben aber dennoch andere Belas- men – in der Krise umso mehr.“ Qualifiziertes Leis- tungen. Um all diese Dinge machen sich Unterneh- tungsfeedback sowie inhaltlicher Austausch stehen men, denen das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden laut Schmaderer im Fokus. Genau an dieser Stelle wichtig ist, Gedanken.“ seien aber oftmals Schwachstellen und Versäumnisse Auch wenn bekannte Themen überwiegen, bringt die zu beobachten. Corona-Krise zusätzlich völlig neue Themen mit sich: Da drängt sich die Frage auf, ob einige Unternehmen „Die Befragungen, für die wir derzeit in Organisatio- womöglich ihre Führung überdenken müssen: Was nen beauftragt werden, sind explorativer geworden – erwarten die Mitarbeitenden von einer Führungskraft? insbesondere da, wo die Unternehmen selbst Neuland Was können die Führungskräfte neu lernen? Laut Jens betreten“, berichtet Gerd Beidernikl. Er führt beispiels- Ballendowitsch sind dies Fragen, die sich die Unter- weise die Themen psychische Belastungen, Ergonomie nehmen jetzt stellen müssen. Auch weil Führung ein und Datenschutz im Homeoffice an. Zudem führt sein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur ist Team derzeit auch immer wieder Befragungen zur und viele Unternehmen erkennen, dass sie mit ihren Impfquote und Impfbereitschaft von Belegschaften bisherigen kulturellen Rahmenbedingungen an ihre durch. Themen also, die jenseits klassischer Organi- Grenzen stoßen, fügt Christian Motzko einen wei- sationsentwicklung liegen. p Kein umfassender Blick auf die Arbeitswelt u Der Fokus der HR-Beratungsbranche ist stark auf nicht so beeinflussbar, wie die HR-Beratungsbranche den White-Collar-Bereich ausgerichtet. Die Mit- es oftmals pauschal zu propagieren versucht. „Letztlich arbeitenden fernab von Bürojobs werden dabei oft müssen die Unternehmen aufpassen, dass nicht eine vergessen. Auch darüber wurde beim Round Table Zwei-Klassen-Gesellschaft aufkommt“, nimmt Chris- gesprochen. tian Motzko den Faden auf. Auf jeden Fall entstehe in „Ganz viel von dem, über was wir sprechen, betrifft den Firmen ein Spannungsgefüge, da viele Mitarbei- nur einen Teilausschnitt der Arbeitswelt.“ Mit diesen tende im Homeoffice arbeiten können, andere aufgrund Worten bringt Gerd Beidernikl das Thema auf den ihres Jobs diese Gestaltungsfreiheit aber nicht haben. Tisch. „Für die Arbeit von Büroangestellten ist sicher- Hinzu kommt: Gerade die Menschen, die „vor Ort“ lich gerade viel in Veränderung, die Arbeitsrealität der arbeiten, leiden während der Pandemie mit am meisten, Menschen fernab von PC-Arbeitsplätzen ist jedoch eine was das allgemeine Wohlbefinden und ihre Arbeits- andere“, führt er aus. Insofern seien Organisationen wie platzbedingungen betrifft. Das kann Ingrid Feinstein etwa Verkehrsbetriebe, Speditionen und Handelsunter- aufgrund unternehmenseigener Forschungen berich- nehmen – bezüglich der Grundzüge, wie diese Betriebe ten. Zudem seien viele produktionsnahe Berufe von arbeiten, sowie ihres Arbeitsrhythmus – bei Weitem der Digitalisierung betroffen, sodass bei den Blue-Col- 8 Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021
lar-Worker Ängste vor einer noch prekäreren Berufs- ders zutage. Viele Fragen, die weiterhin ohne Antwor- situation als bislang aufkämen. Feinstein reißt zudem ten bleiben, denen sich die Unternehmen aber widmen das Thema Wertschätzung an – vor allem im Kontext sollten. Insbesondere bleibt spannend, wo diese sich im systemrelevanter Berufe. Dass hier eine große Lücke Kontext echter Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden klafft, kam bekanntlich am Anfang von Corona beson- hin entwickeln werden. p Aufgaben und Verantwortlichkeiten von MAB-Anbietern u Das Hauptaugenmerk der MAB-Anbieter liegt det er. Diete appelliert daher, derartigen möglichen weniger auf der Durchführung der Befragungen. Überforderungen in den Unternehmen vorzubeugen: Das Davor und Danach ist viel wichtiger. Insbe- „Wir müssen als Anbieter von Tools verantwortungs- sondere ist es wichtig zu hinterfragen, ob das Kun- voll handeln und unsere Kunden auch davor warnen, denunternehmen die Ergebnisse verarbeiten kann. zu viele Befragungen durchzuführen.“ Neben systematischen Mitarbeiterbefragungen gesel- Für Mathias Rackow und Ingrid Feinstein indes geht len sich heutzutage Pulsbefragungen zu einzelnen es erst einmal nicht um ein Zuviel oder Zuwenig an Themen, weitere Feedback-Tools kommen hinzu, ins- Befragungen. Wichtig sei vielmehr, bewerten zu kön- gesamt nehmen Befragungen von Mitarbeitenden nen, was das Unternehmen verarbeiten könne und in Unternehmen zu. Matthias Diete, Vorstand bei man ihm entsprechend zumuten dürfe. Der Reifegrad Cubia, sieht das kritisch: „Es gibt ein Zuviel an Befra- des Unternehmens spielt da als Entscheidungsgrund- gung. Dieses ist erreicht, wenn ein Unternehmen all lage eine essenzielle Rolle. „Wenn Unternehmen ver- die durch die Analysen gewonnenen Informationen suchen, mit alten Mechanismen ein Mehr an Infor- nicht mehr verarbeiten kann.“ Wichtig sei, die Ergeb- mationen zu verarbeiten, läuft das ins Leere und führt nisse von Feedbacks und Befragungen lösungsori- zu einer Überhitzung der jeweiligen Organisation“, entiert mit den Mitarbeitenden zu diskutieren und erläutert Feinstein. Doch wie herausfinden, wo eine umzusetzen. Hierzu kommen viele Unternehmen Organisation steht? Laut Jens Ballendowitsch sind laut der Erfahrung von Diete jedoch nicht immer, unter anderem folgende Fragen zielführend: Wie sehr weil sie in Sachen Befragungen das Rad überdrehen, wünschen sich die Führungskräfte in dem jeweiligen das Zuviel erreicht haben. Das kennt auch Gerhard Unternehmen Feedback? Gilt das im Betrieb als Per- Bruns, Geschäftsführer Geva-Institut: „Wir erleben formance Indicator? immer wieder, dass sich Kunden ein Software-Tool Ist ein gewisser Reifegrad vorhanden, hält es Mathi- kaufen, im hohen Takt Befragungen durchführen as Rackow durchaus für eine weitere Aufgabe der und dann überfordert sind, weil solche Tools für den MAB-Dienstleister, den Unternehmen die Angst flüchtigen Nutzer nicht immer Möglichkeiten bieten, zu nehmen, auch mal neue Wege zu gehen, sprich: die Daten vernünftig auszuwerten, Zusammenhänge und neue Feedback-Möglichkeiten auszuprobieren. abzubilden und somit auch entsprechende Umset- Allerdings ist eine gewisse Vorsicht geboten, wirft Jan zungen einzuleiten“, so Bruns. „Dies wiederum führt Stephan Schmaderer ein: „In unserem Markt gibt es häufig zu Reaktanz bei den Mitarbeitenden, weil sie viele Anbieter, die mit dem Buzzword ‚Agilität‘ Kun- immer wieder feststellen, dass nach den Befragungen den akquirieren. Eine Folge davon ist auch, dass, wenn nichts passiert.“ seriöse Anbieter Befragungslandschaften anbieten, Auch auf die Führungskräfte können Befragungen automatisch suggeriert wird, dass diese agil sind“, im hohen Takt negative Auswirkungen haben. Bruns erläutert er. Mitarbeiterbefragungen könnten aber sieht insbesondere jene Führungskräfte betroffen, die per se nicht agil sein – sie seien vielmehr Mittel zum unter Bewertungsangst leiden. Nach Meinung von Zweck, um agile Prozesse zu unterstützen. Schma- Diete sind prinzipiell alle Führungskräfte gefähr- derer macht in diesem Zusammenhang deutlich, wie det: „Ich vermute, dass psychische Belastungen bei wichtig es ist, die Kunden gut zu beraten – auch auf Führungskräften auch durch Informationsüberfluss die Gefahr hin, eventuell anzuecken. Das zeigt unter und die Schwierigkeit, relevante von nicht relevanten anderem: Verantwortung und Selbstverständnis der Informationen zu unterscheiden, entstehen“, begrün- MAB-Anbieter sind kaum zu trennen. p Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021 9
MITARBEITERBEFR AGUNG ROUND TABLE Das Selbstverständnis der MAB-Berater u Gefragt nach den Aufgaben und Verantwortlich- nehmen durch valide Datenerhebung“, sagt er. Worauf keiten der MAB-Beraterbranche, kommt auch schnell es ankomme, sei, die Menschen in den Organisationen das Thema „Selbstverständnis als MAB-Berater“ auf. zu befähigen, mit den Befragungsergebnissen zu arbei- Hier bestehen durchaus Differenzen zwischen den ten. Genau das unterscheide Berater von Software-Ver- Round-Table-Teilnehmenden. käufern. „Den wichtigsten Teil meiner Arbeit sehe ich darin, In diesem Kontext kommt in der Runde das Gedanken- Organisationen zu unterstützen, mit den Ergebnissen spiel auf, die Firmen in die Richtung zu entwickeln, dass inhaltlich weiterarbeiten zu können. Alles andere ist für sie Beratende letztlich gar nicht mehr brauchen. Selbst- mich eine Randnotiz“, sagt Gerd Beidernikl. Die meis- verständnis der Berater und Beraterinnen wäre somit, ten Probleme seien den Organisationen grundsätzlich die Unternehmen in eine Kultur zu führen, mit der die bekannt, erläutert er. Aber: „Sie haben nicht immer die Organisation eigenständig funktioniert, Pulsbefragun- Zeit, genau hinzuschauen, sie wollen manchmal auch gen und Feedbackschleifen von innen heraus entwickelt nicht näher hinschauen, oder es mangelt an fachlichen werden und eine große Befragung nicht mehr notwendig Kompetenzen oder den passenden Ideen, um das Pro- sei. Eine Vorstellung, die sogleich auf Widerspruch stößt: blem anzugehen.“ Feedback-Ergebnisse bauen vor die- „Die Expertise von außen ist extrem wichtig“, wendet sem Hintergrund sozusagen eine Brücke, um mit den etwa Matthias Diete ein. „Unser Vorteil ist ja, dass wir Organisationen wichtige Prozesse zu gestalten, denn sie viele Organisationen und kulturelle Aspekte kennen. veranlassen diese, sich der Themen anzunehmen, aus So können wir blinde Flecken eher wahrnehmen als einer Schockstarre herauszukommen – oder auch aus jemand aus der Organisation.“ Bei einer Analyse von einer Negativspirale, weil angenommen wurde, man außen könne zudem ohne Ängste auf Missstände hinge- könne das Thema gar nicht positiv beeinflussen, meint wiesen werden – „insbesondere das Board weiß oftmals Beidernikl. eine ungeschminkte Rückmeldung sehr zu schätzen“, Jan Stephan Schmaderer versteht seinen Job ähnlich: sagt Diete. „Eventuelle Schieflagen bei der Geschäftsfüh- „Im besten Fall bestätigen wir das Gefühl der Unter- rung beziehungsweise dem Vorstand anzusprechen und mit diesen an Veränderungsprozessen zu arbeiten, ist für Mitarbeitende der Organisation schwierig“, stimmt DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE Gerhard Bruns zu. Der Grund dafür läge in der Regel in Remote Work macht gute Kommunikation mit den Mitarbeitenden den Netzwerkstrukturen und -abhängigkeiten zwischen wichtiger denn je. Feedback-Tools in Richtung Employee spielen eine den Führungskräften der verschiedenen Ebenen. Auch entsprechend große Rolle. seien oftmals Mitarbeitende mit MAB beauftragt, die nicht das Standing hätten, sich Gehör bei der oberen Durch die Corona-Krise verstärken sich Themen rund um die Unternehmenskultur. Insbesondere ihre Führung sollten viele Firmen Ebene zu verschaffen und Veränderungen zu bewegen. überdenken. Mathias Rackow stimmt all dem zu – bezogen auf die aktuelle Situation. „Beim Unternehmen von morgen wer- Die Unternehmen müssen ihr Augenmerk stärker auf die Blue-Collar- den wir jedoch einen anderen Status quo vorfinden“, ist Worker richten. er überzeugt. Rackow erwartet, dass die Kompetenz der Vorsicht vor einem Zuviel an Befragung! Es ist immer zu schauen: Was Unternehmen und damit auch ihre Wettbewerbsvor- kann das Unternehmen verarbeiten? Der Reifegrad der Organisation teile in ein paar Jahren insbesondere in deren Kultur spielt hier die Hauptrolle. liegen werden. „Dementsprechend glaube ich, dass die Organisationen zwar immer wieder Impulse von außen Die meisten Probleme, die MABs zutage bringen, sind den Unternehmen im Prinzip bekannt. Die Befragungen sind nur eine sowie Experten zwecks Prozessbegleitung benötigen. Wir Brücke, um die Dinge auch wirklich wahrzunehmen – und anzugehen. werden sie in Zukunft aber zumindest so befähigen müs- sen, dass sie in Sachen Mitarbeiterfeedback größtenteils Gute externe MAB-Anbieter befähigen die Unternehmen, mit den selbstständig arbeiten können.“ Damit ist Rackow der Befragungsergebnissen zu arbeiten. Externe Dienstleister können eventuelle Schieflagen vor der Geschäftsführung ansprechen. Vorstellung von Miklic recht nahe, der bekräftigt: „In den Für interne Mitarbeitende ist dies in der Regel schwierig. Firmen ist eine Kultur gefordert, die den Mitarbeiten- den ermöglicht, selbst wesentliche Dinge voranzutreiben Über Feedback-Analysen können die Unternehmen gegenüber sowie offen und ehrlich Verbesserungsbedarf anzuspre- der Geschäftsführung beziehungsweise des Vorstandes bezüglich Veränderungen besser in Richtung ROI argumentieren. chen – ohne Angst zu haben, nachher benachteiligt oder gar entlassen zu werden.“ „Realistisch gesehen, werden 10 Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021
die Unternehmen diesen Idealzustand nie erreichen. Als auf diesem Weg ein entscheidendes Instrument. Denn: Zielsetzung für mehr Wettbewerbsfähigkeit ist dieser „Mittels Befragungen können die Unternehmen prüfen, für die Organisationen jedoch die treibende Kraft“, so ob sie hinsichtlich ihrer Ausrichtung, Strategie und Kul- Rackow. Für Feinstein bleibt die Mitarbeiterbefragung tur noch gut unterwegs sind.“ p Unterstützung für HR u „Wie kann HR helfen, die Arbeitswelt auf das nächste davon haben, wenn sie das Thema Mitarbeiter-Commit- Level zu heben?“ Dieser Diskussionspunkt wurde beim ment stärken, würden sie die Frage stellen: „Was können Round Table kurzerhand umformuliert. Für die Teil- wir noch alles tun, um die Mitarbeitenden zufriedener nehmenden stellt sich eher die Frage: „Wie kann HR zu machen?“ Für Motzko gilt daher, zunehmend auch geholfen werden, um auf das nächste Level zu kom- die weichen Erfolgsfaktoren des Personalmanagements men?“ messbar zu machen. „Ich würde behaupten, HR ist bereits jetzt damit über- So hätte HR über die Feedback-Analysen durchaus Input fordert, auf dem gegenwärtigen Level Fürsorge für die für eine Argumentation in Richtung ROI. Insofern, so Arbeitnehmenden zu bieten.“ Ein hartes Urteil von Mat- Jan Stephan Schmaderer, könnten die MAB-Berater HR thias Diete, das die meisten Anwesenden der Round-Tab- stärker dabei unterstützen, einen Auftrag „von oben“ le-Runde jedoch teilen. „Wir haben vielfach mit Persona- zu bekommen. „Wir sollten nicht nur die Auswertun- lern zu tun, die noch zu sehr Verwalter sind “, beschreibt gen zur Verfügung stellen, sondern auch Empfehlungen etwa Stefan Miklic seine Erfahrung. Entsprechend wür- geben, wo HR die Themen platzieren kann“, meint er. Laut den diese bei Mitarbeiterbefragungen auch vorwiegend Mathias Rackow ist an dieser Stelle zudem wichtig, dass administrativ wirken, statt HR-Themen voranzutreiben. HR die Themen in die Teams bringt und jeden Einzelnen Laut Miklic ist HR gefordert, die eigene Rolle neu zu defi- im Team befähigt, aktiv zu werden. Langfristig könne so nieren. Für die Personaler ist die Situation allerdings ver- die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden gestärkt fahren. So stellt Jan Stephan Schmaderer bei seinen Kun- sowie deren Kompetenzen gefördert werden und eine den immer wieder fest, dass das Personalmanagement mit Entlastung von HR stattfinden. Themen überhäuft wird und Not hat, allen – Vorstand, Bevor es jedoch überhaupt an die Be- und Verwertung Fachbereichen und anderen – gerecht zu werden. Einer der Mitarbeiterbefragung kommt, ist bereits Hilfe für der großen Bremsklötze ist die Datenschutz-Grundver- die Personaler angebracht – etwa, was die Ziele einer ordnung (DGSVO). „Wir haben im öffentlichen und Mitarbeiterbefragung angeht: „HR-Abteilungen oder halböffentlichen Raum in den vergangenen drei Jahren die entsprechenden Verantwortlichen haben oft ein häufig erlebt, dass die HRler sich damit auseinanderset- völlig anderes Bild von dem, was eine Mitarbeiterbe- zen müssen, ob sie laut DGSVO überhaupt Führungs- fragung herausfinden sollte, als dies bei der Geschäfts- kräfte über Mitarbeiterbefragungen beurteilen lassen führung der Fall ist“, weiß Gerhard Bruns. Es mangele dürfen und wer anschließend diese Ergebnisse sehen an der Kommunikation. „Warum machen wir diese darf “, erläutert Gerhard Bruns. Wer sich mit solchen Befragung eigentlich? Welche Fragen wollen wir mit der Dingen beschäftigen und zum Beispiel vor einer Umfrage MAB beantworten? Was sind die Ziele der Geschäfts- erst entsprechende Betriebsvereinbarungen oder andere führung? Für diese Fragen bedarf es Antworten, damit Vereinbarungen aufsetzen müsse, komme schlicht nicht die Personaler bei der Präsentation nicht am Thema dazu, über Veränderungen nachzudenken. vorbeireden“, sagt Bruns. Doch auch wenn die zeitlichen Rahmenbedingungen Die Richtung ist klar: HR braucht in erster Linie, um gegeben wären, ist für viele zweifelhaft, ob HR die Rolle strategische Aufgaben zu bewältigen. Die Teilnehmenden als Business Partner wirklich einnehmen kann. Denn des Round Table sind sich weitgehend einig, hier einiges nach wie vor spricht HR in einigen Unternehmen noch an Unterstützung bieten zu können. Aber, so Diete: „HR immer nicht die Sprache des Vorstands beziehungsweise muss sich auch helfen lassen! Immer häufiger werden uns der Geschäftsführung, wie Christian Motzko bemerkt. Ausschreibungen vorgelegt, in denen bereits alles exakt „Einige Personaler kommunizieren primär aus Sicht der vorgegeben ist und eine Mitarbeiterbefragung lediglich Mitarbeitenden, weniger aus Sicht des Return on Invest- als technisch-operative Dienstleistung definiert wird. ments für das Unternehmen“, sagt er. Statt beispielsweise Schade, wo wir doch so viel Erfahrung haben und oft mit konkreten Fakten darzulegen, was die Unternehmen gute Ideen einbringen könnten“, sagt er. p Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021 11
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