ANTIVIRALE THERAPIE GEGEN SARS-COV-2

Die Seite wird erstellt Josef Kirsch
 
WEITER LESEN
ANTIVIRALE THERAPIE GEGEN SARS-COV-2
CORONA-PANDEMIE

Antivirale Therapie gegen SARS-CoV-2
M. Hönemann1,2, Ch. Lübbert2,3,4

Einleitung
Die Pandemie mit dem neuartigen
Coronavirus SARS-CoV-2 (severe acute
respiratory syndrome coronavirus type 2)
und der dadurch ausgelösten Erkran-
kung COVID-19 (coronavirus disease
2019) stellt seit Beginn des Jahres 2020
eine große gesellschaftliche Herausfor-
derung dar [1]. Besonders dem Gesund-
heitssystem kommt hier eine Schlüs-

                                                                                                                              © Shutterstock/2020 Myriam B
selrolle zu, da Maßnahmen zur Unter-
brechung von Infektionsketten im
Wesentlichen eine Entlastung für die
Krankenversorgung schaffen sollen.
Gleichzeitig unterliegt besonders die
Behandlung von Patienten mit schwe-
ren klinischen Verläufen einem sehr            naviren begann mit den ebenfalls in        Aufbau von SARS-CoV-2
schnellen Wandel und ist seit der Ent-         diesem Jahrtausend entdeckten neu­         Für das Verständnis dieser Medika-
deckung von SARS-CoV-2 weltweit                artigen Coronaviren SARS-CoV und           mentengruppen soll zunächst der Auf-
Gegenstand intensiver Forschungsbe-            MERS-CoV [2] (middle east respiratory      bau von SARS-CoV-2 kurz beleuchtet
mühungen. Die wichtigste Säule der             syndrome coronavirus) und hat mit der      werden. In der Unterfamilie der Corona-
Behandlung stellen weiterhin Maßnah-           Pandemie durch SARS-CoV-2 und der          viridae können vier Gattungen unter-
men dar, die unter dem Sammelbegriff           um ein Vielfaches höheren Zahl an          schieden werden: Alphacoronavirus,
supportiv zusammengefasst werden               Infektionen an Dynamik gewonnen. Im        Betacoronavirus, Gammacoronavirus
können und neben einer Kortikoste-             Wesentlichen kann man dabei drei ver-      und Deltacoronavirus. Zusammen mit
roid-Gabe alle Facetten der intensiv-          schiedene Arten von Wirkstoffen            SARS-CoV, MERS-CoV und den beiden
medizinischen Behandlung beinhalten,           unterscheiden:                             endemischen Coronaviren HCoV (hu­­
auf die im Folgenden allerdings nicht                                                     man coronavirus) OC43 und HKU1 ge­­
näher eingegangen werden soll.                 1) Wirkstoffe, die spezifisch gegen        hört SARS-CoV-2 zu den Betacorona­
Die Entwicklung spezifischer antiviraler       SARS-CoV-2 beziehungsweise gegen           viren. Die beiden anderen endemischen
Therapien gegen humanpathogene Co­­ro­          andere Coronaviren entwickelt wurden      Coronaviren HCoV 229E und NL63
                                                und werden,                               gehören zu den Alphacoronaviren. Co­­
                                               2) Wirkstoffe, die primär als antivirale   ronaviren sind behüllte Viren und besit-
1
    Institut für Medizinische Mikrobiologie    Wirkstoffe gegen andere Viren, wie         zen ein einzelsträngiges RNA-Ge­­nom in
    und Virologie, Universitätsklinikum        zum Beispiel HIV (human immuno­            positiver Orientierung (+ssRNA), das
    Leipzig                                     deficiency virus) eingesetzt werden,      größte aller bislang be­­kannten RNA-
2
    Interdisziplinäres Zentrum für              die aber nun aufgrund bestimmter          Viren [3, 4].
    ­Infektionsmedizin (ZINF),                 Viruseigenschaften „umgewidmet“
    Universitätsklinikum Leipzig                wurden, und                               SARS-CoV-2 hat eine Genomgröße von
3
    Bereich Infektiologie und Tropenmedizin,   3) Wirkstoffe, die nicht primär            circa 29.9 kb (Kilo-Basenpaaren). Die
    Medizinische Klinik II,                    ­antivirale Therapeutika sind, die aber    komplexe Genomorganistion kann im
    Universitätsklinikum Leipzig                strukturelle Eigenschaften besitzen,      Wesentlichen in Abschnitte unterteilt
4
    Klinik für Infektiologie/Tropenmedizin,     die es ermöglichen könnten, eine          werden, die für Strukturproteine und
    Nephrologie und Rheumatologie,              antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2       Nicht-Strukturproteine kodieren (nsp).
    Klinikum St. Georg, Leipzig                zu entfalten.                              Vier Strukturproteine sind für den Auf-

Ärzteblatt Sachsen 6|2021                                                                                                                                    13
ANTIVIRALE THERAPIE GEGEN SARS-COV-2
CORONA-PANDEMIE

 bau und die Funktionalität des Virus­        und Darunavir, welche in der HIV-The-    von Lopinavir/r, aber auch anderer Pro-
 partikels von Bedeutung. Im Einzelnen        rapie zum Einsatz kommen, sowie          tease-Inhibitoren, außerhalb von klini-
 sind diese das Nucleocapsid-Protein          Danoprevir aus der HCV (Hepatitis-C-     schen Studien von der WHO nicht emp-
 (N), das Envelope-Protein (E), das Mem-      Virus)-Therapie.                         fohlen [14, 15].
 bran-Protein (M) und das Spike-Protein
 (S). Die drei erstgenannten Proteine         Die Kombination von Lopinavir und RNA-abhängige-RNA-Polymerase
 umschließen und verpacken die geno-          Ritonavir (Lopinavir/r) wurde initial von (RdRp)
 mische RNA. Das Spike-Protein ist in         der WHO (World Health Organization) Die RdRp ist ebenfalls ein für den vira-
 die Virusmembran eingelagert und ver-        priorisiert und in einer Vielzahl an klini- len Replikationszyklus entscheidendes
 mittelt die Bindung des Viruspartikels       schen Studien eingesetzt. Lopinavir Protein, das sowohl für die Replikation
 an die Zelle (siehe schematische Dar-        stellt den eigentlich antiviralen Wirk- des viralen Genoms als auch für die
 stellung). Außerdem sorgt es für das         stoff dar. Ritonavir wird als Inhibitor Transkription viraler mRNA (messen-
 für die ganze Virus­familie namensge-        des Cytochrom-P150-Isoenzyms 3A4 ger-RNA) verantwortlich ist. Nukleosid-
 bende kronenartige Aussehen der              aus pharmakokinetischen Gesichts- beziehungsweise Nukleosidanaloga, in
 Coronaviren im elektronenmikroskopi-         punkten zur Steigerung der Konzentra- Form von Adenin- beziehungsweise
 schen Bild (corona, lat. Kranz, Krone). 16   tion von Lopinavir verwendet („Booste- Guanin-Analoga, können die RNA-Syn-
 weitere Nicht-Strukturproteine über-         rung“). In verschiedenen in vitro- sowie these über eine Blockade dieses
 nehmen vor allem regulatorische Auf-         Tiermodellen konnte ein Einfluss auf Enzyms beziehungsweise über einen
 gaben während des viralen Replikati-         die Replikation von Coronaviren gezeigt Abbruch des synthetisierten RNA-
 onszyklus. Einige Studien zeigen aber        werden [8, 9]. In einem Zellkulturmodell Strangs in einer Reihe von RNA-Viren
 auch nsp-vermittelte Interaktionen mit       mit SARS-CoV-2 infizierten Vero-E6-­ inhibieren. Aus diesem Grund wurden
 Zielstrukturen der infizierten Zelle, um     Zellen konnte eine verringerte Replika- beispielsweise Wirkstoffe wie Rem-
 die vornehmlich antivirale Wirtsabwehr       tion nachgewiesen werden [10], ebenso desivir, Ribavirin und Favipiravir als
 herunterzuregulieren [5].                    wie beispielsweise in mit MERS-CoV Kandidaten für eine antivirale Therapie
 Aufgrund von stark konservierten             infizierten Seidenaffen, die nach oraler gegen SARS-CoV-2 angesehen. Eine
 Strukturen innerhalb der Coronaviren         Gabe reduzierte pulmonale Infiltrate Besonderheit dieser Medikamenten-
 und strukturellen Ähnlichkeiten zu           sowie verringerte interstitielle Pneu- klasse ist beim Einsatz bei Coronaviren
 anderen Virusgruppen wurden drei             monie und Gewichtsverlust zeigten [11]. allerdings zu beachten: RNA-Viren wer-
 Hauptziele für eine antivirale Therapie      Bereits bei SARS-CoV gab es, meist in den auf Genomebene im Allgemeinen
 identifiziert: Die virale Protease (3-chy-   Kombination mit anderen antiviralen als stärker variabel verglichen mit
 motrypsin-like protease, 3CLpro, auch        Medikamenten, Einzelfallberichte und DNA-Viren angesehen. Dies liegt an
 als main protease, Mpro, bezeichnet),        Untersuchungen an kleinen Patienten- einem fehlenden Kontrollschritt der
 die RNA-abhängige virale RNA-Poly-           kohorten, in welcher eine verringerte RdRp während der Replikation (proo­f­
 merase (RdRp) und das Spike-Protein          Viruslast im Oropharynx und ein milde- reading). Coronaviren stellen aller­      -
 selbst [6].                                  rer klinischer Verlauf postuliert wurden. dings eine Ausnahme von dieser Regel
                                              In Studien mit größeren Patientenzah- dar, da nsp 14 eine Exoribonuklease-
 Virale Protease                              len während der aktuellen SARS-CoV- Aktivität (ExoN) aufweist [16]. Die in die
 Während des viralen Replikationszyk-         2-Pandemie konnte allerdings kein synthetisierte RNA eingebauten Ana-
 lus werden die viralen Proteine zu­­         Unterschied zur best supportive care, loga können dadurch als falsch erkannt
 nächst als zusammenhängende Poly-            beispielsweise hinsichtlich klinischer und entfernt werden. Die Folge ist,
 proteine translatiert. 3CLpro ist an der     Endpunkte wie Fieber oder bildmor- dass Coronaviren eine primäre Resis-
 Spaltung dieser Vorläufer beteiligt und      phologischen Zeichen der Lungeninfek- tenz gegen eine große Anzahl von Nuk-
 damit essenziell für das Virus [7]. Pro-     tion beziehungsweise -inflammation, leotid- beziehungsweise Nukleosida-
 tease-Inhibitoren gelten aus diesem          festgestellt werden [12, 13].               naloga zeigen.
 Grund als vielversprechende Kandida-                                                     Das Adenosin-Analogon Remdesivir
 ten für eine erfolgreiche, gezielte anti-    Aufgrund dieser negativen Studiener- wurde, ähnlich wie Lopinavir, Anfang
 virale Therapie, da keine analogen           gebnisse bei ungünstigen pharmako- 2020 von der WHO für klinische Studien
 Enzyme in menschlichen Zellen vor-           dynamischen Eigenschaften mit dem zur Therapie von SARS-CoV-2-Infektio-
 kommen. Zu den potenziellen Wirk-            Risiko für hepatotoxische Medikamen- nen priorisiert. Es stellt ein Prodrug dar
 stoffen zählen hier Lopinavir, Ritonavir     tennebenwirkungen wird ein Einsatz und entfaltet erst nach Aktivierung zur

14                                                                                                         Ärzteblatt Sachsen 6|2021
ANTIVIRALE THERAPIE GEGEN SARS-COV-2
CORONA-PANDEMIE

Triphosphatform seine Wirkung in der
Zelle, indem es nach Einbau in den
 entstehenden RNA-Strang zum Ket-
 ­
 tenabbruch führt. Remdesivir wurde
 ursprünglich zur Behandlung von Infek-
 tionen mit Ebola- und Marburg-Viren
 entwickelt [17]. Es zeigt in vitro eine
 breite Aktivität gegen verschiedene
 RNA-Viren, darunter auch diverse
­Fledermaus-Coronaviren, MERS-CoV,
SARS-CoV (untersucht mit HAE-Zellkul-
 turen, primary human airway epithelial
 cells) und SARS-CoV-2 (untersucht mit
Vero-E6-Zellen). Durch nachfolgende
 Untersuchungen in verschiedenen Tier-
 modellen, in denen beispielsweise
 Mäuse erfolgreich prophylaktisch und
 therapeutisch mit Remdesivir behan-
 delt wurden, ließen sich diese ersten
Zellkulturergebnisse in vivo bestätigen
 [10, 18 – 20] . Aufgrund erster Berichte
von unter Remdesivir genesenen Pati-
 enten wurde Anfang 2020 große Hoff-
 nung in weiterführende klinische Stu-
 dien gesetzt [21]. Auch wenn in einigen
Subgruppenanalysen Vorteile einer frü-
 hen Gabe von Remdesivir für definierte
 Patientenklientel abgeleitet werden
 konnten, zeigte sich in verschiedenen
 großangelegten multizentrischen, ver-
 blindeten und randomisierten Studien
 kein Vorteil gegenüber Kontrollgruppen
 ohne Remdesivir [22 – 24]. Aufgrund
 dieser Ergebnisse empfiehlt die WHO
 (WHO SOLIDARITY Trial Konsortium)
aktuell bei Patienten – unabhängig
vom klinischen Schweregrad – den Ein-
                                            a) Schematische Darstellung eines SARS-CoV-2 Virions.
 satz von Remdesivir nicht mehr. Eine       b) Vereinfachte Darstellung des SARS-CoV-2 Lebenszyklus mit den entsprechenden Angriffspunkten für
 fortlaufende Neubewertung wird aller-      eine antivirale Therapie. Durch Bindung des Spike Proteins an den zellulären ACE2-Rezeptor kommt es zur
                                            Adhäsion des Viruspartikels (1). Durch zelluläre Kofaktoren kommt es dann zur Konformationsänderung
 dings im Rahmen klinischer Studien, die    und Verschmelzung beider Membranen. Die unter ‚Spike Protein und ACE-2-Rezeptor‘ beschriebenen
 beispielweise neue Wirkstoffkombina-       Medikamente entfalten hier ihre Wirkung (A). Nach der Freisetzung der viralen RNA in das Zellinnere
                                            kommt es zunächst zur Bildung verschiedener mRNA-Transkripte und schließlich auch zur Replikation des
 tionen untersuchen, eingeräumt [14, 15].   viralen Genoms durch die RdRp (2), auf die Polymeraseinhibitoren wirken können (B). An den zellulären
                                            Ribosomen wird die mRNA in Proteinvorläufer umgeschrieben. Diese werden im Anschluss durch virale
                                            Proteasen, hauptsächlich 3CLpro, weiter prozessiert (3). Proteaseinhibitoren wirken an diesem Teilschritt (C).
Ribavirin ist ein Guanosin-Analogon,        Im Anschluss werden das replizierte Genom und die prozessierten (Struktur-)Proteine zusammengeführt
das im Rahmen der Behandlung von            (Assembly) und neue Virionen an die Umgebung abgegeben (4). (ER, endoplasmatisches Retikulum)
                                            Die Abbildung wurde mit BioRender.com erstellt.
Patienten mit Hepatitis-C-, Hepatitis-E-
und RSV-Infektionen (respiratory syn-
cytial virus) eingesetzt wird. Es wirkt breite in-vitro-Wirkung gegenüber ver- lässt Ribavirin allerdings bereits in der
ebenfalls im Wesentlichen über eine schiedenen RNA-Viren. Die bereits Zellkultur weniger effektiv erscheinen
Interaktion mit der RdRp und zeigt eine beschriebene proofreading-Aktivität [25]. Zudem sind ausreichende Wirk-

Ärzteblatt Sachsen 6|2021                                                                                                                                    15
CORONA-PANDEMIE

     stoffspiegel mit den üblichen Dosis­ ren charakteristischen Spikes („Sta-                                          Aufgrund ihrer Eigenschaft, die termi-
     regimen nicht zu erreichen [20, 26, 27].
                                          chel“). Es besteht aus zwei Unterein-                                         nale Glykosylierung von ACE-2 zu inhi-
     Bei Studien an durch MERS-CoV und    heiten, S1 und S2, die zwei verschie-                                         bieren, entstand die Hypothese, hier-
     SARS-CoV infizierten Patienten er­­folg­
                                          dene Aufgaben während der Infektion                                           durch einen therapeutischen Einfluss
     ­te die Gabe von Ribavirin in Kombina-
                                          erfüllen. Auf der S1-Untereinheit ist die                                     auf die Infektion mit SARS-CoV-2 neh-
      tion mit anderen antiviralen Medika-Rezeptorbindungsdomäne (RBD) ent-                                             men zu können. Nach positiven in-
     menten beziehungsweise Immunmo-      halten. Zielrezeptor von SARS-CoV-2                                           vitro-Daten [27] wurde vor allem das
      dulatoren wie zum Beispiel Interfe- ist, genau wie beim SARS-CoV, der                                             besser verträgliche Hydroxychloroquin
     ron-beta-1b [20, 28]. Eine Wirksamkeit
                                         ACE-2 (angiotensin converting enzyme                                           in einer ganzen Reihe von Studien
     bei Infektionen mit SARS-CoV-2 ist  2)-Rezeptor, der unter anderem auf                                             sowohl als Monotherapie und in Kom-
     bisher nicht beschrieben, wobei insbe-
                                         ­vielen Zellen des Respirationstraktes                                         bination mit Azithromycin [14, 31, 32],
     sondere die inhalative Anwendung nochexprimiert wird. Die S2-Untereinheit                                          aber auch als Postexpositionsprophy-
      in laufenden Studien untersucht wird.
                                          verankert die Spike-Proteine in der                                           laxe [33] untersucht. Ein positiver Nut-
                                         Virusmembran und induziert nach der                                            zen konnte in allen methodisch hoch-
 Favipiravir ist ebenfalls ein Guanosin- Rezeptorbindung durch Konformati-                                              wertigen Studien jedoch nicht gezeigt
 Analogon, welches in-vitro-Aktivität onsänderungen die Verschmelzung mit                                               werden. Das Risiko schwerwiegender
 gegenüber vielen RNA-Viren zeigt. Es der Zellmembran der Zielzelle und                                                 Nebenwirkungen (vor allem QT-Zeit-
 ist in Japan und Südkorea zur Behand- damit die eigentliche Infektion. Somit                                           Verlängerung) bei nicht bewiesenem
 lung pandemischer Influenza-Stämme sind potenziell zwei Schritte während                                               klinischem Nutzen in der Therapie wie
                                                                                                                        Prophylaxe war erhöht. In größeren

                                                                                   © Shutterstock/2020 Ovidiu Dugulan
                                                                                                                        Studien zeigte sich sogar ein Trend zu
                                                                                                                        einer erhöhten Sterblichkeit im Ver-
                                                                                                                        gleich zu standard-of-care [33].

                                                                                          Monoklonale Antikörper sind direkt
                                                                                          antiviral wirksam und sollten daher
                                                                                          frühzeitig nach Infektion mit SARS-
                                                                                          CoV-2 angewandt werden mit dem Ziel
                                                                                          einer „Virus-Neutralisierung“. Zurzeit
                                                                                          befinden sich verschiedene monoklo-
                                                                                          nale Antikörper in weitergehender
                                                                                          Untersuchung durch klinische Studien.
                                                                                          Sowohl für die Therapie mit Bamlani-
                                                                                          vimab [34], die Kombination von Bam-
                                                                                          lanivimab plus Etesevimab (BLAZE-1-­
 zugelassen. Die benötigte Wirkstoff-           des viralen Replikationszyklus An­­ Studie) [35], als auch für die Kombina-
 konzentration lässt die erfolgreiche           griffsziele für antivirale Therapien. Die tion aus Casirivimab plus Imdevimab
 Therapie bei SARS-CoV-2 als schwierig          Verhinderung der Interaktion von RBD konnte in randomisierten Placebo-kon-
 erscheinen [27, 29]. Eine abschließende        mit dem Zielrezeptor ist dabei jedoch trollierten Phase-2-Studien bei Patien-
 Bewertung der Wirksamkeit von Favi-            der besser untersuchte Weg, wobei ten mit hohem Risiko für einen schwe-
 piravir, auch in Kombination mit ande-         sowohl die zelluläre als auch die virale ren COVID-19-Verlauf bei Gabe inner-
 ren Wirkstoffen, steht zurzeit aber            Komponente theoretisch beeinflusst halb von sieben Tagen nach Infektion
 noch aus.                                      werden können.                            mit SARS-CoV-2 im sekundären End-
                                                                                          punkt eine Reduktion von Kranken-
     Spike Protein und ACE-2-Rezeptor           Chloroquin und Hydroxychloroquin sind hausaufnahmen und Vorstellungen in
     Das Spike (Glyko-)Protein ist für die      ältere Präparate, die ursprünglich als Notaufnahmen gezeigt werden [36].
     Infektion von Zielzellen essenziell. Auf   verlässliche Therapeutika bei der Mala- Ambulante Patienten, die SARS-CoV-2-­
     reifen Viruspartikeln bildet es in einer   ria zum Einsatz kamen, bis ihr Einsatz seronegativ sind und/oder eine hohe
     Kombination aus drei identischen Pro-      durch das Auftreten von Resistenzen Viruslast aufweisen, profitierten am
     teinen (Homotrimer) die für Coronavi-      zunehmend eingeschränkt wurde [30]. meisten von der Behandlung in Bezug

16                                                                                                                                          Ärzteblatt Sachsen 6|2021
CORONA-PANDEMIE

auf eine Reduktion der Viruslast [36].     Fazit                                        mehrere dieser Arzneimittel wurde
Bei Patienten, die aufgrund von COVID-19   Eine kausale, hochwirksame und spezi-        durch die EMA eine positive Bewertung
ins Krankenhaus eingeliefert wurden,       fische Therapie steht zur Behandlung         ausgesprochen, die Zulassungsverfah-
konnte kein Nutzen einer Behandlung        von Infektionen durch SARS-CoV-2             ren laufen aktuell. In ausgewählten
mit Casirivimab und Imdevimab beo­b­       beziehungsweise der resultierenden          Apotheken in Deutschland sind die
achtet werden. Die Gabe monoklonaler       Erkrankung COVID-19 bislang nicht zur        monoklonalen Antikörper Bamlanivi­
Antikörper kann mit einem schlechte-       Verfügung. Im Zentrum therapeuti-            mab und die Kombination aus Casiri-
ren klinischen Verlauf assoziiert sein,    scher Bemühungen stehen daher opti-          vimab und Imdevimab verfügbar.
wenn diese hospitalisierten Patienten      male unterstützende Maßnahmen ent-          ­Weitere Informationen finden sich auf
verabreicht werden, welche High-Flow-      sprechend der Schwere des Krank-             den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts
Sauerstoff oder eine mechanische           heitsbildes (zum Beispiel Sauerstoff-        (PEI) [40] und auf der Internetseite des
Beatmung mit COVID-19 benötigen.           Gabe, Ausgleich des Flüssigkeitshaus-        RKI [41].
Durch die US-amerikanische Zulas-          haltes, gegebenenfalls Antibiotika-         Als immunmodulatorisch wirksames
sungsbehörde FDA (Food and Drug            Gabe zur Behandlung von bakteriellen        Arzneimittel erhielt Dexamethason
Administration) wurden erste Notfall-      Ko- beziehungsweise Superinfektionen,        eine positive Bewertung durch die EMA
zulassungen erteilt.                       gegebenenfalls Intensivtherapie mit          für die Anwendung bei Patienten mit
                                           Organersatzverfahren) sowie die Be­­         einer SARS-CoV-2-Infektion, die eine
Ein weiterer möglicher Behandlungsan-      handlung von relevanten Grunderkran-        zusätzliche Sauerstoffzufuhr oder
satz besteht in der Verwendung von         kungen. Wichtig ist zudem eine strati-       künst­liche Beatmung erfordert. 
Rekonvaleszentenplasma. Der bishe-         fizierte antikoagulatorische Behandlung
rige Einsatz bei anderen viralen Erkran-   bei Patienten mit erhöhtem Throm­bo­                Interessenkonflikte: Prof. Dr. med. habil.
                                                                                                 Christoph Lübbert: Teilnahme an einer
kungen (zum Beispiel durch SARS-CoV,       embolierisiko. Verschiedene spezifi-          multizentrischen Phase-III-Studie mit Einsatz
MERS-CoV, Ebola-Virus) führte zu           sche Therapie­   ansätze (mit direkter                  von Remdesivir (Fa. Gilead Sciences)
unterschiedlichen therapeutischen Er­­     antiviraler oder immunmodulatorischer
                                                                                                       Literatur unter www.slaek.de ➝
gebnissen. Die Wirksamkeit wird daher      Wirksamkeit) wurden und werden im                                   Presse/ÖA ➝ Ärzteblatt
in der Literatur kritisch und nicht ein-   Verlauf der Pandemie in klinischen Stu-
heitlich diskutiert. Mehrere Therapie-     dien untersucht. Bei clinicaltrials.gov                            Korrespondierender Autor:
                                                                                                              Dr. med. Mario Hönemann
studien wurden auch bei SARS-CoV-          sind zurzeit über 5.500 Studien mit                              Universitätsklinikum Leipzig
2-Infizierten initiiert. In einer Studie   mehr als 400 Wirkstoffen gelistet.                    Institut für Medizinische Mikrobiologie
konnte bei frühem Einsatz (72 h nach       Als direkt antiviral wirksames Arznei-                                           und Virologie
                                                                                                         Johannisallee 30, 04103 Leipzig
Symptombeginn) von hochtitrigem            mittel erhielt Remdesivir (Veklury®) im     E-Mail: Mario.Hoenemann@medizin.uni-leipzig.de
Rekonvaleszentenplasma bei mild an         Juli 2020 eine bedingte Zulassung durch
COVID-19 erkrankten älteren Patienten      die EMA (European Medicines Agency)
eine verringerte Progression der Er­­      zur Anwendung bei Patienten mit einer         Aufruf zur Publikation
krankung gezeigt werden [37]. Auch         Viruspneumonie, die eine zusätzliche          von Beiträgen
eine retrospektive Analyse aus dem         Sauerstoffzufuhr erfordert (Low- oder
                                                                                         Das Redaktionskollegium „Ärzte-
größten US-Register zeigte eine posi-      High-Flow-Sauerstofftherapie oder nicht-­
                                                                                         blatt Sachsen“ bittet die sächsischen
tive Korrelation zwischen klinischem       invasive Beatmung) in einer frühen
                                                                                         Ärzte, praxisbezogene, klinisch
Benefit und dem Titer der neutralisie-     Phase von COVID-19. Weiterführende
                                                                                         relevante, medizinisch­wissen-
renden Antikörper [38]. Die Evidenz ist    Informationen zu Remdesivir, dessen
                                                                                         ­schaft­liche Beiträge und Übersichten
nach Ansicht der meisten Fachgesell-       Einsatz von der WHO nicht empfohlen
                                                                                          mit diagnostischen und therapeuti-
schaften bislang allerdings nicht aus-     wird, finden sich zum Beispiel auf der
                                                                                          schen Empfehlungen, berufspoliti-
reichend für eine klare Empfehlung. Ein    Internetseite der Fachgruppe COVRIIN
                                                                                          sche, gesundheitspolitische und
Einsatz als individueller Heilversuch      am Robert Koch-Institut (RKI) [39].            medizin­geschichtliche Artikel zur
kann bei kritisch kranken Patienten                                                       Veröffent­lichung im „Ärzteblatt
oder Patienten mit Hochrisikofaktoren      Ebenfalls direkt antiviral wirksam sind        Sachsen“ einzureichen
erwogen werden, insbesondere bei           sogenannte monoklonale Antikörper.             (E­-Mail: redaktion@slaek.de).
B-Zell-depletierender Therapie und         Zurzeit befinden sich verschiedene             Im Internet unter www.slaek.de sind
fehlender eigener SARS-CoV-2-Antikör-      (Kombinations-)Präparate in Unter­             die Autorenhinweise nachzulesen.
per-Produktion.                            suchung durch klinische Studien. Für

Ärzteblatt Sachsen 6|2021                                                                                                                   17
Sie können auch lesen