Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
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Editorial Liebe Leser*innen, die Pandemie hat zwei Dinge ver- physische Orte des Austauschs, deutlicht: Digitale Anwendungen des Lernens und gemeinsamer ermöglichen uns, zu arbeiten, zu Kreativität. Um ihren gesellschaft- lernen, zu kommunizieren und lichen Auftrag mit zeitgemäßen unterhalten zu werden, ohne dass Angeboten zu erfüllen, brauchen wir die Wohnung verlassen. Dank Bibliotheken eine auskömmliche der elektronischen Medienaus- Ausstattung. Mit der pandemie- leihe und der vielfältigen digitalen bedingten Belastung öffentlicher Dienstleistungen konnten Biblio- Haushalte ist die Gefahr von theken im Lockdown verstärkt Kürzungen groß. von zu Hause genutzt werden. Doch all diese Angebote sind nur Wie hoch der Bedarf an finanziel- verfügbar, wenn man über die ler Unterstützung ist, zeigt die technische Infrastruktur verfügt Inanspruchnahme der vom Bund und das nötige Know-how besitzt, finanzierten Förderprogramme, um diese zu bedienen. Viele Men- die der dbv betreut: »Vor Ort für schen haben dies nicht. alle«, »Total Digital!« und »Wis- sensWandel«. Zusätzliche Bundes- Gleichzeitig hat uns die lange Zeit und Landesmittel setzen wichtige im Lockdown gezeigt, wie sehr Impulse. Vor allem für kommunale wir die Orte vermissen, an denen Bibliotheken ist die Stärkung ihrer wir uns in Gemeinschaft aufhalten, Träger wesentlich. Die Corona- etwas erleben oder erlernen krise darf nicht zu einer Krise der können: Kultur- und Bildungsein- Bibliotheken führen. Denn Biblio- richtungen, wie Bibliotheken theken schaffen gesellschaftlichen es sind. Beides zeigt: Bibliotheken Zusammenhalt, den wir mehr haben im Zeitalter der Digitalität denn je brauchen. weiterhin zentrale Funktionen und Aufgaben. Sie ermöglichen Men- Ich wünsche Ihnen eine schen Zugänge ins Digitale und aufschlussreiche Lektüre! unterstützen sie mit Geräten und Medien, mit freiem WLAN, Ihr mit Beratungen, der Vermittlung Prof. Dr. Andreas Degkwitz von Digital- und Informations- Bundesvorsitzender des kompetenz und mit Open-Access- Deutschen Bibliotheksverbandes und Open-Science-Angeboten. e.V. (dbv) Zudem sind sie hoch geschätzte Foto: 2 dbv/Alexander Paul Englert
Ansichten Das sagt die Politik Wir in Europa betrachten die Ent- Digitalisierung und Mediatisierung Lesen gilt als Schlüsselkompetenz wicklungen beim Thema digitale haben in allen Bereichen unserer der Wissensgesellschaft. Einen Bildung und die sich daraus erge- Lebens- und Arbeitswelt zu unverzichtbaren Beitrag dazu leis- benden Handlungsverpflichtungen entscheidenden Veränderungen ten die Bibliotheken, denn sie als Priorität. Das Potenzial digita- geführt. Der damit einhergehende sind viel mehr als Orte des Lesens ler Technologien zur Entwicklung gesellschaftliche und kulturelle und der Ausleihe von Büchern. hochwertiger Bildungsangebote Wandel wirkt sich sowohl auf das In Zeiten des digitalen Wandels für alle wurde noch nicht in vollem schulische Lehren und Lernen und zunehmender Diversität kön- Umfang ausgeschöpft. Hoch- als auch auf die Bewältigung und nen Bibliotheken wichtige Me- wertige und inklusive Bildung in Gestaltung von Lebens- bzw. dienkompetenzen vermitteln und Europa ist unser gemeinsames Arbeitsprozessen von Kindern, aktive Orte gesellschaftlicher Ziel. Dabei ist digitale Kompetenz Jugendlichen und jungen Erwach- Debatten sein. ein wesentlicher Faktor. senen aus. Unsere Verantwortung als Kultusministerkonferenz ist es, Bibliotheken gewährleisten freien In diesem Zusammenhang muss eine selbstbestimmte Teilhabe Zugang zu vielfältigen Informa- auch der gleiche Zugang zu aller Lernenden und Studierenden tionsquellen, spielen auch eine digitaler Bildung sichergestellt an der digital geprägten Gesell- immer wichtigere Rolle für die werden, d. h. alle sollten die schaft zu ermöglichen. gesellschaftlichen Veränderungen Fähigkeiten und Kompetenzen im durch die Digitalisierung und Bereich der Digitaltechnik erwer- Öffentliche Bibliotheken und entwickeln sich zu Coworking ben können, die für ihr künftiges auch zunehmend Hochschulbiblio- Spaces. So können Testlabore Wohlergehen von entscheidender theken sind wichtige Partner im entstehen, in denen partizipative Bedeutung sein werden. Bildungssystem, geben mit ihren Ideen für einen Dritten Ort als Angeboten insbesondere den zentraler Kultur-Knotenpunkt Bibliotheken, seit jeher zentrale Kindern und Jugendlichen Orien- gerade in ländlichen Räumen Orte des Lesens und Lernens, spie- tierung in der vielfältigen Medien- erprobt werden und Bibliotheken len dabei eine besondere Rolle. welt und ergänzen schulisches sich zu lebendigen Kultur- und Sie erlauben den Zugang zu Wis- Lernen. Aber auch mit ihren alters- Begegnungsorten entwickeln. sen für alle, unabhängig von Her- gerechten Veranstaltungskonzep- kunft, Geldbeutel oder Alter. Die ten und -formaten zur Sprach- und Die Kommunen bleiben aufge- Digitalisierung unserer Bibliothe- Leseförderung motivieren sie rufen, »ihre« Bibliotheken in der ken auch auf europäischer Ebene zum Lesen. Bei der Bewältigung Rolle als kooperationsfreudige voranzutreiben ist ein wichtiger der Corona-Folgen – und hier und teilhabeorientierte Kulturorte Baustein hin zu effizienter digitaler insbesondere zum Schließen von zu stärken. Bildung für alle. Dafür setzen wir Lernlücken – können sie zudem uns im Ausschuss für Kultur und einen wichtigen Beitrag leisten. Dr. Gerd Landsberg Bildung im Europäischen Parlament Aber auch darüber hinaus sind sie Hauptgeschäftsführer weiterhin mit voller Kraft ein. eine wichtige Säule für lebenslan- des Deutschen Städte- und ges Lernen. Gemeindebundes Sabine Verheyen MdEP Fotos: Vorsitzende des Ausschusses Britta Ernst FKPH für Kultur und Bildung im Präsidentin der Kultusminister- Axel Schön Benjamin Westhoff Europäischen Parlament konferenz 2021 3
Statistik Bibliotheken in Deutschland Zahlen aus der Deutschen Bibliotheks- statistik 2020 Die Corona-Pandemie hat im Berichtsjahr 2020 Kommunen auf Gebühren, um so einer breiten auch Bibliotheken vor große Herausforderungen Bevölkerungsschicht den Zugang zu Wissen, Infor- gestellt. Im ersten und zweiten Lockdown mussten mationen und Medien während des Lockdowns sie ihre Häuser für den Publikumsverkehr schließen. zu ermöglichen. Für Beratungsangebote wurde viel- Wie zu erwarten sind dadurch die Bibliotheksbesu- fach auf Telefon und E-Mail umgestellt. Vor allem che in der Folge von 223 Mio. im Jahr 2019 auf in wissenschaftlichen Bibliotheken wurden Video- 104 Mio. Besuche gesunken. konferenztools zur Unterstützung der Studierenden eingesetzt. Darüber hinaus haben zahlreiche Biblio- Obwohl die Vor-Ort-Nutzung nur sehr eingeschränkt theken Online-Tutorials zu vielfältigen Themen er- möglich war, ist es Öffentlichen wie wissenschaft- stellt sowie Veranstaltungen umgesetzt, an denen lichen Bibliotheken in kürzester Zeit gelungen, die per Livestream teilgenommen werden konnte. Menschen weiter mit Medien und anderen Biblio- Und natürlich wurde das Online-Medienangebot theksdienstleistungen zu versorgen. Mit viel Kreativi- der Bibliotheken ausgebaut. tät wurden Lösungen für kontaktarme Ausleihmög- lichkeiten gefunden. Vielerorts verzichteten die Digitale Medien für 223 Millionen Wissenschaft, Hohe physische Forschung Nachfrage nach Entleihungen und Lehre Schulungen in Öffentlichen und Veranstal- Bibliotheken Die wissenschaftlichen Biblio- theken haben ihre Anstrengun- tungen gen, digitale Angebote für den Wie wichtig Öffentliche Biblio- Lehr- und Forschungsbetrieb Über 140.000 Veranstaltungen theken gerade in Krisenzeiten auszubauen, 2020 noch einmal und Schulungsangebote wur- für die Menschen sind, zeigt gesteigert. Insgesamt 233 Mio. den trotz pandemiebedingter die Ausleihe von 223 Mio. phy- Euro wurden in die Anschaffung Einschränkungen im Jahr 2020 sischen Medien. Zusätzlich sind von E-Medien investiert. 297 von Öffentlichen und wissen- allein über die Onleihe 46 Mio. Mio. Zugriffe auf das digitale schaftlichen Bibliotheken durch- E-Medien¹ entliehen worden. Die Medienangebot zeigen, dass ein geführt. Die Öffentlichen Biblio- Ausleihe digitaler Medien über gut ausgebautes digitales Ange- theken haben mit ca. 64.000 die Onleihe stieg gegenüber bot für Wissenschaft, Forschung Veranstaltungen einen Schwer- 2019 um 24% – für Viele die einzi- und Lehre unverzichtbar ist. punkt auf den Bereich der Lese- ge Möglichkeit in Corona-Zeiten, und Medienkompetenzförde- ihre Bibliothek zu nutzen. rung von Kindern gelegt. In den wissenschaftlichen Bibliotheken nahmen rund 306.000 Perso- nen an Schulungen, Führungen, Lehrveranstaltungen und On- Quelle: line-Seminaren teil. Die Zahlen sind der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) 2020 entnommen. Pandemiebedingt sind die Daten des Berichts- jahres nicht mit den Daten des Vorjahres vergleichbar. 1 Zahlen der Onleihe 2020, 4 divibib GmbH.
Finanzsituation der Kommunen Der dbv fordert: Kommunen stärken und lokale Bildungskooperationen fördern VHS Nur dank der umfassenden Unterstützung von Die Menschen sind auf die Dienstleistungen ihrer Bund und Ländern haben die Kommunen das erste Kommunen vor Ort angewiesen. Ihre Lebensqualität Pandemiejahr 2020 finanziell gut abschließen ist unmittelbar davon betroffen, wenn diese Angebo- können.2 Sie konnten ihre Pläne fast unverändert te gekürzt oder gestrichen werden. Zusätzlich umsetzen und notwendige Investitionen tätigen. sollten Kommunen eine noch bessere Zusammen- Ein Großteil dieser Hilfen wird jedoch nach arbeit ihrer außerschulischen kulturellen Bildungs- aktuellem Stand nicht fortgeführt werden: Vor einrichtungen befördern, um auch bei knapperen der Sommerpause wurden keine weiteren Hilfen Kassen Bildungsangebote zu sichern und allen für Kommunen beschlossen. Menschen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Kultur- politik wird lokal in den Kommunen gestaltet. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass u.a. aufgrund verminderter Steuereinnahmen viele Städte und Ge- Daher fordert der dbv, dass Kommunen als Träger meinden in den kommenden Jahren drastische der Bibliotheken auch in den kommenden Jahren von Kürzungen vornehmen müssen. Dies geht zu Lasten Bund und Ländern entlastet werden. wichtiger Investitionen in Kitas, Schulen aber auch in Bibliotheken, die als sogenannte freiwillige Leistun- gen gelten. Kürzungen gefährden den notwendigen weiteren Umbau der Bibliotheken, die sich mitten in der digitalen Transformation befinden. Die in 2021 noch vorhandenen Fördergelder des Bundes für Bib- liotheken können hier nur zusätzliche Impulse bieten. 2 Vgl. Kommunaler Finanzreport 2021. Hrsg. Bertelsmann Stiftung, https://www.bertelsmann- stiftung.de/de/publikationen/ publikation/did/kommunaler-fi- nanzreport-2021-all-1 5
Folgen der Corona-Pandemie Der dbv fordert: Verstärkt in Bibliotheken als Dritte Orte investieren Bibliotheken können bei der Bewältigung der Vermisst wurden daher vor allem die Möglichkeiten, Pandemiefolgen, wie z.B. dem Aufholen bei Lese- die der physische Raum »Bibliothek« bietet. Bereits defiziten, einen wichtigen Beitrag leisten. Sie vor der Pandemie hatten Bibliotheken begonnen, können ebenfalls helfen, Innenstädte neu zu be- sich neu aufzustellen. Zunehmend werden sie als leben. Vorausgesetzt, sie werden dabei unterstützt, »Dritte Orte« umgestaltet, als Begegnungsräume ihre Angebote flexibel und situationsorientiert und Orte unterschiedlicher Dienstleistungen. Dabei sowohl digital als auch analog auszubauen. stehen die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt. Bibliotheken sind frei zugängliche Ein- Auch in Bibliotheken hat die Corona-Pandemie richtungen und stehen jedem ohne Konsumzwang einen starken Digitalisierungsschub ausgelöst, der offen. Man kann sich dort begegnen oder sich dafür sorgte, dass vielerorts die Medienausleihe, zurückziehen. Nirgendwo sonst treffen so viele ver- die Beratung sowie die Schulungsangebote mit schiedene gesellschaftliche Gruppen in anregender innovativen Ideen fortgeführt werden konnten. Das Atmosphäre aufeinander. Bibliothekspersonal zeigte sich bei der Entwicklung von Lieferdiensten oder Abholservices sowie Der dbv fordert daher von den Kommunen, diese bei der Umstellung auf digitale Unterstützung niederschwelligen Aufenthaltsorte mit entsprechen- oder Online-Veranstaltungen kreativ und flexibel. den Investitionen weiter zu befördern. 6
Leseförderung Der dbv fordert: Für mehr Bildungsgerechtigkeit jetzt in Lese- förderung durch Bibliotheken investieren Teilhabe Wer nicht gut lesen kann, hat es schwer, seine setzt sich auch der im Jahr 2021 von der Stiftung Möglichkeiten zu entfalten. In Schule, Ausbildung Lesen und dem Börsenverein des Deutschen und Beruf – Lesen ist Grundlage für eine selbst- Buchhandels initiierte Nationale Lesepakt ein, an bestimmte Teilhabe an der Gesellschaft. Studien dem sich der Deutsche Bibliotheksverband be- haben belegt, dass bereits vor der Pandemie teiligt. Denn Bibliotheken sind mit ihrer Expertise viel zu viele Kinder nicht richtig lesen lernen – und ihrem Angebot wichtige Partner in der eine Beeinträchtigung, die sich auf ihren gesamten Leseausbildung. Es gilt, schulische und außer- Lebensweg auswirkt. schulische Lesefördermaßnahmen aufeinander abzustimmen und eng miteinander zu ver- Die jüngste PISA-Sonderauswertung hat dies bestä- zahnen. Dafür benötigen Bibliotheken zusätzliches tigt.3 Nur diejenigen, die gut lesen können, sind Personal und höhere Budgets. auch in der Lage, digitale Technologien optimal zu nutzen. Durch die schwierige Lernsituation in Der dbv fordert daher, dass Bund, Länder und den Schulen während der Pandemie ist zu befürch- Kommunen die notwendigen Ressourcen für die ten, dass sich die Lesefähigkeit von Kindern weiter Leseförderung in Bibliotheken bereitstellen. verschlechtert hat. Gerade jetzt muss deshalb in Leseförderung investiert werden. Für gute Bildungschancen von Kindern ist eine systematische Leseförderung von Geburt an unerlässlich: in Familie, Kita und Schule. Dafür 3 PISA-Sonderauswertung »Lesen im 21. Jahrhundert«: Lese- und Schreibkompetenzen in einer digitalen Welt, https://www. oecd.org/pisa/PISA2018_ Lesen_DEUTSCHLAND.pdf 7
Zeitungskopien Der dbv fordert: Versand von Zeitungsartikeln ermöglichen und zeithistorische Forschung erleichtern Archiv 1995 Suche...| Historische Zeitungen sind eine wichtige Quelle ist sogar bei »vergriffenen« Zeitungen der Fall, die für die Geschichtswissenschaften. Nach geltendem weder gedruckt noch in kommerziellen Online-Zei- Urheberrecht können Zeitungen und Publikums- tungsarchiven verfügbar sind. zeitschriften – im Gegensatz zu wissenschaftlichen Fachzeitschriften – in Bibliotheken allerdings nur Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein nachhal- vor Ort eingesehen und nicht per Kopienversand an tiger Digitalisierungsschub in Bildung und Forschung die Forscher*innen übermittelt werden. Das behin- dringend erforderlich ist. Dass Forscher*innen für die dert Bildung und Forschung und ist angesichts der Einsichtnahme in historische Zeitungen oder Publi- Digitalisierungsbestrebungen in diesen Bereichen kumszeitschriften weiterhin reisen müssen, steht im nicht zeitgemäß. starken Widerspruch zu den Bestrebungen, Bildung und Forschung durch digitale Zugänge zu erleich- Wie wurde in der Nachkriegszeit über gesellschaft- tern. Gerade bei der Nutzung »vergriffener« Zeitun- liche Themen berichtet? Welche Meinungen wurden gen besteht kein Konflikt mit aktuellen Verwertungs- im öffentlichen Diskurs wie vertreten? Die Analyse interessen der Verlage. dieser wichtigen Fragen wäre ohne die Konsultation von zeithistorischen Quellen, wie z.B. historischen Der dbv fordert daher, dass der analoge und digitale Tageszeitungen, undenkbar. Um Einblicke in diese Kopienversand von Zeitungen und Publikumszeit- zeitgeschichtlichen Zeugnisse zu erhalten, müssen schriften möglich gemacht wird. Forscher*innen nach derzeitig geltendem Urheber- recht für historische Zeitungen und Pressezeitschrif- ten immer noch Bibliotheken vor Ort aufsuchen. Dies 8
Langzeitarchivierung Der dbv fordert: Digitale Langzeitarchivierung als dauerhafte Aufgabe verstehen Bibliotheken, Archive oder Museen übernehmen kostenintensiv. Vielfach fehlen verlässliche recht- die Verantwortung, dass kulturelle Überlieferung liche Rahmenbedingungen. Zuständigkeiten und und Informationen der Gegenwart für die Nachwelt Rollen sind nicht immer klar definiert. In Bibliotheken erhalten bleiben. Mit der Langzeitarchivierung digi- sind – oft in Zusammenarbeit mit leistungsfähigen taler Inhalte stellen sich neue Herausforderungen: Rechenzentren – bereits Infrastrukturen entstanden, Der Erhalt des rasant zunehmenden Volumens an die einen Teil der vorhandenen Materialien absichern. Information und Wissen erfordert den permanenten Wandel technischer Aufbereitung dieser Objekte. Um dem unwiderruflichen Verschwinden der Mehr- Andernfalls gehen viele dieser Inhalte unwieder- zahl digitaler Objekte vorzubeugen, besteht aller- bringlich verloren. dings dringender Handlungsbedarf. Bibliotheken können bei Auswahl und Aufbereitung der digitalen Durch den digitalen Wandel hat sich der Umfang an Materialien und der Bewertung zur Sicherstellung digitalen Informationen und Objekten deutlich ge- dauerhafter Nutzbarkeit wie auch bei der Archivie- steigert. Für digitale Fotos und Filme, E-Mails, Blogs rung eine wichtige Rolle spielen. Dafür bedarf es und Twitter-Nachrichten sowie E-Books, elektroni- einer nachhaltigen Finanzierung, verbindlichen Richt- sche Zeitschriften und Forschungsdaten stellt sich linien und klarer Zuständigkeiten. die Frage der langfristigen Nutzbarkeit. Der dbv fordert daher, dass die digitale Langzeit- Die dauerhafte Verfügbarkeit dieses Wissens ist archivierung als dauerhafte Aufgabe begriffen und allerdings durch große Komplexität geprägt: Digitale als nationale Infrastruktur realisiert wird. Inhalte unterliegen rasanter technischer Entwick- lungen und Veränderungen. Ihre Archivierung ist 9
Digitale Teilhabe Der dbv fordert: Digitale Ausstattung von Bibliotheken für digitale Teilhabe verbessern Digitalität prägt alle Aspekte unseres Lebens. Dies Bibliotheken eröffnen hierfür beste Möglichkeiten. hat sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt: Sie bieten nicht-kommerzielle Räume mit WLAN Videokonferenzen, digitale Lern- und Streaming- und Geräten ebenso wie Expertise im Umgang mit plattformen, digitale Fachinformationen sowie digitalen Anwendungen und in der Förderung von das digitale kulturelle Erbe sind Teil des Arbeitens, Informationskompetenz. Lernens und der Unterhaltung geworden. Um hier teilhaben zu können, müssen nicht nur digitale Wenn Politik die digitale Bildung in der Gesellschaft Endgeräte und ein Zugang zu schnellem Internet stärken will, bedarf es einer abgestimmten Strategie vorhanden sein. Es braucht zusätzlich Wissen und – Bibliotheken müssen hier von Beginn an mitge- Kenntnisse für die souveräne Nutzung digitaler dacht werden, da sie Menschen aller Altersgruppen Technologien sowie Kompetenzen, um Informa- erreichen und für Bildung und Wissenschaft grund- tionen im Netz finden, rezipieren und vor allem legende Infrastrukturen bereitstellen. bewerten zu können. Der dbv fordert daher langfristige Investitionen in Längst nicht alle Menschen verfügen über diese die technische Ausstattung von Bibliotheken, um Kompetenzen und Ressourcen. Um eine noch tiefere den Ausbau zeitgemäßer digitaler Bildungsangebote digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, voranzubringen. müssen jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass alle aktiv an der digitalen Welt teilha- ben können. 10
Finanzumfrage Der dbv fordert: Bildungsangebote durch Bibliotheken gerade in Krisenzeiten stärken Die Pandemie hat die Chancen derjenigen ver- 16% unterliegen einer globalen Haushaltssperre. schlechtert, die bereits erschwerte Zugänge zu Eine Kürzung der Mittel ist bei rund 22% der Bildungsangeboten hatten. Um der Gefahr wach- Bibliotheken realisiert worden oder in Planung. sender Bildungsungleichheiten entgegenzuwirken, Das Gesamtbudget sinkt bei über 17%, der Medien- müssen außerschulische Einrichtungen wie Biblio- etat bei über 16% der Bibliotheken. 45% der teil- theken gestärkt werden. Fehlende Investitionen nehmenden Einrichtungen benötigen zusätzliche und Mittelkürzungen haben negative Auswirkungen Mittel für die Bereitstellung und den Ausbau digitaler auf Teilhabechancen und damit auf den gesell- Angebote. Als öffentliche Einrichtungen sind schaftlichen Zusammenhalt. Bibliotheken wie keine andere Institution dafür geeignet, die dringend benötigte digitale Bildung Bibliotheken unterstützen nicht nur Kindergärten zu vermitteln und neue Technologien für alle und Schulen durch Leseförderung und kulturelle An- zugänglich zu machen. gebote, sondern bieten Menschen aller Altersstufen kontinuierlich und niedrigschwellig eine Vielfalt an Damit Bibliotheken ihr Potenzial für eine zeit- Bildungsmöglichkeiten. gemäße Bildungsarbeit voll ausschöpfen und ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können, fordert Die diesjährige Mitgliederumfrage des dbv zur der dbv flächendeckende Investitionen in digitale Finanzsituation der Öffentlichen Bibliotheken4 zeigt Medien, in die Weiterbildung von Mitarbeitenden jedoch, dass Bibliotheken vermehrt unter Spardruck sowie in die ergänzende Einstellung von Quer- stehen – mit negativen Auswirkungen auf die Ent- einsteiger*innen wie IT-Fachleuten oder Medien- wicklung innovativer Angebote und Dienstleistun- pädagog*innen in Bibliotheken. gen: 30% der teilnehmenden Bibliotheken sind von Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung betroffen. 4 Umfrage des dbv unter 1.380 Öffentlichen Bibliotheken im Juni 2021 11
Deutscher Tel. 030 644989910 Bibliotheksverband e.V. Fax. 030 644989929 (dbv) dbv@bibliotheksverband.de Bundesgeschäftsstelle www.bibliotheksverband.de Fritschestraße 27-28 10585 Berlin bibverband deutscherbibliotheksverband bibliotheksverband Redaktion Motiv Umschlag Druck Kristin Bäßler Philipp-Schaeffer-Biblio- Druckerei Zeidler Jacqueline Breidlid thek, Berlin-Mitte Papier Kathrin Hartmann Offset Premium White, Barbara Schleihagen Foto 100% Recycling-Papier dbv / Nadja Wohlleben ausgezeichnet mit dem Gestaltung Umweltsiegel Blauer mor-design.de Engel. ISSN: 2195-2531 ⟶ English Version 2021/22 Report on the State of Libraries in Germany www.bibliotheksverband.de/bericht-zur-lage-der-bibliotheken
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