Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022

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Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Bericht zur Lage
der Bibliotheken

Zahlen und Fakten
2021/2022

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Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Editorial

Liebe Leser*innen,
die Pandemie hat zwei Dinge ver-       physische Orte des Austauschs,
deutlicht: Digitale Anwendungen        des Lernens und gemeinsamer
ermöglichen uns, zu arbeiten, zu       Kreativität. Um ihren gesellschaft-
lernen, zu kommunizieren und           lichen Auftrag mit zeitgemäßen
unterhalten zu werden, ohne dass       Angeboten zu erfüllen, brauchen
wir die Wohnung verlassen. Dank        Bibliotheken eine auskömmliche
der elektronischen Medienaus-          Ausstattung. Mit der pandemie-
leihe und der vielfältigen digitalen   bedingten Belastung öffentlicher
Dienstleistungen konnten Biblio-       Haushalte ist die Gefahr von
theken im Lockdown verstärkt           Kürzungen groß.
von zu Hause genutzt werden.
Doch all diese Angebote sind nur       Wie hoch der Bedarf an finanziel-
verfügbar, wenn man über die           ler Unterstützung ist, zeigt die
technische Infrastruktur verfügt       Inanspruchnahme der vom Bund
und das nötige Know-how besitzt,       finanzierten Förderprogramme,
um diese zu bedienen. Viele Men-       die der dbv betreut: »Vor Ort für
schen haben dies nicht.                alle«, »Total Digital!« und »Wis-
                                       sensWandel«. Zusätzliche Bundes-
Gleichzeitig hat uns die lange Zeit    und Landesmittel setzen wichtige
im Lockdown gezeigt, wie sehr          Impulse. Vor allem für kommunale
wir die Orte vermissen, an denen       Bibliotheken ist die Stärkung ihrer
wir uns in Gemeinschaft aufhalten,     Träger wesentlich. Die Corona-
etwas erleben oder erlernen            krise darf nicht zu einer Krise der
können: Kultur- und Bildungsein-       Bibliotheken führen. Denn Biblio-
richtungen, wie Bibliotheken           theken schaffen gesellschaftlichen
es sind. Beides zeigt: Bibliotheken    Zusammenhalt, den wir mehr
haben im Zeitalter der Digitalität     denn je brauchen.
weiterhin zentrale Funktionen und
Aufgaben. Sie ermöglichen Men-         Ich wünsche Ihnen eine
schen Zugänge ins Digitale und         aufschlussreiche Lektüre!
unterstützen sie mit Geräten
und Medien, mit freiem WLAN,           Ihr
mit Beratungen, der Vermittlung        Prof. Dr. Andreas Degkwitz
von Digital- und Informations-         Bundesvorsitzender des
kompetenz und mit Open-Access-         Deutschen Bibliotheksverbandes
und Open-Science-Angeboten.            e.V. (dbv)
Zudem sind sie hoch geschätzte
                                                                             Foto:
2                                                                            dbv/Alexander Paul Englert
Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Ansichten

                    Das sagt die Politik

                    Wir in Europa betrachten die Ent-       Digitalisierung und Mediatisierung    Lesen gilt als Schlüsselkompetenz
                    wicklungen beim Thema digitale          haben in allen Bereichen unserer      der Wissensgesellschaft. Einen
                    Bildung und die sich daraus erge-       Lebens- und Arbeitswelt zu            unverzichtbaren Beitrag dazu leis-
                    benden Handlungsverpflichtungen         entscheidenden Veränderungen          ten die Bibliotheken, denn sie
                    als Priorität. Das Potenzial digita-    geführt. Der damit einhergehende      sind viel mehr als Orte des Lesens
                    ler Technologien zur Entwicklung        gesellschaftliche und kulturelle      und der Ausleihe von Büchern.
                    hochwertiger Bildungsangebote           Wandel wirkt sich sowohl auf das      In Zeiten des digitalen Wandels
                    für alle wurde noch nicht in vollem     schulische Lehren und Lernen          und zunehmender Diversität kön-
                    Umfang ausgeschöpft. Hoch-              als auch auf die Bewältigung und      nen Bibliotheken wichtige Me-
                    wertige und inklusive Bildung in        Gestaltung von Lebens- bzw.           dienkompetenzen vermitteln und
                    Europa ist unser gemeinsames            Arbeitsprozessen von Kindern,         aktive Orte gesellschaftlicher
                    Ziel. Dabei ist digitale Kompetenz      Jugendlichen und jungen Erwach-       Debatten sein.
                    ein wesentlicher Faktor.                senen aus. Unsere Verantwortung
                                                            als Kultusministerkonferenz ist es,   Bibliotheken gewährleisten freien
                    In diesem Zusammenhang muss             eine selbstbestimmte Teilhabe         Zugang zu vielfältigen Informa-
                    auch der gleiche Zugang zu              aller Lernenden und Studierenden      tionsquellen, spielen auch eine
                    digitaler Bildung sichergestellt        an der digital geprägten Gesell-      immer wichtigere Rolle für die
                    werden, d. h. alle sollten die          schaft zu ermöglichen.                gesellschaftlichen Veränderungen
                    Fähigkeiten und Kompetenzen im                                                durch die Digitalisierung und
                    Bereich der Digitaltechnik erwer-       Öffentliche Bibliotheken und          entwickeln sich zu Coworking
                    ben können, die für ihr künftiges       auch zunehmend Hochschulbiblio-       Spaces. So können Testlabore
                    Wohlergehen von entscheidender          theken sind wichtige Partner im       entstehen, in denen partizipative
                    Bedeutung sein werden.                  Bildungssystem, geben mit ihren       Ideen für einen Dritten Ort als
                                                            Angeboten insbesondere den            zentraler Kultur-Knotenpunkt
                    Bibliotheken, seit jeher zentrale       Kindern und Jugendlichen Orien-       gerade in ländlichen Räumen
                    Orte des Lesens und Lernens, spie-      tierung in der vielfältigen Medien-   erprobt werden und Bibliotheken
                    len dabei eine besondere Rolle.         welt und ergänzen schulisches         sich zu lebendigen Kultur- und
                    Sie erlauben den Zugang zu Wis-         Lernen. Aber auch mit ihren alters-   Begegnungsorten entwickeln.
                    sen für alle, unabhängig von Her-       gerechten Veranstaltungskonzep-
                    kunft, Geldbeutel oder Alter. Die       ten und -formaten zur Sprach- und     Die Kommunen bleiben aufge-
                    Digitalisierung unserer Bibliothe-      Leseförderung motivieren sie          rufen, »ihre« Bibliotheken in der
                    ken auch auf europäischer Ebene         zum Lesen. Bei der Bewältigung        Rolle als kooperationsfreudige
                    voranzutreiben ist ein wichtiger        der Corona-Folgen – und hier          und teilhabeorientierte Kulturorte
                    Baustein hin zu effizienter digitaler   insbesondere zum Schließen von        zu stärken.
                    Bildung für alle. Dafür setzen wir      Lernlücken – können sie zudem
                    uns im Ausschuss für Kultur und         einen wichtigen Beitrag leisten.      Dr. Gerd Landsberg
                    Bildung im Europäischen Parlament       Aber auch darüber hinaus sind sie     Hauptgeschäftsführer
                    weiterhin mit voller Kraft ein.         eine wichtige Säule für lebenslan-    des Deutschen Städte- und
                                                            ges Lernen.                           Gemeindebundes
                    Sabine Verheyen MdEP
Fotos:              Vorsitzende des Ausschusses             Britta Ernst
FKPH                für Kultur und Bildung im               Präsidentin der Kultusminister-
Axel Schön
Benjamin Westhoff
                    Europäischen Parlament                  konferenz 2021                                                         3
Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Statistik

Bibliotheken in Deutschland
Zahlen aus der Deutschen Bibliotheks-
statistik 2020

Die Corona-Pandemie hat im Berichtsjahr 2020                                    Kommunen auf Gebühren, um so einer breiten
auch Bibliotheken vor große Herausforderungen                                   Bevölkerungsschicht den Zugang zu Wissen, Infor-
gestellt. Im ersten und zweiten Lockdown mussten                                mationen und Medien während des Lockdowns
sie ihre Häuser für den Publikumsverkehr schließen.                             zu ermöglichen. Für Beratungsangebote wurde viel-
Wie zu erwarten sind dadurch die Bibliotheksbesu-                               fach auf Telefon und E-Mail umgestellt. Vor allem
che in der Folge von 223 Mio. im Jahr 2019 auf                                  in wissenschaftlichen Bibliotheken wurden Video-
104 Mio. Besuche gesunken.                                                      konferenztools zur Unterstützung der Studierenden
                                                                                eingesetzt. Darüber hinaus haben zahlreiche Biblio-
Obwohl die Vor-Ort-Nutzung nur sehr eingeschränkt                               theken Online-Tutorials zu vielfältigen Themen er-
möglich war, ist es Öffentlichen wie wissenschaft-                              stellt sowie Veranstaltungen umgesetzt, an denen
lichen Bibliotheken in kürzester Zeit gelungen, die                             per Livestream teilgenommen werden konnte.
Menschen weiter mit Medien und anderen Biblio-                                  Und natürlich wurde das Online-Medienangebot
theksdienstleistungen zu versorgen. Mit viel Kreativi-                          der Bibliotheken ausgebaut.
tät wurden Lösungen für kontaktarme Ausleihmög-
lichkeiten gefunden. Vielerorts verzichteten die

                                                                Digitale
                                                                Medien für
 223 Millionen                                                  Wissenschaft,                      Hohe
 physische                                                      Forschung                          Nachfrage nach
 Entleihungen                                                   und Lehre                          Schulungen
 in Öffentlichen                                                                                   und Veranstal-
 Bibliotheken                                                   Die wissenschaftlichen Biblio-
                                                                theken haben ihre Anstrengun-      tungen
                                                                gen, digitale Angebote für den
 Wie wichtig Öffentliche Biblio-                                Lehr- und Forschungsbetrieb        Über 140.000 Veranstaltungen
 theken gerade in Krisenzeiten                                  auszubauen, 2020 noch einmal       und Schulungsangebote wur-
 für die Menschen sind, zeigt                                   gesteigert. Insgesamt 233 Mio.     den trotz pandemiebedingter
 die Ausleihe von 223 Mio. phy-                                 Euro wurden in die Anschaffung     Einschränkungen im Jahr 2020
 sischen Medien. Zusätzlich sind                                von E-Medien investiert. 297       von Öffentlichen und wissen-
 allein über die Onleihe 46 Mio.                                Mio. Zugriffe auf das digitale     schaftlichen Bibliotheken durch-
 E-Medien¹ entliehen worden. Die                                Medienangebot zeigen, dass ein     geführt. Die Öffentlichen Biblio-
 Ausleihe digitaler Medien über                                 gut ausgebautes digitales Ange-    theken haben mit ca. 64.000
 die Onleihe stieg gegenüber                                    bot für Wissenschaft, Forschung    Veranstaltungen einen Schwer-
 2019 um 24% – für Viele die einzi-                             und Lehre unverzichtbar ist.       punkt auf den Bereich der Lese-
 ge Möglichkeit in Corona-Zeiten,                                                                  und Medienkompetenzförde-
 ihre Bibliothek zu nutzen.                                                                        rung von Kindern gelegt. In den
                                                                                                   wissenschaftlichen Bibliotheken
                                                                                                   nahmen rund 306.000 Perso-
                                                                                                   nen an Schulungen, Führungen,
                                                                                                   Lehrveranstaltungen und On-
Quelle:                                                                                            line-Seminaren teil.
Die Zahlen sind der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) 2020
entnommen. Pandemiebedingt sind die Daten des Berichts-
jahres nicht mit den Daten des Vorjahres vergleichbar.

                                                                                                                                       1
                                                                                                                                       Zahlen der Onleihe 2020,
4                                                                                                                                      divibib GmbH.
Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Finanzsituation der Kommunen

                                 Der dbv fordert:
                                 Kommunen stärken und lokale
                                 Bildungskooperationen fördern

                                                                                                                    VHS

                                 Nur dank der umfassenden Unterstützung von               Die Menschen sind auf die Dienstleistungen ihrer
                                 Bund und Ländern haben die Kommunen das erste            Kommunen vor Ort angewiesen. Ihre Lebensqualität
                                 Pandemiejahr 2020 finanziell gut abschließen             ist unmittelbar davon betroffen, wenn diese Angebo-
                                 können.2 Sie konnten ihre Pläne fast unverändert         te gekürzt oder gestrichen werden. Zusätzlich
                                 umsetzen und notwendige Investitionen tätigen.           sollten Kommunen eine noch bessere Zusammen-
                                 Ein Großteil dieser Hilfen wird jedoch nach              arbeit ihrer außerschulischen kulturellen Bildungs-
                                 aktuellem Stand nicht fortgeführt werden: Vor            einrichtungen befördern, um auch bei knapperen
                                 der Sommerpause wurden keine weiteren Hilfen             Kassen Bildungsangebote zu sichern und allen
                                 für Kommunen beschlossen.                                Menschen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Kultur-
                                                                                          politik wird lokal in den Kommunen gestaltet.
                                 Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass u.a. aufgrund
                                 verminderter Steuereinnahmen viele Städte und Ge-        Daher fordert der dbv, dass Kommunen als Träger
                                 meinden in den kommenden Jahren drastische               der Bibliotheken auch in den kommenden Jahren von
                                 Kürzungen vornehmen müssen. Dies geht zu Lasten          Bund und Ländern entlastet werden.
                                 wichtiger Investitionen in Kitas, Schulen aber auch in
                                 Bibliotheken, die als sogenannte freiwillige Leistun-
                                 gen gelten. Kürzungen gefährden den notwendigen
                                 weiteren Umbau der Bibliotheken, die sich mitten in
                                 der digitalen Transformation befinden. Die in 2021
                                 noch vorhandenen Fördergelder des Bundes für Bib-
                                 liotheken können hier nur zusätzliche Impulse bieten.

2
Vgl. Kommunaler
Finanzreport 2021.
Hrsg. Bertelsmann Stiftung,
https://www.bertelsmann-
stiftung.de/de/publikationen/
publikation/did/kommunaler-fi-
nanzreport-2021-all-1                                                                                                                        5
Bericht zur Lage der Bibliotheken - Zahlen und Fakten 2021/2022
Folgen der Corona-Pandemie

Der dbv fordert:
Verstärkt in Bibliotheken als Dritte Orte
investieren

Bibliotheken können bei der Bewältigung der           Vermisst wurden daher vor allem die Möglichkeiten,
Pandemiefolgen, wie z.B. dem Aufholen bei Lese-       die der physische Raum »Bibliothek« bietet. Bereits
defiziten, einen wichtigen Beitrag leisten. Sie       vor der Pandemie hatten Bibliotheken begonnen,
können ebenfalls helfen, Innenstädte neu zu be-       sich neu aufzustellen. Zunehmend werden sie als
leben. Vorausgesetzt, sie werden dabei unterstützt,   »Dritte Orte« umgestaltet, als Begegnungsräume
ihre Angebote flexibel und situationsorientiert       und Orte unterschiedlicher Dienstleistungen. Dabei
sowohl digital als auch analog auszubauen.            stehen die Menschen und ihre Bedürfnisse im
                                                      Mittelpunkt. Bibliotheken sind frei zugängliche Ein-
Auch in Bibliotheken hat die Corona-Pandemie          richtungen und stehen jedem ohne Konsumzwang
einen starken Digitalisierungsschub ausgelöst, der    offen. Man kann sich dort begegnen oder sich
dafür sorgte, dass vielerorts die Medienausleihe,     zurückziehen. Nirgendwo sonst treffen so viele ver-
die Beratung sowie die Schulungsangebote mit          schiedene gesellschaftliche Gruppen in anregender
innovativen Ideen fortgeführt werden konnten. Das     Atmosphäre aufeinander.
Bibliothekspersonal zeigte sich bei der Entwicklung
von Lieferdiensten oder Abholservices sowie           Der dbv fordert daher von den Kommunen, diese
bei der Umstellung auf digitale Unterstützung         niederschwelligen Aufenthaltsorte mit entsprechen-
oder Online-Veranstaltungen kreativ und flexibel.     den Investitionen weiter zu befördern.

6
Leseförderung

                                 Der dbv fordert:
                                 Für mehr Bildungsgerechtigkeit jetzt in Lese-
                                 förderung durch Bibliotheken investieren

                                                                            Teilhabe

                                 Wer nicht gut lesen kann, hat es schwer, seine        setzt sich auch der im Jahr 2021 von der Stiftung
                                 Möglichkeiten zu entfalten. In Schule, Ausbildung     Lesen und dem Börsenverein des Deutschen
                                 und Beruf – Lesen ist Grundlage für eine selbst-      Buchhandels initiierte Nationale Lesepakt ein, an
                                 bestimmte Teilhabe an der Gesellschaft. Studien       dem sich der Deutsche Bibliotheksverband be-
                                 haben belegt, dass bereits vor der Pandemie           teiligt. Denn Bibliotheken sind mit ihrer Expertise
                                 viel zu viele Kinder nicht richtig lesen lernen –     und ihrem Angebot wichtige Partner in der
                                 eine Beeinträchtigung, die sich auf ihren gesamten    Leseausbildung. Es gilt, schulische und außer-
                                 Lebensweg auswirkt.                                   schulische Lesefördermaßnahmen aufeinander
                                                                                       abzustimmen und eng miteinander zu ver-
                                 Die jüngste PISA-Sonderauswertung hat dies bestä-     zahnen. Dafür benötigen Bibliotheken zusätzliches
                                 tigt.3 Nur diejenigen, die gut lesen können, sind     Personal und höhere Budgets.
                                 auch in der Lage, digitale Technologien optimal zu
                                 nutzen. Durch die schwierige Lernsituation in         Der dbv fordert daher, dass Bund, Länder und
                                 den Schulen während der Pandemie ist zu befürch-      Kommunen die notwendigen Ressourcen für die
                                 ten, dass sich die Lesefähigkeit von Kindern weiter   Leseförderung in Bibliotheken bereitstellen.
                                 verschlechtert hat. Gerade jetzt muss deshalb
                                 in Leseförderung investiert werden.

                                 Für gute Bildungschancen von Kindern ist eine
                                 systematische Leseförderung von Geburt an
                                 unerlässlich: in Familie, Kita und Schule. Dafür

3
PISA-Sonderauswertung »Lesen
im 21. Jahrhundert«: Lese- und
Schreibkompetenzen in einer
digitalen Welt, https://www.
oecd.org/pisa/PISA2018_
Lesen_DEUTSCHLAND.pdf                                                                                                                        7
Zeitungskopien

Der dbv fordert:
Versand von Zeitungsartikeln ermöglichen und
zeithistorische Forschung erleichtern

                                                        Archiv 1995        Suche...|

Historische Zeitungen sind eine wichtige Quelle          ist sogar bei »vergriffenen« Zeitungen der Fall, die
für die Geschichtswissenschaften. Nach geltendem         weder gedruckt noch in kommerziellen Online-Zei-
Urheberrecht können Zeitungen und Publikums-             tungsarchiven verfügbar sind.
zeitschriften – im Gegensatz zu wissenschaftlichen
Fachzeitschriften – in Bibliotheken allerdings nur       Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein nachhal-
vor Ort eingesehen und nicht per Kopienversand an        tiger Digitalisierungsschub in Bildung und Forschung
die Forscher*innen übermittelt werden. Das behin-        dringend erforderlich ist. Dass Forscher*innen für die
dert Bildung und Forschung und ist angesichts der        Einsichtnahme in historische Zeitungen oder Publi-
Digitalisierungsbestrebungen in diesen Bereichen         kumszeitschriften weiterhin reisen müssen, steht im
nicht zeitgemäß.                                         starken Widerspruch zu den Bestrebungen, Bildung
                                                         und Forschung durch digitale Zugänge zu erleich-
Wie wurde in der Nachkriegszeit über gesellschaft-       tern. Gerade bei der Nutzung »vergriffener« Zeitun-
liche Themen berichtet? Welche Meinungen wurden          gen besteht kein Konflikt mit aktuellen Verwertungs-
im öffentlichen Diskurs wie vertreten? Die Analyse       interessen der Verlage.
dieser wichtigen Fragen wäre ohne die Konsultation
von zeithistorischen Quellen, wie z.B. historischen      Der dbv fordert daher, dass der analoge und digitale
Tageszeitungen, undenkbar. Um Einblicke in diese         Kopienversand von Zeitungen und Publikumszeit-
zeitgeschichtlichen Zeugnisse zu erhalten, müssen        schriften möglich gemacht wird.
Forscher*innen nach derzeitig geltendem Urheber-
recht für historische Zeitungen und Pressezeitschrif-
ten immer noch Bibliotheken vor Ort aufsuchen. Dies

8
Langzeitarchivierung

Der dbv fordert:
Digitale Langzeitarchivierung als
dauerhafte Aufgabe verstehen

Bibliotheken, Archive oder Museen übernehmen             kostenintensiv. Vielfach fehlen verlässliche recht-
die Verantwortung, dass kulturelle Überlieferung         liche Rahmenbedingungen. Zuständigkeiten und
und Informationen der Gegenwart für die Nachwelt         Rollen sind nicht immer klar definiert. In Bibliotheken
erhalten bleiben. Mit der Langzeitarchivierung digi-     sind – oft in Zusammenarbeit mit leistungsfähigen
taler Inhalte stellen sich neue Herausforderungen:       Rechenzentren – bereits Infrastrukturen entstanden,
Der Erhalt des rasant zunehmenden Volumens an            die einen Teil der vorhandenen Materialien absichern.
Information und Wissen erfordert den permanenten
Wandel technischer Aufbereitung dieser Objekte.          Um dem unwiderruflichen Verschwinden der Mehr-
Andernfalls gehen viele dieser Inhalte unwieder-         zahl digitaler Objekte vorzubeugen, besteht aller-
bringlich verloren.                                      dings dringender Handlungsbedarf. Bibliotheken
                                                         können bei Auswahl und Aufbereitung der digitalen
Durch den digitalen Wandel hat sich der Umfang an        Materialien und der Bewertung zur Sicherstellung
digitalen Informationen und Objekten deutlich ge-        dauerhafter Nutzbarkeit wie auch bei der Archivie-
steigert. Für digitale Fotos und Filme, E-Mails, Blogs   rung eine wichtige Rolle spielen. Dafür bedarf es
und Twitter-Nachrichten sowie E-Books, elektroni-        einer nachhaltigen Finanzierung, verbindlichen Richt-
sche Zeitschriften und Forschungsdaten stellt sich       linien und klarer Zuständigkeiten.
die Frage der langfristigen Nutzbarkeit.
                                                         Der dbv fordert daher, dass die digitale Langzeit-
Die dauerhafte Verfügbarkeit dieses Wissens ist          archivierung als dauerhafte Aufgabe begriffen und
allerdings durch große Komplexität geprägt: Digitale     als nationale Infrastruktur realisiert wird.
Inhalte unterliegen rasanter technischer Entwick-
lungen und Veränderungen. Ihre Archivierung ist

                                                                                                              9
Digitale Teilhabe

Der dbv fordert:
Digitale Ausstattung von Bibliotheken
für digitale Teilhabe verbessern

Digitalität prägt alle Aspekte unseres Lebens. Dies     Bibliotheken eröffnen hierfür beste Möglichkeiten.
hat sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt:      Sie bieten nicht-kommerzielle Räume mit WLAN
Videokonferenzen, digitale Lern- und Streaming-         und Geräten ebenso wie Expertise im Umgang mit
plattformen, digitale Fachinformationen sowie           digitalen Anwendungen und in der Förderung von
das digitale kulturelle Erbe sind Teil des Arbeitens,   Informationskompetenz.
Lernens und der Unterhaltung geworden. Um hier
teilhaben zu können, müssen nicht nur digitale          Wenn Politik die digitale Bildung in der Gesellschaft
Endgeräte und ein Zugang zu schnellem Internet          stärken will, bedarf es einer abgestimmten Strategie
vorhanden sein. Es braucht zusätzlich Wissen und        – Bibliotheken müssen hier von Beginn an mitge-
Kenntnisse für die souveräne Nutzung digitaler          dacht werden, da sie Menschen aller Altersgruppen
Technologien sowie Kompetenzen, um Informa-             erreichen und für Bildung und Wissenschaft grund-
tionen im Netz finden, rezipieren und vor allem         legende Infrastrukturen bereitstellen.
bewerten zu können.
                                                        Der dbv fordert daher langfristige Investitionen in
Längst nicht alle Menschen verfügen über diese          die technische Ausstattung von Bibliotheken, um
Kompetenzen und Ressourcen. Um eine noch tiefere        den Ausbau zeitgemäßer digitaler Bildungsangebote
digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern,       voranzubringen.
müssen jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen
werden, dass alle aktiv an der digitalen Welt teilha-
ben können.

10
Finanzumfrage

                               Der dbv fordert:
                               Bildungsangebote durch Bibliotheken
                               gerade in Krisenzeiten stärken

                               Die Pandemie hat die Chancen derjenigen ver-           16% unterliegen einer globalen Haushaltssperre.
                               schlechtert, die bereits erschwerte Zugänge zu         Eine Kürzung der Mittel ist bei rund 22% der
                               Bildungsangeboten hatten. Um der Gefahr wach-          Bibliotheken realisiert worden oder in Planung.
                               sender Bildungsungleichheiten entgegenzuwirken,        Das Gesamtbudget sinkt bei über 17%, der Medien-
                               müssen außerschulische Einrichtungen wie Biblio-       etat bei über 16% der Bibliotheken. 45% der teil-
                               theken gestärkt werden. Fehlende Investitionen         nehmenden Einrichtungen benötigen zusätzliche
                               und Mittelkürzungen haben negative Auswirkungen        Mittel für die Bereitstellung und den Ausbau digitaler
                               auf Teilhabechancen und damit auf den gesell-          Angebote. Als öffentliche Einrichtungen sind
                               schaftlichen Zusammenhalt.                             Bibliotheken wie keine andere Institution dafür
                                                                                      geeignet, die dringend benötigte digitale Bildung
                               Bibliotheken unterstützen nicht nur Kindergärten       zu vermitteln und neue Technologien für alle
                               und Schulen durch Leseförderung und kulturelle An-     zugänglich zu machen.
                               gebote, sondern bieten Menschen aller Altersstufen
                               kontinuierlich und niedrigschwellig eine Vielfalt an   Damit Bibliotheken ihr Potenzial für eine zeit-
                               Bildungsmöglichkeiten.                                 gemäße Bildungsarbeit voll ausschöpfen und ihrem
                                                                                      Bildungsauftrag gerecht werden können, fordert
                               Die diesjährige Mitgliederumfrage des dbv zur          der dbv flächendeckende Investitionen in digitale
                               Finanzsituation der Öffentlichen Bibliotheken4 zeigt   Medien, in die Weiterbildung von Mitarbeitenden
                               jedoch, dass Bibliotheken vermehrt unter Spardruck     sowie in die ergänzende Einstellung von Quer-
                               stehen – mit negativen Auswirkungen auf die Ent-       einsteiger*innen wie IT-Fachleuten oder Medien-
                               wicklung innovativer Angebote und Dienstleistun-       pädagog*innen in Bibliotheken.
                               gen: 30% der teilnehmenden Bibliotheken sind von
                               Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung betroffen.

4
Umfrage des dbv unter 1.380
Öffentlichen Bibliotheken im
Juni 2021                                                                                                                                 11
Deutscher                  Tel. 030 644989910
   Bibliotheksverband e.V.    Fax. 030 644989929
   (dbv)
                              dbv@bibliotheksverband.de
   Bundesgeschäftsstelle      www.bibliotheksverband.de
   Fritschestraße 27-28
   10585 Berlin                  bibverband
                                 deutscherbibliotheksverband
                                 bibliotheksverband

   Redaktion                  Motiv Umschlag              Druck
   Kristin Bäßler             Philipp-Schaeffer-Biblio-   Druckerei Zeidler
   Jacqueline Breidlid        thek, Berlin-Mitte
                                                          Papier
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   Barbara Schleihagen        Foto
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                              dbv / Nadja Wohlleben
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   mor-design.de
                                                          Engel.

                                                          ISSN: 2195-2531

⟶ English Version
  2021/22 Report on the State of
  Libraries in Germany
   www.bibliotheksverband.de/bericht-zur-lage-der-bibliotheken
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