Bestandsaufnahme Leichtbau in Deutschland
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Bestandsaufnahme Leichtbau in Deutschland Kurzstudie Projekt I C 4 - 10/15 Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Auftragnehmer VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH Projektleiter: Dr. Martin Vogt Bertolt-Brecht-Platz 3 10117 Berlin Im Unterauftrag: VDI Technologiezentrum GmbH Bearbeiter: Dr. Norbert Malanowski, Dr. Raimund Glitz, Dr. Silke Stahl-Rolf VDI-Platz 1 40468 Düsseldorf Berlin, 19.05.2015 1
Inhaltsverzeichnis 1 EINFÜHRUNG – DAS THEMENFELD LEICHTBAU IM INDUSTRIEPOLITISCHEN KONTEXT ..... 4 1.1 Zum Hintergrund des Themenfeldes................................................................. 4 1.2 Industrie- und innovationspolitischer Rahmen ................................................. 4 1.3 Ziele der Bestandsaufnahme und Projektdesign ............................................... 5 2 BESTANDSAUFNAHME: LEICHTBAU-WERKSTOFFE UND -TECHNOLOGIEN, ANWENDUNGSBRANCHEN, RESSOURCENEFFIZIENZ, BESCHÄFTIGUNGSEFFEKTE, QUALIFIZIERUNGSANFORDERUNGEN UND FÖRDERPROGRAMME .............................. 6 2.1 Leichtbau-Werkstoffe und -Technologien ......................................................... 6 2.1.1 Leichtmetalle ........................................................................................................ 7 2.1.2 Hoch-/höchstfeste Stähle ..................................................................................... 7 2.1.3 Metallschäume ..................................................................................................... 8 2.1.4 Faserverstärkte Kunststoffe ................................................................................. 9 2.1.5 Keramische Leichtbauwerkstoffe ....................................................................... 10 2.1.6 Naturfaserverstärkte Kunststoffe (Biokomposite) ............................................. 10 2.1.7 Holz ..................................................................................................................... 10 2.1.8 Technische Textilien, Textilbeton ....................................................................... 11 2.1.9 Adaptiver Leichtbau, Funktionsintegration und Konzept-Leichtbau ................ 11 2.2 Anwendungsbranchen von Leichtbaulösungen ............................................... 12 2.2.1 Automobil- und Flugzeugbau ............................................................................. 12 2.2.2 Maschinen- und Anlagenbau ............................................................................. 15 2.2.3 Bauindustrie ....................................................................................................... 16 2.3 Ressourceneffizienz und Leichtbau ................................................................. 17 2.4 Beschäftigungseffekte und Qualifizierungsanforderungen .............................. 19 2.5 Fördermöglichkeiten des Bundes und der Länder zum Thema Leichtbau ......... 20 2.6 Leichtbauprojekte im Förderkatalog der Bundesregierung.............................. 21 3 STAKEHOLDERANALYSE FÜR DEN BEREICH LEICHTBAU ...........................................22 3.1 Cluster und Netzwerke................................................................................... 23 3.2 Verbände, Gewerkschaften und andere Intermediäre .................................... 24 3.3 Hochschulen und Institute ............................................................................. 24 3.4 Unternehmen ................................................................................................ 25 2
4 LEITFRAGEN -THEMEN FÜR EINEN MÖGLICHEN ZUKÜNFTIGEN INDUST- UND RIEPOLITISCHEN DIALOG ZUM THEMENFELD LEICHTBAU ........................................27 4.1 Identifizierte Ziele eines industriepolitischen Dialogs Leichtbau...................... 27 4.2 Identifizierte und benannte Akteure für einen industriepolitischen Dialog Leichtbau ....................................................................................................... 28 4.3 Identifizierte Leitfragen und -themen eines industriepolitischen Dialogs Leichtbau ....................................................................................................... 28 5 FAZIT UND HANDLUNGSOPTIONEN ..................................................................29 6 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ............................................................33 7 TECHNISCHE ABKÜRZUNGEN ..........................................................................39 8 ANHANG: WORKSHOP LEICHTBAU IN DEUTSCHLAND ...........................................40 3
1 Einführung – Das Themenfeld Leichtbau im industriepolitischen Kontext 1.1 Zum Hintergrund des Themenfeldes Leichtbau ist eine Konstruktionsphilosophie, die zum Ziel hat, bei gleichbleibender Funktionalität eines Produkts Gewicht einzusparen. Dieses Ziel kann durch die Verminderung des Werkstoffeinsat- zes, den Einsatz leichterer Werkstoffe unter Beibehaltung der für das Produkt relevanten Materialei- genschaften oder die Veränderung der Produktstruktur erreicht werden. Leichtbau hat mehrere Ziele. Es sollen Rohstoffe und Kosten bei Herstellung und Nutzung eines Pro- dukts reduziert und dabei über den gesamten Lebenszyklus der CO2-Ausstoß verringert werden. Ma- terialkosten sind beispielsweise im verarbeitenden Gewerbe mit über 40 Prozent der größte Kosten- faktor im produzierenden Gewerbe. Leichtere Strukturen und verstärkte Integration der Funktionen einzelner Bauteile und Bauteilgruppen ermöglichen es, Rohstoffe einzusparen sowie das Gewicht und damit den Energieverbrauch zu reduzieren. Die Mehrzahl der Produktinnovationen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gründet sich auf neu- en bzw. verbesserten Werkstoffen und den damit verbundenen Konstruktionsmethoden, Herstell- und Bearbeitungsverfahren. Damit verbunden sind die verstärkte Umsetzung von Prozessinnovatio- nen in der Produktkonzeption und -entwicklung über die Produktionstechnik bis zum Recycling sowie ganzheitlich optimierte Leichtbaukonzepte. Die Entwicklung und Nutzung innovativer Leichtbaulösungen ist eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Für viele Branchen, wie z. B. Automobilbau und Transport, Maschinenbau und Produktionstechnik sowie Bauindustrie, hat Leichtbau eine große Be- deutung. Von ihm hängt entscheidend ab, ob es der deutschen Industrie auch in Zukunft gelingen wird, sich auf dem Weltmarkt mit innovativen, energie- und ressourceneffizienten Produkten als Leitanbieter zu etablieren. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland in der Produktion und bei Produktionstechniken innovativer Werkstoffe weltweit führend ist, ist Leichtbau ein zentrales industriepolitisches Thema. Die durch Werkstoffinnovationen ausgelösten Veränderungen bei Produkten, Fertigungsprozessen und neuen Anforderungen bei der Rohstoffbeschaffung und beim Recycling sind mit neuen Herausforderungen für die Ressourceneffizienz der Produkte, die Arbeitswelt in den Unternehmen und den Qualifizie- rungsanforderungen in der akademischen und beruflichen Ausbildung verbunden. Ziel dieser Kurz- studie ist es, einen Überblick über die wichtigsten Innovationstrends zu geben und daraus Hand- lungsoptionen und Schwerpunkte eines industriepolitischen Dialogs zum Thema Leichtbau abzulei- ten. 1.2 Industrie- und innovationspolitischer Rahmen Das Themenfeld Leichtbau ist in den industriepolitischen Rahmen des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD und der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung eingebettet. Es wird an- gestrebt, das große Potenzial des Leichtbaus für den gesamten Standort Deutschland nutzbar zu ma- chen. Laut Koalitionsvertrag ist Leichtbau neben Industrie 4.0 und Elektromobilität als Querschnittsbereich für eine strategische Innovationspolitik von besonderer Bedeutung: „Die Förde- rung von Leichtbautechnologien ist ein wichtiger Beitrag zur Ressourceneffizienz. Wir wollen Deutschland zum Leitanbieter in diesem Sektor entwickeln. Wir werden deshalb branchenübergrei- fend die material- und technologieoffene Industrialisierung von Leichtbaukonzepten weiter fördern und ausbauen“. 1 In der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung wird betont: „Die Elektromo- bilität (…) ist (…) ein Wachstumsmarkt von hoher industriepolitischer Bedeutung. (…) Ein wichtiger 1 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (2013), S. 19 4
Aspekt dabei ist die konsequente Weiterentwicklung und Anwendung des Leichtbaus bei neuen Fahrzeugen.“ 2 Leichtbau ist damit Bestandteil einer „modernen Industriepolitik“, wie sie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) verfolgt. Aus dieser Perspektive „muss es darum gehen, angemesse- ne und eine dynamische Entwicklung ermöglichende Rahmenbedingungen zu schaffen und diese laufend zu überprüfen. Für die heimischen Betriebe und ihre Beschäftigten gilt es, faire Wettbe- werbsbedingungen auf den internationalen Märkten einzufordern. Darüber hinaus soll eine strategi- sche Innovationspolitik zukunftsweisende Impulse setzen. Die Förderung von Innovationsprozessen soll alle für Deutschland relevanten Leitmärkte und Schlüsseltechnologien in den Blick nehmen.“ 3 Relevante Leitmärkte sind danach u. a. die Werkstofftechnologie, der Maschinen- und Anlagenbau und der Bereich Mobilität und Logistik. 1.3 Ziele der Bestandsaufnahme und Projektdesign Zielsetzung des Berichtes ist eine Bestandsaufnahme zum technologischen Stand und den wesentli- chen Akteuren im Bereich Leichtbau in Form einer übersichtsartigen Darstellung. Darüber hinaus ist es ein weiteres Ziel, auf Basis dieser Bestandaufnahme Leitthemen bzw. Leitfragen für einen mögli- chen systematischen industriepolitischen Dialog im Themenfeld Leichtbau zu formulieren. Zur Bestandsaufnahme gehören im Einzelnen folgende Arbeiten: • Identifizieren und Analysieren der wesentlichen Werkstoffe, Technologien und Trends, Darstel- len von vorhandenen Initiativen, Programmen und Projekten im Bereich Leichtbau, Darstellen der artikulierten Qualifizierungsanforderungen im Vergleich mit heutigen Angeboten an Hoch- schulen und Weiterbildungseinrichtungen, Abschätzen eines Trends und der möglichen Aus- wirkungen auf die Produktion (Kapitel 2) • Identifizieren und Mapping relevanter Stakeholder inklusive einer ersten Gewichtung regiona- ler Aktivitäten (Kapitel 3) • Erörtern von Leitthemen/Leitfragen für einen möglichen industriepolitischen Dialog (Kapitel 4) Dabei wurden in einem ersten Schritt drei aktuelle publizierte Übersichtsstudien ausgewertet. Diese Studien waren: • VDI-Studie „Werkstoffinnovationen für nachhaltige Mobilität und Energieversorgung“ von 2014, VDI-Gesellschaft Materials Engineering 4 • Studie im Auftrag der Leichtbau BW von 2014: „Leichtbau – Trends und Zukunftsmärkte und deren Bedeutung für Baden-Württemberg“, Koordination durch Fraunhofer-Institut für Sys- tem- und Innovationsforschung ISI. 5 • Studie der e-mobil BW – Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie von 2012: „Leichtbau in Mobilität und Fertigung: Chancen für Baden-Württemberg“. 6 Ferner wurden in einem zweiten Schritt thematisch fokussierte Publikationen mit für die vorliegende Bestandsaufnahme relevanten Einzelaspekten durch Internetrecherchen ermittelt und ausgewertet. Darüber hinaus erfolgte eine Recherche im Förderkatalog der Bundesregierung unter dem Stichwort „Leichtbau“ (Stand März 2015) und eine Recherche zu den Fördermöglichkeiten des Bundes und der Länder zum Thema Leichtbau, erstellt von der Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bun- des. 2 Bundesregierung (2014), S. 27 3 BMWi (2015) 4 VDI (2014a) 5 Leichtbau BW (2014a) 6 e-mobil BW (2012a) 5
In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die Ergebnisse, resultierend aus Arbeitsschritt 1 und 2, im Rahmen eines Stakeholderworkshops (siehe Anhang I), der im März 2015 in Berlin stattfand, vorge- stellt, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert und im Nachgang zur Veranstaltung kon- solidiert. Darüber hinaus wurden Leitthemen und Leitfragen für einen möglichen industriepolitischen Dialog zum Themenfeld Leichtbau gemeinsam mit den Expertinnen und Experten identifiziert. Diese wurden auf der Basis einer Vorrecherche ausgewählt. Zur Vorbereitung auf den Workshop erhielten sie eine kurze Projektinformation. An dieser Stelle sei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Stakeholderworkshops für ihre sehr engagierte Mitarbeit sehr herzlich gedankt. Einen zusätzlichen Dank möchten wir zudem für Herrn Dr. Wolfgang Seeliger, Leichtbau BW GmbH, Leichtbau-Agentur des Landes Baden-Württemberg, aussprechen, der die Entstehung dieser Kurzstudie sehr konstruktiv begleitet hat. 2 Bestandsaufnahme: Leichtbau-Werkstoffe und -Technologien, Anwendungsbranchen, Ressourceneffizienz, Beschäftigungseffek- te, Qualifizierungsanforderungen und Förderprogramme 2.1 Leichtbau-Werkstoffe und -Technologien Die Studie zu Werkstoffinnovationen der VDI-Gesellschaft Materials Engineering (VDI, 2014) disku- tiert acht Materialklassen für Leichtbau mit mittlerem und hohem Innovationspotenzial und unter- schiedlicher Reife für Anwendungen in den betrachteten Branchen (siehe Tabelle 1). Materialklassen Innovations- Reife Kritische Erfolgsfaktoren potenzial Aluminium/- Mittel Hoch • Materialkosten Legierungen • Verbindungstechnik • Umformbarkeit Magnesium/- Mittel Mittel • Blechherstellung Legierungen • Korrosions- und Kriechbeständigkeit Hoch-/höchstfeste Hoch Hoch • Festigkeit, Duktilität, Korrosionsbestän- Stähle digkeit Metallschäume Mittel Gering • Skalierbare Fertigungsfahren, • Verbindungstechnik Faserverstärkte Hoch Gering • Strukturintegrität, Kunststoffe • Skalierbarkeit und Kosten der Produkti- on • Design • Numerische Methoden • Recyclingfähigkeit Biopolymere Mittel Gering • Kosten, Qualität • Ökobilanz Naturfaserverstärk- Hoch Gering • Großtechnische Produktion, Eigen- te Kunststoffe schaften 6
Materialklassen Innovations- Reife Kritische Erfolgsfaktoren potenzial Holz Mittel Mittel • Anwendbarkeit in der Transport- und Maschinenbaubranche Tabelle 1: Zusammenfassende Bewertung des Innovationspotenzials und der Reife sowie kritischer Erfolgsfaktoren der verschiedenen für den Leichtbau wichtigen Materialklassen 7 Diese Materialklassen werden im Folgenden übersichtsartig beschrieben. 2.1.1 Leichtmetalle Im Leichtbau kommen vorrangig die drei Leichtmetalle Aluminium, Titan und Magnesium zum Ein- satz. Eine sehr detaillierte Übersicht über Leichtbauanwendungen und -potenziale von Aluminium, Magnesium und Titan findet man beispielsweise auf einer „Wiki-Seite“ der Universität Siegen. 8 Eine sehr gute Quelle für die Herkunft und Angebotskonzentration der den Leichtmetallen zugrunde lie- genden Rohstoffe ist die DERA-Rohstoffliste. 9 Aluminium ist ein klassischer Leichtbauwerkstoff mit äußerst geringer Dichte (2,7 g/cm3), relativ ho- her Steifigkeit und Festigkeit sowie sehr guten Umformeigenschaften und einer hervorragenden Kor- rosionsbeständigkeit. Fertigungstechnische Verfahren zur Aluminiumverarbeitung sind das Gießen, das Strangpressen und das Schweißen. Aluminiumbauteile werden beim Auto vor allem im Antriebs- strang und im Karosseriebereich eingesetzt. Im Automobilbau geht die Entwicklung in Richtung hoch- fester und dennoch duktiler und damit crashfähiger Legierungen. Neben der Automobilindustrie besteht auch im Flugzeugbau noch erheblicher Weiterentwicklungsbedarf, um das Leichtbaupotenzi- al von Metallen auszunutzen. In der Luftfahrt werden neue leichte und umformbare Aluminium- Legierungen entwickelt bzw. befinden sich schon im Einsatz. Ansätze bieten das Strukturdesign mit der parallelen Entwicklung der Werkstoffe sowie der Verfahren für die Fertigung und (zerstörungs- freie) Prüfung. Der wichtigste Rohstoff für die Produktion von Primäraluminium ist Bauxit (Bayer- Verfahren). Magnesium ist mit einer Dichte von 1,74 g/cm3 noch leichter als Aluminium. Allerdings ist Magnesi- um nicht kriechbeständig und weist Korrosionsprobleme auf. Aufgrund dieser Eigenschaften wird es im Fahrzeugbau fast ausschließlich als Legierung verwendet. Magnesium wird im Automobilbau vor allem im Karosseriebau und im Antriebsbereich verwendet. Es tritt als Mineral vor allem in Sulfaten, Carbonaten und Chloriden auf und wird überwiegend durch Schmelzflusselektrolyse gewonnen. Titan ist mit einer Dichte von 4,5 g/cm3 ebenfalls sehr leicht und durch sehr hohe Festigkeitswerte gekennzeichnet. Allerdings ist es aufgrund seines vergleichsweise aufwendigen Herstellungsprozes- ses vergleichsweise teuer und unterliegt stark schwankenden Marktpreisen. Es kommt im Automo- bilbau vor allem im Antriebs- und Fahrbereich zum Einsatz. Wegen seiner hohen Korrosionsbestän- digkeit und Festigkeit wird es auch in der Luft- und Raumfahrt, insbesondere bei Triebwerken, einge- setzt. Titan wird mittels des Kroll-Prozesses aus Ilmenit (Titaneisenerz) oder Rutil (Titandioxid) ge- wonnen. Wie im Stahlbereich können Bleche aus Leichtmetallen mit verschiedenen Dicken und Werkstoffei- genschaften per Laserschweißen zu maßgeschneiderten Halbzeugen verbunden werden. 2.1.2 Hoch-/höchstfeste Stähle Stähle werden von allen metallischen Werkstoffen am meisten verwendet. Sie bestehen zum größten Teil aus Eisen sowie weiteren Metallen, Kohlenstoff und anderen Nichtmetallen. Durch die unter- 7 VDI (2014a), S. 25 ff. 8 Bayer (2011) 9 DERA (2014), S. 112 7
schiedlichen Zusammensetzungen (Legierungen) kann eine enorme Breite von Werkstoffeigenschaf- ten realisiert werden. Die Dichte von Stahl ist aufgrund des hohen Eisenanteils deutlich höher als bei Leichtmetallen (die Dichte von Eisen beträgt 7,87 g/cm3). Durch die Kombination von Legierungselementen und Nachbehandlungsmethoden können die ver- schiedensten hochfesten Stahlsorten mit unterschiedlichsten Anwendungen erzeugt werden. 10 Bis heute wurden ca. 2500 Stahlsorten mit den unterschiedlichsten Materialeigenschaften entwickelt. 11 ThyssenKrupp erreicht beispielsweise hohe Festigkeit und gute Umformbarkeit unter anderem mit speziellen Legierungselementen und gezielter Wärmebehandlung. „Die Ergebnisse sind zum Beispiel biegsame Dualphasenstähle, die ihre endgültige Festigkeit erst in der Umformung zu einem Autoteil erreichen. Oder Bake-Hardening-Stähle, die erst in der Hitze beim Lackieren richtig fest werden.“ 12 Ein weiteres Beispiel ist der im Salzgitter-Konzern entwickelte HSD-Stahl. 13 Stahl ist immer noch der wichtigste Werkstoff im Karosserie-Rohbau von Fahrzeugen. „Das überge- ordnete Ziel dabei ist, Stähle mit höherer Festigkeit und gleichzeitig guten Umformeigenschaften zu entwickeln.“ 14 Dadurch können bei gleicher oder verbesserter Funktionalität (beispielsweise bzgl. der Crasheigenschaften) Gewichtseinsparungen erreicht werden. Im Baubereich ist Stahl ebenfalls ein wichtiger Werkstoff für den Leichtbau. So kommt dieser bei- spielsweise im Wohnungsbau als Ständerbauweise für leichte Trennwände oder im Gewerbebau als innovatives Leichtbausystem für die Gebäudehülle zum Einsatz. 15 2.1.3 Metallschäume Metallschäume sind aufgeschäumte metallische Werkstoffe, die aufgrund ihrer Poren und Hohlräu- me eine geringe Dichte aufweisen, gleichzeitig aber eine hohe Festigkeit besitzen. Man unterscheidet zwischen offenporigen und geschlossenporigen Metallschäumen. Zu den Anwendungsmöglichkeiten schreibt die VDI-Studie: „Insbesondere geschlossenporige Alumi- niumschäume eignen sich als Leichtbauwerkstoff mit hoher Steifigkeit und Druckfestigkeit und einer Gewichtseinsparung von bis zu 95 % gegenüber herkömmlichen Materialien. Die innere Struktur er- laubt zudem eine hervorragende Absorption der kinetischen Energie bei Vibrationen oder einem Crash. Diese Eigenschaft bieten auch offenporige Aluminiumschäume, wenn sie geeignet beschichtet werden“. 16 Metallschaum ist laut Definition des Fraunhofer Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtech- nik (IWU) „ein hochporöser Werkstoff, der gleich den Vorbildern in der Natur – zum Beispiel Holz und Knochen – sehr leicht ist. Aufgrund der zellularen Struktur absorbieren die Metallschäume hervorra- gend Energie in Form von Schwingungen, Stoß und Schall. Gegenüber Kunststoffschäumen sind die Metallschäume in der Regel deutlich stabiler und temperaturbeständiger.“ 17 Stand der Technik sind laut Fraunhofer IWU Aluminiumschäume mit einer Dichte kleiner als 0,5 g /cm3. Allerdings gibt es einige Faktoren, die den Einsatz von Schäumen verzögern. Durch die inhomogene Verteilung der Poren in den Schäumen können die mechanischen Eigenschaften des Bauteils an ver- schiedenen Stellen sehr unterschiedlich sein. Weiterhin ist die Anbindung an andere Strukturen (z. B. durch Löten oder Kleben) eine Herausforderung. Schäume sind beispielsweise nicht schweißbar. 10 Zarenga GmbH (2011) 11 Wirtschaftsvereinigung Stahl (2015a) 12 ThyssenKrupp AG (2015) 13 Salzgitter Flachstahl GmbH (2014) 14 VDI (2014a), S. 37 15 Siehe z. B. Wirtschaftsvereinigung Stahl (2015b) 16 VDI (2014a), S. 49 ff. 17 Fraunhofer IWU (2015) 8
2.1.4 Faserverstärkte Kunststoffe Ein großes Potenzial für die weitere Gewichtsreduzierung besteht im Prinzip durch den Einsatz faser- verstärkter Kunststoffe (FVK). Diese bestehen aus zwei Hauptkomponenten: einer verstärkenden Faser, die in einer Kunststoffmatrix eingebettet ist. Von hoher Bedeutung sind hierbei glasfaserver- stärkte Kunststoffe (GFK) und kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK). Als Matrixmaterialien werden Duroplaste (z. B. Epoxidharz) und Thermoplaste (z. B. Polyamid) verwendet. Die Kohlenstoff- fasern bei CFK werden überwiegend aus dem erdölbasierten Polyacrylnitril (PAN) hergestellt. FVK sind etwa 40 % leichter als Aluminium und bis zu 80 % leichter als Stahl. Dabei besteht ein weite- rer großer Vorteil in der Möglichkeit, die Orientierung der Fasern im Hinblick auf Zug- oder Druckfes- tigkeitsanforderungen von Bauteilen zu optimieren. Eine zunehmend breitere Anwendungsbranche ist der Fahrzeugbau. 18 Gemäß dem jährlich herausgegebenen Marktbericht, gemeinsam herausgegeben von AVK- Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V. und Carbon Composites e. V., wuchs die europäi- sche Herstellmenge glasfaserverstärkter Kunststoffen im Jahr 2014 um mehr als 2 %. 19 Demnach sind GFK das mit Abstand größtes Segment der Faserverbundkunststoffe mit Hauptanwendungen in den Bereichen Transport und Bau. Der globale CFK-Markt betrug laut des Marktberichts 2013 etwa 72 Tsd. t und ist um etwa 9 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Die Wachstumsrate bis 2020 wird mit etwa 10 % pro Jahr geschätzt. 20 Allerdings ist trotz des hohen Wachstums die Marktgröße bis auf weiteres als eher klein einzustufen, was den hohen Kosten und der möglicherweise eingeschränkten Skalierbarkeit von CFK-Lösungen geschuldet ist. Komplexe Bauteile aus FVK lassen sich, bedingt durch den hohen Zeitaufwand für die erforderlichen manuellen Zwischenschritte, bisher noch nicht in Großserie produzieren. Die CFK-Technologie in Se- rienfahrzeuge zu bringen, ist eine Aufgabe für die Zusammenarbeit von OEM und Zulieferern. Des- halb haben große Automobilhersteller mit Herstellern von CFK-Materialien Allianzen gebildet. So hat etwa BMW für die Produktion der Modelle i3 und i8 ein Joint Venture mit SGL Carbon gegründet. Eine weitere Herausforderung für die Forschung und Entwicklung ist der hohe Energiebedarf bei der Herstellung der Kohlenstofffaser sowie die Wiederverwertung von CFK (siehe dazu auch das Kapitel zum Thema Ressourceneffizienz und Leichtbau). In Deutschland wird beispielsweise durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem bayerischen Wirtschaftsministerium geförderte Spitzencluster MAI Carbon die flä- chendeckende Einführung und Etablierung von Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffen, insbesonde- re CFK, im Transportsektor und Maschinenbau vorangetrieben. 21 Der Ersatz manueller Zwischen- schritte durch automatisierte Produktionstechnik bietet nicht nur Chancen zur Lösung des Kosten- problems, sondern birgt auch hohe Potentiale für Maschinenzulieferer. Wichtige Forschungszentren für die Entwicklung kostengünstiger und automatisierter Fertigungstechnologien für CFK-Strukturen sind beispielsweise das neu gegründete Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologien (ZLP) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Standorten in Augsburg und Stade, 22 der For- schungscampus Arena2036 23 oder der Forschungscampus Open Hybrid LabFactory der TU Braun- schweig. 24 18 VDI (2014a), S. 50ff. 19 AVK und CCeV (2014), S. 31 ff. 20 AVK und CCeV (2014), S. 10 ff. 21 MAI Carbon Cluster Management GmbH (2015) 22 DLR ZLP (2015) 23 ARENA2036 (2015) 24 Open Hybrid LabFactory (2015) 9
2.1.5 Keramische Leichtbauwerkstoffe Keramische Faserverbundwerkstoffe (Ceramic Matrix Composites – CMC) bestehen aus einer Matrix aus normaler Keramik und verschiedenen Fasertypen. Im Moment werden vor allem Kohlenstoff- und Siliziumcarbidfaser, im geringeren Umfang auch Aluminium- (Al2O3) und Siliziumoxid (SiO2) ein- gesetzt. Als Matrixmaterial werden Aluminiumoxid, Siliziumoxid, Kohlenstoff (C) oder Siliziumcarbid (SiC) verwendet. Üblicherweise werden CMC in der Notation „Fasertyp/Matrixtyp“ abgekürzt. Es wird zwischen oxid- ischen CMC (oxid. Faser in oxid. Matrix, z. B. Al2O3/Al2O3) und nichtoxidischen CMC (wie C/C-SiC, SiC- SiC) unterschieden. Keramische Werkstoffe zeichnen sich u. a. durch richtungsabhängige Materialeigenschaften und gro- ße Hitzebeständigkeit aus. Aufgrund der relativ hohen Herstellungskosten werden Leichtbaulösungen mit keramischen Verbundmaterialien zunächst auf spezifische Einsatzfelder beschränkt bleiben. 25 Deutschland ist im Bereich Forschung und industrielle Anwendung von keramischen Verbundwerk- stoffen gut aufgestellt. 26 Beispiele für erste kommerziell verfügbare Produkte sind Leichtbaubremsen für Fahrzeuge (Bremsbeläge und Bremsscheiben aus C/C-SiC) und Rotorbremsen für Propellerflug- zeuge. Brennkammern für Gasturbinen aus oxidischem CMC lassen höhere Brennkammertemperaturen zu, woraus ein höherer Wirkungsgrad und eine Reduktion der Emissionen resultieren. Bei Raketenan- trieben erzielen CMC für Brennkammer und Expansionsdüse eine Gewichtsersparnis von 50% und ebenfalls eine höhere Temperaturbeständigkeit. Leichte hochsteife und ausdehnungsarme Satelli- tenbauteile und Wärmetauscher können auch durch Formpressen von Holzpellets und Harz, Aushär- ten, Pyrolyse, Silizierung und Konvertierung in SiC-Keramik hergestellt werden. 2.1.6 Naturfaserverstärkte Kunststoffe (Biokomposite) Im Automobilbau sind Kunststoffe, die durch Naturfasern etwa aus Hanf, Flachs, Baumwolle mecha- nisch verstärkt werden, vor allem für Innenraumanwendungen bereits etabliert, weil sie wirtschaft- lich konkurrenzfähig sind. 27 Vorteile naturfaserverstärkter Kunststoffe (NFK), sind außerdem eine geringe Neigung zum Splittern beim Crash und die Schalldämmung. Verschiedene Forschungsinstitu- te arbeiten auch daran, Carbonfasern auf der Basis von Lignin – einem Naturstoff, der bei der Zell- stoffherstellung anfällt – zu entwickeln, um nachwachsende Rohstoffe für den CFK-Leichtbau nutzbar zu machen. 28 Eine umfassende Studie zu allen Aspekten der Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung Anwendung und dem Marktvolumen von NFK wurde 2008 von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe her- ausgegeben. 29 Die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Form von Biopolymeren und naturfaserverstärk- ten Kunststoffen bietet gute Möglichkeiten, die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren und stattdes- sen nachwachsende Ressourcen zu nutzen. Allerdings sollte dabei der Anbau mit Flächenbedarf, Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz mit in die Betrachtung der Ökobilanz einbezogen werden (siehe auch Kapitel zum Thema Ressourceneffizienz und Leichtbau). 2.1.7 Holz Holzverbundmaterialien werden als Leichtbaumaterial in der maritimen Wirtschaft verwendet. Diese Holzverbundmaterialien bedingen auch Produktinnovationen, etwa bei Beschlägen und in der Pro- 25 VDI (2014a), S. 71 ff. 26 Eine Reihe von Beispielen findet man in VDI (2014a), S. 74 27 VDI (2014a), S. 149 ff. 28 Siehe z. B. Quitter (2014) 29 Carus/ Mussig/ Gahle (2008) 10
duktionstechnik. Der Einsatz von Holz ist im Fahrzeug ebenfalls möglich. Allerdings lässt die erste Serienanwendung eines Holz-Strukturteils im Automobil noch auf sich warten. Im Rahmen des BMBF-Forschungsprojekts „Hammer – Holzformteile als Multi-Materialsysteme für den Einsatz im Fahrzeug-Rohbau “, das noch bis Mai 2015 läuft, wird „der Einsatz von Holzformteilen als alternatives, innovatives und nachhaltiges Multimaterialsystem (MMS) für ressourceneffiziente und nachhaltige Leichtbaukomponenten von Fahrzeugstrukturen“ untersucht. 30 Als Motivation wird in der Projektbeschreibung auf der Webseite angegeben, dass überall dort, wo über den strukturel- len Einsatz von FVK nachgedacht wird, prinzipiell auch holzbasierte Multimaterialsysteme eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu FVK sei die großindustrielle Fertigung von Holzformteilen allerdings schon etabliert. Darüber hinaus haben Holzformteile „eine herausragende Nachhaltigkeit bei glei- chen oder sogar besseren Eigenschaften im Vergleich zu FVK“. Partner des Projekts sind die Fritz Be- cker KG, das Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI, die sachs engineering GmbH, die Universität Kassel und VW. 2.1.8 Technische Textilien, Textilbeton Als Technische Textilien werden Gewebe, Gewirke, Vliesstoffe und daraus gefertigte Fertigerzeugnis- se bezeichnet, die technisch-funktionelle Eigenschaften besitzen. Das DFG-geförderte Kompetenz- zentrum Textilbeton Aachen definiert Textilbeton als „einen zementgebundenen Verbundwerkstoff, bei dem technische Textilien aus Glas- oder Carbonfasern als Bewehrungsmaterial eingesetzt wer- den.“ 31 Dadurch können geringere Bauteildicken verwendet werden als bei der Nutzung herkömmli- cher Materialien. Bisher wird textilbewehrter Beton beispielswese bei Dach- und Fassadenplatten eingesetzt. Potenzielle Anwendungsmöglichkeiten sind beispielsweise filigrane Tragwerkskonstrukti- onen. 32 Weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich des textilverstärkten Leichtbaus, bei- spielsweise im Fahrzeugbau, wurden bzw. werden z. B. im Rahmen eines AiF/DFG Clusters 33 und durch die von der TU Chemnitz geführten Allianz Textiler Leichtbau durchgeführt. 34 2.1.9 Adaptiver Leichtbau, Funktionsintegration und Konzept-Leichtbau Der adaptive Leichtbau hat das Ziel, Materialkosten dadurch einzusparen, dass Konstruktionswerk- stoffe durch multifunktionale Werkstoffe ersetzt werden. An der TU Braunschweig beispielsweise wird adaptiver Leichtbau für folgende Anwendungen behandelt: Aktuatoren, adaptive Fahrwerke, formvariable Profile, Faltstrukturen, adaptives Rotorblatt. Bei der Funktionsintegration, einem weiteren wichtigen Ansatz für Ressourcenschonung beim Mate- rialeinsatz, werden mehrere Bauteile bzw. Bauteilfunktionen zu einem einzigen zusammengefasst. Da nicht mehr mehrere Werkstoffe notwendig sind, um eine bestimmte Funktionalität zu erreichen, wird das Gewicht reduziert. Am Fraunhofer ICT wurde 2009 eine „Projektgruppe Funktionsintegrier- ter Leichtbau“ gegründet und durch einen Neubau in Augsburg zu einem Institutsteil weiterentwi- ckelt. 35 Weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gibt es beispielsweise am Fraunhofer LBF in Darmstadt. 36 Konzept-Leichtbau stellt eine weitergehende, langfristige Technologieorientierung dar, bei dem durch neue Konstruktionsprinzipien ganze Produktkonzepte hinterfragt werden. So arbeitet bei- spielsweise das DLR mit seinem Institut für Fahrzeugkonzepte an komplett „neu gedachten“ Auto- 30 HAMMER (2015) 31 RWTH Aachen (2015a) 32 RWTH Aachen (2015a) 33 AiF (2015) 34 ATL (2015) 35 Fraunhofer ICT FIL (2015) 36 Fraunhofer LBF (2015) 11
mobilachsen, die durch verbesserte Konzeption weniger Kräfte übertragen müssen und dadurch ei- nen geringeren Materialeinsatz erforderlich machen. 37 2.2 Anwendungsbranchen von Leichtbaulösungen Aktuelle Zahlen zum Anteil der Nutzer metallischer Leichtbaumaterialien und Verbundwerkstoffe im verarbeitenden Gewerbe finden sich beispielsweise in einer im April 2015 veröffentlichten Studie der Leichtbau BW GmbH zu Wertschöpfungspotenzialen im Leichtbau. 38 Dabei werden Daten einer Be- fragung des Fraunhofer ISI aus dem Jahr 2012 ausgewertet, an der mehr als 1500 Betriebe des verar- beitenden Gewerbes in Deutschland teilnahmen. Danach setzen 24 % der befragten Unternehmen Verfahren zur Be- und Verarbeitung von Leichtbaumaterialien ein. Hierbei dominieren die metalli- schen Leichtbaumaterialien. Betrachtet man die Ergebnisse für einige ausgewählte Branchen, so ist der höchste Anteil bei den metallischen Leichtbaumaterialien in den Branchen „Metallerzeugung und Herstellung von Metallerzeugnissen“ (37 %) gefolgt vom Fahrzeugbau (33 %), dem Maschinenbau (31 %), der Elektroindustrie (20 %) und der chemischen Industrie (12 %). Bei der Be- und Verarbeitung von Verbundwerkstoffen dominiert der Fahrzeugbau (33 %), gefolgt von der chemischen Industrie (12 %), der Elektroindustrie (9 %) und dem Maschinenbau (8 %). Interessant sind die Ergebnisse der Studie auch bzgl. der Betriebsgröße. So nutzen 35 % der großen und 22 % der kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland Leichtbaumaterialien. Die Diskrepanz überrascht nach Angaben der Autoren der Studie nicht, da Großunternehmen aufgrund ihrer besse- ren Ressourcen im Bereich Entwicklung schneller neue Technologien adaptieren. Trotzdem ist der Unterschied geringer als bei anderen Technologien. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass KMU ihre Aktivitäten im Bereich Leichtbau intensiviert haben, um entsprechende Marktchancen zu nut- zen. Im Folgenden werden kurz und schlaglichtartig Trends für den Automobilbau, den Flugzeugbau und den Maschinen- und Anlagenbau dargestellt. Darüber hinaus wird auch die Bauindustrie kurz be- trachtet. Weitere Branchen könnten z. B. im Rahmen möglicher zukünftiger industriepolitischer Maßnahmen im Themenfeld Leichtbau Berücksichtigung finden. 2.2.1 Automobil- und Flugzeugbau Zentrale Herausforderungen für den Automobilbau sind die durch die EU-Verordnung vorgeschrie- bene Reduktion von Treibhausgasemissionen 39, neue Sicherheitsanforderungen und die Elektromobi- lität. Handlungsfelder für den Leichtbau reichen von der Auswahl und Kombination der Werkstoffe über die Auslegung der Bauteile bis hin zu systemischen Ansätzen beim Gesamtfahrzeug. Leichtbau ist ein wichtiger Hebel zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Daher machen Automobilhersteller ihren Entwicklern und Zulieferern quantitative Vorgaben für die kontinuierliche Gewichtsreduktion der Komponenten. Diese führt zu einem permanenten Innovationsdruck entlang der Wertschöp- fungskette. Deutlich wird dies bei der Betrachtung der Werkstoffzusammensetzung eines Pkws. Leichtbauwerkstoffe verdrängen zunehmend konventionellen Stahl, der damit seine bislang dominie- rende Rolle verliert (siehe Abbildung 1). 37 Für weitere Leichtbau-Methoden siehe: Henning/ Moeller (2011), S. 62ff 38 Leichtbau BW (2014c) 39 BMUB (2014) 12
Abbildung 1: Materialzusammensetzung eines Pkw im zeitlichen Vergleich 40 Um diesen Trend im Automobilbau zu verdeutlichen, seien schlaglichtartig einige Beispiele genannt: • Auf der Hannover-Messe 2015 wurde auf dem Stand der Leichtbau BW der Rohbau des Sport- wagens Mercedes-AMG GT präsentiert. Das Gewicht des Rohbaus besteht zu über 90 % aus Aluminium. „Das Frontmodul Oberteil ist aus Magnesium gefertigt. Dieses extrem leichte Ele- ment am Bug reduziert die sogenannte Massenträgheit und verbessert somit die Agilität des Fahrzeugs. Der Heckdeckel wiederum besteht aus Stahl, da ein von den Anforderungen her vergleichbarer Aluminium-Heckdeckel deutlich schwerer geworden wäre.“ 41 • In der Serienproduktion befinden sich bereits die Modelle i3 und i8 von BMW, deren Fahrgast- zellen aus CFK bestehen. Die Produktion und Verarbeitung der Kohlenstofffaser erfolgt in ei- nem Joint Venture von BMW und der SGL Group, der SGL Automotive Carbon Fibres (SGL ACF). Die Faser wird in einer eigenen Fabrik der SGL ACF in Moses Lake produziert, die Produktions- energie wird dort nach Angaben von BMW ausschließlich regenerativ aus Wasserkraft gewon- nen. Der zweite Prozessschritt, die Verarbeitung der Faserbündel zu textilen Gelegen, erfolgt in Wackersdorf. Die Herstellung der CFK-Komponenten findet dann in den BMW-Werken in Landshut und Leipzig statt. Nach Angaben von BMW befinden sich beim i3 150 CFK- 40 Eigene Darstellung nach VDI (2014a), S. 33 41 Leichtbau BW (2015a) 13
Komponenten im Life-Module, der Fügeprozess erfolgt vollautomatisiert mittels Nutzung mo- dernster Klebetechnik. 42 • Bei VW dominiert im Karosseriebau aufgrund des Kostenvorteils weiterhin der Werkstoff Stahl im Bereich der Kleinwagen und der Mittelklassefahrzeuge. Entwicklungsschwerpunkte sind hier der Einsatz von hoch- und höchstfesten Stählen sowie der belastungsabhängige Einsatz unterschiedlicher Stahlgüten, der beispielsweise durch warmumgeformte Bauteile mit lokal angepassten Eigenschaften erreicht wird. Diese Vorgehensweise wird als Design-Leichtbau be- zeichnet. 43 Der Trend in der Automobilindustrie zielt immer stärker auf die Umsetzung eines konsequenten Materialmixes. Beispiel hierfür aus der vorwettbewerblichen Forschung sind das EU-Projekt SuperLightCar oder das Förderprojekts Light-E-Body des BMBF. 44, 45 Im Flugzeugbau sind Aluminium, Titan und FVK die zentralen Leichtbaumaterialien. Das für die Luft- und Raumfahrt insgesamt bis 2020 prognostizierte Marktwachstum beträgt für FVK etwa 15 % und ist für Magnesium mit 30 % am höchsten. 46 Die Großraumflugzeuge von Airbus (A380) und Boeing (787 „Dreamliner“) verwenden bereits in einem erheblichen Anteil CFK in den Flugzeugstrukturen. Künfti- ge Projekte (wie A350XWB) sollen aus über 50 % CFK bestehen. 47 Allerdings beschleunigen die Kos- tennachteile von FVK durch hohe Werkstoffpreise, die ungenügende Ausnutzung der Werkstoffei- genschaften durch nicht optimiertes Design und eine noch nicht ausreichende Automation der Pro- duktion die Entwicklung bei anderen Werkstoffen. Ein Beispiel ist die Entwicklung neuartiger Alumi- niumlegierungen. 48 Für den Automobil- und Flugzeugbau kommen die Studien übereinstimmend zu folgenden zentralen Feststellungen: • Leichtbau ist entsprechend veröffentlichten Marktstudien mit einer für 2020 erwarteten weltweiten Marktgröße von rund 140 Mrd. EUR in der Transportbranche am stärksten etab- liert. Haupttreiber ist der Automobilbau. Das Wachstum ist insbesondere bei Nutzfahrzeugen hoch. Insgesamt wird von einem durchschnittlichen Wachstum von 7 - 8 % ausgegangen. 49 • Metall-Leichtbau bleibt kurz- bis mittelfristig das größte Leichtbausegment in der Automobil- branche. 50 Wegen ihrer etablierten Produktionstechnologie und der guten Recyclingfähigkeit ist die technologische Entwicklung metallischer Leichtbauwerkstoffe wie Aluminium und Mag- nesium, hoch- und höchstfester Stahlsorten ebenso wie Metallschäumen sehr wichtig. Hier ist das Innovationspotenzial in Deutschland aufgrund seiner Forschungs- und Industriestruktur sehr hoch. Eine besondere Herausforderung ist die Stärkung und der Ausbau der öffentlichen und industriellen Forschung bei der Entwicklung neuer Alumiumlegierungen entlang der ge- samten Prozesskette. 51 • Faserverbundwerkstoffe spielen eine zunehmende Rolle im Automobil- wie auch im Flugzeug- bau. Die Wachstumspotenziale werden als sehr gut eingeschätzt. 52 Hier müssen insbesondere die hohen Kosten bei der Herstellung reduziert werden. Forschungsschwerpunkt in Deutsch- 42 BMW Group (2015) 43 Volkswagen AG (2014) 44 SuperLIGHT-CAR (2015) 45 RWTH Aachen (2015b) 46 Leichtbau BW (2014a), S. 32 47 AVK und CCeV (2014), S. 20 48 Metalle pro Klima und Aleris (2014) 49 Leichtbau BW (2014b), S. 4 50 Leichtbau BW (2014a), S. 30 ff. 51 VDI (2014), S. 9 52 AVK und CCeV (2014); Leichtbau BW (2014a), S. 30 ff. 14
land ist daher die Entwicklung kostengünstigerer skalierbarer automatisierter Produktions- techniken. Die Entwicklung numerischer Tools für eine faserverbundgerechte Bauteilausle- gung, der Aufbau einer konkurrenzfähigen Faserproduktion in Deutschland sowie die Entwick- lung von Recyclingtechniken sind ebenfalls wichtige Herausforderungen.53 • Die Fragestellung, welcher Leichtbauwerkstoff das größte Wachstumspotenzial im Automo- bilbau hat, war Schwerpunkt des VDI Themenradars Automobil im Oktober 2014. 54 Auf die Frage, welches Material in den nächsten Jahren prozentual den größten Zuwachs haben wird, lagen die Faserverbundwerkstoffe mit 67,4 % weit vor Magnesium (19,1 %) und Aluminium (13,5 %). Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die metallischen Leichtbaumaterialien, insbesondere Stahl und Aluminium, bereits seit Jahrzehnten im Fahrzeugbau etabliert sind: „Der prozentuale Zuwachs der drei Technologien in der Serie ist relativ zu den aktuellen Jah- resproduktionsvolumen zu bewerten.“ 55 • „Der Multimaterialansatz spielt eine zentrale Rolle für den Leichtbau im Fahrzeugbau“. 56 Al- lerdings wird das Potenzial in verfügbaren Marktstudien noch nicht abgebildet. Der größte For- schungsbedarf wird in den Bereichen Recycling, Simulation, Design, Verbindungstechnik, Fü- geflächenvorbehandlung und der zerstörungsfreien Qualitätssicherung verschiedener Werk- stoffe gesehen. Hier bietet sich die Chance, durch innovative Lösungen neue Märkte zu er- schließen. 57 • Ein weiterer Trend ist der bionische Leichtbau. Dabei wird erforscht, wie Struktur- und Konstruktionsprinzipien der Natur für Leichtbauanwendungen genutzt werden können. Struk- turleichtbau im Automobilbau mithilfe der Bionik versprechen Gewichtseinsparungen bis zu 50 % 58 • Längerfristig empfiehlt sich hier die Entwicklung von Prinzipien des Konzept-Leichtbaus, um auch in der Zukunft weitere erhebliche Werkstoffeinsparungen erzielen zu können. So zeichnet sich derzeit ab, dass „konventionelle“ Methoden des Stoff-, Form- und Fertigungsleichtbaus in der Automobilindustrie in den 2020er Jahren an ihre Grenzen stoßen. Um einen Eindruck von den gegenwärtigen Trends zu gewinnen, hilft ein Blick auf die Hauptfragestel- lungen und das Programm des 5. VDI-Leichtbaukongresses 2015. 59 2.2.2 Maschinen- und Anlagenbau Die betrachteten Studien kommen zu folgenden zentralen Feststellungen und Empfehlungen hin- sichtlich des Maschinen- und Anlagenbaus: • Der Maschinen- und Anlagenbau stellt einen großen und wachsenden Markt für Leichtbaulö- sungen dar. Die Fertigung für den Energiebereich und für medizintechnische Anwendungen zeigt eine große Dynamik. Allerdings sind Potenziale der Leichtbaumärkte nur sehr schwierig abzuschätzen. 60 • Die kurz- bis mittelfristig größten Leichtbaumärkte im Maschinenbau bestehen für hochfesten Stahl, Aluminium sowie faserverstärkte Kunststoffe (GFK, CFK, etc.). 61 Als zentraler Technolo- 53 VDI (2014a), S. 8 54 VDI (2014b) 55 VDI (2014b) 56 VDI (2014a), S. 32 57 VDI (2014a), S. 8 58 ELiSE (2015) 59 VDI-Wissensforum (2015) 60 Leichtbau BW (2014a), S. 50 61 Leichtbau BW (2014a), S. 50 15
gieanbieter für Faserverbundwerkstoffe im Maschinen- und Anlagenbau hat sich beim VDMA das Forum Composite Technology gegründet. 62 • Bei bewegten Komponenten verwendet der Maschinenbau zunehmend Leichtbau-Materialien. Ein Forschungsschwerpunkt ist beispielsweise die Entwicklung von hochdämpfenden Leicht- bauverbundwerkstoffen, mit denen eine Erhöhung der Bearbeitungsgenauigkeit, der Bearbei- tungsgeschwindigkeit, der Lebensdauer sowie ein geringerer Werkzeugverschleiß erzielt wer- den kann. 63 • Bei thermischen Kraftwerken werden neben Hochtemperaturstählen und -legierungen ver- mehrt Keramik- oder Metall-Keramik-Verbünde und faserverstärkte Keramiken (CMC) einge- setzt. Hierbei steht nicht der Leichtbau, sondern die höhere Temperaturbeständigkeit im Fo- kus. Diese Materialien bieten ein enormes Potenzial zur Steigerung des Wirkungsgrades der Kraftwerke und tragen zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen in der Stromerzeugung bei. Der erfolgreiche Einsatz der Keramikwerkstoffe in diesem Bereich kann ihre Verbreitung für Leichtbaulösungen in anderen Bereichen des Maschinen- und Anlagenbaus forcieren. 64 • Leichtbaulösungen könnten über die künftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei Wind- kraftanlagen entscheiden. Die meisten Rotorblätter bestehen aus GFK. Da die Rotorblätter mit zunehmender Leistung stetig größer werden, findet hier eine Substitution von GFK durch CFK statt. Für CFK-Hersteller sind Windenergieanlagen ein großer Absatzmarkt. 65, 66, 67 Entscheidend ist hier die automatisierte Produktion der Rotorblätter zu wettbewerbsfähigen Preisen. • Das Know-how der hybriden Produktgestaltung bildet die Basis für zukünftige Produkte mit hohen Wachstumsraten. Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sind heute noch nicht ausreichend über Leichtbaulösungen informiert. Technologie- bzw. Leichtbauentwicklungen können schneller von der Forschung in die Produktentwicklung gebracht werden, wenn sich Forschungseinrichtungen intensiver mit Unternehmen über die technologischen Entwicklungen austauschten.68 Eine Fachmesse für Leichtbau im Maschinen- und Anlagenbau ist „LIMA- Internationale Messe & Symposium für Leichtbau im Maschinen- und Anlagenbau“ in Chemnitz. 69 Im Rahmen eines industriepolitischen Dialogs zum Leichtbau im Maschinen- und Anlagenbau ist es erforderlich, im Austausch mit der Forschung und der Industrie die Potenziale noch stärker systema- tisch zu erfassen und zu diskutieren. In Expertengesprächen mit den Autoren dieser Kurzstudie wur- de die Einschätzung gegeben, dass im Gegensatz zum Automobil- und Flugzeugbau das Thema Leichtbau im Maschinenbau- und Anlagenbau aufgrund der vielfältigen Fragestellungen nicht strate- gisch sondern stark operativ in Hinblick auf die Bedürfnisse der Unternehmen diskutiert wird. Für den Austausch, insbesondere mit kleinen und mittleren Unternehmen, wird für diese Branche das Format eines Mittelstandsdialogs für zielführend erachtet. 2.2.3 Bauindustrie Leichtbau spielt im Baugewerbe eine wichtige Rolle. In den nächsten Jahren ist von einer Zunahme der Nutzung von Leichtbaumaterialien auszugehen. Leichtbauprinzipien werden bei neuen Designs, beispielsweise bei Fassadenkonstruktionen, eingesetzt. 70 Neben den in Kapitel 2.1. bereits bespro- 62 VDMA Composite Technology (2015) 63 Fraunhofer IFAM (2015) 64 VDI (2014a), S. 236 ff. 65 VDI ZRE (2014a) 66 Leichtbau BW (2014a), S. 40 67 AVK und CCeV (2014), S. 15 ff. 68 Leichtbau BW (2014a) 69 Fachmesse LIMA(2015) 70 Leichtbau BW (2014a), S. 19 ff. 16
chenen Innovationen im Bereich der hochfesten Stähle und der technischen Textilien sind die ver- stärkte Nutzung von FVK (insbesondere GFK) zu nennen. Eine weitere vielbeachtete Materialinnova- tion ist die Entwicklung von Ultrahochleistungsbeton (UHC), bei dem durch den Zusatz von Nano- Materialien eine sehr hohe Festigkeit erreicht werden kann. 71 Eine weitergehende Betrachtung der Leichtbauinnovationen in der Bauindustrie ist im Rahmen dieser Kurzstudie nicht möglich. Im Rahmen der Vorbereitung eines möglichen industriepolitischen Dialogs zu diesem Thema wären vertiefende Untersuchungen in enger Abstimmung mit Akteuren aus For- schung, Verbänden und Unternehmen erforderlich. 2.3 Ressourceneffizienz und Leichtbau Gemäß VDI-Richtlinie VDI 4800 Blatt 1 (Entwurf) ist Ressourceneffizienz als Verhältnis eines bestimm- ten Nutzens oder Ergebnisses zum dafür nötigen Einsatz natürlicher Ressourcen definiert. 72 Die VDI- Richtlinie 4800 Blatt 1 (Entwurf) unterscheidet drei verschiedene Möglichkeiten der Steigerung der Ressourceneffizienz durch Leichtbau: • Verminderung des Werkstoffeinsatzes bei gleichbleibendem Werkstoff (z.B. Tailored blanks) • Den Einsatz leichterer Werkstoffe (z.B. Aluminiumlegierungen, hochfeste Stähle, CFK) • Veränderungen der Produktstruktur (z.B. Gitterstrukturen) Der Fokus der vorliegenden Bestandsaufnahme liegt bei den Leichtbaupotenzialen durch den Einsatz leichterer Werkstoffe bei gleichbleibender Funktionalität (Materialsubstitution). Bei der Substitution ist gemäß VDI-Richtlinie 4800 Blatt 1 (Entwurf) die Werkstoffauswahl entschei- dend für die Ressourceninanspruchnahme in allen Phasen des Lebenswegs, also bei der Rohmaterial- herstellung, der Produktherstellung, der Nutzungsphase, der Verwertung/Beseitigung sowie beim Transport. Die entsprechenden Auswirkungen müssen bei der Bewertung der Ressourceneffizienz durch die Verwendung neuer Leichtbaumaterialien berücksichtigt werden. Als Beispiel für mögliche Auswirkungen der Verwendung neuer Leichtbaumaterialien seien an dieser Stelle die fertigungs- und nutzungsgerechte Produktgestaltung, die Produktlebensdauer, die Reparierbarkeit sowie die Recyclingfähigkeit genannt. Bei Verbundwerkstoffen ist z. B. die Möglich- keit der sortenreinen Trennung der verschiedenen Komponenten für die Recyclingfähigkeit von Be- deutung. Bei der Verwendung von Multimaterialsystemen ist die Trennbarkeit der einzelnen Kompo- nenten wichtig (hier z.B. durch die Auswahl der Fügetechniken). In der Fertigungsphase ist darauf zu achten, wie sich die Auswirkungen auf die Ressourceneffizienz im Produktionsprozess darstellen. 73 In einer Studie der Landesagentur für Elektromobilität Baden-Württemberg wird eine vergleichende Ökobilanzierung der drei bedeutendsten Leichtbaumaterialien Stahl, Aluminium und CFK nach DIN EN ISO 14040/14044 vorgenommen. 74 75 Ausgehend von einem 10 kg schweren Stahlstrukturbauteil für den automobilen Einsatz, das als Referenz fungiert, werden Gewichtseinsparpotenziale durch den Einsatz von Hochleistungsstahl (um 15 %, auf 8,5 kg), Aluminium (um 40 % auf 6,0 kg), quasiisotropes CFK (um 52 % auf 4,8 kg) und unidirektionales CFK (um 79 % auf 2,1 kg) angenommen. Es wird der Primärenergiebedarf und das Treibhauspotenzial dieser Bauteile für die verschiedenen Nutzungspha- sen berechnet und dann aufsummiert. Ein Großteil des Primärenergiebedarfs bei allen drei Materia- lien erfolgt durch die Rohstoffbereitstellung, wobei die Herstellung der CFK-Bauteile am energiein- tensivsten ist. Hier dominiert bei weitem die Herstellung der Kohlenstofffaser aus dem erdölbasier- ten Polyacrylnitril (PAN). Der Primärenergiebedarf zur Bereitstellung des Epoxidharzes für CFK ist 71 Die Welt (2011) 72 VDI (2014c) 73 Siehe Gesamtübersicht über die Strategien zur Steigerung der Ressourceneffizienz in VDI (2014c) 74 e-Mobil BW (2012b), S. 17 ff. 17
mit der des Primäraluminiums vergleichbar. Die Bereitstellung des Primäraluminiums (Herstellung aus Bauxit) ist energieintensiver als die des Primärstahls (benötigte Rohstoffe sind Eisenerze und Steinkohle). Allerdings liegen hier aufgrund der weiter entwickelten Technologien geringere Verbes- serungspotenziale als bei CFK. Während der Nutzungsphase schneiden die CFK-Bauteile am besten ab. Die Frage, wie weit der energetische Aufwand zur Rohstoffbereitstellung bei den Materialien in der Nutzungsphase kompensiert wird, hängt u. a. von der Fahrleistung ab. Am Ende der Nutzungs- phase werden bei Stahl und Aluminium Recycling-Potenziale zugrunde gelegt, die die Einsparung von Primärmaterial und die damit verbundene Senkung des Energieverbrauchs und der Umweltbelastung berücksichtigen. Die Modellierung des Werts für CFK beinhaltet die Verbrennung und die damit ver- bundene thermische Energierückgewinnung. Die Senkung des Primärenergiebedarfs und des Treib- hauspotenzials ist durch das Recycling bei Aluminium am größten, gefolgt von Stahl. Die entspre- chenden Gutschriften durch die thermische Verwertung von CFK sind vergleichsweise gering. Im Ergebnis stellen die Autoren fest, dass mit den Mitteln der Ökobilanzierung keine allgemeine Aussa- ge über die Bevorzugung eines Leichtbaumaterials getroffen werden kann. Eine konkrete Aussage über Vor- und Nachteile kann nur fallspezifisch vorgenommen werden. Aus der Tatsache, dass die Autoren der Studie bei CFK noch keine Recyclingpotenziale ansetzen wird deutlich, dass hier noch keine industriellen Prozesse zur Wiederverwertung entwickelt worden sind. Neben der mechanischen Zerkleinerung ist die pyrolitische Trennung von Faser und Matrix ein zent- rales Verfahren, mit der Kohlenstofffasern unterschiedlicher Qualität und Länge gewonnen werden können. Daraus können verschiedene Produkte hergestellt werden. 76 77 Allerdings können die aufbe- reiteten Fasern nicht wieder für die Herstellung hochwertiger CFK-Bauteile verwendet werden. Wei- terhin geht bei der Pyrolyse das Matrixmaterial vollständig verloren und kann nicht in den Stoffkreis- lauf zurückgeführt werden, womit eine prinzipielle Begrenzung der maximal erreichbaren Recycling- quote einhergeht. Andere chemische Verfahren, wie beispielswese die Aufbereitung durch einen Solvolyse-Prozess, befinden sich in der Entwicklung. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Pyrolyse und anschließende Faseraufbereitung in den nächsten zehn Jahren den effizientesten Pro- zess für die stoffliche Verwertung von CFK im industriellen Maßstab darstellen. Der VDI Themenradar Automobil hat im Januar 2015 eine Umfrage durchgeführt und nach der Ein- schätzung gefragt, ob sich CFK durchsetzen wird. 78 Von den Befragten gaben 27,6 Prozent an, dass dies erst dann der Fall sein wird, wenn die Recyclingfrage gelöst ist. Nur 13,8 Prozent sahen die Re- cyclingfrage für den Erfolg von CFK als nicht relevant an. Eine Übersicht über die Ressourceneffizienz von CFK in allen Lebenszyklusphasen wurde in einer Kurzanalyse des VDI ZRE zusammengestellt. 79 Die Technologien zum Recycling von Aluminium und Stahl sind im Vergleich zum noch sehr jungen Werkstoff CFK schon sehr weit entwickelt. 80, 81, 82 Aber auch hier gibt es noch Effizienzpotenziale. Eine Reihe von Fragestellungen hierzu bearbeitet beispielsweise die Norsk Hydro ASA aus Norwegen, die über sieben Standorte in Deutschland verfügt.83 Weiterhin förderte z. B. das Umweltinnovationspro- gramm des BMUB die Entwicklung einer Anlage zur sortenreinen Trennung von Aluminiumlegierun- gen. 84 Das BMBF fördert im Rahmen des Förderschwerpunkts „r3 – Innovative Technologien für Res- 76 Siehe z.B. CFK-Valley (2015) 77 VDI ZRE (2013) 78 VDI (2015) 79 VDI ZRE (2013) 80 e-Mobil BW (2012b) 81 GDA (2015) 82 Wirtschaftsvereinigung Stahl (2015c): 83 Hydro Aluminium Deutschland (2015) 84 BMUB (2013) 18
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