Deine Karriere in den Life Sciences - PORTR ÄTS VON ZEHN FORSCHERINNEN UND FORSCHERN
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Interpharma Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz Petersgraben 35 Postfach CH-4003 Basel Telefon +41 (0)61 264 34 00 E-Mail info@interpharma.ch www.interpharma.ch Redaktion: Janine Hermann (Interpharma), Adrian Heuss (advocacy ag) Gestaltung: Continue AG, Basel Danksagung Wir möchten uns ganz herzlich bei allen beteiligten Personen bedanken, die zum Erfolg dieses Projekts beigetragen haben. Unser Dank geht insbesondere an Martine Clozel, Caroline Kant, Debora Keller, Isabelle Schubert, Helma Wennemers, Markus Affolter, Livio Baselgia, Alex Matter, Alexander Mayweg und Luca Piali. Didaktischer Hinweis Diese Broschüre ist vielseitig einsetzbar und berücksichtigt die Methodenfreiheit der Lehrperson. Das Lehrmittel kann modular eingesetzt werden, zum Beispiel zum Zeitpunkt der Berufswahl oder in einer Projektwoche. Passend zum Lehrmittel gibt es eine DVD, die im Unterricht von den Lehrpersonen eingesetzt werden kann. Das Bildmaterial ist auf die jeweiligen Porträts in der Broschüre abgestimmt. Im Anhang gibt es Inputs für Unterrichtssequenzen, ein Quiz sowie Internetlinks zur Vertiefung des Themas. Die in den Porträts verwendeten kursiv geschriebenen Fachausdrücke werden im Glossar am Ende des Lehrmittels in einfacher Sprache erklärt. © Interpharma, Basel, September 2009
2 Helma Wennemers 18 Caroline Kant ist Professorin für Chemie an der Universität Basel. arbeitet bei Merck Serono im Bereich Knowledge «Als Chemikerin kann ich kreativ sein und Verbin- Management. «Was mich besonders fasziniert, ist die dungen herstellen, die in der Natur nicht vorkommen.» Biologie und ihre ganze Komplexität.» 4 Martine Clozel 20 Isabelle Schubert ist Mitgründerin der Biotechfirma Actelion. «Für mich arbeitet als Patentanwältin bei Novartis. «Ich kenne ist die medizinische Forschung das Interessanteste auf keinen Patentanwalt, der seinen Beruf nicht liebt.» der Welt.» 22 Alex Matter 6 Markus Affolter leitet die Firma Experimental Therapeutics Centre in ist Professor für Entwicklungsbiologie an der Uni Singapur. «Langweilige Tage gibt es bei mir nicht.» versität Basel. «Alle meine Studenten und Doktoran- den haben einen Job gefunden.» 8 Luca Piali 24 Infomaterial und Aufgaben ist Leiter der präklinischen Immunologie bei Actelion. «Meine Eltern kamen aus armen Verhältnissen. 28 Glossar Ihnen war klar, dass man mit einer guten Ausbildung ein besseres Leben führen kann.» 10 Alexander Mayweg ist Forschungsgruppenleiter bei Roche. Sein Motto lautet: «Work hard, play hard.» 12 Livio Baselgia ist Biologiestudent an der ETH Zürich. «Je länger das Studium dauert, desto interessanter wird es.» 14 Die Schweizer Superstars der Forschung 16 Debora Keller ist Doktorandin im Bereich Krebsforschung in Lausanne. «Das Tolle an einer Doktorarbeit ist die Selbstständigkeit.» 1
HeLM A WeNNeMer S Professorin für Chemie, universität Basel «Forschung macht Spass» Wenn Helma Wennemers gefragt wird, welchen Beruf sie ausübe und dann entgegnet: «Ich bin Professorin für Chemie», so sind viele überrascht. ein Kommentar, den Wennemers oft hört, lautet: «Sie sehen gar nicht so aus.» Das Bild, das manche Menschen haben, wenn sie an eine Professorin für Chemie denken, deckt sich offenbar nicht mit dem Bild von Helma Wennemers. Höchste Zeit, mit falschen Vorstellungen aufzuräumen. Helma Wennemers hat in Frankfurt Chemie studiert, in New anderen Räumen schon längst kein Licht mehr brennt. Ihr York doktoriert und zwei Jahre in Nagoya, Japan, geforscht. Partner ist ebenfalls Forscher und wohnt in Tübingen. «Die japanische Kultur kennen zu lernen, war faszinierend. Die Chemie ist überall auf der Welt die gleiche, die Kulturen «Frau Wennemers, warum haben Sie sich für Chemie ent- hingegen unterscheiden sich stark.» Seit zehn Jahren arbeitet schieden?» sie an der Universität Basel im Bereich Peptidchemie. Die «Ich wollte die Natur besser verstehen. Chemiker denken auf Forscherin hat über die Jahre viele Preise erhalten, unter der Ebene der Moleküle, wodurch ein Verständnis der Natur anderem eine Stiftungsprofessur der Firma Bachem. Wenn in einer Tiefe möglich wird, wie in keiner anderen Wissen- sie über ihren Beruf erzählt, spürt man die Begeisterung: schaft. Da Chemiker in der Lage sind, Verbindungen herzu- «Forschung macht Spass.» stellen, die in der Natur nicht vorkommen, gibt es viel Spiel- raum für Kreativität.» Wennemers bezeichnet sich selbst als «Spätzünderin» und «Anti-Frühaufsteherin». Spätzünderin, weil sie erst mit «Was sind die Vorteile, wenn man an einer Hochschule 19 Jahren begann, sich für Chemie richtig zu interessieren. arbeitet?» «Meine Chemielehrer in der Schule waren leider nicht beson- «Hochschulforscher haben viele Freiheiten, um ihre eigenen ders überzeugend.» Anti-Frühaufsteherin, weil sie ihre Vorle- Forschungsprojekte aufzubauen und zu verfolgen. Ich bin sungen am Morgen lieber um 10 Uhr als um 8 Uhr beginnt. als Professorin frei, meine Projekte zu wählen. Mehr Freiheit «Das ist besser für mich und für die Studenten», sagt sie und bedeutet aber auch mehr Verantwortung.» lacht. Dafür ist sie abends oft länger im Büro, wenn in den 2
Was für Möglichkeiten haben Naturwissenschafterinnen und Naturwissenschafter nach dem Studium? Pharma- und Biotechindustrie: Viele Chemi- ker und Biologen arbeiten nach dem Studium oder der Doktorarbeit in der Industrie, in Grossunternehmen wie Roche und Novartis, aber auch in kleinen und mittelgrossen Unternehmen. Chemie: Die schweizerische chemische Industrie hätte jährlich rund 240 Chemikern einen guten Job anzubieten. Jedes Jahr verlassen aber nur etwa 210 Chemiker eine Hochschule. «Wie würden Sie Ihren Job beschreiben?» Professur: Doktoranden haben die Möglich- «Er ist sehr abwechslungsreich: Ich leite ein Team von der- keit, an der Hochschule zu bleiben und eine zeit 14 Mitarbeitern, bespreche mit ihnen die Forschungs- Professur anzupeilen. ergebnisse, gebe Vorlesungen, halte Vorträge über unsere Forschung an Kongressen, schreibe Publikationen, treibe Schule: Nach einer entsprechenden Forschungsgelder auf und nicht zuletzt betreue ich ausländi- pädagogischen Weiterbildung können Natur- sche Wissenschaftler, welche die Universität Basel besuchen wissenschafter an Gymnasien unterrichten. und ihre Forschung vorstellen.» Beratung: Unternehmensberatungs- «Warum sollte man Chemie studieren?» firmen wie Accenture, Boston Consulting «Um die Natur besser zu verstehen und seine Kreativität Group oder McKinsey suchen immer auszuleben. Etwas Besonderes am Chemiestudium ist die wieder nach Naturwissenschaftern und Abwechslung zwischen Theorie und Praxis. Die gelernte schätzen ihre klare Denkweise. Theorie kann man gleich in praktischen Übungen anwenden.» Start-up: Absolventen können eine eigene «Was muss man mitbringen für ein Chemiestudium?» Firma gründen, ein so genanntes Start-up «Grundsätzlich fangen wir bei Null an. Es geht dann aber (siehe Porträt Seite 4). Dazu braucht es neben einer guten Idee natürlich Unterneh- rasch vorwärts. Persönlich sollte man mehrere Eigenschaften mergeist. mitbringen: Begeisterung für das Fach und den Willen, auch mal eine Durststrecke zu überbrücken. Vor allem sollte man Medien: Es gibt die Möglichkeit, sich im aber wissen oder schnell erlernen, wie man selbstständig Bereich Medien weiterzubilden und beim arbeitet. Im Studium gibt es keine Lehrer mehr, die Hausauf- Radio, beim Fernsehen oder bei der Presse gaben geben und kontrollieren. Jeder muss selbst wissen, ob einzusteigen. er alles verstanden hat.» Forensik/Kantonschemiker: In der Rechts- «In den Naturwissenschaften sind Professorinnen die Aus- medizin, in so genannten forensischen nahme. Wie ist es, als Frau in der Forschung zu arbeiten?» Labors, werden Naturwissenschafter ge- «Damit hatte ich nie Probleme. Als ich in New York meine braucht (Stichwort «CSI Miami»). Auch Doktorarbeit gemacht habe, war ich am Anfang die einzige kantonale Laboratorien, die unter anderem Frau im Labor. Nach einigen Wochen kamen meine männli- für die Lebensmittelkontrollen zuständig chen Kollegen zu mir und sagten, seit ich hier sei, sei der sind, suchen immer wieder gute Chemiker Umgangston viel besser geworden, freundlicher, nicht mehr (Kantonschemiker). so ruppig wie früher.» 3
M A r t INe CL oZeL Chief Scientific officer, Actelion Viele Menschen träumen davon, ein eigenes unternehmen zu gründen und zum erfolg zu führen. Martine Clozel hat diesen traum gemeinsam mit ihrem Mann und weiteren Mitstreitern in die tat umgesetzt. In der im Jahre 1997 gegründeten Firma entwickeln und vermarkten heute beinahe 2000 Personen aus 42 Nationen Medikamente gegen Lungenhochdruck oder die Gaucher-erkankung. An weiteren Indikationen wie Schlaflosigkeit, Lungenfibrose, cystische Fibrose oder Multiple Sklerose wird derzeit gearbeitet. «Wo Das Interesse an der Forschung wurde Martine Clozel in die Wiege gelegt. Ihre Mutter hatte einst im Labor der Nobelpreis- trägerin Marie Curie als Physikerin geforscht, der Vater war Mathematiker. Die Eltern förderten den Forscherdrang ihrer sonst Kinder bereits in jungen Jahren. Martine Clozel liebte es als kleines Mädchen, an mathematischen Rätseln herumzukno- beln. Später studierte sie Medizin. bekommt «Frau Clozel, wie lernten Sie Ihren Mann kennen?» «Im ersten Studienjahr an der Universität in Nancy habe ich jeweils am Samstagmorgen Zusatzlektionen in Biologie besucht. Dieses Angebot stiess unter den Medizinstudenten man eine auf – sagen wir mal – laues Interesse, entsprechend leer war der grosse Vorlesungsaal. Ich aber wollte nicht nur Medizin büffeln, sondern auch die Biologie verstehen, die sich hinter solche einer Krankheit verbirgt. Einer der wenigen Studenten, der ebenfalls diesen Samstagskurs besuchte, war mein heutiger Ehemann Jean-Paul.» Chance?» «Worauf haben Sie sich nach dem Studium fokussiert?» «Auf die Pädiatrie, also auf die Kindermedizin und später insbesondere auf die Neonatologie, auf die Versorgung von Frühgeborenen. Als ich auf der Neonatologie angefangen habe, war der medizinische Horizont in diesem Bereich noch begrenzt. So begann man damals gerade, neue Erkenntnisse, wie man Frühgeborene beatmen und ernähren muss, in der Intensivpflege anzuwenden.» Auf der Neonatologie erlebte Clozel auch die Geburt von Fünf- lingen, drei Mädchen und zwei Jungen. Clozel war die betreu- ende Ärztin, und ihr Team machte eine gute Arbeit: Es waren die ersten Fünflinge in Frankreich, von denen alle überlebt haben. Eine Nachricht, die natürlich auf mehreren Titelblät- tern französischer Zeitungen verkündet wurde. Noch heute hat Clozel eine besondere Beziehung zu Kindern. Wie sieht ein tag im Leben von So hat sie persönlich dafür gesorgt, dass einige Medika- Martine Clozel aus? mente, die Actelion vertreibt, auch für Kinder entwickelt wer- den. Vielen Arzneimitteln, die Kindern heute verabreicht «Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit und werden, fehlen die wissenschaftlichen Belege für den Einsatz freue mich, dass ich mit so vielen interes- bei Kindern, weil die entsprechenden Studien nur an Erwach- santen Menschen zusammenarbeiten darf. Bei Actelion leite ich einen der drei For- senen durchgeführt wurden. schungsbereiche. Meine Aufgabe ist es, die Ergebnisse aus der Forschung zu prüfen Ab dem Jahre 1987 war die Forscherin bei Roche tätig und und herauszufinden, ob es ein Molekül gibt, arbeitete als eine der ersten Wissenschaftlerinnen an der aus dem ein Medikament entstehen könnte. Erforschung von Endothelin, einem kleinen Peptid, das in den Dabei ist insbesondere die Frage nach der Wänden der Blutgefässe vorkommt. Das Resultat war die Sicherheit und der Wirksamkeit einer neuen Entdeckung des Wirkstoffes Bosentan. Ein halbes Jahr nach Substanz wichtig. Wenn ich Zeit habe, fliege der Gründung von Actelion gelang es, Bosentan von Roche ich an wissenschaftliche Tagungen, um neue zu übernehmen und in der eigenen Firma zur Marktreife zu Ideen zu erhalten.» entwickeln. Dies ist, wie sie erklärt, neben ihren eigenen drei leiblichen Kindern, sozusagen ihr viertes Kind. 4
«Bei roche hatten Sie einen sicheren Job. Warum haben grund eures Medikamentes konnte meine Mutter mich zum Sie das Wagnis auf sich genommen und eine eigene Firma ersten Mal zum Shopping mitnehmen.› Viele schrieben uns, gegründet?» dass sie nun wieder ein beinahe normales Leben führen «Wir wollten diese einzigartige Chance packen. Wir waren können. Das sind Geschichten, die Kraft spenden, auch wenn überzeugt, dass aus ‹unserem› Molekül ein Medikament es mal nicht so läuft.» werden konnte. Uns allen war aber auch klar, dass es schwer werden würde, denn es braucht nicht nur gute Kenntnisse in der Forschung, um mit einer Life-Sciences-Firma Erfolg zu haben, sondern Kenntnisse über eine ganze Bandbreite bis hin zur Registrierung. In der Informatikbranche ist es viel- leicht möglich, bereits mit jungen Jahren erfolgreich eine Martine Clozel Firma zu gründen. In den Life Sciences ist das schwieriger.» • Geboren 1955 • Medizinstudium an der Universität Nancy «Was fasziniert Sie an der medizinischen Forschung?» • Assistenzprofessorin für Neonatologie «Für mich ist es das Interessanteste auf der Welt. Wir betre- und Intensivpflege, 1984 ten hier Pfade, die noch niemand gegangen ist, und können • Forscherin Roche, 1987 helfen, das Leben vieler Menschen zu verbessern. Wo sonst • Mitgründerin Actelion, 1997 bekommt man diese Chance? Als wir unser erstes Medika- • Heute Chief Scientific Officer ment auf den Markt brachten, dauerte es nicht lange, bis sich (Wissenschaftliche Leiterin) erste Patienten bei uns meldeten. Ein Kind schrieb uns: ‹Auf- 5
M a rk u s A ffolt er Professor für Entwicklungsbiologie, Universität Basel «Ich will die Studierenden begeistern» Als Markus Affolter, 50, seine Frau Pascale zum ersten Mal traf, fragte sie ihn, was sein Ziel im Leben sei. Er erklärte ihr, dass er zum Beispiel herausfinden wollte, warum die Nase in einem Gesicht immer am gleichen Ort wächst. Er wolle verstehen, wie aus einer linearen Information, der genetischen Information auf dem DNA-Faden, eine dreidimensionale Form entstehe. 6
Markus Affolter sagt heute zwar, dass seine damalige Ant- «Heute sind Sie Professor für Entwicklungsbiologie. Womit wort seine Frau nicht besonders beeindruckt habe. Mittler- beschäftigt sich Ihre Arbeitsgruppe derzeit?» weile ist das Paar aber über 20 Jahre verheiratet und hat zwei «Uns beschäftigt etwa die Frage, wie Gefässe entstehen. Kinder. Seine Frau arbeitet als Steuerexpertin, er ist Profes- Wenn Gefässe wachsen, dann sind Kräfte im Spiel. Entweder sor für Entwicklungsbiologie an der Universität Basel und schieben die Zellen von hinten die vorderen an der Spitze des noch immer fasziniert von ähnlichen Fragen wie damals. Gefässes an oder die vorderen ziehen die hinteren hinterher. Es stellt sich die Frage: Wird gestossen? Oder gezogen? Mit «Wo gingen Sie zur Schule?» verschiedenen Experimenten versuchen wir herauszufinden, «Ich ging auf die Kantonsschule in Aarau. Dort wird den was stimmt.» Schülerinnen und Schülern stets erzählt, dass auch Albert Einstein auf diese Schule ging. Das hat mich beeindruckt, ich «Sie benützen dazu die Technik des Life Imaging. Was muss fühlte mich privilegiert und sagte mir: Dann mach ich etwas man sich darunter vorstellen?» daraus.» «Mit dieser Technik kann man im lebenden Organismus beobachten, wie etwas entsteht und wächst. Mit Experimen- «Wie wichtig waren Lehrpersonen bei Ihrer späteren ten können wir Fakten zusammentragen, aber ein Film ist Berufswahl?» aufschlussreicher. Es ist wie bei einem Mordfall. Oft gibt es «Sehr wichtig. Einer der Gründe, warum ich Biologie und nicht verschiedene Indizien, die auf den Täter hinweisen. Aber erst etwa Chemie oder Physik studiert habe, war mein toller Bio wenn ich eine Filmaufnahme finde, auf dem die Tat eindeutig logielehrer am Gymnasium. Heute, als Professor, versuche zu sehen ist, ist der Täter überführt.» ich, das zurückzugeben und ebenfalls ein guter Lehrer zu sein. Ich versuche stets, interessante Vorlesungen zu halten. «Was für Hobbys pflegen Sie?» Das ist aufwendig in der Vorbereitung, aber es zahlt sich aus, «Ich segle gerne. Manchmal verbinde ich das Segeln mit wenn ich die Studenten für ein Fach begeistern kann.» der Arbeit: Mein Lieblingsmeeting, eine Konferenz zur Frucht- fliege Drosophila, findet alle zwei Jahre auf Kreta statt, in «Derzeit gibt es in der Schweiz in den Naturwissenschaften Kolymbari. Schon mehrmals bin ich mit Freunden vom grie- zu wenig Nachwuchs. Denken Sie, dass das mit den fehlen- chischen Festland nach Kreta zur Konferenz gesegelt. Auf den Vorbildern zusammenhängt?» dem Boot kann ich neue Ideen sammeln.» «Das ist sicher ein wichtiger Aspekt. Aus dem Sport kennt man viele Vorbilder, Roger Federer oder verschiedene Fuss- baller. Da können Kinder und Jugendliche sagen: Das will ich auch mal werden. In den Naturwissenschaften gibt es zwar auch Vorbilder, aber man kennt sie in der breiten Öffentlich- keit nicht.» «Wo haben Sie studiert?» «Ich habe zunächst zwei Jahre Biologie an der ETH in Zürich studiert, dann reiste ich nach Kanada. Meine damalige Freun- din war Kanadierin und da sie aufgrund ihres Zahnmedizin- Gute Aussichten studiums nicht einfach wegkonnte, habe ich beschlossen, zu «Was für Qualitäten braucht es für eine ihr zu fahren. In Kanada habe ich den Master und die Doktor- naturwissenschaftliche Karriere?» arbeit gemacht. Die Universität, die ich besuchte, war viel- «Natürlich braucht es Talent. Aber nicht nur. leicht nicht die renommierteste, ich war aber ein engagierter Man kommt auch mit Fleiss ziemlich weit. Schüler und das wurde von den Professoren geschätzt. Man muss herausfinden, wo man gut ist. Entsprechend wurde ich gefördert. Wenn sich jemand Zeit Gewisse Forscher sind gut im Planen von nimmt, dann schenkt man ihm auch Zeit.» Experimenten, andere Forscher sind gut in der Durchführung und der Auswertung.» «Wo zog es Sie hin, nachdem Sie Ihren Doktortitel in der Tasche hatten?» «Welche Aussichten hat man nach «Ich war fasziniert von den Forschungen von Walter Gehring, Abschluss eines Biologiestudiums oder der damals in Basel lehrte. Ich wollte unbedingt in seinem nach einer Doktorarbeit?» Labor arbeiten. Obwohl Gehring mir zunächst eine Absage «Alle meine Studenten und Doktoranden erteilte, habe ich insistiert und schliesslich bekam ich eine haben einen Job gefunden. Das Angebot in Stelle. Das ist übrigens ein Rat, den ich jedem engagierten der Schweiz ist breiter, als viele zunächst Nachwuchsforscher geben kann: Wer wirklich will und weiss, meinen.» wohin er möchte, der soll nicht aufgeben.» 7
L u C A PI A L I Leiter präklinische Immunologie, Actelion «Wie kann man Leiden verhindern?» «Herr Piali, woher stammt Ihre Begeisterung für «Haben Ihre eltern Sie gefördert?» die Biologie?» «Meine Eltern kamen aus armen Verhältnissen, heute «Da muss ich etwas ausholen. Meine Eltern sind Mitte der würde man sagen ‹aus bildungsfernen Schichten›. Sie haben 50er-Jahre aus Norditalien in die Schweiz eingewandert und sich aber rasch an die neuen Verhältnisse in der Schweiz fanden ein neues Zuhause bei einer Witwe – einer gebildeten angepasst, zum Beispiel innerhalb weniger Monate Deutsch Dame, die in einer Villa inklusive umfangreicher Bibliothek auf gelernt. Meine Eltern haben stets hart gearbeitet und das dem Bruderholz in Basel wohnte. Mein Vater arbeitete als auch von uns Kindern erwartet. Sie haben mich weder zu Gärtner, meine Mutter war die Hausangestellte. Im Garten der einem Studium gedrängt, noch davon abgehalten. Für sie war Villa habe ich meine ersten Schritte Richtung Biologie unter- vor allem wichtig, dass wir ein besseres Leben als sie führen nommen, habe den Fischteich studiert, die Vögel beobachtet, sollten. Es war ihnen klar, dass man dies mit einer guten Bil- Steine umgedreht. Dieser Garten war das Fundament für dung erreichen kann.» meine spätere Laufbahn. Ich habe dort das Wichtigste trainie- ren können, was ein Forscher braucht: Neugier. «Als Sie 16 Jahre alt waren, erkrankte Ihre Mutter an einer seltenen Autoimmunerkrankung. Inwiefern hat Sie Auf dem Bruderholz habe ich auch etwas anderes entdeckt: das geprägt?» Ehrgeiz. Für die Witwe war immer wichtig, dass ihre Enkel «Das hat mich natürlich stark geprägt. Ich habe mich in der später studieren würden. Das hat den Ehrgeiz in mir geweckt, Folge über die Krankheit meiner Mutter informiert. Das und heute haben sowohl mein Bruder als auch ich einen brachte mich zur Immunologie, denn Autoimmunerkrankun- Doktortitel.» gen entstehen, wenn das Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert und beginnt, Teile des eigenen Körpers anzugrei- 8
Luca Piali • Geboren 1966 • Biologiestudium an der Universität Basel • Doktorarbeit am Basler Institut für Immunologie, 1990–1995 • Postdoc am Theodor Kocher Institut in Bern, 1995–1998 • Postdoc und Projektleiter am Kinderspital in Basel, 1998–2004 • Heute: Leiter der präklinischen Immunologie bei Actelion fen. Vor allem die Leber meiner Mutter war davon betroffen – «ein anderes wichtiges ereignis in Ihrem Leben war die sie starb im Alter von 50 Jahren. Und ich kam nicht mehr von Geburt Ihres Sohnes Alex.» der Immunologie los – sie fasziniert mich noch heute täglich «Alex kam im Jahre 2001 auf die Welt, mit Downsyndrom und aufs Neue. Ich habe meine Doktorarbeit auf dem Gebiet der einem Herzfehler. Später diagnostizierten die Ärzte zudem Immunologie gemacht, heute bin ich Leiter der präklinischen einen Lungenhochdruck. Die Ironie der Geschichte ist, dass Immunologie bei Actelion. Seit der langen Krankheit und mein Sohn nun genau das Medikament braucht, das mein dem Tod meiner Mutter habe ich mir zudem immer wieder die Arbeitgeber Actelion herstellt. Frage gestellt: Wie kann man solches Leiden verhindern?» Vor fünf Jahren erklärten die Ärzte, dass mein Sohn noch «um diese Frage zu beantworten, hätten Sie eher Medizin maximal ein Jahr zu leben habe. Zeitweise hing sein Leben und nicht Biologie studieren müssen.» an einem seidenen Faden. Heute ist er acht Jahre alt. Dank «Stimmt, das habe ich aber nie ernsthaft in Betracht gezogen, der neuen Medikamente hat sich seine Prognose stark ver- denn die Medizin arbeitet meines Erachtens sehr oft mit bessert. Dieses Erlebnis beweist mir, dass man mit Forschung Wahrscheinlichkeiten. Das liegt mir nicht. In der Biologie geht und Pharmazeutika das Leben schwer kranker Menschen es mehr um Genauigkeit. Die Arbeit mit klinisch relevanten verbessern kann. Mein berufliches Ziel ist es, mit meiner Fragestellungen war mir aber immer wichtig, ich habe darum Arbeit Medikamente zu entwickeln, die schweres Leid von mehrere Jahre am Kinderspital in Basel gearbeitet. Und auch Betroffenen und deren Familien abwenden können.» bei meiner jetzigen Arbeit steht der zukünftige Patient im Fokus.» Naturwissenschaften: Gute Chancen für alle Luca Piali ist überzeugt, dass die Natur- viele Preise hat ein Forscher gewonnen? wissenschaften gute Chancen für alle Wie angesehen ist jemand in der For- bieten, unabhängig vom sozialen Hinter- schergemeinschaft? Insofern denkt grund (z.B. für Secondos). Die richtigen Piali, dass die Chancen auf einen Auf- Leute zu kennen, ist in den Naturwissen- stieg hier objektiver bemessen und nicht schaften nicht so wichtig, dafür zählt die vom familiären Hintergrund gefördert Leistung mehr. Wie viele gute Publika- oder vom Dünkel gebremst werden. tionen hat jemand veröffentlicht? Wie 9
A L e x A NDer M AY WeG Forschungsgruppenleiter, roche «Work hard, play hard» einst, als kleiner Junge, war Alexander Mayweg krank und lag im Bett. ein Arzt kam vorbei, unter- suchte ihn und verschrieb ihm Antibiotika. Wenig später war er wieder gesund. Damit war Alexander Maywegs Neugierde geweckt. «Wie wirken wohl diese Arzneimittel?», fragte er sich und sein Berufswunsch war klar: er wollte Arzt werden. 10
«Meine Tage sind sehr unterschiedlich, bespreche mit ihnen die Forschungsresul- Meine Arbeit ist international, genau wie Langeweile kommt da nicht auf. Als Leiter tate. Es gibt viele Meetings mit anderen meine Mitarbeiter, die aus Deutschland, eines Projektteams habe ich derzeit die Spezialisten und Projektteams. Und Frankreich, England, aber auch aus Asien, Aufgabe, mit dem Team ein Molekül zu fin- immer wieder nehme ich oder meine Mit- aus Indien oder China kommen.» den, das ein bestimmtes Protein im Körper arbeiter an Konferenzen in Europa, USA stoppt. Ich betreue meine Mitarbeiter, oder Asien teil. Heute, 33-jährig, ist diese Neugierde noch immer nicht «Sie haben in London Chemie studiert. War das gestillt. Arzt ist er zwar nicht geworden, dafür Chemiker. Seine spannend?» Aufgabe bei Roche besteht darin, neue Arzneimittel gegen «Das Studium am Imperial College war sehr spannend. Ich Diabetes zu entwickeln. Eine Arbeit, die er als grosse Heraus- erlernte die wissenschaftliche Methodik bei der es darum forderung empfindet und ihn mit Stolz erfüllt: «Im besten geht, eine Theorie mit Experimenten und Fakten zu belegen. Fall kann ich ein Medikament entwickeln, das Millionen von Das Chemiestudium war für mich ein ideales Fundament für Menschen helfen kann.» meinen heutigen Job in der Pharmaindustrie, denn es gibt mir die Möglichkeit, die Grundlagen der Medizin zu verste- Alexander Mayweg hat schon viel von der Welt gesehen, er ist hen. Am Ende des 2. Studienjahres hatte ich die Möglichkeit, in Deutschland, in den USA und in Asien aufgewachsen und ein Auslandjahr zu absolvieren. Ich durfte bei einer Pharma- hat in England und in den USA gearbeitet. Er ist verheiratet firma in Chicago Praxisluft schnuppern und eine amerikani- und hat zwei kleine Kinder; Hobbys hat er viele, unter anderem sche Grossstadt kennen lernen. Dort merkte ich, dass ich in taucht er gerne, etwa in Sizilien oder auf den Malediven. Sein der Pharmabranche mit viel Einsatz und ein wenig Glück Motto lautet: «Work hard, play hard.» etwas erreichen kann, von dem im besten Fall Millionen von Menschen profitieren werden.» «Herr Mayweg, welche Fächer interessierten Sie besonders in der Schule?» «Ihre Doktorarbeit haben Sie dann in der bekannten uni- «Schon als kleiner Junge hatte ich viele Interessen, etwa die versitätsstadt oxford gemacht.» alten Ägypter oder Sprachen, aber vor allem war ich technisch «Das Spannende an einer Doktorarbeit ist, dass man sich in interessiert, ich habe mit den allerersten Apple-Computern ein Forschungsgebiet vertiefen kann, und dies an vielen Orten gespielt, die es auf dem Markt gab, und habe versucht, neue der Welt. An Oxford faszinierte mich einerseits das intellek- Programme zu installieren. Das war ja damals noch ein tuelle Klima und andererseits das Traditionelle. So mussten grösserer Eingriff und nicht einfach per Mausklick zu machen. wir uns zum Beispiel als Erstsemestrige beim Aufnahmepro- Einmal habe ich versehentlich die gesamte Harddisk des zedere ins College in langen Gewändern aufstellen und unter Computers meines Vaters überschrieben ...» anderem schwören, dass wir niemals mit Kerzen in der Bib- liothek spielen werden, etwas, das Studenten schon seit «Warum haben Sie sich für ein Studium der Chemie ent- Hunderten von Jahren tun. Zu Beginn kommt einem das ein schieden?» bisschen wie bei Harry Potter vor. Aber diese Kombination «Chemie ist faszinierend und sie ist überall. Egal, ob es sich aus führender Wissenschaft und Traditionen habe ich sehr um den Bildschirm eines neuen Handys handelt oder um genossen.» einen Plastikbecher, den man am Kaffeeautomaten bekommt – überall steckt Chemie drin. Chemie hat die Welt in den letzten 100 Jahren enorm verändert. Chemie war für mich die kreativste, allgegenwärtigste und interessanteste Wissen- schaft.» Welches Studium ist das richtige «Was ist das tolle am Beruf des Chemikers?» für mich? «Die Chemie deckt eine enorme Breite ab: Chemiker können «Die Wahl des Studiums ist eine wichtige Arzneimittel erforschen, Manager in der Nanotechnologie- Weichenstellung für die Zukunft und sollte branche werden oder neue Prozesse zum Schutz der Umwelt auf keinen Fall leichtfertig gefällt werden», entdecken. Chemiker können sehr kreativ sein, sie können erklärt Alexander Mayweg. Er rät Jugend- Moleküle entstehen lassen, die es so auf der Welt noch nie lichen, sich gut zu informieren und zum zuvor gegeben hat. Eine solche Kreativität hat man nicht in Beispiel die Fachbücher anzuschauen, mit vielen Jobs. Einige Chemiker sind auch eine Art Künstler: denen sie dann später täglich zu tun haben. Anstatt Skulpturen bauen sie Moleküle, betrachten sie und Wer darin nur Dinge findet, die ihn nicht verbessern ihre Eigenschaften.» ansprechen, der müsste seine Wahl viel- leicht überdenken. Der beste Einblick gibt ein Praktikum. 11
L I V Io B A SeL GI A Biologiestudent, etH Zürich Livio Baselgia, 24, studiert an der etH Zürich Biologie im 4. Jahr. er erzählt, was man von einem Biologiestudium erwarten darf, warum man sich kein Studium aufschwatzen lassen sollte und was er neben Pokern in seiner Freizeit sonst noch treibt. «Wie sieht das Biologiestudium an der etH aus?» Der «Zunächst gibt es 2 Jahre Grundstudium mit Vorlesungen in Chemie, Mathematik und Biologie. Es gibt einige Praktika, etwa in organischer Chemie, die den Betrieb auflockern. Spannend im 1. Jahr fand ich die botanischen Exkursionen ins Biologie- Wallis mit unserem Botanikprofessor und seinen Assistenten. Auf mehreren Wanderungen haben wir die alpine Flora unter- sucht und dabei die Mitstudierenden besser kennengelernt. Interessant fand ich auch die Ergänzungsvorlesungen im Bereich Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaft, etwa eine student Vorlesung zu ‹Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit›.» «Wie sieht das 2. Jahr Grundstudium aus?» «Auch im 2. Jahr gibt es Chemie, neu kommt Physik hinzu sowie physikalische Chemie. In gewissen Fächern, etwa Mathematik oder physikalischer Chemie, musste ich mich ziemlich reinknien, aber solche Fächer gehören zur Ausbil- dung eines Biologen. Im 2. Jahr wird es für die Biologen span- nender, es gibt Kurse in Zellbiologie, Populations- und Evolu- tionsbiologie, Neurobiologie oder Ökologie. Am Ende des 1. und des 2. Jahres stehen umfangreiche Prüfungen auf dem Programm.» «und nach dem Grundstudium steht die Biologie immer mehr im Zentrum?» «Je länger das Studium dauert, umso interessanter wird es, denn ab dem 3. Jahr konnte ich meine Kurse zu einem guten Teil selbst aussuchen. Nun gibt es montags und dienstags am Vormittag Vorlesungen, der Rest der Zeit ist mit mehr- wöchigen Blockkursen belegt. Ich habe zum Beispiel Kurse in Mykologie, Lebensmittelmikrobiologie und Immunologie besucht. Möglich sind aber sogar Blockkurse in Humanmedi- zin, weil die Blockkurse zum Teil gemeinsam mit der Universi- tät Zürich angeboten werden.» «Wolltest Du von Anfang an Biologie studieren?» «Ursprünglich habe ich mich an der ETH für Elektrotechnik «und nach dem 3. Jahr, dem Bachelor?» eingeschrieben. Ich wusste aber, dass man sich in den ersten «Es gibt einige, die nach dem Bachelor eine Auszeit nehmen. vier Wochen an der ETH relativ unkompliziert für einen ande- Das ist zu jenem Zeitpunkt gut möglich. Ich habe mich ren Studiengang entscheiden kann. Ich habe die Vorlesungen allerdings dazu entschieden, das Studium am Stück durch- für Elektrotechnik besucht und rasch gemerkt, dass mir zuziehen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Reisen kann ich das zu mathematisch ist. Ich wusste, wenn mir Elektrotechnik auch noch nach dem Studium, zum Beispiel eine Doktorarbeit nicht gefällt, dann werde ich Biologie studieren. Ich habe es im Ausland machen.» nicht bereut.» «Was passiert im 4. und im 5. Jahr, im Masterstudium?» «Wie muss man sich das Studentenleben vorstellen?» «Im 4. Jahr schreiben die Studenten zwei Semesterarbeiten. «Man ist nun viel mehr selbst verantwortlich. Wenn am Mor- Diese Arbeiten basieren auf der Mitarbeit in einer Forschungs- gen mein Wecker zu früh klingelt, ich nicht aufmag und die gruppe. Daneben gibt es verschiedene Vorlesungen, die man Vorlesung verpasse, dann interessiert das eigentlich nieman- relativ frei auswählen kann. Ich habe mich auf die Lebens- den. Diese Freiheit ist natürlich verlockend, man denke nur mittelbiotechnologie konzentriert. Im 5. Jahr steht vor allem an all die Studentenpartys, die in Zürich stattfinden. Aber die sechsmonatige Masterarbeit im Zentrum, die man wiede- man muss merken, wann die Party zu Ende ist und wann die rum in einer Forschungsgruppe an der ETH absolviert. Hier Zeit zum Lernen gekommen ist. ist man bereits für ein kleines Forschungsprojekt zuständig.» 12
Während der Prüfungsvorbereitungen im Sommer haben wir «treibst Du Sport?» viel gelernt, von 8 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, fünf, sechs «Im Winter bin ich an Wochenenden oft im Bündnerland zum Tage die Woche. Manchmal gibt es im Studium eben nur Snowboarden. Hier in Zürich habe ich mit Freunden eine lernen, lernen, lernen. Wer dazu keine Lust hat, sollte kein Unihockeymannschaft gegründet und wir nehmen an der Studium anfangen und sich auch keines von Freunden oder uniinternen Meisterschaft teil, jetzt schon im 3. Jahr – wir Eltern aufschwatzen lassen.» müssen schliesslich unseren Titel aus dem letzten Jahr verteidigen. Mit Freunden organisieren wir einmal die Woche «Haben Deine eltern Dich begeistert für die Naturwissen- einen Pokerabend. Ich höre viel Musik, etwa Rap oder schaft?» Reggae.» «Nicht direkt. Meine Eltern sind beide Lehrpersonen mit Weiterbildungen in Heilpädagogik. Als ich meinem Cousin, der an der ETH studiert hat, erzählt habe, dass ich mich für Wirt- schaft oder Recht interessiere, meinte er: ‹Eine Ausbildung in Wirtschaft und Recht kannst Du immer noch nach dem Studium nachholen, zum Beispiel mit einem berufsbegleiten- den MBA›. Daher habe ich mich für die Naturwissenschaften entschieden.» 13
Die S chweizer Super s ta r s der For schung Ein Nobelpreis ist die höchste Auszeichnung, die ein Forscher erreichen kann, vergleichbar mit einem Oscar für einen Schauspieler. Die Schweiz hat bei den Nobelpreisen bislang ausserordentlich gut abgeschnitten: Insgesamt 28 Nobelpreise gingen an die Schweiz. Unser kleines Land darf sich also durchaus zu den grossen Forschungsnationen der Welt zählen. In den Bereichen Chemie und Medizin erhielt die Schweiz bislang 6 bzw. 7 Nobelpreise. Emil Kocher | Nobelpreis für Medizin, 1909 Leopold Ruzicka | Nobelpreis für Chemie, 1939 Der Berner Emil Kocher war unter den Medizinern der erste Chi Leopold Ruzicka, gebürtiger Kroate, war ein Chemiker, der rurg, der mit einem Nobelpreis geehrt wurde. Er war ein Spezialist besonders eng mit der Industrie zusammenarbeitete, einerseits für die Wundbehandlung, benutzte dazu leichte Chlorlösungen. mit verschiedenen Parfümeriefirmen in Genf, andererseits mit Aufgrund seiner Arbeit als Ausbilder für Militärärzte spezialisierte chemischen Firmen wie Ciba. In seinem Labor wuchs ein weite- sich Kocher zudem auf die Behandlung von Schusswunden. rer Nobelpreisträger heran: Tadeus Reichstein. Paul Müller | Nobelpreis für Medizin, 1948 Paul Müller besuchte die Freie Evangelische Volksschule in Basel, die er aber 1916 wegen schlechter Noten verlassen musste. Danach arbeitete er als Laborant unter anderem bei der Firma Lonza. Paul Müller erhielt den Preis für die Herstel- lung des Insektizids DDT. 1913 Walter Hess | Nobelpreis für Medizin, 1949 Er erhielt den Preis für die «Entdeckung der funktionalen Orga- nisation des Zwischenhirns für die Koordination der Tätigkeit Alfred Werner (Mitte) | Nobelpreis für Chemie, 1913 von inneren Organen». Er entdeckte das Diencephalon als Zent- Er erhielt den Preis «aufgrund seiner Arbeiten über die rum des autonomen (vegetativen) Nervensystems. Bindungsverhältnisse der Atome im Molekül». Er war der erste Anorganiker und bis ins Jahr 1973 auch der einzige, der den Nobelpreis für Chemie erhalten hat. Tadeus Reichstein | Nobelpreis für Medizin, 1950 Ein Schweizer Chemiker mit polnisch-jüdischer Herkunft. Im Jahre 1932 entdeckte Reich- stein eine Methode, mit der man Vitamin C in grossen Mengen herstellen konnte. Reichstein starb im Jahre 1996 – im Alter von 99 Jahren. 1950 Vladimir Prelog | Nobelpreis für Chemie, 1975 Vladimir Prelog beendete sein Studium im Jahre 1929 – die Welt steckte mitten in einer Wirtschaftskrise. Er war froh, dass er eine Stelle in der Industrie fand. Aber er wollte zurück in die Forschung und nahm daher eine Stelle an der Universität Zagreb an. Als die 1937 Nazis im Jahre 1941 Zagreb besetzten, floh Prelog mit seiner Frau nach Zürich. In den folgenden Jahren forschte er unter anderem mit finanzieller Unterstützung der Ciba und stieg an der ETH Zürich Paul Karrer | Nobelpreis für Chemie, 1937 bis zum Leiter des Departements Organische Chemie auf. Paul Karrer war ein ebenso brillanter wie fleissiger Chemiker, der im Verlauf seiner Forscherkarriere über 1000 Publikationen ver- 1975 fasste, hauptsächlich zu Struktur und Herstellung von Vitaminen. Bei der Preisverleihung in Stockholm hielt er in seiner Rede fest: «Ohne Frieden, Gerechtigkeit, Poesie und Wissenschaft gibt es kein Leben, das lebenswert schiene.» Vladimir Prelog (rechts) stösst mit Leopold Ruzicka auf den Nobelpreis an. 14
Werner Arber | Nobelpreis für Medizin, 1978 Werner Arber besuchte wie Albert Einstein die Kantons- schule Aarau. Er forschte lange an der Universität in Genf, später in Basel. Er entdeckte die so genannten Restriktionsenzyme. Seine Tochter Silvia arbeitet heute ebenfalls erfolgreich in der Forschung. 1978 1996 Rolf Zinkernagel | Nobelpreis für Medizin, 1996 Als kleiner Junge interessierte sich Zinkernagel für die prähis- torische Vergangenheit der Region Basel, wo er aufwuchs, aber auch dafür, wie man Schränke baut. Dass die Jobsuche auch für einen brillanten Forscher nicht immer einfach ist, beweist die Tatsache, dass Zinkernagel und seine Frau Kathrin nach ihrer Doktorarbeit etwa 50 Stellenbe- werbungen schrieben und nur Absagen erhielten. Schliesslich verschlug es die Zinkernagels samt Kindern nach Australien. Dort entdeckte Zinkernagel, wie das Immunsystem Zellen erkennt, die von Viren infiziert sind. 1991 Richard Ernst | Nobelpreis für Chemie, 1991 Im Alter von 13 Jahren fand Richard im Estrich seines Hauses in Winterthur eine Kiste voller Chemikalien. In der Folge experi- mentierte er mit den Chemikalien, was zu einigen Explosionen und zu unerträglichem Gestank im Haus führte. Die Eltern waren nicht besonders erfreut. Vielmehr dürfte sie dann aber gefreut haben, dass ihr Sohn Jahre später den Nobelpreis für Chemie erhielt, für die Entwicklung des NMR (eine spektrosko- pische Methode). 2002 Kurt Wüthrich | Nobelpreis für Chemie, 2002 Als kleiner Junge wollte der Berner Seeländer Förster werden. Stattdessen wurde er Chemiker und er ist der bislang letzte Schweizer Forscher, der mit einem Nobelpreis geehrt wurde. Wüthrich ist begeisterter Skifahrer. 1992 Bleibt noch die Frage: Wer wird der nächste Schweizer Nobel- preisträger sein? Oder noch besser: Wer wird die erste Schwei- zer Nobelpreisträgerin im Bereich Chemie oder Medizin? Edmond Fischer (links) | Nobelpreis für Medizin, 1992 Edmond Fischer wurde in Shanghai geboren, seine Eltern schick- ten ihn aber schon im Alter von sieben Jahren an den Genfersee in ein Internat. In der Schule traf er mit seinem besten Freund eine Entscheidung fürs Leben: Der eine sollte Naturwissen- schafter werden, der andere Arzt. Auf diese Weise wollten die beiden Freunde alle Krankheiten dieser Erde ausrotten. Fischer wurde Chemiker und lüftete später das Geheimnis der Phospho- rylierung. 15
DeB or A K eLLer Doktorandin, Isrec/ePF Lausanne «Ich will hoch hinaus» Debora Keller ist Doktorandin am Schweizerischen Institut für experimentelle Krebsforschung Isrec. Sie hat trotz ihrer 26 Jahre schon einiges erlebt, 13 Jahre in Afrika gelebt und verschiedene Sprachen erlernt. Hier erzählt sie, warum sie auch in Zukunft in der Krebsforschung arbeiten möchte und warum sie so gerne klettert. 16
eine Doktorarbeit in der Krebsforschung. Was muss man sich darunter vorstellen? Im Normalfall dauert eine Doktorarbeit namens HsSAS-6 entdeckt, das zur drei bis vier Jahre. In dieser Zeit kann korrekten Zellteilung benötigt wird, und man sich voll und ganz auf ein bestimm- versucht nun herauszufinden, wie es tes Problem konzentrieren. Debora funktioniert. Keller hat das Thema ihrer Doktorarbeit gemeinsam mit ihrem Professor, Pierre «Das Tolle an einer Doktorarbeit ist Gönczy, festgelegt: Während der Zell- die Selbstständigkeit», sagt Keller. Im teilung wird die genetische Information Studium müsse man zwar auch selbst- (die DNA, in Form von Chromosomen) ständig arbeiten, als Doktorandin sei verdoppelt und auf die beiden Tochter- sie aber viel mehr für ihr eigenes Projekt zellen verteilt. Bei Krebszellen ist dieser zuständig. «Am Ende der Doktorarbeit genauestens regulierte Prozess gestört, weiss ich, wie man an schwierige Frage- und es entstehen oft Zellen mit zu wenig stellungen in der Krebsforschung heran- oder zu vielen Chromosomen. Gönczys geht.» Forschungsgruppe hat ein Protein «Als ich klein war, wollte ich Kampfjetpilotin werden. Daraus Studium der Biotechnologie in drei Ländern wurde leider nichts, meine Sehschärfe war zu schwach. Heute Ich habe an der École supérieure de Biotechnologie Stras- bin ich 26 Jahre alt, hochfliegende Pläne habe ich aber noch bourg den dreijährigen Lehrgang für Biotechnologie besucht, immer. Einerseits wenn es um mein Hobby geht, das Klettern, ein trinationales Studium, das an den Universitäten Basel, da möchte ich bald einmal eine Tour klettern mit der Schwie- Freiburg, Karlsruhe und Strassburg stattfindet und das die rigkeitsstufe 7a. Und als Forscherin möchte ich in einigen Gebiete Biologie, Physik und Technik verbindet. In diesem Jahren meine eigene Forschungsgruppe leiten. Derzeit bin ich Lehrgang konnte ich viel praktische Arbeitserfahrung sam- im ersten Jahr meiner Doktorarbeit im Bereich Krebsfor- meln. Ich habe zwei Praktika absolviert, eines in Oxford – wo schung. ich mir als erstes einen Regenschirm gekauft habe –, eines am Schweizerischen Institut für experimentelle Krebsfor- Dass ich einmal Krebsforscherin werden würde, hätte ich mir schung, das jetzt zur ETH Lausanne gehört. als kleines Mädchen nicht gedacht. Dieser Berufswunsch entwickelte sich erst später, im Gymnasium, und im Studium Meine achtmonatige Diplomarbeit machte ich an der Universi- merkte ich, wie sehr mir das Forschen und Entdecken am tät von Kalifornien in San Francisco, ebenfalls in der Krebs- Herzen liegt. forschung. Das war der Hammer! Wir hatten ein tolles Team, haben hart gearbeitet, aber uns auch Zeit genommen, um in Spannende Kindheit und Jugend unserem Lieblingspub namens Fishbowl ein Bier zu trinken Meine Kindheit und Jugend waren geprägt von vielen Wech- oder im Institut ein Tischtennisturnier zu organisieren. Nach seln. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Franzose und dieser Erfahrung wusste ich, dass ich irgendwann meine Schweizer. Da beide als Missionare tätig waren, waren wir viel eigene Forschungsgruppe leiten möchte. unterwegs: Zwei Jahre lebten wir in Frankreich, dann 13 Jahre in Afrika, im Niger, dann wieder ein Jahr in Deutschland und Ablenkung beim Klettern und mit Freunden schliesslich in Südfrankreich, wo ich auch angefangen habe Für mich gibt es nicht nur das Labor. Um den Kopf freizukrie- zu studieren. Seit dem Jahre 2007 wohne ich nun am Genfer- gen, klettere ich mindestens einmal die Woche, im Winter in see. Wenn ich mit meiner Doktorarbeit fertig bin, dann werde der Halle. Beim Klettern ist es wichtig, dass man an sich ich fünf Jahre am gleichen Ort gelebt haben – für mich ist das glaubt, dass man Vertrauen hat in die eigenen Fähigkeiten schon fast sesshaft. und in die Person, die dich sichert. Beim Klettern habe ich meine eigenen Grenzen kennen gelernt aber auch gelernt, sie Viele Menschen fragen mich, ob die ständige Herumreiserei zu überwinden. nicht stressig gewesen sei, aber für mich war es in Ordnung. Auf diese Weise habe ich gelernt, mich an verschiedene Ich gehe gerne mit Freundinnen aus, manchmal organisieren Lebenssituationen anzupassen und das kann ich in meinem wir einen ‹Mädelabend›, gehen etwas Essen und ins Kino. Job in der Wissenschaft, die international ausgerichtet ist, Lausanne bietet eine ziemlich gute Auswahl an Lokalen. Die gut gebrauchen. Zudem spreche ich Französisch, Deutsch Gesellschaft mit meinen Freunden ist mir wichtig, ich arbeite und Englisch, das hilft mir ebenfalls, um in einem internatio- zwar viel, auch an Abenden oder mal Samstag oder Sonntag, nalen Umfeld zu bestehen. ich würde deswegen aber nie meine Freunde vernachlässigen. Dafür sind sie mir zu wichtig.» 17
CA r oLINe K A N t Forscherin Knowledge Management, Merck Serono Das Internet bietet Zugang zu einer Fülle von Informationen, wobei das Volumen des World Wide Web in den vergangenen Jahren geradezu explo- diert ist. Ähnliches gilt auch für die Wissenschaft, denn auch sie schafft täglich neues Wissen. Das belegt ein Blick in die internationale Datenbank Medline, die hauptsächlich auf Medizin- und Biologiethemen ausgerichtet ist. Hier werden pro tag durchschnittlich 2000 neue Artikel veröffentlicht, insgesamt enthält die Datenbank über 18 Millionen wissenschaftliche einträge. Angesichts dieser Informationsflut ist es für Forscher unmög- lich geworden, stets den Überblick über alle für das Fach- gebiet relevanten Informationen zu behalten und die Nadel im Heuhaufen zu finden. Aufgabe von Caroline Kant ist es nun, Strategien festzulegen sowie Methoden und Computerpro- gramme zu entwickeln, um sich in diesem Labyrinth zurecht- zufinden. Die 33-jährige Schweizerin arbeitet für Merck Serono in Genf in der Abteilung Knowledge Management, auch, dass sie später im Beruf sowohl ihre wissenschaftliche kurz KM (siehe Kasten: Was ist Knowledge Management?). Neugier stillen als auch ihre kreative Ader ausleben wollte. Caroline Kants Werdegang ist ungewöhnlich. Sie ist in Genf Später studierte Kant Biologie an der Universität Genf. «Ich aufgewachsen, besuchte die dortigen Schulen. In der Primar- wollte ein solides wissenschaftliches Fundament haben und schule konnte sie ein erstes Mal vom wissenschaftlichen verstehen, wie die Vorgänge des Lebens funktionieren.» Nach Know-how ihres Vaters, eines Chemikers, und der Kreativität Abschluss des Studiums verliess sie die Schweiz und die Welt ihrer Mutter, einer Künstlerin, profitieren: Gemeinsam bastel- der Wissenschaften und besuchte eine Designschule in Los ten die drei einen Vulkan aus Papiermaché und liessen diesen Angeles. Ihr erster Job nach dieser Ausbildung war in einer vor der Klasse ausbrechen. «Ich war natürlich der Star des Firma, die sich auf die Neuausrichtung von Modelabels spezi- Tages» erzählt Kant lächelnd. Seit diesem Tag wusste sie alisiert hat. Was ist Knowledge Management? Im Internet helfen uns Suchmaschinen sammeln, die es ihnen ermöglichen, wie Google, den Überblick zu behalten. die vorhandenen Erkenntnisse in einem Ähnlich funktioniert es im Knowledge bestimmten Fachgebiet optimal zu Management (KM). Caroline Kant ent- nutzen. wickelt dazu eine Art «Google für Wissen- schafter» – spezielle Suchmaschinen, Eine konkrete Anwendungsmöglichkeit die auf die Bedürfnisse der Wissenschaf- des KM besteht zum Beispiel darin, mit ter zugeschnitten sind. einer bestimmten Software in der Fach- literatur alle Informationen zu finden Caroline Kant kümmert sich um das KM und zu analysieren, die ein bestimmtes im Bereich Forschung und Entwicklung Protein und dessen Rezeptor betreffen. bei Merck Serono. In diesem Umfeld Mit dem Computer können bislang unbe- braucht es zur Entwicklung neuartiger kannte Verbindungen zwischen einem Arzneimittel einen Ansatz, der Naturwis- Protein und seinem Rezeptor entdeckt senschaften wie zum Beispiel Chemie, werden. «Das Knowledge Management Biologie, Pharmakologie und Pathologie wird die wissenschaftliche Kreativität der vereint. Die KM hat die Aufgabe, für die Wissenschafter nicht ersetzen, aber sie Forscher diejenigen Informationen zu kann sie unterstützen», erklärt Kant. 18
Die Wissensmanagerin Nach der Geburt ihrer Tochter erschien ihr die Modewelt Sie suchte und fand eine Stelle bei Merck Serono in Genf, zu plötzlich als zu wenig greifbar und sie wechselte in die Beginn als Koordinatorin klinischerStudien. Diese berufliche Informatikbranche und arbeitete bei einer Start-up-Firma im Etappe bot ihr Gelegenheit, die Welt der Pharmaindustrie Silicon Valley, die «Supercomputer» entwickelt. Nach sechs kennen zu lernen. «Das Interessante an dieser Arbeit war Jahren in den USA kehrte sie nach Genf zurück, wo sie ihr Bio- die Perspektive, kranken Menschen helfen zu können.» Als logiestudium vervollständigte und danach im Labor arbeitete. dann im Zuge einer umfassenden Firmenrestrukturierung bei Dann, nach zwei Jahren Forschung an der Universität, wurde Merck Serono eine neue Gruppe «Knowledge Management» ihr bewusst, dass sie keine akademische Laufbahn einschla- geschaffen wurde, bewarb sie sich um den Traumjob in der gen wollte. «Mehr als die Grundlagenforschung interessiert es neuen Abteilung – mit Erfolg. mich, die Biologie in ihrer ganzen Komplexität zu begreifen und nach konkreten Anwendungsmöglichkeiten zu suchen.» Wenn sie nicht im Büro ist, kümmert sich Caroline Kant um ihre achtjährige Tochter, sie kocht nach den Techniken der Molekularküche und treibt Sport, sie joggt und macht Yoga. 19
IS A BeLLe S CHuBer t Patentanwältin, Novartis Die Patentanwältin Isabelle Schubert beweist, dass Karriere und Kinder durchaus unter einen Hut passen. und ihr Beispiel zeigt zudem, dass man als Naturwissenschafterin oder Naturwissenschafter keinesweg im Labor bleiben muss, sondern dass mit dem Fundament eines solchen Studiums viele Wege offen stehen. Isabelle Schubert ist Patentanwältin, arbeitet also in der umgehen kann. Man muss stressresistent sein und mit Ter- Schnittfläche zwischen Naturwissenschaft und Recht. mindruck umgehen können. Ich kenne keinen Patentanwalt, Gefragt sind hier Menschen mit vielseitigen Interessen und der seinen Beruf nicht liebt.» das gilt auch für Schubert. Schon in der Schule mochte sie eigentlich alle Fächer, «ausser Physik, das war nicht so mein Isabelle Schubert ist Mutter zweier Töchter im Alter von 7 Ding». Entsprechend breit war schon damals das Spektrum und 12 Jahren. Sie arbeitet 80 Prozent und kümmert sich an ihrer Berufswünsche, das von Ärztin bis zur Försterin reichte. ihrem freien Tag um ihre Mädchen. Als diese noch jünger Nach dem Gymnasium ging Schubert zunächst als Au-pair waren, brachte sie die Kinder in die firmeninterne Kinder- für ein Jahr nach Kanada, um ihr Englisch zu perfektionieren, krippe. Entspannen kann sie beim Yoga. studierte dann Molekularbiologie und stieg danach ins Patentrecht ein. Heute hat sie eine Kaderfunktion in der «Frau Schubert, wie kommt man auf die Idee, Patentanwäl- Patentabteilung von Novartis inne. «Mein Beruf ist herausfor- tin zu werden?» dernd. Es braucht einen klugen, analytisch denkenden Geist «Ich wollte ursprünglich Anwältin werden. Mein Stiefvater, der und eine Persönlichkeit, die mit vielen verschiedenen Leuten selbst Patentanwalt ist, brachte mich dann auf diese Idee. Um 20
Was macht eine Patentanwältin? Patente schützen Erfindungen. Es geht darum, dass eine Person, die etwas erfindet, über einen bestimmten Zeitraum davon pro- fitieren soll und dass nicht andere die Erfin- dungen kopieren und ebenfalls damit Geld verdienen. Der Patentanwalt schreibt die Patente. Er sitzt mit den Forschern zusam- men und lässt sich die Erfindung erklären. Wichtig ist vor allem die Frage: Was ist neu an der Erfindung? Denn patentierbar ist nur, was neu ist. Der Anwalt verfasst eine Patent- schrift, ein umfangreiches Dokument, das darlegt, worum es bei der Erfindung geht, welche Experimente gemacht wurden und wofür der Patentschutz gelten soll. Dieser Text geht dann an die Patentämter, die das Gesuch bestätigen oder ablehnen. Patentanwälte in Pharmafirmen haben viele Aufgaben. Wenn eine Firma zum Beispiel ein Patentanwältin zu werden, braucht es ein naturwissenschaft- Biotechunternehmen und dessen Wirkstoff- liches Studium, zum Beispiel Biologie, Chemie oder Ingenieur- kandidaten übernehmen möchte, dann ist wissenschaften. Die Biologie interessierte mich davon am die Patentabteilung gefordert. Sie muss meisten.» untersuchen, wie gut der zukünftige Wirk- stoff des Biotechunternehmens geschützt «Nach dem Biologiestudium gingen Sie direkt ins Patent- ist. Es geht auch darum herauszufinden, ob recht über?» ein Konkurrent das künftige Produkt blockie- «Zunächst nicht. Nach dem Studium war ich plötzlich der ren könnte. Patente sind sehr wichtig für die Meinung, Forschung sei vielleicht etwas für mich. Ich suchte Unternehmen, entsprechend grosse Verant- nach einer Arbeit in Lateinamerika, um mein Spanisch zu ver- wortung tragen die Patentanwälte. bessern, und landete schliesslich in Venezuela, in einem Ins- titut in der Nähe von Caracas. Dort fand ich nicht nur Neues über Serotonin-Rezeptoren, sondern auch meinen künftigen «Gibt es verschiedene Wege, Patentanwältin zu Mann. Nach einem Jahr kehrten wir in die Schweiz zurück. werden?» Eine Zeit lang grübelte ich noch, ob ich eine Doktorarbeit «Viele Anwärter besuchen vorher einen Lehrgang. Es gibt zum anhängen sollte, merkte dann aber, dass das nicht in meinen Beispiel ein Nachdiplomstudium an der ETH Zürich, das eine Zeitplan passte. Ich wollte Patentanwältin werden und ich gute Vorbereitung ist für die Prüfung. Andere Lehrgänge gibt wusste schon damals, dass ich Kinder haben wollte. Doktor- es in London oder Strassburg.» arbeit, Patentanwältin und Kinder – das ging zeitlich nicht auf, also liess ich die Doktorarbeit fallen.» «Arbeiten alle Patentanwälte in grossen Firmen?» «Die meisten Patentanwälte arbeiten entweder bei einer «Wie lange dauert die Ausbildung zur Patentanwältin?» Kanzlei oder in der Patentabteilung einer grossen Firma, etwa «Nach dem naturwissenschaftlichen Studium sind drei Jahre ABB, IBM, Novartis oder Roche.» Arbeitserfahrung im Bereich Patentrecht Pflicht. Es folgt eine harte Prüfung zur Europäischen Patentanwältin, bei der bis zu «Patentanwälte, was für Menschen sind das?» 70 Prozent durchfallen. Dafür darf man nach erfolgreicher «Patentanwälte sind oft Menschen, die sich für Wissenschaft Prüfung stolz sein auf einen in ganz Europa gültigen Eignungs- interessieren, aber nicht mehr selbst im Labor stehen möch- ausweis.» ten. Sie argumentieren und gewinnen gerne mit Argumenten – zum Beispiel vor Gericht, wenn es um Patentstreitfälle geht.» 21
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