Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert

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Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Bestehendes verbessern, Neues
entwickeln – Verkehrssicherheit durch
die Fahrerlaubnisprüfung
Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Editorial/Inhalt

                                                                                                                                                         © picture-alliance/dpa/Swen Pförtner;
                                                                                                                                                         Titel: Free Prod/stock.adobe.com
Liebe Leserinnen und Leser,

S    eit nunmehr zehn Jahren informieren wir Sie
     regelmäßig in Beilagen der FAHRSCHULE über
die Entwicklungen im Fahrerlaubnisprüfungssystem.
                                                                             Darüber hinaus werden in den nächsten Monaten
                                                                             gemeinsame Anstrengungen zur Einführung der
                                                                             optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung not-
Dazu gehört natürlich ebenso, eine „Standortbestim-                          wendig: Die weiterentwickelten Prüfungsinhalte, die
mung“ vorzunehmen, wie die Perspektiven der Wei-                             im Fahraufgabenkatalog beschrieben sind, müssen
terentwicklung des Prüfungssystems sowie des                                 in der Aus- und Fortbildung der Fahrlehrer und Sach-
Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung zu                                verständigen berücksichtigt werden. Gleichzeitig gilt
beschreiben. Diese Entwicklung konnte und kann                               es, die Bewerber im Rahmen der professionellen Fahr-
nur in enger Verzahnung mit dem System der Fahr-                             ausbildung auf die Anforderungen ab dem 01.01.2021
ausbildung umgesetzt werden; hierzu zählen sowohl                            vorzubereiten. Die individuelle Fahrkompetenz der
die Fahrlehrer als auch die Ausbildungsverlage.                              Bewerber wird dann nach neuen Standards bewer-
Der staatlich geforderte Bildungsauftrag an die Fahr-                        tet, mittels des neuen Sachverständigen-Werkzeuges
lehrerschaft zur professionellen Ausbildung der                              „elektronisches Prüfprotokoll“ dokumentiert und
Fahrerlaubnisbewerber bis zur Prüfungsreife und der                          zurückgemeldet. Auch das Fahrlehrer-Werkzeug
hoheitliche Auftrag zur Durchführung einer unabhän-                          „elektronische Lernstandsbeurteilung“ kann in die-
gigen und qualifizierten Fahrerlaubnisprüfung durch                          sem Prozess eine wesentliche Rolle spielen.
einen Sachverständigen der Technischen Prüfstelle                            Nicht zuletzt ist es eine gesellschaftliche Aufgabe für
sind in Deutschland Garanten für ein vorbildliches                           erfahrene Fahrer, sich mit den veränderten Anforde-
System der Fahranfängervorbereitung.                                         rungen des Straßenverkehrs und der eigenen Fahr-
Auf den nächsten Seiten möchten wir Sie über ak-                             kompetenz auseinanderzusetzen. Dabei können sie
tuelle Themen informieren, zum Beispiel zur inhalt-                          sich bestenfalls der Unterstützung eines Sachver-
lichen Ausgestaltung des Fragenkataloges, über das                           ständigen oder Fahrlehrers bedienen. Dazu möchten
zunehmende Problem von Täuschungsversuchen,                                  wir Ihnen aktuelle Forschung vorstellen. Viel Freude!
die Entwicklung der Bestehensquoten und die Be-                                                                     Ihr Mathias Rüdel
reitstellung von Prüfterminen.                                                                Geschäftsführer TÜV | DEKRA arge tp 21

INHALT
Kapitel 1:                                                                   Kapitel 4:
Entwicklungen in der Theoretischen                                           Entwicklung neuer Testformen zur Bewertung
Fahrerlaubnisprüfung ���������������������������������������������Seite 3   von Fahrkompetenz ���������������������������������������������Seite 19
Kapitel 2:                                                                   Kapitel 5:
Die optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung                               Beitrag des Sachverständigenwesens für
(OPFEP) kommt ab 2021 ���������������������������������������Seite 11       lebenslanges Lernen ��������������������������������������������Seite 23
Kapitel 3:                                                                   Kapitel 6:
Auswirkungen von automatisierten Fahrfunktionen                              Ausblick auf zukünftige Herausforderungen für
auf die Fahranfängervorbereitung ������������������������Seite 15           Ausbildung und Prüfung ��������������������������������������Seite 26

2      TÜV | DEKRA arge tp 21
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Kapitel 1

Entwicklungen in der Theoretischen
Fahrerlaubnisprüfung
Die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung muss kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Wie systematisch die Technischen Prüfstellen bei dieser Arbeit vorgehen, warum die
Bestehensquoten trotzdem sinken und welche Auswirkungen dies auf das Angebot
von Prüfterminen haben kann, thematisiert dieses Kapitel.

D    ie Theoretische Fahrerlaubnisprüfung (TFEP)
     ist jedes Jahr eine der am häufigsten durchge-
führten standardisierten Prüfungen in Deutschland.
                                                      Unerlässlich: kontinuierliche Überarbeitung der
                                                      Prüfungsinhalte
                                                      Die zu prüfenden Wissensbereiche der TFEP wer-
Nahezu jeder Bürger möchte die Fahrerlaubnis          den durch europäisches Recht in der Richtlinie
erwerben und muss dafür die Fahrerlaubnisprüfung      2006/126/EG (3. EU-Führerscheinrichtlinie) vorge-
absolvieren. Für viele kennzeichnet sie dabei einen   geben, anschließend über nationales Recht in der
ersten bedeutenden Prüfstein auf dem Weg in die       Fahrerlaubnis-Verordnung und Prüfungsrichtlinie
selbstständige motorisierte Mobilität. Aufgrund       konkretisiert: Auf Basis dieser Anforderungen er-
dieser herausragenden Bedeutung ist es wenig          stellt und überarbeitet die TÜV | DEKRA arge tp 21
verwunderlich, dass der Gestaltung der TFEP ein       in einer Arbeitsgruppe im Auftrag der zuständigen
hohes öffentliches Interesse entgegengebracht         Behörden aus Bund und Ländern konkrete Fragen-
wird und dass verschiedene Aspekte im Zusam-          vorschläge, mit denen die Kompetenzen in den
menhang mit der TFEP eine breite Diskussions-         vorgegebenen Kenntnisbereichen überprüft wer-
grundlage bieten. Dieser Beitrag soll einen Teil      den können. Damit geht die wichtige Aufgabe ein-
dieser Aspekte aus dem Blickwinkel der Tech-          her, alle Fragen des amtlichen Fragenkataloges
nischen Prüfstellen (TPs) – die mit der Durchfüh-     kontinuierlich hinsichtlich rechtlicher und fachli-
rung der Fahrerlaubnisprüfung in Deutschland          cher Änderungen zu überprüfen, die sich durch
hoheitlich beliehen sind – aufgreifen und damit       einen Wandel in den Bereichen Mensch, Technik
auch zum Dialog zur TFEP beitragen. Im Detail         und Umwelt ergeben.
werden dabei zunächst Hintergründe vorgestellt,       Da (notwendige) Anpassungen des Fragenkatalo-
die im Zusammenhang mit der kontinuierlichen          ges teilweise zu Gesprächsbedarf zwischen den in
Überarbeitung und Weiterentwicklung der Prü-          der Fahranfängervorbereitung Beteiligten führen,
fungsinhalte stehen.                                  sollen diese Bedingungen an dieser Stelle näher
Weiterhin sollen dabei auch die Entwicklung der       erläutert werden.
Bestehensquoten als „öffentlichkeitswirksamer“
Kennwert der TFEP und mögliche Einflussgrößen         Weshalb ist eine kontinuierliche Pflege des
auf dessen Verlauf näher betrachtet werden. Ein       Fragenkataloges notwendig?
dritter aktueller Schwerpunkt betrifft das zuneh-     Änderungen von Fragen (Aufgaben) erfolgen keines-
mende Problem der Täuschungsversuche in der           falls beliebig, sondern aus gegebenen Notwendig-
TFEP, das sich in Häufigkeit und Erscheinungsbild     keiten heraus. Diese Notwendigkeiten können sich
deutlich verändert hat. Im Anschluss wird auf die     dabei aufgrund von unterschiedlichen Ursachen
Situation bei der Vergabe von Prüfterminen durch      entwickeln. Eine für alle verständliche Begründung
die TPs geblickt.                                     für die Fortschreibung der Fragen sind sich ändernde

                                                                                  TÜV | DEKRA arge tp 21   3
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Kapitel 1

gesetzliche Rahmenbedingungen, zum Beispiel          überprüft, zum Beispiel hinsichtlich der Verständ-
durch geänderte Anforderungen zur Nutzung mo-        lichkeit der Fragestellungen und Antwortalter-
biler Endgeräte während der Fahrzeugführung          nativen oder der Gestaltungskriterien bildhafter
(Änderung des Paragrafen 23 Absatz 1a der Stra-      Darstellungen. Ziel ist es vor allem, die Verständ-
ßenverkehrs-Ordnung (StVO) zum 19.10.2017)           lichkeit und die Eindeutigkeit von Aufgaben zu
oder durch die Änderungen im Katalog der Ver-        gewährleisten sowie einen anschaulichen Bezug
kehrszeichen vom 22.05.2017.                         zum realen Straßenverkehr zu betonen. Eine
Darüber hinaus ergibt sich aus der wissenschaftli-   konkrete Änderungsstrategie ist dabei zum Bei-
chen Betrachtung, dass den Inhalten zur Gefahren-    spiel, dass lange und komplizierte Formulierungen
lehre (Verkehrswahrnehmung und Gefahrenver-          weitestgehend vermieden und durch prägnante
meidung) eine besondere Bedeutung beigemessen        Bild- oder Filmdarstellungen ersetzt werden (ver-
werden muss, da die hierzu notwendigen Kompe-        gleiche Abbildung 1). Auf diesem Weg können neu
tenzen einen bedeutenden Beitrag für die Verkehrs-   anmutende Aufgaben entstehen, die allerdings in
sicherheit junger Fahranfänger darstellen. Also      ihrer inhaltlichen Ausrichtung bereits vorab im
muss entweder durch konkrete Aufgabeninhalte         Fragenkatalog enthalten waren.
oder durch neue Aufgabenformate eine Operatio-
nalisierung der dafür notwendigen Kompetenzen
erfolgen.
Weitere Änderungsgründe des Fragenkataloges
stehen beispielsweise im Zusammenhang mit der
rasanten Weiterentwicklung der Kraftfahrzeug-
technik, zum Beispiel hinsichtlich des Verbaus und
des Einsatzes von automatisierten Fahrfunktionen
(Fahrerassistenzsystemen) in mittlerweile allen
Fahrzeugarten. Hier ist es im Rahmen der TFEP
wichtig, das zuvor vermittelte Wissen zu diesem
System hinsichtlich ihrer (Sicherheits-)Funktion,
aber auch zu den (System-)Grenzen zu überprüfen.
Unabhängig von diesen rechtlichen und inhaltlichen
Gründen können auch formale Bedingungen dazu
führen, dass eine Aufgabe überarbeitet wird. Diese
formalen Aspekte beziehen sich auf gestalterische
Elemente der Aufgaben, also zum Beispiel auf die
konkrete Formulierung von Fragen und Antworten,
auf die Eigenschaften bildhafter Darstellungen von
Verkehrssituationen oder auf Situationsmerkmale in   Abbildung 1: Umwandlung einer Text- in eine Bildaufgabe
dynamisch dargebotenen Verkehrsszenen.
Auch hier erfolgen Überarbeitungen keineswegs        Wann werden neue Aufgaben vorgeschlagen?
wahllos. Um gegebenenfalls notwendigen Überar-       Die Entwicklung neuer Aufgabeninhalte für die TFEP
beitungsbedarf zu erkennen, werden die Aufgaben      führt ebenfalls zur Fortschreibung des Fragenkata-
in Zusammenarbeit mit externen wissenschaftli-       loges. In den letzten zehn Jahren nahm der Fragen-
chen Einrichtungen systematisch und regelmäßig       katalog über alle Fahrerlaubnisklassen durch die
nach festgelegten wissenschaftlichen Kriterien       Aufnahme neuer Inhaltsbereiche um circa 150 Fragen

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Kapitel 1

zu. Dies erscheint überschaubar, betrachtet man die    die Fahrerlaubnisprüfung erfolgreich zu absolvieren.
substanziellen Neuerungen in den Bereichen             Die am häufigsten durchgeführte TFEP ist zweifels-
Mensch, Technik und Umwelt im letzten Jahrzehnt.       ohne die Prüfung für die Führerscheinklasse B.
Das Grundanliegen der TPs ist allerdings auch hier,    Etwa drei Viertel aller TFEPs entfallen auf diese
nicht eine Vielfalt neuer Aufgaben, sondern die in-    Kategorie. Allein im Jahr 2018 wurden insgesamt
haltlich begründete Notwendigkeit neuer Aufgaben       circa 1,45 Millionen Prüfungen für die Klasse B
als Maßgabe für die Aufgabenentwicklung in den         abgelegt; 890.046 davon erfolgreich. Dies ent-
Vordergrund zu rücken.                                 spricht einer Bestehensquote von etwa 61,3 Pro-
Ähnlich wie bei der Überarbeitung werden neue          zent. Die Bestehensquote hat sich im vergangenen
Aufgaben zum Beispiel notwendig, wenn neue ge-         Jahr gegenüber 2017 geringfügig verbessert. Aller-
setzliche Regelungen für den Straßenverkehr verab-     dings zeichnet die Langzeitbetrachtung ein anderes
schiedet werden, deren Kenntnis wichtig für eine       Bild: Ausgehend vom heutigen Stand ist die Beste-
sichere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr      hensquote für die Fahrerlaubnisklasse B innerhalb
ist. Außerdem wird die Entwicklung neuer Aufgaben-     der vergangenen zehn Jahre um knapp zehn Pro-
inhalte in Betracht gezogen, wenn mit gesellschaft-    zentpunkte gesunken.
lichen und technischen Veränderungen im Straßen-       In ihrer Aufgabe der Bereitstellung und kontinuier-
verkehr neue Anforderungen für die Verkehrssicher-     lichen Weiterentwicklung des Prüfungssystems
heit entstehen. Für die Bewältigung dieser Anforde-    erkennt die TÜV | DEKRA arge tp 21 auch die Ver-
rungen sind dann Wissen und Kenntnisse wichtig,        antwortung, die Bestehensquote und deren Ent-
die bislang nicht in den Inhalten des Fragenkatalo-    wicklungsverläufe fachlich fundiert und kritisch zu
ges abgebildet wurden. Da zum Beispiel viele neue      hinterfragen. Wie kann dieser Rückgang erklärt
Unfälle daraus resultieren, dass Verkehrsteilnehmer    werden? Diese Frage ist nicht mit einer einfachen
durch die Nutzung des Smartphones abgelenkt            Feststellung zu beantworten. Vielmehr müssen für
waren, musste dies als neuer Inhaltsbereich sowohl     die Veränderungen verschiedene Ursachen in Be-
für die theoretische Fahrausbildung als auch in die    tracht gezogen werden, die – zum Teil im Zusam-
TFEP aufgenommen werden.                               menspiel – die Chancen für das erfolgreiche Absol-
Schließlich spielt es für die Frage nach notwendigen   vieren der TFEP bestimmen.
neuen Aufgaben auch eine Rolle, ob wichtige Aus-       Zunächst liegt augenscheinlich die Schwierigkeit
bildungsinhalte in den Prüfungsinhalten eventuell      beziehungsweise Leichtigkeit der Prüfung selbst als
bislang nur ungenügend berücksichtigt werden. Für      Einflussgröße für das erfolgreiche Bestehen nahe.
diesen Punkt findet ebenfalls eine stetige und sys-    Das Ziel der TFEP ist der Nachweis ausreichender
tematische Gegenüberstellung von Prüfungs- und         Kenntnisse für das sichere Führen eines Fahrzeugs
Ausbildungsinhalten statt. Zeigt dieses Vorgehen,      im motorisierten Straßenverkehr. Die Form und zum
dass bedeutsame und prüfbare Ausbildungsinhalte        Teil die Inhalte der TFEP haben sich gerade in den
bislang keine Entsprechung in den Prüfungsinhalten     letzten zehn bis fünfzehn Jahren verändert und wur-
finden, kann das ebenfalls zu einer Neuentwicklung     den sowohl an geänderte technische Möglichkeiten,
von Aufgaben führen.                                   aber auch an die sich eingangs erwähnten verän-
                                                       derten Anforderungen durch den modernen Straßen-
Die Entwicklung der Bestehensquoten der                verkehr angepasst. Grundlage für diese Anpassun-
Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung                     gen bildeten dabei immer pädagogisch-psychologi-
Eine öffentlichkeitswirksame Kenngröße der TFEP,       sche Erkenntnisse und Prinzipien zur Optimierung
die ebenfalls immer wieder starkes Interesse findet,   der Prüfungsprozesse und -inhalte. So wurde zum
ist die Wahrscheinlichkeit für einen Fahranfänger,     Beispiel durch die Rotation der Aufgaben und

                                                                                   TÜV | DEKRA arge tp 21   5
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Kapitel 1

Auswahlantworten im Prüfbogen im Zuge der Um-
stellung von der Papierprüfung auf eine PC-Prüfung
und die spätere Einführung von Aufgabenvarianten
ungünstigen Lernstrategien gezielt entgegengewirkt:
Ein schematisches Auswendiglernen anhand von
oberflächlichen Aufgabenmerkmalen wird damit
weniger Erfolg versprechend als eine vertiefte Aus-
einandersetzung mit den grundlegenden Aufgaben-
inhalten. Letzteres bietet die Voraussetzung dafür,
Wissen situationsübergreifend anwenden zu kön-
nen, und zwar unabhängig davon, welche Farbe die
Lackierung eines zu beachtenden Autos aufweist
oder an welcher Stelle sich die richtige Auswahlant-
wort befindet.
Wenn (nicht gewünschte) Lernstrategien durch eine            Je jünger, desto eher bestehen Fahranfänger die TFEP
Änderung der Prüfungsbedingungen in Konsequenz
weniger zielführend werden, kann dies durchaus               Fahrerlaubnisbewerber. Verändern sich die Merk-
die Bestehensquote beeinflussen. Ein sehr drasti-            male der Bewerber, so verändern sich gegebenen-
scher Beleg hierfür findet sich auch in anderen              falls auch die Prüfungsergebnisse. Analysen zei-
Ländern. Um die Nachteile schematischen Auswen-              gen, dass sowohl das Alter als auch das Geschlecht
diglernens zu vermeiden, ist es eine weitverbreitete         bedeutsame Einflüsse auf die Bestehensquote
Strategie, den Fragenkatalog nicht zu veröffentli-           aufweisen (vergleiche Abbildung 2).
chen. So fiel die Bestehensquote der TFEP in Groß-           So ist einerseits zu beobachten, dass die Wahr-
britannien Anfang 2013 nach der Maßgabe, die                 scheinlichkeit eines erfolgreichen Bestehens bei
Aufgaben nicht mehr öffentlich zugänglich zu ma-             sehr jungen Fahranfängern am höchsten ist, da-
chen, von etwa 60 Prozent auf 50 Prozent.                    nach steil abfällt, um im Anschluss mit steigendem
Ein zweiter großer Einflussbereich sind potenzielle          Alter wieder zuzunehmen. Andererseits kann fest-
Effekte durch die zeitgenössischen und gesell-               gestellt werden, dass Frauen im Vergleich zu
schaftlichen Änderungen in den Merkmalen der                 Männern eine höhere Bestehensquote in der TFEP

Abbildung 2: Anstieg des mittleren Bewerberalters FE-Klasse B (links) und Abhängigkeit der Bestehensquote von Alter und
Geschlecht 1. Halbjahr 2018 FE-Klasse B (rechts)

6      TÜV | DEKRA arge tp 21
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Kapitel 1

                                                                             Alterskategorie, die für männliche und weibliche
                                                                             Bewerber mit vergleichsweise niedrigen Bestehens-
                                                                             quoten verknüpft ist. An zusätzlicher Komplexität
                                                                             gewinnen diese Zusammenhänge, wenn die Alters-
                                                                             verschiebungen für Männer und Frauen unterschied-
                                                                             lich ausgeprägt sind.
                                                                             Darüber hinaus wurde in jüngster Vergangenheit
                                                                             auch aus anderen Bildungsbereichen im schuli-
                                                                             schen Sektor über ein sinkendes Leistungsniveau
                                                                             berichtet (Kultusministerkonferenz, 2017). Ein
                                                                             Querbezug zur Bestehensquote der TFEP ist auch

                                                           © TÜV Rheinland
                                                                             hier nicht ausgeschlossen, da grundlegende Kultur-
                                                                             techniken wie Lese- und Textverständnis Grundvo-
                                                                             raussetzungen darstellen, um Prüfungsaufgaben
                                                                             erfolgreich bearbeiten zu können. Das heißt, nega-
                                                                             tive Trends in der Bestehensquote können in einer
aufweisen. Daher kann angenommen werden, dass                                zeitlichen Veränderung der Lern- und Leistungs-
eine Änderung in der Zusammensetzung und in den                              voraussetzungen der Fahrerlaubnisbewerber mit-
Merkmalen der Grundgesamtheit der Fahranfänger                               begründet sein.
über die Zeit eine Veränderung in der Bestehens-                             Die Veränderungen von Merkmalen der Prüfung
quote bedingt.                                                               und der Bewerber sind darüber hinaus in einen
Nimmt das Durchschnittsalter der Fahranfänger                                gesellschaftlichen Kontext eingebettet, der sich
beispielhaft über die Jahre zu, kann dies Auswirkun-                         gleichfalls in stetiger Veränderung befindet und
gen auf die Entwicklung der Bestehensquote nach                              damit einen dritten breiten Einflussbereich wider-
sich ziehen. Tatsächlich ist zu beobachten, dass das                         spiegelt. Beispielsweise zeigt sich, dass der Führer-
mittlere Alter der Fahrerlaubnisbewerber von Anfang                          scheinbesitz für Jugendliche beziehungsweise
2010 bis Ende 2018 um etwa zwei Jahre, von vor-                              junge Erwachsene in großen Ballungszentren und
mals etwa 20 Jahre auf nunmehr 22 Jahre, gestie-                             Städten an relativer Bedeutung verliert. Dies führt
gen ist. Damit liegt das mittlere Alter aktuell in einer                     keineswegs dazu, dass weniger Personen eine

          Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf der Bestehensquoten der Fahrerlaubnisklasse B in
          Deutschland und Großbritannien

                                                                                                          TÜV | DEKRA arge tp 21   7
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Kapitel 1

Ausbildung beziehungsweise Prüfung absolvieren           sich aber auch ein deutlicher, nahezu paralleler
– der Pkw stellt nach wie vor eines der wichtigsten      Trend in der zeitlichen Entwicklung in beiden Län-
Mobilitätsmittel dar –, allerdings können sich indivi-   dern, der Hinweise darüber geben kann, dass am
duell der Zeitpunkt und die Notwendigkeit einer          Absinken der Bestehensquote Faktoren beteiligt
Führerscheinprüfung verlagern. Während der Führer-       sind, die unabhängig von länder- und prüfungs-
scheinbesitz in früheren Jahrzehnten noch ein            spezifischen Eigenheiten wirken und im gesamt-
unbedingtes "Statussymbol" darstellte, das einen         gesellschaftlichen Kontext zu bewerten sind.
bedeutsamen Meilenstein in der persönlichen
Entwicklung und der eigenen Unabhängigkeit für           Welche Auswirkungen hat (unter anderem) die
Jugendliche und junge Erwachsene markierte, steht        Entwicklung der Bestehensquoten auf das
er nunmehr in Konkurrenz zu vielfältigen weiteren        Angebot von Prüfterminen?
Entwicklungsmöglichkeiten, die junge Menschen            Es wird verschiedentlich die Frage aufgeworfen:
heutzutage gern und bewusst wahrnehmen.                  Werden durch die TPs ausreichend Prüftermine zur
Dies kann dazu führen, dass die allgemeine Lern-         Verfügung gestellt?
motivation sinkt, sich Ausbildungszeiten verlängern      Es ist zunächst festzustellen, dass alle angemelde-
beziehungsweise dass sich die verbleibenden Res-         ten Bewerber um eine Fahrerlaubnis im Jahr 2018
sourcen für eine umfassende Prüfungsvorbereitung         einen Termin zur Durchführung der (Theoretischen
verringern. Auch hier lohnt sich ein vergleichender      und) Praktischen Fahrerlaubnisprüfung (PFEP) er-
Blick auf die Entwicklung in anderen Ländern, denn       halten haben. Damit wurden die Verpflichtungen
wenn der breitere gesellschaftliche Kontext bei der      der TPs zur Betriebs- und Bedienpflicht erfüllt. In
Entwicklung von Bestehensquoten zu berücksichtigen       begründeten Einzelfällen gab es gegenüber dem
ist, sollten sich ähnliche Trends unabhängig von kon-    Wunschtermin zumutbare Wartezeiten. Ursachen
kreten Veränderungen im Prüfungssystem zeigen            dafür können vielfältig sein:
lassen.                                                  ■■ Natürlich hat auch die Entwicklung der Beste-
Die Abbildung 3 (Seite 7) zeigt eine Gegenüberstellung      hensquote Auswirkungen auf die Vergabe von
der Bestehensquote in der TFEP für die Fahrerlaub-          Prüfterminen: Werden für Bewerber (häufiger)
nisklasse B in Deutschland und Großbritannien               Nachprüfungen erforderlich, kann sich die
über dieses Jahrzehnt. Auf den ersten Blick ist ein         Terminsituation zur Vergabe der Prüftermine
deutlicher Niveauunterschied zwischen beiden                verengen.
Ländern zu erkennen, der vermutlich auf Unter-           ■■ Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die
schiede in den Ausbildungssystemen und/oder auf             zusätzliche und nicht planbare Anzahl von Be-
Unterschiede in der Prüfungsgestaltung zurückge-            werbern aus Staaten außerhalb der EU eine
führt werden kann. Neben zufälligen Schwankungen            deutlich geringere Bestehensquote bei den
zeigen sich weiterhin Änderungen zu bestimmten              PFEPs aufweist, da für diese Bewerber keine
Zeitpunkten, die möglicherweise mit landesspezi-            Ausbildungspflicht in Deutschland vorgeschrie-
fischen Einzelereignissen verknüpft sind. Es zeigt          ben ist und somit die (Mindest-)Anforderungen
                                                            an das Bestehen der PFEP oft nicht gegeben
                                                            sind. Das führte zu einem erheblichen Anstieg
Ein Vergleich zeigt: Die Bestehensquote                     von notwendigen Prüfungsterminen.
                                                         ■■ In der Praxis werden Prüftermine durch die Fahr-
   bei der TFEP ist im gesamtgesell-                        schulen zunächst allgemein, das heißt ohne
   schaftlichen Kontext zu bewerten                         namentlichen Bezug zum Bewerber reserviert;
                                                            im Rahmen der weiteren Bearbeitung werden

8      TÜV | DEKRA arge tp 21
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Kapitel 1

                                                        Konsequenz negative Folgen für die Verkehrs-
 Täuschungsversuche im Rahmen der                       sicherheit durch diesen Bewerber absehbar, zum
                                                        Beispiel durch verkehrsunsicheres Verhalten und
   TFEP haben in den vergangenen                        eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.
    Jahren gewaltig zugenommen                          Bei einer entdeckten Täuschung gilt heute die Prü-
                                                        fung als nicht bestanden und darf in der Regel nicht
                                                        vor Ablauf von sechs Wochen wiederholt werden
   diese dann häufig nicht vollumfänglich in An-        (Paragraf 18 Absatz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung
   spruch genommen und zum Teil kurzfristig zu-         (FeV)).
   rückgegeben. Diese zurückgegebenen Termine           Betrugsversuche und Täuschungen stellen sicher
   können nur mit viel organisatorischem Aufwand        kein neues Phänomen dar. Solange es Prüfungen
   in die erneute Termindisposition überführt werden;   gibt, gibt es auch Versuche, in diesen Prüfungen zu
   bei zu kurzfristigen Rückgaben gehen diese zu-       "schummeln". So berichtete bereits der Spiegel in
   meist verloren.                                      der Ausgabe 10/2003 über "Massenschummelei"
■■ Kurzfristige Schwankungen (insbesondere An-          bei der TFEP mithilfe von kleinsten Schablonen.
   stiege) des Bedarfes an Prüfungsterminen kön-        Diese Schablonen wurden genutzt, um auf den
   nen nur begrenzt durch kurzfristigen Personal-       damals verwendeten Papierprüfbogen durch Anle-
   zuwachs der Technischen Prüfstellen ausgegli-        gen die korrekten Antwortmuster anzuzeigen. Die
   chen werden: Vom Ausbildungsbeginn bis zur           Umstellung der TFEP von Papier auf PC konnte
   persönlichen Anerkennung des amtlich aner-           diese Form der Täuschung sehr wirksam verhin-
   kannten Sachverständigen oder Prüfers (aaSoP)        dern. Da die Reihenfolge der Aufgaben in den
   durch die Aufsichtsbehörde dauert es mindes-         Bogen und die Anordnung der Auswahlantworten
   tens 18 Monate.                                      jeder Prüfungsfrage zufällig variiert, sind solche
Für einen reibungslosen Ablauf des gesamten Pro-        Schablonen heutzutage nutzlos.
zesses von Ausbildung und Prüfung ist es daher          Änderungen im Prüfungssystem führten allerdings
erforderlich, dass die Fahrerlaubnisbewerber profes-    auch zu Anpassungen in den Täuschungshandlun-
sionell mit hoher Qualität bis zur Prüfungsreife ge-    gen, sodass das generelle Problem keinesfalls
führt werden und die Buchungen der Prüftermine
dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Gleichfalls
ist es Aufgabe der TPs, eine hohe Verfügbarkeit von
Prüfterminen zu organisieren. Sollten im Einzelfall
dennoch Fragen zur Terminvergabe bestehen, soll-
ten diese in einer offenen Kommunikation zwischen
den regionalen Beteiligten gelöst werden.

Täuschungsversuche in der Theoretischen
Fahrerlaubnisprüfung
Um ihre Chancen auf ein Bestehen der TFEP zu
erhöhen, bedienen sich immer mehr Fahrerlaub-
nisbewerber unerlaubter Hilfen und begehen damit
Täuschungshandlungen. Da in solchen Fällen die
tatsächlichen Kompetenzen des Bewerbers weder           Abbildung 4: Der zeitliche Verlauf von entdeckten
überprüft noch bewertet werden können, sind in          Täuschungsversuchen (2014 entspricht 100 Prozent)

                                                                                       TÜV | DEKRA arge tp 21   9
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Kapitel 1

                                                      Strukturen, die auch eine zunehmende Gefährdung
  Die Technischen Prüfstellen bitten                  der Sachverständigen darstellen. Die Steigerungs-
                                                      rate für Identitätsbetrug lag noch einmal höher und
 Fahrschulen, Kontaktaufnahmen von                    belief sich auf das Siebenfache über diesen Zeitraum
        Kriminellen zu melden                         (vergleiche Abbildung 4, Seite 9).
                                                      Um der wachsenden Anzahl von Täuschungsversu-
                                                      chen in der TFEP entgegenzuwirken, wurden durch
kleiner geworden ist. Vielmehr wurden neue Wege       die TPs verschiedene Maßnahmen eingeführt. Dazu
gesucht, um unter geänderten Bedingungen beim         zählt zunächst die systematische Erfassung und
Absolvieren der TFEP zu betrügen.                     Beschreibung festgestellter Betrugsversuche, um
Derzeit werden zwei dominierende Formen von           einerseits detailliertere Informationen über das
Täuschungsversuchen beobachtet. Zum einen             Ausmaß dieses Phänomens zu gewinnen und um
haben die sogenannten Stellvertreterprüfungen         andererseits gezielte Gegenstrategien zu entwi-
zugenommen. Dabei erscheint "stellvertretend" für     ckeln. Zunächst sollte im Zusammenwirken mit
den Bewerber eine andere Person zur Prüfung, die      dem Verordnungsgeber erreicht werden, dass ein
aufgrund von äußerlicher Ähnlichkeit versucht,        Betrug in der Fahrerlaubnisprüfung nicht als "Ka-
Identitätskontrollen zu überwinden.                   valiersdelikt" behandelt wird, sondern wirksame
Zum anderen wird deutlich häufiger über Betrugs-      (rechtliche) Sanktionen nach sich zieht. So wird
versuche berichtet, die allgemein unter dem Begriff   derzeit in Österreich diskutiert, einen Täuschungs-
"Technikbetrug" zusammengefasst werden. Hier-         versuch in der TFEP als Straftat einzustufen und
bei finden technische Hilfsmittel Einsatz, die zum    eine mindestens neunmonatige Sperrfrist für un-
Teil durchaus an Spionage- oder Agenten-Thriller      lautere Bewerber einzuführen.
erinnern. So kommen kleinste Kamerasysteme            Weiterhin werden die Fahrerlaubnisprüfer sensibi-
zum Einsatz, die zum Beispiel in der Kleidung oder    lisiert, wie sie auffällige Verhaltensweisen von Be-
Brillengestellen verborgen Aufnahmen der Prüfung      werbern im Rahmen der Aus- und Fortbildung er-
über drahtlose Kommunikationssysteme an einen         kennen und damit umgehen. Dies kann zu einer
Empfänger senden, der seinerseits über kleinste       Steigerung der Entdeckungswahrscheinlichkeit
Kopfhörer im Ohr des Bewerbers die Beantwortung       führen und damit Betrugsversuche unattraktiver
der Fragen anleitet.                                  machen.
Obwohl die absoluten Zahlen von erkannten Täu-        Um die Quote der Täuschungsversuche nicht weiter
schungsversuchen (nach eigenen Schätzungen            ansteigen zu lassen, bedarf es grundsätzlich der
zwischen 2.000 bis 3.000 im Jahr) im Verhältnis zu    Aufmerksamkeit und Unterstützung von allen Sei-
etwa 1,8 Millionen TFEPs im Jahr als sehr gering      ten – insbesondere sind hier auch die Fahrschulen
zu bezeichnen sind, ist der Anstieg drastisch.        zur besonderen Beobachtung aufgefordert. Die
Gleichzeitig muss von einer erheblichen Dunkelzif-    Kontaktaufnahme der Hintermänner zu den Bewer-
fer nicht entdeckter Fälle ausgegangen werden.        bern findet häufig deutlich vor dem Prüfungstermin
Ausgehend vom Jahr 2014 stiegen innerhalb von         statt. Fehlende Lernbereitschaft, sprachliche Pro-
vier Jahren allein die durch die TPs berichteten      bleme oder Ähnliches sind oftmals Ansatzpunkte
Fälle von Technikbetrug auf mehr als das Fünf-        für die organisierten Täuschungsversuche. Ent-
fache.                                                sprechende Beobachtungen durch Fahrschulen
Zudem handelt es sich in den überwiegenden Fällen     sollten frühzeitig an die Fahrerlaubnisbehörden
nicht um die Täuschungshandlung eines einzelnen       beziehungsweise an die Prüforganisationen wei-
Bewerbers, sondern um organisierte (kriminelle)       tergegeben werden.

10   TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 2

                           Die optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung
                           (OPFEP) kommt ab 2021
                           Die Einführung der OPFEP bringt einige Veränderungen mit sich: Es wird zwei
                           Prüfungsrichtlinien geben, das elektronische Prüfprotokoll wird eingeführt und
                           die Prüfungsdauer verlängert sich.

                           I n der Beilage zur FAHRSCHULE Ausgabe 6/2017
                             wurden die Meilensteine zur optimierten Prak-
                           tischen Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) und die
                                                                                          Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium für
                                                                                          Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit der
                                                                                          "13. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-
                           Vorteile der neuen Inhalte und Verfahren ausführ-              Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtli-
                           lich dargestellt. Im Folgenden soll daher der Fokus            cher Vorschriften" die Voraussetzungen für die
                           auf den aktuellen Umsetzungsstand sowie den mit                Einführung der OPFEP auf den Weg gebracht. Der
                           der Prüfung einhergehenden wesentlichen Verän-                 Bundesrat stimmte der Änderungsverordnung am
                           derungen im Prüfungsablauf gelegt werden.                      15.02.2019 zu.
                           Der Bund-Länder-Fachausschuss „Fahrerlaubnis-                  Mit dieser Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung
                           recht/Fahrlehrerrecht“ hat im September 2017 der               (FeV) wird die OPFEP rechtlich verbindlich ab
                           bundesweiten Einführung der OPFEP zugestimmt.                  01.01.2021 vorgeschrieben.
© TÜV | DEKRA arge tp 21

                           Das elektronische Prüfprotokoll ist nicht der Grund dafür, dass die Prüfung künftig zehn Minuten länger dauert

                                                                                                                           TÜV | DEKRA arge tp 21   11
Kapitel 2

                                        Fahrerlaubnis-Verordnung

           Prüfungsrichtlinie TFEP                           Prüfungsrichtlinie PFEP
           Teil A:    Allgemeines                            Teil A:    Allgemeines
           Teil B:    Fragenkatalog                          Teil B:    Fahraufgabenkatalog

Gegenwärtig werden alle rechtlichen, inhaltlichen,       die Bereitstellung einer umfangreicheren schrift-
methodischen und organisatorischen Vorbereitun-          lichen Rückmeldung an den Bewerber.
gen zur Einführung der OPFEP getroffen. Hierzu        ■■ Das ePp wurde nunmehr zu einer einsatzreifen
gehören:                                                 Softwareanwendung entwickelt. Damit einher
■■ Nach der Änderung der FeV muss auch die               geht die Einbindung dieser Software in die IT-
   Prüfungsrichtlinie entsprechend den Inhalten          und Verwaltungsprozesse bei den Technischen
   und Verfahren der OPFEP angepasst werden. Es          Prüfstellen (TPs). Aus den differenzierten Einga-
   ist vorgesehen, dass es zukünftig jeweils eine        ben durch den amtlich anerkannten Sachver-
   Prüfungsrichtlinie für die Theoretische (TFEP)        ständigen oder Prüfer (aaSoP) im ePp wird zu-
   und die Praktische Fahrerlaubnisprüfung (PFEP)        sätzlich eine umfassende, individuelle schriftli-
   gibt (siehe Grafik oben). Der Fahraufgabenkata-       che Rückmeldung für den Bewerber nach der
   log, welcher in enger Zusammenarbeit mit Ver-         Prüfung elektronisch bereitgestellt.
   tretern der TÜV | DEKRA arge tp 21, den Techni-    ■■ Die aaSoP werden umfassend zu den veränder-
   schen Prüfstellen (TPs), der Bundesvereinigung        ten Prüfungsinhalten und -verfahren geschult.
   der Fahrlehrerverbände (BVF), der Wissenschaft        Dabei schließen sich an zweitägige Schulungs-
   und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)         veranstaltungen individuelle Trainingsphasen
   entwickelt worden ist, wird dabei ein Teil der        an.
   Prüfungsrichtlinie. Im Fahraufgabenkatalog wer-
   den für jede Fahrerlaubnisklasse sowohl die        Die Prüfungsdauer verlängert sich um zehn
   Anforderungen zu den Fahraufgaben als auch         Minuten
   die Anforderungen zu den Grundfahraufgaben         Mit den zweifelsohne erstrebenswerten Verbesse-
   beschrieben. Letztere wurden inhaltlich unver-     rungen der OPFEP ergibt sich ein erhöhter Zeitbe-
   ändert an die Systematik des Fahraufgabenka-       darf für die Prüfungsdurchführung. Im Folgenden
   taloges angepasst. Für den Fahrlehrer schafft      sollen die Gründe hierfür erläutert werden.
   der Fahraufgabenkatalog zukünftig Klarheit
   darüber, was in der PFEP in welcher Form be-       Einheitliche Anforderungsstandards für die
   wertet wird. Wesentliche Neuerungen in der         Ausbildung und Prüfung
   Prüfungsrichtlinie der PFEP sind neben dem Fahr-   Mit der OPFEP wurden erstmalig die Anforderungen
   aufgabenkatalog die Einführung des elektroni-      an Fahrerlaubnisbewerber für die Bewältigung
   schen Prüfprotokolls (ePp), die Durchführung       sicherheitsrelevanter Fahraufgaben vollständig
   einer zusammenfassenden Fahrkompetenzein-          definiert. Diese Anforderungen sind im Fahrauf-
   schätzung und deren ausführliche Erläuterung       gabenkatalog beschrieben. Durch die Festlegung
   unmittelbar nach Beendigung der Prüfung sowie      von Fahrkompetenzbereichen, Fahraufgaben und

12   TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 2

den dazugehörigen Bewertungs- und Entschei-
dungskriterien im Fahraufgabenkatalog erhöhen
                                                               Die kompetenzbezogene Bewertung
sich deutlich die Objektivität und Transparenz des
Prüfungsverfahrens. Gleichzeitig wird der Fahrauf-             vor der Prüfungsentscheidung ist ein
gabenkatalog zukünftig eine wichtige Grundlage                  neuer zeitintensiver Prozessschritt
für die Ausbildung sein.
Da der Fahraufgabenkatalog ein Teil der Prüfungs-
richtlinie wird, ist die Durchführung aller Fahrauf-         Form von Bewertungskriterien im Fahraufgabenka-
gaben rechtlich verbindlicher Prüfungsinhalt. Dabei          talog definiert. Zum Ende der Prüfungsfahrt müssen
muss der aaSoP alle Fahraufgaben aufsuchen,                  alle acht Fahraufgaben und fünf Fahrkompetenzbe-
sofern dies durch die äußeren Bedingungen mög-               reiche vom aaSoP durch Reflexion der einzelnen
lich ist. Im Sinne der adaptiven Prüfstrategie erfolgt       Ereignisse zusammenfassend bewertet und doku-
dies gegebenenfalls wiederholt. Das heißt, er muss           mentiert werden, bevor die Prüfungsentscheidung
sich vergewissern, ob ein beobachtetes Verhalten             getroffen wird. Diese explizite kompetenzbezogene
des Bewerbers nur situativ war oder aber systema-            Bewertung vor der Prüfungsentscheidung, bei wel-
tisch ist. Das wiederholte Aufsuchen aller vorgege-          cher der aaSoP alle Leistungen des Bewerbers zu
benen Fahraufgaben erfordert entsprechend Zeit.              einer Fahrkompetenzeinschätzung gesamtheitlich
                                                             zusammenfasst und dokumentiert, ist ein neuer
Ganzheitliche Bewertung der Fahrkompetenz                    zeitintensiver Prozessschritt.
und transparente Dokumentation                               Irrtümlicherweise wird das ePp beziehungsweise die
Während der Prüfungsfahrt bewertet und dokumen-              Digitalisierung der Prüfungsdokumentation biswei-
tiert der aaSoP die Bewältigung der Fahraufgaben             len mit der Verlängerung der Prüfungsdauer in Ver-
anhand beobachtbarer Ereignisse. Diese sind in               bindung gebracht; diskutiert wird eine Verkürzung

Einblick in das elektronische Prüfprotokoll: Hier bewertet der aaSoP die Fahrkompetenz des Fahrerlaubnisbewerbers

                                                                                             TÜV | DEKRA arge tp 21   13
Kapitel 2

der Prüfungsdauer durch die Digitalisierung. Bei      suchen aller Fahraufgaben, die Prüfungsbewertung
der OPFEP geht es allerdings nicht primär um eine     (umfassende Fahrkompetenzeinschätzung) sowie die
Digitalisierung der Dokumentation – diese ist nur     umfängliche Rückmeldung an den Bewerber umset-
Mittel zum Zweck –, sondern um eine inhaltliche       zen zu können, ist eine Verlängerung der Prüfungs-
Weiterentwicklung der Prüfungsinhalte. Die umfas-     dauer notwendig. Diese umfasst für jede Fahrerlaub-
senden Inhalte des Fahraufgabenkataloges lassen       nisklasse insgesamt zehn Minuten je Prüfung, wovon
sich nicht wie bisher in Papierform abbilden. Mit     fünf Minuten auf die reine Fahrzeit entfallen.
dem ePp werden die Möglichkeiten der aaSoP
deutlich verbessert, um die Prüfungsleistungen        Anforderungen an Prüfungsfahrzeuge
bundesweit einheitlich und transparent zu doku-       Bisweilen erreichen die TPs kritische Anfragen be-
mentieren. Dies ist wiederum eine Voraussetzung       züglich der vermeintlich strengen oder unflexiblen
für die Bereitstellung einer lernfördernden Leis-     Begutachtung von Pkw als Prüfungsfahrzeuge.
tungsrückmeldung an den Bewerber und für die          Gewünscht wird dann beispielsweise eine flexible-
notwendige wissenschaftliche Prüfungsevaluation.      re Auslegung der Anforderungen an den Sitzplatz
Der bloße Einsatz des ePp als digitales Dokumen-      des aaSoP oder an die Lichtdurchlässigkeit der
tationsinstrument würde im Übrigen nicht zu einem     hinteren Fahrzeugscheiben. Bei der Begutachtung
erhöhten Zeitbedarf führen.                           der Prüfungsfahrzeuge ist ein wesentlicher Punkt:
                                                      Das Prüfungsfahrzeug ist Arbeitsplatz für Fahrlehrer
Verbesserte Rückmeldung an den Bewerber               UND aaSoP. Insofern müssen die Bedingungen hin-
Künftig erhalten alle Fahrerlaubnisbewerber unab-     sichtlich des Sitz- und Arbeitsplatzes des aaSoP
hängig davon, ob sie die Prüfung bestanden haben      arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen genügen,
oder nicht, eine aussagekräftige Leistungsrückmel-    wenngleich hier selbstverständlich praxistaugliche
dung zum festgestellten Fahrkompetenzniveau           Kompromisse eingegangen werden. Darüber hin-
sowie darauf aufbauende Hinweise für das Weiter-      aus muss der aaSoP aus seiner Position im Fahr-
lernen nach der Prüfung, zum Beispiel für die Zeit    zeug alle für die Einschätzung der Fahrkompeten-
des Begleiteten Fahrens mit 17 (BF17) oder auch für   zen des Bewerbers notwendigen Verkehrsvorgänge
die Nachschulung in der Fahrschule bei nicht be-      beobachten können. In diesem Zusammenhang
standener Prüfung. Da das Rückmeldegespräch           stellen die aktuellen rechtlichen Vorgaben die Min-
zusätzlich die Erläuterungen zur Einschätzung der     destanforderungen an Prüfungsfahrzeuge dar.
Fahrkompetenz anhand der Fahraufgaben und Fahr-       Diese Herausforderungen haben die Prüfungssys-
kompetenzbereiche beinhaltet, erfordert es mehr       teme in anderen Ländern nicht zu bewältigen. Je
Zeit als bisher.                                      nach Land stellen entweder die Prüforganisation
                                                      (zum Beispiel Litauen, Lettland) oder die Fahrschulen,
Zusammenfassung                                       aber auch die Bewerber (zum Beispiel Norwegen,
Um die veränderten oder erweiterten Prozessschritte   Frankreich) das Prüffahrzeug bereit. Dabei nimmt
der Prüfungsdurchführung, insbesondere das Auf-       in allen genannten Beispielen der Fahrerlaubnis-
                                                      prüfer auf dem Beifahrersitz Platz. Die Schaffung
                                                      zukünftiger Anforderungen bezüglich der Fahr-
Der bloße Einsatz des ePp als digitales               zeugausstattung, die sowohl die Belange der Fahr-
                                                      ausbildung als auch die der Fahrerlaubnisprüfung
  Doku-Instrument würde nicht zu                      in Deutschland berücksichtigt, muss zum einen
  einem höheren Zeitbedarf führen                     durch objektive Kriterien als auch durch eine kon-
                                                      struktive Diskussion begleitet werden.

14   TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 3

Auswirkungen von automatisierten Fahrfunktionen
auf die Fahranfängervorbereitung
Durch Fahrerassistenzsysteme und neue Fahrzeugfunktionen werden die Anforderungen
an Fahrschüler in Zukunft komplexer. Das hat wiederum Folgen für die Ausbildung und
die Prüfungsbewertung.

D    ie Entwicklung von Fahrzeugsystemen, welche
     den Fahrer während der Durchführung seiner
Fahraufgaben bereits heute vielfältig unterstützen,
                                                      ■■ Stufe 4: Der Fahrer ist im spezifischen Anwen-
                                                                   dungsfall nicht mehr erforderlich;
                                                                   alle darin anfallenden Fahraufgaben
hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Ein                   bewältigt das System automatisch
Ziel der zunehmenden Automatisierung ist es, die                   (vollautomatisiertes Fahren).
Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Bewältigung     ■■ Stufe 5: Der Fahrer ist nicht mehr erforderlich;
der Fahraufgaben durch den Fahrer komfortabler                     das System bewältigt während der
zu gestalten. Dafür stellen sie dem Fahrer Informa-                gesamten Fahrt alle Fahraufgaben
tionen zur Verfügung, unterbreiten ihm Handlungs-                  automatisch (fahrerloses Fahren).
vorschläge beziehungsweise führen im gegenwär-        Mit Blick auf den gegenwärtigen Entwicklungs-
tigen Entwicklungsstand Teilhandlungen automa-        stand sollen hier die Stufen 2 (teilautomatisiertes
tisiert aus.                                          Fahren) und 3 (hochautomatisiertes Fahren) in ihrer
In der Fahrzeugtechnik werden verschiedene            Auswirkung auf die Fahranfängervorbereitung
Stufen der Automatisierung unterschieden (VDA,        näher beleuchtet werden. Im Vergleich zum kon-
2015):                                                ventionellen Fahren weisen beide Automatisie-
■■ Stufe 0: Der Fahrer steuert allein das Fahrzeug.   rungsstufen Besonderheiten auf, die mit Blick auf
■■ Stufe 1: Der Fahrer kontrolliert das Fahrzeug      die psychischen Auswirkungen auf den Fahrer
              in der Längs- oder Querführung; das     kritisch zu hinterfragen sind. In einem ersten
              System übernimmt die jeweils andere     Schritt verschiebt sich die Fahraufgabe für den
              Aufgabe (assistiertes Fahren).          Menschen von einer aktiven Regulation hin zu einer
■■ Stufe 2: Die Längs- und Querführung wird           passiven Überwachungstätigkeit. Diese Verlage-
              vom System in einem spezifischen        rung der Tätigkeitsinhalte erscheint dahingehend
              Anwendungsfall übernommen; das          problematisch, da diese mit negativen Beanspru-
              System muss dauerhaft vom Fahrer        chungsfolgen verknüpft sind. Die Folgen können
              überwacht werden (teilautomatisiertes   reduzierte Wachsamkeit, erlebte Monotonie, man-
              Fahren).                                gelndes Situationsbewusstsein sowie unerwünschte
■■ Stufe 3: Der Fahrer muss das System in einem       (sicherheitskritische) Verhaltensanpassungen be-
              spezifischen Anwendungsfall nicht       inhalten.
              mehr dauerhaft überwachen; das          In einem weiteren Schritt erfolgt die zeitweise
              System erkennt Systemgrenzen und        Herauslösung des Fahrers aus der kompletten Be-
              fordert den Fahrer mit ausreichender    wältigung der Fahraufgabe (hochautomatisiertes
              Übernahmezeit auf, das Fahrzeug         Fahren). Gleichzeitig soll er aber in Situationen, die
              vom System zu übernehmen (hoch-         durch die Automation nicht zu bewältigen sind, die
              automatisiertes Fahren).                Bewältigung der Fahraufgabe sicher manuell über-

                                                                                    TÜV | DEKRA arge tp 21   15
Kapitel 3

nehmen und ausführen können. Dabei zeigen Stu-
dien (unter anderem Vogelpohl et al., 2016): Die
Zeit, bis ein Fahrer die Fahraufgabe vom Fahrzeug
sicher übernimmt, beträgt mehrere Sekunden! Eine
Zeitspanne, die in kritischen Verkehrssituationen
nicht zur Verfügung steht. In diesem Zusammen-
hang stellen sich grundlegende Fragen, was diese
Veränderung des Fahrens für die zukünftige Gestal-
tung der Fahranfängervorbereitung bedeutet.
Dabei muss man sich vor Augen führen, dass die
Nutzung automatisierter Fahrfunktionen mit einer
Dequalifizierung beziehungsweise mit der Abnahme
manueller Fahrkompetenz einhergehen kann. Pro-
blematisch erscheint dabei, dass es sich hierbei
um einen negativ-selbstverstärkenden Prozess
handelt. Das heißt, je ausgeprägter die Nutzung
von Automatisierung, desto höher der Verlust ei-
gener Fertigkeiten und umso stärker ist der Fahrer
wiederum auf die Nutzung von Automatisierung
angewiesen.

Brauchen wir bei steigender Automatisierung
noch eine Fahrausbildung beziehungsweise
eine Fahrerlaubnisprüfung?                           wann die Anwendungsvoraussetzungen zur Nut-
Die Anforderungen an den Fahrer werden mit den       zung gegeben sind und wann nicht (mehr).
Automatisierungsstufen 2 und 3 nicht geringer,       Die Anforderungen an den Fahrer ähneln also in
sondern komplexer. Die Fähigkeiten für konventi-     gewisser Weise dem Aufgabenportfolio eines Fahr-
onelles Fahren bleiben dabei nach wie vor not-       lehrers während der praktischen Fahrausbildungs-
wendig. Die Automatisierungsstufen 2 und 3 sind      stunde: die Beobachtung eines Fahrschülers
begrenzt auf spezifische Anwendungssituationen.      während der Fahrt (entspricht beim teilautomati-
Treffen die Anwendungsvoraussetzungen zur Nut-       sierten Fahren der Überwachung des Systems), die
zung automatisierter Fahrfunktionen nicht zu,        umfassende Beobachtung des Verkehrsumfeldes
muss der Fahrer manuell fahren können. Dafür         und das Eingreifen im Bedarfsfall. Dass dies für
bleiben eine solide Ausbildung und die zuverläs-     den Fahrer beziehungsweise den Bewerber eine
sige Prüfung fahrpraktischen Könnens – auch vor      komplexe Anforderung darstellt, ist ganz offen-
dem Hintergrund der Gefahr eines möglichen           sichtlich.
Verlustes manueller Fahrkompetenz – von zentraler    Bei hochautomatisierten Fahrfunktionen muss der
Wichtigkeit.                                         Fahrer bestimmen können, wann die Vorausset-
Als zusätzliche neue Aufgabe muss der Fahrer bei     zungen zum Einsatz gegeben sind und wann nicht.
Nutzung von teilautomatisierten Systemen in der      Während der Nutzung muss er aufnahmebereit für
Lage sein, die Ausführung der Fahraufgabe durch      Übernahmeaufforderungen durch das System sein
das System zu überwachen und, wenn nötig, un-        und die Fahraufgabe in einem angemessenen Zeit-
mittelbar einzugreifen. Er muss zudem bestimmen,     fenster wieder übernehmen können. Er muss aber

16   TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 3

auch aufnahmebereit für Störungen im Fahrzeug-                                       beziehungsweise Prüfungsbewertung. Um diesbe-
system sein, die einen Einfluss auf die sichere                                      züglich eine erste bundesweit einheitliche Bewer-
Ausführung der Fahraufgabe haben und bei Auf-                                        tungsgrundlage zu schaffen, wurden die "An-
treten solcher Störungen ebenfalls die Fahraufgabe                                   wenderhinweise zur Bewertung der Nutzung von
in einem angemessenen Zeitfenster wieder über-                                       Fahrerassistenzsystemen und teilautomatisierten
nehmen. Neben dem konventionellen Fahren sind                                        Fahrfunktionen in der Praktischen Fahrerlaubnis-
dies völlig neue Anforderungen, welche die Kom-                                      prüfung"1) (siehe Abbildung links) entwickelt.
plexität der Fahranfängervorbereitung erhöhen                                        Die Anwenderhinweise wurden in enger Zusammen-
werden.                                                                              arbeit zwischen der TÜV | DEKRA arge tp 21 und den
                                                                                     Technischen Prüfstellen (TP) erarbeitet, mit den
Welche Ausbildungs- und Prüfungsinhalte sind                                         Fahrlehrerverbänden abgestimmt und abschließend
in den nächsten Jahren zu berücksichtigen?                                           den für die Umsetzung des Fahrerlaubnis- und Fahr-
Wie oben festgestellt wurde, nimmt das Spektrum                                      lehrerrechts zuständigen obersten Behörden des
an relevanten Ausbildungs- und Prüfungsinhalten                                      Bundes und der Länder zur Kenntnisnahme vorge-
zu. Eine generelle Verlagerung auf neue Themen
zulasten herkömmlicher Themengebiete in Ausbil-
dung und Prüfung ist aber nicht zu begründen. Es                                     Die Anwenderhinweise sind für aaSoP,
sind vielmehr Wege zu finden, wie die aus diesen
Themenbereichen resultierenden zusätzlichen
                                                                                     Fahrerlaubnisbewerber und Fahrlehrer
Inhalte in Ausbildung und Prüfung integriert wer-                                        eine Hilfestellung für die Praxis
den können.
Für die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung (TFEP)
werden Aufgaben zu entwickeln sein, welche ins-                                      legt. Sie sollen sowohl den Fahrerlaubnisbewerbern,
besondere das korrekte Wissen über grundsätzli-                                      den Fahrlehrern und den amtlich anerkannten Sach-
che Einsatzfelder (Was können die Systeme?) und                                      verständigen oder Prüfern (aaSoP) der TP als auch
Systemgrenzen (Was können die Systeme nicht?)                                        den für die Umsetzung des Gesetzes zuständigen
der automatisierten Fahrfunktionen thematisieren.                                    Behörden eine Hilfestellung für die tägliche Praxis
Auch die Sensibilisierung für mögliche negative                                      bieten. Neben allgemeinen Systembeschreibungen
Auswirkungen (Verhaltensanpassungen, Situations-                                     wurden zwei Bewertungsgrundsätze formuliert, wel-
bewusstsein, Ermüdung) muss Inhalt der Prüfung                                       che auf die Nutzung aller Systeme bis zur Stufe 2
werden.                                                                              (teilautomatisiertes Fahren) angewendet werden
In der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung (PFEP)                                       können:
ermöglichen heute die Rechtsvorschriften die Ver-                                    1. Bei der Bewertung der Fahrkompetenz bleibt
wendung aller vom Fahrzeughersteller lieferbaren                                          die anforderungsgerechte Bewältigung der
Systeme. Gemäß der Fahrerlaubnis-Verordnung                                               Fahraufgabe durch den Bewerber die maßgeb-
(FeV) können "alle vom Fahrzeughersteller liefer-                                         liche Entscheidungsgrundlage. Die Verantwor-
baren Ausstattungen und Systeme" inklusive dem                                            tung für die korrekte Ausführung von Fahrauf-
"nachträglichen Einbau" im Prüfungsfahrzeug in-                                           gaben trägt bis Automatisierungsstufe 2 der
stalliert sein und vom Bewerber genutzt werden                                            Fahrer.
(02.02.17, Anlage 7, FeV). Allerdings existierten                                         Das heißt, der Bewerber muss erkennen, wenn
bisher keine konkreten Festlegungen bezüglich der                                         durch ein Assistenzsystem die Anforderungen
Handhabung durch den Bewerber oder hinsichtlich                                           der jeweiligen Fahraufgabe nicht erfüllt wer-
der Auswirkungen auf die Prüfungsgestaltung                                               den beziehungsweise nicht erfüllt werden
1) Die Anwenderhinweise können unter www.fahrerlaubnis.tuev-dekra.de (Publikationen) heruntergeladen werden.

                                                                                                                 TÜV | DEKRA arge tp 21   17
Kapitel 3

     können. In diesem Fall muss er das System
     unverzüglich übersteuern. Andernfalls wird        In einem Datenblatt erhält der aaSoP
     dies als Fehler (nach denselben Kriterien wie
                                                           künftig Informationen, welche
     ohne Systemnutzung) bewertet.
2. Beim Wirken von Systemen, die nicht der wil-        Assistenzsysteme im Kfz verbaut sind
     lentlichen Kontrolle unterliegen (zum Beispiel
     "Notfallsysteme" wie der autonome Notbrems-
     assistent), entscheidet der aaSoP, ob ein Fehl-   beurteilen kann, muss diesem bekannt sein, welche
     verhalten des Bewerbers dem Eingriff des          Fahrerassistenzsysteme im Prüfungsfahrzeug ver-
     Systems vorausgegangen ist.                       baut sind. Nur so ist es ihm möglich, gezielt auf die
     Das bloße Wirken eines solchen Systems ist        Verwendung von Fahrerassistenzsystemen zu achten
     für sich betrachtet nicht als (Fahr-)Fehler zu    und schlussendlich eine reflektierte Einschätzung
     bewerten. Es dient aber für den aaSoP als An-     der Fahrkompetenz des Bewerbers auch mit der
     haltspunkt für zu bewertendes Verhalten, das      Nutzung von Fahrerassistenzsystemen vorzuneh-
     dem Eingriff unmittelbar vorausging. Ver-         men. Als Informationsquelle für den Verbau von
     gleichbar ist das Wirken dieser Systeme mit       Fahrerassistenzsystemen soll zukünftig ein fahr-
     dem Eingriff des Fahrlehrers, um in kritischen    zeugindividuelles Datenblatt dienen: Der Verbau
     Situationen Schlimmeres zu verhindern. Auch       von Fahrerassistenzsystemen im individuellen
     in diesem Fall bewertet und entscheidet der       Prüfungsfahrzeug wird durch die Fahrschule in
     aaSoP, ob ein – und wenn ja, welches – Fehl-      einem hierfür vorgegebenen Datenblatt vermerkt.
     verhalten des Bewerbers die Ursache war.          Durch Einsicht in dieses Datenblatt vor Beginn der
In den Anwenderhinweisen wird auch Bezug auf           PFEP informiert sich der aaSoP über den prüfungs-
die zweckmäßige Nutzung der Fahrerassistenzsys-        relevanten technischen Ausstattungsgrad. Dieses
teme genommen. Wenn die Systemnutzung als              Datenblatt wurde den zuständigen Behörden für die
nicht zweckmäßig eingeschätzt wird, ist dies nicht     Neufassung der Prüfungsrichtlinie vorgeschlagen
als Fehler zu bewerten. Gleichwohl soll der aaSoP      und könnte demnach ab 01.01.2021 angewendet
im Rahmen des Rückmeldungsgesprächs erläu-             werden (siehe Kapitel 2).
tern, dass eine unzweckmäßige Nutzung gegebe-          Zudem wird derzeit berechtigt der Entfall der „Auto-
nenfalls zu gefährlichen Situationen führen kann.      matikregelung“ diskutiert und seitens des deut-
Die Bewertung erfolgt also nicht aufgrund der          schen Verordnungsgebers in der EU gefordert. Fahr-
situationsbezogenen Verwendung des Systems,            schulrelevante Argumente sollten jedoch nicht nur
sondern entsprechend den genannten Bewertungs-         die zunehmende (gegebenenfalls ausschließliche)
grundsätzen.                                           Verfügbarkeit von Automatikgetrieben in modernen
Damit der aaSoP die Fahrkompetenz des Bewer-           Kraftfahrzeugen darstellen. Vielmehr ist das Potenzial
bers bei Nutzung von Fahrerassistenzsystemen           automatisierter Fahrfunktionen und alternativer
gemäß den oben beschriebenen Anwenderhinweisen         Antriebskonzepte zur Verbesserung der Verkehrs-
                                                       sicherheit und des Umweltschutzes zu sehen. Insofern
                                                       sollten gut ausgestattete Fahrzeuge mit automati-
   Das Wirken eines Notfallsystems                     sierten Fahrfunktionen und alternativen Antriebskon-
                                                       zepten schon bald zum Ausbildungs- und Prüfungs-
(autonomer Notbremsassistent) allein                   alltag gehören. Die Nutzung dieser Systeme ist aber
 ist noch nicht als Fehler zu bewerten                 überwiegend an Antriebskonzepte ohne manuelles
                                                       Schaltgetriebe gebunden.

18   TÜV | DEKRA arge tp 21
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