Bestehendes verbessern, Neues entwickeln - Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung - Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
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Bestehendes verbessern, Neues entwickeln – Verkehrssicherheit durch die Fahrerlaubnisprüfung Die TÜV | DEKRA arge tp 21 informiert
Editorial/Inhalt © picture-alliance/dpa/Swen Pförtner; Titel: Free Prod/stock.adobe.com Liebe Leserinnen und Leser, S eit nunmehr zehn Jahren informieren wir Sie regelmäßig in Beilagen der FAHRSCHULE über die Entwicklungen im Fahrerlaubnisprüfungssystem. Darüber hinaus werden in den nächsten Monaten gemeinsame Anstrengungen zur Einführung der optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung not- Dazu gehört natürlich ebenso, eine „Standortbestim- wendig: Die weiterentwickelten Prüfungsinhalte, die mung“ vorzunehmen, wie die Perspektiven der Wei- im Fahraufgabenkatalog beschrieben sind, müssen terentwicklung des Prüfungssystems sowie des in der Aus- und Fortbildung der Fahrlehrer und Sach- Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung zu verständigen berücksichtigt werden. Gleichzeitig gilt beschreiben. Diese Entwicklung konnte und kann es, die Bewerber im Rahmen der professionellen Fahr- nur in enger Verzahnung mit dem System der Fahr- ausbildung auf die Anforderungen ab dem 01.01.2021 ausbildung umgesetzt werden; hierzu zählen sowohl vorzubereiten. Die individuelle Fahrkompetenz der die Fahrlehrer als auch die Ausbildungsverlage. Bewerber wird dann nach neuen Standards bewer- Der staatlich geforderte Bildungsauftrag an die Fahr- tet, mittels des neuen Sachverständigen-Werkzeuges lehrerschaft zur professionellen Ausbildung der „elektronisches Prüfprotokoll“ dokumentiert und Fahrerlaubnisbewerber bis zur Prüfungsreife und der zurückgemeldet. Auch das Fahrlehrer-Werkzeug hoheitliche Auftrag zur Durchführung einer unabhän- „elektronische Lernstandsbeurteilung“ kann in die- gigen und qualifizierten Fahrerlaubnisprüfung durch sem Prozess eine wesentliche Rolle spielen. einen Sachverständigen der Technischen Prüfstelle Nicht zuletzt ist es eine gesellschaftliche Aufgabe für sind in Deutschland Garanten für ein vorbildliches erfahrene Fahrer, sich mit den veränderten Anforde- System der Fahranfängervorbereitung. rungen des Straßenverkehrs und der eigenen Fahr- Auf den nächsten Seiten möchten wir Sie über ak- kompetenz auseinanderzusetzen. Dabei können sie tuelle Themen informieren, zum Beispiel zur inhalt- sich bestenfalls der Unterstützung eines Sachver- lichen Ausgestaltung des Fragenkataloges, über das ständigen oder Fahrlehrers bedienen. Dazu möchten zunehmende Problem von Täuschungsversuchen, wir Ihnen aktuelle Forschung vorstellen. Viel Freude! die Entwicklung der Bestehensquoten und die Be- Ihr Mathias Rüdel reitstellung von Prüfterminen. Geschäftsführer TÜV | DEKRA arge tp 21 INHALT Kapitel 1: Kapitel 4: Entwicklungen in der Theoretischen Entwicklung neuer Testformen zur Bewertung Fahrerlaubnisprüfung ���������������������������������������������Seite 3 von Fahrkompetenz ���������������������������������������������Seite 19 Kapitel 2: Kapitel 5: Die optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung Beitrag des Sachverständigenwesens für (OPFEP) kommt ab 2021 ���������������������������������������Seite 11 lebenslanges Lernen ��������������������������������������������Seite 23 Kapitel 3: Kapitel 6: Auswirkungen von automatisierten Fahrfunktionen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen für auf die Fahranfängervorbereitung ������������������������Seite 15 Ausbildung und Prüfung ��������������������������������������Seite 26 2 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 1 Entwicklungen in der Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung Die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung muss kontinuierlich weiterentwickelt werden. Wie systematisch die Technischen Prüfstellen bei dieser Arbeit vorgehen, warum die Bestehensquoten trotzdem sinken und welche Auswirkungen dies auf das Angebot von Prüfterminen haben kann, thematisiert dieses Kapitel. D ie Theoretische Fahrerlaubnisprüfung (TFEP) ist jedes Jahr eine der am häufigsten durchge- führten standardisierten Prüfungen in Deutschland. Unerlässlich: kontinuierliche Überarbeitung der Prüfungsinhalte Die zu prüfenden Wissensbereiche der TFEP wer- Nahezu jeder Bürger möchte die Fahrerlaubnis den durch europäisches Recht in der Richtlinie erwerben und muss dafür die Fahrerlaubnisprüfung 2006/126/EG (3. EU-Führerscheinrichtlinie) vorge- absolvieren. Für viele kennzeichnet sie dabei einen geben, anschließend über nationales Recht in der ersten bedeutenden Prüfstein auf dem Weg in die Fahrerlaubnis-Verordnung und Prüfungsrichtlinie selbstständige motorisierte Mobilität. Aufgrund konkretisiert: Auf Basis dieser Anforderungen er- dieser herausragenden Bedeutung ist es wenig stellt und überarbeitet die TÜV | DEKRA arge tp 21 verwunderlich, dass der Gestaltung der TFEP ein in einer Arbeitsgruppe im Auftrag der zuständigen hohes öffentliches Interesse entgegengebracht Behörden aus Bund und Ländern konkrete Fragen- wird und dass verschiedene Aspekte im Zusam- vorschläge, mit denen die Kompetenzen in den menhang mit der TFEP eine breite Diskussions- vorgegebenen Kenntnisbereichen überprüft wer- grundlage bieten. Dieser Beitrag soll einen Teil den können. Damit geht die wichtige Aufgabe ein- dieser Aspekte aus dem Blickwinkel der Tech- her, alle Fragen des amtlichen Fragenkataloges nischen Prüfstellen (TPs) – die mit der Durchfüh- kontinuierlich hinsichtlich rechtlicher und fachli- rung der Fahrerlaubnisprüfung in Deutschland cher Änderungen zu überprüfen, die sich durch hoheitlich beliehen sind – aufgreifen und damit einen Wandel in den Bereichen Mensch, Technik auch zum Dialog zur TFEP beitragen. Im Detail und Umwelt ergeben. werden dabei zunächst Hintergründe vorgestellt, Da (notwendige) Anpassungen des Fragenkatalo- die im Zusammenhang mit der kontinuierlichen ges teilweise zu Gesprächsbedarf zwischen den in Überarbeitung und Weiterentwicklung der Prü- der Fahranfängervorbereitung Beteiligten führen, fungsinhalte stehen. sollen diese Bedingungen an dieser Stelle näher Weiterhin sollen dabei auch die Entwicklung der erläutert werden. Bestehensquoten als „öffentlichkeitswirksamer“ Kennwert der TFEP und mögliche Einflussgrößen Weshalb ist eine kontinuierliche Pflege des auf dessen Verlauf näher betrachtet werden. Ein Fragenkataloges notwendig? dritter aktueller Schwerpunkt betrifft das zuneh- Änderungen von Fragen (Aufgaben) erfolgen keines- mende Problem der Täuschungsversuche in der falls beliebig, sondern aus gegebenen Notwendig- TFEP, das sich in Häufigkeit und Erscheinungsbild keiten heraus. Diese Notwendigkeiten können sich deutlich verändert hat. Im Anschluss wird auf die dabei aufgrund von unterschiedlichen Ursachen Situation bei der Vergabe von Prüfterminen durch entwickeln. Eine für alle verständliche Begründung die TPs geblickt. für die Fortschreibung der Fragen sind sich ändernde TÜV | DEKRA arge tp 21 3
Kapitel 1 gesetzliche Rahmenbedingungen, zum Beispiel überprüft, zum Beispiel hinsichtlich der Verständ- durch geänderte Anforderungen zur Nutzung mo- lichkeit der Fragestellungen und Antwortalter- biler Endgeräte während der Fahrzeugführung nativen oder der Gestaltungskriterien bildhafter (Änderung des Paragrafen 23 Absatz 1a der Stra- Darstellungen. Ziel ist es vor allem, die Verständ- ßenverkehrs-Ordnung (StVO) zum 19.10.2017) lichkeit und die Eindeutigkeit von Aufgaben zu oder durch die Änderungen im Katalog der Ver- gewährleisten sowie einen anschaulichen Bezug kehrszeichen vom 22.05.2017. zum realen Straßenverkehr zu betonen. Eine Darüber hinaus ergibt sich aus der wissenschaftli- konkrete Änderungsstrategie ist dabei zum Bei- chen Betrachtung, dass den Inhalten zur Gefahren- spiel, dass lange und komplizierte Formulierungen lehre (Verkehrswahrnehmung und Gefahrenver- weitestgehend vermieden und durch prägnante meidung) eine besondere Bedeutung beigemessen Bild- oder Filmdarstellungen ersetzt werden (ver- werden muss, da die hierzu notwendigen Kompe- gleiche Abbildung 1). Auf diesem Weg können neu tenzen einen bedeutenden Beitrag für die Verkehrs- anmutende Aufgaben entstehen, die allerdings in sicherheit junger Fahranfänger darstellen. Also ihrer inhaltlichen Ausrichtung bereits vorab im muss entweder durch konkrete Aufgabeninhalte Fragenkatalog enthalten waren. oder durch neue Aufgabenformate eine Operatio- nalisierung der dafür notwendigen Kompetenzen erfolgen. Weitere Änderungsgründe des Fragenkataloges stehen beispielsweise im Zusammenhang mit der rasanten Weiterentwicklung der Kraftfahrzeug- technik, zum Beispiel hinsichtlich des Verbaus und des Einsatzes von automatisierten Fahrfunktionen (Fahrerassistenzsystemen) in mittlerweile allen Fahrzeugarten. Hier ist es im Rahmen der TFEP wichtig, das zuvor vermittelte Wissen zu diesem System hinsichtlich ihrer (Sicherheits-)Funktion, aber auch zu den (System-)Grenzen zu überprüfen. Unabhängig von diesen rechtlichen und inhaltlichen Gründen können auch formale Bedingungen dazu führen, dass eine Aufgabe überarbeitet wird. Diese formalen Aspekte beziehen sich auf gestalterische Elemente der Aufgaben, also zum Beispiel auf die konkrete Formulierung von Fragen und Antworten, auf die Eigenschaften bildhafter Darstellungen von Verkehrssituationen oder auf Situationsmerkmale in Abbildung 1: Umwandlung einer Text- in eine Bildaufgabe dynamisch dargebotenen Verkehrsszenen. Auch hier erfolgen Überarbeitungen keineswegs Wann werden neue Aufgaben vorgeschlagen? wahllos. Um gegebenenfalls notwendigen Überar- Die Entwicklung neuer Aufgabeninhalte für die TFEP beitungsbedarf zu erkennen, werden die Aufgaben führt ebenfalls zur Fortschreibung des Fragenkata- in Zusammenarbeit mit externen wissenschaftli- loges. In den letzten zehn Jahren nahm der Fragen- chen Einrichtungen systematisch und regelmäßig katalog über alle Fahrerlaubnisklassen durch die nach festgelegten wissenschaftlichen Kriterien Aufnahme neuer Inhaltsbereiche um circa 150 Fragen 4 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 1 zu. Dies erscheint überschaubar, betrachtet man die die Fahrerlaubnisprüfung erfolgreich zu absolvieren. substanziellen Neuerungen in den Bereichen Die am häufigsten durchgeführte TFEP ist zweifels- Mensch, Technik und Umwelt im letzten Jahrzehnt. ohne die Prüfung für die Führerscheinklasse B. Das Grundanliegen der TPs ist allerdings auch hier, Etwa drei Viertel aller TFEPs entfallen auf diese nicht eine Vielfalt neuer Aufgaben, sondern die in- Kategorie. Allein im Jahr 2018 wurden insgesamt haltlich begründete Notwendigkeit neuer Aufgaben circa 1,45 Millionen Prüfungen für die Klasse B als Maßgabe für die Aufgabenentwicklung in den abgelegt; 890.046 davon erfolgreich. Dies ent- Vordergrund zu rücken. spricht einer Bestehensquote von etwa 61,3 Pro- Ähnlich wie bei der Überarbeitung werden neue zent. Die Bestehensquote hat sich im vergangenen Aufgaben zum Beispiel notwendig, wenn neue ge- Jahr gegenüber 2017 geringfügig verbessert. Aller- setzliche Regelungen für den Straßenverkehr verab- dings zeichnet die Langzeitbetrachtung ein anderes schiedet werden, deren Kenntnis wichtig für eine Bild: Ausgehend vom heutigen Stand ist die Beste- sichere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr hensquote für die Fahrerlaubnisklasse B innerhalb ist. Außerdem wird die Entwicklung neuer Aufgaben- der vergangenen zehn Jahre um knapp zehn Pro- inhalte in Betracht gezogen, wenn mit gesellschaft- zentpunkte gesunken. lichen und technischen Veränderungen im Straßen- In ihrer Aufgabe der Bereitstellung und kontinuier- verkehr neue Anforderungen für die Verkehrssicher- lichen Weiterentwicklung des Prüfungssystems heit entstehen. Für die Bewältigung dieser Anforde- erkennt die TÜV | DEKRA arge tp 21 auch die Ver- rungen sind dann Wissen und Kenntnisse wichtig, antwortung, die Bestehensquote und deren Ent- die bislang nicht in den Inhalten des Fragenkatalo- wicklungsverläufe fachlich fundiert und kritisch zu ges abgebildet wurden. Da zum Beispiel viele neue hinterfragen. Wie kann dieser Rückgang erklärt Unfälle daraus resultieren, dass Verkehrsteilnehmer werden? Diese Frage ist nicht mit einer einfachen durch die Nutzung des Smartphones abgelenkt Feststellung zu beantworten. Vielmehr müssen für waren, musste dies als neuer Inhaltsbereich sowohl die Veränderungen verschiedene Ursachen in Be- für die theoretische Fahrausbildung als auch in die tracht gezogen werden, die – zum Teil im Zusam- TFEP aufgenommen werden. menspiel – die Chancen für das erfolgreiche Absol- Schließlich spielt es für die Frage nach notwendigen vieren der TFEP bestimmen. neuen Aufgaben auch eine Rolle, ob wichtige Aus- Zunächst liegt augenscheinlich die Schwierigkeit bildungsinhalte in den Prüfungsinhalten eventuell beziehungsweise Leichtigkeit der Prüfung selbst als bislang nur ungenügend berücksichtigt werden. Für Einflussgröße für das erfolgreiche Bestehen nahe. diesen Punkt findet ebenfalls eine stetige und sys- Das Ziel der TFEP ist der Nachweis ausreichender tematische Gegenüberstellung von Prüfungs- und Kenntnisse für das sichere Führen eines Fahrzeugs Ausbildungsinhalten statt. Zeigt dieses Vorgehen, im motorisierten Straßenverkehr. Die Form und zum dass bedeutsame und prüfbare Ausbildungsinhalte Teil die Inhalte der TFEP haben sich gerade in den bislang keine Entsprechung in den Prüfungsinhalten letzten zehn bis fünfzehn Jahren verändert und wur- finden, kann das ebenfalls zu einer Neuentwicklung den sowohl an geänderte technische Möglichkeiten, von Aufgaben führen. aber auch an die sich eingangs erwähnten verän- derten Anforderungen durch den modernen Straßen- Die Entwicklung der Bestehensquoten der verkehr angepasst. Grundlage für diese Anpassun- Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung gen bildeten dabei immer pädagogisch-psychologi- Eine öffentlichkeitswirksame Kenngröße der TFEP, sche Erkenntnisse und Prinzipien zur Optimierung die ebenfalls immer wieder starkes Interesse findet, der Prüfungsprozesse und -inhalte. So wurde zum ist die Wahrscheinlichkeit für einen Fahranfänger, Beispiel durch die Rotation der Aufgaben und TÜV | DEKRA arge tp 21 5
Kapitel 1 Auswahlantworten im Prüfbogen im Zuge der Um- stellung von der Papierprüfung auf eine PC-Prüfung und die spätere Einführung von Aufgabenvarianten ungünstigen Lernstrategien gezielt entgegengewirkt: Ein schematisches Auswendiglernen anhand von oberflächlichen Aufgabenmerkmalen wird damit weniger Erfolg versprechend als eine vertiefte Aus- einandersetzung mit den grundlegenden Aufgaben- inhalten. Letzteres bietet die Voraussetzung dafür, Wissen situationsübergreifend anwenden zu kön- nen, und zwar unabhängig davon, welche Farbe die Lackierung eines zu beachtenden Autos aufweist oder an welcher Stelle sich die richtige Auswahlant- wort befindet. Wenn (nicht gewünschte) Lernstrategien durch eine Je jünger, desto eher bestehen Fahranfänger die TFEP Änderung der Prüfungsbedingungen in Konsequenz weniger zielführend werden, kann dies durchaus Fahrerlaubnisbewerber. Verändern sich die Merk- die Bestehensquote beeinflussen. Ein sehr drasti- male der Bewerber, so verändern sich gegebenen- scher Beleg hierfür findet sich auch in anderen falls auch die Prüfungsergebnisse. Analysen zei- Ländern. Um die Nachteile schematischen Auswen- gen, dass sowohl das Alter als auch das Geschlecht diglernens zu vermeiden, ist es eine weitverbreitete bedeutsame Einflüsse auf die Bestehensquote Strategie, den Fragenkatalog nicht zu veröffentli- aufweisen (vergleiche Abbildung 2). chen. So fiel die Bestehensquote der TFEP in Groß- So ist einerseits zu beobachten, dass die Wahr- britannien Anfang 2013 nach der Maßgabe, die scheinlichkeit eines erfolgreichen Bestehens bei Aufgaben nicht mehr öffentlich zugänglich zu ma- sehr jungen Fahranfängern am höchsten ist, da- chen, von etwa 60 Prozent auf 50 Prozent. nach steil abfällt, um im Anschluss mit steigendem Ein zweiter großer Einflussbereich sind potenzielle Alter wieder zuzunehmen. Andererseits kann fest- Effekte durch die zeitgenössischen und gesell- gestellt werden, dass Frauen im Vergleich zu schaftlichen Änderungen in den Merkmalen der Männern eine höhere Bestehensquote in der TFEP Abbildung 2: Anstieg des mittleren Bewerberalters FE-Klasse B (links) und Abhängigkeit der Bestehensquote von Alter und Geschlecht 1. Halbjahr 2018 FE-Klasse B (rechts) 6 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 1 Alterskategorie, die für männliche und weibliche Bewerber mit vergleichsweise niedrigen Bestehens- quoten verknüpft ist. An zusätzlicher Komplexität gewinnen diese Zusammenhänge, wenn die Alters- verschiebungen für Männer und Frauen unterschied- lich ausgeprägt sind. Darüber hinaus wurde in jüngster Vergangenheit auch aus anderen Bildungsbereichen im schuli- schen Sektor über ein sinkendes Leistungsniveau berichtet (Kultusministerkonferenz, 2017). Ein Querbezug zur Bestehensquote der TFEP ist auch © TÜV Rheinland hier nicht ausgeschlossen, da grundlegende Kultur- techniken wie Lese- und Textverständnis Grundvo- raussetzungen darstellen, um Prüfungsaufgaben erfolgreich bearbeiten zu können. Das heißt, nega- tive Trends in der Bestehensquote können in einer aufweisen. Daher kann angenommen werden, dass zeitlichen Veränderung der Lern- und Leistungs- eine Änderung in der Zusammensetzung und in den voraussetzungen der Fahrerlaubnisbewerber mit- Merkmalen der Grundgesamtheit der Fahranfänger begründet sein. über die Zeit eine Veränderung in der Bestehens- Die Veränderungen von Merkmalen der Prüfung quote bedingt. und der Bewerber sind darüber hinaus in einen Nimmt das Durchschnittsalter der Fahranfänger gesellschaftlichen Kontext eingebettet, der sich beispielhaft über die Jahre zu, kann dies Auswirkun- gleichfalls in stetiger Veränderung befindet und gen auf die Entwicklung der Bestehensquote nach damit einen dritten breiten Einflussbereich wider- sich ziehen. Tatsächlich ist zu beobachten, dass das spiegelt. Beispielsweise zeigt sich, dass der Führer- mittlere Alter der Fahrerlaubnisbewerber von Anfang scheinbesitz für Jugendliche beziehungsweise 2010 bis Ende 2018 um etwa zwei Jahre, von vor- junge Erwachsene in großen Ballungszentren und mals etwa 20 Jahre auf nunmehr 22 Jahre, gestie- Städten an relativer Bedeutung verliert. Dies führt gen ist. Damit liegt das mittlere Alter aktuell in einer keineswegs dazu, dass weniger Personen eine Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf der Bestehensquoten der Fahrerlaubnisklasse B in Deutschland und Großbritannien TÜV | DEKRA arge tp 21 7
Kapitel 1 Ausbildung beziehungsweise Prüfung absolvieren sich aber auch ein deutlicher, nahezu paralleler – der Pkw stellt nach wie vor eines der wichtigsten Trend in der zeitlichen Entwicklung in beiden Län- Mobilitätsmittel dar –, allerdings können sich indivi- dern, der Hinweise darüber geben kann, dass am duell der Zeitpunkt und die Notwendigkeit einer Absinken der Bestehensquote Faktoren beteiligt Führerscheinprüfung verlagern. Während der Führer- sind, die unabhängig von länder- und prüfungs- scheinbesitz in früheren Jahrzehnten noch ein spezifischen Eigenheiten wirken und im gesamt- unbedingtes "Statussymbol" darstellte, das einen gesellschaftlichen Kontext zu bewerten sind. bedeutsamen Meilenstein in der persönlichen Entwicklung und der eigenen Unabhängigkeit für Welche Auswirkungen hat (unter anderem) die Jugendliche und junge Erwachsene markierte, steht Entwicklung der Bestehensquoten auf das er nunmehr in Konkurrenz zu vielfältigen weiteren Angebot von Prüfterminen? Entwicklungsmöglichkeiten, die junge Menschen Es wird verschiedentlich die Frage aufgeworfen: heutzutage gern und bewusst wahrnehmen. Werden durch die TPs ausreichend Prüftermine zur Dies kann dazu führen, dass die allgemeine Lern- Verfügung gestellt? motivation sinkt, sich Ausbildungszeiten verlängern Es ist zunächst festzustellen, dass alle angemelde- beziehungsweise dass sich die verbleibenden Res- ten Bewerber um eine Fahrerlaubnis im Jahr 2018 sourcen für eine umfassende Prüfungsvorbereitung einen Termin zur Durchführung der (Theoretischen verringern. Auch hier lohnt sich ein vergleichender und) Praktischen Fahrerlaubnisprüfung (PFEP) er- Blick auf die Entwicklung in anderen Ländern, denn halten haben. Damit wurden die Verpflichtungen wenn der breitere gesellschaftliche Kontext bei der der TPs zur Betriebs- und Bedienpflicht erfüllt. In Entwicklung von Bestehensquoten zu berücksichtigen begründeten Einzelfällen gab es gegenüber dem ist, sollten sich ähnliche Trends unabhängig von kon- Wunschtermin zumutbare Wartezeiten. Ursachen kreten Veränderungen im Prüfungssystem zeigen dafür können vielfältig sein: lassen. ■■ Natürlich hat auch die Entwicklung der Beste- Die Abbildung 3 (Seite 7) zeigt eine Gegenüberstellung hensquote Auswirkungen auf die Vergabe von der Bestehensquote in der TFEP für die Fahrerlaub- Prüfterminen: Werden für Bewerber (häufiger) nisklasse B in Deutschland und Großbritannien Nachprüfungen erforderlich, kann sich die über dieses Jahrzehnt. Auf den ersten Blick ist ein Terminsituation zur Vergabe der Prüftermine deutlicher Niveauunterschied zwischen beiden verengen. Ländern zu erkennen, der vermutlich auf Unter- ■■ Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die schiede in den Ausbildungssystemen und/oder auf zusätzliche und nicht planbare Anzahl von Be- Unterschiede in der Prüfungsgestaltung zurückge- werbern aus Staaten außerhalb der EU eine führt werden kann. Neben zufälligen Schwankungen deutlich geringere Bestehensquote bei den zeigen sich weiterhin Änderungen zu bestimmten PFEPs aufweist, da für diese Bewerber keine Zeitpunkten, die möglicherweise mit landesspezi- Ausbildungspflicht in Deutschland vorgeschrie- fischen Einzelereignissen verknüpft sind. Es zeigt ben ist und somit die (Mindest-)Anforderungen an das Bestehen der PFEP oft nicht gegeben sind. Das führte zu einem erheblichen Anstieg Ein Vergleich zeigt: Die Bestehensquote von notwendigen Prüfungsterminen. ■■ In der Praxis werden Prüftermine durch die Fahr- bei der TFEP ist im gesamtgesell- schulen zunächst allgemein, das heißt ohne schaftlichen Kontext zu bewerten namentlichen Bezug zum Bewerber reserviert; im Rahmen der weiteren Bearbeitung werden 8 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 1 Konsequenz negative Folgen für die Verkehrs- Täuschungsversuche im Rahmen der sicherheit durch diesen Bewerber absehbar, zum Beispiel durch verkehrsunsicheres Verhalten und TFEP haben in den vergangenen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Jahren gewaltig zugenommen Bei einer entdeckten Täuschung gilt heute die Prü- fung als nicht bestanden und darf in der Regel nicht vor Ablauf von sechs Wochen wiederholt werden diese dann häufig nicht vollumfänglich in An- (Paragraf 18 Absatz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung spruch genommen und zum Teil kurzfristig zu- (FeV)). rückgegeben. Diese zurückgegebenen Termine Betrugsversuche und Täuschungen stellen sicher können nur mit viel organisatorischem Aufwand kein neues Phänomen dar. Solange es Prüfungen in die erneute Termindisposition überführt werden; gibt, gibt es auch Versuche, in diesen Prüfungen zu bei zu kurzfristigen Rückgaben gehen diese zu- "schummeln". So berichtete bereits der Spiegel in meist verloren. der Ausgabe 10/2003 über "Massenschummelei" ■■ Kurzfristige Schwankungen (insbesondere An- bei der TFEP mithilfe von kleinsten Schablonen. stiege) des Bedarfes an Prüfungsterminen kön- Diese Schablonen wurden genutzt, um auf den nen nur begrenzt durch kurzfristigen Personal- damals verwendeten Papierprüfbogen durch Anle- zuwachs der Technischen Prüfstellen ausgegli- gen die korrekten Antwortmuster anzuzeigen. Die chen werden: Vom Ausbildungsbeginn bis zur Umstellung der TFEP von Papier auf PC konnte persönlichen Anerkennung des amtlich aner- diese Form der Täuschung sehr wirksam verhin- kannten Sachverständigen oder Prüfers (aaSoP) dern. Da die Reihenfolge der Aufgaben in den durch die Aufsichtsbehörde dauert es mindes- Bogen und die Anordnung der Auswahlantworten tens 18 Monate. jeder Prüfungsfrage zufällig variiert, sind solche Für einen reibungslosen Ablauf des gesamten Pro- Schablonen heutzutage nutzlos. zesses von Ausbildung und Prüfung ist es daher Änderungen im Prüfungssystem führten allerdings erforderlich, dass die Fahrerlaubnisbewerber profes- auch zu Anpassungen in den Täuschungshandlun- sionell mit hoher Qualität bis zur Prüfungsreife ge- gen, sodass das generelle Problem keinesfalls führt werden und die Buchungen der Prüftermine dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Gleichfalls ist es Aufgabe der TPs, eine hohe Verfügbarkeit von Prüfterminen zu organisieren. Sollten im Einzelfall dennoch Fragen zur Terminvergabe bestehen, soll- ten diese in einer offenen Kommunikation zwischen den regionalen Beteiligten gelöst werden. Täuschungsversuche in der Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung Um ihre Chancen auf ein Bestehen der TFEP zu erhöhen, bedienen sich immer mehr Fahrerlaub- nisbewerber unerlaubter Hilfen und begehen damit Täuschungshandlungen. Da in solchen Fällen die tatsächlichen Kompetenzen des Bewerbers weder Abbildung 4: Der zeitliche Verlauf von entdeckten überprüft noch bewertet werden können, sind in Täuschungsversuchen (2014 entspricht 100 Prozent) TÜV | DEKRA arge tp 21 9
Kapitel 1 Strukturen, die auch eine zunehmende Gefährdung Die Technischen Prüfstellen bitten der Sachverständigen darstellen. Die Steigerungs- rate für Identitätsbetrug lag noch einmal höher und Fahrschulen, Kontaktaufnahmen von belief sich auf das Siebenfache über diesen Zeitraum Kriminellen zu melden (vergleiche Abbildung 4, Seite 9). Um der wachsenden Anzahl von Täuschungsversu- chen in der TFEP entgegenzuwirken, wurden durch kleiner geworden ist. Vielmehr wurden neue Wege die TPs verschiedene Maßnahmen eingeführt. Dazu gesucht, um unter geänderten Bedingungen beim zählt zunächst die systematische Erfassung und Absolvieren der TFEP zu betrügen. Beschreibung festgestellter Betrugsversuche, um Derzeit werden zwei dominierende Formen von einerseits detailliertere Informationen über das Täuschungsversuchen beobachtet. Zum einen Ausmaß dieses Phänomens zu gewinnen und um haben die sogenannten Stellvertreterprüfungen andererseits gezielte Gegenstrategien zu entwi- zugenommen. Dabei erscheint "stellvertretend" für ckeln. Zunächst sollte im Zusammenwirken mit den Bewerber eine andere Person zur Prüfung, die dem Verordnungsgeber erreicht werden, dass ein aufgrund von äußerlicher Ähnlichkeit versucht, Betrug in der Fahrerlaubnisprüfung nicht als "Ka- Identitätskontrollen zu überwinden. valiersdelikt" behandelt wird, sondern wirksame Zum anderen wird deutlich häufiger über Betrugs- (rechtliche) Sanktionen nach sich zieht. So wird versuche berichtet, die allgemein unter dem Begriff derzeit in Österreich diskutiert, einen Täuschungs- "Technikbetrug" zusammengefasst werden. Hier- versuch in der TFEP als Straftat einzustufen und bei finden technische Hilfsmittel Einsatz, die zum eine mindestens neunmonatige Sperrfrist für un- Teil durchaus an Spionage- oder Agenten-Thriller lautere Bewerber einzuführen. erinnern. So kommen kleinste Kamerasysteme Weiterhin werden die Fahrerlaubnisprüfer sensibi- zum Einsatz, die zum Beispiel in der Kleidung oder lisiert, wie sie auffällige Verhaltensweisen von Be- Brillengestellen verborgen Aufnahmen der Prüfung werbern im Rahmen der Aus- und Fortbildung er- über drahtlose Kommunikationssysteme an einen kennen und damit umgehen. Dies kann zu einer Empfänger senden, der seinerseits über kleinste Steigerung der Entdeckungswahrscheinlichkeit Kopfhörer im Ohr des Bewerbers die Beantwortung führen und damit Betrugsversuche unattraktiver der Fragen anleitet. machen. Obwohl die absoluten Zahlen von erkannten Täu- Um die Quote der Täuschungsversuche nicht weiter schungsversuchen (nach eigenen Schätzungen ansteigen zu lassen, bedarf es grundsätzlich der zwischen 2.000 bis 3.000 im Jahr) im Verhältnis zu Aufmerksamkeit und Unterstützung von allen Sei- etwa 1,8 Millionen TFEPs im Jahr als sehr gering ten – insbesondere sind hier auch die Fahrschulen zu bezeichnen sind, ist der Anstieg drastisch. zur besonderen Beobachtung aufgefordert. Die Gleichzeitig muss von einer erheblichen Dunkelzif- Kontaktaufnahme der Hintermänner zu den Bewer- fer nicht entdeckter Fälle ausgegangen werden. bern findet häufig deutlich vor dem Prüfungstermin Ausgehend vom Jahr 2014 stiegen innerhalb von statt. Fehlende Lernbereitschaft, sprachliche Pro- vier Jahren allein die durch die TPs berichteten bleme oder Ähnliches sind oftmals Ansatzpunkte Fälle von Technikbetrug auf mehr als das Fünf- für die organisierten Täuschungsversuche. Ent- fache. sprechende Beobachtungen durch Fahrschulen Zudem handelt es sich in den überwiegenden Fällen sollten frühzeitig an die Fahrerlaubnisbehörden nicht um die Täuschungshandlung eines einzelnen beziehungsweise an die Prüforganisationen wei- Bewerbers, sondern um organisierte (kriminelle) tergegeben werden. 10 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 2 Die optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) kommt ab 2021 Die Einführung der OPFEP bringt einige Veränderungen mit sich: Es wird zwei Prüfungsrichtlinien geben, das elektronische Prüfprotokoll wird eingeführt und die Prüfungsdauer verlängert sich. I n der Beilage zur FAHRSCHULE Ausgabe 6/2017 wurden die Meilensteine zur optimierten Prak- tischen Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) und die Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit der "13. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis- Vorteile der neuen Inhalte und Verfahren ausführ- Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtli- lich dargestellt. Im Folgenden soll daher der Fokus cher Vorschriften" die Voraussetzungen für die auf den aktuellen Umsetzungsstand sowie den mit Einführung der OPFEP auf den Weg gebracht. Der der Prüfung einhergehenden wesentlichen Verän- Bundesrat stimmte der Änderungsverordnung am derungen im Prüfungsablauf gelegt werden. 15.02.2019 zu. Der Bund-Länder-Fachausschuss „Fahrerlaubnis- Mit dieser Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung recht/Fahrlehrerrecht“ hat im September 2017 der (FeV) wird die OPFEP rechtlich verbindlich ab bundesweiten Einführung der OPFEP zugestimmt. 01.01.2021 vorgeschrieben. © TÜV | DEKRA arge tp 21 Das elektronische Prüfprotokoll ist nicht der Grund dafür, dass die Prüfung künftig zehn Minuten länger dauert TÜV | DEKRA arge tp 21 11
Kapitel 2 Fahrerlaubnis-Verordnung Prüfungsrichtlinie TFEP Prüfungsrichtlinie PFEP Teil A: Allgemeines Teil A: Allgemeines Teil B: Fragenkatalog Teil B: Fahraufgabenkatalog Gegenwärtig werden alle rechtlichen, inhaltlichen, die Bereitstellung einer umfangreicheren schrift- methodischen und organisatorischen Vorbereitun- lichen Rückmeldung an den Bewerber. gen zur Einführung der OPFEP getroffen. Hierzu ■■ Das ePp wurde nunmehr zu einer einsatzreifen gehören: Softwareanwendung entwickelt. Damit einher ■■ Nach der Änderung der FeV muss auch die geht die Einbindung dieser Software in die IT- Prüfungsrichtlinie entsprechend den Inhalten und Verwaltungsprozesse bei den Technischen und Verfahren der OPFEP angepasst werden. Es Prüfstellen (TPs). Aus den differenzierten Einga- ist vorgesehen, dass es zukünftig jeweils eine ben durch den amtlich anerkannten Sachver- Prüfungsrichtlinie für die Theoretische (TFEP) ständigen oder Prüfer (aaSoP) im ePp wird zu- und die Praktische Fahrerlaubnisprüfung (PFEP) sätzlich eine umfassende, individuelle schriftli- gibt (siehe Grafik oben). Der Fahraufgabenkata- che Rückmeldung für den Bewerber nach der log, welcher in enger Zusammenarbeit mit Ver- Prüfung elektronisch bereitgestellt. tretern der TÜV | DEKRA arge tp 21, den Techni- ■■ Die aaSoP werden umfassend zu den veränder- schen Prüfstellen (TPs), der Bundesvereinigung ten Prüfungsinhalten und -verfahren geschult. der Fahrlehrerverbände (BVF), der Wissenschaft Dabei schließen sich an zweitägige Schulungs- und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veranstaltungen individuelle Trainingsphasen entwickelt worden ist, wird dabei ein Teil der an. Prüfungsrichtlinie. Im Fahraufgabenkatalog wer- den für jede Fahrerlaubnisklasse sowohl die Die Prüfungsdauer verlängert sich um zehn Anforderungen zu den Fahraufgaben als auch Minuten die Anforderungen zu den Grundfahraufgaben Mit den zweifelsohne erstrebenswerten Verbesse- beschrieben. Letztere wurden inhaltlich unver- rungen der OPFEP ergibt sich ein erhöhter Zeitbe- ändert an die Systematik des Fahraufgabenka- darf für die Prüfungsdurchführung. Im Folgenden taloges angepasst. Für den Fahrlehrer schafft sollen die Gründe hierfür erläutert werden. der Fahraufgabenkatalog zukünftig Klarheit darüber, was in der PFEP in welcher Form be- Einheitliche Anforderungsstandards für die wertet wird. Wesentliche Neuerungen in der Ausbildung und Prüfung Prüfungsrichtlinie der PFEP sind neben dem Fahr- Mit der OPFEP wurden erstmalig die Anforderungen aufgabenkatalog die Einführung des elektroni- an Fahrerlaubnisbewerber für die Bewältigung schen Prüfprotokolls (ePp), die Durchführung sicherheitsrelevanter Fahraufgaben vollständig einer zusammenfassenden Fahrkompetenzein- definiert. Diese Anforderungen sind im Fahrauf- schätzung und deren ausführliche Erläuterung gabenkatalog beschrieben. Durch die Festlegung unmittelbar nach Beendigung der Prüfung sowie von Fahrkompetenzbereichen, Fahraufgaben und 12 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 2 den dazugehörigen Bewertungs- und Entschei- dungskriterien im Fahraufgabenkatalog erhöhen Die kompetenzbezogene Bewertung sich deutlich die Objektivität und Transparenz des Prüfungsverfahrens. Gleichzeitig wird der Fahrauf- vor der Prüfungsentscheidung ist ein gabenkatalog zukünftig eine wichtige Grundlage neuer zeitintensiver Prozessschritt für die Ausbildung sein. Da der Fahraufgabenkatalog ein Teil der Prüfungs- richtlinie wird, ist die Durchführung aller Fahrauf- Form von Bewertungskriterien im Fahraufgabenka- gaben rechtlich verbindlicher Prüfungsinhalt. Dabei talog definiert. Zum Ende der Prüfungsfahrt müssen muss der aaSoP alle Fahraufgaben aufsuchen, alle acht Fahraufgaben und fünf Fahrkompetenzbe- sofern dies durch die äußeren Bedingungen mög- reiche vom aaSoP durch Reflexion der einzelnen lich ist. Im Sinne der adaptiven Prüfstrategie erfolgt Ereignisse zusammenfassend bewertet und doku- dies gegebenenfalls wiederholt. Das heißt, er muss mentiert werden, bevor die Prüfungsentscheidung sich vergewissern, ob ein beobachtetes Verhalten getroffen wird. Diese explizite kompetenzbezogene des Bewerbers nur situativ war oder aber systema- Bewertung vor der Prüfungsentscheidung, bei wel- tisch ist. Das wiederholte Aufsuchen aller vorgege- cher der aaSoP alle Leistungen des Bewerbers zu benen Fahraufgaben erfordert entsprechend Zeit. einer Fahrkompetenzeinschätzung gesamtheitlich zusammenfasst und dokumentiert, ist ein neuer Ganzheitliche Bewertung der Fahrkompetenz zeitintensiver Prozessschritt. und transparente Dokumentation Irrtümlicherweise wird das ePp beziehungsweise die Während der Prüfungsfahrt bewertet und dokumen- Digitalisierung der Prüfungsdokumentation biswei- tiert der aaSoP die Bewältigung der Fahraufgaben len mit der Verlängerung der Prüfungsdauer in Ver- anhand beobachtbarer Ereignisse. Diese sind in bindung gebracht; diskutiert wird eine Verkürzung Einblick in das elektronische Prüfprotokoll: Hier bewertet der aaSoP die Fahrkompetenz des Fahrerlaubnisbewerbers TÜV | DEKRA arge tp 21 13
Kapitel 2 der Prüfungsdauer durch die Digitalisierung. Bei suchen aller Fahraufgaben, die Prüfungsbewertung der OPFEP geht es allerdings nicht primär um eine (umfassende Fahrkompetenzeinschätzung) sowie die Digitalisierung der Dokumentation – diese ist nur umfängliche Rückmeldung an den Bewerber umset- Mittel zum Zweck –, sondern um eine inhaltliche zen zu können, ist eine Verlängerung der Prüfungs- Weiterentwicklung der Prüfungsinhalte. Die umfas- dauer notwendig. Diese umfasst für jede Fahrerlaub- senden Inhalte des Fahraufgabenkataloges lassen nisklasse insgesamt zehn Minuten je Prüfung, wovon sich nicht wie bisher in Papierform abbilden. Mit fünf Minuten auf die reine Fahrzeit entfallen. dem ePp werden die Möglichkeiten der aaSoP deutlich verbessert, um die Prüfungsleistungen Anforderungen an Prüfungsfahrzeuge bundesweit einheitlich und transparent zu doku- Bisweilen erreichen die TPs kritische Anfragen be- mentieren. Dies ist wiederum eine Voraussetzung züglich der vermeintlich strengen oder unflexiblen für die Bereitstellung einer lernfördernden Leis- Begutachtung von Pkw als Prüfungsfahrzeuge. tungsrückmeldung an den Bewerber und für die Gewünscht wird dann beispielsweise eine flexible- notwendige wissenschaftliche Prüfungsevaluation. re Auslegung der Anforderungen an den Sitzplatz Der bloße Einsatz des ePp als digitales Dokumen- des aaSoP oder an die Lichtdurchlässigkeit der tationsinstrument würde im Übrigen nicht zu einem hinteren Fahrzeugscheiben. Bei der Begutachtung erhöhten Zeitbedarf führen. der Prüfungsfahrzeuge ist ein wesentlicher Punkt: Das Prüfungsfahrzeug ist Arbeitsplatz für Fahrlehrer Verbesserte Rückmeldung an den Bewerber UND aaSoP. Insofern müssen die Bedingungen hin- Künftig erhalten alle Fahrerlaubnisbewerber unab- sichtlich des Sitz- und Arbeitsplatzes des aaSoP hängig davon, ob sie die Prüfung bestanden haben arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen genügen, oder nicht, eine aussagekräftige Leistungsrückmel- wenngleich hier selbstverständlich praxistaugliche dung zum festgestellten Fahrkompetenzniveau Kompromisse eingegangen werden. Darüber hin- sowie darauf aufbauende Hinweise für das Weiter- aus muss der aaSoP aus seiner Position im Fahr- lernen nach der Prüfung, zum Beispiel für die Zeit zeug alle für die Einschätzung der Fahrkompeten- des Begleiteten Fahrens mit 17 (BF17) oder auch für zen des Bewerbers notwendigen Verkehrsvorgänge die Nachschulung in der Fahrschule bei nicht be- beobachten können. In diesem Zusammenhang standener Prüfung. Da das Rückmeldegespräch stellen die aktuellen rechtlichen Vorgaben die Min- zusätzlich die Erläuterungen zur Einschätzung der destanforderungen an Prüfungsfahrzeuge dar. Fahrkompetenz anhand der Fahraufgaben und Fahr- Diese Herausforderungen haben die Prüfungssys- kompetenzbereiche beinhaltet, erfordert es mehr teme in anderen Ländern nicht zu bewältigen. Je Zeit als bisher. nach Land stellen entweder die Prüforganisation (zum Beispiel Litauen, Lettland) oder die Fahrschulen, Zusammenfassung aber auch die Bewerber (zum Beispiel Norwegen, Um die veränderten oder erweiterten Prozessschritte Frankreich) das Prüffahrzeug bereit. Dabei nimmt der Prüfungsdurchführung, insbesondere das Auf- in allen genannten Beispielen der Fahrerlaubnis- prüfer auf dem Beifahrersitz Platz. Die Schaffung zukünftiger Anforderungen bezüglich der Fahr- Der bloße Einsatz des ePp als digitales zeugausstattung, die sowohl die Belange der Fahr- ausbildung als auch die der Fahrerlaubnisprüfung Doku-Instrument würde nicht zu in Deutschland berücksichtigt, muss zum einen einem höheren Zeitbedarf führen durch objektive Kriterien als auch durch eine kon- struktive Diskussion begleitet werden. 14 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 3 Auswirkungen von automatisierten Fahrfunktionen auf die Fahranfängervorbereitung Durch Fahrerassistenzsysteme und neue Fahrzeugfunktionen werden die Anforderungen an Fahrschüler in Zukunft komplexer. Das hat wiederum Folgen für die Ausbildung und die Prüfungsbewertung. D ie Entwicklung von Fahrzeugsystemen, welche den Fahrer während der Durchführung seiner Fahraufgaben bereits heute vielfältig unterstützen, ■■ Stufe 4: Der Fahrer ist im spezifischen Anwen- dungsfall nicht mehr erforderlich; alle darin anfallenden Fahraufgaben hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Ein bewältigt das System automatisch Ziel der zunehmenden Automatisierung ist es, die (vollautomatisiertes Fahren). Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Bewältigung ■■ Stufe 5: Der Fahrer ist nicht mehr erforderlich; der Fahraufgaben durch den Fahrer komfortabler das System bewältigt während der zu gestalten. Dafür stellen sie dem Fahrer Informa- gesamten Fahrt alle Fahraufgaben tionen zur Verfügung, unterbreiten ihm Handlungs- automatisch (fahrerloses Fahren). vorschläge beziehungsweise führen im gegenwär- Mit Blick auf den gegenwärtigen Entwicklungs- tigen Entwicklungsstand Teilhandlungen automa- stand sollen hier die Stufen 2 (teilautomatisiertes tisiert aus. Fahren) und 3 (hochautomatisiertes Fahren) in ihrer In der Fahrzeugtechnik werden verschiedene Auswirkung auf die Fahranfängervorbereitung Stufen der Automatisierung unterschieden (VDA, näher beleuchtet werden. Im Vergleich zum kon- 2015): ventionellen Fahren weisen beide Automatisie- ■■ Stufe 0: Der Fahrer steuert allein das Fahrzeug. rungsstufen Besonderheiten auf, die mit Blick auf ■■ Stufe 1: Der Fahrer kontrolliert das Fahrzeug die psychischen Auswirkungen auf den Fahrer in der Längs- oder Querführung; das kritisch zu hinterfragen sind. In einem ersten System übernimmt die jeweils andere Schritt verschiebt sich die Fahraufgabe für den Aufgabe (assistiertes Fahren). Menschen von einer aktiven Regulation hin zu einer ■■ Stufe 2: Die Längs- und Querführung wird passiven Überwachungstätigkeit. Diese Verlage- vom System in einem spezifischen rung der Tätigkeitsinhalte erscheint dahingehend Anwendungsfall übernommen; das problematisch, da diese mit negativen Beanspru- System muss dauerhaft vom Fahrer chungsfolgen verknüpft sind. Die Folgen können überwacht werden (teilautomatisiertes reduzierte Wachsamkeit, erlebte Monotonie, man- Fahren). gelndes Situationsbewusstsein sowie unerwünschte ■■ Stufe 3: Der Fahrer muss das System in einem (sicherheitskritische) Verhaltensanpassungen be- spezifischen Anwendungsfall nicht inhalten. mehr dauerhaft überwachen; das In einem weiteren Schritt erfolgt die zeitweise System erkennt Systemgrenzen und Herauslösung des Fahrers aus der kompletten Be- fordert den Fahrer mit ausreichender wältigung der Fahraufgabe (hochautomatisiertes Übernahmezeit auf, das Fahrzeug Fahren). Gleichzeitig soll er aber in Situationen, die vom System zu übernehmen (hoch- durch die Automation nicht zu bewältigen sind, die automatisiertes Fahren). Bewältigung der Fahraufgabe sicher manuell über- TÜV | DEKRA arge tp 21 15
Kapitel 3 nehmen und ausführen können. Dabei zeigen Stu- dien (unter anderem Vogelpohl et al., 2016): Die Zeit, bis ein Fahrer die Fahraufgabe vom Fahrzeug sicher übernimmt, beträgt mehrere Sekunden! Eine Zeitspanne, die in kritischen Verkehrssituationen nicht zur Verfügung steht. In diesem Zusammen- hang stellen sich grundlegende Fragen, was diese Veränderung des Fahrens für die zukünftige Gestal- tung der Fahranfängervorbereitung bedeutet. Dabei muss man sich vor Augen führen, dass die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen mit einer Dequalifizierung beziehungsweise mit der Abnahme manueller Fahrkompetenz einhergehen kann. Pro- blematisch erscheint dabei, dass es sich hierbei um einen negativ-selbstverstärkenden Prozess handelt. Das heißt, je ausgeprägter die Nutzung von Automatisierung, desto höher der Verlust ei- gener Fertigkeiten und umso stärker ist der Fahrer wiederum auf die Nutzung von Automatisierung angewiesen. Brauchen wir bei steigender Automatisierung noch eine Fahrausbildung beziehungsweise eine Fahrerlaubnisprüfung? wann die Anwendungsvoraussetzungen zur Nut- Die Anforderungen an den Fahrer werden mit den zung gegeben sind und wann nicht (mehr). Automatisierungsstufen 2 und 3 nicht geringer, Die Anforderungen an den Fahrer ähneln also in sondern komplexer. Die Fähigkeiten für konventi- gewisser Weise dem Aufgabenportfolio eines Fahr- onelles Fahren bleiben dabei nach wie vor not- lehrers während der praktischen Fahrausbildungs- wendig. Die Automatisierungsstufen 2 und 3 sind stunde: die Beobachtung eines Fahrschülers begrenzt auf spezifische Anwendungssituationen. während der Fahrt (entspricht beim teilautomati- Treffen die Anwendungsvoraussetzungen zur Nut- sierten Fahren der Überwachung des Systems), die zung automatisierter Fahrfunktionen nicht zu, umfassende Beobachtung des Verkehrsumfeldes muss der Fahrer manuell fahren können. Dafür und das Eingreifen im Bedarfsfall. Dass dies für bleiben eine solide Ausbildung und die zuverläs- den Fahrer beziehungsweise den Bewerber eine sige Prüfung fahrpraktischen Könnens – auch vor komplexe Anforderung darstellt, ist ganz offen- dem Hintergrund der Gefahr eines möglichen sichtlich. Verlustes manueller Fahrkompetenz – von zentraler Bei hochautomatisierten Fahrfunktionen muss der Wichtigkeit. Fahrer bestimmen können, wann die Vorausset- Als zusätzliche neue Aufgabe muss der Fahrer bei zungen zum Einsatz gegeben sind und wann nicht. Nutzung von teilautomatisierten Systemen in der Während der Nutzung muss er aufnahmebereit für Lage sein, die Ausführung der Fahraufgabe durch Übernahmeaufforderungen durch das System sein das System zu überwachen und, wenn nötig, un- und die Fahraufgabe in einem angemessenen Zeit- mittelbar einzugreifen. Er muss zudem bestimmen, fenster wieder übernehmen können. Er muss aber 16 TÜV | DEKRA arge tp 21
Kapitel 3 auch aufnahmebereit für Störungen im Fahrzeug- beziehungsweise Prüfungsbewertung. Um diesbe- system sein, die einen Einfluss auf die sichere züglich eine erste bundesweit einheitliche Bewer- Ausführung der Fahraufgabe haben und bei Auf- tungsgrundlage zu schaffen, wurden die "An- treten solcher Störungen ebenfalls die Fahraufgabe wenderhinweise zur Bewertung der Nutzung von in einem angemessenen Zeitfenster wieder über- Fahrerassistenzsystemen und teilautomatisierten nehmen. Neben dem konventionellen Fahren sind Fahrfunktionen in der Praktischen Fahrerlaubnis- dies völlig neue Anforderungen, welche die Kom- prüfung"1) (siehe Abbildung links) entwickelt. plexität der Fahranfängervorbereitung erhöhen Die Anwenderhinweise wurden in enger Zusammen- werden. arbeit zwischen der TÜV | DEKRA arge tp 21 und den Technischen Prüfstellen (TP) erarbeitet, mit den Welche Ausbildungs- und Prüfungsinhalte sind Fahrlehrerverbänden abgestimmt und abschließend in den nächsten Jahren zu berücksichtigen? den für die Umsetzung des Fahrerlaubnis- und Fahr- Wie oben festgestellt wurde, nimmt das Spektrum lehrerrechts zuständigen obersten Behörden des an relevanten Ausbildungs- und Prüfungsinhalten Bundes und der Länder zur Kenntnisnahme vorge- zu. Eine generelle Verlagerung auf neue Themen zulasten herkömmlicher Themengebiete in Ausbil- dung und Prüfung ist aber nicht zu begründen. Es Die Anwenderhinweise sind für aaSoP, sind vielmehr Wege zu finden, wie die aus diesen Themenbereichen resultierenden zusätzlichen Fahrerlaubnisbewerber und Fahrlehrer Inhalte in Ausbildung und Prüfung integriert wer- eine Hilfestellung für die Praxis den können. Für die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung (TFEP) werden Aufgaben zu entwickeln sein, welche ins- legt. Sie sollen sowohl den Fahrerlaubnisbewerbern, besondere das korrekte Wissen über grundsätzli- den Fahrlehrern und den amtlich anerkannten Sach- che Einsatzfelder (Was können die Systeme?) und verständigen oder Prüfern (aaSoP) der TP als auch Systemgrenzen (Was können die Systeme nicht?) den für die Umsetzung des Gesetzes zuständigen der automatisierten Fahrfunktionen thematisieren. Behörden eine Hilfestellung für die tägliche Praxis Auch die Sensibilisierung für mögliche negative bieten. Neben allgemeinen Systembeschreibungen Auswirkungen (Verhaltensanpassungen, Situations- wurden zwei Bewertungsgrundsätze formuliert, wel- bewusstsein, Ermüdung) muss Inhalt der Prüfung che auf die Nutzung aller Systeme bis zur Stufe 2 werden. (teilautomatisiertes Fahren) angewendet werden In der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung (PFEP) können: ermöglichen heute die Rechtsvorschriften die Ver- 1. Bei der Bewertung der Fahrkompetenz bleibt wendung aller vom Fahrzeughersteller lieferbaren die anforderungsgerechte Bewältigung der Systeme. Gemäß der Fahrerlaubnis-Verordnung Fahraufgabe durch den Bewerber die maßgeb- (FeV) können "alle vom Fahrzeughersteller liefer- liche Entscheidungsgrundlage. Die Verantwor- baren Ausstattungen und Systeme" inklusive dem tung für die korrekte Ausführung von Fahrauf- "nachträglichen Einbau" im Prüfungsfahrzeug in- gaben trägt bis Automatisierungsstufe 2 der stalliert sein und vom Bewerber genutzt werden Fahrer. (02.02.17, Anlage 7, FeV). Allerdings existierten Das heißt, der Bewerber muss erkennen, wenn bisher keine konkreten Festlegungen bezüglich der durch ein Assistenzsystem die Anforderungen Handhabung durch den Bewerber oder hinsichtlich der jeweiligen Fahraufgabe nicht erfüllt wer- der Auswirkungen auf die Prüfungsgestaltung den beziehungsweise nicht erfüllt werden 1) Die Anwenderhinweise können unter www.fahrerlaubnis.tuev-dekra.de (Publikationen) heruntergeladen werden. TÜV | DEKRA arge tp 21 17
Kapitel 3 können. In diesem Fall muss er das System unverzüglich übersteuern. Andernfalls wird In einem Datenblatt erhält der aaSoP dies als Fehler (nach denselben Kriterien wie künftig Informationen, welche ohne Systemnutzung) bewertet. 2. Beim Wirken von Systemen, die nicht der wil- Assistenzsysteme im Kfz verbaut sind lentlichen Kontrolle unterliegen (zum Beispiel "Notfallsysteme" wie der autonome Notbrems- assistent), entscheidet der aaSoP, ob ein Fehl- beurteilen kann, muss diesem bekannt sein, welche verhalten des Bewerbers dem Eingriff des Fahrerassistenzsysteme im Prüfungsfahrzeug ver- Systems vorausgegangen ist. baut sind. Nur so ist es ihm möglich, gezielt auf die Das bloße Wirken eines solchen Systems ist Verwendung von Fahrerassistenzsystemen zu achten für sich betrachtet nicht als (Fahr-)Fehler zu und schlussendlich eine reflektierte Einschätzung bewerten. Es dient aber für den aaSoP als An- der Fahrkompetenz des Bewerbers auch mit der haltspunkt für zu bewertendes Verhalten, das Nutzung von Fahrerassistenzsystemen vorzuneh- dem Eingriff unmittelbar vorausging. Ver- men. Als Informationsquelle für den Verbau von gleichbar ist das Wirken dieser Systeme mit Fahrerassistenzsystemen soll zukünftig ein fahr- dem Eingriff des Fahrlehrers, um in kritischen zeugindividuelles Datenblatt dienen: Der Verbau Situationen Schlimmeres zu verhindern. Auch von Fahrerassistenzsystemen im individuellen in diesem Fall bewertet und entscheidet der Prüfungsfahrzeug wird durch die Fahrschule in aaSoP, ob ein – und wenn ja, welches – Fehl- einem hierfür vorgegebenen Datenblatt vermerkt. verhalten des Bewerbers die Ursache war. Durch Einsicht in dieses Datenblatt vor Beginn der In den Anwenderhinweisen wird auch Bezug auf PFEP informiert sich der aaSoP über den prüfungs- die zweckmäßige Nutzung der Fahrerassistenzsys- relevanten technischen Ausstattungsgrad. Dieses teme genommen. Wenn die Systemnutzung als Datenblatt wurde den zuständigen Behörden für die nicht zweckmäßig eingeschätzt wird, ist dies nicht Neufassung der Prüfungsrichtlinie vorgeschlagen als Fehler zu bewerten. Gleichwohl soll der aaSoP und könnte demnach ab 01.01.2021 angewendet im Rahmen des Rückmeldungsgesprächs erläu- werden (siehe Kapitel 2). tern, dass eine unzweckmäßige Nutzung gegebe- Zudem wird derzeit berechtigt der Entfall der „Auto- nenfalls zu gefährlichen Situationen führen kann. matikregelung“ diskutiert und seitens des deut- Die Bewertung erfolgt also nicht aufgrund der schen Verordnungsgebers in der EU gefordert. Fahr- situationsbezogenen Verwendung des Systems, schulrelevante Argumente sollten jedoch nicht nur sondern entsprechend den genannten Bewertungs- die zunehmende (gegebenenfalls ausschließliche) grundsätzen. Verfügbarkeit von Automatikgetrieben in modernen Damit der aaSoP die Fahrkompetenz des Bewer- Kraftfahrzeugen darstellen. Vielmehr ist das Potenzial bers bei Nutzung von Fahrerassistenzsystemen automatisierter Fahrfunktionen und alternativer gemäß den oben beschriebenen Anwenderhinweisen Antriebskonzepte zur Verbesserung der Verkehrs- sicherheit und des Umweltschutzes zu sehen. Insofern sollten gut ausgestattete Fahrzeuge mit automati- Das Wirken eines Notfallsystems sierten Fahrfunktionen und alternativen Antriebskon- zepten schon bald zum Ausbildungs- und Prüfungs- (autonomer Notbremsassistent) allein alltag gehören. Die Nutzung dieser Systeme ist aber ist noch nicht als Fehler zu bewerten überwiegend an Antriebskonzepte ohne manuelles Schaltgetriebe gebunden. 18 TÜV | DEKRA arge tp 21
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