HAMBURG 2040 ZUKUNFTSPLAN HAFEN - STANDPUNKTE

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STANDPUNKTE

         HAMBURG 2040
              ZUKUNFTSPLAN HAFEN
HAMBURG 2040 ZUKUNFTSPLAN HAFEN - STANDPUNKTE
Inhalt                                                                                                    Zukunftsplan Hafen

          Inhaltsverzeichnis

          Executive Summary                                                                                               3

          Vorwort                                                                                                         6

          I. Bedeutung des Hamburger Hafens                                                                               7
          
          II. Externe Rahmenbedingungen                                                                                   8

          III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse                                                            9

          IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens                                      14

          V. Anhang                                                                                                     20
            Anhang 1: Flächenentwicklung                                                                                 20
            Anhang 2: Checkliste relevanter Verkehrsinfrastrukturprojekte in der Metropolregion Hamburg                  40
            Anhang 3: Übersicht der Wasserstoffprojekte in Norddeutschland                                               40

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Zukunftsplan Hafen                                                                                                Executive Summary

Executive Summary

Der Hamburger Hafen ist Knotenpunkt eines weltweiten        Auf der Habenseite steht, dass Hamburg mit der festen
Transportnetzes, das interkontinentale Bewegungen von       Fehmarnbeltquerung ab 2030 zur südlichsten Stadt
Gütern und Zwischengütern und damit einen Teil der          Skandinaviens wird. Ein weiterer Pluspunkt ist Ham-
Globalisierung erst möglich macht. Dabei ist auch der       burgs geografische Nähe zu den Windkraftanlagen in
Hafen selbst ständig in Bewegung und muss sich konti-       der Nordsee, die durch den Klimawandel und den Fokus
nuierlich den sich ändernden Rahmenbedingungen an-          auf erneuerbare Energien immer mehr an Bedeutung
passen. Die fortschreitende weltweite Arbeitsteilung, der   gewinnen. Wenn Hamburg schließlich die Chancen
sich daraus ergebende Wandel der Wirtschaftsbeziehun-       nutzt, innovative und nachhaltige Industrien im Hafen-
gen, die Digitalisierung und die wachsenden Herausfor-      gebiet anzusiedeln, und die Möglichkeiten der Digitali-
derungen angesichts endlicher Ressourcen und des Kli-       sierung, zum Beispiel im Bereich autonomer Systeme
mawandels: Das sind die Transmissionsriemen dieser          und Mobilität konsequent ausschöpft, dann wird der
rasanten Entwicklung in den letzten beiden Dekaden. Die     Hamburger Hafen auch in Zukunft seine Rolle als tra-
lange Zeit enormen Steigerungsraten des Welthandels,        gende Säule der wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs
insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so-        behaupten können. Denn neben seiner Funktion als Wa-
wie der Öffnung Chinas, haben für den Hamburger Ha-         renumschlagplatz ist der Hafen vor allem der entschei-
fen eine Komfortzone geschaffen. Dabei sind die not-        dende Standortfaktor für einen großen Teil der Hambur-
wendigen Weichenstellungen für die Zukunft zu sehr          ger Wirtschaft.
aus dem Fokus der Politik geraten. Das Ergebnis: Ham-
burg hat bei der Umschlagentwicklung in den letzten         Auf der Grundlage einer SWOT-Analyse soll dieses Papier
zehn Jahren im Vergleich zu den großen Konkurrenten         aufzeigen, wie der Hamburger Hafen zum Motor und In-
Antwerpen und Rotterdam deutlich verloren.                  novationstreiber für die wirtschaftliche Entwicklung
                                                            Hamburgs und für ganz Norddeutschland ausgebaut
Das Netz der weltweiten Handelsströme wird aufgrund         werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, werden vier
aktueller Handelsvereinbarungen, zum Beispiel durch         zentrale Handlungsfelder definiert, die jeweils mit kon-
das neue Handelsabkommen im asiatisch-pazifischen           kreten Forderungen unterlegt sind. Für eine erfolgreiche
Raum RCEP, und aufgrund globaler Handelsstreitigkei-        Zukunft des Hafens müssen diese Punkte in den neuen
ten weiterhin einem permanenten Wandel unterworfen          Hafenentwicklungsplan der Freien und Hansestadt
sein. Für Hamburg und den Hafen gibt es eine zusätzli-      Hamburg einfließen. Über die jüngst veröffentlichte
che Herausforderung: Mit dem Bau neuer transalpiner         Umschlagprognose der Hamburg Port Authority hinaus
Bahnverbindungen wird seine traditionell starke Stel-       sollte diesem Plan eine umfassende, von einem interna-
lung als Bahnhafen für Südosteuropa künftig immer           tional ansässigen Institut zeitnah erstellte Potenzialana-
stärker herausgefordert. Zudem gerät der Hafen durch        lyse zugrunde liegen, die auch ein Benchmarking der
die Veränderung der Schiffsgrößen in der Container-         Erfolgsfaktoren anderer Häfen enthält.
schifffahrt und das infrastrukturelle Aufrüsten einiger
Ostseehäfen als Transshipment-Hafen für die Ostsee zu-
nehmend unter Druck.

                                                                                                                                  3
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Executive Summary                                                                                                Zukunftsplan Hafen

              Abbildung 1: Ziele für den Hafen Hamburg 2021­–2040

                                                                                                         © Handelskammer Hamburg 2020

              1.	Regulatorische und infrastrukturelle                  2. Ladung binden und generieren
                  Wachstumshemmnisse beseitigen

              Regulatorische und infrastrukturelle Standortfaktoren     Die Lage des Hamburger Hafens im Herzen einer fünf
              sind die Kernfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit des    Millionen Einwohner zählenden Metropolregion mit ei-
              Hamburger Hafens. Sie bestimmen maßgeblich seine          ner starken industriellen Basis ist ein großer Standort-
              Stellung im internationalen Standortwettbewerb. Not-      vorteil. Generieren und Sichern von Umschlag darf aber
              wendige Maßnahmen zur Stärkung sind:                      kein Selbstzweck sein, sondern muss der Steigerung von
              • Umfassenden Ausbau der Infrastruktur im und um den     Wertschöpfung in Hamburg, der Metropolregion und
                 Hafen vorantreiben                                     ganz Norddeutschland dienen. Notwendige Maßnah-
              • Kerngeschäft der Hamburg Port Authority (HPA) be-      men dafür sind:
                 darfsgerecht finanzieren                               • Ansiedlungskampagne für hafenaffine Industrie- und
              • Wassertiefen im gesamten Hafengebiet und im Zulauf        Logistikunternehmen in Hamburg sowie für die Unter-
                 dauerhaft sicherstellen                                   elberegion durchführen; Hafenkooperation entlang der
              • Hinterlandanbindungen konsequent ausbauen und             Unterelbe intensivieren
                 Trassenpreise wettbewerbsfähig halten                  • Industrielle Nutzung im Hafen durch entsprechende
              • Verwaltungsprozesse vereinfachen und digitalisieren;      Flächenentwicklung und Projekte gezielt stärken
                 Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Bau-         • Weitere Terminalbeteiligungen („Dedicated Terminals“)

                 phasen beschleunigen; Investitionsmittel verstetigen      ermöglichen, wo dies unter Berücksichtigung knapper
              • EU-Vorgaben pragmatisch und wirtschaftsfreundlich         Liegeplatzkapazitäten dem Ziel der Ladungsbindung
                 umsetzen                                                  und -generierung dient
              • Verrechnungsmodell bei der Einfuhrumsatzsteuer zeit-   • Norddeutsche Seehäfen gemeinsam vermarkten; Mar-

                 nah einführen                                             ketingbudgets im Vergleich zu den Westhäfen wettbe-
                                                                           werbsfähig gestalten
                                                                        • Preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern; privaten
                                                                           Wettbewerb stärken

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Zukunftsplan Hafen                                                                                              Executive Summary

3.	Innovationen vorantreiben und neue                      4.	Stadt- und Hafenentwicklung synerge-
    Wertschöpfungsketten etablieren                             tisch betreiben

Der Hamburger Hafen muss als Innovationstreiber für         Die Lage des Hafens inmitten einer Metropole hat zahl-
die Industrieentwicklung positioniert werden. Dabei         reiche Vorteile, birgt allerdings auch Herausforderungen
müssen die relevanten Trends des 21. Jahrhunderts und       – insbesondere durch Nutzungskonflikte mit der unmit-
die Herausforderungen des Klimawandels angemessen           telbar angrenzenden Wohnbevölkerung. Eine Weiterent-
berücksichtigt werden. Es muss Raum für entsprechende       wicklung des Hafens muss jedoch nicht im Gegensatz zu
unternehmerische Aktivitäten (z. B. 3-D-Druck, Biotech-     einer erfolgreichen Stadtentwicklung stehen. Notwendi-
nologie oder Wasserstoff) geschaffen werden. Notwen-        ge Maßnahmen sind:
dige Maßnahmen sind:                                        • Den neuen, von der Stadt Hamburg geplanten Stadtteil
• Projekte für Träger und Antriebe erneuerbarer Energien      Grasbrook konsequent zum Innovationsquartier mit
   in norddeutscher Kooperation initiieren und vorantrei-      internationaler Magnetwirkung für hochinnovative
   ben                                                         Unternehmen und qualifizierte Fachkräfte entwickeln
• Digitalisierung von Hafenunternehmen insbesondere        • Immissionsschutzrechtliche Einschränkungen angren-

   über den Breitband- und 5-G-Ausbau fördern und da-          zender Hafenbetriebe verhindern
   bei Cybersicherheit gewährleisten                        • Hafenbetriebe, die trotz bestmöglicher Maßnahmen
• Unternehmen und Start-ups aus neuen Branchen, bei-          nicht geschützt werden können, müssen alternative
   spielsweise aus dem Bereich neue Materialien auf Basis      Flächen ohne wirtschaftliche Nachteile bekommen
   nachwachsender Rohstoffe und Nanotechnologie, im         • Neue Industriequartiere auch entlang der Unterelbe
   Hafen oder am Hafenrand ansiedeln                           entwickeln
• Hamburger Netzwerk für autonome Systeme und au-          • Hafenerweiterungsgebiet Moorburg zu einem Energie-

   tonome Mobilität aufbauen; Hamburg zur Modellstadt          und Klimahafen entwickeln
   für autonome Systeme machen
• Kreuzschifffahrtsstandort als Impulsgeber für alterna-

   tive Schiffsantriebe und Landstrom sowie als Wert-
   schöpfungsquelle in Hamburg erhalten und stärken
• Erfolg des Hafens anhand eines Hafen-Wertschöp-
   fungsindexes messen

                                                                                                                                5
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Vorwort                                                                                                         Zukunftsplan Hafen

            Vorwort

            Häfen sind die Dreh- und Angelpunkte der Welthandels-        nachhaltige Industrien im Hafengebiet anzusiedeln und
            ströme und damit der Globalisierung. Der Hamburger           die Digitalisierung zum Beispiel im Bereich autonomer
            Hafen als großer Seehafen ist dabei tragender Teil dieses    Systeme und Mobilität zu nutzen. Der Hafen könnte In-
            Transportnetzes, das globale Bewegungen von Gütern           novationsmotor und Treiber der industriellen Entwick-
            und Vorprodukten ermöglicht. Gleichzeitig befindet sich      lung Hamburgs werden. Mit dem vorliegenden Papier
            der Hamburger Hafen selbst ständig im Wandel. Die            wollen wir aufzeigen, wie der Hamburger Hafen im Sin-
            fortschreitende weltweite Arbeitsteilung, die daraus re-     ne der von der Handelskammer initiierten „Hamburg
            sultierenden Effekte auf Handels- und Wirtschaftsbezie-      2040“-Strategie in die Zukunft geführt und zum Impuls-
            hungen, technologische Entwicklungen und Innovatio-          geber für die Entwicklung von Zukunftsindustrien in
            nen sowie wachsenden Herausforderungen angesichts            Hamburg und ganz Norddeutschland werden kann.
            endlicher Ressourcen und des Klimawandels – das sind         Hierfür sind herausragende Konzepte und gezielte In-
            zentrale Transmissionsriemen dieser Entwicklung. Die         vestitionen in die Infrastruktur notwendig. Zugleich
            lange Zeit rasante Steigerung des Welthandels hat für        müssen Räume und Impulse für Innovationen geschaf-
            den Hamburger Hafen allerdings eine Komfortzone ge-          fen werden. Das unmittelbare Hafengebiet, aber auch
            schaffen. Dadurch sind die notwendigen Weichenstel-          die umliegenden Quartiere bieten den geeigneten Nähr-
            lungen für die Zukunft zum Teil aus dem Blick der Politik    boden dafür. Projekte der Stadtentwicklung und der
            geraten. Die Folge: Im Vergleich zu den großen Konkur-       Ausbau des Hafens müssen dabei kein Gegensatz sein.
            renzhäfen Antwerpen und Rotterdam hat Hamburg seit           Wichtig ist es, dass die Wachstumsbedingungen aller
            der Finanzkrise 2008/2009 spürbar Marktanteile verlo-        Unternehmen deutlich verbessert werden und zahlrei-
            ren.                                                         che neue Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung
                                                                         entstehen. Wenn die genannten Herausforderungen an-
            Die Weltwirtschaft unterliegt derzeit einem neuen, gra-      genommen werden, sind wir überzeugt: Der Hafen bleibt
            vierenden Umwälzungsprozess: Der weiterhin schwe-            ein Herzstück der Hamburger Wirtschaft.
            lende Handelsstreit zwischen China und den USA, der
            Austritt Großbritanniens aus der EU, das neue Handels-       Um die Handlungsstrategie in diesem Standpunktepa-
            abkommen im asiatisch-pazifischen Raum RCEP, die Be-         pier erfolgreich umzusetzen, bedarf es der engen Koope-
            mühungen Chinas um die Neue Seidenstraße – all dies          ration mit dem Hamburger Senat. Dessen neuem Hafen-
            wird dazu führen, dass sich das Netz der weltweiten Han-     entwicklungsplan 2040 sollte eine unabhängige
            delsströme weiter verändert. Durch das Wachstum der          Potenzialanalyse vorangestellt werden, die auch als Ein-
            Schiffsgrößen in der Containerschifffahrt und das infra-     stieg für eine Diskussion mit den Stakeholdern des Ha-
            strukturelle Aufrüsten einiger Ostseehäfen steht Hamburg     fens dient. Die Handelskammer bietet sich hierbei gern
            als Transshipment-Hafen für die Ostsee zusätzlich unter      als Impulsgeber und fachlicher Sparringspartner an.
            Druck. Schließlich wird mit den neuen transalpinen Bahn-
            verbindungen Hamburgs starke Stellung als Bahnhafen für
            Südosteuropa zukünftig nachhaltig herausgefordert. Was       Handelskammer Hamburg
            Mut macht: Die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Au-
            ßenelbe ist auf der Zielgeraden. Die feste Fehmarnbeltque-
            rung kommt, ab 2030 wird Hamburg zur südlichsten Stadt
            Skandinaviens mit attraktiver Hinterlandanbindung bis
            nach Schweden. Mit der durch den Klimawandel getriebe-       Prof. Norbert Aust       Dr. Malte Heyne
            nen Fokussierung auf die erneuerbaren Energien kann          Präses                   Hauptgeschäftsführer
            Hamburg seine geografische Nähe zu den Windkraftan-
            lagen der Nordsee als Trumpf ausspielen. Außerdem hat
            die Stadt die Möglichkeit, auch innovative und

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Zukunftsplan Hafen                                                                                                                I. Bedeutung des Hamburger Hafens

I. Bedeutung des Hamburger Hafens

Der Hafen war im 19. Jahrhundert eine entscheidende                                        industrie, deren Rohstoffe, Vor- und Endprodukte per
Ursache für den Aufstieg der Stadt und ist bis heute tra-                                  Schiff transportiert werden. Auch die Chemie- und Ener-
gende Säule für den gesamten Wirtschaftsstandort. Als                                      giebranche ist im Hafengebiet ansässig, das in seiner
Tor zur Welt prägt er Hamburg zudem seit Jahrhunder-                                       Heterogenität und gegenseitigen Abhängigkeit einem
ten als weltoffene und multikulturelle Hansestadt. Ne-                                     Ökosystem gleicht (s. Abbildung 2).
ben seiner Funktion als Warenumschlagplatz ist der Ha-
fen vor allem der entscheidende Standortfaktor für                                         Darüber hinaus kommt dem Hamburger Hafen auch für
einen großen Teil der Hamburger Wirtschaft – von der                                       die Exportnation Deutschland eine Schlüsselrolle zu:
Industrie über die Logistikbranche bis hin zum Touris-                                     Denn mehr als 90 Prozent der weltweit gehandelten Gü-
mus. So finden sich im Hafengebiet und weit darüber                                        ter werden über den Seeweg transportiert. Welche Leis-
hinaus zahlreiche hafenaffine Industriebetriebe. Zu nen-                                   tungen die deutschen Seehäfen hierbei für die gesamte
nen sind hier zum Beispiel die Grundstoff- und Schwer-                                     deutsche Volkswirtschaft erbringen, hat die IHK Nord in

Abbildung 2: Impulsgeber für die Industrie in Hamburg

                                                                                                                           © Handelskammer Hamburg 2020

In Anlehnung an P. Cordes/Dr. M. Kuckartz, „Hamburgs Industrie im Wandel“, Handelskammer Hamburg (Hrsg.), 2000, S. 42

                                                                                                                                                                  7
HAMBURG 2040 ZUKUNFTSPLAN HAFEN - STANDPUNKTE
II. Externe Rahmenbedingungen                                                                                                                           Zukunftsplan Hafen

               einer Sonderauswertung der Seeverkehrsprognose des                                           Hafenwirtschaft Arbeitsplätze in der hafenabhängigen
               Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruk-                                      Industrie auch weit über die Hafenstandorte hinaus si-
               tur (BMVI) im Oktober 2015 ermittelt. So werden rund                                         chert. Zusammen mit den direkt umschlagabhängig Be-
               zwei Drittel des deutschen seewärtigen Außenhandels                                          schäftigten und jenen der erweiterten Hafenwirtschaft
               über die deutschen Seehäfen abgewickelt. In der Studie                                       sowie weiteren indirekten Beschäftigungseffekten wer-
               wurde dabei ein wertmäßiges Volumen von 359 Milliar-                                         den insgesamt bis zu 5,6 Millionen Arbeitsplätze und ein
               den Euro ermittelt sowie eine deutliche Steigerung bis                                       Wertschöpfungseffekt von bis zu 400 Milliarden Euro
               2030 vorausgesagt. Wie stark die Abhängigkeit der au-                                        ermittelt. Ein nicht unerheblicher Teil davon geht auf das
               ßenhandelsorientierten Industrie von den deutschen Hä-                                       Konto von Deutschlands größtem Seehafen Hamburg. So
               fen ist, zeigt auch eine im Auftrag des BMVI federfüh-                                       beläuft sich der Anteil Hamburgs am gesamten deut-
               rend durch das Institut für Seeverkehrswirtschaft und                                        schen Seegüterumschlag auf rund 40 Prozent. Bezieht
               Logistik (ISL) erstellte Studie, deren Hauptergebnisse in                                    man zusätzlich den Umschlag der deutschen Binnenhä-
               Abbildung 3 dargestellt sind (linke Box). Die ISL-Studie                                     fen mit ein, beläuft sich der Anteil Hamburgs immer
               gibt einen Überblick über wirtschaftliche Effekte der                                        noch auf rund 23 Prozent.
               deutschen Häfen und kommt zu dem Schluss, dass die

               Abbildung 3: Hafenabhängige Beschäftigung und Wertschöpfung / Umschlaganteil Hafen Hamburg

                 Quellen: ISL-Studie „Untersuchung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der deutschen See- und Binnenhäfen auf Grundlage ihrer
                 Beschäftigungswirkung“, Mai 2019; Statistisches Bundesamt, Fachserie 8, Reihe 4 und Reihe 5, 2019; eigene Berechnungen         © Handelskammer Hamburg 2020

               II. Externe Rahmenbedingungen

               Der Transport von Gütern und Vorprodukten ist die                                            unterliegen. Derzeit überlagern die Auswirkungen der
               Grundlage für die internationale Arbeitsteilung, von der                                     Coronapandemie jedoch alle anderen globalen Entwick-
               Deutschland und ganz besonders Hamburg enorm profi-                                          lungen. Die in Deutschland und bei den meisten Handel-
               tieren. Globale Handelskonflikte und protektionistische                                      spartnern notwendig gewordenen Maßnahmen zur Pan-
               Tendenzen wirken sich daher sowohl auf die wirtschaft-                                       demiebekämpfung – vor allem die Lockdowns in China
               liche Entwicklung als auch auf das Transportwachstum                                         und Deutschland – ließen den Containerumschlag im
               negativ aus. Der Handelsstreit zwischen China und den                                        Hamburger Hafen in den drei ersten Quartalen 2020 um
               USA, der Austritt Großbritanniens aus der EU, das neue                                       minus 9,9 Prozent einbrechen, wobei besonders die ein-
               Handelsabkommen im asiatisch-pazifischen Raum                                                geschränkte Industrieproduktion im Frühjahr tiefe Spu-
               (RCEP), die Bemühungen Chinas um die Neue Sei-                                               ren hinterließ. Weniger hart wurden die Westhäfen ge-
               denstraße – all dies wird dazu führen, dass die weltweiten                                   troffen (Rotterdam -4,7 %, Antwerpen -0,1 %), was zu
               Handelsströme weiterhin regelmäßigen Veränderungen                                           einer weiteren Verschiebung der Marktanteile führt.

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HAMBURG 2040 ZUKUNFTSPLAN HAFEN - STANDPUNKTE
Zukunftsplan Hafen                                                               III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse

Insgesamt haben sich die internationalen Logistikketten    Industriebetrieben im Hafen. Im Jahr 2019 wurden mit
aber trotz widrigster Bedingungen als relativ robust er-   der Hafenbahn insgesamt rund 48 Millionen Tonnen Gü-
wiesen. Dank einer vergleichsweise guten Entwicklung       ter transportiert. Im abgestimmten Zusammenspiel mit
zum Jahresende 2020 erweisen sich Hafen und Logistik       den anderen Verkehrsträgern Straße und Binnenschiff
mithin als Stütze der Hamburger Wirtschaft.                wird eine flexible und effiziente Abwicklung der Hinter-
                                                           landverkehre gewährleistet. Die Nähe zum Nord-Ost-
Mit Blick auf die protektionistischen Tendenzen großer     see-Kanal (NOK) ist im Vergleich zu den Westhäfen im
Volkswirtschaften zeigt die Coronakrise sehr deutlich,     Transshipment-Bereich ein strategischer Vorteil – der im
wie wichtig ein reibungsloser Welthandel für die Versor-   Zuge der erfolgten Elbvertiefung noch stärker genutzt
gung mit Gütern des Alltagsbedarfs sowie aktuell vor       werden kann. Digitale Lösungen wie das Hamburg Vessel
allem mit lebenswichtigen Medikamenten und medizini-       Coordination Center (HVCC) gewährleisten eine opti-
scher Schutzausrüstung ist. Insbesondere bei Letzteren     mierte Verkehrssteuerung der Schifffahrt im Zu- und
gibt es Überlegungen, durch eine teilweise Rückverlage-    Ablauf des Hafens. Darüber hinaus hat Hamburg relativ
rung der Produktion ins Inland internationale Abhängig-    wenige Streiktage und damit verbundene Einschränkun-
keiten zu reduzieren. Die Diskussion um damit einherge-    gen im Betrieb zu verzeichnen.
hende Kostensteigerungen veranschaulicht jedoch sehr
gut, warum sich eine internationale Arbeitsteilung – mit   Die geografische Lage des Hamburger Hafens ermög-
der Konzentration einzelner Länder auf ihre jeweiligen     licht den Transport per Seeschiff ohne zusätzlichen Um-
komparativen Vorteile – so sehr etabliert hat. Ein gene-   schlag bis tief ins Binnenland. In der Kombination des
relles Zurückschrauben der Globalisierung hätte erhebli-   energieeffizientesten Verkehrsmittels Seeschiff (bezogen
che negative Wohlfahrtseffekte. Dies gilt besonders für    auf das Transportvolumen) mit dem hohen Anteil des
Deutschland, dessen hoher Lebensstandard zu einem          besonders umweltfreundlichen Verkehrsträgers Bahn im
großen Teil auf seiner starken internationalen Verflech-   Hinterlandverkehr ist der Hamburger Hafen schon heute
tung („Exportweltmeister“) basiert. In einzelnen Berei-    sehr klimaschonend aufgestellt. Zugleich treiben inno-
chen könnte sich allerdings durch technologische Ent-      vative mittelständische Unternehmen die Energiewende
wicklungen wie den 3-D-Druck eine Regionalisierung         durch konkrete Maßnahmen, wie den Einsatz von Bio-
von Lieferketten ergeben. Eine politisch motivierte Deg-   CNG oder Lkw-Umrüstungen auf Wasserstoffantrieb,
lobalisierung – zum Beispiel durch die beschriebenen       auch im Straßengütertransport voran.
Handelskonflikte – muss allerdings in Hinblick auf die
damit verbundenen Wohlfahrtseinbußen verhindert            Die Lage des Hamburger Hafens im Zentrum einer pros-
werden.                                                    perierenden, 1,9 Millionen Einwohner zählenden Groß-
                                                           stadt sowie einer 5 Millionen Einwohner umfassenden
Die digitale Disruption hat zusammen mit Industrie 4.0,    Metropolregion führt zu einem relativ hohen Anteil lo-
3-D-Druck und Dekarbonisierung das Potenzial, die Lie-     kaler Ladung (LoCo-Quote) von rund 30 Prozent. Dies
ferketten der Zukunft nachhaltig zu verändern. Diese       stellt einen stabilisierenden Faktor für den Gesamtum-
Entwicklungen stellen für Hafen- und Industriestandor-     schlag dar.
te eine enorme Herausforderung dar, bieten zugleich
aber auch große Chancen, um durch geeignete Wei-
chenstellungen zukunftsfähige Wachstumspfade einzu-        b) Schwächen
schlagen.
                                                           Trotz der großen Vorzüge krankt der Hamburger Hafen
                                                           bereits seit einem Jahrzehnt an einer Wachstumsschwä-
III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb:                   che bei der Umschlagentwicklung. Gemäß einer aktuel-
      SWOT-Analyse                                         len Prognose im Auftrag der Hamburg Port Authority
                                                           wird der Containerumschlag bis Mitte der 2030er-Jahre
a) Stärken                                                 maximal auf rund 14 Millionen TEU – und damit deutlich
                                                           weniger als noch vor wenigen Jahren vorhergesagt –
Der Hamburger Hafen punktet mit seinen gut ausgebau-       steigen. Die Wettbewerbshäfen Antwerpen und Rotter-
ten Hinterlandanbindungen und einem hohen Bahnan-          dam, aber auch andere Konkurrenzhäfen etwa im Mittel-
teil im Modal Split von rund 50 Prozent. Mit mehr als      meerraum entwickeln sich deutlich dynamischer.
1 300 wöchentlichen Güterzug-Verbindungen ist Ham-         Hervorzuheben ist der Hafen Piräus, dessen Container-
burg der größte Bahnhafen Europas. Die Hamburger Ha-       umschlag sich nach dem Einstieg der China Ocean Ship-
fenbahn bietet mit ihrem rund 300 Kilometer umfassen-      ping Company (Cosco) von 667 000 TEU im Jahr 2009
den Gleisnetz Zugang zu allen Terminals und                auf 5,6 Millionen TEU in 2019 vervielfachte. Mit dem

                                                                                                                                     9
HAMBURG 2040 ZUKUNFTSPLAN HAFEN - STANDPUNKTE
III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse                                                                Zukunftsplan Hafen

               Ziel, Piräus als Brückenkopf im Asien-Europa-Verkehr zu      Im Vergleich zu den konkurrierenden Häfen sind weitere
               etablieren, hat Cosco dort Hunderte Millionen Euro in        Schwächen Hamburgs zu konstatieren: Dazu zählt eine
               Ausbau und Modernisierung des Hafens investiert und          unübersichtliche und teils ungünstige Kostenstruktur für
               die Ladung im gleichen Zuge mitgebracht. Abbildung 4         Hafenanläufe. So fällt etwa gegenüber dem beim Cont-
               stellt die Entwicklung des Containerumschlags im Ham-        ainerumschlag führenden europäischen Hafen Rotter-
               burger Hafen im Vergleich zu den restlichen Top-20-EU-       dam auf, dass die lange Revierfahrt auf der Elbe mit hö-
               Häfen dar – darunter auch Mittelmeer- und Ostseehä-          heren Lotskosten verbunden ist, auch wenn dies auf der
               fen.                                                         anderen Seite mit deutlich niedrigeren Kosten für den
                                                                            Landtransport einhergeht. Zum anderen macht sich eine
               Die wachsenden Schiffsgrößen in der Containerschiff-         im Schnitt geringere Produktivität angesichts relativ ho-
               fahrt und das infrastrukturelle Aufrüsten einiger Ostsee-    her Arbeitskosten bei den Umschlagkosten bemerkbar. Je
               häfen (Danzig, St. Petersburg) führen dazu, dass Hamburg     Move fallen unabhängigen Erhebungen zufolge mehr als
               als Transshipment-Hafen für die Ostsee auf erstarkende       30 Prozent höhere Umschlagkosten als in Rotterdam
               Wettbewerber trifft. Heute fahren nicht mehr nur von         oder Antwerpen an. Eine Hamburger Besonderheit stel-
               Hamburg und anderen Häfen der Nordrange beladene             len zudem die sogenannten Tonnage Dues als Abgabe
               Feederschiffe in die Ostsee, sondern auch große Cont-        für die Liegeplatznutzung am Terminal dar, welche direkt
               ainerschiffe direkt von den weltweiten Hauptrouten. We-      an die Terminalbetreiber entrichtet werden müssen. In
               gen der langen Revierfahrt auf der tideabhängigen Elbe       Antwerpen und Rotterdam wird diese Gebühr nicht ex-
               und dem für diese Schiffe zu kleinen Nord-Ostsee-Kanal       plizit erhoben, sondern ist Teil des von den jeweiligen
               geht Hamburg beim weiteren Ausbau dieser Verbindun-          Hafenverwaltungen für die Nutzung der Hafeninfra-
               gen teilweise leer aus. Auch bei der Wassertiefeninstand-    struktur erhobenen Hafengelds.
               haltung spielt die Besonderheit des tideabhängigen Flus-
               ses eine große Rolle. Während die Fahrrinnenanpassung        Hinzu kommen lediglich langsame Fortschritte bei der Op-
               der Unter- und Außenelbe planmäßig bis Ende 2021 abge-       timierung von Verwaltungsprozessen im Hafen. Das be-
               schlossen sein wird, sind in den letzten Jahren die Klagen   trifft unter anderem die Einrichtung eines One-Stop-
               über Mindertiefen in den Hafenbecken lauter geworden.        Shops für Zoll, Veterinär- und Einfuhramt sowie
               Für die Schlickentsorgung gibt es mit der Ablagerungs-       gegebenenfalls weitere Behörden, die nach aktuellen Aus-
               stelle vor Neßsand („Kreislaufbaggerei“) und der in ihrer    sagen nicht vor 2025 umgesetzt sein wird. Bremsende
               Kapazität beschränkten Tonne E3 in der Nordsee aktuell       Wirkung haben überdies unklare Behördenzuständigkei-
               nur wenig nachhaltige und sehr teure Lösungen.               ten, lange Genehmigungsverfahren, ein hoher Investiti-

               Abbildung 4: Umschlagentwicklung Hamburgs im Vergleich zu den restlichen Top-20-EU-Häfen

                 Quelle: Eurostat; eigene Darstellung                                                         © Handelskammer Hamburg 2020

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Zukunftsplan Hafen                                                                III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse

onsbedarf bei wichtigen Infrastrukturen sowie eine gerin-   Jahre aufgelaufenen Investitionsstau – zu einer hohen
ge Offenheit für Terminalbeteiligungen. In den Westhäfen    Anfälligkeit für Störungen und Staus im bestehenden
konnten sich nicht nur mehrere Linienreedereien, sondern    Infrastrukturnetz. So ist das Schienennetz auf den Zu-
auch große, weltweit agierende Terminalkonzerne beteili-    laufstrecken von und nach Hamburg oft überlastet, es
gen und aktiv werden. Dies trug dort zur Ladungsbindung     fehlen weitere Elbquerungen für Schiene und Straße so-
und -generierung bei und war damit ein nicht unerhebli-     wie stadtnahe Autobahnbypässe. Hinzu kommt, dass die
cher Faktor für die deutlich dynamischere Umschlagent-      föderale Zusammenarbeit mit benachbarten Bundeslän-
wicklung. Die Westhäfen hatten in den letzten Jahren        dern bezüglich Infrastrukturplanungen und politischen
auch deshalb eine günstigere Kosten- und Produktivitäts-    Priorisierungen oft als Bremsklotz wirkt (Anhang 2 ent-
entwicklung, weil sie eine wettbewerbsorientierte Struk-    hält eine Checkliste über den Status quo relevanter Ver-
tur mit einer Konzentration der öffentlichen Hand auf die   kehrsinfrastrukturprojekte in der Metropolregion Ham-
Hafenverwaltung sowie mit einer großen Offenheit für        burg).
private Investoren etabliert haben.
                                                            Die nachfolgende SWOT-Analyse in Abbildung 5 fasst
Schließlich führt die eigentlich positiv zu bewertende      die oben ausgeführten Stärken und Schwächen – ebenso
Lage des Hamburger Hafens inmitten eines Ballungszen-       wie die im Weiteren erläuterten Chancen und Risiken –
trums – insbesondere in Verbindung mit einem über die       zusammen.

Abbildung 5: SWOT-Analyse für den Universalhafen Hamburg

                                                                                              © Handelskammer Hamburg 2020

                                                                                                                                     11
III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse                                                              Zukunftsplan Hafen

               c) Chancen

               Die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens hängt         zesse, Treibstoffe und alternative Antriebe (z. B. Brenn-
               von zahlreichen Faktoren und Rahmenbedingungen ab,          stoffzellen). Denn dafür ist Hamburg als leistungsfähiger
               die auf unterschiedlichen regionalen Ebenen und mit         Hafen- und Industriestandort in der Nähe zu Offsho-
               unterschiedlichem zeitlichen Vorlauf verändert werden       re-Windparks prädestiniert. Die ehrgeizigen Ziele im
               können. Ein zentraler Faktor ist konkret die seeseitige     Rahmen des „Green Deals“ der EU, der mit Investitions-
               Erreichbarkeit. Mit der baldigen Fertigstellung der Fahr-   mitteln von insgesamt rund einer Billion Euro verbunden
               rinnenanpassung der Unter- und Außenelbe bietet sich        ist, erfordern eine konsequente Dekarbonisierung der
               die Chance, Ladung und damit Marktanteile zurückzuge-       Sektoren Chemie, Energie, Verkehr und Wärme. Die kon-
               winnen. Elementare Verkehrsprojekte wie die A26 Ost         junkturellen Effekte durch diese umfassenden Program-
               (Hafenpassage) sowie eine neue Köhlbrandquerung             me müssen dafür genutzt werden. Auf dem Weg zur Kli-
               werden die Hinterlandanbindungen optimieren und             maneutralität dieser Sektoren wird grüner Wasserstoff
               Hamburgs Standortvorteile stärken. Mit der festen Feh-      eine Schlüsselrolle spielen. Er macht aus erneuerbaren
               marnbeltquerung ab 2030 wird Hamburg zur südlichs-          Quellen erzeugte Energie speicherbar und für die Produk-
               ten Stadt Skandinaviens (s. Abbildung 6). Der Hamburger     tionsprozesse in der Grundstoff- und Chemieindustrie
               Hafen kann hierdurch seine Stellung als größter Bahn-       nutzbar. Im Verkehrsbereich sind potenzielle Einsatzgebie-
               hafen Europas bis nach Schweden weiter stärken. Es er-      te vor allem im Schwerlast-, Schiffs- und Luftverkehr ge-
               gibt sich damit die Chance, verloren gegangene Transs-      geben – ob als Bestandteil synthetischer Treibstoffe oder
               hipment-Ladung zu kompensieren und seine Bedeutung          als Hauptenergiequelle. Die Entwicklung und Herstellung
               als Seehafen für Skandinavien zu stärken. Im Verbund        von alternativen Antrieben, insbesondere für Lkw, Züge,
               mit den norddeutschen Seehäfen kann auch durch das          Schiffe und Flugzeuge, bietet zusätzliche Chancen, die in-
               gemeinsame Hafenmarketing die internationale Wahr-          dustrielle Wertschöpfung am Standort zu stärken.
               nehmung der Vorteile der deutschen Seehäfen in den
               ausländischen Zielmärkten deutlich geschärft werden.        Weitere Potenziale bietet die Entwicklung neuer Materi-
                                                                           alien aus nachwachsenden Rohstoffen. Zusammen mit
               Eine große Chance bietet zudem die Fokussierung auf         dem am Standort bereits vorhandenen 3-D-Druck-Netz-
               erneuerbare Energien und CO2-neutrale Produktionspro-       werk und dem Know-how im Bereich Nanotechnologie

              Achse Hamburg–Kopenhagen
               Abbildung 6: Fehmarnbelt-Region

                                                                                              © Femern A/S

               Quelle: Femern A/S

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Zukunftsplan Hafen                                                                III. Der Hamburger Hafen im Wettbewerb: SWOT-Analyse

                                                           d) Risiken

(u. a. Fraunhofer-Zentrum für Angewandte Nanotech-         Ein großes Risiko bilden Effekte der aktuellen Corona-
nologie CAN) können hierdurch in verschiedensten           pandemie. Sie könnte bleibende Auswirkungen auf Welt-
Anwendungsfeldern leichte und nachhaltige Rohstoffe        handel, Lieferketten und Handelsströme haben, wie etwa
genutzt und somit zum Beispiel die Klimabilanz im Bau-     durch eine mögliche Regionalisierung der Lieferketten.
sektor deutlich verbessert werden. Auch im Fahrzeugbau     Technologisch könnte dies beispielsweise dazu führen,
und sonstigen industriellen Bereichen bieten sich viel-    dass die 3-D-Druck-Technik in der Produktion noch brei-
fältige Einsatzmöglichkeiten. Schon heute sind die im      ter angewandt wird. All dies würde den Bedarf an Güter-
Hafen ansässigen Grundstoffindustrien bei effizienten      transporten – zumindest auf der Langstrecke – reduzie-
und klimaschonenden Produktionsprozessen internatio-       ren. Im Zuge der coronabedingt stark steigenden
nal führend. Mit der Ansiedlung der Produktion neuer       Verschuldung könnten die Finanzmittel für Investitionen
Materialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe kann        in die Infrastruktur künftig reduziert werden. Auch der
der Hamburger Hafen seine Rolle als Zentrum nachhal-       Bedarf an Instandhaltung und Modernisierung könnte
tiger Industrien weiter ausbauen. Durch die Anbindung      durch die knapper werdenden Mittel nicht schnell genug
dieser neuen Produktionsstätten an seeschifftiefes Was-    behoben werden. Als Konsequenz würde es möglicher-
ser können Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte di-        weise zu Sperrungen einzelner Brücken, Schienen- oder
rekt importiert und exportiert werden.                     Straßenabschnitte mit schwerwiegenden Folgen für den
                                                           Hamburger Hafen kommen. Diese Gefahr besteht insbe-
Ein weiteres Feld, das künftig enorme Chancen bietet,      sondere dann, wenn die bisherigen Maßnahmen zur Be-
sind autonome Systeme und autonome Mobilität. Der          schleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfah-
Hamburger Hafen war in diesem Bereich mit dem              ren nicht durch zusätzliche Maßnahmen wie die
Container-Terminal Altenwerder (CTA) Vorreiter und lan-    Wiedereinführung einer europarechtskonformen mate-
ge Zeit führend und ist bis heute beispielgebend. Auch     riellen Präklusion flankiert werden.
angeschoben durch den ITS-Weltkongress für Intelligen-
te Transportsysteme 2021 bietet sich Hamburg die           Ein weiteres Risiko ist, dass die notwendigen Weichen-
Chance, Wirtschaft und Wissenschaft am Standort, bei-      stellungen, um den Hafen für die globalen Megatrends
spielsweise das Fraunhofer CML, noch stärker zu ver-       aufzustellen, zu zaghaft erfolgen. So gibt es beispiels-
knüpfen. Gerade für den Hafen sind damit große Poten-      weise in Rotterdam schon weit fortgeschrittene Planun-
ziale zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit            gen, um die Dekarbonisierung zum eigenen Vorteil zu
verbunden. So könnte die Produktivität an den Terminals    nutzen. Wenn Hamburg hier nicht zeitnah ambitionierte
gesteigert und die Infrastruktur durch intelligente Ver-   Projekte initiiert, wird der Hafen in aussichtsreichen Zu-
kehrssteuerung sowie perspektivisch völlig autonome        kunftsfeldern den Anschluss verlieren. Diese und weitere
Personen- und Gütertransporte wesentlich effizienter       Herausforderungen kann Hamburg jedoch zunehmend
genutzt werden.                                            nicht mehr im Alleingang stemmen, sondern sie erfor-
                                                           dern ein Ende der bestehenden politischen Fragmentie-
                                                           rung durch eine verstärkte Kooperation in Norddeutsch-
                                                           land. Sollten die notwendigen Weichenstellungen nicht
                                                           erfolgen, könnte dies auch dazu führen, dass der Hafen
                                                           mit seinen Emissionen die Akzeptanz der breiten Bevöl-
                                                           kerung verliert.

                                                                                                                                     13
IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens                                               Zukunftsplan Hafen

               IV. 
                   Forderungen zur Sicherung der Zu-
                   kunftsfähigkeit des Hamburger Hafens

               a)	Ziele für den Hafen Hamburg                               (Wieder-)Einführung einer europarechtskonformen ma-
                   2021-2040                                                 teriellen Präklusion beziehungsweise einer Stichtagsre-
                                                                             gelung für Einwendungen weiterhin aus. Bei der Einfuh-
               Grundlegendes Ziel der Hamburger Wirtschaft für den           rumsatzsteuer       wurde      mit     dem      zweiten
               Hafen Hamburg 2040 ist es, den Hafen zu einem Motor           Corona-Steuerhilfegesetz die Fälligkeit der Einfuhrum-
               und Innovationstreiber der Hamburger Wirtschaft zu            satzsteuer (sog. Fristenlösung) verschoben. Dies ist eine
               machen. Um dieses Hauptziel herum wurden über eine            begrüßenswerte Zwischenlösung, deren Vorteile beim
               breite Diskussion in den Gremien der Handelskammer            Import von Waren über deutsche Häfen nun auf breiter
               vier Unterziele identifiziert, die zugleich die Handlungs-    Front vermarktet werden müssen. Parallel sollten jedoch
               felder für die konkret notwendigen Maßnahmen benen-           möglichst schnell weitere Schritte hin zur Einführung
               nen (Abbildung 7).                                            eines Verrechnungsmodells unternommen werden, um
                                                                             weiterhin bestehende Nachteile wie die unnötige Bin-
                                                                             dung von Liquidität importierender Unternehmen auf-
               b) Handlungsfelder                                            zulösen sowie einen erhöhten Bürokratieaufwand zu
                                                                             minimieren.
               1. R
                   egulatorische und infrastrukturelle Wachs-
                  tumshemmnisse beseitigen                                   Um die seewärtigen Zufahrten und Hafenbecken ver-
               Die Beseitigung regulatorischer und infrastruktureller        lässlich vom Schlick zu befreien, sollte die Schlickablage-
               Wachstumshemmnisse sind für den Hafen Hamburg wie             rung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) er-
               für alle deutschen Seehäfen von besonderer Relevanz.          möglicht werden. Davon würden die deutschen
               Neben langwierigen Planungs- und Genehmigungsver-             Hafenstandorte an Nord- und Ostsee gleichermaßen
               fahren für wichtige Infrastrukturprojekte ist auch die        profitieren. Auch bei alternativen Ablagerungsflächen
               deutsche Regelung zur Erhebung der Einfuhrumsatz-             entlang der Unterelbe muss der Kooperationsgedanke
               steuer ein echter Wettbewerbsnachteil. Obwohl erste           der beteiligten Bundesländer im Sinne der Stärkung des
               gesetzgeberische Maßnahmen, vor allem auf Druck der           gemeinsamen norddeutschen Wirtschaftsraums im
               IHK-Organisation, umgesetzt wurden, stehen wichtige           Vordergrund stehen. Um die Wachstumspotenziale des
               Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung wie die                Hamburger Hafens bestmöglich auszuschöpfen, sollte

               Abbildung 7: Ziele für den Hafen Hamburg 2021–2040

                                                                                                                © Handelskammer Hamburg 2020

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Zukunftsplan Hafen                                                   IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens

die see- und landseitige Erreichbarkeit weiter konse-          diert mit einem relativ hohen Anteil lokaler Ladung („Lo-
quent optimiert werden. Folgende Maßnahmen gilt es             Co-Quote“) von rund 30 Prozent. Diese wirkt wiederum
umzusetzen und über den neuen „Hafenentwicklungs-              als stabilisierender Faktor für den Hafenumschlag und
plan 2040“ langfristig abzusichern (s. auch Anhang 2):         sollte daher durch geeignete Maßnahmen weiter geför-
• Infrastruktur im Hafen auf Basis eines systematischen       dert werden. Schärfer ist der Wettbewerb der Hafen-
   Instandhaltungsmanagements umfassend erneuern               standorte vor allem im Segment der Hinterland- und
   und als permanente Aufgabe absichern (insb. Verkehrs-       Transshipment-Verkehre geworden. Durch seine ausge-
   wege und Brückenbauwerke, Kaikanten sowie digitale          zeichneten Schienenverbindungen und die Nähe zum
   Infrastruktur und flächendeckende Verkehrssteuerung)        Nord-Ostsee-Kanal (NOK) sind die Ausgangsvorausset-
• Bedarfsgerechte Finanzierung der Hamburg Port Autho-        zungen des Hamburger Hafens dabei sehr gut. Dazu hat
   rity (HPA) sicherstellen; Fokus auf das Kerngeschäft Aus-   auch beigetragen, dass der Investitionsstau auf dem
   bau und Unterhaltung der Hafeninfrastruktur legen           NOK sukzessive aufgelöst wird. Allerdings wird die Grö-
• Schlickproblematik im norddeutschen Verbund lösen           ßenbeschränkung des NOK zu einem gewissen Grad wei-
   und vertraglich zugesicherte Wassertiefen im gesam-         ter zu einer Bevorteilung der Westhäfen führen. Über die
   ten Hafengebiet sicherstellen                               niederländischen und belgischen Häfen werden die
• Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe im             Dienste von Großschiffen über den Seeweg um Skagen
   Zeitplan abschließen                                        direkt in die Ostsee geroutet. Dem könnte man vor allem
• Ausbau der Hinterlandanbindungen und weiterer ha-           mit einer Stärkung der Hafenumfuhr und mit Effizienz-
   fenrelevanter Verkehrsprojekte konsequent vorantrei-        steigerungen des Umschlags entgegenwirken.
   ben; A26 Ost und eine neue Köhlbrandquerung bis
   2030 fertigstellen                                          Die auf der Zielgeraden befindliche Fahrrinnenanpas-
• Vorteil der guten Schienenanbindung des Hamburger           sung der Unter- und Außenelbe sowie die Neuregelung
   Hafens und in Richtung der osteuropäischen und              des Verfahrens zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer
   skandinavischen Märkte weiter ausbauen; zur Förde-          zum 1. Dezember 2020 bauen weitere zentrale Wettbe-
   rung des klimafreundlichen Transports die Finanzier-        werbsnachteile im Vergleich zu den Westhäfen ab. Sie
   barkeit einer spürbaren und dauerhaften Trassenpreis-       sind aber nur ein erster Zwischenschritt hin zu einem
   senkung prüfen                                              Verrechnungsmodell. Folgende Maßnahmen sind umzu-
• Verknüpfung der Schienennetze von Hafenbahn und             setzen und über den neuen „Hafenentwicklungsplan
   Deutscher Bahn verbessern, um Flaschenhälse aufzu-          2040“ langfristig abzusichern:
   lösen; insbesondere Gleisanbindung von Altenwerder          • Ansiedlungskampagne für hafenaffine Industrie- und

   Ost in Richtung Kattwykbrücke bis 2025 realisieren             Logistikunternehmen in und um Hamburg sowie im
• Anliegen der norddeutschen Häfen auf Bundes- und               Unterelberaum aufsetzen, um die lokale Ladung weiter
   EU-Ebene im norddeutschen Schulterschluss (u. a.               zu erhöhen und zusätzliche Ladung für den Hamburger
   Schlickverbringung in die AWZ) deutlich intensiver ver-        Hafen zu generieren
   mitteln                                                     • Vorhandene Wertschöpfungsketten vertiefen; industri-
• Verwaltungsprozesse vereinfachen und weiter digitali-          elle Nutzung im Hafen über entsprechende Fläche-
   sieren sowie Behördenzuständigkeiten für hafenrele-            nentwicklung und Projekte gezielt stärken
   vante Themen bündeln (z. B. Genehmigungen für               • Weitere Terminalbeteiligungen („Dedicated Terminals“)

   LNG-Versorgung); Entscheidungsprozesse spürbar                 ermöglichen, wo dies unter Berücksichtigung knapper
   straffen und beschleunigen                                     Liegeplatzkapazitäten dem Ziel der Ladungsbindung
• Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Bau-                 und -generierung nachhaltig dient
   phasen für bedeutende Infrastrukturprojekte dringend        • Norddeutsche Kooperation der Seehafenstandorte
   weiter beschleunigen; Investitionsmittel auf hohem             über ein gemeinsames Vermarktungsprogramm weiter
   Niveau verstetigen und Personalkapazitäten bei Vorha-          intensivieren, um im Wettbewerb mit anderen europä-
   benträgern und Genehmigungsbehörden ausbauen                   ischen Hafenstandorten mehr Ladung nach Deutsch-
• EU-Vorgaben pragmatisch und wirtschaftsfreundlich              land und damit auch nach Hamburg zu lenken
   umsetzen und auf „Goldplating“ verzichten                   • Marketingbudgets im Vergleich zu den Westhäfen
• Verrechnungsmodell bei der Einfuhrumsatzsteuer zeit-           wettbewerbsfähig gestalten und an aktuellen Themen
   nah einführen                                                  orientieren
·                                                              • Preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Hafens durch ge-

2. Ladung binden und generieren                                   zielte Bemühungen aller privaten und institutionellen
Die Lage des Hamburger Hafens im Herzen einer fünf                Hafenakteure sowie seitens der Politik verbessern; In-
Millionen Einwohner großen Metropolregion und einer               teressenkonflikte der öffentlichen Hand auflösen und
starken industriellen Basis im Hafengebiet korrespon-             privaten Wettbewerb stärken

                                                                                                                                            15
IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens                                           Zukunftsplan Hafen

               3. Innovationen vorantreiben und neue Wert-                  Logistik über den Personennahverkehr bis hin zu Kurier-,
                   schöpfungsketten etablieren                               Express- und Postdiensten oder im Gesundheitssektor
               Innovationen bilden die Triebfeder der wirtschaftlichen       zur Unterstützung in der Pflege, bietet Hamburg vielfäl-
               Entwicklung, die der Hafen stets ausgelöst und voran-         tige Anwendungsmöglichkeiten. In allen diesen Berei-
               getrieben hat. Angesichts der Bemühungen um eine              chen könnten so erhebliche Produktivitätsfortschritte
               Dekarbonisierung muss er stärker als bisher als Stand-        erzielt werden. Der Hafen kann für dieses Thema gleich-
               ort für Forschung und Entwicklung sowie den Um-               sam Innovationstreiber als auch Testfeld sein und so die
               schlag und die Nutzung von Wasserstoff ausgestattet           Nutzung seiner Infrastruktur effizienter gestalten. Ham-
               werden. Aufgrund seiner Rolle als Logistikzentrum und         burg muss in der Anwendung von autonomen Systemen
               Seehafenstandort ist Hamburg prädestiniert für Anla-          mit einer starken Vernetzung und hoher wissenschaftli-
               gen zur Wasserstoffelektrolyse, zur Ansiedlung von Im-        cher Kompetenz punkten. Auf diese Weise erhöht die
               portterminals und von Unternehmen, die in ihren in-           Stadt auch ihre Standortattraktivität für Ansiedlungen
               dustriellen Prozessen grünen Wasserstoff einsetzen.           von Entwicklern, Start-ups, Anbietern und Herstellern
               Durch die Ansiedlung von Importterminals kann die             von autonomen Systemen (s. Abbildung 8).
               Hansestadt in einer zukünftigen grünen Wasserstoff-
               wirtschaft eine tragende Rolle spielen, zum Beispiel          Ein weiteres Zukunftsfeld, das in einem engen Schulter-
               beim Import und der Verteilung von Wasserstoff aus            schluss zwischen dem Umschlag von Rohstoffen und
               dem Bereich der Sahara, wo die Bundesregierung So-            Vorprodukten sowie entsprechenden Innovationsbemü-
               lar- und Elektrolyseanlagen für die Energiegewinnung          hungen zu bespielen wäre, ist die industrielle Entwick-
               und den Transport nach Europa massiv fördern will (s.         lung von Materialien und Produkten auf Basis nach-
               „Nationale Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung,         wachsender Rohstoffe. Dafür kann das am Standort
               2020). Gleiches gilt für die Nutzung sowie den Export         vorhandene Know-how im Bereich der Nanotechnologie
               von Wasserstofftechnologien und -komponenten. Dar-            erfolgreich genutzt werden. Der Hafen würde zum Kris-
               über hinaus sollte der Ausbau von Infrastruktur für           tallisationspunkt für neue Ideen, Anwendungen und Ge-
               weitere alternative Energieträger unterstützt werden.         schäftsmodelle und würde gleichzeitig neue Ladung
               Hamburg kann hier nur im Verbund mit seinen nord-             generieren. Dafür sind folgende Maßnahmen erforder-
               deutschen Nachbarn zu einem international führenden           lich, die Teil des neuen „Hafenentwicklungsplans 2040“
               Standort werden. Über die IHK Nord hat die Kammeror-          werden sollten:
               ganisation bereits das grüne Wasserstoffprojekt HY-5          • Hamburg als Vorreiter für alternative Antriebe und
               initiiert. Es belegt eindrucksvoll, wie dieses Thema im          Treibstoffe über entsprechende Projekte positionieren
               norddeutschen Verbund vorangetrieben werden kann                 und den Zukunftsmarkt alternative Energien durch
               (s. Abbildung 11, Anhang 3).                                     norddeutsche Kooperation erschließen
                                                                             • Strom aus erneuerbaren Energien, der für die Wasser-

               Bei der Nutzung von alternativen Schiffsantrieben und            stoffelektrolyse und Erzeugung wasserstoffbasierter
               Landstrom kann die Kreuzschifffahrt wichtige Impulse             synthetischer Treibstoffe verwendet wird, vollständig
               geben. An der Schnittstelle zwischen Hafen und Touris-           von EEG-Umlagen befreien; weitere Abgaben wie Net-
               mus hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren             zentgelte möglichst absenken
               eine für Hamburg wichtige Wertschöpfungskette etab-           • Digitalisierung der Hafenunternehmen durch flächen-
               liert, die es angesichts des coronabedingt schwierigen           deckende Versorgung mit Breitband und schnellem
               Marktumfelds zu sichern gilt.                                    Mobilfunk zügig ermöglichen; dabei die Cybersicher-
               Durch die Schaffung eines Hamburger Netzwerks für                heit gewährleisten
               autonome Systeme und autonome Mobilität kann                  • Innovative Unternehmen und Start-ups aus neuen
               Hamburg diese Technologien in vielfältigen Anwen-                Branchen im Hafen und am Rand ansiedeln, um beste-
               dungsfeldern etablieren und zur Modellstadt für auto-            hende Branchen zu befruchten und den Hafen weiter
               nome Systeme werden. Angefangen von Hafen und                    zu diversifizieren

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Zukunftsplan Hafen                                             IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens

•   nternehmen im Bereich Entwicklung und Produktion
   U                                                        jüngst angekündigte Magnetschwebebahn im Hafen
   neuer Materialien auch auf Basis von nachwachsenden      zum schnellen, autonomen Transport von Containern)
   Rohstoffen und Nanotechnologie in Hafennähe ansie-    • Kreuzschifffahrtstandort als Impulsgeber für alternati-

   deln, um weitere Ladung an den Hafen zu binden und       ve Schiffsantriebe und Landstrom sowie als bedeuten-
   ihn als Zentrum nachhaltiger Industrien zu stärken       de Wertschöpfungsquelle an der Schnittstelle von Ha-
• Ein Hamburger Netzwerk für autonome Systeme und          fen und Tourismus erhalten und stärken
   autonome Mobilität mit dem Hamburger Hafen als        • Erfolg der Hafenentwicklung künftig stärker anhand

   Nukleus aufbauen und Hamburg zur Modellstadt für        eines wertschöpfungsbasierten Ansatzes messen und
   autonome Systeme entwickeln (z. B. den „Smart City      Einführung eines Hafen-Wertschöpfungsindexes prüfen
   Loop“ als intelligente Transportalternative und die

Abbildung 8: Vorschlag für ein Hamburger Netzwerk für autonome Systeme und autonome Mobilität

                                                                                              © Handelskammer Hamburg 2020

                                                                                                                                      17
IV. Forderungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens                                             Zukunftsplan Hafen

               4. S tadt- und Hafenentwicklung synergetisch                 rücksichtigung der Bedürfnisse der Hafenwirtschaft er-
                   betreiben                                                 folgen, die unter anderem auf seeschifftiefes Wasser
               Aus der Lage des Hamburger Hafens in unmittelbarer            sowie angeschlossene Umschlags-, Lager- und Logistik-
               Nähe zur Wohnbevölkerung und Büroarbeitsplätzen in            flächen angewiesen ist. Für die Ansiedlung neuer Indus-
               einer wachsenden Metropole ergeben sich potenzielle           trien und Wertschöpfungsketten müssen außerdem
               Nutzungskonflikte. Die Diskussion um eine zukunftsge-         passende Flächenentwicklungskonzepte erstellt werden.
               richtete Stadtentwicklung führt zumindest an den Ha-          Die Überlegungen zum Bau einer Wasserstoffelektroly-
               fenrändern zu unterschiedlichen Begehrlichkeiten und          seanlage in Moorburg sowie die aktuellen Entwicklun-
               Nutzungsideen. Dass sich der Zuschnitt des Hafens im          gen rund um das dortige Kohlekraftwerk könnten dabei
               Lauf der Jahrzehnte ändert, zeigt die von der Stadt Ham-      als Ausgangspunkt dienen. Ziel muss es sein, auch die
               burg beschlossene Umwidmung der Hafenfläche Über-             bestehenden Hafenerweiterungsflächen zu einem Ener-
               seezentrum auf dem östlichen Kleinen Grasbrooks und           gie- und Klimahafen mit vor- und nachgelagerten Wert-
               von Teilflächen des südlich davon gelegenen mittleren         schöpfungsstufen zu entwickeln. Folgende Maßnahmen
               Kleinen Grasbrook zum neuen Stadtteil Grasbrook. Die          sind dafür notwendig und sollten in den neuen Hafen-
               insgesamt immer näher an den Hafen heranrückende              entwicklungsplan 2040 langfristig einfließen:
               Wohnbebauung kann jedoch aufgrund von immissions-             • Den neuen, von der Stadt Hamburg geplanten Stadtteil

               schutzrechtlichen Vorgaben zu Einschränkungen bei an-            Grasbrook konsequent zum Innovationsquartier ent-
               grenzenden Hafenbetrieben führen, die durch geeignete            wickeln und zum Magneten für hochinnovative Unter-
               Maßnahmen zu vermeiden sind. Wo Hafenbetriebe zum                nehmen und qualifizierte Fachkräfte aus den Bereichen
               Beispiel im Umschlag von Gefahrgütern trotz bestmög-             erneuerbare Energien, neue Materialien und autonome
               licher Maßnahmen vor Einschränkungen nicht geschützt             Systeme und Mobilität machen
               werden können, müssen alternative Flächen in mindes-          • Immissionsschutzrechtliche Einschränkungen angren-

               tens gleichwertiger Qualität an anderer Stelle zur Verfü-        zender Hafenbetriebe durch heranrückende Wohnbe-
               gung gestellt werden. Den betroffenen Unternehmen                bauung unbedingt vermeiden
               dürfen durch einen eventuell notwendigen Umzug keine          • Den betroffenen Unternehmen, die durch heranrü-
               wirtschaftlichen Nachteile entstehen – weder durch den           ckende Wohnbebauung vor immissionsschutzrechtli-
               Umzug selbst noch durch die Weiterführung des Be-                chen Einschränkungen nicht ausreichend geschützt
               triebs an neuer Stelle. Im Gegenteil: Eine gegebenenfalls.       werden können, alternative Flächen in mindestens
               notwendige Verlagerung muss immer dazu genutzt wer-              gleichwertiger Qualität an anderer Stelle im Hafen an-
               den, dass das jeweilige Unternehmen an seinem neuen              bieten; wirtschaftliche Nachteile für Hafenbetriebe, die
               Standort gestärkt dasteht.                                       umziehen müssen, unbedingt vermeiden
                                                                             • Neue Industriequartiere auf hafennahen Flächen sowie

               Die zunehmende Flächenkonkurrenz wirft zudem immer               entlang der Unterelbe entwickeln und damit sowohl
               wieder die Frage auf, wie eine möglichst hohe Flächen-           hafenaffine Industrieansiedlung und industrielle Wert-
               effizienz im Hafen erreicht werden kann. Grundlage               schöpfung als auch lokale Ladung für den Hamburger
               hierfür ist eine möglichst hohe Wertschöpfung bezogen            Hafen stärken
               auf die zur Verfügung stehende Fläche. Dies macht in          • Hafenerweiterungsgebiet Moorburg für die Entwick-
               der Regel jedoch umfangreiche Investitionen notwen-              lung eines Energie- und Klimahafens vorsehen, der
               dig, für welche die Unternehmen Planungssicherheit               Möglichkeiten zur Erzeugung von umweltfreundlicher
               benötigen. Eine hohe Flächeneffizienz im Hafen ist               Energie und Energieträgern einschließlich vor- und
               grundsätzlich erstrebenswert. Sie sollte aber unter Be-          nachgelagerter Wertschöpfungsstufen bietet

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