EUROPA 2019 bis 2024 Positionen des BDEW für sichere und bezahlbare Energie, den Schutz der Gewässerressourcen und Klimaschutz in Europa

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EUROPA 2019 bis 2024 Positionen des BDEW für sichere und bezahlbare Energie, den Schutz der Gewässerressourcen und Klimaschutz in Europa
EUROPA 2019 bis 2024
Positionen des BDEW für sichere und bezahlbare Energie,
den Schutz der Gewässerressourcen und Klimaschutz in Europa

                                                              www.bdew.de
SICHERE UND BEZAHLBARE ENERGIE,
SCHUTZ DER GEWÄSSERRESSOURCEN UND
KLIMASCHUTZ IN EUROPA

Vom 23. bis 26. Mai 2019 haben die Bürgerinnen und      Mit den richtigen Rahmenbedingungen bietet die
Bürger der EU ein neues Europäisches Parlament ge-      Energiewende vielfältige Chancen für nachhaltiges
wählt. Dieses hat am 16. Juli 2019 auf Vorschlag des    dynamisches Wachstum für die Unternehmen der
Europäischen Rates Ursula von der Leyen zur neuen       Energiewirtschaft. Sie reichen vom Ausbau der Erneu-
Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt.        erbaren Energien und dem Umbau des Kraftwerks-
Sowohl das neue Europäische Parlament als auch die      sektors über Infrastruktur und Dienstleistungen rund
zukünftige Europäische Kommission können auf Vie-       um Elektromobilität und alternative Antriebe bis hin
lem aufbauen, was die EU in der vergangenen Legis-      zu Sektorkopplungstechnologien wie Power-to-Gas
laturperiode für die Gewährleistung von sicherer und    (PtG).
bezahlbarer Energie, den Schutz der Gewässerres-
sourcen und den Klimaschutz erreicht hat.
                                                        Die Europäische Union sollte Rahmenbedingungen
                                                        für den Übergang zur Erreichung des Ziels einer kli-
•   Ein umfangreiches Gesetzespaket für sauberen
                                                        maneutralen Wirtschaft bis 2050 schaffen, die die
    Strom, in dessen Mittelpunkt der Verbraucher
                                                        Wettbewerbsfähigkeit, soziale Ausgewogenheit und
    steht;
                                                        Sicherheit der Energieversorgung gewährleisten.
•   Die Grundlagen für das Pariser Klimaschutzüber-     Ohne Gas wird das nicht gehen. Damit Gas seinen
    einkommen von 2015;                                 entscheidenden Beitrag zur Erreichung der weitest-
•   Drei Gesetzesakte zur Mobilität, mit denen die      gehenden Klimaneutralität der Energieversorgung in
    Fahrzeugemissionen bis 2030 deutlich gesenkt        2050 leisten kann, ist ein neues Gaspaket erforder-
    werden sollen;                                      lich. Dessen Dreh- und Angelpunkt sollte ein klares
•   Die EU-Trinkwasserrichtlinie wird gerade ange-      Bekenntnis und eine strategische Sichtweise der EU
    passt. Ziel ist die Sicherstellung hoher europäi-   zum Energieträger Gas auch in einer über das Jahr
    scher Qualitätsanforderungen;                       2050 hinausgehenden Perspektive sowie zur Integra-
•   Die EU-Arzneimittelstrategie soll das Verursa-      tion und Nutzung erneuerbarer und dekarbonisierter
    cherprinzip stärken;                                Gase sein.
•   Eine Strategie für einen digitalen Binnenmarkt,
    die der Modernisierung aller Lebensbereiche und
                                                        Der digitale Binnenmarkt muss endlich weiter ver-
    der Sicherheit vor Gefahren im Netz dient.
                                                        tieft werden. Das gilt auch für die Energie- und Was-
                                                        serwirtschaft. Europa kann es sich nicht leisten, von
Auch in den kommenden fünf Jahren müssen die Eu-
                                                        Amerika und China abgehängt zu werden.
ropäische Kommission, das Europäische Parlament
und die EU-Mitgliedstaaten viele Themen voranbrin-
gen, um in einer schwieriger gewordenen Welt künf-      Der Abbau von Bürokratie bleibt eine Daueraufgabe,
tig Umwelt- und Klimaschutz, Wohlstand und Sicher-      gerade auch, um die Innovations- und Leistungskraft
heit zu gewährleisten:                                  von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu
stärken. Die große Mehrzahl aller deutschen Stadt-   Im vorliegenden Papier beschreiben wir die wichtigs-
werke ist aus rein definitorischen Gründen von Er-   ten Handlungsfelder für die kommenden Jahre auf
leichterungen, Entlastungen oder Förderungen aus-    EU-Ebene und stellen die grundlegenden Positio-
geschlossen. Deshalb muss die KMU-Definition auf     nen des BDEW als Branchenverband der Energie- und
EU-Ebene endlich angepasst werden.                   Wasserwirtschaft vor.

       DAS HEIßT KURZ UND KNAPP:

       Nicht stehen bleiben beim Klimaschutz!

       Den Gasmarkt fit für eine immer grünere Zukunft machen!

       Schutz des Lebensmittels Nummer 1: Trinkwasser EU-weit sicherstellen!

       Abwasserwirtschaft nachhaltig gestalten: Stärkung des Verursacherprinzips!

       Chancen und Risiken der Digitalisierung nicht verschlafen!

       Mehr Forschung und weniger Bürokratie!
SICHERE UND BEZAHLBARE ENERGIE, SCHUTZ DER
GEWÄSSERRESSOURCEN UND KLIMASCHUTZ IN EUROPA

   ERWARTUNGEN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
   AN DEN ENERGIEBINNENMARKT                                                        6
   Nachhaltig Wachstum generieren                                                   6
   Strombinnenmarkt: Versorgungssicherheit auf Energiewende ausrichten              7
   Den Gasbinnenmarkt fit für eine immer grünere Zukunft machen                     7
   Gasinfrastruktur nutzen und weiterentwickeln                                     9
   Sektorkopplung ermöglichen                                                       9

   ERWARTUNGEN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
   ZUR ENERGIEWENDE                                                                12
   Weichen für 2050 richtig stellen                                                12
   Klimaziel für 2030 – eine wichtige Etappe auf dem Weg nach 2050                 12
   Europäischen Zertifikatehandel beibehalten und ausbauen                         13
   CO2-Preis durchgängig etablieren                                                14
   Erneuerbare Energien, Motor der Europäischen Energiewende                       15
   Fern- und Nahwärmeversorgung langfristig einbeziehen                            16
   Saubere Mobilität: Verkehrspakete der EU durchsetzen                            17
   Nachhaltige Finanzierung auf den Weg bringen und pragmatisch ausgestalten       19
   Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien an Energiewende ausrichten                19

   ERWARTUNGEN DER WASSERWIRTSCHAFT
   AN DIE EU-WASSERPOLITIK                                                         22
   Trinkwasser: Schutz des Lebensmittels Nummer 1 EU-weit sicherstellen            22
   Sinnvolle Weichen für die zukünftige EU-Trinkwasserrichtlinie stellen           22
   Abwasserwirtschaft nachhaltig gestalten: Stärkung des Verursacherprinzips       23
   EU-Arzneimittelstrategie konsequent und verbindlich umsetzen                    23
   Kommunale Abwasserrichtlinie                                                    25
   Evaluierung der kommunalen Abwasserrichtlinie                                   25
   Evaluierung der Wasserrahmenrichtlinie                                          25
   Verordnung über Mindestanforderungen für die Wasserwiedergewinnung              26
   Gemeinsame Agrarpolitik und die konsequente Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie   26
   Konzessionsvergabe in der Wasserwirtschaft                                      28
DAS EUROPA DER ZUKUNFT BAUEN -
INNOVATIV, DIGITAL UND UNBÜROKRATISCH                                           30
Digitalisierung ist die zentrale Grundlage des Energiesystems der Zukunft       30
Die Chancen der Digitalisierung für die Energiewirtschaft fördern               31
Digitalisierung in der Wasserwirtschaft                                         32
Cybersicherheit in der Energie- und Wasserwirtschaft weiter gemeinsam stärken   33
Forschung und Innovation                                                        33

EUROPÄISCHEN MEHRWERT NUTZEN,
BÜROKRATIE ABBAUEN                                                              34
EU-KMU-Definition ändern                                                        34
Bürokratieabbau bleibt Daueraufgabe                                             35
Erwartungen der Energiewirtschaft an den Energiebinnenmarkt

ERWARTUNGEN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
AN DEN ENERGIEBINNENMARKT

Der europäische Binnenmarkt für Strom und Gas ist            Eine wichtige Grundlage dafür ist ein funktionieren-
das Fundament für eine sichere und bezahlbare Ener-          der Energiebinnenmarkt.
gieversorgung und den Klimaschutz in Europa. In der
letzten Legislaturperiode hat die EU mit dem Paket
                                                             Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird euro-
„Saubere Energie für alle Europäer“ einen wichtigen
                                                             paweit der Motor dieses Wachstums sein. In vie-
Schritt zu einem funktionierenden Strombinnen-
                                                             len Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – muss
markt mit einem stetig steigenden Anteil Erneuer-
                                                             der Kraftwerkssektor fast vollständig umgekrem-
barer Energien, mehr Dezentralität und Flexibilität
                                                             pelt werden. Zusätzlich ist der Strukturwandel eine
sowie mehr Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme der
                                                             Herausforderung in vielen Teilen Europas. Auch das
Verbraucher getan. Weitere Schritte müssen folgen,
                                                             schafft neue Wachstumschancen.
um den Energiebinnenmarkt und das Energiesystem
in seiner Gesamtheit weiter auf eine sichere, bezahl-
bare und klimaneutrale Zukunft auszurichten.                 Für das Erreichen der europäischen CO2-Flottengrenz-
                                                             werte für PKW und schwere Nutzfahrzeuge braucht es
                                                             eine wachsende Zahl an Fahrzeugen mit Elektro- und
Nachhaltig Wachstum generieren
                                                             anderen alternativen Antrieben wie CNG/LNG und
Die EU hat sich in ihrer Strategischen Agenda 2019
                                                             Wasserstoff. Damit steigt der Bedarf an Lade- und
bis 2024 vom Juni 2019 viel für die Zukunft vorge-
                                                             Tankinfrastruktur. Sollte der Anteil der E-Pkw-Neu-
nommen. Wie viel sich hiervon realisieren lässt, hängt
                                                             zulassungen von aktuell 2 Prozent auf 10 Prozent
ganz wesentlich davon ab, dass es gelingt nachhalti-
                                                             steigen, müssten allein in Deutschland im öffentli-
ges Wachstum zu generieren. Ein nachhaltiges dyna-
                                                             chen Raum jährlich – je nach Verteilung von AC- bzw.
misches Wirtschaftswachstum wird deshalb auch in
                                                             DC-Ladeorten – mindestens 9.000 neue Ladepunkte
Zukunft ein zentrales Ziel sein.
                                                             errichtet werden und mehrere hunderttausend priva-
                                                             te Ladepunkte am Wohnort und am Arbeitsplatz ent-
Aus der dringenden Notwendigkeit, Treibhaus-                 stehen. Wachstums- und Innovationschancen bietet
gas-Emissionen weiter zu senken, entsteht wirt-              nicht nur die Infrastruktur, sondern auch der Dienst-
schaftliche Dynamik. Mit der Gestaltung der Energie-         leistungsmarkt um die neuen Antriebsformen herum.
welt von morgen sind neue Wachstumschancen für
die Unternehmen der Energiewirtschaft verbunden.
                                                             Die Nachfrage nach Technologien, die eine verläss-
                                                             liche und stabile Rund-um-die Uhr-Nutzung von
  In Deutschland soll 2038 das letzte Kohlekraft-            grünem Strom in allen Sektoren ermöglichen, wird
  werk den Markt verlassen, die Kernkraft ist bereits        steigen. In vielen Mitgliedstaaten bietet sich Po-
  im Jahr 2022 Geschichte. Damit müssen innerhalb            wer-to-Gas als Lösung an. Ziel einer Europäischen
  von knapp 20 Jahren 50 Gigawatt gesicherte                 Energiepolitik muss es auch sein, Innovationen von
  Leistung – das entspricht mehr als der Hälfte              Sektorkopplungstechnologien zu fördern. Dazu ge-
  unserer gegenwärtigen konventionellen Kapazität            hört es auch, die Hochlauf- und Markteintrittsphase
  – aus dem System genommen und durch Wind-                  von Power-to-Gas anzureizen.
  energie und Solaranlagen, Speicher sowie klima-
  freundliche Gaskraftwerke ersetzt werden.

                                                         6
Eine vorausschauende Energiepolitik schafft Innova-                    und anderen Kapazitätsmechanismen geprägt sein.
tionen und Wachstum. Die EU muss daher einen kla-                      Zugleich legt die Strombinnenmarkt-Verordnung den
ren politischen Rahmen für langfristige und kosten-                    Mitgliedstaaten, die einen Kapazitätsmarkt einführen
effiziente Investitionen in innovative und klimaneut-                  wollen, enge Fesseln an.
rale Technologien entwickeln.

                                                                       Die Überkapazitäten, durch die die Stromerzeugung
Strombinnenmarkt: Versorgungssicherheit auf                            in dem ablaufenden Jahrzehnt in vielen Mitgliedstaa-
Energiewende ausrichten                                                ten geprägt war, gehören absehbar der Vergangenheit
Mit fortschreitendem Ausbau von Wind- und Son-                         an1. Dementsprechend bleibt die Debatte über lang-
nenenergie werden Technologien der Stromerzeu-                         fristige Investitionssignale und wie die Stromversor-
gung, die gesicherte Leistung bereitstellen können,                    gungssicherheit mittel- und langfristig gewährleistet
für die Versorgungssicherheit weiter wichtig bleiben.                  werden soll, bestehen. Was könnte das geeignetste
Aber sie werden deutlich seltener genutzt werden,                      Strommarktdesign für einen zukünftigen vollständig
produzieren also immer weniger Strom. Im heutigen                      dekarbonisierten Strommarkt sein? Und was könnte
Strommarktdesign wird nur die tatsächlich erzeugte                     das geeignetste Marktdesign für den Übergang zu
Strommenge vergütet („energy only market“). Keine                      dieser Phase sein? Die mittelfristigen Kapazitätsab-
Vergütung ist dafür vorgesehen, dass Anlagen bereit-                   schätzungen von ENTSO-E lassen erkennen, dass es
gehalten werden, um einzuspringen, wenn Sonne und                      bereits Mitte des Jahrzehnts in vielen Mitgliedstaaten
Wind nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Das                       eng werden kann. Bis dahin müssen belastbare Kon-
lässt Investitionen in solche Erzeugungsanlagen un-                    zepte auf dem Tisch liegen.
ter den gegenwärtigen Bedingungen zu einem hohen
Risiko werden.
                                                                       Den Gasbinnenmarkt fit für eine immer grünere
                                                                       Zukunft machen
Das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ verbes-                  Mit Blick auf technische Machbarkeit, Wirtschaftlich-
sert das Funktionieren der kurzfristigen Strommärk-                    keit und Effizienz kann die Energieversorgung von
te, also des Großhandelsmarkts und der Endkun-                         morgen nicht allein auf Strom setzen. Gas und seine
denmärkte. Die Strombinnenmarkt-Verordnung                             Infrastruktur sind bestens geeignet, die Schwank-
enthält Grundsätze für die Ausgestaltung von Ka-                       ungen in der Erzeugung von Wind- und Sonnenener-
pazitätsmechanismen auf mitgliedstaatlicher Ebene.                     gie auszugleichen.
Der EU-Gesetzgeber konnte sich jedoch nicht dazu
entschließen, ein einheitliches europäisches Strom-
                                                                       Gas enthält deutlich weniger CO2 als alle anderen
marktdesign zu entwickeln, mit dem Investitionen in
                                                                       fossilen Energieträger. Das bringt die Energiewende
gesicherte Leistung angereizt werden. Infolgedes-
                                                                       voran. Aber Gas kann in Zukunft noch mehr. Es kann
sen wird der europäische Strombinnenmarkt durch
                                                                       grün werden. Dafür müssen die richtigen Vorausset-
einen Flickenteppich von Staaten ohne und Staaten
                                                                       zungen jetzt geschaffen werden. Um erneuerbare
mit Kapazitätsmärkten bzw. Strategischen Reserven

1
    BDEW, Fakten und Argumente, Verfügbarkeit ausländischer Kraftwerkskapazitäten für die Versorgung in Deutschland.

                                                                   7
Erwartungen der Energiewirtschaft an den Energiebinnenmarkt

und dekarbonisierte Gase und die dahinterstehen-
den Technologien wie Power-to-Gas zu ermöglichen,                                                                                                                                                                     In Deutschland werden bereits heute 9,3 Mrd.
muss die EU nach dem Paket „Saubere Energie für                                                                                                                                                                       kWh aufbereitetes Biogas in das Gasnetz ein-
alle Europäer“ nun auch die Regeln für den Gasbin-                                                                                                                                                                    gespeist. Das Gasnetz kann wachsende Anteile
nenmarkt modernisieren. Hierzu sind an erster Stelle                                                                                                                                                                  zunehmend CO2-ärmerer Gase aufnehmen.
ein klares Bekenntnis und eine strategische Sichtwei-
se der EU zum Energieträger Gas auch in einer über
das Jahr 2050 hinausgehenden Perspektive und zur                                                                                                                                                                Die Beimischung von Wasserstoff ist ein wichtiger
Integration und Nutzung erneuerbarer und dekarbo-                                                                                                                                                               Beitrag, um den Anteil erneuerbarer und dekarboni-
nisierter Gase unabdingbar.                                                                                                                                                                                     sierter Gase sukzessive zu erhöhen. Die zunehmende
                                                                                                                                                                                                                Einspeisung von Wasserstoff wird eine umfassende
                                                                                                                                                                                                                Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten er-
Im Mittelpunkt eines „Gaspakets“ muss der Markt
                                                                                                                                                                                                                fordern, um zu verhindern, dass Hindernisse für den
stehen. Erforderlich sind geeignete Rahmenbedin-
                                                                                                                                                                                                                grenzüberschreitenden Handel mit Gas entstehen.
gungen für die Integration von erneuerbaren und de-
                                                                                                                                                                                                                Dazu gehört u. a. ein europaweiter, zunächst niedriger
karbonisierten Gasen (einschließlich Wasserstoff) in
                                                                                                                                                                                                                Richtwert für die Einspeisung von Wasserstoff. Dage-
den Wettbewerb sowie für die Markteinführung von
                                                                                                                                                                                                                gen sollten die zur Erhöhung der Wasserstoffverträg-
Power-to-Gas. Notwendig ist außerdem ein Euro-
                                                                                                                                                                                                                lichkeit des Endverbrauchers erforderlichen Schritte
pa-einheitliches und unbürokratisches Nachweis-
                                                                                                                                                                                                                im nationalen Rahmen festgelegt werden und den
system, um den Handel mit erneuerbaren und de-
                                                                                                                                                                                                                dort tätigen Unternehmen und ihren Kunden ausrei-
karbonisierten Gasen auch grenzüberschreitend zu
                                                                                                                                                                                                                chend Raum für die nötigen Anpassungen lassen.
ermöglichen.

                                                                                                       Kiel
                                                                                                                                                                                                                       Das deutsche
                                                                                                                                                                                                                       Gas-Fernleitungsnetz
                                                                                                                                                                            Greifswald

                                                                                                                                                                                         Kamminke

                                                                                                                          Schwerin
                                                                                               Hamburg

                              Bunde/Oude Statenzijl                        remen

                                                                                                                                                                                                                           Fernleitungen L-Gas Deutschland
                                                                                                                                                                                                                           Fernleitungen H-Gas Deutschland
                                                                                                                                                            Potsdam Berlin

                                                                                          Hannover
                                                                                                                                                            Lichterfelde                                                   Leitungen noch nicht in Betrieb
                                                                                                                                        Magdeburg

                Elten/Zevenaar
                                                 Legden
                                                                                                                                                                                                    Gubin
                                                                                                                                                                                                                           Speicheranschlüsse Ausland
                                                                                                                                                                                                                           Speicher an Fernleitungsnetzen
                   Tegelen            Düsseldorf                                               Göttingen

                                                                                                       Allmenhausen                                                                                     Lasow
                             Glehn
                                                                                                                                                                               Dresden
                Haanrade
                                                                                                                        Erfurt
       Bocholtz und                                                                                                                  Ronneburg
       Bocholtz/Vetschau
       Eynatten/Raeren/                                                                                                                                                        Deutschneudorf
       Lichtenbusch                                                                                                                                                            Brandov
                                                                          Gießen
                                                                                   Herbstein
                                                                     Weidenhausen

                                                                    Frankfurt
                                                                  Wiesbaden
                                                          Mainz

                                                                                                                                              Rothenstadt

                                     Saarbrücken

                                                                                Stuttgart
                                                                                                                                                                      Deggendorf

                                                                                                                              Forchheim
                                                                                                           Wertingen          Vohburg

                                                                                                                                    Finsing

                                                                                                                                  München                         Überackern

                                                                  Thayngen-Fallentor
                                                  Basel
                                                                                                                       Pfronten

Abbildung 1: Das deutsche Gas-Fernleitungsnetz
Quelle: Fernleitungsnetzbetreiber; Stand 31.12.2017

                                                                                                                                                                                                    8
Gasinfrastruktur nutzen und weiterentwickeln                          Sektorkopplung ermöglichen
Gasinfrastrukturen können die Optimierung von De-                     Strom- und Gasbinnenmarkt sollten nicht nur für sich
karbonisierungspfaden in verschiedenen Sektoren                       allein genommen betrachtet werden. Durch ein klu-
(z. B. für Heizung und Kühlung, Verkehr, Industriean-                 ges Zusammenspiel beider Systeme lässt sich die fort-
wendungen) ermöglichen. Und sie können Tage der                       schreitende Dekarbonisierung zu geringeren Kosten bei
Dunkelflaute in der energieverbrauchsintensiven kal-                  einem deutlich höheren Grad an Versorgungssicherheit
ten Jahreszeit überbrücken und die nötige Flexibilität                erreichen. Das ist die Kernidee von Sektorkopplung.2
bereitstellen, um auf ein zu niedriges oder zu hohes                  Für eine erfolgreiche Sektorkopplung spielen erneuer-
Angebot von Wind- und Sonnenergie zu reagieren.                       bare und dekarbonisierte Gase eine große Rolle.
Die nötige Infrastruktur – bestehend aus Leitungs-
netz und Speicher – bis zum Endverbraucher ist beim
                                                                      Eine Schlüsseltechnologie der Sektorkopplung ist
Gas weitestgehend schon vorhanden. Das gilt gerade
                                                                      Power-to-Gas (PtG)3. Durch die Umwandlung erneuer-
in Deutschland mit seinem dichten Gasnetz und den
                                                                      barer elektrischer Energie in gasförmige Energieträger
größten Speicherreserven in der gesamten EU.
                                                                      durch Elektrolyse4 kann diese Energie unter Nutzung
                                                                      existierender Infrastrukturen und Anwendungen in den
Um den Erhalt der bestehenden Infrastruktur zu ge-                    anderen Sektoren nutzbar gemacht werden und somit
währleisten und den Aus- und Umbau von Gasnetzen                      zu deren Dekarbonisierung beitragen. PtG kann derzeit
zu ermöglichen, bedarf es langfristiger Investitions-                 als einzige Anwendung alle Sektoren (Strom, Industrie,
sicherheit. Hierzu ist ein verlässliches Konzept für die              Wärme und Verkehr) miteinander koppeln und dabei
mittel- und langfristige Nutzung der Gasinfrastruktur                 gleichzeitig eine übersaisonale Speicherfähigkeit von
nötig und erforderlichenfalls Maßnahmen zu deren                      Energie sicherstellen. Power-to-Gas kann eine wichti-
Weiterentwicklung.                                                    ge Rolle spielen, damit Erneuerbare Energien nicht ab-
                                                                      geregelt werden müssen.

Bestandteil eines solchen Konzepts muss auch eine
Strategie zum Umgang mit Wasserstoff sein. Wasser-
stoff kann sich in die bestehende Gasversorgung ein-                        Sektorkopplung ist für den BDEW die energie-
fügen und einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der                      technische und energiewirtschaftliche Ver-
Klimaziele für 2050 leisten. Wasserstoffnetze für die                       knüpfung von Strom, Wärme, Mobilität und
öffentliche Versorgung sollten denselben regulator-                         industriellen Prozessen sowie deren Infrastruk-
ischen Regeln unterliegen wie Gasnetze. Grundsätzlich                       turen mit dem Ziel einer Dekarbonisierung bei
sollte der Aufbau einer umfangreichen, parallelen neu-                      gleichzeitiger Flexibilisierung der Energienut-
en Infrastruktur vermieden werden, soweit dies nicht                        zung in Industrie, Haushalt, Gewerbe/Handel/
im Einzelfall kostengünstiger ist. Solche reinen Was-                       Dienstleistungen und Verkehr unter der Prä-
serstoffleitungen für zumeist industrielle Verbraucher                      misse der Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit
gibt es bereits heute, z. B. in Deutschland, aber auch in                   und Versorgungssicherheit. Auf EU-Ebene wird
anderen europäischen Mitgliedstaaten.                                       dies auch als „sector integration“ bezeichnet.

2
  BDEW-Positionspapier „10 Thesen zur Sektorkopplung“ vom 27. April 2017 und BDEW-Diskussionspapier „Marktregeln für eine
  erfolgreiche Sektorkopplung“ vom 28. Mai 2019.
3
  BDEW-Positionspapier: „Power-to-Gas – Eine Schlüsseltechnologie der Sektorkopplung“ vom 28. Mai 2019.
4
  Die Elektrolyse zerlegt unter Nutzung von Strom Wasser in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff steht
  anschließend direkt für die energetische oder stoffliche Nutzung zur Verfügung oder wird unter Zugabe von CO2 methanisiert.
  Dieses synthetische Methan (Synthetic Natural Gas – SNG) kann dann wie Erdgas eingesetzt werden.

                                                                 9
Erwartungen der Energiewirtschaft an den Energiebinnenmarkt

         Potenziale Überschussstrom
         Abgeregelte Mengen und Redispatch Leistungsreduktion

                                                                                                                                                           Netzausbau

                                                                                                                                                           DSM
                                                  5.402 MWh
                                                                                                                                      Energie-             Schwachwind-

                                                                                                       2023 für P-t-G
                                                                                                                                      effizienz            anlagen
                                                            13.3 TWh
      MWh

             2012

                    2013

                            2014

                                   2015

                                          2016

                                                 2017

                                                        rd.2018

                                                                       2019

                                                                              2020

                                                                                     2021

                                                                                            2022

                                                                                                                        2024

                                                                                                                               2025

                                                                                                                                      2026

                                                                                                                                             2027

                                                                                                                                                    2028

                                                                                                                                                            2029

                                                                                                                                                                   2030
                                                                                                   Potenzial
                                                                                                                                      Energie-             Schwachwind-
                                                                                                                                      effizienz            anlagen

                                                 -7.919 MWh                                                                                                DSM

                                                                                                                                                           Netzausbau

                           Abregelungen (Einsman nach §13 (2) EnWG)                                                 Redispatch Leistungsreduktionen

Abbildung 2: Abgeregelte Mengen und Redispatch Leistungsreduktionen: Potenziale
Quelle: BDEW Prinzipskizze

Bereits heute werden in Wärmenetzsystemen zuneh-                                            Die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Aus-
mend Power-to-heat-Anlagen (PtH) installiert. Hier-                                         gangsbedingungen für die Einführung von Sektor-
durch kann überschüssiger Strom aus Erneuerbaren                                            kopplungstechnologien unterscheiden sich sehr
Energien in Wärme zur Versorgung der Wärmekunden                                            stark von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Deshalb
umgewandelt werden. Daneben werden andere Sek-                                              wird es darauf ankommen, dass die EU die richtige
torkopplungstechnologien erprobt (PtX). Um eine                                             Balance findet. Sie sollte die Einführung von Sektor-
volkswirtschaftlich effiziente Sektorkopplung zu er-                                        kopplungstechnologien, u. a. durch die Beseitigung
reichen, sind technologieoffene und marktliche Rah-                                         von unnötigen regulatorischen Hürden und ein Level
menbedingungen unerlässlich. Hierfür sind insbeson-                                         Playing Field im Energiebinnenmarkt, unterstützen.
dere ein Level Playing Field im Bereich der Abgaben und
Umlagen sowie eine CO2-Bepreisung erforderlich, um
einen fairen Wettbewerb um die besten Lösungen zur
CO2-Reduktion ermöglichen zu können.

                                                                                      10
GAS ENTHÄLT DEUTLICH WENIGER CO2 ALS
ALLE ANDEREN FOSSILEN ENERGIETRÄGER.
DAS BRINGT DIE ENERGIEWENDE VORAN.
ABER GAS KANN IN ZUKUNFT NOCH MEHR.
ES KANN GRÜN WERDEN. DAFÜR MÜSSEN
DIE RICHTIGEN VORAUSSETZUNGEN JETZT
GESCHAFFEN WERDEN. UM ERNEUERBARE
UND DEKARBONISIERTE GASE UND DIE
DAHINTERSTEHENDEN TECHNOLOGIEN WIE
POWER-TO-GAS ZU ERMÖGLICHEN, MUSS DIE
EU NACH DEM PAKET „SAUBERE ENERGIE FÜR
ALLE EUROPÄER“ NUN AUCH DIE REGELN FÜR
DEN GASBINNENMARKT MODERNISIEREN.

                 11
Erwartungen der Energiewirtschaft zur Energiewende

ERWARTUNGEN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
ZUR ENERGIEWENDE

Weichen für 2050 richtig stellen                              Denn eine weitestgehende Dekarbonisierung des
Die EU ist nicht die Welt, aber wenn es um Klimaschutz        Energiesektors stellt eine Grundvoraussetzung für
geht, schaut die Welt auf die EU. In der nächsten Le-         die Klimaneutralität der Gesamtwirtschaft dar. Strom,
gislaturperiode muss ein verlässlicher Rahmen für             Fernwärme, erneuerbare und dekarbonisierte Gase
langfristige Klimaziele gesetzt werden. Dazu brau-            und strombasierte Kraft- und Brennstoffe werden
chen wir eine Langfriststrategie bis 2050, die ehrgei-        im Zuge der zunehmenden Sektorkopplung verstärkt
zig ist, und die zugleich die Wettbewerbsfähigkeit,           in den Bereichen Wärme, Verkehr und Industrie zum
soziale Ausgewogenheit und Sicherheit der Energie-            Einsatz kommen.
versorgung gewährleistet. Die von der EU-Kommis-
sionspräsidentin vorgelegte Agenda for Europe und
                                                              Klimaziel für 2030 – eine wichtige Etappe auf dem
der darin enthaltene European Green Deal geben die
                                                              Weg nach 2050
richtigen Anstöße.
                                                              Durch die beschlossenen 2030-Ziele für Erneuerbare
                                                              Energien und Energieeffizienz werden nach Berech-
  Die deutsche Energiewirtschaft hat vorgemacht,              nungen der Europäischen Kommission voraussicht-
  wie es geht. Im Unterschied zu anderen Sektoren             lich bis 2030 zusätzliche Treibhausgas-Minderungen
  hat sie ihren CO2-Ausstoß seit 1990 drastisch               erreicht werden, die in die bisher vom Europäischen
  reduziert und wird ihren Beitrag zu den lang-               Rat anvisierten 40 Prozent nicht eingerechnet waren.
  fristigen Klimazielen bis 2050 leisten. Sie trägt           Inwieweit die Reform des EU-Emissionshandelssys-
  entscheidend zur Minderung der THG-Emissionen               tems (EHS) sowie die am Ende ambitionierter ausge-
  bei. Trotz Atomausstieg, Wirtschafts- und Bevöl-            fallenen Ziele für die Steigerung der Energieeffizienz
  kerungswachstum hat die Energiewirtschaft bis               und des Ausbaus der Erneuerbaren Energien bis 2030
  zum Jahr 2018 eine THG-Minderung von 155 Mil-               Spielräume für die Anhebung des Klimaziels über 40
  lionen Tonnen CO2eq bzw. 33 Prozent Minderung               Prozent hinaus eröffnet haben, sollte sorgfältig un-
  gegenüber 1990 erzielt. Mit einer Umsetzung der             tersucht werden.
  Empfehlungen der KWSB wird sie auch sicher ihre
  Klimaschutzziele von 61 bis 62 Prozent bis 2030
  erreichen.                                                  Zwischenziele müssen der Umsetzung der Verpflich-
                                                              tung aus dem Pariser Übereinkommen dienen. Bei der
                                                              konkreten Lastenverteilung ist zu berücksichtigen,
                                                              dass Deutschland für 2030 bereits ein ehrgeiziges
Das Übereinkommen von Paris muss die kla-
                                                              gesamtwirtschaftliches Minderungsziel beschlossen
re Richtschnur für das Handeln der EU sein. Der vor
                                                              hat (56 bis 55 Prozent Minderung gegenüber 1990)
diesem Übereinkommen seitens der EU formulierte
                                                              und derzeit große politische Kraftanstrengungen un-
Zielkorridor einer Minderung der Treibhausgase ge-
                                                              ternimmt, um die Zielsetzungen für 2030 mit kon-
genüber 1990 von 80 bis 95 Prozent THG erscheint
                                                              kreten Programmen und sektoralen Vereinbarungen
nicht ausreichend ehrgeizig und ist im Licht von Paris
                                                              zu unterlegen. Aus deutscher Sicht ist es besonders
anzupassen. Dem Energiesektor kommt eine Schlüs-
                                                              wichtig, dass die Arbeit der Kommission Wachstum,
selrolle zur Erreichung des 2050-Klimaziels zu. Die
                                                              Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB) und der
Stromversorgung soll deshalb deutlich vor 2050 kli-
                                                              am Ende erzielte Kompromiss nicht leichtfertig wie-
maneutral werden. Die gesamte Energieversorgung
                                                              der aufs Spiel gesetzt werden sollten.
soll dieses Ziel weitestgehend bis 2050 erreichen.

                                                         12
Europäischen Zertifikatehandel beibehalten und                        zentrales Klimaschutzinstrument zur Sicherstellung
ausbauen                                                              der EU-Treibhausgasminderungsziele für Energie-
Das europäische Schlüsselinstrument zur Minderung                     wirtschaft und Industrie wiederhergestellt worden.
der Treibhausgas-Emissionen im Energiesektor und                      Dieses EU-weit harmonisierte Instrument sollte un-
der energieintensiven Industrie ist das europäische                   bedingt fortgeführt werden und nach Möglichkeit
Emissionshandelssystem (EHS). Durch dieses markt-                     schrittweise um weitere Länder erweitert bzw. mit
orientierte Klimaschutzinstrument werden die Zie-                     anderen internationalen Emissionshandelssystemen
le zur Minderung in den EHS-pflichtigen Sektoren                      verknüpft werden, um auch langfristig über ausrei-
zielsicher und kosteneffizient erreicht. Der EU-EHS                   chende Liquidität und Minderungspotenziale zu ver-
wirkt. Durch die jüngste Reform des Emissionshan-                     fügen.
dels ist seine Funktionstüchtigkeit und Integrität als

         Preisentwicklung CO2-Emissionszertifikate
         01.01.2011 bis 12.07.2019

                 2011         2012        2013        2014        2015        2016        2017        2018        2019
         35

         30

         25

         20

         15

         10

           5

           0
                Ø: 12,94 €   Ø: 7,38 €   Ø: 4,47 €   Ø: 5,95 €   Ø: 7,68 €   Ø: 5,35 €   Ø: 5,83 €   Ø: 15,82 € Ø: 24,00 €
                                                     CO2-Emissionszertifikat* [€/t CO2]

         * 2011: EUA; 2012: EUSP 2008-2013; 2013-08/2015: EUSP 2012-2021; ab 09/2015: EUSP 2013-2020

Abbildung 3: Preisentwicklung CO2-Emissionszertifikate

Falls die europäischen Reduktionsziele für 2050 an-                   pfad einschwenken zu können. Solche Anpassungen
gepasst werden, sollte auch das Handelssystem über                    können, soweit erforderlich, im Rahmen des Mid-
eine Anpassung des Linearen Reduktionsfaktors an-                     Term-Reviews mit Wirkung ab 2025 vorgenommen
geglichen werden, um angesichts der erheblichen He-                   werden. Die Vorbereitungen hierfür sollten anlaufen,
rausforderungen der Dekarbonisierung so frühzeitig                    sobald die EU ein klares Minderungsziel für 2050 vor-
wie möglich auf den gemäß des Pariser Klimaabkom-                     gegeben hat.
mens für 2050 notwendigen Emissionsminderungs-

                                                                 13
Erwartungen der Energiewirtschaft zur Energiewende

Bei einer Zielanhebung muss eine faire Verteilung der                                bereits im EHS erfassten Sektoren Energiewirtschaft
zusätzlichen Minderung auf EHS- und Nicht-EHS-                                       und Industrie auswirken würde. Für die neu erfass-
Bereich erfolgen. Kosteneffizienz, Vorhersagbarkeit                                  ten Sektoren, hingegen, hätte dies aufgrund der dort
der Funktionsweise und Transparenz des EHS müs-                                      herrschenden viel höheren CO2-Vermeidungskosten
sen auch künftig in Verbindung mit einem robusten                                    vorerst nur einen geringen THG-Minderungseffekt.
Knappheitspreissignal für klimaschonende Investi-
tionen gewahrt bleiben.
                                                                                     CO2-Preis durchgängig etablieren
                                                                                     Auch in den Sektoren, die nicht dem europäischen
Dagegen erscheint eine Ausdehnung des EHS auf den                                    Emissionshandel unterliegen, muss CO2 einen Preis
Verkehrs- und Wärmesektor nur auf den ersten Blick                                   erhalten. Das gilt vor allem für Wärme und Verkehr.
plausibel. Eine Einbeziehung der Sektoren Wärme und                                  Wirksame CO2-Preissignale in allen Sektoren sowie
Verkehr in den EU-EHS würde zu höheren CO2-Zer-                                      eine schrittweise Überprüfung und Anpassung der
tifikatspreisen führen, was sich in erster Linie auf die                             heutigen Abgaben-, Umlagen- und Entgeltsystema-

                               CO2-Vermeidungskosten und CO2-Vermeidungspotenziale

                                     500

                                     400
      Vermeidungskosten in €/t CO2

                                     300

                                     200

                                     100

                                        0
                                         0      50     100         150        200        250        300     350       400
                                     -100

                                     -200

                                                                         Vermeidung in Mio. t CO2
                                             Energie   Industrie    Gebäude          Verkehr    Landwirtschaft    EHS-Bereich

Abbildung 4: CO2-Vermeidungskosten und CO2-Vermeidungspotenziale
Quelle: BDEW (eigene Darstellung nach BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“; Maßnahmen 95 %-Klimapfad, Abb. 18, S. 83)5

5
 Dargestellt sind die Mehrkosten einer CO2-Minderung um 95 % bis 2050 ggü. einem Referenzpfad. In diesem werden die Emissionen
um 61 % reduziert, wobei die Energiewirtschaft bereits eine Reduktion von 71 % erreicht. Dem EHS-Bereich werden die Sektoren
Energie und Industrie zugerechnet sowie der Umbau der Fernwärme, die in der Originalstudie im Gebäudebereich verortet wird.

                                                                                14
tik sind notwendig, um faire Wettbewerbsbedingun-                   im Hinblick auf den Rückfluss von Steuererlösen und
gen zwischen den Energieträgern und Technologien                    die Verwendung von Versteigerungserlösen setzen.
über die Sektoren hinweg zu erzeugen. Eine CO2-Be-                  Maßnahmen zur Dämpfung der sozialen Auswirkun-
preisung im Nicht-EHS-Bereich, die einen kostensei-                 gen einer CO2-Bepreisung von fossilen Brennstoffen
tigen Gleichlauf mit dem EHS-Bereich herstellt, wäre                ist dabei ausreichend Raum zu geben.
ein wichtiger erster Schritt für eine erfolgreiche Sek-
torkopplung und eine kosteneffiziente CO2-Minde-
                                                                    Erneuerbare Energien, Motor der Europäischen
rung im Wärme- und Verkehrsbereich.
                                                                    Energiewende
                                                                    Erneuerbare Energien sind der Motor der Energie-
Die EU muss die entsprechenden Rahmenbedingun-                      wende. Ihr Ausbau ist zur Erreichung der europäi-
gen und Leitplanken für die Einführung bzw. Weiter-                 schen Klimaziele in den Mitgliedstaaten unabding-
entwicklung der CO2-Bepreisung in den Mitgliedstaa-                 bar. In der vergangenen Legislaturperiode wurden
ten einschließlich einer ggf. erforderlichen Anpassung              mit der Verabschiedung des Pakets „Saubere Energie
der Energiesteuerrichtlinie und der Beihilfeleitlinien              für alle Europäer“ wichtige Weichen für den Ausbau

         Stromerzeugungsmix 2018
         In der EU 28 (Quelle: Agora Energiewende/Sandbag, The European power sector in 2018)
                             Lignite
             Hard coal        9,2 %      Other fossil
              10,0 %                       4,0 %

                                                                             Wind 11,8 %

           Gas                                                               Solar 3,9 %
                                    Renewables
          18,9 %                      32,3 %                                 Biomass 6,1 %

                                                                             Hydro 10,6 %

                          Nuclear
                          25,5 %

         In Deutschland (Quellen: BDEW-Schnellstatistikerhebung, Stat. Bundesamt, EEX, VGB, ZSW; Stand: 03/2019)
                         Erdgas        Heizöl, Pumpspeicher,
                         12,9 %        Sonstige 5,1 %
                                                                             Wasser 2,6 %
          Steinkohle
            14,1 %
                                                                             Wind onshore 14,3 %

                                    Erneuerbare
                                                                             Wind offshore 3,0 %
                                      35,0 %
                                                                             Photovoltaik 7,1 %

          Braunkohle                                                         Biomasse 7,1 %
            22,5 %                                                           Siedlungsabfälle 0,9 %
                            Kernenergie                                      Geothermie 0,03 %
                              11,8 %

Abbildung 5: Bruttostromerzeugungsmix 2018 in der EU 28 und in Deutschland

                                                               15
Erwartungen der Energiewirtschaft zur Energiewende

Erneuerbarer Energien in ganz Europa gestellt. Die                                   rumente wie die Fortführung des TEN-E-Programms
Erneuerbare-Energien-Richtlinie schafft verlässli-                                   und die „Connecting Europe“-Fazilität unterstützen.
che Rahmenbedingungen für Investitionen. Die Go-
vernance-Verordnung soll für die Einhaltung der auf
                                                                                     Fern- und Nahwärmeversorgung langfristig
EU-Ebene verbindlichen Ziele für Erneuerbare Ener-
                                                                                     einbeziehen
gien und Energieeffizienz durch angemessene Bei-
                                                                                     Über die Einbindung von Wärme aus Erneuerbaren
träge aller Mitgliedstaaten sorgen. Sie fördert zudem
                                                                                     Energien sowie von Abwärme (Sammelfunktion) wer-
die grenzüberschreitende Koordination der energie-
                                                                                     den Wärmenetze in den nächsten Dekaden wesentlich
und klimapolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaa-
                                                                                     zur Erreichung der Klimaziele und zur Realisierung der
ten. Prosumer können als Einzelne oder im Verbund
                                                                                     Energiewende im Wärmemarkt beitragen. Perspekti-
mit anderen noch besser als zuvor ihren persönlichen
Beitrag zur Energiewende leisten.
                                                                                          Die deutsche Energiewirtschaft stellt sich den
                                                                                          Herausforderungen. Allein im Hinblick auf den
Wenngleich die Kosten für Erneuerbare Energien                                            Ausbaubedarf bedeutet das 65-Prozent-Ziel
enorm gesunken sind, gelingt der Ausbau nicht von                                         für Deutschland, dass wir die Stromerzeugung
selbst. Die Akzeptanz durch die Bürger ist eine zentra-                                   aus Erneuerbaren Energien von heute etwa 226
le Erfolgsbedingung, der Aus- und Umbau der Strom-,                                       TWh (2018) auf etwa 320 TWh im Jahr 2030
Gas- und Fernwärmenetze eine weitere. Hier kann die                                       steigern müssen. Hinzu kommen Folgeinves-
EU durch Öffentlichkeitsarbeit, aber auch durch Inst-                                     titionen in Transportnetze und Flexibilitäten
                                                                                          zum Erhalt der Versorgungssicherheit.

                               Stromerzeugung nach Energieträgern
                                                                                                                             226,4
                                225                                                                                  216,2
                                200                                                                188,6   189,9
     in Mrd. Kilowattstunden

                                175                                                       162,5
                                                                                 152,5
                                150                                     143,3
                                125                           123,6
                                                      105,3
                                100     94,1   95,7

                                 75
                                 50
                                 25
                                   0
                                       2008    2009   2010    2011      2012     2013     2014     2015    2016      2017    2018*
                                                Wasser     Biomasse      Siedlungsabfall (50%)       Wind offshore

                                                         Wind onshore      Photovoltaik       Geothermie
                                * vorläufig

Abbildung 6: Entwicklung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland
Quellen: ZSW, BDEW; Stand: 03/2019

                                                                                16
visch kann die Fernwärme/-kälte sogar klimaneutral                         Bereits heute ist durchschnittlich ein Wär-
werden – und zwar durch Biomethan, synthetisches                           meanteil auf Basis Erneuerbarer Energien in
Gas, Power-to-Heat und Großwärmepumpen. Dies                               Höhe von 14 Prozent in den Wärmenetzen
sollte bei der künftigen Gestaltung der europäischen                       in Deutschland enthalten. Künftig wird es zu
Klima- und Energiepolitik angemessen berücksich-                           einer weiteren Diversifizierung der Wärmeer-
tigt werden.                                                               zeugung für die leitungsgebundene Wärmever-
                                                                           sorgung kommen, so dass bis zum Jahr 2050
                                                                           mehr als 88 Prozent der Wärme aus Erneuerba-
Die in der vergangenen Legislaturperiode überarbei-
                                                                           ren Energien, Ab- und Umweltwärme sowie aus
tete Erneuerbare-Energien-Richtlinie öffnet die Wär-
                                                                           der Abfallverwertung stammen können. Neben
menetze für Erneuerbare Energien. Weitere Schritte
                                                                           KWK-Wärme auf Basis von Biogas, PtG, Abfall
zu einer Neuausrichtung der Wärmeversorgung sind
                                                                           und Erdgas werden bis zum Jahr 2050 Wärme-
erforderlich. Vor allem bedarf es einer Langfriststra-
                                                                           anteile aus Power-to-Heat, (PtH), Großwärme-
tegie der EU, in der eine immer CO2-ärmere Fern- und
                                                                           pumpen, Geo- und Solarthermie sowie die
Nahwärmeversorgung ihren Platz findet.
                                                                           Einbindung von Abwärme den übrigen Bedarf
                                                                           decken.
Saubere Mobilität: Verkehrspakete der EU
durchsetzen
Ziel ist, den Verkehrssektor bis zum Jahr 2050 wei-                   zentrale Rolle zufallen. Ein Elektroauto emittiert in
testgehend zu dekarbonisieren. Klimaschutz im                         Deutschland schon heute fast 60 Prozent weniger
Verkehrssektor gelingt nur, wenn alternative Fahr-                    CO2 als ein Auto mit konventionellem Antrieb. Seine
zeugantriebe und Kraftstoffe konsequent zum Ein-                      Klimabilanz wird durch den zunehmenden Einsatz von
satz kommen. Der Elektromobilität wird dabei eine                     grünem Strom zudem stetig besser.

         CO2-Emissionen PKW
         bei 14.300 KM Jahresfahrleistung
         CO2-Emissionen pro Jahr in t CO2

          2,5      2,42          2,38
          2,0

          1,5                                                                1,51
                                                1,15                                        1,06
          1,0

          0,5
                                                               0,00                                      0,00
          0,0
                   Diesel        Benzin        Erdgas      Bio-Methan       Autogas        Elektro       Elektro
                                  Super          CNG           100%           CNG        Normalstrom*   Grünstrom
         * CO2 -Emissionen gemäß Bundesmix 2017 Stromkennzeichnung

Abbildung 7: CO2-Emissionen PKW
Quelle: BDEW (eigene Berechnungen; Durchschnittsverbräuche der zugelassenen Fahrzeuge)

                                                                17
Erwartungen der Energiewirtschaft zur Energiewende

Allerdings sollte die EU nicht nur auf eine einzige                                         insbesondere beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und
Technologie setzen. Neben Elektromobilität kann                                             beim Zubau der Erneuerbaren Energien – denn kli-
auch Gasmobilität in Form von CNG und LNG, die                                              maschonende Fahrzeuge benötigen klimaschonende
Nutzung von Biokraftstoffen und von erneuerbar ge-                                          Kraftstoffe.
wonnenem Wasserstoff in Brennstoffzellenfahrzeu-
gen sowie von anderen eFuels im Verkehrssektor we-
                                                                                            Damit die Verkehrswende gelingen kann, spricht sich
sentlich zur Erreichung der Klima- und Umweltziele
                                                                                            der BDEW für einen technologieoffenen klimapoli-
beitragen. Dabei wird insbesondere Power-to-X auf
                                                                                            tischen Instrumentenmix aus. Die zentralen Pfeiler
Basis von (zertifizierten) Erneuerbaren Energien ei-
                                                                                            dieser Strategie sind die effiziente Umsetzung der
nen zentralen Baustein darstellen.
                                                                                            CO2-Flottengrenzwerte für PKW und Nutzfahrzeuge,
                                                                                            eine CO2-Bepreisung im Verkehrsbereich und die För-
   Waren es in Deutschland Mitte 2017 noch 10.700                                           derung der öffentlichen Lade- und Tankinfrastruktur
   öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte, lag                                          für alternative Antriebsformen.
   die Zahl Ende 2018 bereits bei über 16.100 – ein
   Zuwachs von über 50 Prozent innerhalb von nur
                                                                                            Um der Marktdynamik Rechnung zu tragen, ist aus
   eineinhalb Jahren.
                                                                                            Sicht des BDEW eine Novellierung der politischen und
                                                                                            rechtlichen Rahmenbedingungen für den Aufbau von
                                                                                            Infrastruktur alternativer Kraftstoffe notwendig. Bei
Die Energiewirtschaft ist schon jetzt wichtiger Trei-
                                                                                            der anstehenden Überarbeitung der Richtlinie für den
ber bei der Energiewende im Verkehr. Das zeigt sich

          Anzahl Elektrofahrzeuge* und öffentlich
          zugänglicher Ladepunkte

      160.000
      140.000
      120.000
      100.000
      80.000
                                                                                            35.648

      60.000
                                                                                26.006

                                                                                                                                                            150.172
                                                                                                                                                  124.432
                                                                                                                                                            16.100

      40.000
                                                                                                                                                  13.496
                                                        13.548

                                                                   20.450

                                                                                                                                         98.280
                                                                                                                                         11.700
                                                                                                                                87.717
                                                                                                                                10.878
                                             10.401

                                                                                                                       77.153
                                                                                                              59.951
                                                                                                     49.470

                                                                                                                       7.407
                                    7.497

                                                                                                              6.517
                           6.138

                                                                                                     5.894
                                                                            5.553

                                                                                         5.571
                  4.356

                                                      4.454

                                                                 4.720
                                            4.356
                                   3.819
                          2.821
                  2.241

      20.000
      0
                 12/11 06/12 12/12 06/13 12/13 06/14 12/14 06/15 12/15 06/16 12/16 06/17 12/17 06/18 12/18
                                              Ladepunkte                    Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge

           * einschließlich Plug-in-Hybridfahrzeuge

Abbildung 8: Anzahl Elektrofahrzeuge und öffentlich zugänglicher Ladepunkte
Quellen: BDEW-Erhebung „Ladeinfrastruktur“, ladesaeulenregister.de; KBA, VDA

                                                                                   18
Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstof-                       geeignet. Damit hierdurch die Energiewende tat-
fe (AFI-Richtlinie)6 sollte mit Blick auf den Hochlauf                    sächlich erleichtert und beschleunigt werden kann,
der Elektromobilität auf starre Vorgaben hinsichtlich                     sollten auch Investitionen in Aktivitäten, Infrastruk-
zu schaffender Ladepunkte verzichtet und auf einen                        turen und Erzeugungsanlagen als nachhaltig einge-
Ausbau analog zu steigenden Zulassungszahlen ge-                          stuft werden, die den Übergang zu einer klimaneu-
setzt werden. Für eine kundenfreundliche Ladeinf-                         tralen Wirtschaft ermöglichen. Grundsätzlich sollten
rastruktur wäre eine einheitliche ID-Kennzeichnung                        beispielsweise Investitionen in die Netzinfrastruktur
hilfreich, mit der jeder öffentlich zugängliche Lade-                     (Strom-, Gas- und Wärmenetze) als nachhaltig defi-
punkt gemäß einheitlicher Vorgaben erfasst und der                        niert werden, um das weitere Wachstum Erneuerbarer
Standort eindeutig an ein Register gemeldet werden                        Energien und den Energiewandel in allen Sektoren zu
kann.                                                                     ermöglichen (erneuerbare und dekarbonisierte Gase,
                                                                          grüne Fernwärme, Elektro- und Gas-mobilität). Auch
                                                                          Nach- und Umrüstungen sowie Ersatz sollten als
Nachhaltige Finanzierung auf den Weg bringen und
                                                                          ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gelten,
pragmatisch ausgestalten
                                                                          wenn hierdurch die Klima- oder Umweltbilanz einer
Die Energiewende erfordert neue Finanzierungsquel-
                                                                          Bestandsanlage deutlich verbessert wird, z. B. durch
len. Laut der Mitteilung „A Clean Planet for All“ der
                                                                          Umwandlung/Ersatz einer KWK-Anlage auf Kohleba-
Europäischen Kommission müssen jährlich zusätzlich
                                                                          sis in/durch eine KWK-Anlage auf Gasbasis.
zwischen 175 und 290 Milliarden Euro in der EU in-
vestiert werden, um das Ziel einer im Jahr 2050 kli-
maneutralen EU-Wirtschaft zu erreichen. Dieser In-                        Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien an Energie-
vestitionsbedarf betrifft insbesondere großvolumige                       wende ausrichten
Investitionsvorhaben zur Energieerzeugung und zur                         Klima- und Umweltschutz sind wichtige Ziele der EU.
Netzinfrastruktur. Um solche Investitionen zu för-                        Aufgabe des Beihilfenrechts ist es, den Wettbewerb
dern, muss die EU klare und langfristige Signale für                      im Binnenmarkt zu schützen. Die Energie- und Um-
die Mobilisierung nachhaltiger Finanzmittel aussen-                       weltbeihilfeleitlinien sollen einen Ausgleich zwischen
den.                                                                      der reinen Lehre des Wettbewerbs einerseits und
                                                                          möglicherweise zu weitreichenden nationalen Wett-
                                                                          bewerbseingriffen zur Förderung des Klima- und Um-
Die von der Präsidentin der Europäischen Kommissi-
                                                                          weltschutzes schaffen. Der Prozess zur Organisation
on angekündigte Strategie zur Stärkung von nach-
                                                                          des Kohleausstiegs in Deutschland ist ein Beispiel da-
haltiger Finanzierung kann einen wichtigen Beitrag
                                                                          für, wie ein gesellschaftlicher Kompromiss für einen
zur Transformation des Energiesektors leisten. Da-
                                                                          Transformationsprozess gefunden werden kann. Für
mit nachhaltige Finanzierung erfolgreich zur Ener-
                                                                          die Ergebnisse solcher Prozesse müssen die Beihilfe-
giewende beitragen kann, sollten alle Technologien
                                                                          richtlinien offen gestaltet werden.
die kurz- und langfristig zur Erreichung unserer Ziele
beitragen, technologieneutral berücksichtigt wer-
den. Des Weiteren bedarf es einheitlicher Kriterien                       Europäische Politik in einer Gemeinschaft von 28
zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkei-                     Staaten verlangt Augenmaß. Innovative energie-
ten. Als Basis hierfür ist der Verordnungsvorschlag                       wirtschaftliche Lösungen zur Energieversorgung von
der Kommission über die Einrichtung eines Rahmens                         morgen dürfen nicht durch eine zu enge Ausgestal-
zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxo-                       tung und Auslegung der europäischen Beihilfeleit-
nomie-Verordnung) vom 24. Mai 2018 grundsätzlich                          linien erschwert werden. Dabei sollte sich die EU an

6
    BDEW-Positionspapier zur Revision der EU-Richtlinie „Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ vom 8. August 2019.

                                                                     19
Erwartungen der Energiewirtschaft zur Energiewende

positiven Beispielen orientieren. Die geltenden Ener-        wer-to-X, berücksichtigen. Auch muss der Freiraum
gie- und Umweltbeihilfeleitlinien haben den Mit-             für Innovationsförderung und Reallabore erweitert
gliedsstaaten genügend Flexibilität gegeben, um die          werden. Das heißt auch, dass Entschädigungen und
national strukturierte Förderung der Erneuerbaren            Restrukturierungsbeihilfen zum Ausstieg aus der Ver-
Energien umzusetzen. Zu einer solchen Zurückhal-             stromung von Braun- und Steinkohle durch das Bei-
tung besteht im Fall der Erneuerbaren Energien umso          hilferecht nicht behindert, sondern flankiert werden
mehr Anlass als die neugefasste Erneuerbare-Energi-          müssen. Im Zuge der Überarbeitung der Energie- und
en-Richtlinie detaillierte Regeln enthält.                   Umweltbeihilfeleitlinien sollte ein Level Playing Field
                                                             für Biokraftstoffe und Biomasse geschaffen werden.
                                                             Es gibt keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für
Die in dieser Legislaturperiode anstehende Neufas-
                                                             staatliche Beihilfen und Subventionen für Biomasse,
sung der Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien muss
                                                             insbesondere für Biomethan. Einige Länder fördern
konsequent an den Erfordernissen der Energiewende
                                                             die Einspeisung von Biomethan und andere die Nut-
ausgerichtet sein. Das heißt: Allgemeine Leitplanken
                                                             zung von Biomethan. In einigen wenigen Ländern sind
erscheinen insbesondere vor dem Hintergrund der
                                                             die Beihilfen und Subventionen unabhängig von den
fortlaufenden Veränderungen im Energiesektor sach-
                                                             Herkunftsnachweisen. Dies führt zu Inkonsistenzen
gerechter als zu starre Präzisierungen. Dabei sollten
                                                             im Handel mit Herkunftsnachweisen.
die Leitlinien innovative Technologien wie z. B. Po-

                                                        20
DIE IM BDEW VERTRETENE STROM-, WÄRME-
UND GASVERSORGUNG UNTERSTÜTZT DAS
ZIEL EINER BIS ZUM JAHR 2050 WEITEST-
GEHEND KLIMANEUTRALEN ENERGIEVERSOR-
GUNG. SIE MUSS ENERGIEWIRTSCHAFTLICH
VERANTWORTLICH ERFOLGEN UND DIE
VERSORGUNGSSICHERHEIT, DIE BEZAHL-
BARKEIT SOWIE DIE GESELLSCHAFTLICHE
AKZEPTANZ DER TRANSFORMATION UND DIE
WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER ENERGIEPREISE
BERÜCKSICHTIGEN. DAFÜR SIND KLARE
KLIMAPOLITISCHE LEITLINIEN NOTWENDIG.

                21
Erwartungen der Wasserwirtschaft an die EU-Wasserpolitik

ERWARTUNGEN DER WASSERWIRTSCHAFT
AN DIE EU-WASSERPOLITIK

Trinkwasser: Schutz des Lebensmittels Nummer 1               wichtige Ansatzpunkte, die seitens der Wasserwirt-
EU-weit sicherstellen                                        schaft in Deutschland unterstützt werden. Die aus
Die Bürger in der EU müssen sich auch in Zukunft             dem Jahr 1998 stammende Trinkwasserrichtlinie
stets auf einwandfreies Trinkwasser verlassen kön-           wurde umfassend an den technisch-wissenschaftli-
nen. Dafür sollte auch zukünftig das primäre Ziel            chen Fortschritt angepasst. Überzogene Forderungen
der EU-Trinkwasserrichtlinie die Sicherstellung ho-          zu Probennahmen und Ausnahmen wurden von Rat
her europäischen Qualitätsanforderungen sein. Der            und Parlament korrigiert, auch die Ausnahmerege-
nachhaltige Gewässerschutz ist vor diesem Hinter-            lung mit Sanierungspflichten bleibt bestehen. Bei den
grund von zentraler Bedeutung und sollte auch im             Parametern sollen auf Grundlage der WHO-Bewer-
Rahmen der europäischen Debatte für die zukünftige           tungen neue Parameter und eine „watch-list“ einge-
Gemeinsame Agrarpolitik in den Vordergrund rücken.           führt werden.
Es ist höchste Zeit, die Nitratrichtlinie in Deutsch-
land flächendeckend und konsequent umzusetzen.
                                                             Regelungsfremde wirtschaftliche Inhalte zu ökono-
Der Schutz des Lebensmittels Nr. 1 ist Teil der Kom-
                                                             mischen Rahmenbedingungen der Wasserwirtschaft
munalen Daseinsvorsorge. Diese darf im Rahmen der
                                                             sollten nicht Gegenstand einer Qualitäts- und Um-
anstehenden Evaluierung der Konzessionsvergabe-
                                                             weltrichtlinie sein. Dies könnte eine Verschiebung
richtlinie nicht angetastet werden.
                                                             der Trinkwasserrichtlinie via Binnenmarkt und Wett-
                                                             bewerbsrecht auslösen. Die wirtschaftlichen Anfor-
Sinnvolle Weichen für die zukünftige                         derungen würden ohne Mehrwert für die Gesund-
EU-Trinkwasserrichtlinie stellen                             heit zu einem nicht vertretbaren Aufwand bei den
Die EU-Trinkwasserrichtlinie ist das Instrument zur          Versorgern führen. Das betrifft insbesondere Infor-
Sicherstellung höchster Qualität zum Gesundheits-            mationspflichten über wirtschaftliche (Kosten oder
schutz. Die vorgeschlagene Neufassung enthält viele          Preise) und binnenmarktrelevante Aspekte (Effizienz-
                                                             indikatoren wie Verlustraten oder Energieverbrauch
  Weitere Forderungen der Wasserwirtschaft                   pro Kubikmeter u. a.).

      Beibehaltung des gesundheitlichen Ziels im
                                                             Für den Zugang zu Wasser konnte aus Sicht des BDEW
      Geltungsbereich der Richtlinie;
                                                             ein guter Kompromiss im Rat erreicht werden, der von
      Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der
                                                             der neuen Europäischen Kommission und dem neuen
      Umsetzung des risikobasierten Ansatzes für
                                                             Europäischen Parlament bestätigt werden sollte. Die
      Versorgung, Aufbereitung und Verteilung des
                                                             künftigen Vorgaben für den Zugang zu Wasser soll-
      Trinkwassers;
                                                             ten angemessen sein und das Prinzip der Subsidiarität
      Verzahnung mit der Wasserrahmenrichtlinie
                                                             berücksichtigen.
      (Gefährdungsabschätzung für Gewässer);
      Wiederaufnahme der Indikatorparameter;
      Wiederaufnahme der Abweichungsregelung;                Ein weiterer integraler und essentieller Bestandteil
      Absenkung der Probenahmenhäufigkei-                    der neuen Richtlinie ist die Verankerung einheitlicher
      ten auf der Ebene der geltenden Richtlinie             Anforderungen zu Materialien und Bauprodukten in
      2015/1787.                                             Kontakt mit Trinkwasser. Die Mitgliedstaaten sol-

                                                        22
len – wie in Deutschland üblich – sicherstellen, dass                        In den letzten drei Jahrzehnten stiegen die
Aufbereitungsstoffe, Materialien und die Aufberei-                           Mengen, der auf dem europäischen Markt
tungsverfahren nicht die Trinkwasserqualität beein-                          verkauften Arzneimittel, sowohl hinsichtlich
trächtigen. Der neue Vorschlag von Parlament und                             des Umsatzvolumens als auch in Bezug auf
Rat sollte im Zuge des anstehenden Trilogs, auch von                         die Anzahl der pharmazeutischen Wirkstof-
der Europäischen Kommission mitgetragen werden.                              fe rasant. In der gesamten Union werden in
                                                                             Oberflächen- und Grundwasser, Böden und
                                                                             tierischen Geweben Arzneimittelrückstände
Abwasserwirtschaft nachhaltig gestalten:
                                                                             konstant nachgewiesen. Mehr als 3.000 phar-
Stärkung des Verursacherprinzips
                                                                             mazeutische Wirkstoffe sind derzeit auf dem
Gewässerschutz und sauberes Trinkwasser sind zwei
                                                                             Markt. Nach der Europäischen Kommission
Seiten derselben Medaille. Die kommunale Abwas-
                                                                             werden jedoch bis zu 90 Prozent der Arznei-
serrichtlinie hat EU-weit zu einer deutlichen Verbes-
                                                                             mittelwirkstoffe nach ihrer Anwendung in ihrer
serung der Abwasserentsorgung und -reinigung ge-
                                                                             ursprünglichen Form wieder ausgeschieden
führt. Einige Mitgliedstaaten, wie Deutschland, haben
                                                                             oder abgewaschen.
die Ziele überwiegend erreicht. Vor einer Ausweitung
der Pflichten sollte eine Konsolidierung im Vorder-
grund stehen und auf nachhaltige Ausgestaltung ge-                    Akteurskette und insbesondere die Verantwortung
achtet werden. Dabei muss das Verursacherprinzip im                   der Hersteller im Sinne des Verursacherprinzips sind
Vordergrund stehen und nicht wie bisher „End-of-Pi-                   wichtige Schritte in die richtige Richtung.
pe“-Lösungen der Abwasserreinigung. Dies betrifft
selbstverständlich auch die neue EU-Arzneimittel-                     Zukünftig sind jedoch zusätzliche legislative Hand-
strategie, die zukünftig EU-weit verbindlich umzu-                    lungsoptionen notwendig, um eine nachhaltige und
setzen ist.                                                           verbindliche Verknüpfung des EU-Arzneimittelrechts
                                                                      mit der Wassergesetzgebung zu gewährleisten. Denn
Bei der anstehenden Neufassung der Wasserrahmen-                      es bestehen keine Zweifel, dass der derzeitige po-
richtlinie sind das hohe Schutzniveau und die Um-                     litische und rechtliche Rahmen nur begrenzte und
weltziele zu wahren. Hier werden die Weichen ge-                      unverbindliche Möglichkeiten zur Verringerung der
stellt, um den Gewässerschutz aufrechtzuerhalten                      Umweltverschmutzung und der Umsetzung des Vor-
und zu verbessern, denn eins ist klar: Er ist für das                 sorge- und Verursacherprinzips anbietet. Diese As-
Lebensmittel Nr. 1 – das Trinkwasser – unerlässlich.                  pekte sollten künftig im Vordergrund stehen, anstelle
                                                                      von „End-of-pipe“-Lösungen7 in der Abwasserwirt-
                                                                      schaft.
EU-Arzneimittelstrategie konsequent und
verbindlich umsetzen
Die neu vorgelegte EU-Arzneimittelstrategie, die sich                 Darüber hinaus sollten Vorschläge, die sich mit der
mit der Vermeidung bzw. Verringerung von Einträ-                      Einführung einer flächendeckenden vierten Reini-
gen in die Gewässer befasst, ist vor dem Hintergrund                  gungsstufe zur Verminderung der Einträge von Mikro-
zunehmender Medikamentenverbräuche unerläss-                          schadstoffen in die Gewässer befassen, keineswegs
lich. Vor allem die in der Mitteilung der Europäischen                als nachhaltiger Lösungsansatz oder Allheilmittel an-
Kommission enthaltenen Maßnahmen entlang der                          gesehen werden. Im Rahmen der zukünftigen euro-

7
 Eine End-of-pipe-Technologie (von engl. end of pipe: am Ende der Röhre) ist eine nachgeschaltete Umweltschutzmaßnahme
(Bsp. Trinkwasseraufbereitung oder Abwasserreinigung). Somit verändert sie nicht den Produktionsprozess selbst, sondern verringert
die Umweltbelastung.

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Erwartungen der Wasserwirtschaft an die EU-Wasserpolitik

paweiten Debatte zu diesem Thema sollte man ins-                 Die EU sollte daher einen klaren Rechtsrahmen, mit-
besondere folgende Aspekte berücksichtigen:                      tels umfassender und verbindlicher Maßnahmen ein-
                                                                 setzen, welche die Hersteller, die Verbraucher, das
    Die Aufrüstungsoption von Kläranlagen sollte
                                                                 Gesundheitswesen und den Prozess der Zulassung
    vereinzelt und nur als Ultima Ratio genutzt
                                                                 und Überwachung näher beleuchten und an den rich-
    werden.
                                                                 tigen Stellen klare Rahmenbedingungen schaffen.
    Voraussetzung dafür sollte immer die verur-
    sachergerechte Finanzierung sein – ansonsten
    wird keinerlei Anreiz zur Verminderung der
    Einträge von Arzneimittelrückständen geboten.

        Maßnahmenpaket entlang der Akteurskette
                                                           Humanmedizin

         Arzneimittel-             Zulassung und                  Gesundheitswesen             Verbraucher
           hersteller               Regulierung

       Zielgenauere und           Umweltverträglichkeit            Nachhaltige               Sachgemäße
       biologisch besser          als Zulassungskriteri-           Verschreibunspraxis,      Entsorgung über
       abbaubare                  um von Medikamenten              d. h. therapiegerechte    Haus- und Sondermüll
       Arzneimittel               Einheitliches Kenn-              Mengen und                oder Rückgabe in
       Substitution               zeichnungs- und                  passgenaue                Apotheken
       umweltschädlicher          Informationssystem               Packungsgrößen            Verantwortungs-
       Wirkstoffe                 zur Umweltrelevanz               Substitution umwelt-      bewusstes Maß an
       Transparenz zur            Moitoringsystem zum              schädlicher Stoffe        Selbstmedikation
       Umweltverträglichkeit      Mengenverbrauch von              Wiedereinführung ei-
                                  Arzneimitteln                    nes flächendeckenden
                                  Restriktive                      Rücknahmesystems in
                                  Handhabung der                   Apotheken
                                  Rezeptfreigabe

       Siehe oben                 Siehe oben                       Sparsamer Einsatz von     Sensibilisierung für
                                                                   Veterinärmedizin          ökologische Produkte
                                                                   Verbesserung des          aus der Viehwirtschaft
                                                                   Tierwohls als
                                                                   Gesundheits-
                                                                   prophylaxe

                                                            Tiermedizin

Abbildung 9: Maßnahmenpaket
Quelle: Civity Studie

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