Delphi-Studie: "Erfolgsfaktoren sozialer Netzwerke im Internet" - Ergebnis Barbara Anna Hamm - Hamburg, Juli 2008

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Delphi-Studie: "Erfolgsfaktoren sozialer Netzwerke im Internet" - Ergebnis Barbara Anna Hamm - Hamburg, Juli 2008
Barbara Anna Hamm

Ergebnis

Delphi-Studie: „Erfolgsfaktoren sozialer
Netzwerke im Internet“

Hamburg, Juli 2008
Delphi-Studie: "Erfolgsfaktoren sozialer Netzwerke im Internet" - Ergebnis Barbara Anna Hamm - Hamburg, Juli 2008
2

Inhalt

1. Einleitung & Fragestellung                         03

2. Auswahl der Methode und Verlauf der Untersuchung   06

   2.1. Auswahl der Experten                          07
   2.2. Auswahl der Erfolgsfaktoren                   09
   2.3. Erste Befragungsstufe                         10
   2.4. Zweite Befragungsstufe                        10

3. Ergebnisse                                         11

   3.1. Wie wichtig ist das Produkt?                  12
   3.2. Welchen Einfluss hat das Management?          15
   3.3. Was kann das Marketing bewirken?              18

   3.4. Zusammenhang zwischen Reichweite und
        betriebswirtschaftlichem Erfolg?              22

4. Zusammenfassung und Ausblick                       23

5. Verzeichnis

   5.1. Verwendete Literatur                          24
   5.2. Abbildungen                                   26
   5.3. Adressen erwähnter Sozialer Netzwerke         26
   5.4. Anlagen                                       26
3

1. Einleitung & Fragestellung

      1985 gründeten Steward Brand und Larry Brilliant in Kalifornien mit „The Well“ (The
      Whole Earth ‘Lectronic Earth”) die erste Internet basierte Community, die sich noch
      heute als eine Gemeinschaft von Menschen versteht, die sich über das Internet
      begegnet und austauscht.1 Howard Rheingold prägte wenig später als erster den
      Begriff der „virtuellen Community“ und beschrieb, wie Beziehungen im Zeitalter des
      Computers funktionieren.2 In den darauffolgenden 20 Jahren entstanden in den
      verschiedenen Entwicklungsphasen des Internets zahlreiche Communities für die
      verschiedensten Zielgruppen, Themen und Nutzungsszenarien, sehr häufig auch als
      Teil redaktioneller Portale.

      Als 2004/2005 die Ära des sogenannten Web 2.0. begann, bezeichnete man Web-
      Communities als „Social Networks“ bzw. „soziale Netzwerke“. Im Vergleich zu den
      vorherigen Communities stellen diese dem Nutzer deutlich mehr und vielfältigere
      interaktive und kollaborative Funktionen zur Verfügung. Verwendet wurde der Begriff
      des „Web 2.0“ erstmals 2004 von Dale Dougherty und Craig Cline, die in einer Art
      Liste typische Charakteristika des Internets bis dato (1.0.) den neuen
      gegenüberstellten. Nachhaltig geprägt wurde der Begriff jedoch von Autor und
      Verleger Tim O’Reilly, der am 30. September 2005 den Artikel „What is Web 2.0?“
      veröffentlichte.3

      Seitdem wird das Phänomen des Web 2.0 und die damit verbundenen Konzepte,
      Produkte und Geschäftsmodelle in zahlreichen Instituten, Fachkonferenzen,
      Fachartikeln, Büchern und Blogs weltweit diskutiert und weiterentwickelt. In der
      Umgangsprache wird das „Web 2.0“ auch das Mitmach-Internet genannt, weil es
      den Nutzern ermöglicht, Inhalte und Konzepte in nahezu jeder Form zu
      veröffentlichen und zu verbreiten sowie deren Vermarktung mitzugestalten. Dies
      geschieht zum Beispiel in Form von Wikis, Blogs, Foto- und Video-Portalen und
      sozialen Netzwerken verschiedenster Art.

      Als erstes soziales Netzwerk startete 2003 MySpace in den USA auf Grundlage von
      Profilen, die Musiker ins Internet stellten, um ihre Werke jenseits der etablierten
      Plattenindustrie einem breiten Publikum zu präsentieren.4 Nach Aussage von Chris
      de Wolfe, CEO von MySpace, gegenüber der New York Times, hatten sich bis
      November 2007 über 200 Millionen Menschen bei MySpace registriert, um sich
      selbst darzustellen, sich mit ihrem Freundeskreis zu vernetzen und ihre Freizeit über
      das Internet zu organisieren.5 MySpace betrachtet sich selber als „an online
      community that lets you meet your friends' friends”6, WIRED bezeichnete es 2005
      als „the MTV of the net generation.“7

      Die zu den reichweitenstärksten Internetangeboten zählende Plattform wird heute in
      verschiedenen Sprachen und Länderversionen angeboten und ermöglicht es seinen
      Nutzern – überwiegend Jugendlichen und jungen Erwachsenen - ein individuelles
      Profil mit Texten, Fotos, Musik und Videos zu erstellen und in Gruppen, Foren und

1
    The Well unter http://www.well.com
2
    Rheingold: Virtuelle Gemeinschaften …; weiterführende Informationen unter http://www.rheingold.com
3
    O’ Reilly: What is Web 2.0? …
4
    MySpace unter http://www.myspace.com, deutsche Version unter www.myspace.de
5
    Helft, Stone: MySpace joins Google Alliance to counter Facebook …
6
    MySpace.com: About us …
7
    Howe: The Hit Factory …
4

    Gästebüchern miteinander zu kommunizieren. MySpace wurde im Juli 2005 von
    Rupert Murdoch für 580 Millionen Dollar erworben und gilt bis heute als leuchtendes
    Vorbild für alle, die mit vergleichbaren Projekten an den Start gegangen sind. Laut
    „PEW Internet & American Life Project“ nutzen 55 Prozent der amerikanischen
    Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren soziale Netzwerke wie MySpace
    & Co.8 In Deutschland nutzen 51 Prozent aller Internet-Nutzer unterschiedlich häufig
    soziale Netzwerke, 22,4 Prozent tun dies mindestens einmal pro Woche.9

    Wie in vielen anderen Ländern haben auch in Deutschland zahlreiche Unternehmen
    – von Start-ups bis etablierte Medienkonzerne - versucht, den Erfolg von MySpace
    zu kopieren. Am 11. Mai 2008 wurden von der Agentur Netwertig.com im Rahmen
    einer laufend aktualisierten Übersicht 149 soziale Netzwerke in Deutschland
    identifiziert.10 Wenn man die Reichweiten-Entwicklung von MySpace zugrunde legt
    und diese als idealtypische Reichweiten-Wachstumskurve eines erfolgreichen Social
    Networks betrachtet (vgl. Abb. 1) dann ist bislang nur wenigen dieser 149 Angebote
    der Durchbruch gelungen.

    Abbildung 1: Reichweitenverlauf MySpace.com bis 7. September 2007 11

    Nach Auswertung der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung
    von Werbeträgern e.V. (IVW) zählten mit SchülerVZ, StudiVZ, Lokalisten, MySpace
    Deutschland und MyVideo fünf Social Networks zu den zehn reichweitenstärksten
    Internet-Angeboten in Deutschland, gemessen an der Gesamtzahl der
    PageImpressions im Mai 2008.12 Warum ist diesen Angeboten der Durchbruch
    gelungen und anderen nicht? Warum explodieren bei anscheinend gleichen
    Konzepten und Maßnahmen die Reichweiten der einen sozialen Netzwerke und die
    der anderen nicht? Welche Umstände, Faktoren und Arbeitsschritte führen zum
    Erfolg?

8
  PEW Internet & American Life Project: Social Networking Websites …
9
  Fitkau & Maaß: Web 2.0-Kompendium …
10
   Netzwertig.com: Aktuelles Ranking, 149 Social Networks aus Deutschland
11
   Abbildung 1: Alexa.com Taffic History Graph for myspace.com …
12
   Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW): monatliche Ausweisung
der Online-Nutzungsdaten …
5

       Zur Ermittlung dieser „Erfolgsfaktoren für soziale Netzwerke im Internet“ wurde Ende
       2007 ein Forschungsprojekt gestartet, das zum einen den Stand der Literatur und
       der empirischen Forschung aufarbeitet, Lücken identifiziert und eigene empirische
       Untersuchungen unternimmt. Als eine Vor-Studie wurde diese Delphi-Analyse
       durchgeführt, um die zahlreichen potenziellen Faktoren zu ermitteln, zu ergänzen
       und zu priorisieren: Welche Rolle spielen Produkt bezogene Qualitätsmerkmale wie
       der Funktionsumfang, das Design und die Usability? Welche Wirkung erzielen
       traditionelle Kommunikationsmaßnahmen wie beispielsweise Print-Anzeigen oder
       Fernsehspots im Vergleich zu den neueren Instrumenten wie das
       Suchmaschinenmarketing (SEO/SEM) oder das virale Marketing? Welchen Einfluss
       hat das Management mit seinem Selbstverständnis, seinem Führungsstil, seinen
       Arbeitsweisen und Abläufen, wenn es zum Beispiel als Start-up oder als etablierter
       Medienkonzern agiert?

       Als zweite Studie werden Experteninterviews mit den Betreibern der 15 bis 20
       reichweitenstärksten Social Networks in Deutschland durchgeführt, um zu ermitteln,
       welche Kommunikationsmaßnahmen ergriffen wurden und welche Wirkung diese
       auf das Reichweitenwachstum hatten. Die Experteninterviews werden gemeinsam
       mit zwei Diplomanden an der Helmut Schmidt Universität Hamburg (HSU)
       konzipiert, vorbereitet, durchgeführt, und bis Ende 2008 im Rahmen einer
       Diplomarbeit ausgewertet. Eine dritte Studie ist ebenfalls für Ende 2008 geplant.

       Dem Forschungsprojekt liegt die Annahme zugrunde, dass bestimmte Maßnahmen
       nur in bestimmten Lebensphasen eines Social Networks wirken. So wird davon
       ausgegangen, dass ein Social Network im Idealfall drei Lebensphasen durchlaufen
       kann:

       Abbildung 2: Modell eines Social Networking Lifecycles13

       Die meisten Social Networks bleiben jedoch in der ersten „Phase des Aufbaus“
       stecken, weil sie die wesentlichen Voraussetzungen für den Durchbruch und das
       daraus resultierende – am Beispiel von MySpace sichtbare - Wachstum nicht
       schaffen, das wiederum für den langfristigen Spaß- und Nutzwert seiner Nutzer
       erforderlich zu sein scheint.

13
     Eigene Darstellung
6

       Malcom Gladwell hat dieses positive Momentum den „Tipping Point“ genannt und
       drei Regeln formuliert, die Hinweise darauf liefern sollen, wie man ihn erreichen
       kann. Dem ersten „Gesetz der Wenigen“ zufolge brauche man zunächst einmal
       ungewöhnliche Menschen, die dazu imstande sind, eine Epidemie auslösen. Es
       gehe vor allem darum, diese Menschen zu finden. Um dann gemeinsam mit ihnen
       Mund-zu-Mund-Propaganda zu erzeugen, müsse man seine Ressourcen gezielt
       einsetzen und sich ausschließlich auf die Gruppen der Vermittler, der Kenner und
       der Verkäufer konzentrieren. Bei der zweiten „Lehre der Verankerung“ gehe es vor
       allem darum, eine Methode, Präsentation oder Botschaft so zu verpacken, dass sie
       unwiderstehlich wird. Schon die Änderung kleinster Details könnten deren Wirkung
       signifikant erhöhen. Dabei sei es besonders wichtig, die eigenen Annahmen und
       Intuitionen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Die dritte „Theorie von der Macht
       der Umstände“ besage, dass der kontextuelle Blick auf das Geschehen wichtiger sei
       als der dispositionelle. Menschen reagierten sehr viel empfindlicher auf ihre
       Umgebung, als man annehme, ihre Kommunikation folge sehr ungewöhnlichen und
       unseren Erwartungen häufig widersprechenden Regeln.14

       Bereits 1961 entwickelte Everett M. Rogers das theoretische Konzept der Diffusion
       und beschrieb die Prozesse, die durch die Einführung von Innovationen – neuen
       Ideen, Konzepten, Produkten – in sozialen Systemen, zum Beispiel Märkten,
       ausgelöst werden.15 Die theoretischen Grundlagen, vor allem die Diffusions- und
       Adoptionstheorie, sowie mögliche Erklärungsmodelle, zum Beispiel das Modell des
       Tipping Points, sollen im Rahmen des Dissertationsprojektes ausführlicher
       beschrieben und dahin gehend betrachtet werden, welche Hinweise und
       Erklärungen sie auf die Voraussetzungen für einen „Social Networking Tipping
       Point“ liefern können.

2. Auswahl der Methode und Verlauf der Untersuchung

       Ziel dieser Vorstudie war es, Erfolgsfaktoren, die zur Erklärung geeignet scheinen,
       zu sammeln, und mit Hilfe von Experten zu priorisieren und zu ergänzen: Welche
       Faktoren sind für den Aufbau von Reichweite und den Durchbruch besonders
       relevant und welche weniger?

       Für diese Analyse wurde die sogenannte Delphi-Methode gewählt, ein weltweit
       praktiziertes und anerkanntes Prognoseverfahren. Diese in den 60iger Jahren von
       der „RAND Cooperation“ entwickelte und nach dem antiken Orakel von Delphi
       benannte Methode ist ein systematisches, mehrstufiges und kontrolliertes
       Befragungsverfahren zur konzentrierten und auf das Wesentliche beschränkten
       Einschätzung von Entwicklungen und Trends.16 Laut Häder besteht die Grundidee
       von Delphi darin, „in mehreren Wellen Expertenmeinungen zur Problemlösung zu
       nutzen, und sich dazu eines anonymen Feedbacks zu bedienen.“ Die Methode ist
       vor allem dazu geeignet, Ideen zu generieren, diffuse Sachverhalte vorherzusagen,
       Expertenmeinungen zu einem speziellen Gegenstand zu ermitteln und zu
       qualifizieren, und einen Konsens zu finden.17

14
     Gladwell: Der Tipping Point – wie kleine Dinge Großes bewirken können, S. 40, 154, 186, 293, 295, 297
15
     Rogers: Diffusion of innovations …
16
     USAF Project RAND: Report Delphi Assessment …
17
     Häder: Delphi-Befragungen, S. 22, 29
7

     In der Literatur werden verschiedene Delphi-Varianten beschrieben, durchgesetzt
     hat sich eine mehrstufige, schriftliche Befragung von Experten zu einem
     spezifischen Thema wie von Fantapié Altobelli beschrieben. Die Einschätzungen der
     Fachleute werden auf Basis eines standardisierten Fragebogens eingeholt und
     statistisch ausgewertet. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe eines Medians und des
     Quartilsabstands. Ziel des Verfahrens ist es, eine Konvergenz zwischen den
     Expertenmeinungen zu erzielen.“18

     Gemäß dieser hier gewählten Standard-Methode wurde einer ausgewählten Gruppe
     von Experten ein Fragebogen vorgelegt, der eine Auflistung und Kurzbeschreibung
     möglicher Faktoren enthielt. 19 Im ersten Schritt schätzten die Experten die Relevanz
     der vorgegebenen Faktoren auf Grundlage ihres Fachwissens und ihrer Erfahrungen
     auf einer Skala von „extrem relevant“ bis „nicht relevant“ ein.20 Dabei bestand die
     Möglichkeit, neue Faktoren hinzuzufügen. Die schriftlichen Antworten wurden
     daraufhin mit Hilfe einer Mittelwertbildung zusammengefasst und den Fachleuten im
     zweiten Schritt als vorläufiges Ergebnis präsentiert. Für diesen zweiten Schritt wurde
     für jeden Experten ein individueller Fragebogen erstellt, der die Mittelwerte den
     zuvor abgegebenen Einschätzungen gegenüberstellte.21 Dieses Vorgehen sollte
     dazu führen, das Meinungsbild zu verdichten, Übereinstimmungen zu verfeinern und
     Diskrepanzen zu minimieren.

     Neben der Delphi-Standard-Methode wird in der Literatur auf die sogenannte Delphi-
     Breitband-Methode hingewiesen.22 Bei diesem Verfahren wird eine beschleunigte,
     transparente Konsensbildung in der Gruppe verfolgt. Die Experten treffen sich nach
     Auswertung der Einschätzungsbögen, um die Zwischenergebnisse zu diskutieren,
     vor allem die Abweichungen. Diese Methode hat jedoch den Nachteil, dass die
     Experten nicht nur nach ihrem persönlichen Wissen und ihrer Erfahrung urteilen,
     sondern auch unter dem Einfluss der Gruppendynamik und der Durchsetzungskraft
     und Meinungsführerschaft Einzelner.

     2.1. Auswahl der Experten

     Um Probleme zu vermeiden und ein professionelles Verfahren sowie ein
     aussagekräftiges Ergebnis als Grundlage für die weitere Arbeit sicher zu stellen,
     wurden ausreichend viele Fachleute aus möglichst vielen verschiedenen, für die
     Fragestellung relevanten und sich ergänzenden Fachgebieten ausgewählt, die über
     eine zuverlässige Expertise in Form von Wissen und Erfahrung verfügen. Die
     Personen wurden zudem anonym und unabhängig voneinander befragt, es fanden
     keine Abstimmungen oder Diskussionen untereinander statt. Die 47 Teilnehmer
     repräsentierten die folgenden Fachbereiche und waren zum Zeitpunkt der Befragung
     zwischen 30 und 48 Jahre alt, der Altersdurchschnitt lag bei 40 Jahren.

18
   Fantapié Altobelli: Marktforschung …, S. 55
19
   Eine ausführliche Beschreibung der Standard-Methode in: Steinmüller: Grundlagen und Methoden der
Zukunftsforschung.
20
   Anlage 1: Erster Fragebogen
21
   Anlage 2: Zweiter, individueller Fragebogen
22
   Vgl. zum Beispiel Burghardt: Einführung in Projektmanagement ..., S. 112 ff.
8

     Abbildung 3: Verteilung der Experten auf Fachgebiete 23

                                 Strategie-Entwicklung, Business Development                     24
                                                                Marketing, Sales                 22
                                            Consulting, Unternehmensberatung                     19
                                Journalistik, Publizistik, Redaktion, Konzeption                 16
                           Medien-Produktion & Management (Verlag, TV, etc.)                     16
                           Medien & Kommunikationswissenschaft & Forschung                       15
                                                 Akquisition, M+A, VC, Investor                  15
                                                          Technologie, Informatik                 9
                                                    Jura, Rechtswissenschaften                    4
                                               Soziologie, Kulturwissenschaften                   4
                                              Philologie, Sprachwissenschaften                    1
                                                                     Psychologie                  1
                                                            Wirtschaftsinformatik                 1
                                                                    Presse & PR                   1

     Bei der Auswahl der Experten bestand ein wichtiges Kriterium darin, dass die
     Teilnehmer über ein breites Fachwissen zu sozialen Netzwerken im Internet
     verfügen, die laufende Entwicklung und Fachdiskussion verfolgt haben, und
     idealerweise auch selber Nutzer eines sozialen Netzwerkes sein sollten.

     Abbildung 4: Nutzung sozialer Netzwerke bei den Experten 24

      Ich nutze ein oder mehrere soziale Netzwerke im Internet regelmäßig und                    36
      aktiv.
      Ich bin als Mitglied in einem oder mehreren sozialen Netzwerken im                          8
      Internet angemeldet, nutze diese/s aber nicht aktiv.
      Ich kenne soziale Netzwerke im Internet (darüber gelesen, mal                               2
      angesehen), bin aber selber nicht aktiv.
      Keine Angabe                                                                                1
      Gesamt                                                                                     47

     Um Verzerrungen aufgrund von persönlichen Erwartungen zu vermeiden, wurden
     ganz bewusst keine Experten angesprochen, die unmittelbar für den Betrieb oder
     das Ergebnis eines sozialen Netzwerkes verantwortlich waren – keine Gründer,
     Geschäftsführer oder Bereichsleiter. Dennoch betrachteten sich sieben der 47
     Teilnehmer als verantwortlich für ein solches Netzwerk.

     Abbildung 5: Berufliche Verantwortung für ein soziales Netzwerk 25

      Ich habe in meinem aktuellen Job gelegentlich damit zu tun.                                23
      Ich gestalte ein soziales Netzwerk oder einen Teil dessen mit.                             11
      Ich bin für ein soziales Netzwerk verantwortlich                                            7
      Mein aktueller Job hat damit nichts zu tun.                                                 3
      Keine Angabe                                                                                3
      Gesamt                                                                                     47

23
   Abbildung 3: Verteilung der Experten auf Fachgebiete, N=47, „Was ist ihr fachlicher Hintergrund?“,
Mehrfachnennungen möglich
24
   Abbildung 4: Nutzung sozialer Netzwerke bei den Experten, N=47, „Medien-Nutzung: Inwieweit nutzen Sie soziale
Netzwerke?“
25
   Abbildung 5: Berufliche Verantwortung für ein soziales Netzwerk, N=47, „Berufliches Interesse: Inwieweit hat ihr
Job mit sozialen Netzwerken zu tun?“
9

2.2. Auswahl der Erfolgsfaktoren

Die Sammlung der möglichen Faktoren erfolgte auf Grundlage der Erfahrungen der
vergangenen zehn Jahre, in denen ich für die Konzeption, Redaktion, den Betrieb
und das Management verschiedenster Internet-Angebote für Verlage verantwortlich
war. Nahezu alle Angebote enthielten Formate, die es den Nutzern ermöglichten,
miteinander zu kommunizieren, von einfachen Internet-Foren und Chats bis hin zu
komplexen Community-Anwendungen und Social Networks mit Funktionalitäten
aller Art. Folgende 41 Faktoren erschienen mir im Vorfeld der Delphi-Studie als
geeignet, Hinweise und Erklärungen für das Wachstum sozialer Netzwerke zu
liefern:

   Alleinstellungsmerkmal Beim ersten Besuch der Website sofort und klar erkennbarer,
   einzigartiger Nutzen, USP
   Design Look & Feel, ansprechende Gestaltung der Seiten, passende Farben & Formen
   Usability Übersichtliche, einfach und intuitiv verständliche Navigation & Benutzerführung
   Wording Zum Angebot und den Nutzern passende Wortwahl, Art und Stil der Ansprache
   Technische Ausstattung Passende Auswahl, Anordnung und Vielfalt der Funktionen
   Organischer Auf- und Ausbau Start und Weiterentwicklung des Angebots in „natürlichen“
   Ausbaustufen
   Open Innovation Integration der Wünsche & Bedürfnisse der Nutzer
   Transparenz Sichtbarkeit der unternehmerischen Vorgänge, verständliche Kommunikation der
   „Spielregeln“
   Grad der Freiheit versus Einmischung Für die Zielgruppe optimales Maß an Möglichkeiten zur
   Gestaltung und Selbstdarstellung
   Empathie Gespür für die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe - Alter, Geschlecht,
   Lebenssituation, etc.
   Soziale Kontakte Das Angebot hilft dabei, neue soziale Kontakte zu finden
   Offline wird Online Das Angebot hilft dabei, vorhandene soziale Kontakte über das Internet zu
   erhalten
   Online wird Offline Das Angebot hilft dabei, Menschen zu treffen, die man über das Internet
   kennengelernt hat
   Individualität Das Angebot erfüllt den spezifischen Wunsch der Zielgruppe nach
   Selbstdarstellung
   Landeskultur Passung des Angebots zur Kultur des jeweiligen Landes
   Regionale Kultur Passung zu den Besonderheiten der jeweiligen Region - Ost/West, Stadt/Land
   Gruppen-Kultur Passung zur jeweiligen Generation oder Szene hinsichtlich Wertorientierung,
   Mentalität, Lifestyle, etc.
   Unternehmenskultur Offenheit, Innovationsfreudigkeit und „Trial & Error“-Bereitschaft des
   Unternehmens
   Workflow Schnelle, einfache und flexible Entscheidungs- und Produktionsabläufe
   Management Zum Angebot und zur Mentalität der Zielgruppe passende Auswahl der Macher
   Erfahrung Erfahrung der Macher im Betrieb von Webseiten und im Aufbau von Online-
   Communities
   Betrieb Technische Verlässlichkeit – Angebot und Support an 7 Tagen 24 Stunden erreichbar
   Rechtsschutz Einhaltung juristischer Regeln - Jugendschutz, Datenschutz und Urheberschutz
   Privatsphäre Funktionen, die Privatheit und Anonymität ermöglichen - Sichtschutz, Sperrung etc.
   Alt oder neu
       o Start des Angebots unter einem neuen, „unbelasteten“ Marken-Namen
       o Start in einer thematisch passenden, etablierten Markenwelt – Print, TV, Automobil,
           FMCG, etc.
   Klassische Werbekampagnen
       o Print: Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften
       o TV: Spots im Fernsehen
       o Radio: Spots im Radio
       o Internet: Banner in Internet-Angeboten
       o Sonstige: Plakate, Leucht-Tafeln, etc.
   PR Pressemitteilungen, PR-Parties, Kooperationen
10

           Virales Marketing
               o Offline: Initiieren von Mund-zu-Mund-Propaganda, Einfangen der Zielgruppe vor Ort
               o Online: Electronic Word of Mouth (Empfehlungen, Einladungen, Social Media, etc.)
               o Mobile Verbreitung
           SEO/SEM Präsenz bei Google & Co. - Search Engine Optimazation, Search Engine Marketing
           Kosten Kostenlose Nutzung des Angebots (zumindest eines wesentlichen Teiles)
           Zugangsbeschränkungen           Nutzung des Angebots nur auf Einladung - Anreiz eines Clubs,
           einer „geschlossenen Gesellschaft“
           Zielgruppen spezifische Werbung
               o Beschränkung auf Werbe-Themen, Kunden und Formate, die von den Nutzern akzeptiert
                   werden
               o Targeting: Auslieferung von Werbemittel, die zu den im Profil genannten Interessen
                   passen
           Gebühren statt Werbung Verzicht auf Werbung, stattdessen Einführung zusätzlicher
           kostenpflichtiger Services

       2.3. Erste Befragungsstufe

       Für die erste Runde wurde zwischen dem 4. Februar und dem 27. Februar ein
       standardisierter Fragebogen an 67 ausgewählte Experten verschickt. Dieser
       Einschätzungsbogen enthielt die o.g. 41 Faktoren, die nach Schulnoten von „1 =
       äußerst relevant“ bis „6 = nicht relevant“ bewertet werden sollten.26 Darüber hinaus
       hatten die Experten die Möglichkeit, eigene Faktoren in unbegrenzter Zahl
       hinzuzufügen.

       Die Teilnehmer wurden des weiteren darum gebeten, den Zusammenhang zwischen
       Reichweite und Erfolg eines sozialen Netzwerkes einzuschätzen. Von den 47
       Teilnehmerinnen und Teilnehmern machten lediglich vier kritische Anmerkungen,
       weil einer der Faktoren als zu ungenau beschrieben, nicht verstanden oder als
       grundsätzlich nicht sinnvoll empfunden wurde. In einem Fall wurde die Befragung
       grundsätzlich hinterfragt, weil der Erfolg eines sozialen Netzwerkes reine
       Glücksache sei - der Bogen wurde aber dennoch aufgefüllt geliefert.

       2.4. Zweite Befragungsstufe

       Nach Auszählung der ersten Runde wurde ein vorläufiges Ergebnis in Form von
       Durchschnittswerten berechnet. Für die zweite Befragungs-Runde wurden dann 47
       individuelle Fragebögen erstellt.27 Auf diesen Bögen waren die individuellen
       Bewertungen den Durchschnittswerten gegenüber gestellt. Die Teilnehmer wurden
       nun gebeten, bei signifikanter Abweichung ihrer Einschätzung von der
       durchschnittlichen Einschätzung entweder ihre Wertung zu überdenken und eine
       neue, tolerante abzugeben, oder ihre ursprüngliche Bewertung zu begründen. Es
       wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein großes Interesse an diesen
       Begründungen besteht.

       Die Abweichungen wurden in den individuellen Bögen dann als signifikant markiert,
       wenn der Quartilsabstand überschritten war. Darüber hinaus wurden aus 22
       Empfehlungen für weitere Erfolgsfaktoren, die in der ersten Runde abgegeben
       worden waren – einige davon zwei oder drei Mal - insgesamt zehn in den zweiten
       Bogen mit aufgenommen.

26
     Anlage 1: Erster Fragebogen
27
     Anlage 2: Zweiter, individueller Fragebogen
11

     Offene Plattform Möglichkeit der Weiterentwicklung für Externe über offene Schnittstellen / API’s
     Integrierbarkeit, Widgetization Möglichkeit der Nutzung ausgewählter, relevanter Services auch
     außerhalb der Plattform – „Widgets“
     Integration von Netzwerk-Effekten Einbau von Features, die virale Mund-zu-Mund-
     Propaganda-Effekte erzeugen
     Tempo des Wachstums Schneller Aufbau einer kritischen Masse als Voraussetzung für virale
     Effekte – „Lead Community“
     Transparenz der Größe Sichtbarkeit der Anzahl der angemeldeten und/oder aktiven Nutzer
     Geographische Passung des Angebots zur Größe des Landes oder Einzugsgebietes – USA
     versus Liechtenstein
     Richtiges Timing Zeitpunkt des Markteintritts – „First Mover Advantage“
     Persönliches Engagement Bereitschaft der Macher, das Projekt durch persönlichen Einsatz
     und Kommunikation mit der Zielgruppe voranzutreiben
     Controlling Regelmäßige Analyse und Auswertung des Nutzerverhaltens
     Zufall & Glück Nicht nachvollziehbare oder planbare Effekte

  Die Teilnehmer sollten diese nun auch nach dem gewohnten Schema bewerten. Bei
  der Auswahl dieser Ergänzungen wurden diejenigen aufgenommen, die eine
  inhaltliche Ergänzung und Erweiterung des Themenspektrums darstellten. Die
  anderen Vorschläge waren thematisch eng mit den bereits gelisteten Faktoren
  verwandt. Von den am 13. März verschickten 47 Bögen kamen bis zum 15. April
  insgesamt 36 zurück.

3. Ergebnisse

  Welche der 51 Faktoren sind aus Sicht der befragen Experten für den Aufbau von
  Reichweite und das Erreichen des Durchbruchs bzw. Tipping-Points relevant? Bevor
  näher betrachtet wird, welche Wirkung der Qualität des Produktes, des Marketings
  und des Managements zugeordnet wird, hier ein Blick auf die zehn Faktoren, die die
  Fachleute am relevantesten bzw. am wenigsten relevanten hielten:

  Die 10 relevantesten Faktoren
  Virales Online-Marketing                           1,32           Marketing
  Kostenlose Nutzung                                 1,43           Produkt
  Virales Offline Marketing                          1,47           Marketing
  Usability                                          1,68           Produkt
  Regelmäßiges Controlling                           1,72           Management
  Alleinstellungsmerkmal                             1,85           Produkt
  Suchmaschinen-Präsenz SEO/SEM                      1,85           Marketing
  Persönliches Engagement der Macher                 1,91           Management
  Integration von Netzwerk-Effekten                  1,97           Produkt
  Tempo des Wachstums                                2,00           Management

  Die 10 am wenigsten relevanten Faktoren
  Bewerbung im Radio                                 4,47           Marketing
  Bewerbung mit Plakaten, Tafeln & Co.               4,37           Marketing
  Bewerbung mit Print-Anzeigen                       4,28           Marketing
  Bewerbung mit Fernsehspots                         4,11           Marketing
  Gebühren statt Werbung                             3,89           Marketing
  Start unter bestehender Marke                      3,87           Marketing
  Berücksichtigung der regionalen Kultur             3,70           Produkt
  Geschlossene Gesellschaft                          3,28           Marketing
  Online wird Offline                                3,22           Produkt
  Berücksichtigung der Landeskultur                  3,06           Produkt
12

     Ein Aspekt ließ sich keinem der drei Arbeitsfelder zuordnen: Zufall & Glück. Zwei
     Teilnehmer hatte diesen für die zweite Befragungsstufe vorgeschlagen, weil sie
     (unabhängig voneinander) davon überzeugt waren, dass auch bei perfekter
     Erfüllung aller 41 Faktoren – sofern es sich tatsächlich um relevante handelt – ein
     Erfolg des Sozialen Netzwerkes nicht garantiert sei. „Täglich werden X Communities
     ins Leben gerufen und nur ein Bruchteil davon wird erfolgreich, obwohl im Vorgehen
     keinerlei Unterschiede zu erkennen sind.“ Die Gruppe aller Teilnehmer schrieben
     diesem Aspekt in der zweiten Befragungsrunde dann keine „äußerst relevante“ oder
     „sehr relevante“ Bedeutung zu (Wertung 2,83). Dennoch soll im Rahmen der
     Dissertation der Stand der Glücks- und Zufallsforschung hinsichtlich möglicher
     Erklärungsansätze näher betrachtet werden.

     3.1. Wie wichtig ist das Produkt?

     Aus Sicht der Experten scheint die Qualität des Social Networks an sich eine
     wichtige Voraussetzung für den Erfolg zu sein – allein 12 der 19 Faktoren, die sich
     auf das Produkt bezogen, wurden als außerordentlich relevant oder sehr relevant
     eingestuft. Auch wenn ein Experte auf die „grauenhafte Usability von MySpace und
     Facebook“ hinwies,28 so liegt ein Kriterium weit vorn, das schon immer für die
     Qualität eines Internet-Angebots ausschlaggebend war, egal ob es sich um eine
     Community-Website handelt oder nicht: Die Benutzerfreundlichkeit (Wertung 1,68).
     Aber     auch    der   sofort   und    klar   erkennbare,    einzigartige    Nutzen
     („Alleinstellungsmerkmal“, Wertung 1,85) wurde als außerordentlich wichtig erachtet,
     ebenso die „Integration von Netzwerk-Effekten“ (Wertung 1,97), die es dem Nutzer
     zum Beispiel ermöglichen, das Angebot weiterzuempfehlen. Richtig scheint
     allerdings der Hinweis eines Teilnehmers zu sein, dass ein einzigartiger Nutzwert
     erst später entstehe, wenn ausreichend Freunde an Bord gekommen sind und die
     Vernetzung und Kommunikation in Schwung gekommen ist.29

     19 Faktoren, die sich auf die Qualität des Produktes beziehen
     Usability/Benutzerfreundlichkeit                 1,68
     Alleinstellungsmerkmal                           1,85
     Integration von Netzwerk-Effekten                1,97
     Betriebssicherheit                               2,04
     Privatsphäre                                     2,04
     Passung zur Gruppenkultur                        2,06
     Möglichkeit der Individualität                   2,13
     Offene Plattform für externe Entwickler          2,19
     Förderung sozialer Kontakte                      2,24
     Offline wird Online                              2,26
     Integrierbarkeit, Widgetization                  2,31
     Technische Ausstattung                           2,36
     Wording des Angebots                             2,57
     Design                                           2,87
     Transparenz der Größe des Angebots               2,91
     Berücksichtigung der Landeskultur                3,06
     Geografische Passung                             3,10
     Online wird Offline                              3,22
     Berücksichtigung der regionalen Kultur           3,70

28
   Expertenmeinung: „Websites mit grauenhafter Usability (MySpace, Facebook) sind die erfolgreichsten überhaupt.“
=4, Facebook unter http://www.facebook.com, deutsche Version unter http://www.facebook.de
29
   Expertenmeinung: „… Der Aha-Effekt kommt erst später, wenn der Nutzer schon etwas aktiver geworden ist. So
kann der erste Besuch eher zu einem „und was soll das Ganze?“ führen …“ =4
13

     Dass die Betriebsicherheit als sehr wichtig bewertet wurde (Wertung 2,04), hat vier
     der 36 Fachleute überrascht, weil doch Social Networks wie StudiVZ, Twitter oder
     Cyworld trotz erheblicher technischer Probleme in den Anfangsmonaten sehr
     erfolgreich geworden seien.30 Die Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit sei erst viel
     später wichtig, solange die Angebote kostenfrei seien, akzeptierten die User
     technische Pannen.31 Zu den relevanten Faktoren zählte aus Sicht der Teilnehmer
     auf jeden Fall die Möglichkeit, als User selber zu bestimmen, was man von sich
     preisgeben möchte und was nicht, mit wem man kommunizieren möchte und mit
     wem nicht („Privatsphäre“, Wertung 2,04).

     Auch wenn der Nutz- und Spaßwert mit abnehmender Preisgabe vermutlich sinkt,
     weil – so die Begründung eines Teilnehmers – Social Networks auf einen gewissen
     Grad an Exhibitionismus abzielten.32 Dieses wurde mit der hohen Wertung des
     Faktors „Individualität“ bestätigt, der unterstellt, dass ein Angebot den spezifischen
     Wunsch der Zielgruppe nach Selbstdarstellung erfüllen sollte (Wertung 2,13). Diese
     Selbstdarstellung wird in der Regel dadurch ermöglicht, dass Nutzer sozialer
     Netzwerke ein persönliches Profil anlegen, und dieses individuell gestalten können.
     Die Werkzeuge und Gestaltungsspielräume variieren jedoch von Netzwerk zu
     Netzwerk sehr stark. Aus Sicht eines Teilnehmers war die Einschätzung dieses
     Aspektes nicht möglich, weil dessen Relevanz zu stark vom jeweiligen Charakter der
     Plattform abhänge.33

     Die These, dass ein erfolgreiches soziales Netzwerk zu den Besonderheiten einer
     Gruppe oder Generation passen sollte - zu ihrer Wertorientierung, Mentalität und
     Lebensweise - wurde durchgängig bestätigt (Wertung 2,06). Einziger Einwand: Auf
     ein Themen oder Zielgruppen spezifisches Angebot möge das zutreffen, die großen
     Angebote wie zum Beispiel StudiVZ seien eher breit aufgestellt und nicht darauf
     ausgerichtet, „hipp“ zu wirken.34 Weniger bestätigt wird hingegen die Wichtigkeit,
     Social Networks – in welcher Weise auch immer – auf die jeweilige Landeskultur, die
     Größe des Landes, oder die regionalen kulturellen Besonderheiten anzupassen
     (Wertungen 3,06, 3,10 und 3,70). Was bedeuten würde, dass zum Beispiel weder
     ein „typisch deutsches“ noch ein „typisch bayrisches“ Social Network von Vorteil für
     das Wachstum wäre. Sehr kontrovers fielen hier die abweichenden Fachmeinungen
     aus: Während die einen den lokalen und regionalen Akzenten eine außerordentlich
     hohe Bedeutung zuordneten, wiesen die anderen auf den exemplarischen Erfolg
     globalisierter Angebote wie Google, Flickr, iMac, LastFM und Facebook hin, und auf
     die Attraktivität globaler Angebote insbesondere für jüngere Nutzer.35

30
    Expertenmeinung: „…Twitter, StudiVZ oder Cyworld hatten anfangs bzw. phasenweise enorme technische
Probleme im Hinblick auf Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit. Offensichtlich tat das dem Erfolg keinen Abbruch.“ =5
Cyworld, koreanische Original-Version unter http://www.cyworld.com, US-Version unter http://us.cyworld.com,
http://www.studivz.de, http://www.twitter.com
31
   Expertenmeinung: „Ist später relevant, nicht aber für den ersten Erfolg – siehe MySpace und Twitter.“ Wertung 5,
„So lange die Angebote kostenfrei sind, akzeptieren die User technische Pannen.“ =4
32
   Expertenmeinung: „Privatsphäre ist für Dating wichtig, Social Networks haben nach meinem Verständnis einen
gewissen Grad an Exhibitionismus zum Ziel.“ =4
33
   Expertenmeinung: „… Pauschal und allgemein kann man diese Frage nicht beantworten. Die Antwort hängt zu
stark vom Charakter der jeweiligen Plattform ab…“ =keine Wertung
34
   Expertenmeinung: „… Die funktionierenden Social Networks sind eher breit aufgestellt. Auch StudiVZ macht nicht
auf „hipp“ oder Lifestyle. Für ein kleines, eingeschränktes Social Network mag das passen, genau auf die
Gruppenvorlieben einzugehen...“ =4
35
   Expertenmeinungen: „Das Internet ist zwar ein globales Medium, aber … every business is local.“ =1 „Dieser
Einfluss wird massiv überschätzt. Google, Flickr, iMac und LastFM funktionieren in allen Ländern.“ =6 „Lieber
Massenbedürfnisse ansprechen. Das Internet ist global, gerade für Jüngere.“ =5 „Wenn das stimmen würde, dann
hätte Facebook in Europa keine Chance.“ =5
14

     Was die technischen Merkmale jenseits der Betriebssicherheit betrifft, so sind nach
     Meinung der Fachleute die Offenheit der Plattform für externe Entwickler (Wertung
     2,19) und die Nutzbarkeit von Inhalts- und Funktionskomponenten außerhalb der
     Plattform („Integrierbarkeit/Widgetization“, Wertung 2,31) ebenso relevant wie die
     passende Auswahl, Anordnung und Vielfalt der eigentlichen Funktionen des Social
     Networks („Technische Ausstattung“, Wertung 2,36). Zwei kritische Anmerkungen:
     Die positive Entwicklung von Facebook nach Öffnung der Plattform für externe
     Entwickler lasse sich nicht unbedingt auf andere Social Networks übertragen.36 Und:
     Mit denselben technischen Instrumenten ließen sich die verschiedensten Social
     Networks realisieren. Die Qualität und Attraktivität eines Buches hänge ja auch nicht
     von dem Textverarbeitungsprogramm ab, mit dem es geschrieben wurde.37

     Die Expertenmeinung zur Bedeutung sozialer Kontakte (Wertung 2,24) entspricht
     dem, was die Nutzer von Social Networks in Deutschland selber sagen: 73,5
     Prozent möchten vor allem vorhandene soziale Kontakte und Freundschaften
     pflegen, 51,3 Prozent gehen in Social Networks, um Freunde und Bekannte
     wiederzufinden, und 38,9 Prozent beabsichtigen, neue Kontakte zu knüpfen.38 Zwei
     Teilnehmer betrachten das letztgenannte Motiv jedoch kritisch: „Zwar kann ich es
     nicht mit Zahlen belegen, aber nach vielen Gesprächen hege ich mehr als nur den
     Verdacht, dass die Leute bestehende Kontakte pflegen und alte Kontakte beleben.
     Der Aspekt, neue Kontakte zu finden, spiegelt mehr Traum als Realität wider.“
     (Wertung 4). „Meine Bewertung entspricht meiner Erfahrung im Umgang mit
     sozialen Netzwerken. Der Wunschgedanke ist, neue Kontakte zu finden, was jedoch
     einen kleinen Teil der Freundeslisten ausmacht. Bestehende Gruppierungen finden
     zusammen, und in einem sehr viel geringerem Maße kommen unbekannt neue
     hinzu.“ (Wertung 4)

     Wenn ein soziales Netzwerkes nun primär dazu genutzt wird, bestehende Kontakte
     zu erhalten statt neue zu finden, dann ist es wenig überraschend, dass der
     Möglichkeit, Offline-Kontakte in die Online-Welt zu übertragen eine höhere Relevanz
     zugeordnet wurde („Offline wird Online“, Wertung 2,26) als der Option, online
     gefundene Bekanntschaften auch in der realen Welt zu treffen („Online wird Offline,
     Wertung 3,22). Ein Teilnehmer sah in keinem von beiden Faktoren eine Relevanz
     für den Erfolg, weil sich E-Mail am besten zur Kontaktpflege eigne. Social Networks
     dienten in diesem Zusammenhang in erster Linie der Selbstdarstellung - mittels
     Fotos, Videos, Musik und, indem man die auch „alte Kontakte“ in die Freundesliste
     aufnehme.39 Einige andere bewerteten die Relevanz von Online-wird-Offline deutlich
     höher, weil viele Netzwerke reizvolle Möglichkeiten eröffneten: „Bei StudiVZ ist der
     Flirtfaktor sehr hoch, sicher nicht nur virtuell. Bei Xing ist das Ziel, Geschäfte zu
     machen. Dies erfordert irgendwann einen Übergang in die Offline World.“ (Wertung
     1) „Social Networking macht es den Menschen leichter, Gleichgesinnte mit gleichen

36
   Expertenmeinung: „Das ist ein Phänomen, das wir derzeit insbesondere bei Facebook beobachten. Ich bin mir
nicht sicher, ob das so bleiben wird. Oder, ob Google mit seiner Lösung (Anm.d.V.: „Open Social“) nicht sowieso
dafür sorgen wird, dass alle Communities mit allen Widgets und Services verbunden werden können.“ Vgl. Website
für Facebook-Entwickler http://developers.facebook.com
37
   Expertenmeinunt: „Nach meiner Meinung sind die technischen Möglichkeiten eines Textverarbeitungsprogramms
kaum ausschlaggebend, ob ein gutes Buch entsteht ...“ =5
38
   Fittkau & Maaß Consulting: Web 2.0 Kompendium …, S. 60
39
   Expertenmeinung: „Meiner Einschätzung nach ist E-Mail die Killer-Applikation, um Offline-Kontakte online zu
erhalten. Social Networks dienen aus meiner Sicht eher dem Austausch und der Selbstdarstellung in einem
bestimmten Kontext (Musik, Video, Foto, XING). Die Aufnahme von „alten“ und „nicht gepflegten“ Offline-Kontakten
dient eher der eigenen Selbstdarstellung und des Ausbaus der eigenen Reputation über die reine Größe des eigenen
Netzwerks. Aber eher selten der rein kommunikativen Beziehungspflege.“ =4
15

     Hobbies, Freizeit-, Business-, und Fachinteressen zu finden. Richtig spannend wird
     es aber erst, wenn reale Kontakte daraus entstehen.“ (Wertung 1) „Meines
     Erachtens ist allein schon die Möglichkeit, Menschen über das Internet in realen
     Kontexten zu treffen, förderlich, um dieses Netzwerk auszubauen und zu erhalten.“
     (Wertung 1)

     Nur mittlere Werte erzielen Charakteristika, die in der Beurteilung anderer Website-
     Arten wie zum Beispiel von redaktionellen Angebote vermutlich höher eingestuft
     worden wären: Das äußere Erscheinungsbild in seinem „Look & Feel“ und seinen
     Farben und Formen („Design“, Wertung 2,87). Und die zum Angebot und seinen
     Nutzern passende Wortwahl („Wording“, Wertung 2,57). Letzteres allerdings nicht
     ohne Gegenstimmen, die den Sprachstil als äußerst relevant einstuften, weil er
     dabei helfe, sich von anderen Netzwerken abzugrenzen, die Konversionsrate neuer
     Nutzer verbessere, und eine passende Ansprache die Bereitschaft der Nutzer
     erhöhe, „ihrer Site“ Informationen anzuvertrauen.40 Zu diesen Effekten trägt
     vermutlich auch die Sichtbarkeit der Anzahl der bereits angemeldeten bzw. aktiven
     Nutzern bei (Transparenz der Größe, Wertung 2,91).

     3.2. Welchen Einfluss hat das Management?

     Betrachtet man die Ergebnisse zu den abgefragten Faktoren, die sich auf das
     Management eines sozialen Netzwerkes beziehen, so werden zwei Drittel als
     „äußerst relevant“ oder „sehr relevant“ eingestuft.

     Der wichtigste Aspekt ist aus Sicht der Experten ein Klassiker: Das Controlling
     (Wertung 1,72). Dieses Thema wurde in der ersten Befragungsstufe von mehreren
     Experten vorgeschlagen und in den zweiten Fragebogen eingefügt. Der Vorschlag
     bezog sich jedoch nicht auf die umfassende Bedeutung des Controllings, Methoden
     und Informationen für alle relevanten Planungs- und Kontrollabläufe
     bereitzustellen.41 Hier war und ist ausschließlich die regelmäßige Analyse und
     Auswertung des Nutzerverhaltens gemeint. Zum Beispiel die Betrachtung und
     Auswertung der täglichen Neuregistrierungen, um die Wirkung von Maßnahmen zu
     überprüfen. Oder die kontinuierliche Beobachtung des Anteils der aktiven an der
     Gesamtzahl der registrierten Nutzer. Oder die tägliche Verweildauer pro Nutzer, um
     Rückschlüsse auf die Attraktivität des Angebots zu treffen. All das wird als überaus
     wichtig und als Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des
     Unternehmens gesehen.

     14 Faktoren, die sich auf die Qualität des Managements beziehen
     Regelmäßiges Controlling                      1,72
     Persönliches Engagement der Macher            1,91
     Tempo des Wachstums                           2,00
     Empathie                                      2,04
     Offenheit der Unternehmenskultur              2,06

40
   Expertenmeinungen: „Im Zuge der positiven Erwartungen an die Entwicklung von sozialen Netzwerken entstehen
permanent Neugründungen, obendrein internationalisieren US-amerikanische Angebote. In diesem Kontext ist
Zielgruppen-Orientierung äußerst wichtig, für deren Umsetzung auch das Wording einer der wichtigsten Treiber ist.“
„Beeinflusst die Konversion.“ „Meiner Ansicht nach haben soziale Netzwerke auch mit diversen Emotionen zu tun,
beispielsweise vertrauen die Mitglieder „ihrer Site“ diverse Informationen an. Wenn die ganz anders zu ihnen spricht,
als die User fühlen, dann wird dies den Erfolg der Site reduzieren.“ Alle =1
41
   Ziegenbein: Controlling
16

     Richtiger Grad der Freiheit/Einmischung                 2,13
     Richtiges Timing des Markteintritts                     2,16
     Flexibler Workflow                                      2,19
     Open Innovation                                         2,21
     Erfahrung der Macher                                    2,40
     Organischer Auf- und Ausbau                             2,57
     Mentalität des Managements                              2,60
     Transparenz der Vorgänge                                2,77
     Rechtschutz                                             2,77

     Betrachtet man die potentiellen Erfolgsfaktoren, die sich auf die Person des
     Managers oder auf das Management-Team beziehen, so steht das persönliche
     Engagement des Managers an erster Stelle (Wertung 1,91). Auch bei diesem
     Aspekt handelt es sich um einen Vorschlag mehrer Teilnehmer, die konkrete
     Personen benannten, die namhafte Social Networks durch ihren persönlichen
     Einsatz, ihren Einfallsreichtum und ihre direkte Kommunikation mit der Zielgruppe
     vorangetrieben hätten.

     Aber nicht nur das Engagement der Macher wurde als sehr relevant eingestuft, auch
     das Vermögen, sich in die Zielgruppe „einzufühlen“ und die Bereitschaft, deren
     Besonderheiten hinsichtlich Alter, Geschlecht und Lebenssituation bei der
     Ausgestaltung des Angebots zu berücksichtigen („Empathie“, Wertung 2,04) sowie
     ein zur Mentalität der Zielgruppe passendes Management (Wertung 2,6): „Entweder
     sie entstammen der Zielgruppe, oder aber sie müssen die Fähigkeit haben, sich voll
     und ganz auf diese einzustellen.“ (Wertung 1) „Ein Sportlernetzwerk kann nur von
     einem Sportler gemacht werden.“ (Wertung 1) Auf der anderen Seite müssten - so
     kritische Teilnehmerstimmen - Massenbedürfnisse angesprochen werden, um
     erfolgreich zu sein.42 Das Management müsse die Zielgruppe nicht selber verstehen
     - das sei Aufgabe des Teams – sondern erfolgreich exekutieren können.43

     Die verhältnismäßig hohe Bewertung der Erfahrung, die ein Macher im Betrieb von
     Websites und im Aufbau von Online-Communities haben sollte (Wertung 2,4), stieß
     auf zahlreiche Gegenstimmen: Authentizität sei wichtiger als Erfahrung. Ein gutes
     Management müsse vom eigenen Produkt nicht viel verstehen. Facebook-Gründer
     und Manager Mark Zuckerberg sei der beste Beweis dafür, dass man auch ohne
     Erfahrung ein erfolgreiches Social Network aufbauen könne, erfahrene
     Medienmanager hingegen seien mit ihren Social Networking-Projekten gescheitert.
     Erfahrung sei erst in der Phase der Kommerzialisierung eines Social Networks
     wichtig.44

42
   Expertenmeinungen: „Ein Social Network sollte Massenbedürfnisse ansprechen, keine individuellen Bedürfnisse.
Zum Beispiel Kochen, und nicht Kochen für Leuten, die in einer WG leben, Reggae hören und Mitglied der Grünen
sind.“ =6 „Erstaunlicherweise sind die großen Communities nicht sehr spitz. Das heißt, der Use-Case ist gerade nicht
eng auf bestimmte Altersgruppen zugeschnitten. Aber das ist sicher eine Gratwanderung.“ =4
43
   Expertenmeinungen: „Das Management muss erfolgreich exekutieren können – das bedeutet nicht, dass sie
„Brüder im Geiste“ mit den Nutzern sein müssen.“ =6 „Hier geht es um ein gutes Management, die Macher müssen
die Zielgruppe nicht verstehen, sondern sich Leute holen, die wissen, was die Zielgruppe braucht, und diese dann
auch machen lassen.“ =5 „Meines Erachtens sollte die Fähigkeit der Macher ausreichen, sich in ihre Zielgruppe
hineinzuversetzen.“ =5
44
   Expertenmeinungen: „Mit Erfahrung mache ich oft nur mehr vom Gleichen. Gerade die Authentizität ist ein
wichtiger Erfolgsfaktor.“ =6 „Gutes Management muss von dem eigenen Produkt nicht viel verstehen. Wenn es sich
dann aufs Managen konzentriert, kann das gut klappen.“ =5 „Zuckerberg und andere beweisen es … Erst zu einem
späteren Zeitpunkt, wenn konsequent kommerzialisiert werden soll, hilft die Erfahrung.“ =5 „Die meisten
erfolgreichen Social Networks sind nicht das Ergebnis erfahrener Medienprofis (mit von langer Hand geplantem
Projektplan, der nur ausgeführt wird) sondern das Ergebnis junger Leute, die ein Problem lösen wollten (YouTube,
MySpace).“ =6 „Verschiedene heute erfolgreiche Social Networks wurden von jungen Leuten gegründet, die eine
17

    Die Unternehmenskultur wurde nahezu einheitlich als sehr relevant bewertet: sowohl
    die Offenheit, Innovationsfreudigkeit, Probier- und Fehler-Bereitschaft des
    Unternehmens (Wertung 2,06) als auch die Entscheidungs- und Produktionsabläufe,
    die für ein wachstumsorientiertes Social Network schnell, einfach und flexibel sein
    sollten („Workflows“, Wertung 2,19).

    Wie sehr sich aus Sicht der Fachleute ein erfolgreiches Social Network-
    Management auf die technologischen Möglichkeiten des Web 2.0 und die damit
    verbundenen Partizipations- und Kontributionsmöglichkeiten einstellen sollte, zeigte
    die Beurteilung der folgenden vier Faktoren. Erstens wurde es als sehr relevant
    eingeschätzt, der jeweiligen Zielgruppe ein optimales Maß an Freiheit zur
    Gestaltung und Selbstdarstellung zu erlauben („Grad der Freiheit versus
    Einmischung“, Wertung 2,13). Zweitens sollten Wünsche und Bedürfnisse der
    Nutzer in die Weiterentwicklung des Angebotes integriert werden („Open
    Innovation“, Wertung 2,21), wenngleich einige Experten darauf hinwiesen, dass an
    der ursprünglichen Idee und Vision des Angebots, die in der Regel nicht vom Nutzer
    entwickelt worden sei, festgehalten werden müsse.45 Drittens wurde es als relevant
    eingestuft, das Angebot nicht in einer finalen Version, sondern in Stufen zu starten
    und weiterzuentwickeln („Organischer Auf- und Ausbau“, Wertung 2,57), um sich mit
    laufend neuen Innovationen von konkurrierenden Angeboten zu differenzieren, und
    um die Nutzer als Mitgestalter und Treiber der Community zu involvieren. Dagegen
    spreche, dass diese Herangehensweise zu langsam und zu wenig strategisch sein
    könne.46 Und viertens die Sichtbarkeit der unternehmerischen Vorgänge sowie eine
    verständliche Kommunikation der Spielregeln („Transparenz der Vorgänge“,
    Wertung 2,77), um den User als Kontributor und Leistungsträger fair im Sinne einer
    prozedualen Gerechtigkeit zu behandeln. Als Negativbeispiele wurden Xing47,
    Facebook und StudiVZ angeführt, die aufgrund fehlender Transparenz User-
    Proteste ernteten und zurückruderten.48

    Zwei Faktoren wurden von einigen Teilnehmern vorgeschlagen, in den Feedback-
    Bogen eingefügt und in der zweiten Stufe für sehr relevant bewertet: Der schnelle
    Aufbau einer kritischen Masse im Sinne einer „Lead Community“ als Voraussetzung
    für virale Effekte („Tempo des Wachstums“, Wertung 2,00). Und der richtige
    Zeitpunkt des Markteintritts – „First Mover Advantage“ (Richtiges Timing“, Wertung

bestimmte Idee hatten, aber vorher noch nie unternehmerisch tätig waren – siehe Marc Zuckerberg. Umgekehrt
haben sich erfahrene Web-Manager daran gemacht, Social Networks aufzubauen, und sind daran gescheitert.“ =4
45
   Expertenmeinungen: „Eine klare Vision für das eigene Produkt ist wichtiger. User-Meinungen sind in der Praxis
mehrheitlich diffus und/oder willkürlich.“ =4 „Entweder ist eine Idee gut (gemacht), dann fliegt sie, oder aber nicht,
dann geht sie ein.“ =4 „Es ist bekannt, dass Neues in der Regel nicht vom Benutzer erdacht wird. Zudem äußern im
Durchschnitt sehr wenige Nutzer ihre Meinung. Davon auf die Masse zu schließen kann durchaus auch gefährlich
sein.“ =4
46
   Expertenmeinungen: „Wie soll es funktionieren, wenn es nicht kontinuierlich ausgebaut wird, nicht ständig mit
Innovationen glänzt?“ =1 „Mit zunehmender Angebotsvielfalt wird Segmentorientierung ebenso wie Differenzierung
wichtiger.“ =1 „Meiner Meinung nach ist der organische Aufbau eine entscheidende Komponente, um die Nutzer zu
involvieren und ihnen ausreichend Gestaltungsraum zu geben.“ =1 „Die Entwicklung von Social Networks ist nicht
deterministisch zu sehen, sondern gleicht eher einem organischen Wachstumsprozess.“ =1 „Organisch aufgebauten
Sites fehlt oft die Strategie.“ =5 „Für langsamen Aufbau bleibt kein Raum … Wer am schnellsten groß ist, hat
gewonnen.“ =5
47
   Xing unter http://www.xing.com
48
   Expertenmeinungen: „Stichwort: Prozeduale Gerechtigkeit. Übertragen auf Webseiten: Der Benutzer sollte das
Gefühl haben, dass er über genügend Informationen verfügt, um selbst zu entscheiden, ob und wann er „mitspielen“
will.“ „Weil viele persönliche Daten verlangt werden.“ „Negativbeispiele hierfür sind Facebook und StudiVZ, die sich
bei der Umgestaltung und der Personalisierung von Werbeangeboten so weit aus dem Fenster gelehnt haben, dass
sie nur ein „Kotau“ vor den Usern rettete.“ „Nach dem User-Protest bei XING und Facebook und dem sofortigen
Zurückrudern ist das wohl klarer geworden.“ Alle =1
18

     2,16). Abweichungen und kritische Kommentierungen gab es zu diesen Themen
     nicht.

     Die mit Abstand zahlreichsten und kontroversesten Stellungnahmen provozierte die
     Bewertung des Rechtschutzes, dem mit „2,77“ ein positiver Einfluss auf den Erfolg
     eines sozialen Netzwerkes zugesprochen wurde. Die Teilnehmer, die diesen Aspekt
     als äußerst relevant eingestuft hatten, sahen in der Einhaltung juristischer Regeln
     zum Beispiel des Jugend-, Daten- und Urheberschutz eine „Conditio Sine Qua Non“,
     eine notwendige Bedingung, die, wenn sie nicht erfüllt werde, zu negativer Presse
     und PR und damit zum Abwandern der Nutzer führe.49 Die Fachleute, die dem
     Rechtschutz eine geringe oder gar keine Bedeutung zugeordnet hatten, verwiesen
     auf Beispiele, bei denen Nichteinhaltung alles andere als geschadet habe. MySpace
     beispielsweise akzeptiere keinen Urheberschutz. Abgesehen von Extremfällen (z.B.
     Übergriffe Pädophiler) werde der Rechtschutz häufig überbewertet und eigentlich
     erst dann relevant, wenn das Angebot bereits erfolgreich sei. Klagen brächten
     zudem Aufmerksamkeit und kostenlose PR.50

     3.3. Was kann das Marketing bewirken?

     Betrachtet man die möglichen Aktivitäten, die ein Unternehmen bezüglich Produkt,
     Preis, Kommunikation und Distribution verfolgen kann, so wurden hier im Vorfeld
     diejenigen ausgewählt, deren Anwendung für das Marketing von Internet-Angeboten
     bekannt sind. Alle 17 Faktoren waren bereits in der ersten Version des Fragebogens
     enthalten, es wurden zum Marketing keine Ergänzungen empfohlen.

     Wichtig anzumerken ist, dass einige der in den Kapiteln „Produkt“ und
     „Management“ aufgeführten Faktoren ebenso in dem Kapitel „Marketing“ hätten
     behandelt werden können. So hätten Faktoren wie zum Beispiel das
     Alleinstellungsmerkmal (Kapitel Produkt) oder „Open Innovation“ (Kapitel
     Management) ebenso dem Marketing zugeordnet werden können. Zudem zeigt sich,
     dass sich die 17 Faktoren nicht eindeutig einer der vier klassischen Marketing-
     Disziplinen zuordnen lassen, wie sich am Beispiel des viralen Online-Marketings
     zeigt, das sowohl als eine Produkt,- Kommunikations- sowie eine
     Distributionsmaßnahme betrachtet werden kann, wenn dem User beispielsweise in
     einem Social Network eine neue Funktion zur Einladung von Freunden angeboten
     wird („Kommunikation“), er diese dann als Teil „seines Networks“ nutzt („Produkt“),
     und seine Freunde dazu einlädt, sich in dem Social Network zu registrieren
     („Distribution“).

49
   Expertenmeinungen: „Die Einhaltung juristischer Regeln bleibt ein zentraler Erfolgsfaktor – siehe die derzeitige
Diskussion rund um StudiVZ.“ „Hier nicht angreifbar zu sein, halte ich für extrem wichtig, da sich die Blogosphäre
und die Medien sonst darauf stürzen.“ „Ist im elektronischen Zeitalter sehr wichtig, um vor Missbrauch zu schützen.“
„Datenschutzfragen u.ä. sorgen für starke negative Presseberichte/PR und Abschreckung innerhalb der sozialen
Gruppe.“ „Internationale Erfahrungen zeigen, dass sich die Nutzer immer bewusster werden, wie sichtbar sie im Netz
sind … Fehler in diesem Bereich führen oft zu schlechter Presse und zum Abwandern der Nutzer. Je werthaltiger die
Daten sind … desto wichtiger ist dieser Punkt.“ Alle =1
50
   Expertenmeinungen: „MySpace zum Beispiel akzeptiert keinen Urheberschutz. Das hat ihnen nicht geschadet.“
„Juristische Regeln werden überbewertet. Wenn gegen die „Fairness-Regeln“ der Community verstoßen wird, gibt’s
Probleme. Die Einhaltung der juristischen Regeln ist dagegen nebensächlich. Ausnahme: Jugendschutz im Sinne von
pädophilen Übergriffen etc.“ „Keine Community der Welt ist erfolgreich geworden, WEIL sie den Rechtschutz gut
einhält. Das ist ein Luxusproblem. Es wird zu einem Thema, wenn das Angebot erfolgreich wird. „Ist später relevant,
nicht für den ersten Erfolg.“ „Klagen bringt Aufmerksamkeit und kostenlose PR.“ Alle =5
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