MINI, MILLI, MIKRO - Stiftung Haus der kleinen Forscher
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Ausgabe 2/ 2019 – 9. Jahrgang – D, A 4,50 Euro Technik Naturwissenschaften und für Mädchen und Jungen DAS MAGAZIN DER STIFTUNG „HAUS DER KLEINEN FORSCHER“ TITELTHEMA: MINI, MILLI, MIKRO WAS WÄRE, WENN WIR DAUMENGROSS WÄREN? DIE GENFORSCHERIN WO HAT DIE AMEISENKÖNIGIN IHRE KRONE?
TAG DER KLEINEN FORSCHER 2019 KLEIN, ABER OHO! Ganz nach dem Motto: „Klein, aber oho!“ entdecken die Kinder beim diesjährigen „Tag der kleinen Forscher“ am 28. Mai die Welt der kleinen Dinge. Machen Sie mit beim bundesweiten Aktionstag für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung. Beteiligen Sie sich mit Ihrer Kita, Ihrem Hort oder Ihrer Grundschule im Rahmen eines Forscherfests oder einer spannenden Projektwoche. PARTNER Helmholtz-Gemeinschaft Siemens Stiftung Dietmar Hopp Stiftung Deutsche Telekom Stiftung
LIEBE PÄDAGOGIN, LIEBER PÄDAGOGE, kennen Sie die Abenteuer von Jim Knopf und Lukas, dem Loko- motivführer? Eines Tages reisen sie mit ihrer Lokomotive Emma durch die Wüste. Am Horizont entdecken sie eine riesige be- drohlich wirkende Gestalt. Sie nähern sich ihr langsam mit schlotternden Knien und stellen fest: Die furchterregende Kreatur ist in Wirklichkeit ein netter Kerl, aus der Nähe nicht größer als sie selbst. Ob etwas klein oder groß ist, liegt also immer im Auge der Betrachterin bzw. des Be- trachters – weshalb es günstig ist, gelegentlich den Blickwinkel zu ändern. Anregungen hierfür finden Sie bei den Forscherideen (S. 6–9). Genauso wie etwas scheinbar Großes und Gefährliches sich de facto als harmlos erweisen kann, gibt es kleine Wesen, die ungeahnte Kräfte besitzen: Das zeigen zum Beispiel die Praxisprojekte, bei denen Mäd- chen und Jungen in Kitas die Lebensweise von Bienen oder Ameisen erforscht haben (S. 22 bzw. 26). Haben Sie schon Ihr Forscherfest geplant? Am 28. Mai lädt die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ Kitas, Horte und Grundschulen in ganz Deutschland zum „Tag der kleinen For- scher“ ein. Mit dieser Ausgabe möchten wir Sie auf das Motto „Klein, aber oho!“ einstim- men und Sie mit Geschichten von daumengroßen Fabelwesen, schillernden Unterwas- serwelten und verblüffenden Erkenntnissen aus der Genforschung für die Welt der kleinen Dinge begeistern. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Ihr Michael Fritz Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ GE F Ö R DE R T V O M PA R T N E R l 1 l
INHALT FOR S C H T MI T! 2 /2019 2/2019 INHALT FORSCHEN MIT KINDERN 4 TITELTHEMA Mini, milli, mikro AUS DER 5 IM MORGENKREIS Daumengroß PRAXIS 6 IDEEN ZUM ENTDECKEN UND FORSCHEN 18 INTERVIEW Die Genforscherin – von der Kita ins Labor 10 ORTE ZUM FORSCHEN Das Kita-Beet 21 MITMACHEN Zu Hause lernen und sich dennoch 11 DURCH DIE FORSCHERBRILLE austauschen – mit moderierten Online-Kursen Wo befindet sich der kleinste Knochen im menschlichen Körper und was ist seine 22 AUSGEZEICHNET Aufgabe? „Forschergeist“-Projekt 2018 Dem Honig auf der Spur 12 MEIN FORSCHERTIPP Praxisbeispiele aus Kita, Hort 26 GUT GEMACHT und Grundschule Wo hat die Ameisenkönigin eigentlich ihre Krone? 16 FORSCHERBILD Am Korallenriff FÜR FAMILIEN 14 KOPIERVORL AGE Knoten zu Land und zu Wasser 24 GECKO-KUR ZGESCHICHTE Helga, die Ameise Mit Lupe und Lampe lassen sich kleine Salzkörner genau betrachten. l 2 l
INHA LT GUT ZU WISSEN 28 BILDUNGSPOLITIK UND GESELLSCHAF T Bienen sind zwar klein, können aber Wir müssen weg von Klischees allerhand: Unter anderem bauen sie und festen Rollenbildern! Waben, in denen sie Honig lagern und ihren Nachwuchs aufziehen. 29 LESETIPPS 30 AUS DER BILDUNGSINITIATIVE 32 VORSCHAU AUF DIE NÄCHSTE AUSGABE IMPRESSUM Noch mehr Ideen zum Forschen und Entdecken auf: haus-der-kleinen-forscher.de l 3 l
FOR S CHE N MIT KINDE RN FOR S C H T MI T! 2 /2019 TITELTHEMA MINI, MILLI, MIKRO Elfen, Schlümpfe, Zwerge – in Kindergeschichten wimmelt es von kleinen Heldinnen und Helden. Mit ihrer geringen Körpergröße erobern sie besonders schnell die Herzen der Mädchen und Jungen. Auch Erwachsene verbinden mit „Kleinsein“ oft Erfreuliches – die Kindheit ist meist als unbeschwerte und aufregende Zeit in Erinnerung geblieben. „Kleinsein“ bedeutet, erst am Anfang zu stehen, ein Zeitpunkt, an dem noch alles möglich ist. Umso mehr kommt es darauf an, genau hinzuschauen und auf Kleinigkeiten zu achten, denn: Auch kleine Impulse können große Wirkungen haben. H aben die Kinder Ideen, wie sie herausfinden können, ob Große im Kleinen zu entdecken. Auf den kommenden Seiten fin- etwas groß oder klein ist? Welche Möglichkeiten fallen ih- den Sie jede Menge spielerischer Forscherideen rund um das nen ein, etwas zu messen und zu vergleichen? Haben Men- Thema „Mini, milli, mikro“ und viele gute Beispiele aus der Praxis schen mit kleinen Füßen auch kleine Hände bzw. Ohren? Wie kann von Kita, Hort und Grundschule – von kleinen Hüten über Pflan- ich etwas Großes, Zusammenhängendes in kleine Stücke zertei- zensamen bis hin zu Strategien im Umgang mit kleinen, aber sehr len oder mich selbst besonders klein machen? In dieser Ausgabe wirksamen Bakterien. laden wir Sie ein, gemeinsam mit den Mädchen und Jungen das l 4 l
FOR SC HE N MIT KINDERN IM MORGENKREIS DAUMENGROSS Däumelinchen, Nils Holgersson oder Alice im Wunder- land – welche Geschichten bzw. Lieder kennen die Mädchen und Jungen, in denen es um einen besonders kleinen Menschen oder ein anderes kleines Wesen geht? Was glau- ben die Kinder, wie diese daumengroßen Figuren unsere Umwelt erleben würden? Was ist besser möglich, wenn man so klein ist, was schlechter? Man bräuchte zum Beispiel viel weniger Platz zum Wohnen, könnte in die kleinsten Spalten und Ritzen schauen, in einem Wassertropfen baden oder sich an einer Erdbeere satt essen. Wie sieht die Welt aus der Perspektive eines kleinen Wesens aus? Bitten Sie die Mädchen und Jungen, sich hinzulegen, um es auszupro- bieren. Wie wirken nun zum Beispiel ein Schrank oder ein Stuhl auf sie? Kämen sie noch an den Türgriff des Schranks heran? Könn- ten sie den Stuhl noch erklimmen, um darauf zu sitzen? Überlegen Sie gemeinsam, was stattdessen für jemanden in Daumengröße als Schrank bzw. als Stuhl dienen könnte – eine Streichholzschachtel oder ein Bauklotz? Welche Möglichkeiten ergeben sich noch? Da wird der Stein zum Kletterberg, die Kastanie zum Fußball und die Pfütze zum großen See. Vielleicht möchten Sie und die Kinder sich auf eine Gedankenreise begeben? Wählen Sie gemeinsam eine Szenerie, die alle kennen und durch die Sie gedanklich als Winzling reisen wollen. Wie wäre es mit dem Garten, einer Blumenwiese oder dem Frühstückstisch? Was gibt es dort zu entdecken? Stellen Sie sich zusammen vor, wie Sie über den ge- deckten Tisch laufen, vorbei am imposanten Salzstreuer, zum Teller, um an dessen Rand einige Klimmzüge zu machen und sich dann an ein paar Krümeln satt zu essen. Was wäre, wenn alle Menschen so klein wären? l 5 l
FOR S CHE N MIT KINDE RN FOR S C H T MI T! 2 /2019 IDEEN ZUM ENTDECKEN UND FORSCHEN WER IST KLEINER? Ist das klein oder groß? Diese Frage lässt sich nur durch den Vergleich von mindestens zwei Dingen beantworten. Nicht immer müssen wir dafür die Vergleichsobjekte nebeneinander betrachten. Ob zum Beispiel ein Baum oder ein Löffel eher klein, mittelgroß bzw. ziemlich groß sind, können wir aus unserer Erfahrung heraus sagen, da wir zuvor schon viele Bäume oder Löffel gesehen haben. Wahrscheinlich ist es den Mädchen und Jungen schon aufgefallen: Sie sind alle unterschiedlich groß. Doch wer ist am kleinsten, wer am größten? Und wie groß ist das eigentlich? Die Kinder vergleichen ihre Körpergrößen. Dafür können sie sich zum Beispiel der Größe nach aufstellen. Wie finden die Mäd- chen und Jungen heraus, wer jeweils die oder der Kleinere ist? Möchten sie sich Rücken an Rücken stellen bzw. die Körperhöhe eines jeden Kindes per Bleistiftstrich an Türrahmen oder Wand markieren und mit Namen versehen? Gibt es zwei, die gleichgroß sind? Anhand der Vergleiche sortieren sich die Mädchen und Jungen dann der Größe nach wie die „Orgelpfeifen“. Per Foto kann dies dokumentiert werden. Eine andere anschauliche Variante besteht darin, von jedem Kind einen Körperumriss auf ein gesondertes großes Blatt Papier zu zeichnen und die Zeichnungen anschließend der Länge nach nebeneinander aufzuhängen. Wer möchte, vermisst die Höhe des eigenen Körperumrisses mit einem Maßband. Alternativ können Wer wie groß ist, lässt sich per Bleistiftstrich die Mädchen und Jungen auch ausprobieren: Wie viel Mal größer am Türrahmen markieren und vergleichen. bin ich als mein Lieblingsteddy? Wie viele Löffel bin ich hoch? Dazu kleben sie die Gegenstände selbst oder Zeichnungen davon in Re- algröße neben ihren Körperumriss an die Wand. Die Entdeckungsreise kann ausgedehnt werden: Wer von den Kindern hat die kleinsten Füße? Ist es auch die- oder derjenige mit der geringsten Körpergröße? Die Körperumrisse werden nun nach den Fußgrößen umsortiert. Welches Bild ergibt sich jetzt; sind die Mädchen und Jungen immer noch wie die „Orgelpfeifen“ aufge- reiht? Was verändert sich, wenn die Kinder sich entsprechend ihres Alters aufstellen? Sind die oder der Älteste tatsächlich am größten und die bzw. der Jüngste am kleinsten? Sie brauchen: • Einen Bleistift • Mehrere große Stücke Papier (ca. 1 m x 1,50 m) Die auf Papier gemalten Körperumrisse der Kinder • Mehrere Filzstifte sehen nicht nur lustig aus, sondern können auch • Klebeband beim Sortieren nach Größen helfen. l 6 l
FOR SC HE N MIT KINDERN Von ganz weit oben sieht selbst ein großer Kletterturm klein aus. Wie groß ist der Ausschnitt, den ich sehe, wenn ich in die Röhre schaue? IDEEN ZUM ENTDECKEN UND FORSCHEN KLEIN IST ANSICHTSSACHE Ob etwas groß oder klein erscheint, kommt auf den Standpunkt an: Zum Beispiel wirken Flugzeuge riesig, wenn man am Flughafen neben ihnen steht. Fliegen sie dagegen hoch am Himmel, sehen sie winzig aus – je weiter man von einem Gegenstand oder einem Lebewesen entfernt ist, desto kleiner erscheint er bzw. es. HERAUSGEZOOMT HINEINGEZOOMT Wie groß sieht ein Gegenstand von weit oben aus? Die Die Kinder halten sich eine Pappröhre vor ein Mädchen und Jungen probieren es aus, zum Beispiel Auge, das andere Auge verdecken sie mit der mit dem Klettergerüst auf dem Spielplatz. Sie suchen Hand oder mit einem Tuch. Was können sie sich einen Gegenstand, etwa ein Spielzeugauto oder eine Puppe, durch die Röhre hindurch vollständig sehen – vielleicht einen und legen ihn neben das Gerüst auf den Boden. Dann klettern sie Baum, ein Haus oder einen Strauch? Dieser Gegenstand bleibt nun nacheinander hinauf. Wie wirkt das Auto von hier oben? Und wie im Fokus. Die Mädchen und Jungen bewegen sich fünf Schritte auf die Puppe? Wie sehen die anderen Kinder von oben aus? ihn zu und halten die Pappröhre wieder vors Auge, um ihn ein Vielleicht gibt es einen geeigneten Turm in der Nähe, beispiels- weiteres Mal zu betrachten. Ist er noch immer vollständig in dem weise einen Aussichts- oder Kirchturm, der noch viel höher ist als runden Sichtfenster zu sehen? Was ist nach weiteren fünf Schritten das Klettergerüst und den Sie mit den Mädchen und Jungen bestei- vom Gegenstand durch die Röhre hindurch erkennbar? Werden gen können. Wie sieht die Gegend von hier oben aus? Wie viele neue Details sichtbar? Was stellen die Kinder fest, wenn sie sich Häuser und Straßen können die Kinder überblicken? Was entde- nach und nach auf den Gegenstand zubewegen? Wie hängen die cken sie und was ist zu klein, um es von hier oben erkennen zu scheinbare Größe eines Gegenstands und die Entfernung zu ihm können – obwohl die Mädchen und Jungen wissen, dass es da ist? zusammen? Sie brauchen: • Ein Klettergerüst • Ein Spielzeug (z. B. ein Auto oder eine Puppe) • Eine Pappröhre (z. B. von einer leeren Küchenkrepprolle) l 7 l
FOR S CHE N MIT KINDE RN FOR S C H T MI T! 2 /2019 IDEEN ZUM ENTDECKEN UND FORSCHEN WER HAT DEN KLEINSTEN HUT? Flieger, Schiffchen, Becher, Hut – aus einem Blatt Papier ein dreidimensionales Objekt zu falten ist nicht nur verblüffend, es fördert auch das räumliche Vorstellungsvermögen. Wer hat schon einmal etwas verschieden große Hüte falten oder mehre- nach einer Anleitung gefaltet? re Mädchen und Jungen teilen sich „die Was war dabei wichtig? Wel- Arbeit“ und falten jeweils einen Hut in einer ches Papier haben die Mädchen und Jun- anderen Größe. gen dafür verwendet? Die Kinder falten Anschließend können die Hüte als unterschiedlich große Hüte aus verschie- Kopfbedeckung für Puppen und Spielfigu- den großen Papieren – den ersten zum ren verwendet werden. Welche Geschich- Beispiel aus einem DIN-A4-Blatt, den ten denken sich die Kinder dazu aus? nächsten aus einer Hälfte des Blatts. Wird dieser auch nur halb so groß sein wie der erste? Probieren Sie es gemeinsam aus! Lassen Sie die Mädchen und Jungen immer kleinere Hüte falten, indem sie das Blatt jeweils weiter halbieren. Kann das ewig so weitergehen? Lässt sich dünnes Papier kleiner falten als dickes? Wie groß ist das kleinste Blatt, das zum Falten ver- Ein brauchbarer Hut muss die richtige Größe wendet werden kann? Und wem passt die- haben – ist ja klar! Wie groß bzw. klein muss ser Hut? Jedes Kind kann für sich allein er sein, damit er Herrn Smiley passt? Welcher Teil des fertigen Huts gehört zu welcher Fläche des Papiers? Wel- che Blattseite ist nachher beim Hut außen? Um das herauszufinden, können die Mäd- chen und Jungen einen Hut wieder ausein- anderfalten und Flächen auf dem Papier farbig bemalen. Oder sie rechnen aus, wie groß der Hut bei welcher Blattgröße wird. Was stellen die Kinder fest, wenn sie die Hüte auffalten und die Kanten messen? Sie brauchen: wie das Blatt breit ist. • Mehrere Blatt Papier Der Hut ist immer halb so hoch, l 8 l
FOR SC HE N MIT KINDERN IDEEN ZUM ENTDECKEN UND FORSCHEN TROPFENWEISE Wenn es regnet, fallen viele kleine Wassertropfen vom Himmel. Manchmal sind diese ganz winzig und fein, manchmal platschen sie groß und schwer auf die Erde. Wenn genügend Tropfen zusammenlaufen, entsteht eine Pfütze. Haben die Mädchen und Jun- Auch mit Pipetten kön- gen Ideen, wie sie selbst Trop- nen die Mädchen und fen machen können? Haben sie Jungen einer größeren schon einmal jemanden nass gespritzt? Menge Wasser einzelne Tropfen entnehmen. Zerstäuber oder Gießkannen mit entspre- Bitten Sie die Kinder dann, die Tropfen auf chenden Aufsätzen eignen sich dafür, fei- eine Einsteckfolie zu geben. Dort formen sie ne Tröpfchen großflächig zu verteilen. Was glitzernde Gebilde – je kleiner, desto kuge- denken die Kinder, wozu das nützlich ist? liger. Mit Hilfe von Zahnstochern lassen sich Auch mit Zahnbürsten können die die wässrigen „Edelsteine“ auf den Folien Mädchen und Jungen Wasser prima als hin- und herbewegen, zu größeren Tropfen winzige Tropfen verspritzen. Dazu tauchen vereinigen oder wieder teilen. Halten die sie die Bürste in Wasser und streichen Mädchen und Jungen die Folien schräg, ge- dann mit den Fingern über die Borsten – hen die Tropfen auf Wanderschaft. Was, wie das spritzt! glauben die Kinder, geschieht, wenn sie die Die Spritztechnik mit der Zahnbürste Folien samt Wassertropfen ins Tiefkühlfach Sie brauchen: lässt sich auch für kleine Kunstwerke nut- legen? • Zahnstocher zen: Die Kinder legen verschiedene Scha- Woher kennen sie Wasser noch in • Zahnbürsten blonen auf ein Papier. Dann tauchen sie Tropfenform? Haben sie schon mal auspro- • Zeichenschablonen (z. B. Blätter) die Zahnbürste wie einen Pinsel in Farbe biert, wie viele Tropfen auf eine Münze • Einige Bögen Papier und spritzen die Farbe mit Hilfe der Finger passen? Schauen Sie sich zusammen nach • Wasserfarbe aufs Blatt. Wie sieht es aus, wenn sie die einem Regenguss um: Auf welchen Blät- • Pipetten Schablonen anschließend entfernen? tern bilden sich kugelige Tropfen (zum Bei- • Einsteckfolien spiel Kohlrabi-, Tulpenblätter)? l 9 l
FOR S CHE N MIT KINDE RN FOR S C H T MI T! 2 /2019 ORTE ZUM FORSCHEN DAS KITA-BEET Habt ihr alle Tiere entdeckt? Im Kita-Beet ist einiges los: Würmer graben die Erde um, kleine Samen wachsen zu Pflanzen heran, Schmetterlinge, Käfer und Bienen besuchen das Beet und wir können uns an Blumen erfreuen oder Kräuter, Obst und Gemüse ernten. Das Beet ist ein wunderbarer Ort zum Beobachten – und zum selbst Aktivwerden! GROSSES BEET, KLEINE KRÜMEL WINZIGE BEWOHNER Winzige Körnchen, Steinchen, schwarze Krümel und Sand: Die Welche Tiere leben im Beet? Gehen Sie gemeinsam auf die Suche, Erde in einem Beet besteht aus vielen verschiedenen Bestandtei- zum Beispiel in und auf der Erde, unter Blättern und in Blüten. len. Was entdecken die Kinder, wenn sie die Erde genauer betrach- Finden die Kinder nach einem Regenguss andere Tiere als zuvor? ten? Unter der Lupe können sie noch mehr Details erkennen. Wenn Vielleicht entdecken die Mädchen und Jungen sogar winzige Eier sie wollen, können sie die verschiedenen Bestandteile auch von- von Insekten. Was schlüpft wohl daraus? einander trennen, zum Beispiel durch Sieben. Was passiert mit Die Kinder können die Beetbewohner auch durch eine Lupe den Teilchen, wenn die Mädchen und Jungen etwas (trockene) oder im Lupenglas betrachten. Welche Details entdecken sie? Erde in ein Schraubglas füllen und dieses auf und ab schütteln? Einige Tiere haben sechs Beine, andere acht oder sogar gar kei- Entdecken die sie beim Untersuchen der Erde auch Kleinstlebe- ne, manche haben kleine Fühler und bunte Muster. Haben die wesen, die darin wohnen? Mädchen und Jungen Lust, die Tiere zu zeichnen? Welche der l 10 l
FOR SC H E N MIT KINDERN DURCH DIE FORSCHERBRILLE WO BEFINDET SICH DER KLEINSTE KNOCHEN IM MENSCHLICHEN KÖRPER UND Tiere kennen die Kinder – und welche WAS IST SEINE AUFGABE? nicht? Mit einem Tierbestimmungsbuch oder im Internet können sie zusammen erkunden, wie die unbekannten Insekten Emel, 6 Jahre heißen. Die Mädchen und Jungen können I die realen Insekten mit den Abbildungen ch glaub, der kleinste Knochen ist vergleichen. Vielleicht erfahren sie bei der im kleinsten Finger – die anderen Recherche auch einiges über die Lebens- Finger sind ja ein bisschen größer. weise „ihrer“ Tiere. Seine Aufgabe ist, zu wackeln und Finger- spiele zu machen. In der Nase und im Ohr hat man auch kleine Knochen. Der Kno- WIE WERDEN AUS KLEINEN chen im Ohr kann hören und er schützt das SAMEN GROSSE PFL ANZEN? Ohr. Nachts schläft der Knochen und am Nun planen die Kinder ihr eigenes Beet. Tag ist er auf. Wenn im Ohr kein Knochen Möchten sie Gemüse ziehen und ernten wäre, wäre das Ohr nicht da. oder lieber eine Blumenwiese anlegen? Überlegen Sie gemeinsam, was eine Pflan- ze alles zum Wachsen braucht und wie die- se Bedürfnisse im Beet erfüllt werden kön- nen. Welche Pflanzen sollen in Ihrem Beet wachsen und wie sehen die zugehörigen Prof. Dr. Michael Müller, Samen eigentlich aus? Säen Sie zusammen Zentrum für Physiologie die verschiedenen Pflanzen aus. Wie lange dauert es, bis etwas sichtbar wird? und Pathophysiologie, Manchmal wachsen im Beet auch Universitätsmedizin Göttingen Pflanzen, die niemand dort gesät hat. Ken- D nen die Mädchen und Jungen die Pflanzen? er kleinste Knochen in unserem Kör- Was vermuten sie, wie diese ins Beet ge- per ist der Steigbügel. Er ist einer von kommen sind? drei Gehörknöchelchen im Mittelohr und ist sogar noch etwas kleiner als ein Reiskorn! Wenn Geräusche und Töne in un- KLEINES BLÄT TCHEN, ser Ohr dringen, dann lassen sie das Trom- GROSSER GESCHMACK melfell schwingen. Zusammen mit den Toll, wie das duftet! Welche Kräuter wach- anderen beiden Gehörknöchelchen (Hammer und Amboss) überträgt der sen im Beet? Wie riechen Basilikum, Ore- Steigbügel diese Schwingungen möglichst verlustfrei auf die Gehörschnecke. gano oder Minze? Wer möchte, darf gerne Daher können wir auch noch sehr leise Geräusche problemlos hören. Bei ein Blättchen probieren. Und wofür können Störungen der Gehörknöchelchen hören wir deutlich schlechter und ganz die Kräuter verwendet werden? Lassen Sie dumpf, etwa so, als würden wir den Finger ins Ohr stecken oder als hätten wir die Kinder Vorschläge machen. Welches nach dem Schwimmen noch Wasser im Ohr. Rezept wollen sie am liebsten ausprobie- ren? Eine Idee: Brot mit selbst gemachter Kräuterbutter und dazu ein frischer Minztee – lecker! l 11 l
FOR S CHE N MIT KINDE RN FOR S C H T MI T! 2 /2019 MEIN FORSCHERTIPP KITA WIE WASCHE ICH MEINE HÄNDE Richtiges Händewaschen schützt vor Krankheiten und es ist sinnvoll, es mit den Kindern zu üben. RICHTIG? Kita St. Gertrud ANSPRECHPARTNERINNEN Kirsten Alsen-Falk (Kita-Leiterin), Sandra Großmann (Gruppenleiterin) ORT Flensburg, Schleswig-Holstein KINDER 50 Kinder, 1–6 Jahre HAUS DER KLEINEN FORSCHER Seit 2013 beim „Haus der kleinen Forscher“ aktiv. Flüssig, fest oder flockig – die Mädchen und Jungen probierten 2014, 2016 und 2018 zertifiziert. verschiedene Seifensorten mit unterschiedlichen Eigenschaften aus. Worum ging es bei dem Projekt? Was haben Sie herausgefunden? Warum sind so viele Kinder krank?, fragten sich die Wir konnten mit dem Mehl wunderbar sehen, wie wir Krankheiten Mädchen und Jungen einmal im Winter. Wir erklärten übertragen: Das Mehl hat immer mindestens bis zum fünften Kind ihnen, wie wichtig es ist, dass wir uns gut die Hände waschen. gereicht! Damit haben alle verstanden, wie wichtig richtiges Hän- Das Interesse der Kinder war so groß, dass wir beschlossen, ein dewaschen ist. Ganz entscheidend war es für die Mädchen und Projekt daraus zu machen: Wir haben Händewaschen geübt und Jungen, zu erfahren, dass es zwar „schlechte“, aber auch „gute“ wie wir uns am besten verhalten, wenn wir husten oder niesen. Bakterien gibt, wie zum Beispiel die im Joghurt. Und es war span- Wir haben verfolgt, wie die Ansteckung über Bakterien funktio- nend, zu erleben, welche Vergrößerung mit dem Mikroskop mög- niert, und die Kinder haben sich Bakterien unter dem Mikroskop lich ist. Auf dem Objektträger sahen wir nichts und unter dem angesehen. Die Nachforschungen reichten sogar bis hin zur Blut- Mikroskop wimmelte es dann von riesengroßen Gebilden. Das war gruppenbestimmung und zum Thema Hautpflege. schon eine tolle Erfahrung. Was haben Sie benötigt und wie lange haben Sie geforscht? Was hat gut oder nicht so gut geklappt? Wir haben Kernseife genutzt, um zu zeigen, dass es Alternativen Wir haben gemerkt, dass die Nachhaltigkeit fehlte: Jeden Tag ka- zu Flüssigseife gibt. Wir haben diese auch zu Flocken gerieben und men neue Forscherfragen auf und dadurch konnten wir nicht so daraus mit den Kindern neue Seifenstücke hergestellt. Um zu se- sehr in die Tiefe gehen. Wir fangen gerade wieder ein Projekt zu hen, wie die Ansteckung mit Bakterien verläuft, haben die Mäd- dem Thema an – da machen wir das etwas gezielter. chen und Jungen ihre Hände in Mehl getaucht, sich „Guten Tag“ Toll war, dass das Thema sämtliche Kinder interessiert hat, gesagt und Türen berührt. Toll war auch, dass wir Expertinnen und selbst die ganz kleinen. Denn Kranksein und Krankwerden kennen Experten für das Thema hatten: Eltern, die im Krankenhaus oder sie alle und können sich damit identifizieren. Und natürlich wollen in der Apotheke arbeiten. So konnten die Kinder Mikroskope nut- wir uns alle davor schützen. zen und direkt erleben, wie Blut abgenommen wird. In der Apo- theke haben die Mädchen und Jungen ihre eigenen Cremes ange- Noch mehr Praxisprojekte unter tag-der-kleinen-forscher.de rührt. Das ganze Projekt ging über mehrere Monate. l 12 l
FOR SC HE N MIT KINDERN MEIN FORSCHERTIPP GRUNDSCHULE Worum ging es bei dem Projekt? Im Sachunterricht standen gerade Stoffe und SALZ: ihre Eigenschaften auf dem Lehrplan. Auch Kochsalz wurde von den Schülerinnen und Schülern genauestens KLEINES KORN MIT unter die Lupe genommen: Welche Farbe hat es? Riecht es? Lässt es sich verbrennen? Wie sehen seine Kristalle aus? So genau hat- GROSSER WIRKUNG ten die Kinder diesen alltäglichen Stoff noch nie zuvor betrachtet und waren fasziniert. Als eine Lehrkraft vorschlug, das Salz noch ausführlicher zu untersuchen und mit ihm gleichzeitig auch tolle Produkte für den Weihnachtsbasar herzustellen, waren die Mäd- Archimedes Grundschule Forst chen und Jungen gern mit dabei. Was ließ sich wohl noch alles entdecken? ANSPRECHPARTNERIN Katrin Daunke-Böhm (Schulleiterin) Was haben Sie benötigt und wie lange haben Sie geforscht? ORT Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich drei Wochen lang Forst, Brandenburg mit dem Thema Salz, erforschten seine historische Bedeutung, KINDER untersuchten, wie sich Salz gewinnen lässt, und befassten sich 70 Kinder, 6–10 Jahre mit den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Salz. Dazu HAUS DER KLEINEN FORSCHER brauchten sie viel Salz, Wasser, Sand, verschiedene Gefäße, Sie- Seit 2014 beim „Haus der kleinen Forscher“ aktiv. 2015 und 2017 zertifiziert. be mit unterschiedlich großer Maschenweite und einen Bunsen- brenner. Mit Aromaölen und Lebensmittelfarbe stellten sie außer- dem bunte Badesalze her, die sie an die Eltern verschenkten und beim Weihnachtsbasar verkauften. Was haben Sie herausgefunden? Die Kinder stiegen mit einer Geschichte in das Thema ein: Eine Familie hatte sich Eier für ihr Strandpicknick eingepackt, dann aber leider das Salz im Sand verstreut. Was tun? War das Salz für immer verloren? Die Schülerinnen und Schüler hatten gleich viele Ideen, wie sich Salz und Sand wohl wieder trennen ließen: Einige fingen an, das Salz per Hand aus dem Sand auszusortieren. Das war nicht nur besonders mühsam, sondern auch sehr fehleranfällig. Sand- und Salzkörner waren einfach zu klein, um sie mit den Fingern zu fassen. Andere wollten das Salz aussieben, doch auch hier gab es Probleme – die Korngrößen von Sand und Salz waren sich zu ähn- lich. Entweder waren die Siebe zu grob und das gesamte Gemisch rann durch das Sieb oder die Siebe waren zu fein und nichts ging durch. Einige Kinder kamen auf die Idee, das Salz in Wasser zu Welche Farbe hat Salz? Riecht es? Lässt es sich verbrennen? lösen, den Sand dann auszusieben und das Wasser im Anschluss wieder verdampfen zu lassen. Das dauerte zwar lange, doch die Mädchen und Jungen hatten Erfolg und das Salz blieb zurück. Was hat gut oder nicht so gut geklappt? Die Kinder arbeiteten sehr selbstständig. Sie wussten, wo sich alle Materialien im Experimentierraum befanden, und konnten diese nutzen. Als Lernbegleitende bewegten wir uns zwischen den ein- zelnen Gruppen hin und her und leisteten Hilfestellung. In regel- mäßigen Reflexionsrunden gaben sich die Schülerinnen und Schü- ler untereinander Impulse und Anregungen. Gehört Forschen auch in Ihrer Kita, Ihrem Hort oder Ihrer Grundschule zum Alltag? Dann lassen Sie sich zertifizieren. Informationen zum Zertifizierungs- Sandkörner sind zu klein, um sie mit den Fingern zu fassen, verfahren und das Bewerbungsportal finden Sie unter: und sehen kann man sie am besten mit einer Lupe. hdkf.de/zertifizierung l 13 l
FÜ R FAMILIEN FOR S C H T MI T! 2 /2019 KOPIERVORL AGE KNOTEN ZU LAND UND ZU WASSER KNOTEN IM ALLTAG Knoten sind klein, jedoch sehr wirkungsvoll. Knoten und Schleifen schmücken Geschenke oder verschließen Schuhe. Pakete und Päckchen werden mit geknoteten Schnüren zusammengehalten. Die Seeleute schätzen Knoten, um ihre Boote und Schiffe zu ver- täuen. Knoten werden beim Bergsteigen zum gegenseitigen Si- chern genutzt. Doch beginnen wir im Alltag: Wo in Ihrem Umfeld entdecken Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Knoten? Welche Knoten kann jede bzw. jeder von Ihnen schon schnüren? Versuchen Sie auch, ein und die- selbe Knotenart mit unterschiedlichen Schnüren zu wiederholen. Sie brauchen: • Verschiedene Schnüre KNOTEN IN DER ZUNGE Mit dem Palstek kann man eine feste Schlaufe knüpfen, die sich nicht zusammenzieht. Er kommt ziemlich häufig vor und wird neben der Seefahrt auch beim Klettern eingesetzt. Wenn wir Schwierigkeiten haben, etwas auszusprechen, fühlt es sich eventuell an, als hätten wir einen Knoten in der Zunge. Bei welchen Wörtern ist Ihnen oder Ihrem Kind das schon einmal pas- siert? Welche „Zungenbrecher“ kennen Sie? Versuchen Sie ge- meinsam, diese anfangs langsam und dann immer schneller zu sprechen. l 14 l
FÜ R FA MILIEN Der Achterknoten dient zum Knüpfen einer besonders sicheren Schlaufe. Der Webeleinenstek eig net sich, um ein Seil an befestigen – zum Beispi einem Gegenstand zu el ein Schiffstau an ein an ihm ist, dass man ihn em Pfahl. Das Besondere auch in der Mitte eines knüpfen kann, wenn die Seils oder einer Leine Enden nicht frei sind. KNOTENKUNDIG WERDEN Auf See sind Knoten unabdingbar. Drei Regeln gelten für gute Kno- ten: Sie lassen sich einfach knüpfen, halten sicher und sind leicht wieder zu lösen. Kennt Ihr Kind vielleicht schon den einen oder anderen Seemannsknoten bzw. hat es Lust, einen auszuprobieren? Was vermutet es, wofür die Knoten jeweils geeignet sind? Sie brauchen: Das steckt dahinter • Zwei gleich dicke Seile In der Seefahrt spielen Knoten eine wichtige Rolle. Für einen Boots- • Befestigungsmöglichkeit führerschein muss man daher verschiedene Knoten beherrschen. (z. B. Tischbein) Nach ihren Funktionen werden diese in bestimmte Gruppen ein- geteilt (zum Beispiel Festmacherknoten, auch Stek oder Stich ge- nannt), Klemmknoten (um Seile oder Leinen zu verbinden), Schlau- fen (feste Ringformen) und Schlingen (lose Ringformen). Das Wort Die alten Inka nutzten ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. eine „Knoten“ hat in der Seefahrt noch eine zusätzliche Bedeutung. Knotenschrift namens Quipu, um sich zu verständigen. Mit bestimmten Kombinationen von Knoten stellten Sie Kapitäninnen und Kapitäne messen die Geschwindigkeit, mit der zum Beispiel Zahlen dar und konnten so Güter wie Mais ein Schiff unterwegs ist, in Knoten. Ein Knoten entspricht dabei und Gemüse erfassen. Quelle: National Geographic einer Seemeile, also 1,852 Kilometern in der Stunde. l 15 l
n S ie g e m e in sam mit den T a u c he e in in d ie s e faszinierende K indern e r w e lt . W o is t der k leinste Unterwass kö nnen? ie e n t d e c k e n F isch, den S ? t s ic h d e r K ra ke versteckt Wo h a ngen ss en d ie M ä dchen und Ju Was wi K o ra ll en r iff e und was sind üb er llen? eigentlich Kora
AUS DER PRAXIS FOR S C H T MI T! 2 /2019 INTERVIEW DIE GENFORSCHERIN – VON DER KITA INS LABOR Dr. Sophie Kitzmüller, Studienkoordinatorin am EB*-Haus der Salzburger Landeskliniken, im Gespräch mit der „Forscht mit!“ über ungewöhnliche Berufswege, willensstarke Vorbilder sowie Chancen und Risiken der Genforschung. Nach Ihrer Ausbildung zur Kindergartenpädagogin wechselten Inzwischen arbeiten Sie als Studienkoordinatorin am EB-Haus Sie in die Genforschung – wie kam es dazu? Austria. Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf? Der Enthusiasmus meines Bio- und Chemielehrers hat mich an- Mich begeistert, dass ich mich immer weiterentwickeln kann. gesteckt. Ich stellte fest: Ich bin noch nicht fertig mit Lernen. Also Und der Job ist unglaublich vielfältig: Als Studienkoordinatorin beschloss ich, Biologie zu studieren. habe ich Zugang zur Wissenschaft und zu den Patienten. Ich sehe immer, dass es nicht nur um Zellen geht, sondern um einzelne Haben Sie Vorbilder, an denen Sie sich orientieren? Schicksale. So weiß ich, wofür ich im Labor stehe. Meine Vorbilder sind vor allem Menschen, die trotz Schwierigkei- ten nie aufgegeben haben, wie Marie Curie, die lange im Schatten Gene sind so klein, dass man sie nicht einmal unter einem star- ihres Mannes stand. Sie hat klar gemacht: Ich kann auch als Frau ken Mikroskop sehen kann. Sie haben aber enormes Potenzial. etwas erreichen. Das ist heute deutlich einfacher, aber eben noch Was genau ist ihre Aufgabe? nicht überall selbstverständlich. Gene geben den Bauplan eines Lebewesens vor. Dieser wird in * Epidermolysis bullosa (EB) ist eine genetisch bedingte Hautkrankheit. Betroffene werden als Schmetterlingskinder bezeichnet, weil ihre Haut ähnlich verletzlich ist wie die Flügel eines Schmetterlings. l 18 l
AUS DER PRA XIS den Zellen abgelesen. Daraufhin entstehen Eiweiße, die bestimm- stößt, verschieben sich die Hautschichten gegeneinander und te Funktionen erfüllen. Schon ein kleiner Fehler (Mutation ge- reißen auf. Das Kind bekommt Blasen oder offene Wunden. nannt) kann allerdings dazu führen, dass Abschnitte des Bauplans keinen Sinn mehr machen. Dann hat die Zelle einen Bestandteil, Was bedeutet das für das Leben dieser Kinder? der nicht richtig funktioniert. Es kommt zu Krankheiten. Für die Patienten und Familien bedeutet es einen großen Zeit- aufwand, weil die Betreuung sehr intensiv ist: Verbände wech- seln, Salben auftragen. Teilweise benötigen die Kinder Schmerz- „Meine Vorbilder sind vor allem Menschen, medikamente. Viele besuchen trotzdem den Kindergarten oder die trotz Schwierigkeiten nie aufgegeben haben, die Schule, können also, wenn auch mit Einschränkungen, mit ihrer Erkrankung am Leben teilhaben. wie Marie Curie, die lange im Schatten ihres Was kann die Genforschung dazu beitragen, Krankheiten wie die Mannes stand. Sie hat klar gemacht: Schmetterlingskrankheit zu heilen? Ich kann auch als Frau etwas erreichen.“ Derzeit ist es wahnsinnig schwierig, genetisch bedingte Erkran- kungen ganz zu heilen. Das Problem ist, dass die falsche geneti- sche Information in allen Zellen des Körpers enthalten ist, auch Wenn Krankheiten genetisch bedingt sind, heißt das also, dass wenn sie sich nur in gewissen Zellen auswirkt. Es ist sehr schwierig, die Gene der Patientinnen und Patienten an einer bestimmten die Gene im gesamten Körper zu ändern. Wir versuchen derzeit, Stelle verändert sind, wie etwa bei der Schmetterlingskrankheit. die genetische Veränderung im Bauplan zu verstecken, so dass Was passiert da? die Zelle den Defekt nicht mehr ablesen kann. Dazu müssen wir Im Fall der Schmetterlingskrankheit macht sich in den Hautzellen zusätzliche Information in die Zelle und von dort aus in den Zell- ein Fehler im Bauplan bemerkbar. Bei den so genannten Schmet- kern einschleusen, der die Erbinformation enthält. Bei Hautzellen, terlingskindern halten zum Beispiel Hautschichten, die eigentlich die verhältnismäßig leicht zugänglich sind, können wir die Infor- durch Eiweiße miteinander verbunden sind, nicht zusammen, da mation mittels Salben oder Injektionen verabreichen. Andere Zel- diese Eiweiße durch eine Mutation nicht richtig gebildet werden len sind schwieriger zu erreichen, wie zum Beispiel in der Speise- können. Wenn sich ein Schmetterlingskind an der Tischkante röhre oder im Darm. Stammzellentherapie 1. Hautstück wird 6. Korrigierte Hautzellen entnommen werden eingepflanzt 5. Zellen mit korrigierter Erbinfo 2. Stammzellen werden gezüchtet 3. Genetisch korrekte Infos 4. Sicherheitstests werden in die Zelle eingebaut l 19 l
AUS DER PRAXIS FOR S C H T MI T! 2 /2019 DNA ist die englische Abkürzung für Deoxyribonucleic acid. Sie hat die Form eines Doppelstrangs mit Verbindungen und stellt das genetische Material der Zellen dar. Aufgebaut ist sie aus Phosphorsäure, Zucker und organischen Basen. Gibt es noch andere Verfahren? Infektionen gekommen und sein Zustand hatte sich stark ver- Wir forschen daran, Patienten ein kleines Stück Haut zu entnehmen, schlechtert. Normalerweise ist es ein langer Prozess, bis man ein aus dem wir so genannte Stammzellen herausfiltern. Das sind Zel- neues Verfahren am Patienten testen darf. Da es dem Jungen aber len, die die Fähigkeit besitzen, sich immer wieder zu vermehren. so schlecht ging, haben die Behörden schnell zugesagt und wir Sie bilden also stets neue Haut. In diesen Zellen korrigieren wir durften die neue Technologie einsetzen. Er ist jetzt glücklich, es den Gendefekt im Labor. Dann haben wir Zellen, die gesunde Ei- geht ihm gut. weiße herstellen. Aus ihnen können wir funktionsfähige Hautstü- cke züchten, die wir dem Patienten wieder transplantieren. An den Welche Risiken birgt die Genforschung? entsprechenden Stellen hat er dann gesunde Haut. Das Schwierige ist: Ein Gen zu verändern hat meist Auswirkungen auf die ganze Zelle, und es kann sein, dass man in der Zelle unge- wollte Vorgänge anstößt. Zum Beispiel kann es dazu kommen, „Ein Gen zu verändern dass sie beginnen, sich unkontrolliert zu teilen, und sich Krebs hat meist Auswirkungen auf bildet. Wir wissen inzwischen schon viel darüber, wie man das verhindern kann und welche Sicherheitsmechanismen wir einbau- die ganze Zelle, und es kann sein, en müssen. Bevor etwas am Patienten ausprobiert wird, gibt es viele Tests und zahlreiche Anträge, die von mehreren Behörden dass man in der Zelle ungewollte angeschaut werden. Auch wenn einige Restrisiken bleiben: Der Vorgänge anstößt.“ Nutzen für den Patienten überwiegt. Welche praktischen Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Klinische Studien haben bereits erste Erfolge gezeigt. Über die Ergebnisse darf ich noch nichts verraten. Aber ich kann von ei- nem Fall erzählen, in den wir involviert waren: Einem siebenjäh- rigen Jungen hat das Verfahren tatsächlich das Leben gerettet. Bei ihm war es neben der Schmetterlingskrankheit auch noch zu l 20 l
AUS DER PRA XIS MITMACHEN ZU HAUSE LERNEN UND SICH DENNOCH AUSTAUSCHEN – MIT MODERIERTEN ONLINE-KURSEN Wer an Fortbildungen teilnimmt, freut sich meist nicht nur auf neue Inhalte, sondern auch auf den Austausch mit Gleichgesinnten – diesen Vorzug haben Kurse vor Ort. Wohingegen Online-Formate eine tolle Möglichkeit bieten, sich flexibel und ortsunabhängig fortzubilden. Bei den moderierten Online-Kursen der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beides haben. WELCHE MODERIERTEN ONLINE-KURSE WERDEN IM SOMMER ANGEBOTEN? WER FORSCHT, DER FRAGT – WER FRAGT, DER FORSCHT 13.–20.08.2019 Wie kann eine Lernbegleitung Kinder beim Forschen im Alltag op- timal unterstützen und dabei gleichzeitig die Sprache fördern? Die Teilnehmenden entwickeln Antworten und erproben diese in der Praxis. Der Online-Kurs basiert auf einer Kooperation der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ mit dem Deutschen Bundesverband für Logopädie. Der intensive Kurs erfordert eine Aufgabenbearbeitung an jedem Kurstag. In der Woche sollten sechs bis acht Stunden für die Be- arbeitung eingeplant werden. Ein Abschluss-Chat findet am vor- letzten Kurstag zwischen 19 und 20 Uhr statt. Dauer: acht Tage Teilnahme: kostenfrei KO-KONSTRUKTIVE LERNBEGLEITUNG WIE FUNKTIONIEREN 20.08.–17.09.2019 MODERIERTE ONLINE-KURSE? In ko-konstruktiven Lernprozessen entdecken und erforschen Ler- nende und Lernbegleitung gemeinsam ihre Umwelt. Eine Schlüs- Bei den moderierten Online-Kursen erarbeiten alle Teilnehmenden selrolle spielt dabei das lebendige Gespräch. Die Teilnehmenden in einer festgelegten Zeitspanne gemeinsam ein Thema. Der Vor- erfahren im Kurs, wie sie Lernprozesse durch Dialoge anregen teil: Während der Kursdauer besteht die Gelegenheit, das Gelern- können, erarbeiten Handlungsoptionen und erproben diese in der te gleich im pädagogischen Alltag anzuwenden und auszuprobie- Praxis. ren. Beim Austausch untereinander können die Praxiserfahrungen Dauer: vier Wochen dann reflektiert werden. Moderierte Online-Kurse enthalten daher Teilnahme: kostenfrei viele Austauschformate wie Gruppenaufgaben oder gemeinsame Chats; in Foren werden Beiträge geteilt bzw. Literatur- und Praxistipps getauscht. Erfahrene Moderatorinnen oder Moderatoren begleiten durch den Kurs. Eine dieser Moderatorinnen ist Ruth Jesse. Ihr Eindruck lautet: „Auch moderierte Online-Kurse leben von der Dynamik in der Grup- pe und den Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Vie- Nach erfolgreicher Bearbeitung erhalten alle Teilnehmenden eine Teilnahmebescheinigung. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl ist le schätzen dabei den unkomplizierten Austausch online mit Kol- eine Anmeldung notwendig. campus.haus-der-kleinen-forscher.de leginnen und Kollegen aus ganz Deutschland und darüber hinaus.“ l 21 l
AUS DER PRAXIS FOR S C H T MI T! 2 /2019 FORSCHERGEIST-PROJEK T DEM HONIG AUF DER SPUR Eines Tages, als die Kinder der Kita Kirchdorfer Straße beim Mittagessen saßen, flog durch das offene Fenster eine Biene in den Raum. Einige Mädchen und Jungen hatten Angst, gestochen zu werden. Andere betonten, dass die Biene nützlich sei. Die pädagogischen Fachkräfte griffen das Interesse der Kinder auf und starteten ein Bienenprojekt. Dieses wurde im Wettbewerb „Forschergeist 2018“ der Deutsche Telekom Stiftung und der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ als Landessieger ausgezeichnet. A ls Erstes ging es um das Erscheinungsbild der Biene. Die die kleinen Forscherinnen und Forscher ihren Lupenbechereinsatz Mädchen und Jungen wollten wissen, ob sie wirklich so aus- mehrfach. Immer mehr Details fielen den Kindern an der Biene sieht wie Biene Maja im Fernsehen. Sie beschlossen, eine auf: ihre dunkelbraune Farbe, der behaarte Körper; sie zählten Biene einzufangen und nachzugucken. Am nächsten Tag zogen die sechs Beine und vier Flügel. Im Anschluss bastelte jedes Kind sei- Kinder mit ihrer großen Becherlupe los und wurden auf einer Blüte ne eigene Biene. Alle achteten darauf, dass jedes beobachtete fündig. Sie schauten sich die Biene genau an, bevor sie sie an- Merkmal sich in den Werken wiederfand. schließend wieder freiließen. In den nächsten Tagen wiederholten l 22 l
AUS DER PRA XIS Kita Kirchdorfer Straße ANSPRECHPARTNERINNEN Angela Mauritz (stv. Kita-Leiterin), Songül Camak (Erzieherin) ORT Hamburg KINDER 175 Kinder, 0–6 Jahre HAUS DER KLEINEN FORSCHER Seit 2008 beim „Haus der kleinen Forscher“ aktiv. 2017 zum vierten Mal zertifiziert. In Bienenwaben lagern die schlauen Tiere ihren Honig und ziehen ihren Nachwuchs groß. Wie macht die Biene Honig? Aber wie war das nun mit dem Honig? Wie machten die Bienen das? Die Kinder recherchierten mit ihren Eltern und sahen sich Filme zum Thema an. Besonders spannend wurde es, als die klei- ne Lena erzählte, dass ihr Vater Bienenstöcke besitze. Den könn- ten sie doch fragen. Der Hobbyimker freute sich sehr über das Interesse der Mädchen und Jungen. Gleich am nächsten Tag brach- te er Bienenwaben mit in die Kita. Alle Kinder konnten die Waben genau betrachten und durften sie sogar anfassen. Bei weiteren Bienenbeobachtungen bemerkten die Mädchen und Jungen, dass die Biene den Nektar saugt und gelben Staub an den Haaren hat. Mit einem Trinkhalm versuchten die Kinder, Zuckerlösung aus selbst gestalteten Blüten zu saugen, und stellten die Bestäubung mit Pinseln nach. Die Mädchen und Jungen lernten, dass es in einem Bienenvolk die Königin, Arbeiterinnen und Drohnen gibt, die sich in ihrer Größe und ihren Aufgaben unterscheiden. Wie aber arbeiten die Bienen zusammen? „Können Bienen reden?“, wunderte sich Leys. Lenas Vater erzählte, dass die Bienen mit den Fühlern nicht nur riechen und schmecken, sondern sich darüber auch mit anderen Bienen verständigen. Über einen Schwänzeltanz teilen sie zum Beispiel mit, wo Futter zu finden ist. Daraufhin hat- ten die Kinder viel Spaß dabei, sich eigene Tänze auszudenken, um miteinander zu kommunizieren. Einmal tippen: Spiel mit mir! Zweimal: Wir gehen essen! Honigernte Im Juli kam Lenas Vater wieder mit seinen Bienen und sämtlichen Utensilien zum Honigschleudern in die Kita. Mit Schürzen und Handschuhen ausgestattet durften einige Mädchen und Jungen die Waben tragen. Nachdem der Vater das Wachs entfernt hatte, wurden die Waben anschließend in der Schleuder fixiert und ge- schleudert. Alle Anwesenden konnten nun von oben hineinschau- en und die schnelle Drehbewegung sehen. „Wie ein Karussell“, Forschergeist-Projekt des Monats bemerkte ein Kind. Als der Imker zum Schluss den Hahn öffnete Der „Forschergeist“ ist ein bundesweiter Kita- und der goldgelbe Honig herausfloss, gab es einen kräftigen Ap- Wettbewerb der Deutsche Telekom Stiftung und plaus. Den Abschluss des Projekts feierte die Kita mit einem som- der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Gesucht merlichen „Blütenfest“. An diesem Tag stellten die Mädchen und und prämiert werden herausragende Projekte, Jungen ihre gesamte Projektdokumentation mit Fotos, Bastelar- die Mädchen und Jungen für die Welt der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik begeistert haben. Weitere beiten und gemalten Forschungsergebnissen für die Eltern und spannende Informationen und Details zum „Forschergeist“- Gäste aus. Als Verköstigung gab es selbst gebackene Honigkekse. Wettbewerb erhalten Sie unter: forschergeist-wettbewerb.de l 23 l
KUR ZGESCHICHTE HELGA, DIE AMEISE Text: Hubert Schirneck Illustrationen: Christiane Hansen Im Ameisenbau bekam die kleine Helga »Die hat ja auch ein eigenes Zimmer ganz manchmal regelrechte Platzangst. Sie für sich allein«, sagte Helga. musste es dort zusammen mit Millionen »Da kann sie gar nicht mitreden. Ich jeden- anderen Ameisen aushalten. Es war so eng, falls gehe jetzt.« dass die Ameisen sogar übereinander weg liefen. Ständig gab es Quetschungen und blaue Flecke. Und niemals hatte Helga die Gelegenheit, irgendwo allein zu sein. Es gab kein einziges kleines Stück Privatsphäre. Eines Tages hielt sie es nicht mehr aus. Sie teilte ihren Eltern und ihren Geschwistern mit, dass sie den Bau verlassen und allein auf Wanderschaft gehen wolle. »Aber Helga!«, riefen die Eltern. »Das geht nicht! Eine Ameise kann nicht allein leben. Unmöglich! Und unserer Köni- gin wird das auch gar nicht gefallen.« Helga stampfte noch einmal mit dem Fuß Sie betrat den Bau und war überwältigt: Es auf, dann drehte sie sich um und machte gab hunderte von herrlichen Gängen in alle sich auf die Suche nach dem Ausgang. Sie Richtungen. Und alle waren vollkommen trat ins Freie, streckte ihre Fühler aus und ameisenleer. Helga liebte es, durch die spürte, wie ihr die Sonne auf die Nase endlos langen Gänge zu spazieren. Eine schien. Was für ein herrliches Gefühl! Weile genoss sie das Alleinsein. Dann aber Endlich war sie nicht mehr eingesperrt! hatte sie den Wunsch, wieder ins Freie zu Sie sagte den Ameisen, die vor dem Ein- kommen. Doch plötzlich wusste sie nicht gang den Boden fegten, Lebewohl und mehr, in welcher Richtung der Ausgang lag. machte sich auf den Weg. Sie hörte die Vö- Sie hatte völlig die Orientierung verloren! gel singen und fühlte sich ganz leicht. Also Allmählich wurde ihr mulmig. Sie war jetzt ging sie los. schon seit Stunden unterwegs. Hunderte Nach etwa einhundert Metern traf sie auf Male war sie schon abgebogen, aber den einen anderen Ameisenbau. Sie sah sofort, Ausgang hatte sie nicht erreicht. Wenn sie dass er unbewohnt war. Einsam und verlas- nun nie wieder hinaus fand? Wenn sie ewig sen lag er am Wegesrand. Kein Hälmchen, durch die leeren Gänge laufen musste? Sie keine Fichtennadel regte sich. Kein einziges begann zu weinen und hätte sich am liebs- Ameisenbein lief über den Hügel hinweg. ten irgendwo verkrochen. Das war doch genau das Richtige für sie! l 24 l
Doch plötzlich erbebte die Erde und ein riesiger Rüssel schob sich durch den Gang. Sie schrie auf. Sie wusste sofort, dass der Rüssel einem Ameisenbären gehörte. Die älteren Ameisen hatten ihr viel über dieses schreckliche Tier berichtet. Ein paar Sekunden lang war Helga wie gelähmt. Dann besann sie sich und rannte los. Links, rechts, rechts, links ging es durch die Gänge. Sie rannte so schnell, dass ihre sechs Beine kaum noch den Bo- den berührten. Da, plötzlich sah sie ein helles Licht: den Ausgang. Wie von Sinnen stürmte sie hinaus auf den Waldweg und rannte zu ihrem heimischen Bau. Den fegenden Ameisen rief sie schon von weitem zu: »Schmeißt die Besen weg, Leute. Verzieht euch, da kommt ein Ameisenbär!« Die Waldwegkehrer erschraken. Schnell verschwanden sie im Ameisenbau und innerhalb von Sekunden waren alle Be- wohner alarmiert. Sie zogen die Zugbrücke hoch, schlossen alle Türen und Fenster- läden und verhielten sich vollkommen still. Als der Ameisenbär den Bau erreichte, blieb er stehen und schnupperte. Wo war die kleine Ameise plötzlich hin? Hier war Drinnen saßen Millionen von Ameisen, »Unserer Helga!« nichts zu sehen und nichts zu hören. und alle hielten die Luft an. Schließlich »Aber jetzt bin ich echt froh, wieder zu Nichts bewegte sich. Falls dies überhaupt flüsterte die Königin: Hause zu sein«, sagte diese. ein Ameisenbau war, so war er bestimmt »Vielleicht sollte jemand mal nachsehen.« An diesem Tag wurde Helga wie eine Hel- genauso verlassen wie der andere. Wenn Einer der Soldaten schlich zu einem Neben- din gefeiert, denn sie hatte die anderen er ihn zerwühlte, würde er sich nur wieder ausgang des Baus und lugte vorsichtig Ameisen rechtzeitig vor dem Ameisenbär unnötig die Krallen schmutzig machen. hinaus. Nichts zu sehen. gewarnt. Zur Belohnung durfte sie fortan Und am Ende würde er womöglich wieder »Er ist weg«, sagte er. in einem eigenen kleinen Zimmer wohnen. nur eine einzige Ameise finden. Oder gar »Hurra! Wir sind gerettet!« Und weil sie so klug war, wurde sie eines keine. Lohnte sich der Aufwand dafür? »Und wem haben wir das alles zu verdan- Tages sogar zur Königin des Ameisen- Nein. Also zuckte er die Schultern und ging ken?«, fragte die Mutter der kleinen Aus- staates gewählt. weiter. reißerin und nahm ihre Tochter in den Arm. Noch mehr toll illustrierte Vorlesegeschichten gibt es in Gecko, der werbefreien Bilderbuchzeitschrift für Kinder ab vier Jahren bis ins Schulalter. Gecko enthält außerdem Mitmachseiten, Sprachspiele, ein Experiment und vieles mehr. Die Geschichte „Helga, die Ameise“ ist in der Kinderzeitschrift Gecko Nr. 18 erschienen. Gecko gibt es im Abo oder als Einzelheft auf gecko-kinderzeitschrift.de und im Buchhandel. Kindergärten und Grundschulen erhalten zehn Prozent Bildungsrabatt auf das Abo unter: gecko-kinderzeitschrift.de/bildungsrabatt l 25 l
AUS DER PRAXIS FOR S C H T MI T! 2 /2019 GUT GEMACHT WO HAT DIE AMEISENKÖNIGIN EIGENTLICH IHRE KRONE? Klein, zahlreich und faszinierend – so erleben die Mädchen und Jungen des FRÖBEL-Kindergartens Siemens Technopark ihre Ameisen. Ganz nebenher erfahren sie, welche Aufgaben die Tiere in der Natur haben und was es heißt, Verantwortung für sie zu übernehmen.
AUS DER PRA XIS „Guck mal, da krabbelt was, das ist gaaaanz klein!“, ruft Nora. Die Ameise als Gesprächsanlass „Unsere Kinder beschäftigen sich täglich mit Kleintieren im Garten Durch die Haltung der Tiere entwickelten sich Gespräche darüber, des Kindergartens und entdecken dabei zum Beispiel Käfer, Amei- welche Rolle Ameisen im Ökosystem übernehmen und wie ihre sen, Raupen und Spinnen. Daher haben wir im Team beschlossen, Aufgaben im Ameisenstaat verteilt sind. Dabei entdeckten die dass wir uns gerne dem Thema Natur und Tiere widmen möchten“, Kinder, dass die Ameisen, die sie im Garten fanden, ganz anders sagt Bärbel Behrend, die Leiterin des Kindergartens. lebten als die Blattschneiderameise. Sie sprachen über Gemein- Dann entdeckte eine Kollegin den „Antstore“ und war faszi- samkeiten und Unterschiede, über Lebensräume und Nahrungs- niert. In einem solchen „Ameisenladen“ kann man alles rund um vorlieben. Immer wieder kam das Gespräch der Mädchen und diese Insekten erwerben. Ein Ameisenexperte von dort wurde in Jungen untereinander darauf, dass man die Tiere nicht quälen oder den Kindergarten eingeladen und erklärte vieles über die unter- töten darf – auch nicht für die Ameisenforschung. schiedlichen Ameisen und wo und wie solche Tiere vor Ort am besten gehalten werden können. Die Pädagoginnen entschieden Ameisen in allen Bildungsbereichen gemeinsam mit den Mädchen und Jungen, dass sie gerne mehr Die Tiere wurden in ihren Formen verglichen, nachgebaut und samt hinsichtlich Blattschneiderameisen entdecken und erforschen ihrem Lebensraum abgezeichnet. Ihre Art, sich zu bewegen, wurde würden – wie ein Ameisenstaat funktioniert, ist draußen nicht so nachgespielt, Ameisenlieder wurden gesungen, Geschichten vor- einfach zu sehen. gelesen und erzählt, zudem Sachbücher und Dokumentarfilme gesehen. Durch Ameisen Bildungsziele erreichen! Das Ziel des Ameisenprojekts war, im Kindergarten etwas zu eta- blieren, für das die Mädchen und Jungen dauerhaft Verantwortung übernehmen können. Außerdem sollten die Kinder eine Wert- schätzung für ein kleines Tier entwickeln, das von vielen Menschen als Schädling angesehen wird. Nicht zuletzt kam es darauf an, die „Boah, sind die stark!“ Eltern in die Bildungsarbeit mit einzubinden. Die Mädchen und Jungen füttern die Tiere, säubern das Terrarium, während die Eltern Patenschaften für die Arbeit mit den Ameisen übernehmen und zusammen mit den Erzieherinnen wöchentlich gemeinsam in der Ameisen-AG forschen. Das Futter (Brombeerblätter) wird von den Kolleginnen aus ihren Kleingärten oder von Spaziergängen mitge- bracht; der Ameisenabfall macht sich wunderbar als Dünger bei den Topfpflanzen vor Ort. Die Kinder können in ihrem Alltag ganzjährig etwas im Terra- rium entdecken: Die Terrarien sind in Sichtfenstern in einem Grup- penraum eingebaut und daher von Flur und Raum gut einsehbar. „Boah, sind die stark!“, ruft Boris. Die kleinen Ameisen können bis zum 30-fachen ihres Körpergewichts tragen! Die Mädchen und Jungen sehen, was die Tiere fressen, wie sie krabbeln, welche Ameise für welche Aufgaben zuständig ist, wie und warum sie Blätter tragen oder wo die Königin lebt. Immer wieder werden neue Wissenswertes Forschungsfragen gefunden und bearbeitet, zum Beispiel: Warum Ameisen kommen fast überall auf der Welt und in nahezu gibt es nur eine Königin? Sind das alles Kinder der Königin? Sind jeder Umgebung vor. Für den Menschen können sie nützlich das Mädchen oder Jungen? Wo ist die Krone der Königin? oder schädlich sein: Sie fressen Insekten, die Nahrungs- pflanzen schädigen. Außerdem helfen sie, Pflanzensamen zu verbreiten. Andererseits unterstützen sie zum Beispiel Blattläuse bei der Verbreitung und schützen deren Kolonien vor Fressfeinden. Wer Ameisen hält, die nicht heimisch sind, sollte sich unbedingt klarmachen, was mit den Tieren „Guck mal, geschieht, wenn sie zu viele werden. Die Anzahl der Ameisen im Kindergarten ist noch unproblematisch. Wenn sich das da krabbelt was, ändert, besteht die Möglichkeit, die Tiere an den „Antstore“ zurückzugeben. antstore.net das ist gaaaanz klein!“ Ziel einer MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung ist zum Beispiel die Entwicklung von Werten. Im Fall der Blattschnei- derameisen wird die Wertschätzung für Insekten gestärkt, weil die Kinder sehen können, dass die Tiere wichtige Aufgaben im Ökosystem übernehmen. Außerdem werden Verantwortungsübernahme geübt und Wissen erworben. l 27 l
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