Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
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ISTR → René Matteotti, Peter Vogt, Natalja Ezzaini Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie Band 1 / 2021 | Artikel 3 Zitiervorschlag: René Matteotti, Peter Vogt, Natalja Ezzaini, Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern s. 21 während der Covid-19-Pandemie, in zsis) 1/2021, A3, N [...] (abrufbar unter: publ.zsis.ch/A3-2021) Erstpublikation: International Tax Review (ITR) Special Focus Switzerland, 9th edition, Februar 2021
25.03.2021 ISTR QUICK READ Seit Ausbruch der Pandemie arbeiten die meisten Arbeitnehmenden überwiegend oder sogar ausschliesslich von zu Hause aus. Dies hat ziemlich schnell zu Unsicherheiten hinsichtlich der Besteuerung der Erwerbseinkünfte geführt. Besonderes Interesse galt da- bei den internationalen Arbeitnehmenden. Im internationalen Verhältnis gelangt das Arbeitsortsprinzip zur Anwendung. Die steuerbegründende René MATTEOTTI Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M. Tax innerstaatliche Norm, Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG, regelt, dass Arbeitnehmende Ordinarius | Universität Zürich ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz einer be- rene.matteotti@rwi.uzh.ch schränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn sie einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgehen. Nach ständiger Rechtsprechung muss diese Tätigkeit physisch in der Schweiz ausgeübt werden. Die Arbeit im Homeoffice hat zu einer Verschiebung der physischen Präsenz vom Arbeits- zum Wohnort geführt, sowie fehlende tägliche Grenzüberschreitung zur Folge. Dies hätte zu neuen steuerrechtlichen Anknüpfungspunkten und Verschiebung von Steuersubstrat geführt. Um Rechtssicherheit zu ge- Peter VOGT Betriebsökonom FH, dipl. Steuerexperte währleisten hat die Schweiz frühzeitig mit den meisten Nachbarstaaten Partner | Tax Partner AG befristete Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen, welche auf peter.vogt@taxpartner.ch einer Tatsachenfiktion beruhen. In der Praxis sind Probleme aufgetaucht im Verhältnis zu Ländern, mit welchen keine solchen Vereinbarungen abgeschlossen wurden. Im Jahr 2020 haben sich die Steuerämter teil- weise auf den Standpunkt gestellt, dass die Sonderregelungen aus den Verständigungsvereinbarungen auch auf die Arbeitnehmenden aus Ländern, mit welchen keine solchen Vereinbarungen getroffen wurden, zur Anwendung kommen und die Quellensteuer weiterhin abgeführt Natalja EZZAINI MLaw UZH werden müsse. Diese Rechtsauffassung verstösst gegen internationales Tax Advisor | Tax Partner AG DBA-Recht und internes Recht. Mittlerweile haben die Steuerämter ihre natalja.ezzaini@taxpartner.ch rechtswidrige Praxis aufgegeben. Dies führt zu Rückerstattungsfragen der unrechtmässig abgeführten Quellensteuern. Dieser Artikel beleuchtet die geltenden Besteuerungsregeln und zeigt auf, welche Möglichkeiten der Rückerstattung von unrechtmässig erhobenen Quellensteuern bestehen. s. 22 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR QUICK READ 22 1. Einleitung «Home Office», «remote work», «smart working»! All 1 HAUPTTEIL 23 diese Begriffe haben sich im Verlaufe des Jahres 2020 zu Schlagwörtern im Alltag entwickelt. Die Co- 1. Einleitung 23 vid-19-Pandemie hat zu vielerlei Änderungen im All- tag geführt. Neben Liquiditätsschwierigkeiten von 2. Besteuerung von internationalen Unternehmen, verursacht durch die Drosselung des Arbeitnehmenden 24 Waren- und Dienstleistungsangebots und einer Än- derung im Konsumverhalten der einzelnen Personen, 3. Verständigungsvereinbarungen wurde auch der Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. mit den Nachbarstaaten 26 Nebst der zahlreichen Erwerbstätigen, die in Kurzar- beit waren, mussten die Unternehmen ihre Mitarbei- 4. Vergleich mit den übrigen Ländern 28 tenden von zu Hause aus arbeiten lassen. 01 Auf einen Schlag wurde aus der eigenen Wohnstätte auch gleich 5. Ausblick 29 der Arbeitsort. Dies hat zu zahlreichen Diskussionen auf nationaler wie auch internationaler Ebene geführt. Ein besonders brisanter Punkt sind die damit ein- hergehenden steuerrechtlichen Fragestellungen. Im Folgenden fokussieren wir uns auf die bestehenden Steuerprobleme im Zusammenhang mit Erwerbsein- künften von internationalen Arbeitnehmenden und geben einen kurzen Ausblick auf die Risiken, welche die neuen Arbeitsmodelle für Unternehmen, welche internationale Arbeitnehmende beschäftigen, mit sich bringen. 02 01 Matteotti René/Ezzaini Natalja/Horni Christian, Steuerrechtliche Sofortmassnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie, in: Helbing Lichtenhahn Verlag (Hrsg.), Covid-19 - Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, Basel 2020, S. 651 (zit. Matteotti/ Ezzaini/Horni). 02 Diese Publikation beruht auf einer englischen Erst- publikation in International Tax Review (ITR) Special Focus Switzerland, 9th edition, Februar 2021 (https://www.internationaltaxreview.com/ article/b1qhpclz9q3l6g/switzerland-settles-mutual- agreements-for-remote-working). s. 23 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR 2. Besteuerung von internationalen jedoch nach Katar, wo er auch für die Schweizer Ge- Arbeitnehmenden sellschaft arbeitete. Der Arbeitgeber stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass mit der Aufnahme der Er- 2 Der Begriff der internationalen Arbeitnehmenden ist werbstätigkeit die Quellensteuerpflicht wegfiel und weit gefasst und beinhaltet verschiedene Fallkonstel- beantragte die Rückerstattung bereits geleisteter lationen. 03 Grenzgänger, welche typischerweise jeden Quellensteuern. Das Bundesgericht schützte die Auf- Tag wieder an ihren ausländischen Wohnort zurück- fassung des Arbeitgebers und verpflichtete die Steu- kehren, stellen eine Kategorie solcher Arbeitneh- erbehörde, die unrechtmässig eingenommene Quel- menden dar. Bei internationalen Arbeitnehmenden, lensteuer zurückzuerstatten. Diese Rechtsprechung welche bei einem in der Schweiz ansässigen Unter- gilt es nun auch im Zusammenhang mit den Home-Of- nehmen tätig sind, stellt sich immer die Frage, wel- fice-Aktivitäten, welche durch die Covid-19-Pandemie che steuerrechtlichen Verpflichtungen der Schweizer verursacht wurde, im Blick zu behalten. Arbeitgeberin im Zusammenhang mit ausländischen Arbeitnehmenden zukommen. Dabei ist sauber zwi- 2.2 Besteuerungsregeln der DBA schen den nationalen Besteuerungsregeln und den Ausgangspunkt bei Einkünften aus unselbständi- 4 internationalen Zuteilungsregeln der DBA zu unter- ger Erwerbstätigkeit im internationalen Verhältnis ge- scheiden. Zu beachten ist, dass nur nationale Steuer- mäss Art. 15 OECD-MA 2017 ist das Arbeitsortsprinzip. normen eine Steuerpflicht begründen können. Die in- Dieser Grundsatz besagt, dass der Staat, in dem die ternationalen Zuteilungsnormen regeln, ob ein auf der Arbeit ausgeübt wird, Einkünfte aus dieser Erwerbs- Grundlage des nationalen Steuerrechts bestehendes tätigkeit besteuern darf. Der Staat, in dem der Arbeit- Besteuerungsrecht ausgeübt werden darf oder – falls nehmende ansässig ist, hat diese Einkünfte entweder nicht – es eingeschränkt wird. 04 von der Steuer zu befreien oder die ausländische Steuer an die inländische Steuer anzurechnen. 07 2.1 Besteuerungsregeln in der Schweiz 3 Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG unterliegen Arbeit- Die Grenzgängerbestimmungen, welche zwischen den 5 nehmende ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder einzelnen Staaten als leges specialis ausgestaltet sind, Aufenthalt in der Schweiz einer beschränkten Steuer- schränken die Besteuerung am Arbeitsort nun aber pflicht, wenn sie in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit punktuell ein. Die Schweiz kennt sog. Grenzgänger- ausüben. Dabei gelangt das Quellensteuerverfahren gemäss Art. 91 i.V.m. Art. 83ff. DBG zur Anwendung, 03 Dürr Samuel, Art. 15 OECD-MA N 18 in: was bedeutet, dass der inländische Arbeitgeber bei Zweifel Martin/Beusch Michael/Matteotti René Fälligkeit der geschuldeten Leistungen die geschulde- (Hrsg.), Kommentar zum internationalen Steuerrecht, te Steuer zurückbehalten und periodisch der zustän- Basel 2015 (zit. AutorIn in: Zweifel/Beusch/Matteotti, digen Steuerbehörde abliefern muss. Die Besteuerung Komm. OECD-MA). der ausländischen Arbeitnehmenden setzt voraus, 04 Locher Peter/Marantelli Adriano/Opel Andrea, dass die für die Entstehung des Leistungsanspruchs Einführung in das internationale Steuerrecht der massgebende Tätigkeit physisch in der Schweiz aus- Schweiz, 4. Auflage, Bern 2019, S. 45f. (zit. Locher/ geübt wird. Diese Position wurde vom Bundesgericht Marantelli/Opel). mehrfach bestätigt. 05 Diesbezüglich sei auf ein Leit- 05 Locher Peter, Kommentar zum Bundesgesetz urteil verwiesen, welchem ein deutscher Staatsange- über die direkte Bundessteuer, I. Teil Art. 1 - 48 DBG, höriger zu Grunde lag, der bei einer Schweizer Ge- 2. Auflage, Basel 2019, Art. 5 DBG N 5. sellschaft angestellt war. 06 Zu Beginn übte er seine 06 BGE 137 II 246 E. 4 und 5 S. 249. Tätigkeit physisch in der Schweiz aus. Später zog er 07 Locher/Marantelli/Opel, S. 586, 673f. s. 24 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR regelungen mit Deutschland, Frankreich, Italien und gemeinden in der Höhe von 40 % resp. bei einigen dem Fürstentum Liechtenstein, nicht aber mit Öster- Kantonen 38.5 % des Bruttobetrags der von den ita- reich. 08 lienischen Grenzgängern bezahlten Steuern vor. 10 Am 23. Dezember 2020 haben die Schweiz und Italien ein 2.2.1 Deutschland Protokoll unterzeichnet, welches für die Zukunft eine 6 Die Besteuerung der Grenzgängerinnen im Ver- Abkehr vom Arbeitsortsprinzip vorsieht. 11 hältnis zu Deutschland ist in Art. 15a DBA CH-D ge- regelt. Das DBA enthält eine Definition des Begriffes. 2.2.4 Frankreich Grenzgängerin ist gemäss Art. 15a Abs. 2 DBA CH-D, Wiederum anders präsentiert sich die Rechtslage 9 wer regelmässig an seinen Wohnsitz zurückkehrt. im Verhältnis zu Frankreich. Dabei ist zu beachten, Dabei werden pro Kalenderjahr bis zu 60 Nichtrück- dass eine Grenzgängervereinbarung mit dem Kanton kehrtage toleriert, um den Grenzgängerstatus nicht Genf und eine solche mit den Kantonen Bern, Solo- zu verlieren. Die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit wer- thurn, Basel-Stadt, Basel-Land, Waadt, Wallis, Neuen- den dem Grundsatze nach in Deutschland besteuert, burg und Jura bestehen. 12 In der Grenzgängerverein- wobei die Schweiz 4.5 % des Bruttobetrags der Vergü- barung mit dem Kanton Genf ist geregelt, dass das tungen als Quellensteuer abziehen darf. Nach Art. 15a Arbeitsortsprinzip gemäss Art. 17 DBA CH-F zur An- Abs. 3 lit. a DBA CH-D rechnet Deutschland die in der wendung gelangt. Der Kanton Genf hat im Gegenzug Schweiz erhobenen Quellensteuern an die deutsche aber jährlich einen Betrag von 3.5 % der Bruttolöhne, Einkommenssteuer an. welche an in den Departementen Ain und Haute-Sa- voie ansässigen Grenzgängerinnen bezahlt werden, 2.2.2 Liechtenstein als Ausgleich zu leisten. 13 Im Verhältnis zu den üb- 7 Das DBA mit dem Fürstentum Liechtenstein geht rigen Kantonen enthält die entsprechende Verein- einen Schritt weiter. Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL sieht vor, dass die von Grenzgängern erzielten Einkünfte 08 Duss Pascal/Kubaile Heiko, Art. 15 OECD-MA N 80, nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen. in: Zweifel/Beusch/Matteotti, Komm. OECD-MA. Die Schweiz darf bei in Liechtenstein ansässigen 09 Protokoll zum DBA CH-FL, Ziff. 5 zu Art. 15 Abs. 4 Grenzgängern keine Quellensteuer erheben. In einem DBA CH FL. Protokoll, welches integralen Bestandteil des DBA 10 Vereinbarung zwischen der Schweiz und Italien bildet, ist geregelt, dass die Grenzgängereigenschaft über die Besteuerung der Grenzgänger und den entfällt, wenn die Person in einem Kalenderjahr an finanziellen Ausgleich zugunsten der italienischen mehr als 45 Arbeitstagen nach Arbeitsende aus be- Grenzgemeinden vom 3. Oktober 1974, SR 0.642.045.43. ruflichen Gründen nicht an ihren Wohnsitz zurück- 11 Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), Die kehrt. 09 Grenzgänger im öffentlichen Dienst werden Schweiz und Italien unterzeichnen ein neues Grenz- gemäss Art. 19 Abs. 1 DBA CH-FL am Ort besteuert, gängerabkommen, Dezember 2020, online gefunden von dem die Zahlung geleistet wird. am 13. Februar 2021 unter: https://www.admin.ch/ gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg- 2.2.3 Italien id-81813.html (zit. ESTV, Grenzgängerabkommen CH/I). 8 Im Gegensatz zur Rechtslage, wie sie im Verhältnis 12 Locher/Marantelli/Opel, S. 598. zu Deutschland und Liechtenstein besteht, folgt die 13 Vereinbarung zwischen dem Schweizerischen derzeit noch bestehende Grenzgängervereinbarung Bundesrat und der Regierung der französischen mit Italien dem Arbeitsortsprinzip. Das Besteuerungs- Republik über den finanziellen Ausgleich für die in recht ist ausschliesslich dem Arbeitsort vorbehalten. Genf arbeitenden Grenzgänger, Januar 1973, online Die Vereinbarung sieht aber, ähnlich wie im Fall von gefunden am 13. Februar 2021 unter: https://www.estv. Frankreich, einen Ausgleich der Kantone Graubünden, admin.ch/estv/de/home/internationales-steuerrecht/fach Tessin und Wallis zugunsten der italienischen Grenz- informationen/laender/frankreich.html#-287659510. s. 25 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR barung eine Definition der Grenzgängerin und sieht vereinbarungen nun auch auf das nationale Steuer- eine sog. Karenzfrist von 45 Tagen pro Kalenderjahr recht durchschlagen. Danach müssen schweizerische vor. Der Wohnsitzstaat hat dabei das ausschliessliche Arbeitgeberinnen ihren gewohnten Quellensteuerver- Besteuerungsrecht, wobei dieser eine jährliche Aus- pflichtungen nachkommen und die Besonderheiten gleichszahlung von 4.5 % des Gesamtbetrages der der einzelnen Verständigungsvereinbarungen berück- jährlichen Bruttovergütungen leistet. 14 sichtigen, obwohl die betroffenen Arbeitnehmenden ihre Erwerbstätigkeit nun gar nicht mehr regelmässig in der Schweiz ausüben. Diese Praxis steht im Wider- 3. Verständigungsvereinbarungen spruch zu den Grundsätzen, welche das Bundesge- mit den Nachbarstaaten richt in der Vergangenheit herausgearbeitet hat. 16 3.1 Allgemeines 3.2 Deutschland 10 Die Phase der Pandemie, welche zum heutigen Im Verhältnis zu Deutschland bedeutet dies, dass 12 Zeitpunkt leider immer noch nicht überstanden ist, hat die Schweiz weiterhin eine Quellensteuer von 4.5 % in Anbetracht der gesetzlichen Regelungen zu gros- der Bruttolöhne der Grenzgänger erheben darf, wel- sen Rechtsunsicherheiten geführt. Durch das Homeof- che Deutschland entsprechend anrechnet. Der Zeit- fice entfällt die physische Präsenz am gewöhnlichen raum, in dem ein Grenzgänger von Covid-19-Mass- Arbeitsort sowie die tägliche Grenzüberschreitung, nahmen betroffen ist, wird bei der Prüfung der Anzahl was zu einer Verschiebung der Besteuerungsbefug- Tage, die für die Beibehaltung des Grenzgängerstatus nisse und des Steuersubstrats hätte führen können. nicht überschritten werden dürfen, nicht berücksich- Deshalb haben diverse Staaten mit ihren jeweiligen tigt. Er muss von der Arbeitgeberin schriftlich nach- Nachbarstaaten befristete Verständigungsvereinba- gewiesen werden. rungen abgeschlossen, so auch die Schweiz. Kommt die Grenzgängerregelung nicht zur Anwen- 13 11 Die Schweiz hat solche vorübergehenden Verein- dung, ist zu beachten, dass die Schweiz nach wie vor barungen mit Frankreich, Italien, Deutschland und besteuern kann und Deutschland eine Freistellung ge- dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossen. Alle währt. Aufgrund der fehlenden physischen Präsenz, Vereinbarungen sind noch in Kraft. Die Schweiz und welche die Steuerpflicht in der Schweiz voraussetzt, Frankreich haben sich Mitte März geeinigt, dass die wird der Arbeitgeber nun verpflichtet, den Arbeitneh- Verständigungsvereinbarung bis am 30. Juni 2021 in menden eine Bestätigung über die Anzahl Arbeits- Kraft bleibt. Ähnliches wird bei den anderen Staa- tage, an denen diese der Erwerbstätigkeit im Ansäs- ten auch erwartet. Die Vereinbarungen beruhen auf sigkeitsstaat nachgegangen sind, auszustellen. Diese einer sog. Tatsachenfiktion: Bei der Ausübung des Bestätigung gilt zugleich als Einverständnis, dass der Besteuerungsrechts wird so getan, als wären die Ar- Lohn im Staat, der im Normalfall als Arbeitsortsstaat beitnehmenden auch während des Lockdowns ihrer gilt, tatsächlich besteuert wird. Diese Bestätigung Erwerbstätigkeit in gewohnter Manier am bisherigen muss dem zuständigen deutschen Steueramt ein- Arbeitsort nachgegangen. 15 Bei den Grenzgängern hat dies zur Folge, dass die Tage, die im Homeoffice 14 Vereinbarung zwischen dem Schweizerischen im Ansässigkeitsstaat verbracht werden, gleich be- Bundesrat und der Regierung der französischen handelt werden, wie die Arbeitstage, an denen vor der Republik über die Besteuerung der Erwerbs- Pandemie typischerweise im anderen Staat gearbei- einkünfte von Grenzgängern, April 1983, SR 649.810. tet wurde. Die Steuerbehörden in der Schweiz stellen 15 Matteotti/Ezzaini/Horni, S. 673. sich auf den Standpunkt, dass diese Verständigungs- 16 Vgl. BGE 137 II 246 E. 4 und 5 S. 249. s. 26 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR gereicht werden. Nur dann gewährt Deutschland die die Ausgleichszahlung von 4.5 % leistet, soweit nicht Freistellung. Damit soll eine doppelte Nichtbesteue- die Vereinbarung mit Genf zur Anwendung gelangt. rung verhindert werden. 17 Im Verhältnis zum Kanton Genf kommt die Tatsachen- 20 3.3 Liechtenstein fiktion zur Anwendung, welche sicher-stellen soll, 14 Bei liechtensteinischen Grenzgängern hat die Ar- dass Genf weiterhin besteuern kann. Im Gegenzug beitgeberin eine Bestätigung auszustellen über den muss Genf weiterhin die Aus-gleichszahlung in Höhe Zeitraum, an denen die Arbeitskraft ihre Tätigkeit auf- von 3.5 % der Bruttolöhne, welche an in den Departe- grund der Pandemie im Ansässigkeitsstaat ausgeübt menten Ain und Haute-Savoie ansässige Grenzgänger hat. Damit soll sichergestellt werden, dass der Grenz- bezahlt werden, an Frankreich leisten. gängerstatus durch die Überschreitung der 45 Tage nicht verloren geht. Im Übrigen gewährt die Vereinbarung den Arbeitneh- 21 menden ein Wahlrecht. Wenn Arbeit-nehmende die 15 Die Vereinbarung soll nämlich verhindern, dass die Besteuerung des auf die ausserordentlichen Homeof- Schweiz aufgrund des Wegfalls des Grenzgänger- fice-Tage entfallenden Einkommens im Wohnsitzstaat status für die tatsächlich in der Schweiz ausgeübte wünschen, so haben sie dies den Steuerbehörden des Erwerbstätigkeit ein Besteuerungsrecht geltend ma- Wohnsitzstaats mitzuteilen. 20 chen kann. 17 Siehe zum Ganzen: Verständigungsvereinbarung 16 Kommt die Grenzgängerregelung nicht zur Anwen- zwischen der Schweiz und Deutschland vom dung, so gilt die Tatsachenfiktion, dass der Arbeitneh- 11. Juni 2020 mit Ergänzung vom 30. November 2020, mende am gewöhnlichen Arbeitsort tätig ist, sofern er Dezember 2020, online gefunden am 13. Februar 2021 nachweisen kann, dass sein Arbeitslohn an diesem Ort unter: https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/ besteuert wird. 18 internationales-steuerrecht/fachinformationen/ laender/deutschland.html#606940241. 3.4 Italien 18 Siehe zum Ganzen: Verständigungsvereinbarung 17 In Bezug auf die in Italien ansässigen Arbeit- zwischen der Schweiz und Liechtenstein vom nehmenden gilt, dass die Schweiz auch für die Zeit 22. Oktober 2020, online gefunden am 13. Februar während des Lockdowns ihr Besteuerungsrecht be- 2021 unter: https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/ hält, wenn die Erwerbstätigkeit übli-cherweise in der internationales-steuerrecht/fachinformationen/ Schweiz ausgeübt wurde. laender/liechtenstein.html#-1217188721. 19 Siehe zum Ganzen: Verständigungsvereinbarung 18 Bei den Arbeitnehmenden, die nicht Grenzgänger zwischen der Schweiz und Italien vom 19. Juni 2020, sind, rechnet Italien die schweizerische Steuer an die online gefunden am 13. Februar 2021 unter: https:// italienische Steuer an. Bei den Grenzgängern müssen www.estv.admin.ch/estv/de/home/internationales- die von der Grenzgängervereinbarung betroffenen steuerrecht/fachinformationen/laender/italien. Kantone nach wie vor eine Ausgleichszahlung von html#354726931. 40 % resp. 38.5 % an Italien entrichten. 19 20 Siehe zum Ganzen: Verständigungsvereinbarung zwischen der Schweiz und Frankreich vom 3.5 Frankreich 13. Mai 2020, online gefunden am 13. Februar 2021 19 Die Vereinbarung mit Frankreich stellt im Verhält- unter: https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/inter nis zu den Grenzgängern sicher, dass Frankreich trotz nationales-steuerrecht/fachinformationen/laender/ fehlender physischer Erwerbstätigkeit in der Schweiz frankreich.html#958440738. s. 27 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR 4. Vergleich mit den übrigen Ländern Folgendes Beispiel möge diese Konstellation illustrie- 25 ren: 22 In der Schweiz leben auch internationale Arbeitneh- mende aus anderen Staaten, mit denen keine Verstän- Mitarbeiterin X hat seit März 2020 einen Schweizer 26 digungsvereinbarungen abgeschlossen wurden, wes- Arbeitsvertrag, arbeitet seither von zu Hause aus. halb auch keine Sonderregelungen im Rahmen der Der Schweizer Arbeitgeber zieht Quellensteuer ab. besonderen Pandemiesituation gelten. Aufgrund der Rechtsprechung kann aber eine Steuer- pflicht erst mit Aufnahme der physischen Tätigkeit in 23 Das Kantonale Steueramt Zürich und die Steuerver- der Schweiz begründet werden, weswegen sich die waltung des Kantons Basel-Stadt haben am 28. April Erhebung der Quellensteuer auch in dieser Konstella- 2020 resp. am 18. Mai 2020 angeordnet, dass Arbeits- tion als rechtswidrig erweist. tage, welche im Ausland ansässige Arbeitnehmende aufgrund der Pandemie im Homeoffice verbracht ha- Erfreulicherweise haben sowohl der Kanton Zürich wie 27 ben, der schweizerischen Quellensteuer unterliegen. auch der Kanton Basel-Stadt ihre bisherige rechts- Dabei hat das Kantonale Steueramt Zürich auf die widrige Praxis aufgegeben. 22 Neu gelten die Regeln Möglichkeit der Revision hingewiesen, sollte es zu gemäss den anwendbaren Doppelbesteuerungsab- einer internationalen Doppelbesteuerung kommen. 21 kommen. Somit sind die Corona bedingten Homeof- Gemäss den beiden Steuerämtern sollen die Sonder- fice-Tage, welche im Wohnsitzstaat geleistet werden, regelungen, wie sie mit den Ländern, mit welchen man grundsätzlich in der Schweiz nicht steuerpflichtig. Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen hat, den Regelfall darstellen. Es stellt sich nun die Frage, ob und wie zu Unrecht ent- 28 richtete Quellensteuern, welche im Steuerjahr 2020 24 Wie bereits ausgeführt, verstösst diese Rechtsauf- abgeliefert wurden, zurückgefordert werden können. fassung sowohl gegen die DBA-Regelungen wie auch Nach internem Recht können ausländische Arbeit- gegen das interne Recht. Die Arbeitgeberinnen befan- nehmende sowie wie auch das schweizerische Unter- den sich für das Steuerjahr 2020 hier in einer Zwick- nehmen in Bezug auf die im Jahr 2020 entrichteten mühle. Gesetzeskonform wäre eigentlich gewesen, Steuern bis Ende März 2021 von der zuständigen kan- wenn sie im Verhältnis zu den Ländern, bei welchen tonalen Verwaltung gemäss Art. 137 Abs. 1 DBG eine die Sonderregelungen nicht gelten, für die Tage im Verfügung über den Bestand der Steuerpflicht ver- Homeoffice keinen Quellensteuerabzug mehr vorge- langen. Beharrt das Steueramt auf eine Steuerpflicht, nommen hätten. Hätten sie den Quellensteuerabzug aber nicht vorgenommen, was rechtlich korrekt ge- 21 Matteotti/Ezzaini/Horni, S. 681. wesen wäre, so hätten sie entgegen der Ansicht des 22 Siehe folgende Anordnungen: Kantonales Steueramtes gehandelt. In diesem Fall hätten sich Steueramt Zürich, Januar 2021, online gefunden Haftungsfragen gestellt, da das Haftungsrisiko ge- am 13. Februar 2021 unter: https://www.zh.ch/de/ mäss Art. 88 Abs. 3 DBG bei der Arbeitgeberin liegt. news-uebersicht/mitteilungen/2021/steuern-finanzen/ Aufgrund dieses Dilemmas haben sich viele Schwei- steuern/quellenbesteuerung-von-im-ausland- zer Arbeitgeberinnen dafür entschieden, den Quellen- ansaessigen-arbeitnehmenden--d.html; Steuer- steuerabzug vorzunehmen. Ein Quellensteuerabzug verwaltung Kanton Basel-Stadt, Januar 2021, online wurde teilweise sogar im Zusammenhang mit neu in gefunden am 13. Februar 2021 unter: https://www. den Schweizer Arbeitsmarkt eingetretenen Mitarbei- steuerverwaltung.bs.ch/massnahmen-infolge- tenden vorgenommen. corona-pandemie.html (zit, Steuerverwaltung, Anordnung Massnahmen Corona). s. 28 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR muss der Steuerpflichtige oder das Unternehmen die Steuerjahres 2033 weiter. Nachher muss die Schweiz Rückerstattung auf dem ordentlichen Rechtsweg gel- keine Ausgleichzahlungen mehr leisten und kann das tend machen. gesamte Steuersubstrat behalten. 29 Der Kanton Basel-Stadt sieht ausserdem explizit vor, Das Inkrafttreten des Abkommens ist noch ausste- 32 dass Arbeitnehmende, bei welchen der Wohnsitzstaat hend. Das Protokoll des neuen Abkommens enthält das Besteuerungsrecht für im Home Office geleiste- in Ziff. 3 eine Bestimmung, wonach regelmässige Kon- te Arbeitstage beansprucht, schriftlich innerhalb von sultationen zwischen den Vertragsstaaten hinsicht- 90 Tagen seit Bekanntmachung der Doppelbesteue- lich der möglichen Weiterentwicklung von Homeoffice rung (Eröffnung des Veranlagungsentscheids) durch stattfinden sollen. 24 Aufgrund der starken Vernet- die ausländische Steuerbehörde, bei der zuständigen zung der schweizerischen globalen Unternehmen mit kantonalen Steuerbehörde eine Rückerstattung der dem Ausland und der grossen Attraktivität, welche in der Schweiz zu viel bezahlten Quellensteuern ver- diese auf internationale Arbeitnehmende ausstrahlen, langen können. Die steuerpflichtigen Personen haben besteht seitens der Schweiz ein Interesse daran, das dafür Beweise zu erbringen wie z.B. ein ausländischer Besteuerungsrecht auch dann ausüben zu können, Steuerbescheid sowie eine Bescheinigung des schwei- wenn der im Ausland ansässige Arbeitgeber vom Ho- zerischen Arbeitgebers über im Home Office geleiste- meoffice aus arbeitet, sofern die Entschädigung vom te Arbeitstage. 23 schweizerischen Hauptsitz des Arbeitgebers entrich- tet wird. Sollte die Schweiz in ihrem Bestreben erfolg- reich sein, müsste sie freilich das interne Steuerrecht 5. Ausblick anpassen, um sicherzustellen, dass eine beschränkte Steuerpflicht infolge Erwerbstätigkeit in der Schweiz 30 Am 23. Dezember 2020 haben die Schweiz und Italien unabhängig von einer physischen Präsenz in der ein neues Grenzgängerabkommen unterzeichnet, wel- Schweiz erfolgen kann. ches das derzeit gültige Abkommen von 1974 erset- zen soll. Die wichtigsten Neuerungen bestehen darin, Das neue Grenzgängerabkommen ist ein Paradebei- 33 dass sich die beiden Staaten auf eine Grenzgängerde- spiel dafür, dass Home-Office als die neue Normalität finition geeinigt haben, was aus Gründen der Rechts- reell geworden ist. Dies wird unweigerlich aufgrund sicherheit erfreulich ist. der geltenden gesetzlichen Regelungen und allfälli- gen weiteren Vereinbarungen zu einer Umverteilung 31 Zudem wird eine Unterscheidung zwischen neuen des Besteuerungssubstrats führen, falls keine spezi- und bestehenden Grenzgängerinnen gemacht. Bei fischen Homeoffice-Klauseln vereinbart werden kön- den neuen Grenzgängerinnen darf der Arbeitsorts- nen. Die Arbeitgeber müssen aufgrund der derzeiti- staat eine Quellensteuer von 80 % des Einkommens gen Rechtslage besondere Vorsicht walten, um nicht aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erheben. Im in Stolperfallen zu treten. Homeoffice kann zu neuen Ansässigkeitsstaat unterliegen die Grenzgänger der Bescheinigungspflichten sowie zu differenzierten Ab- ordentlichen Besteuerung, wobei der Ansässigkeits- rechnungen im Hinblick auf die Quellensteuer bis zur staat eine allfällige Doppelbesteuerung durch An- Begründung einer Betriebsstätte oder der Neube- rechnung beseitigen muss. Um die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zu gewährleisten, unterliegen die 23 Siehe dazu: Steuerverwaltung, Anordnung Einkünfte der neuen Grenzgänger einem elektroni- Massnahmen Corona. schen Informationsaustausch. Bei den bestehenden 24 Siehe zum Ganzen: ESTV, Grenzgängerabkommen Grenzgängern gilt die bisherige Regel bis Ende des CH/I. s. 29 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
25.03.2021 ISTR gründung des Orts der tatsächlichen Verwaltung füh- ren. 25 Unerlässlich dabei ist eine frühzeitige Planung vorzunehmen und unternehmensinterne Richtlinien zu schaffen, wobei allfällige steuerliche Risiken nicht ausser Acht gelassen werden dürfen. 26 25 Siehe zur Problematik der Betriebsstätte und des Orts der tatsächlichen Verwaltung: Matteotti René, Zu viel Home-Office kann für Steuerüberraschungen sorgen, NZZ-Verlagsbeilage Juni 2020, online gefunden am 13. Februar 2021 unter: https://www.nzz. ch/themen-dossiers/die-neue-normalitaet/zu-viel- home-office-kann-fuer-steuerueberraschungen- sorgen-ld.1563887. 26 Siehe zum Ganzen: Olivo Natalie, Lasting Remote Work May Create Cross-Border Tax Issues, Law360 März 2021 s. 30 Besteuerung von internationalen Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie
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