RISK MANAGEMENT IN DER COVID-19-KRISE - Studie der Hochschule Luzern 1 , der Fachhochschule Kiel und Swiss ERM zu den Rollen der Risk Manager

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RISK MANAGEMENT IN DER COVID-19-KRISE - Studie der Hochschule Luzern 1 , der Fachhochschule Kiel und Swiss ERM zu den Rollen der Risk Manager
C O R P O RATE G OVE R NAN C E

S T E FA N H U N Z I K E R
MIRJAM DURRER

RISK MANAGEMENT IN DER COVID-19-KRISE
Studie der Hochschule Luzern [1], der Fachhochschule Kiel
und Swiss ERM zu den Rollen der Risk Manager
Zweifelsohne erhält die Risk-Management-Profession in der aktuellen COVID-19-
Krise sehr viel Aufmerksamkeit. Risk Manager und Krisenmanager sind in Entschei-
dungsgremien gefragt wie schon lange nicht mehr. Die Pandemie deckt allerdings
auch Lücken in den Risk-Management-Systemen der Unternehmenslandschaft auf.

1. EINLEITUNG                                                    risiken vorbereitet war und wie Risk Manager mit dieser Si-
Und plötzlich ist Ernstfall: Die Corona-Pandemie hat viele       tuation umgehen, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags.
Unternehmen auf dem falschen Fuss erwischt. Dieses Risiko        Um diese und weitere Aspekte aus der Praxis beleuchten zu
sei unerwartet und in diesem Ausmass nicht vorhersehbar          können, haben das Institut für Finanzdienstleistungen Zug
gewesen, hat man im öffentlichen Diskurs öfters lesen und        IFZ der Hochschule Luzern, die Fachhochschule Kiel und
hören können. Einige haben den Vergleich mit einem «Black-       Swiss ERM (Swiss Enterprise Risk Management Association)
Swan-Risiko» im Sinne von Nassim Talebs Theorie gezogen.         eine umfangreiche Interview-Serie durchgeführt. Die ent-
Allerdings ist die COVID-19-Krise kaum «beyond the realm         sprechenden Ergebnisse wurden im ERM Report 2020 [4]
of normal expectations in history, science, finance, and tech-   umfassend aufbereitet und widerspiegeln die Einschätzun-
nology», wie Taleb eines der Black-Swan-Kriterien formu-         gen von 30 Risk Managern in unterschiedlichsten Branchen.
liert. Die aktuelle Pandemie ist ein wohl bekanntes Extrem-      Nachfolgend werden zentrale Ergebnisse aus dieser Studie
risiko («dread risk»). In der Literatur wird es im Rahmen von    sowie daraus abgeleitete Praxisempfehlungen formuliert.
makroökonomischen Standardkrisentypen explizit als Ur-
sache für eine Versorgungskrise geführt [2]. Extremrisiken,       2. PANDEMIERISIKO: BLACK SWAN
wie etwa die Anschläge auf das World Trade Center, ein hef-       ODER ALTER BEKANNTER?
tiges Erdbeben oder die aktuelle Pandemie sind Risiken, die       Um der Frage nachgehen zu können, ob und in welchem
eine vergleichsweise geringe Eintrittswahrscheinlichkeit         ­Ausmass die untersuchten Unternehmen auf das Pandemie-
aufweisen, aber innert kurzer Zeit verheerende Auswirkun-         Risiko vorbereitet waren, wurden in der Studie zwei unter-
gen für die Menschen haben. Sie sind selten, aber eben keine      schiedliche Informationsquellen hinzugezogen: Die Risiko-
Black-Swan-Ereignisse.                                            berichterstattung in den Lageberichten und persönliche Ex-
   Typischerweise lösen Extremrisiken auch Folgerisiken aus.      perteninterviews mit zahlreichen Risk Managern.
So triggert die aktuelle Pandemie unternehmensinterne Ri-            Schweizer und deutsche Unternehmen sind aufgrund der
siken wie Produktionsausfälle durch Lieferkettenausfälle,         gesetzlichen Berichtspflicht dazu angehalten, Risikoinforma-
Ertragseinbussen, Liquiditätsengpässe und Konkurse. Auf           tionen zu veröffentlichen. Börsenkotierte Unternehmen müs-
volkswirtschaftlicher Ebene erhöht sich in gewissen Län-          sen jährlich einen Lagebericht erstellen und veröffent­lichen.
dern das Risiko von Staatsschulden, Währungskrisen und            In der Untersuchung wurden die Lageberichte von Schweizer
Inflationskrisen [3].                                             und deutschen börsenkotierten Unternehmen für den Zeit-
   Ob und in welcher Form das heutige Risk Management in          raum 2013 bis 2019 analysiert. Der Swiss Performance Index
Schweizer und deutschen Unternehmen auf solche Extrem-            (SPI) umfasst nahezu alle an der SIX Swiss ­Exchange kotier-

                             STEFAN HUNZIKER, PROF.                                    MIRJAM DURRER,
                             DR. OEC. HSG, PROFESSOR                                   DR. IUR., RECHTSANWÄLTIN,
                             FÜR ENTERPRISE RISK                                       DOZENTIN FÜR
                             MANAGEMENT UND                                            NORMATIVES BOARD
                             INTERNAL CONTROL,                                         MANAGEMENT, INSTITUT
                             INSTITUT FÜR FINANZ-                                      FÜR FINANZDIENST-
                             DIENSTLEISTUNGEN                                          LEISTUNGEN ZUG IFZ,
                             ZUG IFZ, HOCHSCHULE                                       HOCHSCHULE LUZERN –
                             LUZERN – WIRTSCHAFT                                       WIRTSCHAFT

     APRIL | 2021 E X P E R T F O C U S                                                                                    159
C O R P O RATE G OVE R NAN C E                                                                 R isk Management in der C OVI D-19-K rise

  Abbildung 1: LAGEBERICHTERSTATTUNG ZUM PANDEMIERISIKO 2019

          COVID-19                                                                                  149
                                                                       92

          Pandemie                                                          101
                                                  52

  Gesamtanzahl UN                                                                                                                   199
                                                                                                                                   198

       Deutschland         Schweiz

ten Schweizer Aktiengesellschaften, insgesamt 198 Unterneh-        knapp die Hälfte der interviewten Risk Manager angegeben,
 men. Analog wurden die Lageberichte von den 199 grössten          dass sie das Pandemierisiko bereits vor der Corona-Krise im
 deutschen, börsenkotierten Unternehmen, gemessen an ihrer         Risikoinventar aufgeführt hatten. Diese Unternehmen wa­
Marktkapitalisierung, analysiert. Da das OR zum 1. Januar          ren auch mit entsprechenden Massnahmen auf den Risiko-
2013 (mit der Einführung des neuen Rechnungslegungs-               eintritt vorbereitet. Insbesondere hatten diese Unternehmen
rechts) angepasst wurde, beginnt der Analysezeitraum der           die folgenden Massnahmen definiert, die sich nun in der
Lageberichte für die Schweizer Unternehmen im Jahr 2013.           Krise als sehr effektiv herausstellen:
   Für die Analyse wurde in allen Lageberichten eine umfas-        p Desinfektionsmittel auf Lager
 sende Stichwortsuche (Pandemie, Epidemie, Corona, COVID-          p Eingeübter Pandemieplan
19 usw.) durchgeführt. Wie sich feststellen liess, fand das Ri-    p Regelmässige Krisenstabsübungen
 siko Pandemie in der Berichterstattung der Schweizer Unter-       p Notfallplanung für Betriebsausfall/BCM-Planung
 nehmen vor 2019 kaum Aufmerksamkeit. Durchschnittlich             p Homeoffice für alle Mitarbeitenden
haben weniger als 5 % (!) aller untersuchten Unternehmen           p Hoher Grad an Digitalisierung
 dieses Risiko in den Jahren vor 2019 explizit adressiert.         pVerbesserung der internen Kommunikation
COVID-19 wurde erst in den Geschäftsberichten 2019 ver-            pWeiterentwicklung von unterschiedlichen Arbeitsmodellen
 mehrt berücksichtigt, weil die Unternehmen zum Zeitpunkt          pAufbau von Alternativlieferanten
 der Lageberichterstattung Anfang 2020 zum ersten Mal
 davon Kenntnis hatten. Von den 198 untersuchten Schweizer         Ironischerweise haben drei Unternehmen der Befragung das
Unternehmen haben 2019 entsprechend 52 das Risiko Pande-           Risiko Pandemie zwar in früheren Jahren einmal im Risiko-
 mie in ihrem Lagebericht aufgeführt. COVID-19 wurde von           inventar geführt, es kurz vor Eintritt der Corona-Pandemie
92 erfasst. In Deutschland berichteten 101 Unternehmen             aus dem Risikoinventar gelöscht, da es wegen der geringen Ein-
über das Pandemierisiko und 149 über COVID-19. In Abbil-           trittswahrscheinlichkeit als nicht relevant eingestuft wurde.
 dung 1 sind die Ergebnisse zusammengefasst.
   Grundsätzlich zeigen und bestätigen die empirischen Er-         3. WEITSICHTIGE RISIKOANALYSEN WERDEN
 gebnisse, dass eine Pandemie bzw. die COVID-19-Krise si-          WICHTIGER
 cherlich kein Black-Swan-Risiko ist, da es immerhin jedes         In der Studie zeigte sich deutlich, dass sich viele Unterneh-
 zwanzigste Schweizer Unternehmen bereits vor Ausbruch             men mit einer eingehenden Szenarioanalyse schwertun,
 der COVID-19-Krise auf dem Radar hatte (vgl. Einleitung).         die auch Folgerisiken beinhaltet. Viele beschreiben Risiken
Das seltene Pandemierisiko mit potenziell katastrophalen           immer noch zu grob und pauschal, was mitunter Grund für
Auswirkungen war also bekannt. Bereits im Jahr 2003 verur-         eine mangelhafte oder fehlende konkrete Massnahmenpla-
 sachte die schwere Infektionskrankheit SARS eine weltweite        nung ist. Weil die Pandemie oft gar nicht explizit vom Risk
Pandemie. Auch SARS stellt ein Virus aus der Familie der           Management adressiert wurde, fehlen auch entsprechende
­Coronaviren dar. Spätestens seit der Schweinegrippe im Jahr       Analysen zu Folgerisiken.
2009 und der Vogelgrippe im Jahr 2013 würde man erwarten,            Auch wenn die Pandemie noch andauert, ist es wichtig,
 dass das Risiko einer weltweiten Pandemie inklusive poten-        dass die Unternehmen bereits heute mögliche Folgerisiken
 zieller Folgerisiken in den Risikoinventaren der Unterneh-        analysieren. Positiv zu beurteilen ist , dass sich sämtliche
 men enthalten sein sollte.                                        der befragten Interviewpartner rechtzeitig vertieft Gedan-
   Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland sind              ken zu Corona-Folgerisiken gemacht haben. Die Studie hat
 grundsätzlich dazu verpflichtet, ein unternehmensspezifi-         jedoch gezeigt, dass eine grosse Unsicherheit in Bezug auf
 sches Risikoinventar zu erstellen und dieses regelmässig zu       die zukünftige Entwicklung der Corona-Krise und alle
 aktualisieren. Die Erstellung des Risikoinventars hat z. B. ge-   damit verbundenen Folgen besteht. Im Rahmen der Praxis-
 mäss ISO 31000 basierend auf der «best available informa-         erhebung wurden folgende Folgerisiken genannt:
tion» zu erfolgen. Dies bedeutet, dass die Risikoidentifika-       p Lieferkettenengpässe/Unterbruch der Lieferkette
tion basierend auf vergangenen, gegenwärtigen sowie zu-            p Zahlungsausfälle aufgrund von Konkursen von Kunden
künftigen Informationen zu beruhen hat. Jedoch hat nur             und Zulieferern

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R isk Management in der C OVI D-19-K rise                                                   C O R P O RATE G OVE R NAN C E

p Bankenkrise/Finanzkrise/Wirtschaftliche Depression               ten Risk Manager in erster Linie die Führungskompetenz
pAusfall von Schlüsselpersonen                                     und eine positive Einstellung ausschlaggebend. Dies bedeu-
p Zunahme von Cyberrisken                                          tet, auch in hektischen Situationen Ruhe und Zuversicht aus-
pAbwanderung von Kundensegmenten                                   zustrahlen. Es ist wichtig, die übergeordnete Perspektive
p Umsatzrückgang                                                   und den Weitblick zu behalten, um die Folgen – auch auf der
p Compliance- und Reputationsrisiken                               Makroebene – einzuschätzen und langfristig beurteilen zu
p Steigender Margendruck/Wettbewerb                                können. Zudem müssen aus verschiedensten Informations-
p Psychosoziale Risiken (Vereinsamung, fehlende soziale            quellen Erkenntnisse ausgewertet und diese in die Unter-
Kontakte)                                                          nehmensstruktur übersetzt werden, um Worst-Case-Szena-
p Reputationsrisiken                                               rien aufzuzeigen und Empfehlungen ableiten zu können.
pÄnderung des Geschäftsmodells                                     Hier gilt es, unterschiedliche und sehr komplexe Informa­
p Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel                   tionen aufzunehmen und Schlussfolgerungen für das Unter-
pVerändertes Kauf- und Reiseverhalten der Konsumenten              nehmen zu ziehen, auch in Bezug auf teilweise widersprüch-
                                                                   liche politische Vorschriften. Um diese Informationen unter-
Auch wenn sich die Risikolandkarte für die meisten Unterneh-       nehmensindividuell adaptieren zu können, bedarf es eines
men aufgrund von Corona nicht radikal verändern wird, wer-         guten Unternehmensüberblicks und eines hohen Gesamt-
den konkrete Szenarioanalysen, die Folgerisiken expliziter         verständnisses aller Wertschöpfungsprozesse im Unterneh-
berücksichtigen, in der Zukunft wichtiger. Eine Konzentra-         men. Nur so können die Zusammenhänge und die Steuerung
tion auf die kurzfristigen Folgen der Pandemie wird zur Risi-      der Wirkungsketten auch zwischen den einzelnen Unter-
kobewältigung nicht ausreichen. Einige der Folgerisiken sind       nehmensbereichen vollends verstanden werden.
bereits mehr oder weniger kurz hintereinander eingetroffen,           Ferner führten die Interviewpartner aus, dass die wesent-
was in der Kombination zu desaströsen Folgen geführt hat (und      lichen Einflussfaktoren auf das Finanzergebnis bekannt sein
noch führen wird). Viele Unternehmen haben sich vor der            sollten und ein volkswirtschaftliches Verständnis der rele-
COVID-19-Krise nicht oder zu wenig konkret mit dem Pande-          vanten Märkte erforderlich sei, um die Wirkung staatlicher
mierisiko auseinandergesetzt bzw. die negativen Folgen für das     Regulierungsmassnahmen zu verstehen und entsprechende
eigene Unternehmen deutlich unterschätzt. In Zukunft wer-          Szenarien entwickeln zu können, die in geeigneter Sprache
den Risk Manager stärker gefordert, solche Extremrisiken           in das Unternehmen übersetzt werden. Absolut zentral sei
realitätsnah und pragmatisch als gut durchdachte Risiko-           das Verständnis des Business und die Kenntnis über die
szenarien zu antizipieren, zu bewerten und ein Set an mög-         wichtigsten Treiber des Geschäfts. Die relevanten Risiko­
lichen Bewältigungsmassnahmen für den Notfall zu entwi-            indikatoren müssen verstanden, Veränderungen früh er-
ckeln und einzuüben.                                               kannt und Trends erahnt werden. Es gilt Business-Partner
                                                                   und zugleich Vertrauensperson zu sein.
4. ERHÖHTE KOMPETENZANFORDERUNGEN                                     Ausserdem sind sowohl kreatives Denken als auch eine
AN RISK MANAGER                                                    gute Kommunikation stärker gefordert. Dies beinhaltet,
In einer Krise sind besondere Skills und Kompetenzen ge-           klare Anweisungen geben, unangenehme Themen adressie-
fragt. Häufig sind es die Soft Skills, die für den Umgang mit      ren und kritische Diskussionen führen zu können. Neben
anhaltenden Belastungen und Unsicherheiten durch die               dem Einbringen einer objektiven Gesamtsicht muss der Risk
Pandemie eine grössere Rolle spielen. So sind für die befrag-      Manager v. a. andere Personen für schwierige Themen und

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                                                                 Selbständig Fakten erheben, statt
                                                                 Marktkonsens übernehmen.

                                                                                                               Wir halten Wort.
C O R P O RATE G OVE R NAN C E                                                               R isk Management in der C OVI D-19-K rise

­Situationen sensibilisieren und deren Risikobewusstsein         5. LEARNINGS AUS DER PANDEMIE FÜR
verändern können. Dies kann durch eine transparente Kom-         DAS RISK MANAGEMENT
munikation erreicht werden, die jeweils auf Augenhöhe über       Kein überraschendes Learning aus der Studie ist, dass die
 alle Hierarchiestufen hinweg erfolgt. Dabei muss der Fokus      Digitalisierung in vielen Unternehmen stärker bzw. schnel-
korrekt gewählt werden, um die «richtigen Leute im Boot zu       ler voranschreiten muss. Ortsunabhängige Zugriffe auf das
haben», und es darf keine Scheu bestehen, in einen Dialog        interne IT-Netz, eine entsprechend sichere und ausgebaute
zu treten und kritisch nachzufragen.                             Infrastruktur sowie stabile Systeme sind Voraussetzungen,
   In Tabelle 1 werden die aus der Studie gewonnen Krisen-       damit alle Mitarbeitenden im Homeoffice produktiv arbei-
kompetenzprofile zusammengefasst dargestellt.                    ten können. In diesem Zusammenhang müssen Cyber Secu-

 Tabelle 1: RELEVANTE RISK-MANAGEMENT-KOMPETENZEN IN DER COVID-19-KRISE

                         Zentrale Krisenkompetenzen                 Beispiele
  Management-­           p Führungserfahrung                        p Ruhe und Zuversicht ausstrahlen, Vorbildfunktion
  Kompetenzen            p Organisationskenntnisse                    wahrnehmen
                         p Verantwortungsbewusstsein                p Gute Kenntnis aller Wertschöpfungsprozesse
                         p Durchsetzungsfähigkeit                   p Krise erfordert intensivere Beziehungen zwischen
                         p Unternehmerisches Denken                   Controlling, Geschäftsleitung und Aufsichtsorgan und
                         p Priorisieren und Fokussieren               sogar Konkurrenten
                                                                    p Als Sparringpartner für den Verwaltungsrat und die
                                                                      Geschäftsleitung auftreten
  Sozialkompetenzen      p Kommunikation                            p Unangenehme Risiken sachlich kommunizieren
                         p Flexibilität                             p Guten Kommunikationsfluss unternehmensweit
                         p Belastbarkeit                               ­herstellen und aufrechterhalten
                         p Pragmatismus                             p Viele ad-hoc-Risikoanalysen für die Unternehmensleitung
                         p Kreativität                                  erstellen
                         p Selbstreflexion                          p Rasches Anpassen der Risikobeurteilung beim Vorliegen
                         p Teamfähigkeit                                von neuen Informationen
                                                                    p Out-of-the-Box-Denken bei der Entwicklung von
                                                                      ­R isikoszenarien
                                                                    p Offen sein für Vorschläge aus dem Team
  Methodische            p Analytisches, vernetztes Denken          p Umgang mit komplexen und widersprüchlichen
  Kompetenzen            p Präsentations- und Visualisierungs­         ­Informationen zur Krise
                           fähigkeiten                              p Komplexe Szenarien einfach visualisieren
                         p Strukturiertes Arbeiten                  p Übersicht und Fokus behalten bei hohem
                                                                      ­Informationsfluss
                                                                    p Datenmodellierung für Risikoszenarien
                                                                    p Relevante Informationen zeitnah und adressatengerecht
                                                                        weitergeben
  Allgemeine             p Finanz- und Liquiditätsmanagement        p Risikobeurteilungen und Auswirkungen auf die
  Fachkompetenzen        p Volkswirtschaftliches Verständnis           Liquidität
                         p Krisenerfahrung                          p Transparenz zur Liquiditätslage in verschiedenen
                         p Business Continuity Management             ­Szenarien
                         p IT-Sicherheit                            p Verständnis über staatliche Regulierungsmassnahmen
                         p Gesetzliche Anforderungen                   und Auswirkungen auf Geschäftsmodell
                                                                    p Auf Augenhöhe mit IT diskutieren
                                                                    p Für alle Risiken Krisen- und Business-Continuity-­
                                                                       Massnahmen planen und einüben
  Risk-Management-       p Szenariotechnik                          p Abschätzen von Drittparteienrisiken
  Fachkompetenzen        p Finanz- und Kreditrisiken                p Unterstützung von z. B. Hygienekonzepten, Arbeits-
                         p Umfassende Risikoanalysen                  schutzmassnahmen, Pandemieplänen
                         p Verständnis über Risikowahrnehmungs-     p Ganzheitliche Risikobeurteilung mit Verbindung zur
                           mechanismen                                Strategie, Ertragslage und Liquidität
                         p Risk-Management-Massnahmen               p Erkennen von «blinden Flecken» bzw. «Risikoblindheit»
                         p Risikoquantifizierung                      als Herausforderung adressieren
                                                                    p Höhere Aufmerksamkeit auf «Extremrisiken»
                                                                      (kein Black Swan)
                                                                    p Weitsichtigere Massnahmenplanung, z. B. Erhöhung der
                                                                      Cyber Security und Datensicherheit
                                                                    p Monetäre Bewertung von Risiken, insbesondere auch von
                                                                      Extremrisiken

162                                                                                               E X P E R T F O C U S 2021 | APRIL
C O R P O RATE G OVE R NAN C E                                                                                        R isk Management in der C OVI D-19-K rise

 rity und Datensicherheit weiter erhöht werden. Insbeson-                         bedrohende Risiken ein Business Continuity Management
 dere aber sind für das Aufrechterhalten des Tagesgeschäfts                       zu entwickeln. Relevanter als Pläne sind jedoch eine gute Ko-
 die ­Fähigkeiten der digitalen Zusammenarbeit sowie eine                         operation und ein guter Informationsfluss zwischen den Ver-
hohe kulturelle Akzeptanz für Heimarbeit entscheidend.                            antwortlichen. Entscheidend ist Transparenz in der Ent-
   Darüber hinaus müssen die Agilität und Anpassungs­                             scheidungsvorbereitung und eine offene Kommunikation
fähigkeit der Unternehmen sowie die Fähigkeiten der Risiko­                       darüber, wie Entscheidungen organisatorisch unterstützt
früherkennung zunehmen. Als zentral wird ein verbessertes                         werden können.
Zusammenspiel von Risiko-, Sicherheits- und Krisenma-                               Das Risk Management sollte zukünftig noch stärker fak-
 nagement gesehen. Die Zusammenarbeit und das Verant-                             tenbasiert sein, um kurzfristige «Panikattacken» zu ver­
wortungsbewusstsein der unterschiedlichen Bereiche und                            meiden. Dazu gehört es, bei der Risikobewertung einen kla-
 die daraus resultierende Handlungsschnelligkeit sind aus-                        ren Bezug zum Geschäftsmodell herzustellen. Der Nutzen,
 schlaggebend.                                                                    Risiken in Szenarien abzubilden oder zu simulieren, hat sich
   Ein wesentliches Learning ist zudem, dass Risikoabhän-                         durch die Krise verstärkt. Die COVD-19-Krise kann eine
 gigkeiten zwischen verschiedenen Standorten auch aus einer                       Chance sein, den systematischen Umgang mit Unsicherheit
übergeordneten unternehmensweiten Perspektive betrach-                            und den Auswirkungen auf die Finanzkraft bzw. die Liqui-
tet werden müssen. Viele Unternehmen führen traditionell                          dität künftig zu optimieren. Die Krise hat (eindrücklich) ge-
 eher einfache, unabhängige Einzelrisikobeurteilungen                             zeigt, dass viele Unternehmen Aufholbedarf in der Finanz-
 durch, die in einer Risk Map (Heat Map) visualisiert werden.                     und Liquiditätsplanung haben. Das Berücksichtigen von Ri-
Die COVID-19-Krise hat vielen Risk Managern eindrucksvoll                         siken bzw. objektivierten, rationalen Risikoinformationen
 gezeigt, dass eine einzelne Risikoursache (Virus) komplexe                       bei finanziellen Entscheidungen und damit auch bei der Li-
und vielschichtige Auswirkungen auf das ganze Unter­                              quiditätssicherung, ist entscheidend. Dies gelingt nur durch
 nehmen haben kann. Die Entwicklung von verschiedenen                             eine monetäre Quantifizierung der Risikoauswirkungen.
Risiko­szenarien, die Ursache-Wirkungs-Ketten umfassend                           Dafür bedarf es einer höheren Akzeptanz darüber, dass Un-
 beschreiben und Abhängigkeiten zu anderen Risiken be-                            ternehmenspläne und Budgets unsicher (= riskant) sind
 rücksichtigen, werden künftig wichtiger. COVID-19 als Ri­                        und dass diese Unsicherheit transparent aufgezeigt werden
 sikoursache hat z. B. zu technischen, regulatorischen und                        muss. Nur so lassen sich die relevanten Risiken identifizie-
­finanziellen Folgerisiken geführt.                                               ren und Scheingenauigkeit vermeiden. Sorgfältige Analysen
    So waren etwa Unternehmen, welche einen Standort in                           von Risikoabhängigkeiten und die Aggregation von Einzel-
 China haben, gemäss Interviewaussagen besser auf die Co-                         risiken sollten selbstverständlich werden.
 rona-Krise vorbereitet, da sie sich bereits früher Gedanken
 zur Pandemie machten. Es ist deshalb unabdingbar, dass der                       6. FAZIT
Risk Manager das Weltgeschehen aktiv verfolgt und sich                            Die COVID-19-Krise bietet ein Momentum, das Risk Mana-
 immer wieder die Frage stellt, ob eine unternehmensexterne                       ger im positiven Sinne ausnutzen können. Jetzt ist der rich-
Ursache möglicherweise eine unternehmensinterne Wir-                              tige Moment, das eigene Risk Management kritisch zu hin-
kung entfalten könnte. Ein Risikoverlauf kann indes auch er-                      terfragen und Anpassungen für die Zukunft vorzunehmen.
heblich dynamischer sein, als bisher in den Risikoszenarien                       In ruhigeren und stabileren Phasen sinken die Bereitschaft
 angenommen wurde. Insbesondere ist es wichtig, die (finan-                       und Motivation wieder, in Risk Management zu investieren.
 ziellen) Auswirkungen eines Risikoeintritts deutlich kon-                        Ein Zurückziehen der Risk Manager auf ihre klassischen
kreter und facettenreicher durchzudenken. Dabei sollten im                        Überwachungs- und Berichtsaufgaben nach der COVID-
 mehrjährigen und disziplinübergreifenden Brainstorming                           19-Krise bringt wenig Mehrwert für das Unternehmen. Risk
keine gedanklichen Grenzen gesetzt werden. Nur so kann                            Manager müssen sich zum Business Partner der Unterneh-
 die Sensibilität erhöht werden, dass auch das Undenkbare                         mensleitung entwickeln. Die Analyse von Extremrisiken
 eintreten kann. Seltene und unwahrscheinliche Extremrisi-                        und deren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sind
ken dürfen nicht mehr ignoriert werden.                                           ­äusserst anspruchsvolle Aufgaben. Sie erfordern vom Risk
   Zusätzlich haben die Interviewpartner es als sehr nützlich                     Manager zusätzlich ein profundes Geschäfts- und Organi­
 erachtet, Szenarien und Notfallpläne im Vorfeld getestet zu                       sationsverständnis, Strategie-Fähigkeiten und unternehme-
haben, auch wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit zunächst                         risches Denken. Damit können Risk Manager dem Manage-
 als sehr gering eingestuft wurde. Daher streben einige Un-                       ment auf Augenhöhe begegnen und einen Mehrwert in der
ternehmen an, die vorhandenen Notfallpläne weiter zu kon-                         Unternehmenssteuerung generieren.                        n
kretisieren, regelmässig zu überprüfen und für bestands­

Fussnoten: 1) Vgl. Hunziker, S., Vanini, U., Durrer,    schule Kiel. Kostenfrei verfügbar unter: https://    trieb, Heft 33. 3) Vgl. Gleißner, W. Lessons learned
M., Henrizi, P., Unruh, A. (2020). Die Rolle der Risk   hub.hslu.ch/financialmanagement/​2020/​11/05/erm-    der Coronakrise – Schwarze Schwäne, Resilienz
Manager in der COVID-19-Krise (ERM-Report 2020).        report-2020. 2) Vgl. Gleissner/Kamaras (2020):       und robuste Unternehmen, in: CFO aktuell, 2020/6,
Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der         Volkswirtschaftliche Risiken und deren betriebs-     S. 234–238. 4) Vgl. Fn. 1.
Hochschule Luzern, Swiss ERM und der Fachhoch-          wirtschaftliche Konsequenzen (Teil 1), in: Der Be-

164                                                                                                                         E X P E R T F O C U S 2021 | APRIL
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