ERFOLGREICHE PANDEMIEBEKÄMPFUNG - KFW
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KfW Research Fokus Volkswirtschaft Erfolgreiche Pandemiebekämpfung benötigt mehr als grundsätzliches Vorbereitetsein Nr. 330, 11. Mai 2021 Autorin: Dr. Katrin Ullrich, Telefon 069 7431-9791, katrin.ullrich@kfw.de Das Coronavirus hat sich Anfang 2020 innerhalb kürzester Schwere der Corona-Pandemie bestimmt wirtschaftliche Zeit weltweit ausgebreitet. Die Länder haben zunächst mit Position zum Jahresende 2020 recht ähnlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pande- Ende des Jahres 2020 befanden sich die Volkswirtschaften mie reagiert, allerdings mit unterschiedlichem Einfüh- der OECD- und großen Schwellenländer – verglichen mit rungszeitpunkt, Umfang und Intensität. In der Folge diffe- dem Vorkrisenniveau – in sehr unterschiedlicher wirtschaftli- renzierten sich dann die Eindämmungsstrategien und ihre cher Position. Für alle diese Länder hatte die Corona-Krise Implementierung weiter aus. Die negativen wirtschaftli- zu einem starken Wirtschaftseinbruch im zweiten – oder für chen Auswirkungen, die sich Ende 2020 noch im Abstand China im ersten – Quartal 2020 geführt. Während in China zum Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung zeigen, fallen die Wirtschaftsleistung zum Jahresende jedoch schon wieder zwischen den Ländern sehr unterschiedlich aus und sind 6 % über dem Vorkrisenniveau vom vierten Quartal 2019 lag, abhängig vom Eindämmungserfolg. Je schwerer der Pan- klaffte in Spanien noch eine Lücke von 9 %. Deutschland fin- demieverlauf, desto größer tendenziell die verbleibende det sich mit einem Abstand von 3,6 % zum Vorkrisenniveau Lücke beim Bruttoinlandsprodukt. in dem Drittel der Länder mit den noch stärksten wirtschaftli- chen Krisenauswirkungen wieder. Zwar traten die Internationalen Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2007 in Kraft Tendenziell verzeichnen die Länder Ende 2020 noch die und regeln den Umgang mit grenzüberschreitenden Ge- stärkeren wirtschaftlichen Effekte, in denen die Pandemie ei- sundheitsrisiken. Wie sich zeigt, ist ein grundsätzliches nen schwereren Verlauf genommen und mehr Tote gefordert Vorbereitetsein auf eine Pandemie jedoch unzureichend hat (s. Grafik 1). Hier werden Eindämmungsmaßnahmen mit für eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung. Denn die zur verpflichtenden Einschränkungen sowie Verhaltensänderun- Verfügung stehenden Instrumente müssen auch einge- gen aus Vorsicht von Konsumenten und Unternehmen zu- setzt sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten sammenspielen.3 Je schwerer die Pandemie verläuft – ggf. der Eindämmungsmaßnahmen in Kauf genommen und auch, weil zunächst keine rechtzeitigen und notwendigen von der Bevölkerung gebilligt werden. In der nun anste- Maßnahmen ergriffen wurden –, desto stärker und länger henden Phase der Pandemiebekämpfung muss das Ge- müssen schließlich die Eindämmungsmaßnahmen ausfallen, sundheitssystem in der Lage sein, schnell eine große Zahl um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig ist von Impfungen durchzuführen, vorausgesetzt, die Impf- davon auszugehen, dass Konsumenten auch ohne explizite stoffe sind verfügbar und die Impfbereitschaft ist vorhan- Vorschriften vorsichtiger agieren, insbesondere was den den. Abgesehen von der Performance in der aktuellen Konsum von Dienstleistungen mit persönlichen Kontakten Pandemie ist von einer Zunahme von Infektionskrankhei- angeht. Unternehmen werden sich wegen der gestiegenen ten im Zuge des Klimawandels auszugehen. Ein nachhal- tiges Wirtschaftsmodell setzt daher auch voraus, auf eine Grafik 1: Schwere der Pandemie und wirtschaftliche Aus- Pandemie vorbereitet zu sein. wirkungen OECD-Länder und BRIICS, Stand zum 31.12.2020. Das Vorantreiben der Impfkampagnen ist gemäß dem aktuel- 4,0 len Bericht der OECD zu den wirtschaftlichen Aussichten Coronavirus Gestorbene / 1.000 der Bevölkerung In Verbindung mit dem derzeit die beste Wirtschaftspolitik.1 Auch die Chefin des In- 3,0 ternationalen Währungsfonds, Kristalina Georgieva betont, dass Impfpolitik Wirtschaftspolitik ist.2 Damit stellt sich die 2,0 Frage, welche Länder ihre Impfkampagne am schnellsten im- plementiert bekommen. Abgesehen von einer ausreichenden 1,0 Verfügbarkeit von Impfstoffen und Herausforderungen bei DE der Logistik wegen der erforderlichen Kühlung ist zu erwar- 0,0 ten, dass eine bessere grundsätzliche Vorbereitung auf eine -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 Pandemie helfen sollte, schnell eine substanzielle Zahl an Abstand des realen BIP Impfungen pro Tag zu erreichen. Denn die Vorbereitungszeit in Q4 2020 zu Q4 2019 in Prozent für die Impfkampagne war kurz, wurden die Corona-Impf- ISSN 2194-9433 Quellen: Johns Hopkins University, OECD, KfW Research. stoffe doch sehr schnell entwickelt und zugelassen. Hinweis: Dieses Papier gibt die Meinung der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der KfW.
KfW Research Unsicherheit – auch über ggf. noch folgende Maßnahmen – munikation mit dem medizinischen Personal während ei- mit Investitionen zurückhalten. nes Notfalls im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Prak- tiken zur Infektionskontrolle und die Verfügbarkeit von Weitere Faktoren – wie die relative Größe des Dienstlei- Ausrüstung sowie die Fähigkeit, neue Gegenmaßnahmen stungssektors oder der Umfang wirtschaftspolitischer Unter- zu testen und zu genehmigen. stützungsmaßnahmen – sind für die Betroffenheit zum Jah- resende 2020 ebenfalls relevant. So schätzt der Internatio- 5. Zusagen zur Verbesserung der nationalen Kapazitäten, nale Währungsfonds bei aller Unsicherheit, dass der globale Finanzierungspläne, um Lücken zu schließen, und die Wirtschaftseinbruch ohne staatliche Stützungsmaßnahmen Einhaltung internationaler Normen. drei Mal so stark ausgefallen wäre.4 Bewertet werden die Einhaltung der Berichterstattung ge- mäß der die Internationalen Gesundheitsvorschriften und Selbst die wenigen Länder mit hohen Gesundheitsvor- der Katastrophenvorsorge, grenzüberschreitende Verein- schriften waren recht erfolglos bei der Eindämmung barungen zur Reaktion auf Notfälle im öffentlichen Ge- Am 15. Juni 2007 traten die Internationalen Gesundheitsvor- sundheitswesen, internationale Verpflichtungen und Be- schriften der Weltgesundheitsorganisation in Kraft. Diese richte, Finanzierung, Verpflichtung zum Austausch von ge- stellen ein verbindliches Rechtsinstrument zum Umgang mit netischen und biologischen Daten und Proben. grenzüberschreitenden Gesundheitsrisiken dar. Der Global Health Security Index orientiert sich an den dort vereinbarten 6. Allgemeines Risikoumfeld und Anfälligkeit des Landes Leitregeln, um die Gesundheitssicherheit in 195 Ländern zu für biologische Bedrohungen. messen (siehe Kasten).5 Bewertet werden das politische und sicherheitspolitische Risiko, die sozioökonomische Widerstandsfähigkeit, die Kasten: Die 6 Dimensionen des Global Health Security Angemessenheit der Infrastruktur, Umweltrisiken und Index6 Schwachstellen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, 1. Verhinderung des Auftretens oder der Freisetzung von die die Fähigkeit eines Landes beeinträchtigen können, ei- Krankheitserregern. ner Epidemie oder Pandemie vorzubeugen, sie zu erken- Dazu gehören Krankheitserreger, die ein außerordentli- nen oder auf sie zu reagieren, und die die Wahrscheinlich- ches Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen, keit erhöhen, dass sich Krankheitsausbrüche über die wobei die Definition einer gesundheitlichen Notlage von Landesgrenzen hinaus ausbreiten. internationaler Tragweite gemäß den Internationalen Ge- sundheitsvorschriften angewendet wird. Bewertet werden Mit durchschnittlich 60 von maximal erreichbaren 100 Punk- die antimikrobielle Resistenz, zoonotische Krankheiten, ten zeigt der Gesamtindex, wie wenig vorbereitet die OECD- biologische Sicherheit, Forschung mit doppeltem Verwen- und großen Schwellenländer grundsätzlich auf eine Pande- dungszweck und eine Kultur der verantwortungsvollen mie sind. Nachdem die Corona-Pandemie innerhalb kürze- Wissenschaft sowie Immunisierung. ster Zeit nahezu alle Länder weltweit erfasst hatte, ist zu er- warten, dass für die Eindämmung vor allem zwei Dimensio- 2. Frühzeitige Erkennung und Meldung für Epidemien von nen der Gesundheitssicherheit – die Fähigkeit zu schneller potenziell internationaler Bedeutung, die sich über natio- Reaktion und Eindämmung sowie ein entsprechend aufge- nale oder regionale Grenzen hinaus ausbreiten können. stelltes Gesundheitssystem – eine wichtige Rolle spielen. Bewertet werden Laborsysteme, Echtzeit-Überwachung und -Berichterstattung, Epidemiologie Personal sowie die Beim Teilindikator Reaktionsfähigkeit – schnell auf eine Pan- Datenintegration zwischen den Bereichen Human-, Tier- demie reagieren und diese eindämmen zu können – liegt der und Umweltgesundheit. Durchschnitt der OECD- und großen Schwellenländer mit 55 Punkten niedriger als der Durchschnitt beim Gesamtindi- 3. Schnelle Reaktion auf die Ausbreitung einer Epidemie kator. Der Teilindikator Gesundheitssystem schneidet mit und Eindämmung derselben. durchschnittlich 49 Punkten am schlechtesten von allen Di- Bewertet werden die Notfallvorbereitung und Reaktions- mensionen ab. Die grundsätzlichen Voraussetzungen zur planung, die Ausübung von Reaktionsplänen, den Betrieb Eindämmung der Corona-Pandemie, nachdem sie sich ein- der Notfallmaßnahmen, die Verknüpfung von Gesund- mal weltweit ausgebreitet hat, waren demnach nicht die be- heits- und Sicherheitsbehörden, die Risikokommunikation, sten. Deutschland bildet keine Ausnahme mit 55 Punkten bei der Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur sowie Han- der Reaktionsfähigkeit und 48 Punkten beim Gesundheitssy- dels- und Reisebeschränkungen. stem, wenngleich der Gesamtindikator mit 66 Punkten über- durchschnittlich ausfällt. Die Stärken Deutschlands liegen vor 4. Ausreichendes und robustes Gesundheitssystem zur allem bei der Erkennung und Meldung von Epidemien von Behandlung von Kranken und zum Schutz des Gesund- potenziell internationaler Bedeutung sowie einem günstigen heitspersonals. allgemeinen Risikoumfeld und relativ geringer Anfälligkeit für Bewertet werden die Gesundheitskapazitäten in Kliniken, biologische Bedrohungen. Krankenhäusern und kommunalen Versorgungszentren, medizinische Gegenmaßnahmen und der Personalein- Für die OECD- und großen Schwellenländer zeigt sich kein satz, der Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Kom- offensichtlicher Zusammenhang zwischen den Teilindika- Seite 2
Fokus Volkswirtschaft toren Reaktionsfähigkeit bzw. Gesundheitssystem und der wichtig, schnell eine substanzielle Zahl von Impfungen pro Schwere der Pandemie (s. Grafik 2).7 Letztere wird durch die Tag zu erreichen. Daher wird auf die Zahl von verabreichten bis Mitte März im Zusammenhang mit Covid19 Gestorbenen Impfungen pro Tag abgestellt, die 31 und 60 Tage nach im Verhältnis zur Bevölkerung abgebildet. Insbesondere die Impfbeginn erreicht werden. USA und UK, die bei der Reaktionsfähigkeit am besten ab- schneiden und auch beim Gesundheitssystem überdurch- Ein Blick auf die Zahl der Impfungen pro Tag, die einen Mo- schnittliche Werte erzielen, waren nur schlecht in der Lage, nat nach Beginn der jeweiligen Impfkampagne erreicht wer- die Todeszahlen im Verhältnis zur Bevölkerung niedrig zu den, zeigt, dass es vor allem die bevölkerungsreichen Länder halten. Denn die Übertragung wird größtenteils durch das – China, Indien und die USA – sind, die hohe Zahlen errei- Tragen von Masken, Tests und Kontaktverfolgung sowie Ein- chen (s. Grafik 3). Auf der einen Seite ist dies auch zu erwar- dämmungsmaßnahmen wie Lockdowns und Schulschließun- ten, denn bei einer größeren Bevölkerung stehen grundsätz- gen bekämpft. Diese Maßnahmen verursachen substanzielle lich mehr potenzielle Impfkandidaten zur Verfügung. Zudem wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten und sind daher müssen Länder mit einer größeren Bevölkerung auch mehr auf politischen Willen zur Durch- und Umsetzung und den Impfungen durchführen, um zum gleichen Zeitpunkt wie klei- Konsens der Bevölkerung angewiesen.8 nere Länder einen hinreichenden Grad der Immunisierung zu erreichen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie dazu auch in Grafik 2: Schnelle Reaktionsfähigkeit auf eine Pandemie der Lage sind. Insofern ist es ermutigend, dass eine größere bzw. Qualität des Gesundheitssystems und Schwere der Bevölkerung auch i. d. R. zu einer höheren Zahl von tägli- Corona-Pandemie chen Impfungen führt. OECD-Länder und BRIICS, Stand: 15.03.2021. Grafik 3: Gesundheitssystem und Impfkampagne 6,0 Gestorbene / 1.000 der Bevölkerung In Verbindung mit dem Coronavirus Teilindex Besserrichtung "Gesundheits- 5,0 -0,6 system" 0 0,6 1,2 1,8 4,0 USA 74 Nieder lande 70 3,0 Kan ada 68 UK Dänemark 64 2,0 US Australien 64 Schweiz 63 DE Frankreich 61 1,0 Finnlan d 61 0,0 Belg ien 61 UK 60 20 40 60 80 100 Spa nien 60 Global Health Security Index 2019 Kor ea 59 Norwegen 59 Teilind ex "Schn elle Re aktion " Teilind ex "G esu ndheitssystem" Por tug al 55 Slowen ien 55 Quellen: GHS Index, Johns Hopkins University, Weltbank, KfW Research. Schweden 49 Pole n 49 Dass unter den OECD-Ländern mit der geringsten coronabe- Deutschla nd 48 Lettland 47 dingten Sterblichkeit vier Inselstaaten – Neuseeland, Austra- Mexiko 1,8 47 lien, Japan und Island – sowie mit Südkorea eine Quasi-Insel Österreich 47 Japan 47 sind, deutet auf die Bedeutung geografischer Faktoren für Isla nd 46 1,2 die effektive Überwachung von Einreisenden hin.9 Türkei 46 China 46 Neuseelan d 45 Gesundheitssystem muss schnell hohe Impfgeschwin- 0,6 Bra silie n 45 digkeit ermöglichen Indien 43 Isra el 42 Für eine erfolgreiche Eindämmung ist es offenbar unzu- Irland 40 0 reichend, nur auf eine Pandemie vorbereit zu sein. Um- und Indone sien 39 Chile 39 Durchsetzung von Maßnahmen spielen eine wichtige Rolle. Luxembur g 74 70 68 63 61 61 61 60 59 59 55 55 49 48 47 47 46 46 46 45 43 42 40 39 39 38 38 38 37 37 34 34 33 32 64 64 60 49 47 47 45 38 37 38 -0,6 Während der nun anstehenden Phase der Pandemiebe- Slowakei 38 Grie che nland Tschechie n Finnlan d Neuseelan d Isra el Deutschla nd Luxembur g Por tug al Bra silie n Kor ea Pole n UK Isla nd Itali en Türkei Russla nd Frankreich Estl and Kan ada Belg ien Lettland Österreich USA Schweiz Spa nien Slowen ien 38 Kolu mb ien Chile China Irland Slowakei Süd afr ika Nieder lande Japan Dänemark Schweden Indien Litauen Indone sien Australien Mexiko Norwegen Grie che nland Ungarn kämpfung ist jedoch zu erwarten, dass die strukturellen Fak- Russla nd 38 toren, v. a. die Aufstellung und Kapazitäten im Gesundheits- Tschechie n 37 Itali en 37 system, an Bedeutung gewinnen. Ungarn 37 Litauen 34 Kolu mb ien 34 Ziel der Impfkampagnen ist es, möglichst schnell einen hin- Süd afr ika 33 reichend großen Anteil der Bevölkerung gegen das Coronavi- Estl and 32 rus zu immunisieren. Wie hoch dieser Anteil sein muss, um Tägliche Impfung en in Mio. (Stand nach 31 Tag en) Herdenimmunität zu erreichen, ist von vielen Faktoren ab- Tägliche Impfung en in Mio. (Stand nach 60 Tag en) hängig. Die zunächst angesetzte Impfquote von 60 bis 70 % Anmerkung: OECD-Länder und BRIICS. wird in Anbetracht der Virusmutationen mittlerweile als zu niedrig eingeschätzt, es könnten sogar 90 % notwendig Quellen: GHS Index, Macrobond (Our World in Data), KfW Research. sein.10 Um die notwendige Quote schnell zu erreichen, ist es Seite 3
KfW Research Einen weiteren Monat später – 60 Tage nach Impfbeginn – knappheit von Impfstoffen gelitten.13 haben Indien, China und die USA die Zahl ihrer täglichen Impfungen nochmals substanziell erhöht. Auch in einigen Fazit weiteren Ländern lässt sich eine gestiegene Impfgeschwin- Zusätzlich zum gesundheitlichen Aspekt sind die Impfkam- digkeit identifizieren. Bei der Mehrheit der Länder sind jedoch pagnen gegen das Coronavirus ein wesentlicher Faktor für kaum auffallende Fortschritte zu beobachten. die weitere wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise. Nach wie vor zeigt sich ein zweigeteiltes Bild. Während die Ein Zusammenhang zwischen der kurzfristigen Impfge- kontaktintensiven Wirtschaftsbereiche und damit auch der schwindigkeit und der Frage, wie gut die Gesundheitssy- Dienstleistungshandel nach wie vor stärker unter den negati- steme der Länder auf eine Pandemie vorbereitet sind, ist zu- ven Folgen der Eindämmungsmaßnahmen und Verhalten- nächst nicht augenfällig. Es gibt eine ganze Anzahl von Län- sänderungen von Unternehmen und Konsumenten leiden, dern, die trotz eines relativ gut aufgestellten Gesundheitssy- sind Industrieproduktion und Warenhandel relativ weit in ihrer stems nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von Corona- Erholung fortgeschritten. Erst wenn die Corona-Pandemie er- impfungen pro Tag durchführen. Es mag eine Rolle spielen, folgreich eingedämmt ist, können auch die Dienstleistungs- dass der Grad der Vorbereitung der Gesundheitssysteme auf bereiche verstärkt aufholen. Die Impfkampagnen gegen das eine Pandemie insgesamt zu gering ist, als dass die Impf- Coronavirus leisten einen fundamentalen Beitrag bei der Ein- kampagnen unterschiedlich schnell hochgefahren werden dämmungsstrategie. können. Selbst die USA, die beim Teilindex Gesundheitssy- stem das Ranking anführen, erreichen nur ¾ der maximal Zum einen sind die Impfkampagnen gegen das Coronavirus möglichen Bewertung. kurzfristig wichtig, wobei mit den bestehenden Kapazitäten und Strukturen des Gesundheitssystems gearbeitet werden Das Gesundheitssystem ermöglicht auf der einen Seite mit muss. Zum anderen ist längerfristig davon auszugehen, dass seinen grundlegenden Strukturen die Impfkampagne. Gleich- durch den Klimawandel auch die Ausbreitung von Infektions- zeitig muss die Bereitschaft in der Bevölkerung bestehen, die krankheiten und damit das Entstehen von Pandemien begün- Impfangebote auch wahrzunehmen. Hier bestehen beträchtli- stigt wird.14 Zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell gehört che Unterschiede zwischen Ländern, wie eine Umfrage von daher auch, auf neue Pandemien vorbereitet zu sein. Dies IPSOS im Auftrag des World Economic Forum im Januar betrifft zum einen die Gesundheitsvorschriften und das Ge- 2021 zeigt. Der Frage, ob sie eine Coronaimpfung durchfüh- sundheitssystem. Zum anderen zählen dazu auch internatio- ren würden, wenn sie für sie verfügbar wäre, stimmten in nale Kooperation und Zusammenarbeit, wie die Corona-Pan- Russland nur 17 % der Befragten nachdrücklich zu, die noch demie gezeigt hat. Ohne internationalen Handel der notwen- nicht geimpft waren. In Brasilien lag dieser Anteil bei 72 % digen Inhaltsstoffe und medizinischen Güter sowie For- und in Deutschland bei 43 %.11 schungskooperation wären die aktuellen Impfkampagnen un- möglich. Eine wesentliche Voraussetzung für eine hohe Impfge- schwindigkeit ist die Verfügbarkeit von Impfstoffen. Für die hier betrachteten Länder dürfte dies insgesamt weniger ein Problem darstellen. Für die Industrieländer der G20 wird eine Impfstoffbeschaffung bis Ende Juni von 124 % der Bevölke- rung bestätigt. Die Schwellenländer der G20 – zu denen auch die hier betrachtete Gruppe der BRIICS gehören – er- reichen bis Ende Juni nur eine Quote von 24 %, die restli- chen Schwellenländer 10 % und die Niedrigeinkommenslän- der nur 5 %. Damit haben sich Länder, in denen 16 % der Weltbevölkerung leben, 50 % der Impfstoffe gesichert.12 Aber selbst in Industrieländern wie den Mitgliedsstaaten der EU, die sich grundsätzlich hinreichend viel Impfstoff gesichert ha- ben, hat der Start der Impfkampagne unter der Angebots- 1 OECD (2021), Strengthening the recovery: The need for speed, OECD Economic Outlook, Interim Report March 2021. 2 IMF auf Twitter: "Vaccine policy is economic policy. Here is why. https://t.co/oBj0SdyciR #GlobalEcon #IMFMeetings https://t.co/ufCNBbCr10" / Twitter 3 U. a. Dorn, F. et al. (2021), The Common Interests of Health Protection and the Economy: Evidence from Scenario Calculations of COVID-19 Containment Policies, medRxiv 2020.08.14.20175224; doi: https://doi.org/10.1101/2020.08.14.20175224; König, M. und A. Winkler (2021); COVID-19: Lockdowns, Fatality Rates and GDP Growth, intereconomics 56 (1), 32–39; Fernández-Villaverde, J. und C. I. Jones (2020), Macroeconomic Outcomes and Covid-19: A Progress Report, NBER Working Paper 28004. 4 IWF (2021), Global economy on firmer ground, but with divergent recoveries amid high uncertainty, World Economic Outlook, April 2021, S. 4. 5 Global Health Security Index (2019), Building Collective Action and Accountability. 6 Global Health Security Index (2019), Building Collective Action and Accountability, S. 36. 7 Hendrix, C.S. (2021), Why some experts got pandemic readiness wrong, PIIE Realtime Economic Issues Watch. Seite 4
Fokus Volkswirtschaft 8 Hendrix, C.S. (2021), Why some experts got pandemic readiness wrong, PIIE Realtime Economic Issues Watch. 9 Hendrix, C.S. (2021), Why some experts got pandemic readiness wrong, PIIE Realtime Economic Issues Watch. 10 Wie hoch muss die Herdenimmunität sein?, PZ-Pharmazeutische Zeitung, 13.01.2021. 11 Ipsos survey for The World Economic Forum (2021), Global attitudes on a COVID-19 Vaccine, www.ipsos.com/en/global-attitudes-covid-19-vaccine-january-2021. 12 IWF (2021), Global economy on firmer ground, but with divergent recoveries amid high uncertainty, World Economic Outlook, April 2021. 13 EU countries delaying, halting vaccinations over delivery shortages | News | DW | 28.01.2021 14 Stark, K.,·Niedrig, M. Biederbick, W. Merkert, H. und J. Hacker (2009), Die Auswirkungen des Klimawandels. Welche neuen Infektionskrankheiten und gesundheitlichen Probleme sind zu erwarten?, Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, DOI 10.1007/s00103-009-0874-9; Rocklöv, J. und R. (2020), Climate change: an enduring challenge for vector-borne disease prevention and control, Nature Immunology 21, 479–483, https://doi.org/10.1038/s41590-020-0648-y. Seite 5
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