Die auffällige Abwesenheit von Menschenmengen - Flucht oder Konfrontation? Wie die Pandemie die Rezeption von Filmen beeinflusst
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1 Udias volese laccus moluptatus, cum dolorat eos nus aut ea et de delibuscit, quosapi endellab invera doluptur? Cabor aut mintore scimiliquos autent aperror ecatemquae dolorerro corro et quibus aspis es et officides et harchil et iscil inctet plab incia Foto: © trigon-film.org cullam inihic tore velite Die auffällige Abwesenheit von Menschenmengen Flucht oder Konfrontation? Wie die Pandemie die Rezeption von Filmen beeinflusst von Isadora Campregher Paiva Wie reagiert das Filmpublikum auf die men befassten, die wir gerade durchlebten. Der anhaltende Infektionsgefahr? Lassen sich populärste Vertreter dieses Genres war »Conta- gion« (Soderbergh, 2011), ein relativ realisti- die Menschen mithilfe von Fantasy- und scher Spielfilm über die weltweite Verbreitung Die rosa Wolke: Symbol des Romantik-Streifen in eine andere Welt eines tödlichen Virus. Als dieser 2011 in die Antifeminismus, der Natur entführen, um der Realität zumindest für Kinos kam, war er mäßig erfolgreich, im Jahr zerstörung – oder der Pandemie? Wie unterschiedlich kurze Zeit zu entkommen? Die Filmwissen- 2020 galt er als fast vergessen und war auf den Filme abhängig vom zeitlichen schaftlerin Isadora Campregher Paiva hat meisten Streaming-Plattformen nicht mehr ver- Kontext wahrgenommen werden, hat die brasilianische überraschende Beobachtungen gemacht. fügbar. Mit den immer größer werdenden Infek- Regisseurin Iuli Gerbase mit tionszahlen stieg jedoch auch die Popularität A ihrem 2019 gedrehten und 2020 ls die COVID-19-Epidemie sich zur Pan- von »Contagion« stark an: Die Zahl der Google- veröffentlichten Werk erfahren. demie auswuchs, kam es zu einem merk- Suchen nach dem Film explodierte im März würdigen Phänomen: Viele Menschen 2020 geradezu, das mäßige Interesse von 2011 suchten nicht nach eskapistischer Unterhaltung wurde bei Weitem übertroffen. oder Zerstreuung, um sich von der beängsti- Sicherlich verspürte nicht jeder diesen Drang, genden Situation abzulenken. Stattdessen sahen sich einen Film anzusehen, der so nah am eige- sie sich Filme an, die sich mit denselben Proble- nen Leben ist. Nach der neuen Popularität von Forschung Frankfurt | 1.2021 41
Leben in der Pandemie Literatur »Contagion« gefragt, sagte Kate Winslet, eine Komplexität und den Risiken von echtem Erle- der Hauptdarstellerinnen: »Mich hat das total ben aussetzen zu müssen (Kaes, 2009). Das wäre Gerbase, Iuli: Interview. Conducted I. C. Paiva, umgehauen: Warum sollte jemand jetzt ›Conta- für sehr unterschiedliche Inhalte denkbar vom March 9, 2021. gion‹ schauen? Da geht es um eine schreckliche Durchleben von Todesgefahr in einem Horror- Pandemie, in der viele Menschen sterben!« film bis hin zur Aufregung einer neuen Liebe in Kaes, Anton: Shell Shock Cinema: Weimar Culture and (Winslet, 2021). Wie ist es jedoch zu erklären, einem Liebesfilm. the Wounds of War, dass offenbar manche Menschen ein starkes Princeton University Press, Bedürfnis haben, das gerade stattfindende Der Trost der erzählerischen Logik Princeton 2009. Trauma auf dem Bildschirm gespiegelt zu sehen? Aber welchen Sinn sollte es haben, derartige Outka, Elizabeth: Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass Situationen und Empfindungen zu »üben«, die Viral Modernism: The Influenza fiktive Geschichten es dem Zuschauer ermög- im echten Leben ja ohnehin stattfinden? Einen Pandemic and Interwar Literature, Columbia University lichen, stellvertretend intensive Gefühle und Pandemiefilm zu sehen während einer Pande- Press, New York 2020. Zustände zu durchleben, ohne sich selbst der mie, insbesondere einen so realistischen wie Sperling, Nicole: ›Contagion‹, »Contagion«, bindet und ordnet die Erfahrung Steven Soderbergh’s 2011 in einen erzählerischen Rahmen, der einen Thriller, Is Climbing Up the Anfang, einen Mittelteil und – das ist wesent- Charts, The New York Times, lich – ein Ende hat. Das war besonders zu 2020. https://www.nytimes. com/2020/03/04/business/ AUF DEN PUNKT GEBRACHT Beginn der P andemie wichtig, genau in dem media/coronavirus-contagion- Moment, als die Popularität von »Contagion« movie.html (accessed 17/03/21) • Anstatt vor der unangenehmen exponentiell anstieg, denn die Menschen woll- Rotten Tomatoes: The Pink Pandemiewirklichkeit in Heile-Welt- ten sich gefühlsmäßig vorbereitet wissen auf Cloud (2021). https://www. Filme zu fliehen, sahen sich zu Beginn das, was auf sie zukam. Man sollte sich das rottentomatoes.com/m/the_ der Coronakrise viele Menschen vorstellen als eine Art emotionaler Impfung: pink_cloud Spielfilme über Seuchen und Katastro- Indem wir uns selbst der Sache aussetzen, die (accessed 17/03/21) phen an – etwa den 2011 ursprünglich wir fürchten, aber dies in einer abgesicherten Winslet, Kate: Kate Winslet nur mäßig erfolgreichen Hollywood- Art und Weise tun, bereiten wir uns auf die on how ›Contagion‹ predicted Film »Contagion«. a pandemic | The Graham echte Version vor. In Geschichten von schreck- Norton Show – BBC, February • Die Ursache für dieses Verhalten lichen Ereignissen ist immer auch ein gewisser 28, 2021. https://www.youtube. könnte darin liegen, dass das Anteil von Wirklichkeitsflucht, denn ungeach- com/watch?v=g0cnGI2w6ug& Anschauen von fiktiven Geschichten tet dessen, wie furchterregend die Handlung ist, ab_channel=BBC als eine Art emotionaler Impfstoff für (accessed 17/03/21) sie folgt immer noch der erzählerischen Logik, die Realität dient. Darüber hinaus die dem wahren Leben fehlt, wo Krankheiten folgen Spielfilme einer erzählerischen oft Zufall sind und die Ereignisse jeglichen Sinn Logik, die im Gegensatz zum echten vermissen lassen. Leben beruhigend wirkt. Die Versessenheit auf pandemische Erzäh- • Die Pandemie durchdringt unser Denken, lungen scheint sich kurze Zeit nach dem so dass alle Filme aus einem neuen anfänglichen Ausbruch gelegt zu haben zuguns- Blickwinkel interpretiert werden. ten einer anderen Herangehensweise an Filme. Während Alltagsszenen etwa von einer Als sich die Monate der Coronabeschränkun- geselligen Runde unter Umständen gen hinzogen, wurde die Pandemie zu einem schwer zu ertragen sind, können alles durchdringenden Teil unseres Lebens, dystopische Szenen plötzlich tröstlich dem wir nicht entkommen konnten, so sehr wirken. wir dies auch gewollt hätten. Für manche • Die Umdeutung kann so weit gehen, Menschen war es bereits kaum erträglich, Film- dass über manche Filme gesagt wird, charaktere zu sehen, die die Verhaltensweisen sie hätten Corona »vorhergesagt«. Das praktizierten, die wir vermeiden sollten (in die kann zwar das Seherlebnis bereichern, Hand husten, eng zusammenstehen, gemein- aber auch die ursprünglichen Bedeutun- sam aus demselben Glas trinken). Im Umkehr- gen, die im Film stecken, auslöschen, schluss wurden mit einem Mal Szenerien wie im Fall von »The Pink Cloud«. als tröstlich empfunden, die mit dystopischen • Die Folgen der Spanischen Grippe Erzählungen verbunden sind: verlassene Innen- vermitteln eine Vorstellung davon, städte oder Menschen mit Masken. Diese welchen kulturellen Fußabdruck unheimliche Umkehrung unserer gewohnten COVID-19 hinterlassen könnte. Nicht Referenzen, die vermeintlich friedliche Szenen nur in direkten oder metaphorischen spannend werden ließen und umgekehrt, ist Verweisen auf die Krankheit werden für den Beobachter erkennbar als eine Fehl Spuren zu finden sein, sondern auch in interpretation der Absicht des Films. Dabei ist dem Umstand, dass manche Dinge kaum zu übersehen, dass es dazu führen muss, nicht mehr vorkommen. dass sich der Zuschauer nicht in der fiktiven Geschichte zurechtfindet. 42 1.2021 | Forschung Frankfurt
Leben in der Pandemie Ein neuer Blick auf alte Filme nicht auf die frappierende Weise zu sprechen Aber die Projektion unserer täglichen Ängste kam, in der der Film unsere aktuelle Situation auf Filme, die nichts mit der Pandemie zu tun widerspiegelt. Besonders passend ist, dass der haben, muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Film etwas anspricht, das selten in anderen In manchen Fällen kann sich dadurch eine neue Geschichten über fiktive Katastrophen zu fin- Bedeutungsebene eröffnen, die die Erfahrungs- den ist: die absolute Langeweile und die Fähig- welten des Films erweitert. Die Diskussionen in keit des Menschen, sich auch an die bizarrsten Seminaren der Filmwissenschaften im vergan- Bedingungen anzupassen. Auch ohne die filmi- genen Jahr haben mir gezeigt, dass die Studie- sche Wucht anderer Schlüsselfilme zum Thema renden ständig in allen möglichen Filmgenres Pandemien (wie beispielsweise moderne Zom- unheimliche Parallelen zur Pandemie ent bie-Filme im Stil von »28 Days Later« oder decken, egal wie alt diese Filme waren. Als zum »Train to Busan«) lässt einen der Film »Die rosa Beispiel im Film »Jaws« (»Der weiße Hai«, Wolke« besonders betroffen zurück. Spielberg, 1975) der Bürger- meister einer Stadt am Meer es ablehnt, die lokale Touris- musindustrie zu beschädigen, um das Leben von Badegästen zu retten, haben viele der Stu- dierenden sich durch sein Ver- halten an die Aussagen einiger politisch Handelnder während der Coronakrise erinnert gefühlt. Während seine Weigerung, dem Rat von Experten zu folgen, die ihn vor der drohenden Gefahr eines Haiangriffs warnten, nach früher Lesart auf groteske Weise fehlgeleitet erschien, wirkt sie nun durchaus realistisch – und zugleich umso erschreckender. Foto: ullstein bild - United Archives / PictureLux / T Die Parallelen scheinen vom heutigen Standpunkt aus so offensichtlich, dass, wäre »Der weiße Hai« im Jahr 2021 produziert worden, er sehr wahrscheinlich als Allegorie der Coronakrise gedeutet wor- den wäre. Dieses Phänomen lässt sich auch durch einen aktuellen Kinofilm aus dem Jahr 2021 belegen. Iuli Gerbases Film »Die rosa Wolke« (»A Nuvem Rosa«) ist ein brasiliani- Bedeutungsgewinn und Bedeutungsverlust sches Science-Fiction-Drama, das von einer töd- Beiden Filmen – »Contagion« wie »Die rosa lichen Wolke erzählt, die sich auf rätselhafte Wolke« – wird bescheinigt, sie hätten Corona in Weise um die Welt legt und alle Menschen in einer Art und Weise vorhergesagt, die an Magie Kommt uns irgendwie bekannt einen Lockdown zwingt, der sich über viele grenzt. Was dabei außer Acht gelassen wird, ist vor: Der US-amerikanische Film »Contagion« aus dem Jahre hinzieht. Der Film konzentriert sich auf die Tatsache, dass diese Filme – wie alle Kunst- Jahr 2011 scheint in vielen ein Paar, das gerade einen One-Night-Stand hatte werke – sich aus Themen und Ereignissen ablei- Aspekten die Corona-Pandemie und sich nun dazu verdammt fühlt, eine häusli- ten aus der Zeit, in der sie entstanden sind. Und vorausgesagt zu haben, che Beziehung zu führen, um mit den strengen so, wie unser Erleben dieser Filme von unserer zum Beispiel erzählt er von geplünderten Supermarkt Beschränkungen leben zu können. Obwohl im aktuellen Situation geprägt ist, geht die Bedeu- regalen. 2020 erlebte der Jahr 2017 geschrieben und abgedreht im Jahr tung, die dem Werk bei seinem Entstehen inne- ursprünglich mäßig erfolgeiche 2019, fühlten sich die Macher bei der Veröffent- wohnte, mit der Zeit verloren. Im Fall von Film eine beeindruckende lichung 2021 verpflichtet, sowohl im Trailer als »Contagion« waren nicht nur frühere Epide- Renaissance. auch im Vorspann eine Erklärung abzugeben, mien wie SARS und H1N1 Quellen der Inspira- die besagt, dass »jegliche Ähnlichkeiten mit tion; der Film basierte vor allem auf Recherchen aktuellen Ereignissen rein zufällig« seien. Aber von Wissenschaftlern, die sorgfältig skizzieren natürlich gab es keine einzige Rezension, die wollten, was im Fall einer Pandemie passieren Forschung Frankfurt | 1.2021 43
Leben in der Pandemie Foto: picture alliance/PictureLux/The Hollywood Archive | The Legacy Collection Revolte der Natur handelt oder sogar, dass es eine Metapher für die städtische Gewalt ist und dafür, wie wir alle enden werden, nämlich ein- geschlossen in unseren Häusern. Als die Pande- mie kam, war das Erste, was ich dachte: »Mein Gott, die Leute werden den Film sehen und sagen: ›die Covid-Wolke‹« (aus einem Interview mit Gerbase vom 9. März 2021). Tatsächlich übernehmen nur eine Handvoll Rezensenten die allegorische Lesart der Wolke als eine Verkörperung der traditionellen Weib- lichkeit, die wahrscheinlich die vorherrschende gewesen wäre, wenn der Film ein Jahr früher in die Kinos gekommen wäre. Die weibliche Hauptperson in »Die rosa Wolke«, zu Beginn eine leidenschaftlich unabhängige Frau, die könnte. Die Tatsache, dass das Virus im Film sich keine Kinder will, wird durch die Umstände in Alte Filme neu gesehen: von China aus ausbreitet und ursprünglich von eine monogame heterosexuelle Beziehung und Bürgermeister Vaughn einer Fledermaus übertragen wurde, ist nicht zur Mutterschaft gezwungen. Durch den Gebrauch (links, Murray Hamilton) in irrsinnig prophetisch, sondern fußt auf wissen- von Filtern durchdringt das trügerisch schöne »Jaws« lehnt es ab, den Tourismus zu beschränken, schaftlichen Kenntnissen über Risikogebiete, Licht der Wolke jede Szene und taucht den Film um Badegäste zu schützen. die man zur Entstehungszeit des Films im in eine rosafarbene Ironie. Aus heutiger Sicht ein zwar Bewusstsein hatte. Gerbase kann dem Timing des Kinostarts fehlgeleitetes, aber nicht Wegen seiner Veröffentlichung während der aber auch etwas Positives abgewinnen: Sie weist unrealistisches Verhalten. COVID-19-Pandemie war die mediale Debatte darauf hin, dass die Zuschauer die Figuren auf um den Film »The Pink Cloud« sogar noch mys- eine viel tiefergehende Art wahrnehmen, als tischer. In Rezensionen wurde Drehbuchautorin sie es hatte erwarten können. Die zusätzliche und Regisseurin Iuli Gerbase wiederholt als Aufmerksamkeit, die das Zusammentreffen von »Prophetin« und »Hellseherin« bezeichnet. Auf Film und Pandemie mit sich brachte, hat dem der Rezensions-Website »Rotten Tomatoes« heißt Film wahrscheinlich auch dabei geholfen, beim es in einer Zusammenfassung: »›Die rosa Wolke‹, renommierten Sundance Film Festival aufge- ein überaus relevantes Debüt von Autorin und nommen zu werden, wo er seine Premiere feiern Regisseurin Iuli Gerbase, greift in die emotio- konnte. Andererseits, so bemerkt Gerbase, lasse nalen Bruchlinien des Pandemielebens ein und die Aktualität von »Die rosa Wolke« Filmver- liefert bemerkenswerte Beobachtungen über treiber unter Umständen vorsichtig werden, menschliches Verhalten.« Hier wird von »Pan- den Film für den Vertrieb zu kaufen, da sie demie« gesprochen, nicht von »Quarantäne«, befürchten, dass sich die Menschen nach einem was eigentlich zutreffender wäre. Die giftige Jahr der Zurückgezogenheit mehr eskapistische Wolke im Film hat wenig gemein mit dem Kost wünschen. Coronavirus – abgesehen von der Tatsache, dass es sich um ein weltweites Phänomen handelt, Spanische Grippe als Blaupause das die Menschen zwingt, zu Hause zu bleiben. Für diese Vorsicht der Vertriebsfirmen gibt es gute Gründe, denn es ist schwer vorherzusagen, »Die rosa Wolke« – Pandemie schlägt Feminismus wohin es die Zuschauer in Zukunft ziehen wird. Als Iuli Gerbase gefragt wurde, wie sie die Aus- Die Erfahrung der Grippepandemie von 1918/ wirkungen dieses zufälligen Zusammentreffens 1919 könnte uns eine Vorstellung davon ver- von Film und Pandemie einschätzt, sagte sie, sie mitteln, wie sich COVID-19 darauf auswirken habe sofort befürchtet, dass dies die möglichen könnte, welche Filme künftig realisiert werden. Lesarten des Films einschränken würde: Die sogenannte Spanische Grippe, vom Histori- »Als ich das Drehbuch geschrieben habe, ker Albert Crosby 2003 als die »vergessene konnte ich mir viele mögliche Bedeutungen der Pandemie« tituliert, hat in den darauffolgenden rosa Wolke vorstellen. Die offensichtlichsten Jahrzehnten angeblich einen geringen Fußab- und vordringlichsten sind die Unterdrückung druck in Kunst und Unterhaltung hinterlassen. der Frau und die erzwungene Monogamie. Die Jüngere Forschungsarbeiten haben dieses Nar- Protagonistin wird in ein weibliches Rollenmo- rativ jedoch revidiert und darauf hingewiesen, dell gepresst, und die Gesellschaft erwartet, dass dass die Auswirkungen dieser tödlichen Pande- sie dem gerecht wird. Hier kommt auch die rosa mie sich in einer großen Bandbreite von kultu- Farbe der Wolke ins Spiel. Aber es gab auch rellen Werken beobachten ließen, allerdings viele andere mögliche Interpretationen, zum auf eine indirekte oder metaphorische Weise Beispiel, dass es sich um eine Art Strafe oder (Outka, 2020). 44 1.2021 | Forschung Frankfurt
Leben in der Pandemie Wenn wir erst einmal wissen, wonach wir suchen sollen, können wir die Spuren der Pan- demie tatsächlich in vielen Erscheinungsformen finden – im grippegeschwächten Herzen von Mrs. Dalloway in Virginia Woolfs gleichnamiger Novelle (1925), aber auch in der Plage, die der Vampir im deutschen Stummfilmklassiker »Nosferatu« (Murnau, 1922) übers Land ver- breitete. Das kulturelle Erbe von COVID-19 wird wahrscheinlich ähnlich aussehen, und es wird nicht nur in direkten oder metaphorischen Bezugnahmen auf die Pandemie zu finden sein, sondern auch in der auffälligen Abwesenheit von Menschenmengen und geteilten Trinkhal- men. Sicher sein können wir nur in der einen Sache: dass die Bedeutung, die wir Filmen zuschreiben, von den Umständen abhängig ist, unter denen wir sie anschauen, und dass diese Bedeutung sich somit im Lauf der Zeit ändert. Wir werden es künftigen Filmwissenschaftlern und Historikern überlassen müssen, die langfris- tigen filmischen Effekte der Pandemie zu analy- sieren und neu einzuschätzen. Die Autorin Isadora Campregher Paivak, 28, lehrt und forscht am Institut für Filmwissenschaft an der Goethe-Universität. Sie hat einen Master studiengang in Soziologie an der Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS) in Brasilien absolviert. Im Anschluss studierte sie im Studiengang »International Master in Audiovisual and Cinema Studies« (IMACS) an der Goethe-Universität, verbunden mit Aus- tauschsemestern an der Universität Lüttich (Belgien) und der Universität Amsterdam (Niederlande). Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt »Digital Cinema-Hub«, das sich der Entwicklung und Anwendung digitaler Methoden für die Erforschung des Films widmet. In ihrer eigenen Forschung beschäftigt sie sich mit den Veränderungen der amerikanischen Filmindustrie im Zeitalter des Streamings. – ANZEIGE – CampregherPaiva@tfm.uni-frankfurt.de Forschung Frankfurt | 1.2021 45
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