Anwendbarkeit der WTO-Abkommen auf direkte und indirekte Steuern
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SWIHeft_03-2009.fm Seite 142 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Applicability of WTO Treaties to Direct and Indirect Taxation Thomas Ecker / Franz Koppensteiner*) Anwendbarkeit der WTO-Abkommen auf direkte und indirekte Steuern APPLICABILITY OF WTO TREATIES TO DIRECT AND INDIRECT TAXATION Thomas Ecker and Franz Koppensteiner discuss the applicability of the most important WTO treaties to direct and indirect taxation. They analyze the impact of the GATT treaty, the GATS treaty, the TRIPS treaty, and the SCM treaty on these two fields of law. A special focus is put on the most- favoured-nation and national treatment provisions in the different treaties. I. Allgemeines Die WTO ist eine globale internationale Organisation, die sich mit zwischenstaatlichen Handelsregelungen beschäftigt. Ihre Hauptziele sind gemäß der Präambel die Erhöhung des Lebensstandards, die Sicherung der Vollbeschäftigung, die Steigerung des Realein- kommens, die Ausweitung der Produktion und des Handels mit Waren und Dienstleistun- gen.1) Ihren Kern bilden die WTO-Abkommen: Wir werden uns im Folgenden vor allem auf die GATT-2), GATS-3), TRIPS-4) und SCM5)-Verträge konzentrieren und deren Anwend- barkeit auf direkte und indirekte Steuern näher beleuchten.6) II. GATT-Vertrag 1. Direkte Steuern Die zwei wichtigsten Regelungen des GATT-Vertrags sind das Prinzip der Meistbegüns- tigung (MFN), geregelt in Art. I GATT, und das Prinzip der Inländer(gleich)behandlung (NT), geregelt in Art. III GATT. Die Meistbegünstigungsverpflichtung zielt darauf ab, dass alle WTO-Mitglieder alle anderen Mitglieder gleich behandeln. Es darf somit zu keiner Dis- kriminierung zwischen Waren unterschiedlicher Herkunft kommen. Im Gegensatz dazu dürfen aufgrund des Inländer(gleich)behandlungsprinzips inländische Produkte keine be- vorzugte Behandlung gegenüber ausländischen Produkten erfahren.7) An sich fallen so- wohl direkte als auch indirekte Steuern unter den GATT-Vertrag. Während dies bei indi- rekten Steuern unbestritten ist, gehen die Ansichten über die Anwendbarkeit auf direkte Steuern auseinander. Nach älterer Rechtsansicht wurde die Subsumierung direkter Steu- *) MMag. Thomas Ecker und MMag. Franz Koppensteiner, LL.M., sind Assistenten am Institut für Öster- reichisches und Internationales Steuerrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. 1 ) Vgl. Präambel zum Marrakesh Agreement Establishing the World Trade Organization (WTO Treaty). 2 ) The General Agreement on Tariffs and Trade (GATT 1947). 3 ) General Agreement on Trade in Services. 4) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights. 5 ) Agreement on Subsidies and Countervailing Measures. 6 ) Das WTO-Recht kennt zwar keine allgemeine eigenständige Steuerdefinition. Man wird aber davon ausgehen können, dass die in der Fußnote 58 des SCM-Vertrags zu findende Unterscheidung zwi- schen direkten Steuern („Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet der Begriff ‚direkte Steuern‘ die Steuern auf Löhne, Gewinne, Zinsen Mieten, Lizenzgebühren und alle anderen Einkommensformen sowie die Steuern auf Grundbesitz.“), Einfuhrabgaben („ ... bedeutet der Begriff ‚Einfuhrabgaben‘ die Zölle sowie die sonstigen, in dieser Anmerkung nicht anderweit angeführten Abgaben, die bei der Ein- fuhr erhoben werden“) und indirekten Steuern („ ... bedeutet der Begriff ‚indirekte Steuern‘ die Ver- kaufssteuern, Verbrauchssteuern, Umsatzsteuern, Mehrwertsteuern, Konzessionssteuern, Transfer- steuern, Stempel-, Inventar- und Ausrüstungsabgaben, Grenzabgaben und alle Steuern, die nicht zu den direkten Steuern und Einfuhrabgaben zählen“) auch auf andere Normbereiche des WTO-Rechts übertragbar sind. Siehe dazu näher Schön, WTO und Steuerrecht, RIW 2004, 53; zur Definition von direkten Steuern siehe zudem Art. XXVIII lit. o GATS. 7 ) Siehe dazu näher Berrisch, Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, in Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch (2003) 76 ff. 142 SWI 2009
SWIHeft_03-2009.fm Seite 143 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Anwendbarkeit der WTO-Abkommen auf direkte und indirekte Steuern ern unter Art. I oder Art. III GATT mit der Begründung abgelehnt, diese Bestimmungen bezögen sich nur auf „produktbezogene“ Steuern.8) Die historische Interpretation des GATT-Vertrags geht in eine ähnliche Richtung, weil sie zum Schluss führt, dass die An- wendbarkeit des Art. I Abs. 1 GATT auf indirekte Steuern beschränkt ist.9) In der Tat waren im Jahr 1947 wohl ursprünglich nur Zölle und andere indirekte Steuern vom Geltungsbe- reich des GATT erfasst. Die jüngere Literatur10) geht hingegen davon aus, dass direkte Steuern genauso unter GATT-Bestimmungen fallen, und stützt sich auf Art. III Abs. 2 GATT, der besagt, dass innere Abgaben und sonstige Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren nicht in einer Weise anzuwenden sind, die der Inländerbehandlung widerspricht. Unter „inneren Abgaben“ müssten auch die direkten Steuern fallen. Zudem können auch di- rekte Steuern den Preis einer Ware beeinflussen und damit eine produktbezogene Wir- kung haben.11) Weiters ist zweifelhaft, inwiefern den Verhandlern des GATT überhaupt bewusst war, dass direkte Steuern Auswirkungen auf den Warenfluss haben könnten, was im Endeffekt gegen eine starke Berücksichtigung einer historischen Interpretation spricht.12) Auch geht die jüngere „Welthandelsgerichtsrechtsprechung“ davon aus, dass die Einkommensteuer von Art. III (und damit auch indirekt von Art. I) gedeckt ist. Rein exemplarisch sei hier auf die Entscheidung vom 20. 8. 2001 verwiesen.13) Darin kommt das Panel zum Schluss, dass die Regel der „foreign content limitation“ eine Verletzung des Art. III Abs. 4 GATT darstellt. Nach dieser Regel kommen vorteilhaftere US-Direkt- steuerregeln nur zur Anwendung, wenn ein gewisser Anteil der Produktteile oder Arbei- ten in den Vereinigten Staaten durchgeführt werden. Im Endeffekt würden dadurch im- portierte Güter schlechter als inländische Güter gestellt werden. Obwohl die Vereinigten Staaten gegen die Panelentscheidung Berufung einlegten, bestätigte der WTO Appel- late Body in einem neuerlichen Report14) die vom Panel vertretenen Rechtsansichten. GATT-widrige Direktsteuernormen sind somit durchaus denkbar. Sie ergeben sich meis- tens aus vorteilhafteren steuerlichen Abschreibungen, zusätzlichen Betriebsausgaben- abzügen und Steuergutschriften, die nur i. Z. m. inländischen Produkten gewährt wer- den.15) Die GATT-Regeln sind daher sowohl auf direkte als auch auf indirekte Steuern anwendbar; allerdings nur insoweit, als sie das Angebot, den Kauf, den Transport, den Verkauf oder den Gebrauch von Produkten beeinflussen.16) Steuerbestimmungen müssen importierte Produkte gleich behandeln – egal, woher sie kommen – und dürfen diese nicht schlechter als nationale Produkte stellen. Da es im GATT-Vertrag keine „carve-out clause“ für Dop- pelbesteuerungsabkommen (DBA) gibt, müssen auch diese dessen Anforderungen ge- recht werden. Anders formuliert können unterschiedliche Bestimmungen in den DBA eines Staates oder überhaupt das Fehlen von DBA eine Diskriminierung des freien Wa- 8 ) Siehe dazu näher van Thiel, General Report, in Lang/Herdin/Hofbauer (Hrsg.), WTO and Direct Taxation (2005) 19; vgl. auch WT/DS155/R 19. 12. 2000, Argentina – Measures Affecting the Export of Bovine Hides and the Import of Finished Leather, Report of the Panel. 9 ) Hofbauer, Die Anwendbarkeit des Art. I GATT auf direkte Steuern, ecolex 2005, 467. 10 ) Slemrod/Avi-Yonah, (How) Should trade agreements deal with income tax issues? Tax Law Review 2002, 536; vgl. auch van Thiel in Lang/Herdin/Hofbauer, WTO and Direct Taxation, 19, sowie zahlreiche in die- sem Buch erschienene National Reports; vgl. auch Hofbauer, ecolex 2005, 467 ff. 11 ) Hofbauer, ecolex 2005, 467. 12) Vgl. Hofbauer, ecolex 2005, 467. 13 ) WT/DS108/RW 20 8. 2001, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“ – Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, Report of the Panel, para. 8.142: „Thus, nothing in the plain language of the provision specifically excludes requirements conditioning access to income tax measures from the scope of application of Article III, which deals with ‚national treatment on internal taxation and regulation‘.“ 14) WT/DS108/AB/RW 14. 1. 2002, United States – Tax Treatment for Foreign Sales Corporations. 15 ) Falis, The Applicability of Art. I and Art. III GATT to Direct Taxes, in Lang (Hrsg.) The Relevance of WTO Law for Tax Matters (2006) 48. 16) Vgl. van Thiel in Lang/Herdin/Hofbauer, WTO and Direct Taxation, 20. SWI 2009 143
SWIHeft_03-2009.fm Seite 144 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Applicability of WTO Treaties to Direct and Indirect Taxation renverkehrs und damit einhergehend eine Verletzung des GATT-Vertrags bedeuten.17) Dies könnte auch für potenzielle DBA im Bereich der indirekten Steuern gelten.18) 2. Indirekte Steuern Für indirekte Steuern bedeutet die Anwendbarkeit der GATT-Regeln z. B. ein Verbot höherer Mehrwertsteuersätze auf Importprodukte aus einem Staat gegenüber nationalen Pro- dukten oder Importprodukten aus anderen Staaten.19) Auch wäre denkbar, dass unterschiedliche Vorsteuerabzugsregeln i. Z. m. Importprodukten oder Vorsteuerrück- erstattungsverfahren20) GATT-widrig sind. Gleiches gilt für Umsatzsteuerbefreiungen. Hierzu gibt es bereits eine intensive WTO-Rechtsprechung. Ein sehr anschauliches Beispiel bietet dafür der Fall Japan – Taxes on Alcoholic Beverages.21) Der Appellate Body stellte bei dieser Gelegenheit die Gleichartigkeit zwischen dem japanischen Getränk Shochu mit Wodka fest. Daraus ergibt sich, dass die erhöhte Besteuerung gleichartiger ausländischer Spirituosen (in diesem Fall Wodka) dem 1. Halbsatz von Art. III Abs. 2 GATT widerspricht. Die Bestimmung besagt, dass Produkte aus dem Ausland nicht einer höheren Besteuerung als gleichartige Produkte aus dem Inland unterworfen werden dürfen. Umgekehrt ist es auch nicht gestattet, mittels scheinbar objektiv differenzierender Kriterien eine offensichtlich dis- kriminierende Besteuerung zu legitimieren. Dies geschah so in einem anderen bekannten WTO-Fall zu den indirekten Steuern.22) In concreto wurde der chilenischen Alkoholbesteu- erung, die sich am Alkoholgehalt orientierte, eine protektionistische Wirkung unterstellt. Der Knackpunkt dabei war, dass der in Chile produzierte Pisco mit einem Alkoholgehalt von 35 % der untersten Steuerklasse angehörte, während die importierten Produkte, deren Al- koholgehalt meistens über 39 % betrug, in einer vielfach höheren Steuerklasse lagen. Der Appellate Body ortete in dieser speziellen Steuerregelung eine Verletzung des Art. III Abs. 2 GATT. Zwar sei der Gesetzgeber absolut frei, ein eigenständiges Steuersystem basierend auf nationalen budgetären Erwägungen zu entwerfen, doch ist im Fall einer außerordent- lichen Belastung ausländischer Produkte der Staat verpflichtet, die dahinterstehenden nicht handelspolitischen Zielsetzungen23) hinlänglich zu begründen.24) Chile gelang dies nicht. An dieser Stelle sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass gemäß Art. XX GATT in ganz seltenen Situationen eine Diskriminierung gerechtfertigt ist. Als Rechtfertigungs- gründe kommen etwa der Schutz der Volksgesundheit oder die Bewahrung nicht erneu- erbarer Umweltressourcen infrage. Innerhalb des EU-Gemeinschaftsgebiets ist eine Besserstellung im Bereich der indirekten Steuern von Produkten aus einem anderen Mitgliedsstaat höchstwahrscheinlich aufgrund des Art. XXIV Abs. 5 GATT gerechtfertigt. Dieser bestimmt, dass „ … die Bestimmungen des (…) Abkommens der Bildung einer Zollunion oder Errichtung einer Freihandelszone zwi- schen den Gebieten der Vertragspartner oder dem Abschluss einer vorläufigen, für die Bil- dung einer Zollunion oder einer Freihandelszone notwendigen Vereinbarung nicht entgegen [steht] …“. Die Harmonisierung durch die MwSt-Richtlinien führt zu einer höheren Integration innerhalb des Gemeinsamen Marktes und ist daher wohl von dieser Ausnahme erfasst. 17) Siehe dazu näher Hofbauer, ecolex 2005, 467 ff. 18 ) Siehe zur Idee der Ausweitung von DBA auf indirekte Steuern Gurría, Generalsekretär der OECD, Anspra- che bei der Conference on the 50th Anniversary of the OECD Model Tax Convention, Paris 8. September 2008 (http://www.oecd.org/document/4/0,3343,en_2649_37427_41269572_1_1_1_1,00.html). 19 ) Schön, RIW 2004, 50. 20 ) Vgl. z. B. EuGH 7. 6. 2007, Rs. C-335/05, Rizeni Letoveho Provozu CR s.p., Slg. 2007, I-4307. 21) WT/DS11/AB/R 4. 10. 1996, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages – AB-1996-2, Report of the Appellate Body. 22 ) WT/DS87/AB/R 12. 12. 1999, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages – AB-1999-6, Report of the Appellate Body. 23 ) Vgl. Schön, RIW 2004, 57. 24 ) WT/DS87/AB/R 12. 12. 1999, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages – AB-1999-6, Report of the Appellate Body. 144 SWI 2009
SWIHeft_03-2009.fm Seite 145 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Anwendbarkeit der WTO-Abkommen auf direkte und indirekte Steuern III. GATS-Vertrag 1. Direkte Steuern Gemäß Art. I GATS ist der GATS-Vertrag anzuwenden auf „Maßnahmen der Mitglieder, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen“. Genauso wie im GATT-Vertrag ist auch im GATS-Vertrag das Prinzip der Meistbegünstigung (Art. II GATS) zu finden. Auch eine Inländer(gleich)behandlung ist in Art. XVII GATS vorgesehen. Beide Prinzipien sind nicht auf alle Dienstleistungssektoren anwendbar. Für das MFN-Prinzip gibt es eine Liste mit spezifischen Ausnahmen für jedes Land.25) Im Rahmen der Inländer(gleich)behand- lung haben die Mitgliedstaaten die Freiheit, sich für einzelne Dienstleistungen in dem sog. „schedule of commitments“ selbst zu verpflichten. Viele WTO-Mitgliedstaaten, wie z. B. die USA, haben zudem eine Ausnahme für Maßnahmen im Bereich der direkten Steuern in ihrem „schedule of commitments“ fixiert. Direkte Steuern sind großteils durch Art. XIV GATS vom GATS-Vertrag ausgeblendet. Un- ter Durchbrechung des Prinzips der Inländerbehandlung sind steuerliche Nachteile für ausländische Dienstleistungsanbieter insoweit zulässig, als sie der gerechten und wirk- samen Durchsetzung von direkten Steuern dienen.26) Steuerliche Differenzierungen zwi- schen Anbietern aus verschiedenen anderen Vertragsstaaten sind entgegen dem Meist- begünstigungsgrundsatz zulässig, soweit sie auf DBA beruhen.27) Interessant ist auch zu bemerken, dass gemäß Art. XXII Abs. 3 GATS ein WTO-Mitglied sich „weder nach diesem Artikel noch nach Artikel XXIII auf Artikel XVII [NT-Prinzip] be- züglich einer Maßnahme eines anderen Mitglieds berufen [kann], die in den Geltungsbe- reich eines zwischen ihnen geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbe- steuerung fällt“.28) Mit anderen Worten: Inländer(gleich)behandlungsstreitigkeiten nach dem GATS-Vertrag, die unter den Anwendungsbereich eines solchen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung fallen, unterliegen nicht der „Welthandelsgerichts- barkeit“. Das sollte wiederum unabhängig davon gelten, ob das Abkommen direkte oder indirekte Steuern behandelt. 2. Indirekte Steuern Indirekte Steuern bleiben, wenn sie nicht explizit durch den Vertragsstaat ausgenommen sind, dem MFN-Prinzip des GATS-Vertrags unterworfen. Dem NT-Prinzip unterliegen sie nur, wenn sie Dienstleistungen betreffen, die ein Vertragsstaat in sein „schedule of commit- ments“ aufgenommen hat.29) Die Ausnahme in Art. XIV lit. d GATS betrifft ausdrücklich nur direkte Steuern. Potenzielle Umsatzsteuer-DBA würden aber wohl auch unter die „carve- out clause“ des Art. XIV lit. e GATS30) fallen. Insofern wäre das MFN-Prinzip des GATS-Ver- trags auf Umsatzsteuer-DBA nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus der Nichteinschränkung des Terminus „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ auf direkte Steuern. Ähnlich dem GATT-Vertrag gilt auch beim GATS-Vertrag eine Ausnahmebestimmung für Übereinkommen, „die den Handel mit Dienstleistungen zwischen oder unter den Vertrags- parteien der Übereinkunft liberalisier[en]“.31) Innerhalb des Gemeinsamen Europäischen 25) Vgl. Art. II Abs. 2 GATS. 26 ) Vgl. Art XIV lit. d GATS. 27 ) Vgl. Art XIV lit. e GATS; Schön, RIW 2004, 51. 28) Art. XXII Abs. 3 GATS besagt jedoch weiters: „ … Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern darüber, ob eine Maßnahme in den Geltungsbereich eines derartigen zwischen ihnen geschlossenen Abkommens fällt, steht es jedem der Mitglieder frei, die Angelegenheit vor den Rat für den Handel mit Dienstleistungen zu bringen … “ 29 ) Die EG hat sich z. B. im Bereich der Telekommunikations- (12b: Viertes Protokoll zum allgemeinen Über- einkommen über den Handel mit Dienstleistungen vom 5. April 1997) und Finanzdienstleistungen (12c: Fünftes Protokoll zum allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen vom 27. Feb- ruar 1998) verpflichtet. 30 ) Siehe Punkt III.1. und FN 27. 31) Art. V Abs. 1 GATS. SWI 2009 145
SWIHeft_03-2009.fm Seite 146 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Applicability of WTO Treaties to Direct and Indirect Taxation Marktes führt die Harmonisierung durch die MwSt-Richtlinien zu einer Liberalisierung, und damit ist der Bereich der Umsatzsteuer wahrscheinlich von dieser Ausnahme erfasst. So könnten z. B. Schlechterbehandlungen von Drittstaaten gegenüber EU-Mitgliedstaa- ten aus dem Anwendungsbereich der MFN-Klausel nach dem GATS-Vertrag heraus- gehalten werden. Fraglich ist, ob dies auch für die NT-Klausel gilt (mit der Begründung, dass eine etwaige Schlechterbehandlung den MwSt-Richtlinien entspringe, die als Über- einkommen i. S. d. Art. V GATS gesehen werden können). IV. TRIPS-Vertrag Die Hauptziele des TRIPS-Vertrags sind der Schutz geistigen Eigentums, die Förderung der technischen Innovation sowie die Weitergabe und Verbreitung technischen Wis- sens.32) Die „Schutzanliegen individual- und persönlichkeitsrechtlicher Art“33) werden vom TRIPS-Vertrag nicht abgedeckt. Er beschränkt sich damit vorwiegend auf wirtschaft- liche Rechte des geistigen Eigentums. Genau wie zuvor im GATT- und GATS-Vertrag sind auch im TRIPS-Abkommen das NT-34) und das MFN-Prinzip35) verankert. Durch die Re- gelung materieller Schutzstandards und die Überlagerung von bestehendem Konven- tionsrecht gilt der TRIPS-Vertrag als äußerst umfangreich und komplex. Die Relevanz dieses Abkommens für den Bereich der indirekten und direkten Steuern scheint eher ge- ring zu sein. Dies zeigt sich zum einen daran, dass im gesamten Vertragstext kein einziges Mal auf Steuern verwiesen wird, zum anderen an der gering ausgeprägten WTO-Steuer- rechtsprechung, die Bezug auf den TRIPS-Vertrag nimmt.36) V. SCM-Vertrag Der SCM-Vertrag definiert den Begriff „Subventionen“ und reguliert, wann diese erlaubt sind und wann nicht. Gemäß Art. 1 SCM-Vertrag liegt eine Subvention vor, wenn eine Regierung oder öffentliche Körperschaft eine finanzielle Beihilfe leistet, die einen nach Art. 2 SCM-Vertrag definierten spezifischen Vorteil bewirkt.37) Weiters kann prinzipiell zwischen verbotenen38), anfechtbaren39) und nicht anfechtbaren40) Subventionen diffe- renziert werden. Zu den verbotenen Subventionen gehören Exportbeihilfen41) und ge- mäß Art. 3.1 lit. b SCM-Vertrag „Subventionen, die entweder für sich allein oder als eine von mehreren anderen Bedingungen davon abhängig sind, dass einheimische Waren Vorrang vor eingeführten Waren erhalten“. Anfechtbare Subventionen sind alle anderen spezifischen Subventionen. Sie sind insbesondere dann anfechtbar, wenn sie eine nachteilige Auswirkung auf den internationalen Handel haben. Nicht anfechtbare Sub- ventionen sind schließlich nicht spezifische Beihilfen, die erlaubt sind, weil sie aner- kannten Zwecken (z. B. Beihilfen für Forschungstätigkeiten, Subventionen für benach- teiligte Regionen etc.) dienen. Sowohl direkte als auch indirekte Steuern fallen unter den Anwendungsbereich des SCM- Vertrags.42) Zwar können Steuern keine Subvention im Sinn eines direkten Transfers von 32) Vgl. Art. 7 TRIPS-Vertrag. 33 ) Stoll/Raible, Schutz geistigen Eigentums und das TRIPS-Abkommen, in Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO- Handbuch, 569 ff. 34) Vgl. Art. 3 TRIPS-Vertrag. 35 ) Vgl. Art. 4 TRIPS-Vertrag. 36 ) In dieser Hinsicht ist uns kein Fall bekannt. 37) Sørensen, Direct Taxation and the WTO Agreements, European Taxation 2002, 206. 38 ) Vgl. Teil II SCM-Vertrag. 39 ) Vgl. Teil III SCM-Vertrag. 40) Vgl. Teil IV SCM-Vertrag. 41 ) Vgl. Art. 3.1 lit. a SCM-Vertrag. 42 ) Daly, Some Tax Issues for the World Trade Organization, Canadian Tax Journal 2000, 1059: „The [Agree- ment on Subsidies and Countervailing Measures] encompasses direct as well as indirect tax measures.” 146 SWI 2009
SWIHeft_03-2009.fm Seite 147 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Anwendbarkeit der WTO-Abkommen auf direkte und indirekte Steuern Geldern (wie z. B. staatliche Zuschüsse, Kredite, Kapitalzufuhren, Kreditbürgschaften etc.) verursachen, doch ist gemäß Art. 1.1 lit. a Abs. 1 UAbs. ii SCM-Vertrag im Verzicht oder der Nichteinhebung einer Abgabe genauso auch eine (Steuer-)Beihilfe zu sehen. Die Steuerbeihilfe ist demzufolge eine spezielle Art der Subvention. Insofern muss ausgehend von einem hypothetischen Regelbesteuerungsmodel untersucht werden, inwieweit eine Abkehr von der Regelbesteuerung in Form eines Abgabenverzichts tatsächlich eine Be- günstigung darstellt. Die Hauptproblematik ergibt sich aus der Interpretation einer „nor- malerweise zu entrichtende[n] Abgabe“43). „Man muss (…) die konkrete Steuernorm in den Blick nehmen und vor dem Hintergrund des vom einzelstaatlichen Gesetzgeber ge- wählten Gesamtaufbaus der Steuerrechtsordnung prüfen, welche steuerliche Behand- lung die Alternative zu der angegriffenen Norm bilden würde.“44) Annex I des SCM-Vertrags führt eine Reihe von Beispielen von Ausfuhrsubventionen im Bereich der direkten45) und indirekten Besteuerung46) auf. Hierzu ist festzustellen, dass gemäß Art. XVI GATT die Befreiung einer ausgeführten Ware von (indirekten) Steuern, die gleich hoch ist wie die (indirekten) Steuern, die ein inländischer Verbraucher für die gleiche Ware im Inland zahlen würde, nicht als Subvention gilt. Das entspricht auch der internationalen Praxis in der Umsatzsteuer, nach der regelmäßig Exporte von der Umsatz- steuer befreit sind, Importe dafür aber besteuert werden. Grenzüberschreitende Transak- tionen werden somit generell nur einmal besteuert, und zwar mit dem Steuersatz des Im- portlandes. Eine echte Umsatzsteuerbefreiung i. Z. m. einer Ausfuhrlieferung sind damit WTO-rechtskonform. Das gilt sogar für den Fall, dass das Importland keine Einfuhrum- satzsteuer erhebt (siehe z. B. USA). Weiters ist im SCM-Vertrag, ähnlich wie im GATT-Vertrag, keine dezidierte „Carve-out“- Bestimmung zu finden. Fußnote 59 zu Annex 1 lit. e des SCM-Vertrags statuiert lediglich, dass sich im Fall von grenzüberschreitenden Transfer-Pricing-Streitigkeiten die WTO-Mit- glieder bemühen sollten, die Möglichkeiten bestehender DBA oder „anderer spezifischer internationaler Mechanismen“ in Anspruch zu nehmen. In derselben Fußnote wird auch spezifiziert, dass die in Annex 1 lit. e des SCM-Vertrags vorgesehenen Ausfuhrsubventi- onen im Bereich der direkten Besteuerung nicht darauf abzielen, WTO-Mitglieder an der Gestaltung von Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (also auch DBA) zu hindern. Unseres Erachtens würde es aber zu weit gehen, daraus herauszulesen, dass DBA im Bereich der direkten Besteuerung niemals unter den SCM-Vertrag fallen. Poten- zielle DBA im Bereich der indirekten Besteuerung fallen aufgrund des Verweises auf di- rekte Steuern in Annex 1 lit. e des SCM-Vertrags zweifellos nicht darunter. 43 ) Vgl. Art. 1.1 lit. a Abs. 1 UAbs. ii SCM-Vertrag. 44 ) Schön, RIW 2004, 59. 45 ) Annex 1 des SCM-Vertrags lit e, f: „e.) vollständige oder teilweise Freistellung und vollständiger oder teilweiser Erlass oder Stundung von direkten Steuern oder Sozialabgaben, die von gewerblichen Unternehmen gezahlt werden oder zu zahlen sind, soweit die Freistellung, der Erlass oder die Stundung spezifisch ausfuhrbezogen sind; f.) besondere Freibeträge in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr oder der Ausfuhrleistung bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für direkte Steuern, soweit diese Freibeträge zusätzlich zu den Freibeträgen für die für den inländischen Verbrauch bestimmte Produktion gewährt werden“. 46 ) Annex 1 des SCM-Vertrags lit g, h: „g.) Freistellung oder Erlass von indirekten Steuern auf der Produktion und den Vertrieb von Waren für die Ausfuhr in einem Umfang, der über das hinausgeht, was an indirekten Steuern auf die Produktion und den Vertrieb gleichartiger, für den inländischen Verbrauch bestimmter Waren erhoben wird; h.) Freistellung, Erlass oder Stundung von kumulativen indirekten, auf einer Vorstufe erhobenen Steuern auf den bei der Produktion von Waren für die Ausfuhr verwendeten Waren oder Dienst- leistungen, wenn sie über Freistellung, Erlass oder Stundung von gleichartigen kumulativen indirekten, auf einer Vorstufe erhobenen Steuern auf den bei der Produktion gleichartiger, für den inländischen Verbrauch bestimmter Waren verwendeten Waren oder Dienstleistungen hinausgehen; jedoch kann Freistellung, Erlass oder Stundung von kumulativen indirekten, auf einer Vorstufe erhobenen Steuern für Waren für die Ausfuhr selbst dann gewährt werden, wenn dies für gleichartige, für den inländischen Verbrauch bestimmte Waren nicht der Fall ist, sofern die kumulativen indirekten, auf einer Vorstufe erhobenen Steuern Vorleis- tungen betreffen, die bei der Produktion von für die Ausfuhr bestimmten Waren verbraucht werden (wobei entstehender Abfall in normalem Umfang berücksichtigt wird). Dieser Punkt ist gemäß den in Anhang II ent- haltenen Leitlinien über den Verbrauch von Vorleistungen bei der Produktion auszulegen“. SWI 2009 147
SWIHeft_03-2009.fm Seite 148 Freitag, 27. Februar 2009 11:17 11 Applicability of WTO Treaties to Direct and Indirect Taxation Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es im Bereich der direkten Steuern vor dem Hintergrund des SCM-Vertrags zu einer Reihe von WTO-Streitigkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und der EU kam.47) Das Kernproblem bildeten jeweils (direkte) Steu- ersubventionierungen für die US-amerikanische Exportindustrie.48) Zusätzlich gibt es im EG-Raum ein eigenes Staatsbeihilfenrecht.49) Dieses wird geregelt in den Art. 87 ff. EG-Vertrag, auf die an dieser Stelle aber lediglich verwiesen werden soll. VI. Conclusio Ziel und Zweck dieses Aufsatzes ist es, auf die mögliche Anwendbarkeit der WTO-Abkom- men im Bereich der direkten und indirekten Besteuerung hinzuweisen. Auch wenn einige Punkte zugegebenermaßen nicht ganz unumstritten50) sind, kommen wir zu folgenden Ergebnissen, die in der nachfolgenden Matrix dargestellt sind: Direkte Steuern Indirekte Steuern DBA GATT Ja (wenn Produktbe- Ja51) Ja zug) GATS52) Großteils nein53) Ja Nein54) TRIPS Bis dato geringe Relevanz SCM Ja Ja Ja55) 47 ) Vgl. z. B. WT/DS108/R 8. 10. 1999, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“; WT/DS108/AB/RW 14. 1. 2002, United States – Tax Treatment for Foreign Sales Corporations; WT/DS108/AB/RW2 13. 2. 2006, United States – Tax Treatment for Foreign Sales Corporations. 48 ) Siehe dazu näher Rosembuj, Taxes and the World Trade Organization, Intertax 2007, 363 (363 ff.). 49 ) Für eine Einführung ins EG-Staatsbeihilfenrecht siehe Evans, European Law of State Aid (1999). 50 ) Hier möchten wir Prof. Schön zitieren: „Es bleibt viel zu tun.“ (RIW 2004, 62). 51 ) Eine Diskriminierung von EU-Drittstaaten gegenüber EU-Mitgliedstaaten ist allerdings durch Art. XXIV Abs. 5 GATT gerechtfertigt. 52 ) Anwendbar nur auf bestimmte Dienstleistungen, soweit sich ein Vertragsstaat dazu verpflichtet (NT) bzw. keine Ausnahme (MFN) ausbedungen hat. 53 ) Großteils nicht, weil direkte Steuern oft durch die einzelnen Vertragsstaaten ausgeschlossen und zudem gemäß Art. XIV lit. d GATS Ungleichbehandlungen unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sind (siehe Punkt III.1). 54 ) Vgl. Art. XIV lit. e GATS. 55 ) Siehe allerdings Punkt V. Anrechnung von US-Verzugszinsen (BMF) – Hat eine österreichische Kapitalgesellschaft für in den USA im Jahr 2002 bezo- gene und dort steuerpflichtige Einkünfte im Jahr 2008 eine Steuernachzahlung zu leisten, ist diese Steuernachzahlung, so wie die 2002 geleistete Steuerzahlung, nicht als Be- triebsausgabe abzugsfähig und daher in der Mehr-Weniger-Rechnung der Kapitalgesell- schaft hinzurechnungspflichtig. Allerdings ist die 2008 geleistete Steuernachzahlung, so wie die 2002 bereits entrichtete US-Steuer, nach Art. 22 DBA USA auf die bei der Veran- lagung 2002 anfallende österreichische Körperschaftsteuer anzurechnen. Ist der Steuer- bescheid 2002 bereits in Rechtskraft erwachsen, ist eine Bescheidberichtigung auf der Grundlage von § 295a BAO möglich (Rz. 7586 EStR). Die Anrechnungsverpflichtung des Art. 22 DBA USA erstreckt sich nach Auffassung des BMF auch auf Verzugszinsen zur US-Einkommensteuer. Denn es entspricht dem öster- reichischen Rechtssystem, bei Abgaben und ihren Nebenansprüchen eine einheitliche Betrachtung anzustellen (§ 3 Abs. 2 BAO). Auch wenn diese Betrachtung in § 3 BAO nur in Bezug auf „Abgaben“ (dies sind nach § 3 BAO nur österreichische Abgaben) angeord- net wird, erscheint es sachgerecht, diese Sichtweise auch auf die von anderen Staaten erhobenen Abgaben anzuwenden (EAS 2768). (EAS 3031 v. 18. 12. 2008) 148 SWI 2009
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