Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungs-verfahren und die Reformdiskussion nach "Stuttgart 21"

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Klein, Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren                                                      BRJ 01/2012         45

Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungs-
verfahren und die Reformdiskussion nach
„Stuttgart 21“
           Sebastian Klein, Bonn*

Spätestens seit den teilweise von Ausschreitungen be-                 II. Zweck und Funktionen der Öffentlichkeits-
gleiteten Protesten gegen die Abholzung von Bäumen im                 beteiligung bei hoheitlicher Planung
Stuttgarter Schlossgarten am 30.09.2010 ist die Konßikt-              1. Informations-, Anhörungs- und Rechts-
lage zwischen hoheitlicher Planung und den Wünschen                   schutzfunktion
und Belangen der Bürger in den Fokus der öffentlichen
Diskussion geraten. An den Problemen um das Bahnpro-                  Die im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung stets
jekt „Stuttgart 21“ zeigt sich deutlich der Reformbedarf              obligatorische Auslegung der Planungsunterlagen dient
im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung bei hoheitlichen            zunächst der Unterrichtung der Öffentlichkeit über
Planungen. Die „Wutbürger“ sind offenbar nicht länger be-             den Gegenstand der zukünftigen Planung und soll die
reit, die von Schlichter Heiner Geißler so titulierte „Basta-         Bürger zur Abgabe von Stellungnahmen ermuntern
Politik“ zu dulden. Der Beitrag bietet einen Überblick über           („Anstoßfunktion“).3 Ziel des Beteiligungsverfahrens
die bestehenden Strukturen der Öffentlichkeitsbeteiligung             als Ganzes ist die Information der Behörde, die in einem
in Planungsverfahren und setzt sich mit bereits aufgewor-             Planungsverfahren eine Entscheidung zu treffen hat, über
fenen Reformvorschlägen auseinander.                                  entscheidungserhebliche Gesichtspunkte.4 Zusätzlich zum
                                                                      auch in Planungsverfahren geltenden Amtsermittlungs-
                                                                      grundsatz (§ 24 I 1 VwVfG) sollen die Bürger die Möglich-
I. Gesamt- und Fachplanungsrecht
                                                                      keit erhalten, mit Belangen an die Behörde heranzutreten.
Raumplanungsrecht hat die Aufgabe, die Konßikte zwi-                  Der angestrebte Idealfall ist die vollständige Ermittlung
schen verschiedenen Nutzungsansprüchen an den Raum                    des relevanten „Abwägungsmaterials“.5 Gleichzeitig dient
durch zukunftsgerichtete Gestaltung zu überwinden. Das                die Beteiligung der Anhörung (vgl. § 28 I VwVfG) der
deutsche Raumplanungsrecht lässt sich grob in die Berei-              von einer späteren planerischen Entscheidung betroffenen
che des Gesamtplanungsrechts und des Fachplanungsrechts               Bürger und gewährleistet somit ein faires Verfahren.6 Der
unterteilen. Gesamtplanung ist die umfassende, überfachli-            Rechtsschutz wird bereits auf einen Zeitpunkt vorverla-
che Raumplanung1 und dient der Beantwortung der Frage:                gert, zu dem eine endgültige Entscheidung noch nicht ge-
„Was gehört wohin?“. Auf der überörtlichen Ebene Þndet                fallen ist und dadurch effektiviert.7
Gesamtplanung in Gestalt der Raumordnungsplanung nach
dem Raumordnungsgesetz und den Landesplanungsgeset-                   2. Rechtssicherheit und Rechtsfrieden
zen statt, auf der örtlichen Ebene als Bauleitplanung nach
dem BauGB. Demgegenüber betrachtet Fachplanung sek-                   Die Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung im Pla-
torale Einzelmaterien und wird durch Fachbehörden des                 nungsrecht ermöglicht zudem eine materielle Präklusion der
Bundes und der Länder festgesetzt.2 Unter den somit nur               Belange, die man im Verfahren hätte geltend machen können
grob umrissenen Fachplanungsbegriff fallen insbesondere               (vgl. § 73 IV 3 VwVfG). Nur wenn die Bürger im Verfah-
Planfeststellungen, aber auch sonstige sektorale Planungen            ren der Planaufstellung die Möglichkeit hatten, zumindest
wie etwa die Bundesverkehrswegeplanung. Einfach gesagt                ihre rechtlich geschützten Belange geltend zu machen, kann
will Fachplanung die Frage beantworten: „Wo gehört das                auch eine Bindung an die Planung eintreten. Die Präklusi-
hin?“.                                                                ons- oder Bindungswirkung des späteren Plans bezweckt
                                                                      nicht nur die Erzielung von Rechtsfrieden sondern auch die
                                                                      Gewährleistung von Rechtssicherheit8, etwa für die Durch-
                                                                      führung von Großvorhaben mit hohen Investitionssummen.
*
    Der Autor studiert Rechtswissenschaft an der Rheinischen Fried-
rich-Wilhelms-Universität Bonn. Der Beitrag entstand anlässlich
                                                                      3
eines Seminars zu „Aktuellen Problemen des deutschen und euro-          Wickel, in: Fehling/Kastner, Hk-VerwR, 2. Auß. 2010, § 73
päischen Umweltrechts“ bei Herrn Professor Dr. Klaus F. Gärditz im    VwVfG Rn. 4.
WS 2011/12 und wurde für die Zwecke der Veröffentlichung überar-      4
                                                                          Wickel, (Fn. 3), § 73 VwVfG Rn. 4.
                                                                      5
beitet sowie stark gekürzt.                                               Vgl. BVerwG NVwZ 1988, 822 (823).
1                                                                     6
    Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht,             Gärditz, GewArch 2011, 273 (275).
                                                                      7
4. Auß. 2010, § 1 Rn. 4.                                                  Cupei, DVBl. 1985, 813 (818).
2                                                                     8
    Hoppe, (Fn. 1), § 1 Rn. 3.                                            Brandt, NVwZ 1997, 233.
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     3. Vorsorge- und Kooperationsprinzip                             schutz im Rahmen von Betroffenenbeteiligungen ermög-
     Öffentlichkeitsbeteiligung im Bereich der umweltrelevan-         licht einen optimalen präventiven Grundrechtsschutz.16
     ten Planungsverfahren ist Ausprägung des umweltrechtli-          Zwar konkretisiert das BVerfG nicht, welche Bestandteile
     chen Vorsorgeprinzips9, das eine optimale Gefahrenvorsor-        von Verwaltungsverfahren unmittelbar staatliche Schutz-
     ge im weiteren Vorfeld statt Gefahrenabwehr im Ernstfall         pßichten erfüllen und somit verfassungsrechtlich zwingend
     anstrebt.10 Durch das Mittel einer zukunftsbezogen ge-           sind, wenigstens die Beteiligung der in ihren Grundrechten
     staltenden Planung werden Umweltbelastungen durch                Betroffenen sieht es – jedenfalls für das atomrechtliche
     räumliche Koordination in verträgliche Bahnen gelenkt.           Genehmigungsverfahren – jedoch als zwingend an.17 In der
     Gesteigert wird die Präventionswirkung umweltrelevanter          Literatur wurde diese Rechtsprechung des BVerfG auch auf
     Planung, wenn mögliche Umweltprobleme durch die Akti-            das (Fach-)Planungsrecht übertragen und etwa das Anhö-
     vierung von Sachverstand aus der Öffentlichkeit frühzeitig       rungsverfahren nach § 73 VwVfG für verfassungsrechtlich
     ermittelt werden können. Diese auch in Beteiligungsver-          zwingend erachtet.18
     fahren stattÞndende Zusammenarbeit von Staat und Ge-
     sellschaft in Angelegenheiten des Umweltschutzes wird            3. Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG)
     mit dem Begriff des umweltrechtlichen Kooperationsprin-          Sowohl in der juristischen als auch in der sonstigen
     zips umschrieben.11                                              Fachliteratur wird häuÞg die Ansicht geäußert, Öffent-
                                                                      lichkeitsbeteiligung habe ergänzend zu den oben be-
     lll. verfassungsrechtliche Ausgangslage                          schriebenen Funktionen eine demokratische Funktion.19
     1. Staatsziel Umweltschutz (Art. 20a GG)                         Teilweise wird explizit behauptet, sie sei „Ausdruck des
     Art. 20a GG verpßichtet den Staat, durch seine drei Ge-          Demokratieprinzips“20. Ebenso ist jedoch die Auffassung
     walten die „natürlichen Lebensgrundlagen [...] im Rah-           verbreitet, die Öffentlichkeitsbeteiligung habe keinerlei
     men der verfassungsmäßigen Ordnung“ zu schützen. Die-            demokratische Bedeutung, sie diene alleine dem Rechts-
     se Staatszielbestimmung ist bindendes Verfassungsrecht12,        schutz.21
     kein bloßer Programmsatz, belässt den staatlichen Orga-
     nen jedoch einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum und         a) Grundproblematik unterschiedlicher Demo-
     verleiht dem Einzelnen daher keine subjektiv-öffentlichen        kratieverständnisse
     Rechte auf Erlass bestimmter umweltschützender Maßnah-           Bereits das Demokratieverständnis, welches die einzel-
     men.13 Die Schaffung von Bürgerbeteiligungsverfahren im          nen Autoren ihren Ausführungen zugrunde legen, bleibt
     Planungsrecht trägt dazu bei, die relevanten natürlichen         dabei weitgehend unklar. Die verwendeten Formulierun-
     Lebensgrundlagen des zu überplanenden Raums in ihrer             gen sind oft recht vage und rechtlich kaum einzuordnen,
     Komplexität möglichst erschöpfend zu erfassen und sie            selbst in juristischen Fachbeiträgen. So liest man etwa,
     dadurch dem durch Art. 20a GG gebotenen Schutz zuzu-             Öffentlichkeitsbeteiligung diene ganz allgemein der „de-
     führen. Somit dient Öffentlichkeitsbeteiligung stets auch        mokratischen Partizipation“22 des Bürgers bzw. dessen
     der Verwirklichung des Staatsziels Umweltschutz.                 Einbeziehung in „politische Entscheidungsprozesse“23, sie
                                                                      habe einen „eigenständigen demokratischen Gehalt“24. Je
     2. Grundrechtsschutz durch Verfahren                             nachdem, wie weit man sein Demokratieverständnis fasst,
                                                                      lässt sich die oben aufgeworfene Frage unterschiedlich be-
     Zugleich stellt die Öffentlichkeitsbeteiligung ein ver-
                                                                      antworten. Sofern man Demokratie als „jede Einbeziehung
     fahrensrechtliches Mittel zum Schutz von Individual-
                                                                      in politische Entscheidungsprozesse“ versteht, spricht
     grundrechten zur Verfügung.14 Die der späteren Planung
                                                                      vieles dafür, auch Beteiligungsverfahren eine demokrati-
     unterworfenen Bürger erhalten Gelegenheit, konkrete
                                                                      sche Funktion beizumessen, denn eine irgendwie geartete
     grundrechtlich geschützte Positionen, insbesondere den
                                                                      Einbeziehung Þndet in solchen Verfahren in der Tat statt.
     Schutz ihres Lebens und der körperlichen Unversehrtheit
                                                                      Sofern man Demokratie als „Volksherrschaft“ (so die wört-
     (Art. 2 II 1 GG), aber auch den ihrer Eigentumsrechte
                                                                      liche Übersetzung aus dem Altgriechischen), also als Ent-
     (Art. 14 I 1 GG), geltend zu machen. In seinem „Mülheim-
                                                                      scheidungsgewalt des Volkes versteht, wird man die Frage
     Kärlich“-Beschluss hat das BVerfG anerkannt, dass Grund-
                                                                      16
     rechtsschutz „weitgehend auch durch die Gestaltung von               BVerfGE 53, 30 (60); Papier, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar,
                                                                      51. Auß. 2011, Art. 14 Rn. 48.
     Verfahren zu bewirken ist“.15 Der vorverlagerte Rechts-          17
                                                                          BVerfGE 53, 30 (66).
                                                                      18
     9
                                                                          Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606 (611).
         Hoppe, VVDStRL 38 (1980), 211 (228); Ramsauer, in: Koch,     19
                                                                          Groß, DÖV 2011, 510 (511); v. Komorowski/Kupfer,
     Umweltrecht, 3. Auß. 2010, § 3 Rn. 20.                           VBlBW 2003, 1 (2).
     10 Kloepfer, Umweltrecht, 3. Auß. 2004, § 4 Rn. 12.              20
                                                                          Kühling, in: Zimmermann (Hrsg.), Öffentlichkeitsbeteiligung bei
     11 Kloepfer, (Fn. 10), § 4 Rn. 57; Müggenborg, NVwZ 1990, 909.   UVP-Verfahren, 1993, S. 5.
     12
         Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, 2. Auß. 2006,     21
                                                                          Blümel, Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, in: ders.,
     Art. 20a Rn. 24.                                                 Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, 1982, S. 23 (25).
     13
         BVerfG NVwZ 2001, 1148 (1149); Steinberg, NJW 1996, 1985
     (1991).
                                                                      22
                                                                           Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Auß. 2010, § 1 Rn. 48.
                                                                      23
     14
         Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (466); Steinberg, ZUR 2011, 340         Gaentzsch, in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner
     (343).                                                           Kommentar zum BauGB, 6. EL 2005, § 3 Rn. 3.
     15                                                               24
         BVerfGE 53, 30 (65).                                            Groß, DÖV 2011, 510 (511).
Klein, Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren                                                         BRJ 01/2012           47

hingegen zu verneinen haben.25 Nach einem solchen Be-               und deshalb auch nicht in ihrem Bestand von diesem Prin-
griffsverständnis müsste der Bürger nicht nur in den Ent-           zip verfassungsrechtlich geschützt sind. Aufgrund der vie-
scheidungsprozess einbezogen werden, sondern er selbst              len begrifßichen Unschärfen kann jedoch auch nicht der
müsste entscheiden. Gegenwärtig werden in Verfahren zur             widersprüchlich klingenden Auffassung eine eindeutige
Beteiligung der Öffentlichkeit bei hoheitlichen Planungen           Absage erteilt werden, Öffentlichkeitsbeteiligung sei trotz
zwar potenziell entscheidungsrelevante Belange ermittelt,           fehlender Entscheidungsbefugnis eine Form von Demo-
die Abwägung (und damit die Entscheidung) bleibt aller-             kratie.
dings alleine der planenden Verwaltungsbehörde vorbehal-
ten.                                                                IV. Völker- und unionsrechtliche Vorgaben
                                                                    1. Völkerrecht: Aarhus-Übereinkommen
b) „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ Die heute bestehenden Systeme der Beteiligung der Öf-
(Art. 20 II 1 GG)                         fentlichkeit bei umweltrelevanten Planungen sind geprägt
Integraler Bestandteil des Demokratieprinzips nach dem              durch die Vorgaben des 1998 geschlossenen Aarhus-
Grundgesetz ist die Legitimation von Staatsgewalt durch             Übereinkommens29. Hierbei handelt es sich um einen
den Volkswillen.26 Jede Ausübung von Staatsgewalt durch             völkerrechtlichen Vertrag europäischer Staaten, dessen
staatliche Organe (Objekt demokratischer Legitimation)              Regelungsinhalt sich in drei „Säulen“ unterteilen lässt30:
muss sich durch eine „ununterbrochene Legitimations-                den Zugang des Bürgers zu Informationen (Art. 4 f.), die
kette“ auf einen Willensakt des Staatsvolks (Subjekt de-            Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren
mokratischer Legitimation) zurückführen lassen.27 Diese             (Art. 6 ff.) sowie den Zugang zu Gerichten in Umwelt-
„Legitimationskette“ verbindet den hoheitlich handeln-              angelegenheiten (Art. 9). Öffentlichkeitsbeteiligung nach
den Amtswalter mit dem Staatsvolk. Gemäß Art. 20 II 2               den Vorgaben des Aarhus-Übereinkommens verlangt eine
GG stehen als Akte demokratischer Willensäußerung des               frühzeitige Information der Öffentlichkeit (Art. 6 II) in
deutschen Staatsvolks „Wahlen und Abstimmungen“ zur                 einem Stadium, in dem „alle Optionen noch offen sind“
Verfügung. Eine Möglichkeit demokratischer Legitimation             (Art. 6 IV) und die Möglichkeit zur Abgabe von Stellung-
durch „Beteiligung in Verwaltungsverfahren“ ist im Wort-            nahmen (Art. 6 VII), die in der späteren Entscheidung
laut der Vorschrift nicht vorgesehen.                               dann „angemessen berücksichtigt“ werden müssen (Art. 6
                                                                    VIII). Die soeben umschriebenen drei Kernschritte (Infor-
c) Möglichkeit demokratische Legitimation                           mation – Stellungnahme – Berücksichtigung) bilden die
durch Bürgerbeteiligung                                             Grundstruktur sämtlicher heutiger Beteiligungsverfahren
Dass Beteiligungsverfahren im gerade beschriebenen Sin-             in Deutschland.
ne demokratische Legitimation verleihen sollen, ist deshalb
zweifelhaft, weil die etwa im eisenbahnrechtlichen Plan-            2. Unionsrecht
feststellungsverfahren zu beteiligende Öffentlichkeit nicht         Die Kompetenz der Europäischen Union zum Erlass von
das Legitimationssubjekt des Präsidenten des Eisenbahn-             Vorschriften zum Schutz der Umwelt ist in Art. 192 I
bundesamts ist, der auch im Falle von „Stuttgart 21“ den            AEUV geregelt. Eine allgemeine Kompetenz zum Erlass
Planfeststellungsbeschluss zu erlassen hatte. Vielmehr ist          planungsrechtlicher Vorschriften kennt das Unionsrecht
die zu beteiligende Öffentlichkeit auf die in ihren Belangen        hingegen nicht. Aufgrund des Prinzips der begrenzten Ein-
betroffenen Personen beschränkt (vgl. § 73 IV 1 VwVfG:              zelermächtigung in Art. 5 I 1, II EUV ist die Union daher
„Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt wer-              daran gehindert, Vorgaben für das Planungsrecht zu erlas-
den“). Sollen Beteiligungsverfahren demokratische Legi-             sen, sofern es sich nicht um Vorgaben umweltrechtlicher
timation im obigen Sinne verleihen, so müsste man das               Natur handelt oder diese Vorgaben von anderen Kompe-
gesamte Staatsvolk beteiligen. Solche Beteiligungsver-              tenztiteln, etwa der Schaffung transeuropäischer Netze
fahren existieren aber derzeit nicht. Eine „demokratische           (Art. 170 ff. AEUV) gedeckt sind.31 Zu beachten ist aller-
Legitimation“ hoheitlicher Planungen durch Beteiligung              dings, dass der unionsrechtliche Umweltbegriff sehr weit
nur eines Teils des Staatsvolks würde einen Teil des Le-            ausgelegt wird32, so dass die Union auf der Grundlage ihrer
gitimationssubjekts von der Kette zum Legitimationsob-              Umweltschutzkompetenz in Art. 192 I AEUV in weitem
jekt „abschneiden“ und wäre somit verfassungswidrig.28              Umfang Einßuss auf das mitgliedstaatliche Planungsrecht
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Beteiligungs-           nehmen und hierfür Vorgaben machen kann. Eine ökologi-
verfahren in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht den
                                                                    29
Zweck verfolgen, hoheitlichen Planungen demokratische                    Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Infor-
Legitimation im Sinne von Art. 20 II 1 GG zu verleihen              mationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren
                                                                    und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten; Zustim-
                                                                    mungsgesetz vom 09.12.2006 in BGBl. 2006 II S. 1251.
25
    Vgl. Gärditz, GewArch 2011, 273 (274).                          30
                                                                         V. Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274); Knopp, ZUR 2005, 281.
26
    Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts,   31
                                                                         Breier, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deut-
Bd. 2, 3. Auß. 2004, § 24 Rn. 11.                                   schen Umweltrecht, Bd. 1, 1998, § 13 Rn. 3.
27                                                                  32
    BVerfGE 77, 1 (40); 83, 60 (72); Böckenförde, (Fn. 26), § 24         Käller, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Auß. 2006, Art. 174
Rn. 16.                                                             EGV Rn. 7; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV-Kommen-
28
    Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179 (215).                  tar, 5. Auß. 2010, Art. 191 AEUV Rn. 6.
48        BRJ 01/2012                                            Klein, Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren

     sche Sensibilisierung des sonstigen Unionssekundärrechts               2. Das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung
     wird außerdem durch die umweltrechtliche Querschnitts-                 im Überblick
     klausel des Art. 11 AEUV bewirkt.33 Zur Verwirklichung                 Nachdem der Vorhabenträger den Plan bei der Anhörungs-
     der in Art. 191 I, II AEUV beschriebenen Ziele des europä-             behörde eingereicht hat (§ 73 I 1 VwVfG), veranlasst diese
     ischen Umweltrechts kann sich die Union sämtlicher Hand-               die öffentliche Auslegung der Planunterlagen über einen
     lungsformen des Art. 288 AEUV bedienen. Kennzeichnend                  Zeitraum von einem Monat in den Gemeinden, in denen
     für das europäische Umwelt(sekundär)recht ist, dass der                sich das Vorhaben auswirkt (§ 73 II, III 1 VwVfG). Die
     Bürger zur Durchsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben                 Tatsache der Auslegung ist ortsüblich bekanntzumachen
     „mobilisiert“ wird34, indem er über Vorhaben, Pläne und                (§ 73 V 1 VwVfG). Danach besteht bis zwei Wochen nach
     Programme zu informieren ist, in Entscheidungsverfahren                Ablauf der Auslegungsfrist die Möglichkeit der Erhebung
     zu beteiligen ist und ihm in weitem Umfang (einklagbare)               von Einwendungen für jeden, dessen Belange durch das
     subjektive Rechte eingeräumt werden. Somit werden letzt-               Vorhaben berührt werden (§ 73 IV 1 VwVfG). Besonder-
     lich die drei „Säulen“ des Aarhus-Übereinkommens auch                  heit des Planfeststellungsverfahrens ist die Durchführung
     in das Rechtssystem der Europäischen Union übernom-                    eines Erörterungstermins (§ 73 VI 1 VwVfG), in dem die
     men. Die in Deutschland bestehenden Verfahren zur Öf-                  vorgebrachten Belange mündlich erörtert und Abhilfemög-
     fentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Planungen                lichkeiten gesucht werden sollen.38 Die Durchführung des
     gehen zu einem großen Teil auf unionsrechtliche Vorgaben               Erörterungstermins ist allerdings fachgesetzlich häuÞg in
     zurück. So wird etwa die Öffentlichkeitsbeteiligung bei                das Ermessen der Anhörungsbehörde gestellt (vgl. § 18a
     Vorhabenzulassungen im Rahmen der Umweltverträglich-                   Nr. 5 S. 1 AEG). Das Planfeststellungsverfahren wird
     keitsprüfung durch Art. 6 ff. der Richtlinie 85/337/EWG                durch Verwaltungsakt („Planfeststellungsbeschluss“) ab-
     („UVP-Richtlinie“) vorgeschrieben.                                     geschlossen, in dem auch über die vorgebrachten Einwen-
                                                                            dungen entschieden wird (§ 74 II 1 VwVfG). Eine Ausfer-
     V. Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststel-                         tigung des Beschlusses ist sodann in den Gemeinden für
     lungsverfahren                                                         zwei Wochen auszulegen und die Auslegung ist ortsüblich
     1. Allgemeines zum Planfeststellungsverfahren                          bekanntzumachen (§ 74 IV 2 VwVfG).
     Das Planfeststellungsverfahren nach §§ 72 ff. VwVfG
     dient der hoheitlichen Feststellung, dass raumbedeutsame               3. Die zu beteiligende Öffentlichkeit und ihre
     Vorhabenplanungen öffentlicher oder privater Planungs-                 Möglichkeiten zur Einßussnahme auf das Pla-
     träger mit geltendem Recht vereinbar und im Interesse                  nungsergebnis
     des Gemeinwohls geboten sind.35 Ob Letzteres der Fall                  Das Recht der Erhebung von Einwendungen im Planfest-
     ist, entscheidet die Planfeststellungsbehörde im Rahmen                stellungsverfahren hat „jeder, dessen Belange durch das
     des ihr zustehenden planerischen Abwägungsspielraums36                 Vorhaben berührt werden“ (§ 73 IV 1 VwVfG). Der Be-
     (vgl. § 18 S. 2 AEG). Aufgrund der durch die Inanspruch-               griff der „Belange“ umfasst sämtliche anerkennenswerten
     nahme von Raum bedingten Betroffenheit Privater müs-                   eigenen Interessen des Einzelnen – einschließlich ökologi-
     sen hierbei die Interessen der betroffenen Öffentlichkeit,             scher Interessen39 – und geht damit über subjektive Rechte
     insbesondere der durch eine spätere Enteignung betroffe-               des Einzelnen hinaus.40 Es handelt sich um eine sogenannte
     nen Grundstückseigentümer, ermittelt und in der planeri-               Interessentenbeteiligung41. Die Möglichkeiten der Einwen-
     schen Abwägung berücksichtigt werden.37 Hierfür bedarf                 der, auf das Ergebnis der Planung Einßuss zu nehmen, sind
     es einer Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit. Die               nur sehr begrenzt, da bereits der vor Einleitung des An-
     Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren sind nur              hörungsverfahrens eingereichte Plan vom Vorhabenträger
     dann anwendbar, wenn die Durchführung des Verfahrens                   vollständig „durchgeplant“ ist.42 Daher steht die Rechts-
     fachgesetzlich angeordnet ist (§ 72 I Hs. 1 VwVfG). Dies               schutzfunktion der Beteiligung in diesem Verfahren klar
     ist insbesondere bei Infrastrukturplanungen des Bundes                 im Vordergrund.43 Für das Planfeststellungsverfahren muss
     der Fall, wie etwa bei Betriebsanlagen für Eisenbahnen                 somit jedoch angezweifelt werden, ob den Vorgaben aus
     (§ 18 AEG), Bundesfernstraßen (§ 17 FStrG), Flughäfen                  Art. 6 IV des Aarhus-Übereinkommens ausreichend Rech-
     (§ 8 LuftVG) oder Energieleitungen (§ 43 EnWG). In den                 nung getragen wurde.
     Fachgesetzen existieren auch teilweise Sonderregeln, wel-
     che einzelne Vorschriften des VwVfG ergänzen oder ver-
     drängen.
                                                                            38
                                                                                Kopp/Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 11. Auß. 2010, § 73
     33
         Kotzur, (Fn. 32), Art. 192 AEUV Rn. 6.                             Rn. 110.
     34                                                                     39
         Marty, ZUR 2009, 115 (116); Masing, Die Mobilisierung des Bür-         Bunge, in: Schlacke/Schrader/Bunge, Aarhus-Handbuch, 2010,
     gers für die Durchsetzung des Rechts, Diss. Freiburg 1997, S. 50 ff.   § 2 Rn. 154.
     35                                                                     40
         Vgl. BVerfGE 74, 124 (133); Schönenbroicher, VBlBW 2011,               VGH Kassel NVwZ 1986, 680 (682); Kopp/Ramsauer, (Fn. 38),
     466 (468).                                                             § 73 Rnrn. 68 f.
     36                                                                     41
         Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar,                Zur Terminologie s. Breuer, NJW 1978, 1558 (1564).
                                                                            42
     7. Auß. 2008, § 72 Rn. 10.                                                 Vgl. Bonk/Neumann, (Fn. 36), § 73 Rnrn. 18 ff.; Wickel, (Fn. 3),
     37
         BVerwGE 66, 133 (135); 74, 124 (133); Bonk/Neumann,                § 73 VwVfG Rnrn. 20 ff.
                                                                            43
     (Fn. 36), § 72 Rn. 5.                                                      Wickel, (Fn. 3), § 73 VwVfG Rn. 42.
Klein, Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren                                                    BRJ 01/2012           49

VI. Öffentlichkeitsbeteiligung de lege lata et fe- chende Rechtsvorschriften, sondern vielmehr durch eine
renda – Unter dem Eindruck von „Stuttgart 21“ fehlerhafte Kommunikation zwischen staatlichen Stellen
1. Das Projekt „Stuttgart 21“                      und Bürgern entstanden.51 Die Gestaltung von Öffentlich-
Das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ beinhaltet die Neugestal-        keitsbeteiligungen sei abhängig vom „politischen Stil“
tung des Bahnknotens Stuttgart im Rahmen des Ausbaus der        des Umgangs mit der Öffentlichkeit52, von der inneren
Bahnstrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg. Der neue Stuttgarter        Einstellung der jeweiligen Entscheidungsträger. Beteili-
Hauptbahnhof soll als unterirdischer Durchgangsbahnhof          gungsverfahren würden von diesen häuÞg nur als „lästige
realisiert werden und den bisherigen Kopfbahnhof erset-         Pßicht“ angesehen.53 Reformvorschläge auf Basis des gel-
zen, der oberirdisch gewonnene Raum soll städtebaulich          tenden Rechts beziehen sich daher zumeist auf die genaue
neu gestaltet werden. Nachdem im Frühjahr 2010 mit dem          Ausgestaltung der Beteiligungsverfahren. So wird etwa
Bau begonnen worden war, häuften sich Proteste von Pro-         bemängelt, dass die gängige Praxis amtlicher Bekannt-
jektgegnern, die am 30.09.2010 in teils gewaltsamen Aus-        machungen in Amtsblättern und Lokalzeitungen die be-
einandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei            zweckte „Anstoßfunktion“ verfehle.54 Außerdem seien die
gipfelten. Daraufhin wurde eine öffentliche Schlichtung         Einsichtnahmezeiten und –orte mitunter derart ungünstig
unter Leitung des ehemaligen Bundesministers Heiner             gewählt, dass sie insbesondere für Berufstätige ein ernst-
Geißler durchgeführt. Die umfangreiche und bundesweite          haftes Beteiligungshindernis darstellten.55 Vorgeschlagen
öffentliche Berichterstattung über das Projekt, die Proteste    wird außerdem eine verstärkte Nutzung des Internets in
und die Schlichtung führte zu einer ebenso umfangreichen        Beteiligungsverfahren.56
und öffentlichen Diskussion über die Reformbedürftigkeit
des deutschen Planungsrechts. So bemängelt Heiner Geiß-         b) Reformvorschlag de lege ferenda: frühzeitige
ler in seinem Schlichterspruch vom 30.11.2010 eine über-        Öffentlichkeitsbeteiligung im Fachplanungs-
lange Zeitdauer zwischen Planung und Realisierung von           recht
Großprojekten und außerdem das Fehlen einer ernsthaf-           Verbreitet ist auch der Vorschlag, durch eine Gesetzesän-
ten Alternativenprüfung.44 Andere sehen hingegen in den         derung eine informelle frühe Öffentlichkeitsbeteiligung
Protesten gegen „Stuttgart 21“ nur den Versuch, ein von         im Planfeststellungsverfahren nach dem Vorbild des § 3 I
einer politischen Mehrheit getragenes Projekt mit allen         BauGB einzuführen.57 Die Einführung einer solchen frü-
Mitteln zu verhindern und negieren jeden Reformbedarf.45        hen Beteiligung soll insbesondere dem Eindruck vieler
Im Folgenden werden exemplarisch zwei Reformvorschlä-           Bürger entgegenwirken, dass sie ohnehin keinen Einßuss
ge, die in der Fachöffentlichkeit mitunter bereits deutlich     auf das Planungsergebnis nehmen könnten.58 Die Bürger
vor „Stuttgart 21“ aufgeworfen wurden46, dargestellt und        sollen deshalb bereits im Vorfeld des eigentlichen Geneh-
diskutiert.                                                     migungsverfahrens beteiligt werden, wenn noch ernsthafte
                                                                Diskussionen über Alternativen möglich sind.59 Als proble-
2. Einzelne Reformvorschläge                                    matisch an dem Vorschlag wird allerdings angesehen, dass
Ein quantitatives DeÞzit an Verfahren zur Beteiligung der       vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens das Vorha-
Öffentlichkeit ist nicht festzustellen.47 So wurde im Fal-      ben zwar noch nicht „durchgeplant“ sei, aber dennoch be-
le von „Stuttgart 21“ die Öffentlichkeit nicht etwa nur im      reits wesentliche Vorentscheidungen durch übergeordnete
Rahmen des Planfeststellungsverfahrens beteiligt, sondern       Fachplanungen und insbesondere das Raumordnungsver-
auch im vorausgegangenen Raumordnungsverfahren und              fahren bzw. landesplanerische Festsetzungen getroffen
den städtebaulichen Begleitplanungen.48 Angesichts die-         seien.60 Andere halten die bereits bestehende Vielzahl von
ser bereits bestehenden „Kaskade“ von Beteiligungsver-          Öffentlichkeitsbeteiligungen für „eher überzogen“ und
fahren49 müssen Reformen also insbesondere qualitativer,        stellen aus diesem Grund die Sinnhaftigkeit einer weiteren
nicht etwa bloß quantitativer Natur sein.                       Beteiligungsstufe infrage.61

a) Reformvorschlag de lege lata: verbesserte
Kommunikation und bürgerfreundlichere Ver-                      51
                                                                    Durner, ZUR 2011, 354 (359).
fahrensgestaltung                                               52
                                                                    Birk, Offen und tolerant, FAZ v. 27.01.2011, http://www.faz.
Ein Teil der Reformvorschläge betont, dass für eine Ef-         net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-offen-und-tole-
fektivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs-        rant-1573043.html, Abruf v. 29.02.2012.
                                                                53
verfahren die Basis des geltenden Rechts ausreiche.50 Die           Groß, DÖV 2011, 510 (512); Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (587).
                                                                54
                                                                    Kühling, (Fn. 20), S. 9.
Probleme um „Stuttgart 21“ seien nicht durch unzurei-           55
                                                                    Kühling, (Fn. 20), S. 10; vgl. Mecking, NVwZ 1992, 316 (317).
44                                                              56
    Geißler, Schlichtung Stuttgart 21 Plus, 2010, S. 6.             Durner, ZUR 2011, 354 (360).
45                                                              57
    Schönenbroicher, VBlBW 2011, 466 (468).                         Beirat VwVfR, NVwZ 2011, 859; vgl. Steinberg, ZUR 2011, 340
46
    Durner, ZUR 2011, 354 (356).                                (344).
47                                                              58
    Steinberg, ZUR 2011, 340 (341); Wulfhorst, DÖV 2011, 581        Birk, (Fn. 52); Steinberg, ZUR 2011, 340 (344).
                                                                59
(582).                                                              Beirat VwVfR, NVwZ 2011, 859 (860); Steinberg, ZUR 2011,
48
    Vgl. Groß, DÖV 2011, 510; Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (582).   340 (342).
49                                                              60
    Steinberg, ZUR 2011, 340 (341).                                 Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (584).
50                                                              61
    Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (586).                                 Durner, ZUR 2011, 354 (358).
50        BRJ 01/2012                                     Klein, Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren

     3. Eigene Einschätzung                                         digen Raumordnungsverfahrens oder landesplanerischen
     Die Darstellung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Plan-        Verfahrens stattÞnden sollte. Die frühzeitige Beteiligung
     feststellungsverfahren hat gezeigt, dass das Verfahren         sollte sich schwerpunktmäßig mit unterschiedlichen Pla-
     hinsichtlich seiner Grundstruktur den völker- und unions-      nungsalternativen sowie deren Vor- und Nachteilen be-
     rechtlichen Vorgaben entspricht. Verfehlt wird allerdings      schäftigen. Zusätzlich sollte, dem erstgenannten Vorschlag
     das durch Art. 6 IV des Aarhus-Übereinkommens ange-            folgend, das förmliche Anhörungsverfahren bürgerfreund-
     strebte Ziel einer „Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem        licher ausgestaltet werden. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung,
     Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind“. Hierin       die als solche ernst genommen werden will, muss den Bür-
     zeigt sich die Grundproblematik, dass die gegenwärtig be-      ger auch erreichen, indem er aktiv angesprochen wird. Da-
     stehenden Beteiligungsverfahren primär dem Rechtsschutz        her wäre anzuraten, jedenfalls bei Infrastrukturplanungen,
     der Betroffenen und der Ermittlung der behördlichen Ent-       bei denen eine Betroffenheit privater Belange in großem
     scheidungsgrundlage dienen, nicht jedoch der Mitgestal-        Umfang besonders nahe liegt, Bekanntmachungen auch in
     tung.62 Letzteres wird indes auch durch Art. 6 IV des Aar-     überregionalen Zeitungen zu veröffentlichen und insbe-
     hus-Übereinkommens nicht gefordert. Gefordert wird aber        sondere das Internet zu nutzen. Das Internet bietet nicht
     dennoch, die Öffentlichkeit so früh zu beteiligen, dass ihre   nur die Möglichkeit, Planungsunterlagen in ansprechender
     Belange noch wirklich im Verfahren berücksichtigt werden       Form der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, sondern
     können, insbesondere bei der Alternativenprüfung.63 Ziel       ermöglicht über Eingabemasken auch die sofortige Ab-
     muss die Möglichkeit der Einßussnahme der Bürger auf           gabe von Stellungnahmen. Zudem ist die Einsichtnahme
     das Planungsergebnis sein64 (so die französische Sprach-       nicht durch Dienstzeiten eingeschränkt, was insbesondere
     fassung des Übereinkommens: „Le public peut exercer une        Berufstätigen entgegenkommen dürfte. Eine solche „E-
     réelle inßuence“; diese Formulierung fehlt in der engli-       Partizipation“ wird bereits im Bauplanungsrecht erfolg-
     schen Fassung, auf der die deutsche Übersetzung basiert),      reich als Modellversuch eingesetzt (vgl. § 4a IV BauGB).65
     ohne dass eine verfassungsrechtlich problematische Miten-      Was den allgemeinen Umgang von Staat und Politik mit
     tscheidungsbefugnis entsteht. Der Vorschlag einer frühzei-     Öffentlichkeitsbeteiligungen angeht, so scheint bereits ein
     tigen Öffentlichkeitsbeteiligung ist daher zu begrüßen, mit    begrüßenswertes Umdenken begonnen zu haben. Offenbar
     der ModiÞkation, dass sie bereits im Vorfeld eines notwen-     haben die Entscheidungsträger aus „Stuttgart 21“ gelernt.
                                                                    65
     62
         Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (583).                               Berghäuser/Berghäus er, NVwZ 2009, 766; Schröer, NZBau
     63
         Fisahn, ZUR 2004, 136 (138).                               2010, 36.
     64
         V. Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274); Fisahn, ZUR 2004, 136
     (138).
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