Bibeltreu und kinderfreundlich Zu Besuch in der christlichen US-Retortenstadt Ave Maria - SWR
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Bei SWR2 Glauben Bibeltreu und kinderfreundlich Zu Besuch in der christlichen US-Retortenstadt Ave Maria Von Guido Meyer Sendung: 10.10.2021, 12.05 Uhr Redaktion: Hans Michael Ehl Produktion: SWR 2021 Seit 2005 gibt es mitten im Süden Floridas den Ort Ave Maria – eher eine Siedlung als eine Stadt, aber mit tief-religiösem Hintergrund. Wie der Name schon sagt: Gegrüßet seist Du, Maria! Leitprinzipien des täglichen Lebens hier: Bibeltreue und Kinderreichtum. Man könnte es als Auswuchs des US-amerikanischen Pioniergeistes interpretieren: Leere Landschaften, die darf es in den Vereinigten Staaten nicht geben. Wo noch nichts ist, da muss etwas hin – gerne mal eine künstliche Stadt auf der grünen Wiese, hochgezogen aus dem Nichts, Katholizismus „in the middle of nowhere“. Ein Feature von Guido Meyer. SWR2 Glauben können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App hören – oder als Podcast nachhören: https://www.swr.de/swr2/programm/podcast-swr2-glauben-100.html Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen mindestens sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört, Themenbereiche, Empfehlungen, Entdeckungen … Kostenlos herunterladen: www.swr2.de/app
Manuskript: Einspielung 1: Auto-Zündung Einspielung 2: Atmo Autofahrt darüber Text 1: Die Anreise von Miami - einmal quer durch Florida - dauert fast zwei Stunden. Es geht schon gut los: Das Navi kennt die Siedlung Ave Maria gar nicht. Aber irgendwie klappt es dann doch - bis zur richtigen Autobahnausfahrt. Hier warnen gelbe Schilder am Straßenrand vor dem Florida Panther. Der könnte hier die Straße überqueren. Im gesamten Bundesstaat Florida gibt es nur noch knapp über hundert Exemplare dieser Puma-Art. Das sagt alles über die Abgeschiedenheit dieser Gegend. Nicht einmal Gegenverkehr gibt es. Links und rechts der Straße stehen Einfamilienhäuser und kleine Villen – teils bewohnt, teils leerstehend. Erst als in der Ferne eine überdimensionale Kirche auftaucht, beschleicht den Besucher das Gefühl, dass hier womöglich wirklich Menschen leben ... Ansage Sprecherin Bibeltreu und kinderfreundlich – Zu Besuch in der christlichen US-Retortenstadt Ave Maria. Ein Feature von Guido Meyer O-Ton 4: Wallace “When you come into the town of Ave Maria …when you have the church across the street.” Voice over Sprecher: Je näher Sie dem Zentrum von Ave Maria kommen, desto mehr wird die Kirche zum alles dominierenden, zentralen Objekt. Zur linken Seite ist der Campus der Universität, und rechts davon ist das Stadtzentrum. Wir nennen es den „Verkündigungs-Zirkel“. Es ist ein ovaler Platz um die Kirche herum mit Geschäften und Wohnungen. Die Verkäufer sagen, diese Umgebung sei ideal. Na
PAGE 11 klar, es ist auch nicht schwierig, in guter Nachbarschaft zu leben, wenn die Kirche gleich gegenüber ist. Text 2: Forrest Wallace ist so eine Art Mädchen für alles in Ave Maria. Er ist Diakon und arbeitet in der Kirchengemeinde, leitet die Pressearbeit der Universität und lehrt dort selbst Marketing. So ist das in Ave Maria: Einer für alle, alle für einen. O-Ton 5: Wallace “It sounded like … to grow something brand new.” Text 3: Es habe sich für ihn wie eine großartige Gelegenheit angehört, etwas völlig Neues aufzubauen, O-Ton 6: Wallace “something that is not typical in the US, not actually typical in the world”, Text 4: etwas, das untypisch sei für die Vereinigten Staaten und für den Rest der Welt. Zwei-tausend-sieben ist Forrest Wallace mit seiner Frau und acht Kindern von Cincinnati nach Südflorida gezogen. Seine Mission: auf der grünen Wiese eine Siedlung entstehen zu lassen. Einspielung 7: Hoe me Text 5: Finanziert wurde diese religiöse Baustelle vom amerikanischen Milliardär Tom Monaghan, der sich damit einen Lebenstraum erfüllen wollte – seinen zweiten, denn zuvor hatte er bereits die in den USA bis heute erfolgreiche Fastfoodkette Domino’s Pizza aus dem Boden gestampft. Und – ganz amerikanisch - konnte er es sich nicht verkneifen, das Logo seiner Pizzakette im Trottoir gleich vor der Kathedrale zu verewigen. 3
PAGE 11 Einspielung 7: Hoe me 2 (instr., „Südstaatenmusik“ von Sonoton) Text 6: Von Anfang an war der Name Ave Maria Programm: Ein Ort für gläubige Menschen sollte es werden, in dem die Frauen Röcke tragen müssen und in dem keine Kondome verkauft werden. O-Ton 8: Allen “I’m here with my family, my husband and our 9 children.” Text 7: Auch Chelsea Allen ist 2005, gleich im Gründungsjahr von Ave Maria, mit Ehemann und all ihren neun Kindern von Minnesota nach Ave Maria gezogen. O-Ton 9: Allen “We moved here really to be in Ave Maria. … we decided to set up our businesses here also.” Voice over Sprecherin: Nachdem wir hier waren, mussten wir Geld verdienen. Also haben wir zwei Geschäfte eröffnet – dieses hier, By Way of the Family, und nebenan arbeitet mein Mann als Chiropraktiker. Denn wenn wir uns hier ansiedeln, dann sollten wir hier auch eine Einnahmequelle haben. Text 8: By Way of the Family – das heißt nicht etwa „Apropos Family“ oder “Umweg zur Familie“, sondern, im Gegenteil: Auf dem Weg zur Familie. Auch das könnte ein Motto Ave Marias sein. O-Ton 10: Allen “I love the weather, … a little piece of heaven on Earth.” Voice over Sprecherin: Ich liebe das Wetter hier; ich liebe die Nachbarschaft; ich liebe die Schulen; ich liebe einfach alles hier. Es ist ein wunderbarer Ort, um zu leben – ein kleines Stück Himmel auf Erden. Text 9: 4
PAGE 11 Für Chelsea Allen ist Ave Maria ein Garten Eden – und zwar vor dem Sündenfall. Hier hat noch niemand in den Apfel gebissen. Vielmehr gilt: Seid fruchtbar und mehret Euch! O-Ton 11: Allen “There are so many children here. … the same values that we share.” Voice over Sprecherin: Es gibt hier so viele Kinder, mit denen meine Kinder spielen können. Und ich weiß, dass ihre Familien dieselben Werte teilen wie wir. Text 10: By Way of the Family bietet Schulutensilien für Kinder, aber auch religiösen Schmuck – Heiligenfiguren als Knuddelpuppe zum Beispiel. Angefangen hatte der Laden vor sech-zehn Jahren mit Büro- und Schreibbedarf. Doch schon bald habe die Nachfrage nach christlichen Souvenirs überwogen, erzählt Chelsea Allen – und führt vor ... O-Ton 12: Allen “This is a music box with a picture of the Madonna … it plays the Ave Maria.” Voice over Sprecherin: Das hier ist eine Spieluhr. Sie ziert ein bekanntes Madonnen- Bild. Auf der Vorderseite der kleinen Kiste ist ein Gebet eingraviert. Und wenn ich sie öffne, spielt sie das Ave Maria. Einspielung 13: Spieluhr (Ave Maria) Text 11: Ave Maria ist der Traum des konservativen weißen Durchschnitts- Amerikaners. Denn hier findet er nur seinesgleichen. Dennoch sei dies eine tolerante Stadt, wie Pastor Robert Tatman betont. O-Ton 14: Tatman “It is a town built on American principle. … That’s very important to us.” Voice over Sprecher: 5
PAGE 11 Wir haben diese Stadt getreu der amerikanischen Überzeugung aufgebaut, dass wir Menschen nicht diskriminieren. Auch wenn wir hier vorwiegend den katholischen Glauben feiern, hegen wir gegenüber Andersgläubigen keine Vorurteile. Einspielung 15: Ave Maria Atmo (Wind, Vögel, Stimmen in der Ferne) Text 12: Die große Mehrheit der Einwohner von Ave Maria ist in der Tat katholisch. Aber auch Protestanten, Juden und Muslime würden geduldet, betont der Pastor. O-Ton 16: Tatman “It doesn't matter where you’re from – anyone is always welcome here. If that isn’t a sign of Christianity, I don't know what is.” (lacht) Voice over Sprecher: Es spielt keine Rolle, woher jemand kommt. Jedermann ist jederzeit willkommen. Wenn das keine christliche Einstellung ist, weiß ich es auch nicht. Einspielung 17: Kinderatmo (spielende Kinder im Hintergrund, Straßengeräusche) Text 13: Das Stadtbild von Ave Maria bestimmen weiße, katholische, hetero- sexuelle Mitt-Vierziger und –Fünfziger. Angehörige von Minderheiten - wie Menschen mit dunkler Hautfarbe, Homosexuelle, Alkoholabhängige oder auch Singles - verspüren offenbar keinen großen Drang, sich in einer erzkatholischen Retorten-Stadt wie Ave Maria niederzulassen. Überall sichtbar und hörbar jedoch ist der Nachwuchs von Ave Maria, was auch Kathy Delaney – die Masseurin Ave Marias - freut. O-Ton 18: Delaney “If you look around here, you see so many kids. … It’s like one big large family.” 6
PAGE 11 Voice over Sprecherin: Wenn Sie sich umsehen, sehen Sie überall Kinder. Dieser Ort hier ist hervorragend dafür geeignet, die eigenen Nachkommen großzuziehen. Sie finden überall Hilfe; andere Familien springen schon mal ein und kümmern sich auch um andere Kinder. Es ist wie eine große Familie. Text 14: Kathy Delaney ist aus der Metropole New York ins beschauliche Ave Maria gezogen. Die stämmige, langhaarige Frau hat im Wellness- Tempel Salon d‘Maria im Zentrum der Stadt Arbeit gefunden. Maniküre, Pediküre, Massage, Peeling – alles, um in Ave Maria neben dem Geist auch den Körper in Schuss zu halten. O-Ton 19: Delaney “I’m a massage therapist. … that’s what it’s all about.” Voice over Sprecherin: Ich bin ausgebildete Masseurin. Meine Kunden werden von mir therapeutisch behandelt. Mir gefällt es, Menschen zu helfen, damit sie sich besser fühlen, wenn sie Schmerzen haben. Das ist für mich eine Handlung, die ich aus Liebe heraus tue. Es ist wie ein Geschenk Gottes, das ich mit anderen teile – und nur darum geht es. Text 15: Bürobedarf, Kirche, Massagesalon, Universität – Ave Maria bietet, was jede Kleinstadt bietet. Nur eben unter einem speziellen Blickwinkel. Und alles wurde von den ersten Einwohnern Mitte des vorletzten Jahrzehnts neu aufgebaut und hochgezogen – aus dem Nichts. O-Ton 20: Delaney “I like the idea that it was a new town. ... That’s kind of cool.” Voice over Sprecherin: Mir gefiel die Idee, dass es eine neue Stadt war, als ich hierher gezogen bin. Das fand ich sehr ansprechend. Eine ganz junge Stadt, in der es aber bereits eine Universität gibt, die mein 7
PAGE 11 Sohn jetzt besucht. Ich wollte in seiner Nähe sein, habe also hier einen Job gesucht. Außerdem bin ich Katholikin. Von daher habe ich zu einer Stadt namens Ave Maria natürlich eine besondere Beziehung. Das bedeutet „gegrüßet seist Du, Maria“. Das fand ich cool. Text 16: Wer von New York - oder von sonstwo her – nach Ave Maria zieht, den muss eine bestimmte Überzeugung treiben, genauer: eine tief- religiöse, so wie sie auch bei Kathy Delaney vorherrscht. Schon der Grundriss der künstlichen Stadt Ave Maria verstärkt diese Überzeugung: Alle Geschäfte, ob Souvenirläden oder Massagesalons, sind kreisförmig rund um die zentrale Kathedrale angeordnet. O-Ton 21: Delaney “The church is right here, at the center of town, … so it’s easy to live it.” Voice over Sprecherin: Die Kirche bildet das Stadtzentrum von Ave Maria. Man kann jederzeit kurz vorbeischauen, um ein Gebet zu sprechen. Der Glaube ist das zentrale Thema hier. Es fällt uns deswegen nicht schwer, ihn auch zu leben. Text 17: „Verkündigungs-Zirkel“ ist der offizielle Name des Kirchplatzes. Dort münden alle Straßen; dort sind die Geschäfte und Restaurants – genauer: das Restaurant, denn in Ave Maria gibt es genau eine irische Gaststätte, ein Café und einen Obstladen - ein Hauch von Sozialismus, ein Anfall von mangelndem Pluralismus in dieser Retortenstadt. O-Ton 22: Delaney “Well, we don't have any real big shopping areas yet. … from the world, you know. (lach)” Voice over Sprecherin Naja, richtige Einkaufszentren haben wir hier noch nicht. Wir müssen die Stadt verlassen, um wirklich groß einzukaufen. Hier 8
PAGE 11 gibt es nur das Notwendige, wie Schulen, Ärzte und eine Kirche. Es ist so eine Art Oase außerhalb der wahren Welt. Text 18: Immerhin hat Publix die Zeichen der Zeit erkannt. Die Supermarktkette hat eine eigene Filiale in Ave Maria eröffnet. „La Piazza Publix Center“ nennt sich der Riesenladen, der neben Lebensmitteln auch Haushaltsartikel verkauft. „La Piazza“ – der vormals grüne Platz also, auf dem der Supermarkt entstanden ist – wurde eigens für Publix erschlossen. Und nun entstehen auch Wohnhäuser um diese „Piazza“ herum. So geht das in Ave Maria. O-Ton 23: Delaney “I enjoy coming home to this. ... So if this is your thing, it’s nice to have.” Voice over Sprecherin Ich komme immer gerne hierhin zurück. Ich reise viel; gerade erst war ich in Ecuador, in Maryland und in Kalifornien. Dort besuche ich regelmäßig meine Familie. Ich kenne die Welt außerhalb. Gerade deswegen gefällt es mir hier: Es ist sicher, man fühlt sich beschützt, und man ist von Gleichgesinnten umgeben. Wer so etwas mag, wird sich hier wohlfühlen. Einspielung 24: Orgelmusik / Kirche Text 19: Etwas mehr als tausend „Gleichgesinnten“ bietet die Kirche von Ave Maria Platz – ein dreißig-meter-hoher Bau nur aus Glas und Stahl. Wäre Holz verwendet worden, hätte die hohe Luftfeuchtigkeit im Süden Floridas dazu geführt, dass sich im Innern des Gebäudes Wolken bilden und in der Kirche über kurz oder lang geradezu ein eigenes Ökosystem entsteht. Binnen eines einzigen Jahres, von März zwei-tausend-sechs bis März zwei- tausend-sieben, ist die Kirche erbaut worden. Und: Sie ist wirbelsturmsicher, kann sogar Hurrikans der höchsten Kategorie fünf widerstehen. Im Innern verfügt sie über einen Aufzug und Toiletten in beiden Seitenschiffen. 9
PAGE 11 Einspielung 25: Atmo Gebete (im Hintergrund) Kirche Einspielung 7: Hoe me 2 (instr., „Südstaatenmusik“ von Sonoton) Text 20: Rund zwanzig-tausend Menschen wohnen mittlerweile in Ave Maria. Dass die Frauen und Männer hier nicht verhüten, liegt nicht nur daran, dass sie im Ort keine Kondome bekommen. Es geschieht vielmehr aus Überzeugung. Und so hat die Besitzerin des Souvenirladens mittlerweile neun Kinder, der Diakon des Ortes acht. Als Spielplatz für den Nachwuchs fungiert der gesamte Ort. Der Platz rund um die Kirche wird geprägt von Familien mit Kindern sowie von alten Ehepaaren. Menschen in ihren Zwanzigern und Dreißigern sind hier unsichtbar. Die Studenten nehmen am Wochenende reißaus und kümmern sich nicht weiter um den religiösen Anspruch der Siedlung. Junge Leute lockt Ave Maria stattdessen mit Geld. O-Ton 26: Lyter “It’s kind of a long story … to have the financial aid that they were offering.” Voice over Sprecherin: Warum ich hier studiere – das is´ne lange Geschichte. Um es kurz zu machen: Die Hochschule hier ist noch neu. Die Universität von Ave Maria hat Stipendien vergeben. Meiner Familie und mir hat das finanziell sehr geholfen. Diese finanzielle Unterstützung hat es meinen Eltern überhaupt erst ermöglicht, mich auf eine Uni zu schicken. Einspielung 5: Ave Maria Atmo (Wind, Vögel, Stimmen in der Ferne) Text 21: Veronica Lyter ist aus Chicago nach Ave Maria gezogen, aber keinesfalls, um sich dem Kindersegen anzuschließen - jedenfalls noch nicht. Denn auch abseits der religiösen Anziehungskraft weiß die junge Stadt junge Leute anzulocken – mit Rabatten auf den 10
PAGE 11 Lehrbetrieb in Form geringerer Studiengebühren an der Ave Maria University. Erst hier habe sie dann festgestellt, welches Familienbild in dieser Gemeinde vorherrsche. Das sie selbst katholisch sei, habe sie das nicht überrascht, erzählt Veronica. O-Ton 27: Lyter “Catholics are very focused in their marriage. …with those big happy families.” Voice over Sprecherin: Katholiken konzentrieren sich sehr auf ihre Ehe. Sie sind für das Leben sehr offen. Und die meisten von ihnen verhüten nicht. Wir betrachten Kinder als Geschenk Gottes. Und das läuft nun einmal auf große, glückliche Familien hinaus. Text 22: Etwas mehr als tausend junge Menschen studieren derzeit an der Ave Maria University. Diese Zahl hat sich seit Gründung der Universität nicht nennenswert verändert. Veronica Lyter hat sich für Literatur entschieden. Ob und wenn ja welchen theologischen Einfluss die Dozenten zu nehmen versuchen - Veronica ist nicht sicher. O-Ton 28: Lyter “I don't think they stress it. … that theology and literature are two very different things.” Voice over Sprecherin: Ich glaube nicht, dass die Professoren religiöse Aspekte in unserer Lektüre besonders betonen. Nein, mir ist aufgefallen, dass unsere Dozenten sich metaphorisch ausdrücken. Was sie mir wohl sagen wollen, ist, dass Literatur Wahrheit reflektiert. Und für mich ist die Wahrheit Christus. Das ist aber meine persönliche Schlussfolgerung. Eigentlich bemühen sich unsere Dozenten, möglichst objektiv zu unterrichten. Sie betonen sogar, dass Theologie und Literatur zwei verschiedene Dinge sind. Text 23: Aber auch die gläubigsten jungen Menschen können nicht ablegen, dass sie sind, was sie sind – eben junge Menschen. Deswegen 11
PAGE 11 reicht ihnen die Ruhe und Abgeschiedenheit Ave Marias bisweilen doch nicht. O-Ton 29: Lyter “Everything I need is here. … I pretty much stayed here on campus for 8 months straight, and I was fine.” Voice over Sprecherin: Ich finde hier alles, was ich brauche. Aber ehrlich gesagt tut ein Tapetenwechsel dann und wann mal ganz gut. Jedes zweite Wochenende fahre ich mit meinen Freunden ins vierzig Autominuten entfernte Naples. Wir sind hier also nicht wie in einer kleinen Blase gefangen. Anfangs hatte ich aber noch kein Auto und war acht Monate lang non-stop hier auf dem Campus. Und das ging auch. Wdh. Einspielung 15: Ave Maria Atmo Text 24: Dass die Infrastruktur sowie die Auswahl an Einkaufs- und Freizeitangeboten in Ave Maria beschränkt sind – das stört die Älteren, die hier leben, nicht wirklich. Schließlich sind sie freiwillig gekommen. Und sie wussten, was sie erwartet. Oder – was sie eben nicht erwarten wird. Gerade sie jedoch sind genügsam und mit dem Angebot einer richtigen, einer größeren Stadt eher überfordert. Ein Ehepaar aus New York war vom Angebot in Ave Maria spontan so angetan, dass es sich entschlossen hat, umzuziehen und das Rentnerdasein in Ave Maria zu verbringen. O-Ton 30: Lintons “You know what – … to possibly do that here also.” Voice over Sprecher: Wissen Sie was – sollte ich feststellen, dass hier etwas fehlt, werde ich versuchen, es hierher mitzubringen. In New York bin ich Mitglied einer Gruppe namens „Freunde von Bill W.“. Vielleicht werde ich solche Treffen auch hier einführen. Text 25: 12
PAGE 11 William Griffith Wilson, genannt Bill W., war einer der Gründer der Anonymen Alkoholiker in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Mit seiner Idee, eine AA-Außenstelle in Ave Maria zu etablieren, dürfte es Dan Linton aus New York schwer haben. Denn trotz aller Toleranz: Minderheiten sind nun einmal nicht das, was Ave Maria auszeichnet. Auch Schwarze sucht man im Stadtbild vergebens. Den Vorwurf der Engstirnigkeit würden die Einheimischen jedoch nicht auf sich sitzen lassen, betont ein weißer Mitt-Vierziger. Er möchte weder sein genaues Alter noch seinen Namen verraten. Er erzählt, dass er als Anwalt zwar nicht in Ave Maria lebe, jedoch mindestens einmal pro Woche zum Gottesdienst herkomme. Seine vier Kinder würden die hiesige Schule und die Universität besuchen. O-Ton 31: Lawyer “I can say not only are there minorities here, …To say that that doesn't mean something is to insult intelligence.” Voice over Sprecher: Ich weiß, dass es hier nicht nur Minderheiten gibt, sondern sogar Schwule. Im Unterschied zu anderswo entscheiden sie sich aber hier dafür, ihre homosexuellen Veranlagungen nicht auszuleben. Sie glauben ebenfalls, dass zwei plus zwei nun einmal vier ergibt und nichts anderes. Aus einer homosexuellen Beziehung entstehen keine Nachkommen. Also, wenn das nichts bedeutet?! Das nicht anzuerkennen, wäre ein Affront gegenüber der menschlichen Intelligenz. Text 26: Und so gehen die Einwohner von Ave Maria hin und mehren sich weiter, in ihrer Siedlung, die sie für einen Garten Eden, die Besucher von außerhalb aber eher für ein religiöses Disneyland halten mögen. Die Beschreibung von Diakon Forrest Wallace klingt daher fast wie eine Drohung: O-Ton 32: Wallace „People are very friendly here. But it’s not Disneyworld. It’s not put on. It’s real people.” 13
PAGE 11 Voice over Sprecher: Die Menschen hier sind sehr freundlich. Aber es ist nicht Disneyworld. Es ist nicht aufgesetzt. Es sind wirkliche Menschen! Wdh. Einspielung 14: Spieluhr (Ave Maria) 14
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