Bibeltreu und kinderfreundlich Zu Besuch in der christlichen US-Retortenstadt Ave Maria - SWR

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Bei SWR2 Glauben
Bibeltreu und kinderfreundlich
Zu Besuch in der christlichen US-Retortenstadt Ave Maria
Von Guido Meyer

Sendung: 10.10.2021, 12.05 Uhr
Redaktion: Hans Michael Ehl
Produktion: SWR 2021

Seit 2005 gibt es mitten im Süden Floridas den Ort Ave Maria – eher eine Siedlung
als eine Stadt, aber mit tief-religiösem Hintergrund. Wie der Name schon sagt:
Gegrüßet seist Du, Maria! Leitprinzipien des täglichen Lebens hier: Bibeltreue und
Kinderreichtum. Man könnte es als Auswuchs des US-amerikanischen Pioniergeistes
interpretieren: Leere Landschaften, die darf es in den Vereinigten Staaten nicht
geben. Wo noch nichts ist, da muss etwas hin – gerne mal eine künstliche Stadt auf
der grünen Wiese, hochgezogen aus dem Nichts, Katholizismus „in the middle of
nowhere“. Ein Feature von Guido Meyer.

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Manuskript:
Einspielung 1: Auto-Zündung

Einspielung 2: Atmo Autofahrt

darüber Text 1:
Die Anreise von Miami - einmal quer durch Florida - dauert fast
zwei Stunden. Es geht schon gut los: Das Navi kennt die Siedlung
Ave Maria gar nicht. Aber irgendwie klappt es dann doch - bis zur
richtigen Autobahnausfahrt. Hier warnen gelbe Schilder am
Straßenrand vor dem Florida Panther. Der könnte hier die Straße
überqueren. Im gesamten Bundesstaat Florida gibt es nur noch
knapp über hundert Exemplare dieser Puma-Art. Das sagt alles über
die Abgeschiedenheit dieser Gegend. Nicht einmal Gegenverkehr
gibt es. Links und rechts der Straße stehen Einfamilienhäuser und
kleine Villen – teils bewohnt, teils leerstehend. Erst als in der
Ferne eine überdimensionale Kirche auftaucht, beschleicht den
Besucher das Gefühl, dass hier womöglich wirklich Menschen leben
...

Ansage Sprecherin
Bibeltreu und kinderfreundlich – Zu Besuch in der christlichen
US-Retortenstadt Ave Maria. Ein Feature von Guido Meyer

O-Ton 4: Wallace
“When you come into the town of Ave Maria …when you have the church across the
street.”
Voice over Sprecher:
Je näher Sie dem Zentrum von Ave Maria kommen, desto mehr wird
die Kirche zum alles dominierenden, zentralen Objekt. Zur linken
Seite ist der Campus der Universität, und rechts davon ist das
Stadtzentrum. Wir nennen es den „Verkündigungs-Zirkel“. Es ist
ein ovaler Platz um die Kirche herum mit Geschäften und
Wohnungen. Die Verkäufer sagen, diese Umgebung sei ideal. Na
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klar, es ist auch nicht schwierig, in guter Nachbarschaft zu
leben, wenn die Kirche gleich gegenüber ist.

Text 2:
Forrest Wallace ist so eine Art Mädchen für alles in Ave Maria.
Er ist Diakon und arbeitet in der Kirchengemeinde, leitet die
Pressearbeit der Universität und lehrt dort selbst Marketing. So
ist das in Ave Maria: Einer für alle, alle für einen.

O-Ton 5: Wallace
“It sounded like … to grow something brand new.”

Text 3:
Es habe sich für ihn wie eine großartige Gelegenheit angehört,
etwas völlig Neues aufzubauen,

O-Ton 6: Wallace
“something that is not typical in the US, not actually typical in the world”,

Text 4:
etwas, das untypisch sei für die Vereinigten Staaten und für den
Rest der Welt. Zwei-tausend-sieben ist Forrest Wallace mit seiner
Frau und acht Kindern von Cincinnati nach Südflorida gezogen.
Seine Mission: auf der grünen Wiese eine Siedlung entstehen zu
lassen.

Einspielung 7: Hoe me

Text 5:
Finanziert wurde diese religiöse Baustelle vom amerikanischen
Milliardär Tom Monaghan, der sich damit einen Lebenstraum
erfüllen wollte – seinen zweiten, denn zuvor hatte er bereits die
in den USA bis heute erfolgreiche Fastfoodkette Domino’s Pizza
aus dem Boden gestampft. Und – ganz amerikanisch - konnte er es
sich nicht verkneifen, das Logo seiner Pizzakette im Trottoir
gleich vor der Kathedrale zu verewigen.

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Einspielung 7: Hoe me 2 (instr., „Südstaatenmusik“ von Sonoton)

Text 6:
Von Anfang an war der Name Ave Maria Programm: Ein Ort für
gläubige Menschen sollte es werden, in dem die Frauen Röcke
tragen müssen und in dem keine Kondome verkauft werden.

O-Ton 8: Allen
“I’m here with my family, my husband and our 9 children.”

Text 7:
Auch Chelsea Allen ist 2005, gleich im Gründungsjahr von Ave
Maria, mit Ehemann und all ihren neun Kindern von Minnesota nach
Ave Maria gezogen.

O-Ton 9: Allen
“We moved here really to be in Ave Maria. … we decided to set up our businesses here
also.”
Voice over Sprecherin:
Nachdem wir hier waren, mussten wir Geld verdienen. Also haben
wir zwei Geschäfte eröffnet – dieses hier, By Way of the Family,
und nebenan arbeitet mein Mann als Chiropraktiker. Denn wenn wir
uns hier ansiedeln, dann sollten wir hier auch eine
Einnahmequelle haben.

Text 8:
By Way of the Family – das heißt nicht etwa „Apropos Family“ oder
“Umweg zur Familie“, sondern, im Gegenteil: Auf dem Weg zur
Familie. Auch das könnte ein Motto Ave Marias sein.

O-Ton 10: Allen
“I love the weather, … a little piece of heaven on Earth.”
Voice over Sprecherin:
Ich liebe das Wetter hier; ich liebe die Nachbarschaft; ich liebe
die Schulen; ich liebe einfach alles hier. Es ist ein wunderbarer
Ort, um zu leben – ein kleines Stück Himmel auf Erden.

Text 9:

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Für Chelsea Allen ist Ave Maria ein Garten Eden – und zwar vor
dem Sündenfall. Hier hat noch niemand in den Apfel gebissen.
Vielmehr gilt: Seid fruchtbar und mehret Euch!

O-Ton 11: Allen
“There are so many children here. … the same values that we share.”
Voice over Sprecherin:
Es gibt hier so viele Kinder, mit denen meine Kinder spielen
können. Und ich weiß, dass ihre Familien dieselben Werte teilen
wie wir.

Text 10:
By Way of the Family bietet Schulutensilien für Kinder, aber auch
religiösen Schmuck – Heiligenfiguren als Knuddelpuppe zum
Beispiel. Angefangen hatte der Laden vor sech-zehn Jahren mit
Büro- und Schreibbedarf. Doch schon bald habe die Nachfrage nach
christlichen Souvenirs überwogen, erzählt Chelsea Allen – und
führt vor ...

O-Ton 12: Allen
“This is a music box with a picture of the Madonna … it plays the Ave Maria.”
Voice over Sprecherin:
Das hier ist eine Spieluhr. Sie ziert ein bekanntes Madonnen-
Bild. Auf der Vorderseite der kleinen Kiste ist ein Gebet
eingraviert. Und wenn ich sie öffne, spielt sie das Ave Maria.

Einspielung 13: Spieluhr (Ave Maria)

Text 11:
Ave Maria ist der Traum des konservativen weißen Durchschnitts-
Amerikaners. Denn hier findet er nur seinesgleichen. Dennoch sei
dies eine tolerante Stadt, wie Pastor Robert Tatman betont.

O-Ton 14: Tatman
“It is a town built on American principle. … That’s very important to us.”
Voice over Sprecher:

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Wir haben diese Stadt getreu der amerikanischen Überzeugung
aufgebaut, dass wir Menschen nicht diskriminieren. Auch wenn wir
hier vorwiegend den katholischen Glauben feiern, hegen wir
gegenüber Andersgläubigen keine Vorurteile.

Einspielung 15: Ave Maria Atmo
(Wind, Vögel, Stimmen in der Ferne)

Text 12:
Die große Mehrheit der Einwohner von Ave Maria ist in der Tat
katholisch. Aber auch Protestanten, Juden und Muslime würden
geduldet, betont der Pastor.

O-Ton 16: Tatman
“It doesn't matter where you’re from – anyone is always welcome here. If that isn’t a sign
of Christianity, I don't know what is.” (lacht)
Voice over Sprecher:
Es spielt keine Rolle, woher jemand kommt. Jedermann ist
jederzeit willkommen. Wenn das keine christliche Einstellung ist,
weiß ich es auch nicht.

Einspielung 17: Kinderatmo
(spielende Kinder im Hintergrund, Straßengeräusche)

Text 13:
Das Stadtbild von Ave Maria bestimmen weiße, katholische, hetero-
sexuelle Mitt-Vierziger und –Fünfziger. Angehörige von
Minderheiten - wie Menschen mit dunkler Hautfarbe, Homosexuelle,
Alkoholabhängige oder auch Singles - verspüren offenbar keinen
großen Drang, sich in einer erzkatholischen Retorten-Stadt wie
Ave Maria niederzulassen. Überall sichtbar und hörbar jedoch ist
der Nachwuchs von Ave Maria, was auch Kathy Delaney – die
Masseurin Ave Marias - freut.

O-Ton 18: Delaney
“If you look around here, you see so many kids. … It’s like one big large family.”

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Voice over Sprecherin:
Wenn Sie sich umsehen, sehen Sie überall Kinder. Dieser Ort hier
ist hervorragend dafür geeignet, die eigenen Nachkommen
großzuziehen. Sie finden überall Hilfe; andere Familien springen
schon mal ein und kümmern sich auch um andere Kinder. Es ist wie
eine große Familie.

Text 14:
Kathy Delaney ist aus der Metropole New York ins beschauliche Ave
Maria gezogen. Die stämmige, langhaarige Frau hat im Wellness-
Tempel Salon d‘Maria im Zentrum der Stadt Arbeit gefunden.
Maniküre, Pediküre, Massage, Peeling – alles, um in Ave Maria
neben dem Geist auch den Körper in Schuss zu halten.

O-Ton 19: Delaney
“I’m a massage therapist. … that’s what it’s all about.”
Voice over Sprecherin:
Ich bin ausgebildete Masseurin. Meine Kunden werden von mir
therapeutisch behandelt. Mir gefällt es, Menschen zu helfen,
damit sie sich besser fühlen, wenn sie Schmerzen haben. Das ist
für mich eine Handlung, die ich aus Liebe heraus tue. Es ist wie
ein Geschenk Gottes, das ich mit anderen teile – und nur darum
geht es.

Text 15:
Bürobedarf, Kirche, Massagesalon, Universität – Ave Maria bietet,
was jede Kleinstadt bietet. Nur eben unter einem speziellen
Blickwinkel. Und alles wurde von den ersten Einwohnern Mitte des
vorletzten Jahrzehnts neu aufgebaut und hochgezogen – aus dem
Nichts.

O-Ton 20: Delaney
“I like the idea that it was a new town. ... That’s kind of cool.”
Voice over Sprecherin:
Mir gefiel die Idee, dass es eine neue Stadt war, als ich hierher
gezogen bin. Das fand ich sehr ansprechend. Eine ganz junge
Stadt, in der es aber bereits eine Universität gibt, die mein

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Sohn jetzt besucht. Ich wollte in seiner Nähe sein, habe also
hier einen Job gesucht. Außerdem bin ich Katholikin. Von daher
habe ich zu einer Stadt namens Ave Maria natürlich eine besondere
Beziehung. Das bedeutet „gegrüßet seist Du, Maria“. Das fand ich
cool.

Text 16:
Wer von New York - oder von sonstwo her – nach Ave Maria zieht,
den muss eine bestimmte Überzeugung treiben, genauer: eine tief-
religiöse, so wie sie auch bei Kathy Delaney vorherrscht. Schon
der Grundriss der künstlichen Stadt Ave Maria verstärkt diese
Überzeugung: Alle Geschäfte, ob Souvenirläden oder Massagesalons,
sind kreisförmig rund um die zentrale Kathedrale angeordnet.

O-Ton 21: Delaney
“The church is right here, at the center of town, … so it’s easy to live it.”
Voice over Sprecherin:
Die Kirche bildet das Stadtzentrum von Ave Maria. Man kann
jederzeit kurz vorbeischauen, um ein Gebet zu sprechen. Der
Glaube ist das zentrale Thema hier. Es fällt uns deswegen nicht
schwer, ihn auch zu leben.

Text 17:
„Verkündigungs-Zirkel“ ist der offizielle Name des Kirchplatzes.
Dort münden alle Straßen; dort sind die Geschäfte und Restaurants
– genauer: das Restaurant, denn in Ave Maria gibt es genau eine
irische Gaststätte, ein Café und einen Obstladen - ein Hauch von
Sozialismus, ein Anfall von mangelndem Pluralismus in dieser
Retortenstadt.

O-Ton 22: Delaney
“Well, we don't have any real big shopping areas yet. … from the world, you know.
(lach)”
Voice over Sprecherin
Naja, richtige Einkaufszentren haben wir hier noch nicht. Wir
müssen die Stadt verlassen, um wirklich groß einzukaufen. Hier

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gibt es nur das Notwendige, wie Schulen, Ärzte und eine Kirche.
Es ist so eine Art Oase außerhalb der wahren Welt.

Text 18:
Immerhin hat Publix die Zeichen der Zeit erkannt. Die
Supermarktkette hat eine eigene Filiale in Ave Maria eröffnet.
„La Piazza Publix Center“ nennt sich der Riesenladen, der neben
Lebensmitteln auch Haushaltsartikel verkauft. „La Piazza“ – der
vormals grüne Platz also, auf dem der Supermarkt entstanden ist –
wurde eigens für Publix erschlossen. Und nun entstehen auch
Wohnhäuser um diese „Piazza“ herum. So geht das in Ave Maria.

O-Ton 23: Delaney
“I enjoy coming home to this. ... So if this is your thing, it’s nice to have.”
Voice over Sprecherin
Ich komme immer gerne hierhin zurück. Ich reise viel; gerade erst
war ich in Ecuador, in Maryland und in Kalifornien. Dort besuche
ich regelmäßig meine Familie. Ich kenne die Welt außerhalb.
Gerade deswegen gefällt es mir hier: Es ist sicher, man fühlt
sich beschützt, und man ist von Gleichgesinnten umgeben. Wer so
etwas mag, wird sich hier wohlfühlen.

Einspielung 24: Orgelmusik / Kirche

Text 19:
Etwas mehr als tausend „Gleichgesinnten“ bietet die Kirche von
Ave Maria Platz – ein dreißig-meter-hoher Bau nur aus Glas und
Stahl. Wäre Holz verwendet worden, hätte die hohe
Luftfeuchtigkeit im Süden Floridas dazu geführt, dass sich im
Innern des Gebäudes Wolken bilden und in der Kirche über kurz
oder lang geradezu ein eigenes Ökosystem entsteht. Binnen eines
einzigen Jahres, von März zwei-tausend-sechs bis März zwei-
tausend-sieben, ist die Kirche erbaut worden. Und: Sie ist
wirbelsturmsicher, kann sogar Hurrikans der höchsten Kategorie
fünf widerstehen. Im Innern verfügt sie über einen Aufzug und
Toiletten in beiden Seitenschiffen.

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Einspielung 25: Atmo Gebete (im Hintergrund) Kirche

Einspielung 7: Hoe me 2 (instr., „Südstaatenmusik“ von Sonoton)

Text 20:
Rund zwanzig-tausend Menschen wohnen mittlerweile in Ave Maria.
Dass die Frauen und Männer hier nicht verhüten, liegt nicht nur
daran, dass sie im Ort keine Kondome bekommen. Es                 geschieht
vielmehr aus Überzeugung. Und so hat die Besitzerin des
Souvenirladens mittlerweile neun Kinder, der Diakon des Ortes
acht. Als Spielplatz für den Nachwuchs fungiert der gesamte Ort.
Der Platz rund um die Kirche wird geprägt von Familien mit
Kindern sowie von alten Ehepaaren. Menschen in ihren Zwanzigern
und Dreißigern sind hier unsichtbar. Die Studenten nehmen am
Wochenende reißaus und kümmern sich nicht weiter um den
religiösen Anspruch der Siedlung. Junge Leute lockt Ave Maria
stattdessen mit Geld.

O-Ton 26: Lyter
“It’s kind of a long story … to have the financial aid that they were offering.”
Voice over Sprecherin:
Warum ich hier studiere – das is´ne lange Geschichte. Um es kurz
zu machen: Die Hochschule hier ist noch neu. Die Universität von
Ave Maria hat Stipendien vergeben. Meiner Familie und mir hat das
finanziell sehr geholfen. Diese finanzielle Unterstützung hat es
meinen Eltern überhaupt erst ermöglicht, mich auf eine Uni zu
schicken.

Einspielung 5: Ave Maria Atmo
(Wind, Vögel, Stimmen in der Ferne)

Text 21:
Veronica Lyter ist aus Chicago nach Ave Maria gezogen, aber
keinesfalls, um sich dem Kindersegen anzuschließen - jedenfalls
noch nicht. Denn auch abseits der religiösen Anziehungskraft weiß
die junge Stadt junge Leute anzulocken – mit Rabatten auf den

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Lehrbetrieb in Form geringerer Studiengebühren an der Ave Maria
University. Erst hier habe sie dann festgestellt, welches
Familienbild in dieser Gemeinde vorherrsche. Das sie selbst
katholisch sei, habe sie das nicht überrascht, erzählt Veronica.

O-Ton 27: Lyter
“Catholics are very focused in their marriage. …with those big happy families.”
Voice over Sprecherin:
Katholiken konzentrieren sich sehr auf ihre Ehe. Sie sind für das
Leben sehr offen. Und die meisten von ihnen verhüten                          nicht. Wir
betrachten Kinder als Geschenk Gottes. Und das läuft nun einmal
auf große, glückliche Familien hinaus.

Text 22:
Etwas mehr als tausend junge Menschen studieren derzeit an der
Ave Maria University. Diese Zahl hat sich seit Gründung der
Universität nicht nennenswert verändert. Veronica Lyter hat sich
für Literatur entschieden. Ob und wenn ja welchen theologischen
Einfluss die Dozenten zu nehmen versuchen - Veronica ist nicht
sicher.

O-Ton 28: Lyter
“I don't think they stress it. … that theology and literature are two very different things.”
Voice over Sprecherin:
Ich glaube nicht, dass die Professoren religiöse Aspekte in
unserer Lektüre besonders betonen. Nein, mir ist aufgefallen,
dass unsere Dozenten sich metaphorisch ausdrücken. Was sie mir
wohl sagen wollen, ist, dass Literatur Wahrheit reflektiert. Und
für mich ist die Wahrheit Christus. Das ist aber meine
persönliche Schlussfolgerung. Eigentlich bemühen sich unsere
Dozenten, möglichst objektiv zu unterrichten. Sie betonen sogar,
dass Theologie und Literatur zwei verschiedene Dinge sind.

Text 23:
Aber auch die gläubigsten jungen Menschen können nicht ablegen,
dass sie sind, was sie sind – eben junge Menschen. Deswegen

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reicht ihnen die Ruhe und Abgeschiedenheit Ave Marias bisweilen
doch nicht.

O-Ton 29: Lyter
“Everything I need is here. … I pretty much stayed here on campus for 8 months straight,
and I was fine.”
Voice over Sprecherin:
Ich finde hier alles, was ich brauche. Aber ehrlich gesagt tut
ein Tapetenwechsel dann und wann mal ganz gut. Jedes zweite
Wochenende fahre ich mit meinen Freunden ins vierzig Autominuten
entfernte Naples. Wir sind hier also nicht wie in einer kleinen
Blase gefangen. Anfangs hatte ich aber noch kein Auto und war
acht Monate lang non-stop hier auf dem Campus. Und das ging auch.

Wdh. Einspielung 15: Ave Maria Atmo

Text 24:
Dass die Infrastruktur sowie die Auswahl an Einkaufs- und
Freizeitangeboten in Ave Maria beschränkt sind – das stört die
Älteren, die hier leben, nicht wirklich. Schließlich sind sie
freiwillig gekommen. Und sie wussten, was sie erwartet. Oder –
was sie eben nicht erwarten wird. Gerade sie jedoch sind genügsam
und mit dem Angebot einer richtigen, einer größeren Stadt eher
überfordert. Ein Ehepaar aus New York war vom Angebot in Ave
Maria spontan so angetan, dass es sich entschlossen hat,
umzuziehen und das Rentnerdasein in Ave Maria zu verbringen.

O-Ton 30: Lintons
“You know what – … to possibly do that here also.”
Voice over Sprecher:
Wissen Sie was – sollte ich feststellen, dass hier etwas fehlt,
werde ich versuchen, es hierher mitzubringen. In New York bin ich
Mitglied einer Gruppe namens „Freunde von Bill W.“. Vielleicht
werde ich solche Treffen auch hier einführen.

Text 25:

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William Griffith Wilson, genannt Bill W., war einer der Gründer
der Anonymen Alkoholiker in den dreißiger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Mit seiner Idee, eine AA-Außenstelle in Ave Maria
zu etablieren, dürfte es Dan Linton aus New York schwer haben.
Denn trotz aller Toleranz: Minderheiten sind nun einmal nicht
das, was Ave Maria auszeichnet. Auch Schwarze sucht man im
Stadtbild vergebens. Den Vorwurf der Engstirnigkeit würden die
Einheimischen jedoch nicht auf sich sitzen lassen, betont ein
weißer Mitt-Vierziger. Er möchte weder sein genaues Alter noch
seinen Namen verraten. Er erzählt, dass er als Anwalt zwar nicht
in Ave Maria lebe, jedoch mindestens einmal pro Woche zum
Gottesdienst herkomme. Seine vier Kinder würden die hiesige
Schule und die Universität besuchen.

O-Ton 31: Lawyer
“I can say not only are there minorities here, …To say that that doesn't mean something
is to insult intelligence.”
Voice over Sprecher:
Ich weiß, dass es hier nicht nur Minderheiten gibt, sondern sogar
Schwule. Im Unterschied zu anderswo entscheiden sie sich                            aber
hier dafür, ihre homosexuellen Veranlagungen nicht auszuleben.
Sie glauben ebenfalls, dass zwei plus zwei nun einmal vier ergibt
und nichts anderes. Aus einer homosexuellen Beziehung entstehen
keine Nachkommen. Also, wenn das nichts bedeutet?! Das nicht
anzuerkennen, wäre ein Affront gegenüber der menschlichen
Intelligenz.

Text 26:
Und so gehen die Einwohner von Ave Maria hin und mehren sich
weiter, in ihrer Siedlung, die sie für einen Garten Eden, die
Besucher von außerhalb aber eher für ein religiöses Disneyland
halten mögen. Die Beschreibung von Diakon Forrest Wallace klingt
daher fast wie eine Drohung:

O-Ton 32: Wallace
„People are very friendly here. But it’s not Disneyworld. It’s not put on. It’s real people.”

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Voice over Sprecher:
Die Menschen hier sind sehr freundlich. Aber es ist nicht
Disneyworld. Es ist nicht aufgesetzt. Es sind wirkliche Menschen!

Wdh. Einspielung 14: Spieluhr (Ave Maria)

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