Biblisches Wörterbuch - Ulrich Laepple (Hrsg.) in Verbindung mit Hartmut Bärend und Wolfgang Neuser
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Ulrich Laepple (Hrsg.) in Verbindung mit Hartmut Bärend und Wolfgang Neuser Biblisches Wörterbuch
Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Ein Autorenverzeichnis der Einzelartikel finden Sie auf Seite 622, eine Liste der verwendeten Abkürzungen auf Seite 620. 2. Auflage 2014 © 2010 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG Bodenborn 43 · 58452 Witten Internet: www.scmedien.de | E-Mail: info@scm-brockhaus.de Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg Druck und Bindung: CPI–Ebner & Spiegel, Ulm Gedruckt in Deutschland ISBN 978-3-417-26632-0 Bestell-Nr. 226.632
3 Vorwort Wer Christ werden und Christ bleiben will, sammenhängen. Aber es gibt Schlüsselbe- braucht die Bibel. Eine Christin, ein Christ griffe, die diese Botschaft tragen, die sie auf- will auf Dauer nicht »aus zweiter Hand« le- schließen und Grundworte, ohne die sie ben, sondern dem biblischen Wort selber be- nicht sein könnte, was sie ist. Solche Grund- gegnen. Wenn die Bibel Begleiterin unseres worte sind ihre Bausteine. In diesem Wör- Alltags geworden ist, machen wir häufig die terbuch ist fast 200 von ihnen in einzelnen beglückende Erfahrung: Sie spricht direkt in Artikeln besondere Beachtung geschenkt unseren Lebensalltag hinein. worden. Aber wir kennen auch die andere Erfah- Mit dem Biblischen Wörterbuch haben rung, dass wir erwartungsvoll die Bibel zur wir Menschen vor Augen, für die die Bibel Hand nehmen und über Begriffe stolpern, Neuland ist. Dazu gehören die, die angefan- die uns fremd oder unklar sind. Wir blättern gen haben, sich Gott anzuvertrauen und Je- dann vielleicht in unterschiedlichen Über- sus kennenzulernen. Wir denken aber auch setzungen, rätseln bei manchen Ausdrücken an die vielen Ehrenamtlichen und Haupt- über den Sinn und ahnen mehr als dass wir amtlichen in der Gemeinde, die nicht theo- wüssten, was sie bedeuten. Das kann die logisch ausgebildet sind. Sie stehen immer Freude am Bibellesen trüben und sie als ein wieder vor der besonderen Aufgabe, in fremd bleibendes und unzugängliches Buch Dienstgruppen, Hauskreisen, im Kirchen- erscheinen lassen, das ein heutzutage leben- vorstand, in gemeindlichen Ausschüssen der Mensch eben doch nicht verstehen kann. oder Jugendgruppen in einer Kurzandacht Denn wer unter Jugendlichen kann heute ein Bibelwort auszulegen. Dieses Wörter- das Wort »Zion« erklären? Woher soll ein buch mit seinen vielen Querverweisen kann vor Kurzem Christ gewordener Mensch wis- ihnen dabei weiterhelfen. Es wird jedoch – sen, welche Weite und Tiefe das Wort »Se- gerade wegen seiner Allgemeinverständ- gen« hat, was für ein Fest hinter »Passah« lichkeit – auch den theologisch Ausgebilde- steht, was es mit dem »Sabbat« auf sich hat ten nützlich sein. Oft sind gerade sie in ihrer oder was gemeint ist, wenn im Neuen Testa- täglichen Arbeit darauf angewiesen, Be- ment vom »Handauflegen« und vom »Heili- deutung und Hintergrund eines biblischen gen Geist« die Rede ist und warum das Wort Begriffs ohne wissenschaftliches Beiwerk »Rechtfertigung« für einen evangelischen schnell erfassen zu müssen. Sie können Christen unentbehrlich ist? Angesichts eines dies hier durch einen sicheren Zugriff auf unvergleichbaren Abbruchs der Traditionen einen Artikel tun, der kurz und bündig das des Christlichen in unserem Land – nicht gesuchte Wort oder den erfragten Zusam- nur, was die Bibelkenntnis, sondern über- menhang erklärt. haupt was den Umgang mit Kirche und Die Besonderheit des vorliegenden Bib- Glauben betrifft –, ist die Hilfe einer Worter- lischen Wörterbuchs liegt jedoch vor allem klärung heute nötiger denn je. darin, dass jeder Artikel im jeweils dritten Die biblische Botschaft ist gewiss ein Abschnitt (»Der Begriff heute«) Linien zu Ganzes, lebt von kleineren und großen Zu- unserer heutigen Lebenswirklichkeit zieht.
Vorwort 4 Die Verfasser haben gerade diesem dritten weniger bekannten Autorinnen und Auto- Teil eine besondere Aufmerksamkeit ge- ren. Durch ihre Kenntnis und ihre Liebe zur schenkt. Denn die Zeiten ändern sich schnell, Heiligen Schrift ist es gelungen, ein neues und mit ihnen die Sprache, die Verstehens- Wörterbuch vorzulegen. horizonte und die Vorstellungswelt. Man Zu danken ist sodann den beiden Mit- denke nur daran, wie die elektronischen Me- herausgebern, Pfr. Hartmut Bärend und Prof. dien – Computer, Handy, Fernsehen – unse- Dr. Wolfgang Neuser. Ersterer hat – zuletzt re Lebenskultur, auch unsere äußeren und als Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft inneren Bilder und unser Denken verändert Missionarische Dienste (AMD) – mit seiner haben! Zeitgemäßheit ist darum ein wichti- Leidenschaft für die Bibel und für die Ver- ges Kriterium für den Zugang zur christli- breitung des Evangeliums über Jahrzehnte chen Botschaft. Und doch kann »Zeitge- das Leben der Kirche und der theologischen mäßheit« nicht das einzige Kriterium für Landschaft in Deutschland mitgeprägt und ein biblisches Wörterbuch sein. Denn die zu diesem Wörterbuch zahlreiche Anre- Bibel, so wie sie ist, nötigt uns, auch in eine gungen gegeben. Letzterer stand viele Jahre andere, frühere Zeit, in eine andere, frühere als Generalsekretär der großen Arbeit des Kultur und Sprache hineinzugehen. CVJM-Gesamtverbands vor und gestaltete Ist diese Mühe wirklich nötig? als erster Direktor der CVJM-Hochschule Viele haben heute die Neigung, den Weg die kirchliche Bildungslandschaft in unse- »in die fremde Welt der Bibel« als unnöti- rem Land mit. gen Umweg zu Gott anzusehen. Es hat eine Nicht zuletzt ist Frau Elke Mania ein besondere Faszination, dem Göttlichen »un- großer Dank auszusprechen. Sie hat die mittelbar« zu begegnen, besonders in den Manuskripte gesichert und Ordnung in den vielen Spielarten der Esoterik und östlicher Schriftverkehr gebracht. Ihre Übersicht und Religiosität. Christen aber brauchen die Bi- ihre Impulse haben zum Gelingen des Wör- bel als »Mittlerin«, als Brücke zu Gott. Wir terbuchs entscheidend beigetragen. brauchen sie, weil sie das Zeugnis des Got- Die Herausgeber dieser neuen Auflage tes ist, der sich in einer bestimmten Zeit und freuen sich über den Zuspruch, den dieses an bestimmten Orten in bestimmter Sprache Wörterbuch seit seiner 1. Auflage erfahren offenbart hat. Sie fordert uns auf, uns und hat. unseren Glauben an ihr zu »bilden«. Wie ge- Die vorliegende Auflage ist durch den schieht das? Ein holländischer Theologe zusätzlichen Artikel »Klagen/Weinen« er- drückte es so aus: »Das Wort bringt den gänzt worden, der in einem Biblischen Wör- Geist an die Herzen heran; der Geist bringt terbuch nicht fehlen darf. das Wort in die Herzen hinein« (Hendrikus Wir wünschen den Leserinnen und Le- Berkhof ). Glauben weckend und Glauben sern bei der Lektüre Entdeckerfreude an bildend zeigt uns das gemeinsame Werk den einzelnen biblischen Wörtern, die nichts von Wort und Geist den Gott, der über Abra- weniger sind als Bausteine für das lebendige ham, Mose und die Propheten und abschlie- Wort, durch das Gott zu uns Menschen ßend in Jesus Christus zur Welt kommt. Ein spricht. großer Reichtum wartet da auf uns! Ulrich Laepple Es ist nach verschiedenen Seiten ein herzlicher Dank auszusprechen: Zuerst ge- genüber den zahlreichen bekannten oder
5 Abendmahl/Mahl des Herrn A Abba → Vater/Abba erte es zusammen mit seinen → Jüngern am Abbild → Götze/Götzendienst/Abbild Abend, bevor er starb. Die Juden gedenken bei diesem Mahl im Rahmen einer ausführ- lichen Liturgie der Rettung aus dem Skla- Abendmahl/Mahl des Herrn venhaus Ägyptens. Beim Verteilen des un- gesäuerten Brotes erklärt der Hausvater: I. Wortbedeutung »Dies ist das Brot der Betrübnis, das unsere Der Ausdruck »Abendmahl« oder »Mahl Väter gegessen haben, als sie aus dem Lan- des Herrn« ist von 1Kor 11,20 abgeleitet de Ägypten auszogen.« Vielleicht hat Jesus (kyriakon deipnon). Wo sonst im NT der Be- an dieser Stelle an jenem letzten Passahmahl griff deipnon (»Mahl«) auftaucht (vgl. Mk mit seinen Jüngern in die überlieferte Pas- 6,21; Lk 14,12.16; Joh 12,1; 13,2; 21,20), sahliturgie eingegriffen und die auf ihn be- bezieht er sich immer auf die Hauptmahl- zogenen Einsetzungsworte »Dies ist mein zeit, die am Abend stattfand (daher auch Leib …, dies ist mein Blut« gesprochen. »Abendmahl«), manchmal auch auf ein b) Das Verständnis des Abendmahls ist in Festmahl (Mt 23,6; Offb 19,9.17). der Urgemeinde jedoch auch geprägt von Der Ausdruck erinnert uns daran, dass Jesu Tischgemeinschaft mit Zöllnern und das Mahl des Herrn nach einer normalen Sündern (vgl. Mk 2,13-17). Indem Jesus zu Mahlzeit eingesetzt und auch in der Urge- ihnen kam, mit ihnen aß und trank, brachte meinde so gefeiert wurde. Im NT wird es er ihnen die barmherzige Nähe Gottes, die auch »Brotbrechen« (Apg 2,42.46; 20,7.11; → Vergebung der Sünden. Diese Gemein- 1Kor 10,16) genannt oder mit dem Aus- schaft mit dem »Freund der Zöllner und druck »Tisch des Herrn« (1Kor 10,21) um- Sünder« (Mt 11,19) bekundet die christliche schrieben. Gemeinde, wenn sie das Herrnmahl feiert. 2.) Ein zeichenhaftes Mahl II. Die Begriffe in der Bibel Menschen kennzeichnen wichtige Ent- Den Einsetzungsbericht finden wir in den scheidungen durch zeichenhafte Handlun- drei ersten Evangelien (Mt 26,26-29; Mk gen: Unterschriften, Handschlag, Ringaus- 14,22-25; Lk 22,15-20) und bei Paulus in tausch. Die Bibel ist voll von Symbolen 1Kor 11,23-25. oder – wie man auch sagt – Zeichenhand- 1.) Wie kam es zur Einsetzung lungen. des Abendmahls? Dem Volk des Neuen → Bundes hat Je- a) Das Abendmahl ist im Zusammenhang sus zwei solcher Handlungen mitgegeben, mit dem Passahmahl (→ Passah) entstan- die das ganze → Evangelium enthalten: die den, das die Juden einmal im Jahr feierten → Taufe und das Abendmahl. Letzteres ist (Mk 14,12-16; Lk 22,15). Das Passahmahl zunächst ein Mahl, das die wichtigsten Ele- hat das Verständnis der christlichen Feier mente jeglichen Mahles enthält: Essen und mitgeprägt (vgl. 1Kor 5,7). Auch Jesus fei- Trinken; Brot, das uns nährt, Wein, der uns
Abendmahl/Mahl des Herrn 6 erfrischt und guttut. Ein Mahl ist immer ein auszog« (vgl. 2Mo 13,8). Ähnlich bekennt Zeichen der Gemeinschaft, nicht nur zwi- der gläubige Teilnehmer am Herrnmahl: schen Menschen (vgl. Lk 15,2; Mt 11,19), »Dies ist der Leib, den Jesus für mich gege- sondern auch zwischen Gott und den Men- ben hat, das Blut, das er für mich vergossen schen (vgl. 5Mo 12,7; 2Mo 24,11). Beim hat.« Abendmahl sind Brot und Wein eine »geist- Der Tod Jesu eröffnet den Weg eines neu- liche Speise« und ein »geistlicher Trank« en »Auszugs aus Ägypten«, aus der Knecht- (1Kor 10,3-4), also Elemente, die einen schaft dieser Welt in die wahre → Freiheit. geistlichen Sinn haben. Weil mit dem Essen Am Herrnmahl teilnehmen heißt, diese Be- und Trinken eine Gemeinschaft mit Jesus freiung für sich in Anspruch zu nehmen. hergestellt wird, darum ist das Essen und (→ Auszug) Trinken auch mehr als nur ein zeichenhaftes 4.) Ein Mahl mit dem Herrn Geschehen. Es ist ein Pfand, das bewirkt, Ein Mahl ist immer ein Zeichen der was es bedeutet (vgl. 1Kor 10,16: »… ist → Gemeinschaft (vgl. Lk 15,2; Mt 11,19). das nicht die Gemeinschaft …?«). Am Gott kann mit Sündern keine Gemeinschaft Abendmahl teilnehmen heißt bekennen: Ich haben, aber durch den Tod Jesu ist diese Ge- brauche Jesus so notwendig wie Speise und meinschaft wiederhergestellt worden. Das Trank (vgl. Joh 4,12-14; 6,51.53-57). Sei- Abendmahl vergegenwärtigt zugleich Mittel nen Leib essen heißt, sich durch den und Ergebnis dieser Wiederherstellung der → Glauben sein Leben anzueignen; sein Gemeinschaft zwischen Gott und uns (vgl. Blut trinken heißt, seinen Tod für sich in An- Lk 14,16ff; 15,23ff ). spruch zu nehmen. 5.) Ein Bundesmahl 3.) Ein Gegenbild des Passah- bzw. »Dieser Kelch ist der neue → Bund in Ostermahls meinem Blut, das für euch vergossen wird« Das letzte Mahl des Herrn mit seinen (Lk 22,20). Am Berg Sinai hat Gott mit sei- Jüngern war gewiss kein normales Passah- nem Volk einen Bund geschlossen (2Mo mahl, weil die Osterlämmer erst nach Jesu 24,3-8), der durch ein Mahl besiegelt wurde Tod auf Golgatha im Tempel geschlachtet (V. 9-11). Diesen Bund hat jedoch das Volk wurden. Viele Juden jedoch feierten Ostern → Israel gebrochen, weil es das Gesetz nicht ohne Osterlamm. Etliche Gruppen hielten gehalten hat. Darum haben die → Propheten sich an einen anderen Kalender als die einen neuen Bund verheißen, der auf der → Hohenpriester. Unzweifelhaft haben Je- Vergebung der Sünden und der Zuwendung sus und die Jünger bei dieser Zusammen- Gottes zu allen Menschen – über Israel kunft an das Passahmahl gedacht (vgl. Mk hinaus – basiert. 14,12.14-16; Lk 22,16). Auch Paulus zieht Die Besprengung mit dem Bundesblut den Vergleich zwischen dem Tod Jesu und (2Mo 24,8) bedeutete für alle Besprengten dem Osterlamm (1Kor 5,7). Teilhabe an dem Bund (vgl. Hebr 9,20). So Wie das Blut der Osterlämmer die Israe- bekennen alle, die aus dem Abendmahls- liten vor dem Würgeengel bewahrte, so be- kelch trinken, dass sie an der → Vergebung wahrt das Blut Jesu vor dem kommenden der Sünden teilhaben, die durch den Tod → Gericht. Durch das Teilnehmen am Pas- Jesu »für viele«, d.h. nach hebr. Sprach- sahmahl wurde jeder Gast in die Zeit des gebrauch: für alle, zugänglich wurde. ersten Passahmahls versetzt. »Dies hat der 6.) Ein Opfermahl Herr für mich getan, als ich aus Ägypten Wenn Jesus das Brot bricht und sagt:
7 Abendmahl/Mahl des Herrn »Dies ist mein Leib«, so meint er mit »Leib« schaft mit dem Herrn und mit allen anderen nicht ein Etwas, sondern sich selber. Denn Teilnehmern. Jesus ist nicht nur gestorben, das Wort für »Leib« bezeichnet im Aramäi- um uns mit Gott zu versöhnen, sondern schen, der Sprache, die Jesus gebrauchte, auch, »um die verstreuten Kinder Gottes zu- die ganze Person. Deshalb kann man über- sammenzubringen« (Joh 11,52). setzen: »Das bin ich, der für euch dahinge- Die Einsetzungsberichte des Abend- geben wird.« Und wenn Jesus sagt: »Dies ist mahls sind umgeben von Ermahnungen zur mein Blut …, das vergossen wird für viele Einheit und gegenseitigen → Liebe (Lk zur Vergebung der Sünden« (Mk 14,24), so 22,22-27; Joh 13,14; 15,12; 17,21). Diese wird vollends deutlich, dass Jesus sein Ge- tägliche Tischgemeinschaft verband die ers- schick als stellvertretendes Sühneleiden ten Christen zu einer unzertrennlichen Ein- deutet. heit (Apg 2,42.46-47). Darum versündigten Eine Vorschattung für das sühnende Ge- sich die Korinther so schwer gegen den Leib schehen findet sich schon im AT. Einerseits Christi: Durch die Teilnahme am Abend- gilt: »Wer sündigt, soll sterben« (Hes 18,4). mahl bezeugten sie: Wir sind mit allen Mit- Andererseits bietet Gott in seiner → Gnade beteiligten ein Leib. Doch durch ihr Verhal- dem Sünder einen Stellvertreter an: Ein un- ten widerlegten sie dieses Zeugnis: Die schuldiges Tier stirbt an seiner Stelle. Der einen aßen alles selbst und ließen die ande- Opfernde legt seine Hand auf das Tier, be- ren Glieder hungrig (1Kor 11,21). Glieder kennt seine Sünden, die nun durch diese eines Leibes verhalten sich anders (12,25). symbolische Identifizierung auf das Opfer Ein solch zwiespältiges Verhalten straft der übergehen, und tötet das unschuldige We- Herr (11,30). sen. Er bezeugt damit: Ich hätte diesen Tod 8.) Ein Gedächtnismahl verdient, aber Gott ist mir gegenüber gnä- »Das tut zu meinem Gedächtnis« (Lk dig. Er hat den Tod dieses Tieres an meiner 22,19; 1Kor 11,24). Gedächtnismahle waren Stelle angenommen. Nun ist zwischen ihm in der antiken Welt üblich. Am Todestag ei- und mir alles in Ordnung. Er kann wieder ner Person versammelten sich jedes Jahr Gemeinschaft mit mir haben und bezeugt es Freunde und Verwandte zu einem Mahl, durch ein gemeinsames Mahl (vgl. 3Mo 7,9- während dem man Geschichten aus dem Le- 21; 28,34; 5Mo 12,7.12). ben des Verstorbenen erzählte. Es ist not- So ist die Teilnahme am Herrnmahl auch wendig, dass wir regelmäßig daran erinnert an erster Stelle das Bekenntnis, dass wir den werden, dass wir nicht durch vergängliche Tod verdient haben, der durch das gebroche- Dinge losgekauft wurden, sondern mit dem ne Brot und den vergossenen Wein versinn- kostbaren Blut des tadellosen, unbefleckten bildlicht ist, dass ihn aber Jesus auf sich ge- → Lammes: → Christus (1Petr 1,18-19). nommen hat und wir dadurch nun wieder In der hebr. und ebenso der griech. Welt Gemeinschaft mit dem Herrn haben können. hatte das Wort »Gedächtnis« (anamnesis) Im Tod Jesu sind alle → Opfer des alten eine weit tiefere Bedeutung als bei uns. Es Bundes erfüllt und vollendet. wird als eine Vergegenwärtigung von Ver- 7.) Ein Gemeinschaftsmahl gangenem verstanden und bedeutet – wie »Denn ein Brot ist’s: So sind wir viele ein beim Symbol – die Begegnung und Ver- Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben« schmelzung von Zeichen und Wirklichkeit. (1Kor 10,17). Durch die Teilnahme am So sollten z.B. die Passahfestteilnehmer die Herrnmahl bezeugen wir unsere → Gemein- Bitterkräuter kauen, um an der Bitterkeit des
Abendmahl/Mahl des Herrn 8 Sklaventums in Ägypten Anteil zu bekom- hat seinen Jüngern versprochen, dass sie an men. Gamaliel, zu dessen Füßen Paulus als seinem Tisch in seinem Reich essen und Schüler gesessen hatte, lehrte: Jede Genera- trinken würden (Lk 22,28-30). Auch Johan- tion, jeder Mann muss sich selbst als aus nes sieht den Beginn des Reiches Gottes in Ägypten befreit ansehen. Jeder Israelit der Vision eines großen Hochzeitsmahls muss wissen, dass er es ist, der aus der (Offb 19,6-9). Ein Hochzeitsmahl ist ein Knechtschaft erlöst wurde (vgl. 2Mo 13,8; großes Fest- und Freudenmahl. Darum wur- 5Mo 26,6-8). de das Abendmahl bei den ersten Christen So begreift der Glaube des Abendmahl- »mit Freude« (Apg 2,46) und in der Hoff- teilnehmers die Wirklichkeit der → Erlö- nung auf die → Wiederkunft des Herrn be- sung, die auf Golgatha geschah. Wenn das gangen. Brot gebrochen und gereicht wird, erfasst Der Ruf »Maranatha« (»Unser Herr, der Glaube, was ihm gültig mit dem Zeichen komm!« oder »Unser Herr kommt«; 1Kor des Brotes bezeugt wird: dass Jesu Leib für 16,22) gehörte von Anfang an zur Abend- ihn am Kreuz dahingegeben wurde. Wenn mahlsliturgie. Darum waren auch Lob- und der Wein gereicht wird, dann erfasst der Dankgebete Hauptbestandteil des Abend- Glaube, was ihm gültig und verlässlich mit mahls. Von daher kam es zu der Bezeich- dem Zeichen des Weines bezeugt wird: dass nung »Eucharistie« (= Danksagung). das Blut Jesu für ihn vergossen wurde. So Alfred Kuen / Fritz Grünzweig wird dem Empfangenden der Tod seines Retters für seine Sinne vergegenwärtigt, so- III. Die Begriffe heute dass er Gottes Gnade rühmen kann: Ja, er Was geschieht eigentlich beim Abend- starb für mich. Denn »Gedächtnis« bedeute- mahl? Durch die Teilnahme am Abendmahl te auch: Bekenntnis. Somit könnte der Be- erfahren wir die Vergangenheit, die Gegen- fehl des Herrn auch umschrieben werden: wart und die Zukunft Gottes. Wir haben An- Solches tut, um euch zu mir zu bekennen – teil am göttlichen Geheimnis (= lat. sacra- da ihr durch meinen Tod erlöst seid mentum), das sich in Christus offenbart. (→ Bekennen/Bekenntnis). Dabei lassen sich die verschiedenen bib- 9.) Ein Hoffnungsmahl lischen Aspekte des Abendmahls und ihre Dieses Bekenntnis ist zugleich Verkündi- Konsequenzen in drei Schritten darstellen. gung im Vorletzten und Ankündigung des 1.) Vergangenheit: Wir erinnern uns Letzten: »Denn sooft ihr von diesem Brot (Gedächtnismahl) esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt Jesus feierte am letzten Abend vor seiner ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (1Kor Kreuzigung mit den Jüngern das Passah- 11,26; vgl. Mt 26,29; Mk 14,25). Die Aus- mahl. Wenn wir heute das Abendmahl fei- sage Jesu: »Ich sage euch, dass ich nicht ern, erinnern wir uns deshalb auch an Gottes mehr trinken werde vom Gewächs des befreiendes Handeln: So wie er Israel aus Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs der Gefangenschaft befreit hat, so hat Jesus Neue davon trinke im → Reich Gottes« (Mk Menschen von ihrem Gefangensein in 14,25), stellt das Abendmahl insbesondere Schuld und ihrer gesellschaftlichen Außen- in den Horizont des Kommenden. seiterstellung befreit, indem er ihnen ohne Jesus hat öfter das kommende → Reich Gegenleistung einen Platz an seinem Tisch Gottes mit einem großen Festmahl vergli- anbot. chen (Mt 22,2-14; 25,10; Lk 14,16-24). Er Das muss Konsequenzen für unsere eige-
9 Abendmahl/Mahl des Herrn ne Abendmahlspraxis haben. Keiner sollte dem Abendmahl auftauchen, sollten wir aufgrund seiner sozialen Stellung oder wes- uns an Jesu Weisung erinnern: »Tut dies zu halb auch immer schief angesehen werden. meinem Gedächtnis.« Vor Gott und am Tisch des Herrn sind wir 2.) Gegenwart: Wir erfahren Gemein- gleich, einer wie der andere angewiesen auf schaft (Gemeinschaftsmahl) das Brot des Lebens. Das Abendmahl ist in dreifacher Hinsicht Im letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern auch ein Gemeinschaftsmahl, denn wir er- gibt er ihnen Anteil an dem, wofür er gelebt fahren Gemeinschaft mit Gott, untereinan- hat und gestorben ist. Er nimmt sie durch der und mit der Weltchristenheit. seine Person in Gottes Gnadenbund auf. Da- a) Gemeinschaft mit Gott: Jesus selbst bei geht es um Leben und Tod. Deshalb soll- stellt durch das Abendmahl unsere gestörte te jedes Abendmahl auch in einer angemes- Verbindung zu Gott wieder her. Wenn ich senen (je nach Kirche oder Gemeinde auch glaube, dass sein Leib und sein Blut auch unterschiedlichen) liturgischen Form und für mich gegeben wurden, dann bin ich ver- mit feierlichem Ernst und der Würde des söhnt mit Gott. Dies muss bei der Frage, wer Anlasses entsprechend gefeiert werden. eigentlich am Abendmahl teilnehmen darf, Paulus erinnert die Gemeinde in Korinth, bedacht werden. Wir gehen alle als Sünder die aus dem Mahl des Herrn eine Art »Bot- an den Tisch des Herrn, keiner von uns hat tleparty« gemacht hatte, zu Recht an die tie- diesen Platz verdient, aber indem wir teilha- fe Bedeutung des Abendmahls: »Ihr verkün- ben an Jesu Leib und Blut, haben wir auch digt den Tod des Herrn« (1Kor 11,26). teil an dem, wofür er steht, nämlich an der Die Erinnerung an Jesu letzte Mahlzeit uns mit ihm versöhnenden Liebe Gottes. mit seinen Jüngern vor seinem Tod sollte Wir werden seine Tischgenossen und Gäste. uns sensibel für die Form machen, in der Wer gläubig am Abendmahl teilnimmt, ist wir Abendmahl feiern. So kommt es wohl bereit, sich die Sünden vergeben zu lassen. nicht so sehr darauf an, ob wir den »Saft Wer dazu nicht bereit ist, sollte auf eine Teil- der Reben« in Form von Traubensaft oder nahme verzichten. Wein zu uns nehmen, denn nicht der Wein, b) Gemeinschaft untereinander: Jesus sondern der Kelch ist das Symbol; was aller- feierte das Mahl mit Thomas, dem Zweifler, dings bei der Diskussion über die Verwen- Petrus, dem feigen Angeber, und Judas, dem dung von Einzelkelchen eine Rolle spielen Verräter, und er feiert es noch heute mit je- sollte. Wichtiger ist die Bedeutung, die Je- dem, der sich von ihm dazu einladen lässt. sus ihm gibt. (Vgl. 1Kor 11,25; Lk 22,20: Er ist der einladende Gastgeber, wir sind sei- »Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem ne Gäste. Damit wird ein Wesensmerkmal Blut, das für euch vergossen wird.«) der christlichen Gemeinde deutlich. Sie ist Jesu Umgang mit den Kindern lässt heute kein Verein oder Freundeskreis, der sich sei- viele Gemeinden über die Frage einer mög- ne Mitglieder nach Zuneigung aussucht, lichen Zulassung von Kindern zum Abend- sondern Gott selbst stiftet in Jesus Christus mahl nachdenken. Immerhin erscheint die ihre Gemeinschaft. Das macht es zwar Praxis der Säuglingstaufe einerseits und der manchmal schwer, verpflichtet aber zu ei- ausschließlichen Zulassung von Erwachse- nem liebevollen Umgang innerhalb der Ge- nen zum Abendmahl andererseits in dieser meinde. Die Stärke einer Gemeinde misst Kombination nicht jedem überzeugend. Bei sich nicht an der Verbundenheit der sowieso allen Fragen und Schwierigkeiten, die mit befreundeten Glieder, sondern an der Art,
Ältester 10 wie mit denen umgegangen wird, die Jesus einiges über das Reich Gottes, denn Jesu selbst an seinen Tisch eingeladen hat und Worte deuten bildhaft an, dass es dort die der ein oder andere von sich aus nie in Lammbraten zu essen und Wein zu trinken sein Haus eingeladen hätte. Gemeinde und geben wird. Gemeinschaft entstehen am Tisch des Für uns heute ist wichtig, beim Feiern des Herrn. Und das Abendmahl erinnert uns Abendmahls diesen Festcharakter nicht »un- auch an unseren Nächsten, der unsere Hilfe ter den Tisch« fallen zu lassen. Die Ein- oder Unterstützung braucht. ladung aus Ps 34,9: »Schmecket und sehet, c) Gemeinschaft mit Christen in aller wie freundlich der HERR ist«, muss auch Welt: Taufe und Abendmahl sind die beiden eine Auswirkung für die Durchführung des von Jesus selbst eingesetzten Sakramente Abendmahls haben. Es sollte auch etwas bzw. Zeichenhandlungen. Sie werden von zum Schmecken geben: richtiges Brot, gute allen christlichen Gemeinschaften – wenn Musik, echte Freude und geistvolle Stär- auch in unterschiedlicher Form – praktiziert kung. und weisen so immer auch über die einzelne In jedem Abendmahl nehmen wir ein we- Gemeinde hinaus. Das Bild des Leibes und nig die himmlische Festtafel vorweg und die Art der von Jesus eingesetzten Symbol- dürfen so erleben, wie Raum und Zeit bei handlung mahnen seine Gemeinde zur Ein- Gott zusammenfallen. Wir sitzen mit Jesus heit. Es ist ein Brot, von dem alle essen, ein und seinen Jüngern ebenso an einem Tisch Kelch, von dem alle trinken sollen. Wenn wie mit allen Geschwistern, die er uns zur heute ausgerechnet das Abendmahl immer Seite gestellt hat. Und wir werden an seinem wieder zum Streitthema zwischen christli- Tisch wieder mit denen vereint sein, die der chen Kirchen und Gemeinden wird, zeigt Tod von uns getrennt hat, denn Christi Tod gerade das unsere Unvollkommenheit und hat ihren Tod überwunden. Vergebungsbedürftigkeit. Wir müssen ler- Peter Böhlemann nen, Unterschiede zu akzeptieren und sensi- bel mit den verschiedenen Auffassungen der Kirchen und Gemeinschaften umzugehen. Ältester Das Abendmahl ist kein Kampfinstrument, um die Ökumene zu erzwingen, sondern I. Wortbedeutung ein Versöhnungsinstrument, um zu erhoffen, Sowohl das hebräische als auch das grie- dass die durch den Heiligen Geist geschenk- chische Wort für »Ältester« kann zweierlei te Einheit der Christen auch äußerlich Ge- bedeuten: entweder den Menschen, der in stalt gewinnt. hohem Alter steht (im Gegensatz zur jün- 3.) Zukunft: Wir feiern (Festmahl) geren Generation), oder den Ältesten als ei- Kein Bild wird in der Bibel so häufig für nen Amtsinhaber. Während jedoch mit dem das Himmelreich verwendet wie das des betreffenden hebräischen Wort Erfüllung Festmahls. Auch Jesus verwendet es oft. und Grenzen des Alters bezeichnet werden, Das letzte Mahl mit seinen Jüngern hatte redet das griechische nur positiv und ehren- ebenfalls diesen Festcharakter. Jesus selber voll vom Alter, wenn es »Ältester« (presby- sorgte dafür, dass ein guter Raum zum Fei- teros) gebraucht. Für die negativen Seiten ern zur Verfügung gestellt wurde, mit Kis- des Alters (Abnehmen der Kräfte, Be- sen, Braten und Wein. Und wir erfahren aus schwerlichkeit usw.) sind hier andere Wör- dem Bericht der Evangelien über dieses Fest ter reserviert. Die beiden Bedeutungen »alt
11 Ältester an Jahren« und »Ältester« müssen auseinan- jeder König in der frühen Königszeit Israels dergehalten werden, weil nicht jeder alte angewiesen (1Sam 15,30; 2Sam 31,17; Mann ein Ältestenamt innehat und umge- 17,4.15; 19,12). kehrt jüngere Menschen ein Ältestenamt ha- Wenn die Ältesten in der späteren Kö- ben können. nigszeit in ihrer Bedeutung auch etwas zu- Wenn sich heute in Schottland, Amerika rücktreten, so bleiben sie doch eine wichtige und anderswo Glieder evangelischer Kir- Gruppe innerhalb der Führungsschicht Isra- chen »Presbyterianer« nennen, so geht diese els. Wenn die → Propheten die Führer Isra- Bezeichnung auf das griechische presbyte- els im Namen des Herrn tadeln müssen, ros zurück. Sie zeigt an, dass in den presby- kommen auch die Ältesten an die Reihe terianischen Kirchen das Ältestenamt die (z.B. Jes 3,14-15; 9,15-16). zentrale Instanz ist. Was aber macht die besondere Stellung der Ältesten im Volk Israel aus? Welche II. Der Begriff in der Bibel Aufgaben waren ihnen gegeben? In 5Mo A. IM ALTEN TESTAMENT wird deutlich, dass die Ältesten richterliche 1.) Älteste im alten Israel Aufgaben zu erfüllen hatten. Die Ältesten Wie ihre Umwelt kannten auch die israe- einer Stadt waren verantwortlich, dass z.B. litischen Stämme seit eh und je die besondere ein flüchtiger Mörder ausgeliefert (5Mo Stellung von Ältesten. So ist in den Ge- 19,11-13) oder eine Klage wegen → Un- schichtsbüchern des AT bei näherem Hinse- zucht richterlich geprüft (5Mo 22,13-21) hen keineswegs nur von großen Einzelgestal- wurde. Aber auch die Entscheidung wichti- ten wie einem Mose oder David die Rede. ger militärischer und politischer Fragen Zwischen Mose und dem Volk stehen die muss in ihren Händen gelegen haben (Ri Ältesten als Vertreter des Volkes. Ihnen hat 11,5; 1Sam 8,4; 2Sam 5,3). er zuerst die bevorstehende Befreiung aus 2.) Älteste im Jerusalemer Hohen Rat Ägypten anzukündigen (2Mo 3,16; 4,29). und in örtlichen jüdischen Gemein- Mit ihnen gilt es dann, vor den Pharao zu den treten (2Mo 3,18) und die Vorbereitungen In → Jerusalem entstand ungefähr seit zum heiligen → Passahmahl zu treffen dem 4. Jh. v.Chr. ein »Ältestenrat«. Aus die- (2Mo 12,21). Am Sinai steigen auch 70 Äl- sem entwickelte sich mit der Zeit der (aus teste mit Mose und Aaron den Berg hinauf dem NT bekannte) Hohe Rat. Bis zur Zeit und warten betend in der Mitte zwischen Jesu hatten sich drei Gruppen von Ratsmit- dem Volk und Mose (2Mo 24,1.9). In einer gliedern herausgebildet: die → Hohenpries- der zahlreichen Stunden der → Anfechtung ter, die Schriftgelehrten und die Ältesten in der Wüste schließlich werden Mose 70 (Mk 11,27; 14,43.53; vgl. auch 8,31). Damit Älteste an die Seite gestellt, die nun in ein aber hatte sich der Begriff des Ältesten ge- regelrechtes Ältestenamt eingesetzt werden wandelt. Waren früher einmal alle Glieder (4Mo 11). des Rates »Älteste« genannt worden, so be- David wird von den Ältesten Israels zum zeichnete man zur Zeit Jesu nur noch dieje- König gesalbt (2Sam 5,3). Sie hatten von nigen Ratsmitglieder als Älteste, die den rei- Samuel die Einsetzung eines Königs ver- chen Stadtadel Jerusalems vertraten. Diese langt (1Sam 8,4-5). Um ihre Gunst hatte Da- bildeten neben den → Priestern und Theo- vid schon vorher geworben (1Sam 30,26- logen die Gruppe der Laien im Jerusalemer 31). Auf ihre Unterstützung blieb überhaupt Hohen Rat (→ Pharisäer). Nebst diesen Äl-
Ältester 12 testen des Hohen Rates gab es im Judentum die Ältesten zu Gebet und → Salbung mit Öl aber auch Inhaber eines Ältestenamtes in rufen lassen. Ortsgemeinden außerhalb Jerusalems (Lk 2.) Die Ältesten sind besonderen Anfech- 7,3). Ja, sogar in Jerusalem selbst wurden tungen ausgesetzt, etwa der Kritiksucht ge- neben den Ältesten des Hohen Rates auch wisser Gemeindeglieder. Zum Schutz der die Vorstandsmitglieder einer Synagogen- Ältesten wird Timotheus daher in 1Tim gemeinde »Älteste« genannt, wie eine wie- 5,19 nahegelegt: »Gegen einen Ältesten derentdeckte Inschrift zeigt. nimm keine Klage an ohne zwei oder drei → Zeugen« (1Tim 5,19). Damit ist aber B. IM NEUEN TESTAMENT auch gesagt, dass die Ältesten nicht nach ei- 1.) Die werdende Kirche hat das jüdische genem Gutdünken schalten und walten dür- Ältestenamt übernommen und selbst Älteste fen. Sie haben sich begründeter Kritik zu eingesetzt. In der Urgemeinde in Jerusalem stellen. Schließlich wird den Ältesten im gibt es nach einiger Zeit des Gemeinde- NT reichlich Anerkennung gezollt (1Tim wachstums Älteste (Apg 11,30). Mit den 5,17). Sie werden bei der → Wiederkunft → Aposteln zusammen bilden diese ein ent- des »Erzhirten« → Jesus Christus »die un- scheidendes Gremium der Gesamtkirche vergängliche Krone der → Herrlichkeit (Apg 15; 16,4; vgl. auch 21,18). Daneben empfangen« (1Petr 5,4). Im letzten Buch kennt das NT die Ältesten aber vor allem der Bibel sieht der Prophet Johannes sogar als Leiter und Hirten einer einzelnen Orts- 24 himmlische Älteste, die sich vor dem gemeinde (Apg 14,23; Tit 1,5; ein Vergleich ewigen Gott niederwerfen (Offb 4) und im von Tit 1,5 und 1,7 zeigt, dass in der Früh- überaus herrlichen himmlischen Lobgottes- zeit »Ältester« und → »Bischof« oder »Auf- dienst von Offb 5 allen → Engeln, ja jedem seher« gleichbedeutend waren). In Apg Geschöpf im Lobgesang vorangehen (vgl. 20,17-35 richtet sich Paulus ein letztes Mal Jes 24,23). an die Gemeindeältesten von Ephesus und Alfred Zimmermann legt ihnen dringend ans Herz, der Zukunft wachsam entgegenzugehen. Sie sollen an III. Der Begriff heute seiner Stelle dafür sorgen, dass die → Ge- 1.) Das Amt des Ältesten meinde geistlich geleitet (»geweidet«), vor Auch wenn die Begrifflichkeit sich unter- Irrlehre geschützt und ermahnt wird (V. 28- scheidet – viele Gemeinden haben das Amt 31). – Auch 1Petr 5,1-5 zeigt die Ältesten des Ältesten. Allerdings wechseln die Be- als → Hirten der Gemeinde. Dabei wird zeichnungen. In Freikirchen kann das Gre- deutlich, dass es ihnen immer um das Wohl mium der Ältesten z.B. auch »Bruderrat« der Gemeinde gehen soll. So werden sie oder »Gemeindeleitung« genannt werden. denn ermahnt, das ihnen anvertraute Amt Häufig wird man durch Berufung in dieses freiwillig, uneigennützig, hingebungsvoll Amt gewählt – durch die bestehende Ge- und demütig auszuführen. Sie sollen Vorbil- meindeleitung oder die gesamte Gemeinde. der der Gemeinde sein. – Nach Jak 5,14 sind In landeskirchlichen Gemeinden heißen die den Ältesten insbesondere auch die Kranken Ältesten Kirchenvorstand oder »Presbyter« der Gemeinde anvertraut. Es ist aber darauf (griech. Bezeichnung für »Ältester«). Im zu achten, dass die Initiative von den kran- landeskirchlichen Rahmen werden die Kan- ken Gemeindegliedern ausgehen soll, nicht didaten meist durch wahlberechtigte Ge- von übereifrigen Ältesten selbst. Sie sollen meindemitglieder zu Ältesten gewählt.
13 Ältester Die Chancen des Ältestenamts bestehen einer bloßen Verwaltung bürokratischer Not- darin, dass … wendigkeiten. – eine Gemeinde nicht nur von einem Älteste sollten Menschen zu einem hauptamtlichen Geistlichen geleitet wird, Christsein führen, das in die Mitarbeit mün- sondern sich die von Gott geschenkte Ga- det. Ein Leiter wird also Christen nicht aus benvielfalt einer Gemeinde in der Ge- der Mitarbeit herausdrängen, sondern sie er- meindeleitung widerspiegelt. mutigen und befähigen, eigenständig Auf- – die Ältesten geistliche Impulse in das Ge- gabenbereiche zu übernehmen. meindeleben geben können. Eine visionär geprägte Gemeindeleitung – die Lehre in der Gemeinde anhand der wird nicht nur Zuspruch erfahren. Verän- Schrift kritisch geprüft wird: »Prüft aber derungen im Gemeindeleben provozieren alles und das Gute behaltet« (1Thess auch Widerspruch. Zur Leitungsverantwor- 5,21). tung eines Ältesten gehört deshalb ein hohes – eine Kontinuität in der Gemeindeleitung Maß an Charakterfestigkeit. Umstrittene Be- auch dann gewahrt bleibt, wenn etwa der schlüsse gilt es im loyalen Miteinander nach Pfarrer bzw. Pastor oder andere hauptamt- außen hin gemeinsam zu tragen. lich tätige Personen der Gemeinde ihre b) Seelsorgliche Verantwortung (Apg Stellen wechseln. 20,17.28; 1Tim 5,17; Jak 5,14) Immer mehr Gemeinden stehen vor dem Älteste sind nicht zur ausschließlichen Problem, keine Kandidaten für das Ältesten- Leitungsverantwortung, sondern zum ganz- amt zu finden. So kann es vorkommen, dass heitlichen Hirtendienst berufen, der eine Personen gewählt werden, deren Qualifika- seelsorgliche Verantwortung einschließt. tion für das Amt leider nur darin besteht, Das → Gebet für die Kranken gehört ge- dass sie sich zu einer Kandidatur bereit er- nauso dazu wie die Beobachtung von Bega- klärt haben. bungen und Begrenzungen der Mitarbeiter Das Ältestenamt hat heute nur dann eine und Mitältesten. Die Bereitschaft, auch Kon- Chance, eine segensreiche Wirkung für die flikte bzw. Sünde bei Gemeindegliedern Gemeinde zu entfalten, wenn mit den Kan- in geeigneter Form anzusprechen, verlangt didaten vor einer Wahl die Aufgabenberei- eine gereifte Persönlichkeit des Ältesten che dieses Amtes geklärt werden. (Mt 18,15ff ). a) Leitungsverantwortung (Apg 2,22-29; 2.) Gefahren und Grenzen 15,2; 16,4) Zum Amt der Ältesten gehört die Re- Älteste leiten die Gemeinde. Verantwort- chenschaft, die sie für ihren → Dienst ge- liche Leitung lebt aus der Glaubensbezie- genüber → Gott und den Gemeindegliedern hung zu Jesus (→ Verheißung) und fragt, abzulegen haben. Wie alle Amtsträger und welchen Blick der Auferstandene für die -trägerinnen stehen auch sie in der Gefahr, Gemeinde hat. Die Vision sollte dann in ein- ihr Amt aus Eitelkeit auszuführen. Viele un- zelne Ziele umgesetzt werden. (Beispiel: geistliche Streitereien werden durch Ego- Die Vision besteht darin, Eltern mit Kindern ismus, der mit Macht und ehrgeiziger Ein- zum Glauben zu führen. Die mögliche Um- flussnahme zu tun hat, hervorgerufen. setzung in ein Ziel könnte bedeuten, famili- Die Ältesten haben sich immer wieder enfreundliche Gottesdienste anzubieten.) auf die gemeinsame Vision auszurichten, Ohne Visionskraft, die von der Bibel ge- dass der gemeinsame Dienst dazu geschieht, prägt wird, verkommt Gemeindeleitung zu
Amen 14 dass Jesus und seinem → Reich die Ehre sie, was ein anderer sagt: »Ja, gerade so ist gegeben wird. es.« Eine andere Gefahr besteht darin, dass 3.) In Jes 65,16 wird Gott »Gott des die Ältesten durch die Gemeindearbeit in Amen« (so wörtlich) genannt. Das will sa- unguter Weise überfordert und verschlissen gen, dass → Gott zuverlässig ist, da er zu werden. Der Ältestenrat, besonders aber die seinem → Wort steht. Entsprechend wird Je- hauptamtlich Tätigen, haben darauf zu ach- sus Offb 3,14 »der Amen« genannt, denn in ten, dass die Ältesten das richtige Maß zwi- ihm hat Gott seine → Verheißungen, seine schen Überforderung und Unterforderung → Treue zu dieser Welt, Wirklichkeit wer- finden. den lassen (2Kor 1,20). Er ist die »Zuverläs- → Bischof/Vorsteher; → Dienst /Amt; sigkeit« Gottes in Person. → Hirte 4.) Jesus leitete manche Worte mit Andreas Hannemann »Amen, amen« ein. Damit zeigte er, dass hinter seinem Wort in besonderer Weise Ärgernis → Anstoß /Ärgernis Gott der Vater steht, auf den man sich ver- Allmacht → Macht/Allmacht lassen kann (Mt 6,2.5.16; 8,10; 10,23; 18,3; 19,28; 25,40; Joh 5,19.24-25 u.a.). III. Der Begriff heute Amen Leider ist heute das Amen bisweilen nur noch eine Formel, die ein → Gebet ab- I. Wortbedeutung schließt. Das kann zu Gedankenlosigkeit »Amen« bedeutet »So ist es!«. Sprach- führen. Wie kann man helfen? lich hängt es im Hebr. und Griech. mit »fest, 1.) Entscheidendes wäre damit gewon- zuverlässig sein«, mit »Glaube«, »Treue«, nen, wenn man an Gott lernt, dass er es mit »Wahrheit« zusammen. »Amen« betont al- seinem → Heil, seiner → Treue ganz ernst so, dass auf Gott Verlass ist. Martin Luther meint. Wo Gott in Jesus »Amen« gesagt hat, übersetzt es mit »wahrlich«. wird er mich nicht enttäuschen. Inmitten so vieler Worte, die von Menschen gebrochen II. Der Begriff in der Bibel werden, meint er es ernst. 1.) Ein Einzelner oder das Volk antwortet 2.) So kann man selber neu Amen sagen auf Worte anderer mit »Amen«. Dadurch er- lernen. Amen soll Ausdruck eigener Ver- klären sie, dass sie mit dem Gesagten ein- lässlichkeit und Treue sein. Zunächst im verstanden sind, z.B. mit Prophezeiungen → Gebet vor Gott. Dann auch unter uns (Jer 11,1-5; 28,6) oder mit Fluchworten Menschen. In einer Zeit, in der Worte so oft (5Mo 27,15ff; Neh 5,13). gedankenlos und unzuverlässig sind, sollten 2.) In diesem Sinne sprach man das Christen vorleben, dass ein »Ja« wirklich Ja, »Amen« auch im → Gottesdienst. So preist ein »Nein« wirklich Nein ist, unsere Worte Esra Gott, während das Volk mit erhobenen also verlässlich sind (Mt 5,37; 12,36). Händen durch »Amen, amen« das Lob als 3.) Warum sollten wir uns nicht dafür eigenes anerkennt (Neh 8,6; vgl. 1Chr einsetzen, dass die Gemeinde im → Gottes- 16,36; 1Kor 14,16). In Offb 22,20 antwortet dienst auf die Predigt (→ Predigen/Verkün- die → Gemeinde glaubend mit »Amen« auf den) und auf Gebete laut mit »Amen« ant- Gottes »Ja«. Damit anerkennt und bestätigt wortet? In der Gebetsgemeinschaft ist es
15 Anfechtung/Versuchung weithin noch gute Sitte, dass die Anwesen- mós bzw. lat. tentatio. Es geht dabei um pas- den die Bitte oder das Lob Gottes jedes ein- sives Versucht- (oder Angefochten-)Wer- zelnen Gebetes mit lautem »Amen« bestäti- den, aber auch um aktives Versuchen, Auf- gen, womit wir nichts anderes tun, als zu die-Probe-Stellen, Prüfen. Die Subjekte und sagen: »Amen, ja, das gilt«, oder: »Amen, Objekte der Versuchung können dabei ja, das meinen wir auch.« Auf diese Weise wechseln. Es kann sinnvoll sein, beide könnte unter uns die Zuverlässigkeit Gottes Begriffe im Deutschen zu unterscheiden zeichenhaft unterstrichen werden. (s. III. 5). Wolfgang Bittner II. Die Begriffe in der Bibel Amt → Dienst/Amt A. IM ALTEN TESTAMENT Hier kann Gott durchaus als Subjekt der Versuchung erscheinen, insofern er die Glaubenstreue seines Volkes oder das Ver- Anfechtung/Versuchung trauen Einzelner auf die Probe stellt, um so die Ernsthaftigkeit ihres Glaubens offen- I. Wortbedeutung zulegen (5Mo 8,2; 13,4; 2Mo 20,20; 1Mo Dass die beiden Begriffe in enger Verbin- 22,1.12; Ri 2,22). dung zueinander stehen, ist nur noch im 1.) Abraham wird versucht (1Mo 22) Rahmen ihrer religiösen Deutung verständ- »Nach diesen Geschichten versuchte lich. Wer heute etwas »anfechtet«, der be- Gott Abraham …«, indem er ihn aufforder- streitet die bisherige Rechtmäßigkeit. Dass te, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern. Anfechtung darüber hinaus als »Infragestel- Diese berühmt gewordene Erzählung nimmt lung« auch den eigenen → Glauben infrage den Leser so gefangen, dass er möglicher- stellt, das kann wohl nur der ahnen, der auch weise an seiner eigenen Gottesvorstellung als an → Jesus Christus glaubender Mensch zu zweifeln beginnt. Denn in dieser Erzäh- lebt. Insofern ist nicht nur der Glaube, son- lung wird die Frage nach dem Ursprung der dern auch die Anfechtung nicht jedermanns Versuchung radikal auf Gott zurückgeführt. Sache (2Thess 3,2). Es handelt sich nicht um eine Krankheit, Der Begriff »Versuchung«, der mit »ver- eine Naturkatastrophe, eine Beeinflussung suchen, ausprobieren, auf die Probe (!) stel- durch fremde → Götzen o.Ä. Die »Ver- len« zusammenhängt, ist noch etwas be- suchung Abrahams überstieg bei Weitem al- kannter, teils aufgrund seines Vorkommens les, was man sonst in Israel unter Ver- im Vaterunser, teils deswegen, weil eine suchung oder Prüfung verstehen mochte« Schokoladenfirma sich seit Jahren damit (Gerhard von Rad). Aber die Pointe der Er- brüstet, die »süßeste Versuchung« herzu- zählung liegt nicht in einer pädagogischen stellen. Gehorsamsethik, sondern in dem alleinigen Im AT gibt es für beide Begriffe nur ein Herrschaftsanspruch Gottes: Er ist der Sou- Wort (nasah), wobei »versuchen« und »prü- verän, und der → Mensch ist nicht in der fen« schon von Anfang an auch auf die Got- Position, Gottes (An-)Weisungen oder seine tesbeziehung angewandt wurden (s.u.). So- »Verborgenheit« vor den Richterstuhl mensch- wohl im NT wie auch in der späteren lat. licher → Vernunft oder ethischer Humanität Übersetzung gibt es ebenfalls nur ein Wort zu zerren (vgl. Röm 9,20-21). für unsere beiden Begriffe: griech. peiras- Damit wird die Frage nach dem Verursa-
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