BILANZIERUNG VON "GRÜNEN" FINANZIERUNGEN - IDW
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BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN INHALT Management Summary 3 1. Einleitung 5 2. „Grüne“ Finanzierungen in der Praxis 7 2.1. Politische und regulatorische Entwicklungen 7 2.2. Arten „grüner“ Finanzierungen 9 3. Bilanzierung „grüner“ Finanzierungen aus der Perspektive eines Investors 12 3.1. Überblick über die aktuell maßgeblichen Vorschriften der IFRS 12 3.2. Bilanzielle Herausforderungen i.Z.m. „grünen“ Finanzierungen 14 3.2.1. Klassifizierung 14 3.2.2. Bewertung 17 3.2.3. Angaben 18 4. Bilanzierung „grüner“ Finanzierungen aus der Perspektive eines Emittenten 20 5. Fazit und Lösungsansätze 23 6. Ausblick 25 Quellenverzeichnis 27 Vorbemerkung: Das Knowledge Paper soll einen aktuellen Beitrag zu einer aus Sicht des Berufsstands sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu führenden Diskussion leisten. Es soll eine Diskussion anregen, an der sich mög- lichst viele Leserinnen und Leser beteiligen. Es ist nicht beabsichtigt, Ergebnisse einer solchen Diskussion vorwegzunehmen. Redaktionsschluss: 01.07.2021
IDW KNOWLEDGE PAPER MANAGEMENT SUMMARY Weltweit haben sich zahlreiche Regierungen mit der Unterzeichnung des Pariser Übereinkommens über den Klimawandel und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu einer nachhaltige- ren Wirtschaft und Gesellschaft verpflichtet. Die Europäische Union (EU )sieht sich dabei in einer Vorreiterrolle und verfolgt auf Basis des im März 2018 veröffentlichten EU-Aktionsplans „Finanzie- rung des nachhaltigen Wachstums“ u.a. das Ziel, Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzu- lenken1, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen. In diesem Zusammenhang verpflichtete sich die Europäische Kommission zur Entwicklung eines EU-Standards für Green Bonds. Der Vorschlag einer entsprechenden Verordnung ist im Juli 2021 veröffentlicht worden.2 Der künftig freiwillig anzuwendende „European Green Bond Standard (EUGBS)“ soll Anlegern hel- fen, hochwertige „grüne“ Anleihen zu erkennen, und die Emission dieser Anleihen erleichtern. 3
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN Nicht nur die Nachfrage nach „grünen“ Finanzierungen steigt, auch der Kreis der Emittenten wird beständig größer. Am Markt ist mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlich ausgestalteter „grüner“ Finanzierungen beobachtbar. Die Bandbreite reicht von Finanzinstrumenten, die sich kaum von ei- ner klassischen Darlehensfinanzierung unterscheiden, bis hin zu Instrumenten mit einer umfas- send „grünen“ Ausgestaltung. Ihrer Bilanzierung wurde bislang wenig Beachtung geschenkt. Der- zeit gibt es weder in den IFRS noch im Handelsrecht Vorschriften, welche sich speziell mit der Bilanzierung dieser Art von Finanzinstrumenten auseinandersetzen. Bei „grünen“ finanziellen Vermögenswerten mit einer Variabilität der Zahlungsströme aufgrund von Nachhaltigkeitsfaktoren steht für Investoren vor allem die Würdigung der Zahlungsstrombe- dingung im Rahmen der Klassifizierung nach IFRS 9 im Fokus, weil damit insbesondere über eine Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten entschieden wird. Auf der Passivseite der Bilanz stellt die Analyse „grüner“ finanzieller Verbindlichkeiten auf vorhandene eingebettete und abspal- tungspflichtige Derivate die Emittenten vor Herausforderungen. Die derzeitigen Anwendungspro- bleme dürften vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass „grüne“ Finanzinstrumente bei der Verabschiedung von IFRS 9 im Jahr 2014 kaum eine Rolle gespielt haben. Mittlerweile haben sich die Umstände jedoch deutlich geändert. Finanzierungen mit einer vertraglichen Verknüpfung von Zahlungsströmen mit Nachhaltigkeitsfaktoren sind im Kapitalmarkt angekommen und dürften in naher Zukunft ein flächendeckendes Finanzierungsmittel werden. Aus Sicht des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer*innen ist es daher dringend notwendig, sich so- wohl auf globaler Ebene (IFRS) als auch auf nationaler Ebene (HGB) mit dieser neuen Art der Fi- nanzinstrumente und deren Bilanzierung intensiv auseinanderzusetzen. Insbesondere mit Blick auf den internationalen Standardsetzer (IASB) wäre es wünschenswert, wenn hinsichtlich dieser speziellen Art von Finanzierungen klare Regelungen und damit Rechtssicherheit geschaffen wer- den würde. Der Kapitalmarkt braucht belastbare und eindeutig nachvollziehbare Informationen. Ein vergleichsweise einfacher Weg bestünde bspw. in einer Klarstellung des Grundprinzips und der Elemente von „Standardkreditverträgen“ („basic lending arrangements“) nach IFRS 9. Hier sollte eindeutig festgehalten werden, inwieweit bestimmte vertragliche Vereinbarungen zu Nach- haltigkeitsfaktoren und die daraus resultierende Variabilität der Zahlungsströme in Einklang mit dem Grundprinzip des Standards stehen.
IDW KNOWLEDGE PAPER 1. EINLEITUNG Ob Finanzierungen mit Umweltbezug, sozialem Hintergrund oder mit Bezug zu einer verantwor- tungsvollen Unternehmensführung: Nachhaltige bzw. „grüne“ Finanzierungen, die ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance) berücksichtigen, bekommen aufgrund der zunehmenden Be- deutung des Themas „Nachhaltigkeit“ in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mehr Aufmerksam- keit denn je. Innerhalb der Europäischen Union legte die Europäische Kommission im März 2018 mit ihrem Aktionsplan den Grundstein zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums3. Mit der im sog. „European Green Deal“ enthaltenen Ankündigung der „Renewed Sustainable Finance Strategy“4 setzt die Europäische Kommission diesen Weg konsequent fort.5 Die Notwendigkeit politischer und regulatorischer Entwicklungen zur Förderung der Finanzierung nachhaltigen Wirtschaftens ergibt sich u.a. aus den Bedenken der Emittenten und Investoren hin- 5
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN sichtlich möglicher Reputationsrisiken bei der „grünen Etikettierung“ von bestimmten Finanz- instrumenten, der Ungewissheit über die Art der finanzierbaren Projekte oder auch den komple- xen und potenziell kostspieligen Berichtsverfahren und externen Prüfungen.6 Dies gilt insbeson- dere vor dem Hintergrund, dass sowohl die Nachfrage nach diesen Finanzierungen kontinuierlich steigt als auch der Kreis der Emittenten beständig größer wird. Am Markt ist mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlich ausgestalteter „grüner“ Finanzierungen beobachtbar. Dazu zählen bspw. sog. Green Bonds oder Green Loans, die vorsehen, dass der Erlös der Emission in nachhaltige Pro- jekte investiert wird. Auch sog. ESG-gebundene Instrumente, die eine Variabilität des Zinssatzes in Abhängigkeit von der Entwicklung von einem oder mehreren ESG-Faktoren vorsehen, werden zunehmend nachgefragt und auch angeboten. Diese in Teilen neuen und vielfältigen Ausgestal- tungen klassischer Finanzinstrumente stellen sowohl Investoren als auch Emittenten hinsichtlich der Bilanzierung und Berichterstattung vor Herausforderungen. Da es bislang kein einheitliches gesetzliches Regelwerk gibt, welches sich speziell mit dieser Art von Finanzinstrumenten ausein- andersetzt, und es auch noch wenig praktische Erfahrungen zum bilanziellen Umgang mit „grü- nen“ Finanzierungen gibt, ist ein einheitliches Vorgehen weder im Hinblick auf die Ausgestaltung der Instrumente noch im Hinblick auf deren Bilanzierung bei Investoren und Emittenten aktuell sichergestellt. Daher sind Ermessensentscheidungen bis zu einem gewissen Grad unumgänglich. Sie erfordern eine sorgfältige Abwägung und eine sachgerechte Analyse des jeweiligen Einzelfalls. Das vorliegende IDW Knowledge Paper soll zum einen die derzeitigen Herausforderungen bei der bilanziellen Abbildung dieser neuen Art von Finanzierungen aufzeigen und zum anderen erste An- regungen und Lösungsansätze für eine weitergehende Diskussion liefern. Eine solche ist dringend erforderlich, damit eine relevante, transparente und vergleichbare Darstellung von „grünen“ Finanzinstrumenten auf verlässlicher Basis in den Abschlüssen der Unternehmen gewährleistet ist. Einleitend wird auf die Bedeutung „grüner“ Finanzierungen für die Entwicklung einer nachhaltige- ren Wirtschaft und Gesellschaft eingegangen. In diesem Zusammenhang werden aktuelle europä- ische Bestrebungen zur Schaffung der entsprechenden politischen, rechtlichen und gesellschaftli- chen Rahmenbedingungen vorgestellt (Abschn. 2.1.). Im Anschluss folgt eine Darstellung der verschiedenen und immer vielfältiger werdenden Arten von „grünen“ Finanzierungen (Abschn. 2.2.). Fragen der Bilanzierung stehen dann im Fokus der Abschn. 3. und 4. – zunächst aus der Perspekti- ve von Investoren, anschließend aus der Perspektive von Emittenten. Auch wenn sich dieses IDW Knowledge Paper vorrangig mit den aktuellen Regelungen der IFRS auseinandersetzt, stellen sich ähnliche bzw. vergleichbare Fragen auch bei einer Bilanzierung nach den handelsrechtlichen Nor- men. Auf diese wird jeweils am Ende der beiden Abschnitte überblickartig eingegangen. Abschlie- ßend werden erste Anregungen und Lösungsansätze vorgestellt, die als Beitrag für die weiter zu führenden Diskussionen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene – zu verstehen sind (Abschn. 5.). Die Ausführungen schließen mit einem kurzen Ausblick (Abschn. 6.).
IDW KNOWLEDGE PAPER 2 „GRÜNE“ FINANZIERUNGEN IN DER PRAXIS 2.1. Politische und regulatorische Entwicklungen Zahlreiche Regierungen haben sich mit der Un- geschritten ist. Zur Veranschaulichung lohnt terzeichnung des Pariser Übereinkommens über ein Blick in den im März 2018 veröffentlichten den Klimawandel und der UN-Agenda 2030 für EU-Aktionsplan „Finanzierung des nachhalti- nachhaltige Entwicklung zu einer nachhaltige- gen Wachstums“7, der die Grundlage für die im ren Wirtschaft und Gesellschaft verpflichtet. „European Green Deal“8 angekündigte und An- Obwohl viele Länder bereits Fortschritte ma- fang Juli 2021 veröffentlichte „Renewed Sustai- chen, scheint die Europäische Union derjenige nable Finance Strategy“ der Europäischen Wirtschaftsraum zu sein, in dem die Entwick- Kommission9 bildet. lung zum jetzigen Zeitpunkt am weitesten fort- 7
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN Die Ziele des EU-Aktionsplans sehen im Kern vor: wollen, ausgerichteten Standard dar17, der bei der Emission von Green Bonds zur Finanzierung • K apitalflüsse in nachhaltige Investitionen von Projekten sowohl innerhalb als auch außer- umzulenken, um ein nachhaltiges und halb der EU angewendet werden kann.18 Daher integratives Wachstum zu erreichen; überrascht es nicht, dass der Standard auf den von der International Capital Market Associati- • fi nanzielle Risiken, die sich aus dem Klima- on (ICMA) entwickelten Green Bond Principles19 wandel, der Ressourcenknappheit, der Um- und auf den gemeinsam von der Loan Market weltzerstörung und sozialen Problemen er- Association (LMA), der Asia Pacific Loan Market geben, zu bewältigen; und Association (APLMA) und der Loan Syndications and Trading Association (LSTA)20 entwickelten • T ransparenz und Langfristigkeit in der Green Loan Principles aufbauen soll. Diese zwei Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern. Rahmenwerke dienen bereits jetzt als freiwillige Prozessleitlinien und haben sich international Zur Erreichung dieser Ziele verpflichtete sich als anerkannte Maßstäbe etabliert.21 die Europäische Kommission – neben der Ent- wicklung eines Klassifizierungssystems für Die Klassifizierung von Anleihen als Green ökologisch-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten Bonds orientiert sich an der Verwendung von (EU-Taxonomie)10 und der Veröffentlichung von Emissionserlösen i.S. der EU-Taxonomie. Mit- Leitlinien zur Verbesserung der Offenlegung hilfe dieses im Juni 2020 verabschiedeten Klas- klimarelevanter Informationen11, weiterer Stan- sifizierungssystems für ökologisch-nachhaltige dards und Labels für nachhaltige Finanzpro- Wirtschaftstätigkeiten soll die bestehende Lü- dukte12 – auch zur Entwicklung eines EU-Stan- cke zwischen dem international verfolgten dards für Green Bonds13. Ziel, künftige Investitionen verstärkt in ein nachhaltigeres Wachstum zu lenken, und der Dieser Standard soll klare und vergleichbare Kri- aktuellen Investitionspraxis überbrückt und terien für die Emission von Green Bonds in der den Investoren klar signalisiert werden, welche EU vorgeben. Im Juni 2020 veröffentlichte die Arten von Aktivitäten der Unternehmen mit Europäische Kommission ein entsprechendes dem Übergang zu CO2-armen Emissionen, der Konsultationspapier.14 Dieses basiert auf dem Anpassung an den Klimawandel und anderen Abschlussbericht der EU-Expertengruppe für Umweltzielen vereinbar sind.22 Des Weiteren nachhaltige Finanzierungen (EU-TEG)15 sowie wird der EU Green Bond Standard die Veröf- dem diesem Bericht zugrunde liegenden Leitfa- fentlichung eines unternehmensspezifischen den für einen EU Green Bond Standard16. Kon- Rahmenkonzepts für die Emission von Green zeptionell stellt der geplante EU Green Bond Bonds als verpflichtend vorsehen. Darin sollen Standard einen freiwilligen, primär auf Emitten- Erläuterungen zu den „grünen“ Merkmalen der ten, die sich an der best practice orientieren zugrunde liegenden Projekte oder Aktivitäten,
IDW KNOWLEDGE PAPER der Übereinstimmung mit der Gesamtstrategie die freiwillige externe Prüfung von Angaben des Emittenten, dem Managementprozess, der der Unternehmen im Zusammenhang mit der Berichterstattung und den Plänen für eine ex- Emission von „grünen“ Anleihen – z.B. auf Ba- terne Überprüfung sowie andere Merkmale der sis der Offenlegungspflichten der Green Bond Emission von Green Bonds aufgenommen wer- Principles – als gängige Praxis etabliert. Der EU den. Zusätzlich zu dem allgemeinen Rahmen- Green Bond Standard wird diese Tatsache auf- konzept für die Emission von Green Bonds greifen und vor der Emission von Green Bonds wird der EU Green Bond Standard – ähnlich eine verpflichtende Prüfung der Qualifikation den Offenlegungspflichten der Green Bond als EU Green Bond sowie der Ausrichtung von Principles – auch eine verpflichtende Berichter- Emissionen und dessen Vereinbarkeit mit dem stattung über die Mittelverwendung (Alloca- unternehmensspezifischen Rahmenkonzept tion Reporting) und die daraus resultierenden vorsehen. Auch der endgültige Mittelverwen- Auswirkungen auf die Umwelt (Impact Re- dungsbericht wird voraussichtlich einer Pflicht- porting) enthalten. prüfung unterliegen.24 Ein detaillierter Über- blick über die Ausgestaltung von „grünen“ Da das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer Finanzierungen und entsprechende Prüfungs- in ungeprüfte Informationen bekanntermaßen leistungen befinden sich im IDW Knowledge eingeschränkt ist,23 hat sich bereits vor der Ver- Paper „Green Bonds“.25 öffentlichung des EU Green Bond Standards 2.2. Arten „grüner“ Finanzierungen Die Bandbreite der am Markt beobachtbaren die durch die Emission eines Green Bonds auf- „grünen“ Finanzierungen ist groß. Sie reicht genommenen Mittel zur (Re-)Finanzierung ei- von Finanzinstrumenten, die sich kaum von ei- nes „grünen“ Projekts verwendet werden müs- ner klassischen Darlehensfinanzierung unter- sen. Einige Beispiele für geeignete „grüne“ scheiden, bis hin zu Instrumenten mit einer Projekte sind u.a. erneuerbare Energien, Ener- umfassend „grünen“ Ausgestaltung (sog. „full gieeffizienz, Verschmutzungsprävention und green exposure“). Dabei stellen Green Bonds -kontrolle, ökologisch nachhaltiges Manage- die wohl am weitesten verbreiteten Finanz- ment lebender natürlicher Ressourcen und instrumente dar. Die grundsätzliche Ausgestal- Landnutzung, sauberer Transport oder auch tung eines Green Bonds in Bezug auf Struktur, nachhaltiges Wasser- und Abfallmanagement. Rendite oder Risiko einer Finanzierung muss sich nicht notwendigerweise von der einer Die Green Bond Principles der ICMA26 be- konventionellen Anleihe unterscheiden. Der schreiben folgende vier mögliche Ausgestal- wesentliche Unterschied besteht darin, dass tungen eines Green Bonds:27 9
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN Standard Hierbei handelt es sich um eine konventionelle Anleihe, die mit einem vollen Use of Rückgriffsrecht auf den Emittenten ausgestattet ist. Die Emissionserlöse Proceeds werden für „grüne“ Zwecke eingesetzt. Bond Im Gegensatz zu einem Standard Use of Proceeds Bond besteht kein Green Rückgriffsrecht auf den Emittenten. Die Tilgungs- und Zinszahlungen werden Revenue durch die Einnahmen des zumeist mit hoheitlichen Rechten ausgestatteten Bond Emittenten (bspw. Gebühren, Steuern oder Umsätze, die sich aus „grünen“ Projekten ergeben) geleistet. Als Green Project Bond gelten Projektanleihen für ein oder mehrere „grüne“ Green Projekte, bei denen der Investor direkt den Projektrisiken ausgesetzt ist. Die Project Tilgungs- und Zinszahlungen werden grundsätzlich durch die „grünen“ Bond Projekte selbst erzeugt. Zusätzliche Rückgriffsrechte auf den Emittenten können jedoch vorgesehen sein. Bei dieser Art von Green Bonds handelt es sich um Anleihen, die durch ein Green oder mehrere „grüne“ Projekte besichert sind. Dazu zählen z.B. Asset Securitised Backed Securities (ABS), Mortgage Backed Securities (MBS) oder ähnliche Bond Strukturen. Die Tilgungs- und Zinszahlungen gehen grundsätzlich aus den Zahlungsströmen der „grünen“ Projekte hervor. Abbildung 1: Typen von Green Bonds Die Auflistung ist nicht erschöpfend, da es in oder Refinanzierung neuer und/oder bestehen- der Praxis aufgrund der regen Marktentwick- der „grüner“ Projekte. lung zahlreiche Variationen geben kann. Die von der ICMA genannten Typen von Green Bonds Zudem werden in Deutschland mittlerweile sind daher als eine grobe Klassifizierung zu se- vermehrt „grüne“ Schuldscheine emittiert. In hen. Gewisse Ausgestaltungsmerkmale, die der Bezug auf die spezifischen „grünen“ Ausgestal- Analyse der bilanziellen Auswirkungen von tungsmerkmale dieser Art der „grünen“ Finan- „grünen“ Finanzierungen in den nachfolgenden zierung ergeben sich keine wesentlichen Un- Abschnitten zugrunde gelegt wurden, finden terschiede zu Green Bonds oder Green Loans: sich nicht nur bei Green Bonds, sondern sind Auch hier besteht keine allgemeingültige Defi- auch in anderen „grünen“ Finanzierungen ver- nition eines „grünen“ Schuldscheins. Charakte- ankert. Daher gelten die getroffenen Schlussfol- ristisch für „grüne“ Schuldscheine ist lediglich, gerungen auch für andere Produkte als Green dass die Emissionserlöse ausschließlich für Bonds, wenn diese analog gestaltet sind. „grüne“ Projekte verwendet werden. Eine weitere Art einer „grünen“ Finanzierung „Grüne“ Finanzierungen treten auch in der Ge- sind Green Loans.28 Diese dienen ebenfalls ei- stalt von Finanzinstrumenten auf, deren Zins- ner vollständigen oder teilweisen Finanzierung satz von einem oder mehreren Nachhaltigkeits-
IDW KNOWLEDGE PAPER faktoren oder -ratings oder auch von selbst Mittel jedoch nicht zur (Re-)Finanzierung eines festgelegten Kenngrößen (z.B. CO2-Ausstoß) „grünen“ Projekts verwendet werden. Am Markt abhängig ist. Diese werden häufig als ESG-ge- beobachtbare Instrumente mit ESG-Komponen- bundene Instrumente bezeichnet. Dies bedeu- ten gibt es in Form von Bonds, Darlehen oder tet, dass der Zinssatz und somit die (Re-)Finan- auch Schuldscheinen. zierungskosten bei einer Verbesserung (Ver- schlechterung) des Nachhaltigkeitsratings oder Die dargestellten Arten „grüner“ Finanzierun- des festgelegten Nachhaltigkeitsfaktors sinkt gen sind in der folgenden Übersicht zusam- (steigt). Im Vergleich zu den bisher beschriebe- mengefasst: nen Instrumenten müssen die aufgenommenen Industrie- Banken … unternehmen Emittent Rückflüsse ESG-linked- ergeben 1 Green Bond / Green Loan / Instrument sich aus Grüne Schuldscheine Erlös aus der Transaktions- Transaktions- Erlös aus der Transaktion Rückflüsse volumen volumen Rückflüsse Transaktion gekoppelt abhängig an von Grundsätzlich kein Ausgestaltung des vorgegebener Ver- ESG-Faktor Investor Instruments* wendungszweck Rückflüsse Vorgegebener Rating … ergeben Verwendungszweck = sich aus 3 Ein bestimmtes Einzel- KPI nachhaltiges Projekt investor 4 oder Banken … Mehrere nachhaltige * Am Beispiel der in den Green Bond Projekte (Pool) Principles genannten Instrumente: 1 Standard Use of Proceeds Bond € 2 2 Green Revenue Bond 3 Green Project Bond Nutzer 4 Green Securitized Bond Abbildung 2: Arten „grüner“ Finanzierungen 11
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN 3. BILANZIERUNG „GRÜNER“ FINANZIERUNGEN AUS DER PERSPEKTIVE EINES INVESTORS 3.1. Überblick über die aktuell maßgeblichen Vorschriften der IFRS Allgemeines Entscheidet sich ein Investor für den Kauf eines „grünen“ Finanzprodukts, stellt sich die Frage, wie dieses in seiner Bilanz abzubilden ist. Einschlägig dafür sind die Vorschriften zur Bilanzierung von finanziellen Vermögenswerten nach IFRS 9 "Finanzinstrumente". Der im Jahr 2014 vom IASB veröf- fentlichte Standard enthält keine besonderen Vorschriften für nachhaltige bzw. „grüne“ Finanz- instrumente. Demzufolge sind alle finanziellen Vermögenswerte, unabhängig davon, ob diese „grün“ sind oder nicht, bei Zugang gemäß den allgemeinen Vorschriften zu klassifizieren, wodurch der Wertmaßstab für deren Folgebewertung festgelegt wird. Ausschlaggebend für die Klassifizierung von finanziellen Vermögenswerten sind folgende zwei Be- dingungen29: • die Geschäftsmodellbedingung sowie • die Zahlungsstrombedingung. Geschäftsmodellbedingung Das Geschäftsmodell (GM) orientiert sich an der konkreten Steuerung eines finanziellen Vermö- genswerts, d.h. ob die Zielsetzung des Investors bspw. darin besteht, die vertraglichen Zahlungs-
IDW KNOWLEDGE PAPER ströme eines finanziellen Vermögenswerts zu vereinnahmen (GM = „Halten“), Zahlungsströme durch den Verkauf von finanziellen Vermögenswerten zu generieren (Andere GM, z.B. „Handel“) oder eine Mischung aus beidem vorliegt (GM = „Halten und Verkaufen“). Die Festlegung des Ge- schäftsmodells erfolgt auf einer Ebene, die widerspiegelt, wie Gruppen finanzieller Vermögens- werte gemeinsam gesteuert werden, um ein bestimmtes Geschäftsziel zu erreichen. Dabei sind die Absichten des Investors in Bezug auf einzelne Instrumente nicht maßgeblich. Die Klassifizie- rung erfolgt auf einer höheren Aggregationsebene als die eines einzelnen Finanzinstruments.30 Zahlungsstrombedingung Die Zahlungsstrombedingung ist hingegen für jedes Finanzinstrument einzeln zu untersuchen, so- fern eine Zuordnung zu den Geschäftsmodellen „Halten“ oder „Halten und Verkaufen“ beabsich- tigt ist. Sie ist erfüllt, wenn die Vertragsbedingungen eines finanziellen Vermögenswerts zu fest- gelegten Zeitpunkten zu Zahlungsströmen führen, die ausschließlich Tilgungs- und Zinszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag darstellen.31 Demzufolge erfüllt ein finanzieller Vermögenswert die Zahlungsstrombedingung nur dann, wenn die vertraglichen Zahlungsströme mit einem „Standardkreditvertrag“ (basic lending arrangement) übereinstimmen, bei dem Entgelte für den Zeitwert des Geldes und für das Kreditausfallrisiko nor- malerweise die wesentlichen Zinskomponenten darstellen. Allerdings können die Zinsen einer sol- chen Vereinbarung auch Entgelte für andere typische Kreditrisiken sowie Kosten i.V.m. dem Hal- ten eines finanziellen Vermögenswerts beinhalten. Eine Variabilität der Zahlungsströme, die das Kreditausfallrisiko widerspiegelt, würde demnach dazu führen, dass ein finanzieller Vermögens- wert die Zahlungsstrombedingung erfüllt. Auch eine im Zinssatz berücksichtigte Gewinnmarge steht der Erfüllung der Zahlungsstrombedingung grundsätzlich nicht entgegen.32 Gesonderte Vorschriften zur Beurteilung der Zahlungsstrombedingung gibt es in IFRS 9 für sog. Non-Recourse-Finanzierungen und für sog. vertraglich verknüpfte Instrumente. Diese werden im nachfolgenden Abschnitt näher erläutert und in den Kontext einer „grünen“ Finanzierung gestellt. Zusammenwirken von Geschäftsmodell- und Zahlungsstrombedingung Sofern die Zahlungsstrombedingung erfüllt ist, ist in Abhängigkeit vom vorherrschenden Ge- schäftsmodell eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten (GM = „Halten“) oder er- folgsneutral zum Fair Value (GM = „Halten und Verkaufen“) möglich. Ist die Zahlungsstrombedin- gung nicht erfüllt, ist – unabhängig vom Geschäftsmodell – eine erfolgswirksame Bewertung zum Fair Value geboten. 13
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN 3.2. Bilanzielle Herausforderungen i.Z.m. „grünen“ Finanzierungen 3.2.1. Klassifizierung Variabilität der Zahlungsströme aufgrund von ESG-Faktoren Bei einer vertraglichen Verknüpfung mit einem einem oder mehreren ESG-Faktoren die Nachhaltigkeitsfaktor stellt sich die Frage, ob Zahlungsstrombedingung erfüllt, erfordert aufgrund der daraus resultierenden Variabilität eine umfassende Analyse. Diese ist bspw. auf der Zahlungsströme der finanzielle Vermö- Basis der folgenden Kriterien denkbar, wobei genswert die Zahlungsstrombedingung erfüllt. die genannten Kriterien nicht als abschließend anzusehen sind und es grundsätzlich auf den Einige Faktoren, die zu einer Variabilität der jeweiligen Einzelfall ankommt:34 Zahlungsströme führen können, beziehen sich auf die langfristige Rentabilität eines Emitten- 1. Art des finanzierten Vermögenswerts: Die ten und können Ausdruck des Kreditausfallrisi- Finanzierung eines bestimmten Vermögens- kos sein. Dies kann auch für Nachhaltigkeits- werts, dessen Wert durch „grüne“ Maßnah- faktoren (ESG-Faktoren) im Rahmen eines men beeinflusst wird, und die gleichzeitig „grünen“ Finanzprodukts zutreffen. Wenn ein durch ein Sicherungsrecht an diesem Vermö- Unternehmen Green Bonds emittiert oder nach- genswert besichert ist35, erfüllt wahrschein- haltige Finanzvereinbarungen eingeht, kann der lich eher die Zahlungsstrombedingung. Der Zinssatz für den finanziellen Vermögenswert Grund dafür ist, dass der Wert der Sicherheit während seiner Laufzeit in Abhängigkeit von ei- günstig beeinflusst werden könnte, wenn das nem Nachhaltigkeitsfaktor oder -rating variie- Unternehmen (der Kreditnehmer) bestimmte ren. Sofern das Erreichen eines „grünen“ Faktors Nachhaltigkeitsfaktoren erfüllt oder gar zu einer Änderung des Zinssatzes führt und die übertrifft, was zu einem geringeren Verlust Zinssatzänderung auch eine entsprechende Än- bei Ausfall und damit zu einem geringeren derung des Kreditausfallrisikos nach sich zieht, Kreditausfallrisiko führt. Im Gegensatz dazu dürfte dies einer Erfüllung der Zahlungsstrom- ist bei unbesicherten „grünen“ Finanzierun- bedingung nicht entgegenstehen.33 Auch die zu- gen ein direkter Einfluss der spezifischen nehmende Einbeziehung von Nachhaltigkeits- Nachhaltigkeitsfaktoren auf das Kreditaus- faktoren in die Ratings deutet darauf hin, dass fallrisiko eher unwahrscheinlich, wodurch diese Faktoren möglicherweise zum Kreditaus- auch die Erfüllung der Zahlungsstrombedin- fallrisiko des Emittenten beitragen. gung weniger wahrscheinlich sein dürfte. Die Beurteilung, ob ein finanzieller Vermögens- rt des Kreditnehmers: Für ein Unterneh- 2. A wert mit einer vertraglichen Verknüpfung mit men, welches den im Rahmen einer „grünen“
IDW KNOWLEDGE PAPER Finanzierung vereinbarten Nachhaltigkeits- pezifität der Nachhaltigkeitsfaktoren: Vari- 3. S faktoren wirtschaftlich betrachtet in relativ ieren die vertraglichen Zahlungsströme einer geringem Umfang unmittelbar ausgesetzt ist „grünen“ Finanzierung in Abhängigkeit von (z.B. Vermögensverwalter), ist es weniger einer Vielzahl von unterschiedlichen Nachhal- wahrscheinlich, dass die spezifischen Nach- tigkeitsfaktoren (z.B. Steuertransparenz, Was- haltigkeitsfaktoren eine Veränderung des serverbrauch und Arbeitsnormen), ist es eher Kreditausfallrisikos widerspiegeln. Ist hinge- unwahrscheinlich, dass die daraus resultie- gen ein Unternehmen den vertraglich verein- rende „grüne“ Variabilität eine Änderung des barten Nachhaltigkeitsfaktoren auch wirt- Kreditausfallrisikos widerspiegelt. Wenn da- schaftlich unmittelbar ausgesetzt (z.B. gegen die vertraglichen Zahlungsströme von Stromerzeuger mit gesetzlichen CO2-Grenz- einem eng gefassten Nachhaltigkeitsfaktor werten und entsprechender Zinsanpassung abhängen, ist es wahrscheinlicher, dass eine in Abhängigkeit von den CO2-Emissionen), aus dem Nachhaltigkeitsfaktor resultierende ist es wahrscheinlicher, dass ein direkter Ein- Veränderung der vertraglichen Zahlungsströ- fluss des spezifischen Nachhaltigkeitsfaktors me auf eine Änderung des Kreditausfallrisikos auf das Kreditausfallrisiko besteht. zurückzuführen ist. Non-Recourse-Finanzierungen Bei Non-Recourse-Finanzierungen besteht kein schaftlicher Betrachtungsweise maßgeblich. In Rückgriffsrecht des Inhabers auf den Emitten- Bezug auf das primäre Risiko kommt es darauf ten, d.h., die Rückflüsse in Form von Tilgungs- an, ob eher das Investitionsrisiko oder das Kre- und Zinszahlungen einer Anleihe werden aus- ditausfallrisiko im Vordergrund steht. schließlich aus den Einnahmen der zugrunde liegenden Projekte geleistet.36 Bei Green Revenue Bonds38 basieren die ver- traglichen Zahlungsströme des finanziellen Zur Beurteilung der Zahlungsstrombedingung Vermögenswerts ausschließlich auf den Ein- dieser Finanzinstrumente ist eine Analyse der nahmen, welche die zugrunde liegenden „grü- Eigenschaften der vertraglichen Zahlungen aus nen“ Projekte erzeugen. Damit sind die Til- dem finanziellen Vermögenswert und damit ei- gungs- und Zinszahlungen vom Erfolg der ne „Durchschau“ auf die zugrunde liegenden „grünen“ Projekte abhängig. Steht das Investi- Vermögenswerte oder die Zahlungen aus die- tionsrisiko im Vordergrund, weil bspw. die ver- sen Vermögenswerten erforderlich.37 Für die traglich vereinbarten Zahlungsströme nicht ge- Beurteilung, ob eine Non-Recourse-Finanzie- leistet werden, wenn der Erfolg des „grünen“ rung die Zahlungsstrombedingung erfüllt, sind Projekts ausbleibt und ein Rückgriff auf den sowohl die vertraglichen Regelungen als auch Emittenten vertraglich nicht vorgesehen ist, das primäre Risiko der Finanzierung bei wirt- kann dies im Widerspruch zur Zahlungsstrom- 15
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN bedingung des IFRS 9 stehen. Einen Verstoß strombedingung dann nicht erfüllt ist, wenn gegen diese Bedingung dürften auch vertragli- primär ein Investitionsrisiko vorliegt und sich che Vereinbarungen darstellen, die vorsehen, dadurch keine Zahlungsströme ergeben, die dass über die vereinbarten Tilgungs- und Zins- ausschließlich Tilgungs- und Zinszahlungen auf zahlungen hinausgehende Projekterlöse eben- den ausstehenden Kapitalbetrag darstellen. falls an die Investoren ausgeschüttet werden. Darüber hinaus gibt es allerdings auch Green Project Bonds, die ein Rückgriffsrecht auf den Bei Green Project Bonds39 basieren die vertrag- Emittenten und/oder das bzw. die zugrunde lichen Zahlungsströme auf einem oder mehre- liegenden Projekte vorsehen. In diesen Fällen ren speziellen „grünen“ Projekten. Sofern ein stellt sich wiederum die Frage, ob die Eigen- Rückgriffsrecht auf den Emittenten und auf schaften eines „Standardkreditvertrags“ gege- den zugrunde liegenden Vermögenswert nicht ben sind und folglich, ob Vertragsbedingungen vorgesehen ist, gilt in Bezug auf diese „grünen“ vorliegen, die der Zahlungsstrombedingung Finanzierungen gleichfalls, dass die Zahlungs- des IFRS 9 entgegenstehen. Vertraglich verknüpfte Instrumente Ein Emittent kann den Zahlungen an die Inhaber posure to credit risk der Tranche im Vergleich von finanziellen Vermögenswerten Vorrang ein- zum exposure to credit risk des zugrunde lie- räumen, indem er mehrere vertraglich verknüpf- genden Bestands an Finanzinstrumenten. te Finanzinstrumente verwendet, die Konzent- rationen von Ausfallrisiken schaffen (Tranchen), Setzt sich das Referenzvermögen lediglich aus indem Zahlungsausfälle zuerst anderen Finanz- nicht-finanziellen Vermögenswerten zusam- instrumenten zugeordnet werden. Bei Green men (z.B. mehrere Windkraftanlagen), steht Securitised Bonds40 handelt es sich um solche dies der Erfüllung der Zahlungsstrombedin- vertraglich verknüpften Finanzinstrumente. gung entgegen. Der zugrunde liegende Pool kann jedoch auch aus Finanzinstrumenten be- In diesen Fällen müssen zur Erfüllung der Zah- stehen, z.B. Darlehen, die die Errichtung von lungsstrombedingung mehrere Voraussetzun- Windkraftanlagen finanzieren. Sofern Instru- gen kumulativ gegeben sein.41 Dies erfordert zu- mente mit einer Variabilität der Zahlungsströ- nächst, dass die Vertragsbedingungen der me aufgrund von ESG-Faktoren im Referenz- Tranche selbst (ohne „Durchschau“ auf die zu- vermögen enthalten sind, kommt auch hier der grunde liegenden Vermögenswerte) ausschließ- Beurteilung der Zahlungsstrombedingung eine lich Tilgungs- und Zinszahlungen auf das aus- besondere Bedeutung zu. stehende Kapital begründen, aber auch eine Beurteilung des Referenzvermögens und des ex-
IDW KNOWLEDGE PAPER Die Faktoren „de minimis“ und „not genuine“ Neben der generellen Beurteilung der Wesent- Der Faktor „not genuine“ dürfte bei „grünen“ Fi- lichkeit der durch ESG-Faktoren verursachten nanzierungen generell nicht einschlägig sein. Variabilität der Zahlungsströme ist fraglich, ob Der Faktor „de minimis“ hingegen könnte u.U. auch die Regelungen von IFRS 9.B4.1.18 zur An- im Einzelfall vorliegen. Unter Berücksichtigung wendung kommen könnten. Dieser Textziffer der zunehmenden Regulierung, welche Produkte folgend sind vertragliche Vereinbarungen, die überhaupt als „grün“ bezeichnet werden dürfen, lediglich eine äußerst geringfügige (de mini- und der bewussten Entscheidung von Investoren mis) Auswirkung auf die vertraglichen Zah- für „grüne“ Finanzprodukte, die dieses Label lungsströme aus dem finanziellen Vermögens- auch verdienen, erscheint es künftig immer un- wert haben können oder die als realitätsfern wahrscheinlicher, dass sich die vertragliche Ver- (not genuine) einzustufen sind, im Rahmen der knüpfung mit einem oder mehreren ESG-Fakto- Beurteilung der Zahlungsstrombedingung ren nur äußerst geringfügig (de minimis) auf die nicht relevant. vertraglichen Zahlungsströme auswirkt. 3.2.2. Bewertung Ein finanzieller Vermögenswert, der die Zahlungsstrombedingung i.S. von IFRS 9 nicht erfüllt, muss erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden. Hierfür sind die Vorschriften des IFRS 13 "Bemessung des Fair Value" maßgeblich. Bei „grünen“ Finanzinstrumenten ist dabei u.a. zu klären, wie sich die Koppelung an einen oder mehrere ESG-Faktoren auf die Bewertung zum Fair Value und damit auch auf die Einordnung in die Fair-Value-Hierarchie gemäß IFRS 13.72 ff. auswirkt. Weitere Bewertungsfragen können sich im Zusammenhang mit der Ermittlung erwarteter Kredit- verluste nach IFRS 9 ergeben. Je nachdem inwieweit Nachhaltigkeitsfaktoren Einfluss auf das Ra- ting bzw. das Kreditausfallrisiko des Emittenten nehmen, sind etwaige Auswirkungen auf die nach IFRS 9 zu erfassende Wertminderung bzw. Risikovorsorge zu analysieren.42 Würde ein solcher Ein- fluss bspw. bei einer ESG-gebundenen Anleihe bestehen, welche aufgrund der Erfüllung der Zah- lungsstrombedingung und des Geschäftsmodells „Halten“ zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet wird, könnte eine Verschlechterung des ESG-Faktors, der den vertraglichen (variablen) Zahlungsströmen zugrunde liegt, dazu führen, dass eine höhere Wertminderung zu erfassen bzw. eine höhere Risikovorsorge zu bilden wäre. Denkbar wäre in diesem Fall auch, dass sich das Kredit- ausfallrisiko im Vergleich zum erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat und damit nicht mehr nur die erwarteten 12-Monats-Kreditverluste zu erfassen wären, sondern die erwarteten Kreditverluste über die Restlaufzeit. 17
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN 3.2.3. Angaben Bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten ist auch der Fair Value des Finanzinstruments sind sowohl die für Finanzinstrumente spezifi- gemäß IFRS 7.25 ff. im Anhang anzugeben. schen Angabepflichten nach IFRS 7 als auch die sich aus den allgemeinen Grundsätzen zur Dar- Nach IAS 1 dürften vor allem die Angaben zu stellung von Abschlüssen nach IAS 1 u.U. erge- Ermessensentscheidungen und Schätzungen benden Angabepflichten zu beachten. relevant sein. Bei mit hoher Unsicherheit be- hafteten „grünen“ Finanzierungen (z.B. hin- Nach IFRS 7 gibt es grundsätzlich keine beson- sichtlich der Erfüllung der Zahlungsstrombe- deren Vorschriften für „grüne“ Finanzinstru- dingung) sind erhöhte Informationsbedürfnisse mente. Es sind die für alle Finanzinstrumente der Investoren hinsichtlich der verwendeten einschlägigen Regelungen anzuwenden. Zu be- Annahmen und Schätzungen zu berücksichti- achten ist allerdings, dass IFRS 7 eine Reihe gen. Dies könnte bspw. bei Non-Recourse- von spezifischen Offenlegungsanforderungen Finanzierungen der Fall sein. Allerdings ist für verschiedene Klassen von Finanzinstrumen- hierfür deren jeweilige Ausgestaltung im Ein- ten verlangt. Dies ist für „grüne“ Finanzierun- zelfall zu würdigen. gen insbesondere mit Blick auf die Angaben zum Kreditausfallrisiko relevant, sodass hier Darüber hinaus sind bei der Ermittlung des die bisher zu veröffentlichenden Angaben nun Fair Value die Angabepflichten von IFRS 13 zu auch gesondert für diese Klasse von Finanzins- beachten. Ein besonderes Augenmerk wird da- trumenten darzustellen sind. Im Fall der Be- bei auf die Level-Zuordnung der betroffenen wertung zu fortgeführten Anschaffungskosten Finanzinstrumente zu legen sein. Ein kurzer Blick ins HGB Die handelsbilanzielle Abbildung „grüner“ Finanzierungen aus Sicht von Investoren richtet sich – genauso wie nach IFRS – nach den allgemeinen Regelungen zur bilanziellen Abbil- dung von (finanziellen) Vermögensgegenständen.43 In Abhängigkeit von der Zweckbestim- mung und damit der Frage, ob der finanzielle Vermögensgegenstand dazu bestimmt ist, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, sind „grüne“ Finanzierungen entweder als Anla- gevermögen oder als Umlaufvermögen zu klassifizieren und entsprechend zu bilanzieren.44 Der Ausweis „grüner“ Finanzierungen ist damit je nach Ausgestaltung im Einzelfall in unter- schiedlichen Bilanzposten möglich.
IDW KNOWLEDGE PAPER Die Zugangsbewertung erfolgt nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB mit den Anschaffungskosten. Diese dürfen im Rahmen der Folgebewertung aufgrund des Realisationsprinzips grundsätz- lich nicht überschritten werden.45 Eine außerplanmäßige Abschreibung auf einen niedrige- ren beizulegenden Wert ist für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung vorzunehmen; im Fall einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung besteht nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB ein Abschreibungswahlrecht. Bei „grünen“ Vermögensgegenständen des Umlaufver- mögens findet das strenge Niederstwertprinzip gemäß § 253 Abs. 4 HGB Anwendung. Dem- nach sind die Vermögensgegenstände auf den niedrigeren Wert abzuschreiben, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt oder der ihnen beizulegen ist, wenn kein Börsen- oder Marktpreis vorliegt.46 Weder im Rahmen der Zugangs- noch der Fol- gebewertung existieren im Sinne der Prinzipienorientierung der handelsrechtlichen Rech- nungslegung spezifische Regelungen für die Bilanzierung von „grünen“ Finanzierungen. Anders als nach IFRS47 muss nicht nur der Emittent, sondern auch der Investor einer „grü- nen“ Finanzierung prüfen, ob es sich um ein strukturiertes Finanzinstrument handelt, bei dem ein eingebettetes Derivat abzuspalten und getrennt zu bilanzieren ist.48 Bei einem strukturierten Finanzinstrument – hierunter werden sowohl Vermögensgegenstände mit Forderungscharakter (z.B. Ansprüche aus Darlehen und Wertpapiere) als auch entsprechen- de Verbindlichkeiten subsumiert – ist ein Basisvertrag rechtlich mit einem oder mehreren eingebetteten Derivaten verbunden.49 Grundsätzlich sind strukturierte Finanzinstrumente als einheitliches Finanzinstrument zu bilanzieren. Abweichend von diesem Grundsatz han- delt es sich jedoch um zwei Instrumente, wenn das eingebettete Derivat zu wesentlich er- höhten oder zusätzlichen (andersartigen) Risiken und Chancen führt. Das Derivat ist dann vom Basisvertrag abzuspalten und getrennt zu bilanzieren.50 Mögliche Anwendungsfälle im Zusammenhang mit „grünen“ Finanzierungen werden in Abschn. 4. dargestellt. Die handelsrechtlichen Vorschriften fordern keine gesonderten Angaben für „grüne“ Finan- zierungen im Anhang, sodass die allgemeinen Regelungen anzuwenden sind. Neben den Angaben der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden für Finanzinstrumente51 enthalten § 285 Nr. 18, 19 und 20 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 10, 11 und 12 HGB Angabepflichten für bestimm- te Finanzinstrumente, die in Abhängigkeit von der Gestaltung im Einzelfall bei „grünen“ Finanzierungen einschlägig sein können. Im Lagebericht sind „grüne“ Finanzierungen ebenfalls gemäß den allgemeinen Regelungen zu berücksichtigen.52 Die Anforderungen an den Konzernlagebericht werden darüber hinaus durch DRS 20 konkretisiert53, der eine gesonderte Berichterstattung über die Verwendung von Finanzinstrumenten vorsieht.54 19
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN 4. BILANZIERUNG "GRÜNER" FINANZIERUNGEN AUS DER PERSPEKTIVE EINES EMITTENTEN Wenn es sich bei einem „grünen“ Finanzinstru- 2. e s ist keine Anfangsauszahlung erforderlich ment um eine finanzielle Verbindlichkeit han- oder eine, die im Vergleich zu anderen Ver- delt, ist zu prüfen, ob ein eingebettetes ab- tragsformen, von denen zu erwarten ist, spaltungspflichtiges und damit getrennt zu dass sie in ähnlicher Weise auf Änderungen bilanzierendes Derivat vorliegt. Dazu muss im der Marktbedingungen reagieren, geringer ersten Schritt geklärt werden, ob die Defini- ist; und tion eines Derivats i.S. des IFRS 9 erfüllt ist. 3. d ie Erfüllung erfolgt zu einem späteren Ein Derivat ist ein Finanzinstrument oder ein Zeitpunkt. anderer Vertrag im Anwendungsbereich des Standards, das bzw. der die folgenden drei Für die meisten der in Abschn. 2.2. beschriebe- Merkmale kumulativ aufweist55: nen Typen von Green Bonds und Green Loans ist zumindest in Bezug auf Nachhaltigkeits- 1. die Wertentwicklung ist an einen bestimm- aspekte nicht von der Erfüllung der Definition ten Zinssatz, den Preis eines Finanzinstru- eines Derivats auszugehen, da die vertraglichen ments, einen Rohstoffpreis, Wechselkurs, Ausgestaltungen meist lediglich die Finanzie- Preis- oder Kursindex, Bonitätsrating oder rung eines „grünen“ Projekts ohne nachhaltig- -index oder eine andere Variable gekoppelt, keitsspezifische Auswirkungen auf die verein- sofern bei einer nicht-finanziellen Variablen barten Zahlungsströme vorsehen.56 Eine diese nicht spezifisch für eine der Vertrags- besondere Relevanz ergibt sich allerdings für parteien ist (auch „Underlying“ genannt); ESG-gebundene Anleihen, bei denen i.d.R. eine
IDW KNOWLEDGE PAPER vertragliche Bindung der Zinssätze an einen nanzielle Variable einzustufen. In diesem Fall wä- unternehmensspezifischen Nachhaltigkeits- re die Definition eines eingebetteten Derivats faktor oder ein Nachhaltigkeitsrating des Emit- erfüllt. Daran anknüpfend ist nach IFRS 9.4.3.3 tenten vorliegt und damit auch der Wert der zu beurteilen, ob das eingebettete Derivat vom Anleihe in Abhängigkeit von einem „Underly- Basisvertrag zu trennen ist. In Einklang mit der ing“ Änderungen unterliegt. Dennoch ist die vorherigen Schlussfolgerung, dass ein direkter Definition eines Derivats für eine solche Ver- Einfluss des Nachhaltigkeitsfaktors auf das knüpfung nicht pauschal als erfüllt anzusehen, Kreditausfallrisiko des Emittenten besteht, da zur Beurteilung des ersten o.g. Kriteriums können die wirtschaftlichen Merkmale und noch entscheidend ist, ob der Nachhaltigkeits- Risiken des eingebetteten Derivats und des faktor eine finanzielle oder eine nicht-finanzi- Basisvertrags als eng miteinander verbunden elle Variable der Vertragspartei darstellt. angesehen werden. Daher wird das eingebette- te Derivat nicht getrennt. Die Beurteilung der Art der Variable (d.h. fi- nanziell vs. nicht-finanziell) hängt in erster Li- Wenn kein direkter Einfluss des spezifischen nie davon ab, ob ein direkter Einfluss der Nach- Nachhaltigkeitsfaktors, auf den in den vertrag- haltigkeitsfaktoren auf das Kreditausfallrisiko lichen Zahlungsströmen der finanziellen Ver- des Emittenten besteht. bindlichkeit Bezug genommen wird, auf das Kreditausfallrisiko des Emittenten vorliegt, Gelangt der Emittent zu dem Ergebnis, dass ein stellt der Nachhaltigkeitsfaktor eine nicht-fi- direkter Einfluss des spezifischen Nachhaltig- nanzielle Variable dar, die zudem unterneh- keitsfaktors, auf den in den vertraglichen Zah- mensspezifisch ist. Bislang ist noch ungeklärt, lungsströmen der finanziellen Verbindlichkeit ob in solchen Fällen von nicht-finanziellen Va- Bezug genommen wird, auf das Kreditausfall- riablen, die spezifisch für eine Vertragspartei risiko des Emittenten besteht, stellt der Nachhal- sind, ein Ausschluss von der Definition eines tigkeitsfaktor in erster Linie eine Komponente Derivats i.S. von IFRS 9 vorliegt oder nicht57. des Kreditausfallrisikos dar und ist daher als fi- Ein kurzer Blick ins HGB Grundsätzlich gilt für die bilanzielle Abbildung „grüner“ Finanzierungen aus Sicht eines Emittenten, wie für alle Verbindlichkeiten, dass diese gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB zu ih- rem Erfüllungsbetrag anzusetzen sind.58 Ist der Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit höher als der Ausgabebetrag, darf der Unterschiedsbetrag gemäß § 250 Abs. 3 HGB als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten erfasst werden, welcher zeitanteilig erfolgswirksam aufzulö- 21
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN sen ist. Wird von diesem Wahlrecht kein Gebrauch gemacht, erfolgt eine unmittelbare auf- wandswirksame Erfassung. In Bezug auf die Folgebewertung gilt das sog. Höchstwertprinzip. Danach ist eine Abwertung einer Verbindlichkeit unter den erstmalig angesetzten Erfüllungsbetrag unzulässig. Eine Auf- stockung der Verbindlichkeit ist allerdings geboten, wenn der Erfüllungsbetrag ansteigt. Um dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip gerecht zu werden, kann sich im Falle „grüner“ Finanzierungen, deren vertraglicher Rückzahlungsbetrag in der Höhe maßgeblich vom Pro- jekterfolg abhängt (z.B. bei Green Project Bonds), die Notwendigkeit ergeben, einen ober- halb des Ausgabebetrags liegenden Betrag zu passivieren. Dies stellt jedoch keine Besonder- heit „grüner“ Finanzierungen dar, sondern gilt auch für sonstige Projektfinanzierungen. Der Emittent einer „grünen“ Finanzierung hat diese dahingehend zu prüfen, ob ein einge- bettetes Derivat abzuspalten und getrennt zu bilanzieren ist. Allein aufgrund des Umstands, dass die Variabilität der Verzinsung eines begebenen Finanzinstruments auf die Entwick- lung von ESG-Faktoren zurückgeht, ergeben sich keine bilanziellen Besonderheiten zu Fi- nanzinstrumenten, die anderweitig variabel verzinst werden. Der Erfüllungsbetrag von Geldleistungsverpflichtungen entspricht dem nicht-abgezinsten Nennwert.59 Änderungen von vertraglichen Zinszahlungen haben somit keine Auswirkung auf den Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit. Im Lagebericht des Emittenten sind v.a. die Angaben zur Kapitalstruktur gemäß DRS 20.81 ff. relevant. Zu den weiteren erforderlichen Angaben in Anhang und Lagebericht wird auf die Ausführungen zum Handelsrecht in Abschn. 3. verwiesen.
IDW KNOWLEDGE PAPER 5. FAZIT UND LÖSUNGSANSÄTZE Bei „grünen“ finanziellen Vermögenswerten Die derzeitigen Probleme in der Anwendung mit einer Variabilität der Zahlungsströme auf- der aktuell gültigen IFRS auf „grüne“ Finanzie- grund von Nachhaltigkeitsfaktoren ist insbe- rungen dürften auch dem Umstand geschuldet sondere die Würdigung der Zahlungsstrombe- sein, dass „grüne“ Finanzinstrumente bei der dingung im Rahmen der Klassifizierung nach Verabschiedung von IFRS 9 im Jahr 2014 kaum IFRS 9 für Investoren der bedeutsamste As- eine Rolle in der Praxis gespielt haben und der pekt, da er über deren Bilanzierung zum Fair Standardsetzer daher keine Konkretisierung Value oder zu fortgeführten Anschaffungskos- vornehmen musste. Mittlerweile haben sich die ten entscheidet. Auf der Passivseite stellt vor Umstände aber deutlich geändert. Instrumente allem die Analyse „grüner“ finanzieller Ver- mit einer vertraglichen Verknüpfung von Zah- bindlichkeiten auf vorhandene eingebettete lungsströmen mit Nachhaltigkeitsfaktoren sind und abspaltungspflichtige Derivate die Emit- mittlerweile im Kapitalmarkt angekommen und tenten vor Herausforderungen. dürften in naher Zukunft ein flächendeckendes 23
BILANZIERUNG VON „GRÜNEN“ FINANZIERUNGEN Finanzierungsmittel werden. In der EU ist der entstehende ungewollte Bilanzierungskonse- politische Wille aus dem „Green Deal“ ein we- quenzen, die der sowohl politisch als auch ge- sentlicher Treiber für diese Entwicklung. sellschaftlich intendierten Änderung des Inves- titionsverhaltens hin zu nachhaltigen Produk- Wie oben dargestellt, ist die Beurteilung der ten ggf. entgegenstehen, könnten auf diese Zahlungsstrombedingung nicht frei von Unsi- Weise beseitigt werden. cherheit in der Auslegung. Davon betroffen sind alle Beteiligten, einschließlich der Auf- Mit Blick auf die aktuelle Agenda des IASB sichtsbehörden. Sicherheit in der Auslegung würde sich der anstehende Post-implementati- dieser Frage dürfte sich nur dann einstellen, on Review (PiR) von IFRS 961 zwar grundsätzlich wenn sich das IASB dieser Problematik an- eignen, dieses Thema zu adressieren und die nimmt und speziell für diese Art von Finanzie- Lücke in den bestehenden Vorschriften zu fül- rungen klare Regelungen und damit Rechtssi- len. Allerdings ist – vor dem Hintergrund der cherheit schafft. Für einen funktionierenden derzeit rasanten europäischen, aber auch glo- Kapitalmarkt braucht es belastbare und ein- balen Entwicklungen in diesem Bereich – zu deutig nachvollziehbare Regeln.60 Ein ver- konstatieren, dass der Zeitplan bis zu einer gleichsweise einfacher Weg für den internatio- möglichen Überarbeitung des Standards als Er- nalen Standardsetzer bestünde bspw. in einer gebnis des PiR zu spät kommen dürfte. Daher Klarstellung des Grundprinzips und der Ele- erscheint es wünschenswert, dass das IASB ein mente von „Standardkreditverträgen“ („basic gesondertes Projekt mit dem Ziel einer be- lending arrangements“) nach IFRS 9. Hier soll- grenzten Änderung von IFRS 9 kurzfristig in te eindeutig festgehalten werden, dass be- seinen Arbeitsplan aufnimmt. Das IASB hat be- stimmte vertragliche Vereinbarungen zu Nach- reits in der Vergangenheit bewiesen, dass es haltigkeitsfaktoren und die daraus resultieren- auf dringende Marktentwicklungen mit Aus- de Variabilität der Zahlungsströme in Einklang wirkungen auf die Bilanzierung kurzfristig re- mit dem Grundprinzip des Standards stehen. agieren kann (z.B. im Rahmen der IBOR-Ablö- Dies sollte durch entsprechende Ausführungen sung sowie bei der flächendeckenden in den Anwendungsleitlinien zu IFRS 9 flan- Einführung von zentralen Kontrahenten im De- kiert werden. Damit könnte ein Kanon an zu- rivatehandel) und somit zu einer sachgerech- lässigen ESG-Faktoren bestimmt werden (z.B. ten und konsistenten Anwendung der IFRS bei- unter Verweis auf bestehende „grüne“ Taxono- getragen hat. Die Bedeutung dieser mien), der für sich genommen nicht zu einer Fragestellung rechtfertigt aus Sicht des IDW erfolgswirksamen Bewertung zum Fair Value ein kurzfristiges und entschlossenes Handeln für „grüne“ Finanzinstrumente führt. Eventuell auf Seiten des Standardsetzers.
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