Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56

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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
PUBLIKATION NR. 56

                              Bundesarbeitsgemeinschaft der
                               Senioren-Organisationen e. V.

Bildung und Digitalisierung
für ältere Menschen
Im Fokus: Ländlicher Raum

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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
Inhalt
      Vorwort von Franz Müntefering                                3

      Einführung: Ein weites Feld                                  4

      Lernen im Alter: Ältere lernen anders                        6
      Interview mit Prof. Dr. Elisabeth Bubolz-Lutz

      Bildung im ländlichen Raum: Hohe Bereitschaft bei Älteren   8
      Interview mit Bernhard Eder

      Jung und Alt gemeinsam                                      10

    		 Erfolgreiche Tandems                                       10

    		 Mehr als Technikschulung                                   12

      Anwendungen im Alltag                                       14

        Auf Entdeckungsreise                                      14

        Zeitgemäßes Vernetzen                                     16

      Besondere Zielgruppen                                       18

        Nützliche Technik                                         18

        Erfahrungen sammeln                                       20

      Aufsuchende Angebote                                        22

        Beratung zu Hause                                         22

      Seniorenzentren                                             24

        Hemmschwellen abbauen                                     24

      Ausblick: Digitale Dörfer                                   27
      Interview mit Nicola Röhricht

      BAGSO: Bildung als Schlüssel zu Teilhabe                    28

      www.wissensdurstig.de: Nie zu alt für Neues                 30

      Links und weitere Informationen, Bildnachweise, Impressum   31
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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,

L   ernen beginnt mit dem ersten
    Atemzug, und es hört auch im Alter
nicht auf. Und doch verändert es sich
im Laufe des Lebens. Während in der
Jugend die Orientierung auf den Beruf
im Vordergrund steht, bietet Lernen
im Alter die Chance, für sich selbst zu
entscheiden: Was möchte ich noch er-
fahren, was noch erleben? Lust auf das
Leben und Neugierde sind dabei eine
gute Voraussetzung.
     Lesen und zuschauen, diskutieren
und schreiben, reisen und organisie-       und Bildungsangebote. Eine wichtige
ren, singen und malen, und, und, und       Rolle spielen dabei die digitalen Medi-
– vieles davon schafft gute Gelegen-       en, denn sie bieten neue, ortsunabhän-
heiten, mit anderen Menschen zusam-        gige Möglichkeiten des Lernens und
menzukommen. Zum Älterwerden ge-           der Kommunikation. Deshalb wollen
hört auch, dass wir die Veränderungen      wir Seniorinnen und Senioren auch
bei uns in der Kommune und in der          für digitale Medien begeistern.
Welt nicht ignorieren, sondern ver-            Lassen Sie sich von den in diesem
stehen und daran mitwirken, sie ver-       Themenheft vorgestellten Bildungs-
nünftig, also menschlich, zu gestalten.    projekten inspirieren. Und wenn Sie
Bescheid zu wissen, hilft dabei!           selbst gute Ideen haben, um älteren
     Menschen bringen unterschiedli-       Menschen Bildung und Teilhabe zu er-
che Erfahrungen mit dem Lernen mit,        möglichen, oder wenn Sie erfolgreiche
mehr oder weniger, gute oder schlech-      Beispiele kennen, die sich zur Verbrei-
te. Manche sind bereits motiviert, an-     tung empfehlen – bitte melden Sie sich.
dere wollen erst noch begeistert wer-      Wir sind interessiert.
den. Deshalb braucht es vielfältige
Bildungsangebote. Auch von Ort zu
Ort sind die Voraussetzungen unter-            Ihr
schiedlich. Insbesondere im ländlichen
Raum kann es schwierig sein, zum
nächsten Internet-Treffpunkt zu kom-
men. Gleichwertige Lebensverhältnis-           Franz Müntefering
se in den Regionen zu schaffen, ist eine       BAGSO-Vorsitzender
wichtige Zukunftsaufgabe. Das gilt
auch für Begegnungsmöglichkeiten

                                                                                     3
Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
EINFÜHRUNG

             Ein weites Feld
             Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen im
             ländlichen Raum

             W       ir alle lernen lebenslang. Doch
                     verändert sich im Alter die Mo-
             tivation zu lernen. Bildung ist dann we-
                                                        und Senioren auch auf dem Weg in die
                                                        digitale Welt unterstützen (ab S. 10).
                                                        Die Projekte wurden von einer Fach-
             niger außengesteuert und dient kaum        jury ausgewählt und erhielten einen
             noch der Erreichung extern gesetzter       Zuschuss von bis zu 5.000 Euro aus
             Ziele – man lernt vielmehr für sich        Mitteln des Bundesministeriums für
             selbst. Bildung ist im Alter von zentra-   Familie, Senioren, Frauen und Jugend
             ler Bedeutung, um das eigene Leben zu      (BMFSFJ). Bildungsangebote zur Digi-
             gestalten und zu bereichern, die Eigen-    talisierung sind nicht nur ein wichtiger
             ständigkeit zu erhalten, den Alltag zu     Bereich der gesamten Angebotspalette
             erleichtern und Beziehungen zu knüp-       für Ältere, sie sind vor allem für Se-
             fen. Wie Bildung im Alter gelingen         niorinnen und Senioren, die auf dem
             kann und wie Bildungsangebote für          Land leben, von großer Bedeutung,
             Ältere unter den besonderen Bedin-         weil sie deren gesellschaftliche Teilha-
             gungen des ländlichen Raums gestaltet      be verbessern können.
             werden können, ist Thema dieses Hef-            Die Digitalisierung ist ein weites
             tes.                                       Feld – sie kann aber gerade in länd-
                  Im Interview betont die Erzie-        lichen Gebieten von großem Vorteil
             hungswissenschaftlerin Prof. Dr. Elisa-    sein, nicht zuletzt für ältere Menschen,
             beth Bubolz-Lutz, wie wichtig selbst-      deren Mobilität eingeschränkt ist, weil
             bestimmtes Lernen in non-formalen          sie zum Beispiel nicht (mehr) Autofah-
             Zusammenhängen ist. Bildungsan-            ren oder weil die Verkehrsanbindung
             gebote für ältere Menschen sollten an      in ihrer Region schlecht ist. Ihnen hilft
             Alltagsfragen anknüpfen und auf per-       das Internet, um mit ihrer Familie und
             sönlichen Austausch und Begegnung          ihrem Freundeskreis in Kontakt zu
             setzen (S. 6). Der Soziologe und Theo-     bleiben, Bankgeschäfte und Behörden-
             loge Bernhard Eder weist darauf hin,       angelegenheiten zu erledigen, Einkäu-
             dass sich viele ältere Menschen frei-      fe zu tätigen und sich zu informieren.
             willig engagieren wollen. Sie benötigen    Das Internet und digitale Medien bie-
             Angebote, um sich für ein Engagement       ten vor allem aber auch neue Zugänge
             entscheiden und die dafür notwendi-        zu Bildung, unabhängig von dem Ort,
             gen Kompetenzen trainieren zu kön-         an dem man lebt.
             nen (S. 8).                                     Der Bedarf an Bildungsangebo-
                  Den Schwerpunkt dieses Themen-        ten zu digitalen Themen ist weiterhin
             heftes bilden 17 sogenannte Leucht-        hoch, wenngleich der Prozentsatz der
             turmprojekte aus dem gesamten Bun-         Älteren, die das Internet nutzen, kon-
             desgebiet: Bildungsangebote für Ältere     tinuierlich steigt. Nach Angaben des
             im ländlichen Raum, die Seniorinnen        Statistischen Bundesamts waren im

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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
EINFÜHRUNG

ersten Quartal 2017 in Deutschland 50       oder den eigenen Interessen mit Hilfe
Prozent der Personen ab 65 Jahren im        des Internets nachzugehen.
Internet unterwegs. 2007 waren es 19             Digital gestützte Angebote spielen
Prozent, 2012 bereits rund 32 Prozent.      bereits heute eine zentrale Rolle für
    Die vorgestellten Leuchtturmpro-        ältere Menschen auf dem Land. Ihre
jekte aus dem ländlichen Raum er-           Bedeutung wird aber noch weiter zu-
mutigen zur Nachahmung. Gemein-             nehmen, prophezeit die Leiterin der
sam ist ihnen, dass sie versuchen, den      Servicestelle "Digitalisierung und Bil-
konkreten Nutzen digitaler Medien für       dung für ältere Menschen" der BAGSO,
den Alltag und die individuelle Situ-       Nicola Röhricht, im Interview über
ation von Seniorinnen und Senioren          „Digitale Dörfer“ (S. 27). Die BAGSO
aufzuzeigen. Die gewählten Wege sind        engagiert sich seit vielen Jahren in der
ganz unterschiedlich – häufig spielt        Entwicklung von Bildungsangeboten
der intergenerationelle Austausch eine      für ältere Menschen mit dem Schwer-
wichtige Rolle, einige Projekte wählen      punkt Digitalisierung (S. 28). Seit 2017
einen spielerischen Zugang oder loten       bietet sie mit der Servicestelle „Digita-
kreative Anwendungen der Technik            lisierung und Bildung für ältere Men-
aus. Allen Projekten ist es ein Anliegen,   schen“ eine zentrale Anlaufstelle so-
nicht nur die technische Handhabung         wohl für interessierte Ältere als auch
von Geräten zu vermitteln, sondern          für Multiplikatoren an (S. 30). Ziel der
auch die Gemeinschaft zu fördern –          Servicestelle ist es, möglichst vielen
zwischen den Generationen, innerhalb        Menschen im Alter einen Zugang zu
der älteren Generationen, innerhalb         Bildung und damit zu Teilhabe zu er-
eines Vereins oder einer Gemeinde –         möglichen.

                                                                                                5
Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
LERNEN IM ALTER

               Ältere lernen anders
               Interview mit der Erziehungswissenschaftlerin
               Prof. Dr. Elisabeth Bubolz-Lutz

               Lernen ältere Menschen anders als          viele ältere Menschen sind Angebote
               jüngere?                                   attraktiv, bei denen Alt und Jung über
               Ältere kann man nicht über einen           gemeinsame Themen ins Gespräch
               Kamm scheren – insofern gibt es auch       kommen. Vorbehalte bestehen hin-
               bezüglich des Lernens viele individu-      gegen vielfach gegenüber traditionell
               elle Unterschiede. Natürlich wird vor      ausgerichteten Seniorenbegegnungs-
               allem das gerne aufgenommen, was           stätten – kaum jemand rechnet sich
               besonders interessant erscheint, sei es,   selbst gern der Gruppe der „Alten“ zu.
               weil es etwas mit dem eigenen Leben        Deshalb werden Zugänge über die jün-
               und den persönlichen Fragestellungen       geren Generationen immer wichtiger.
               zu tun hat, sei es, weil es einen beson-   Es gilt, neue Formen für Bildung an
               deren Nutzen verspricht.                   attraktiven Orten und auch im Alltag
                                                          zu entwickeln, die Freude machen und
    Für Bildungsangebote im ländlichen                    zum Nachdenken sowie zu gemeinsa-
    Bereich gilt es, passende Formen zu finden,           mem Tun anregen.
    die das eher selbstorganisierte Lernen im
    Dorf mit Angeboten in nahe liegenden                  Was heißt das für Bildungsanbieter –
    Städten verbindet.                                    speziell im ländlichen Raum?
                                                          In der Bildungspraxis stoßen gerade
               Es gibt Besonderheiten, die das Ler-       solche Angebote zunehmend auf Inte-
               nen im Alter erleichtern – etwa, dass      resse, die gezielt auf persönlichen Aus-
               man auf bereits erfolgreich entwickel-     tausch und Begegnung setzen, die dar-
               te Lernstrategien zurückgreifen kann       auf gerichtet sind, dass sich Menschen
               oder in der Lage ist, Wesentliches von     an Orten in ihrem Wohnumfeld treffen
               Unwesentlichem zu unterscheiden. Es        und sich Lernen und Alltagsgestaltung
               gibt aber auch Beschränkungen, die et-     miteinander verzahnen. Bildungsan-
               was mit dem Alter selbst zu tun haben:     bieter sollten Älteren mehr Mitwirkung
               So braucht es zum Beispiel mehr Wie-       bei der Gestaltung ihrer Programme
               derholungen, bis man sich Informatio-      einräumen, und Kommunen sollten
               nen einprägt, auch die Reaktionszeit       die Teilnahme durch gute Rahmen-
               verlängert sich. Vieles lässt sich hier    bedingungen ermöglichen. Bildungs-
               aber durch Übung ausgleichen.              angebote müssen erreichbar und auch
                                                          für weniger mobile Menschen zugäng-
               Wie lassen sich ältere Menschen am         lich sein. Zudem dürfen sie nicht zu
               besten motivieren?                         teuer sein. Es braucht dazu offene Bil-
               Persönliche Interessen, Neigungen          dungsräume, in denen nicht Leistung,
               und aktuelle Alltagsfragen – all das       sondern (intergenerationelle) Begeg-
               schafft Anknüpfungspunkte. Für sehr        nungen und Gespräche an erster Stelle

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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
LERNEN IM ALTER

                                                        Wissen
                                                       Verstehen
                                                      Information

                                Eingebundenheit                              Freiheit
                                  Beheimatung                           Selbstbestimmung
                                  Zugehörigkeit                            Partizipation
                                                     Lust und Erfolg
                                                       beim Lernen
                                                    steigen durch das
 Aspekte, die das Lernen                              Erleben von...
 im Alter begünstigen.            Ausrichtung                              Kompetenz-
 Aus: Handreichung. Wie          auf Ziele & Sinn                          entwicklung
 Bildung im Alter gelingt.       eigenes Leben                          Selbstwirksamkeit
 BAGSO, Bonn 2019, S. 23.
                                                      Sicheren und
                                                       anregenden
                                                      (Lern-) Orten

stehen. Gelegenheiten sollten geschaf-    die Gesellschaft außerordentlich be-
fen werden, das eigene Wissen weiter-     deutsam. Wir leben vom Austausch
zugeben, es mit Gleichgesinnten zu tei-   von Wissen, Erfahrungen und von
len und in die Tat umzusetzen, z. B. in   gegenseitiger Unterstützung. Dazu
bürgerschaftlichem Engagement, das        braucht es eine Kultur des „ins Ge-
anderen zugutekommt. Für Bildungs-        spräch Kommens“, des „aufeinander
angebote im ländlichen Bereich gilt es    Zugehens“ und des „gemeinsamen
zudem, passende Formen zu finden,         Engagements“. Hier sind die Nieder-
die das eher selbstorganisierte Lernen    lande oder Schweden besonders gut
im Dorf mit Angeboten in nahe liegen-     aufgestellt. In diesen Ländern gehören
den Städten verbindet. Im Bereich des     Bildung und Lernen im Alter einfach
Lernens für Bürgerengagement zeigen       dazu. Aber auch in Deutschland gibt
Erfahrungen, dass das möglich ist und     es viele sehr gute Ansätze. Unsere Bil-
angenommen wird: Einerseits werden        dungsorganisation muss sich dahinge-
Fortbildungsveranstaltungen zentral       hend verändern, dass sie Selbstorgani-
angeboten, andererseits findet die Um-    sation und das selbstbestimmte Lernen
setzung dann im kleineren Kreis im        der Älteren fördert.
Dorf statt. Das spart Ressourcen und
regt an, über den eigenen „Tellerrand“
hinauszuschauen, von anderen zu ler-
nen und dann das umzusetzen, was in         ZUR PERSON
der Nachbarschaft gebraucht und ge-
wünscht wird.                                 Elisabeth Bubolz-Lutz ist
                                              Professorin für Geragogik
Welche Bedeutung haben Bildung                an der Universität Duisburg-
und Lernen im Alter für die Gesell-           Essen und Direktorin des
schaft?                                       Forschungsinstituts Gerago-
Bildung im Alter – als Verknüpfung            gik e. V. in Düsseldorf.
von Reflexion und Handeln – ist für

                                                                                                         7
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BILDUNG IM LÄNDLICHEN RAUM

               Hohe Bereitschaft bei Älteren
               Interview mit dem Diplomtheologen und Soziologen
               Bernhard Eder

               Haben Seniorinnen und Senioren              wusste Formate an informeller Bildung
               spezifische Bedürfnisse, die man als        für Alt und Jung, vor allem durch ge-
               Bildungsträger aufgreifen sollte?           sellige Aktivitäten. Am ehesten werden
               Ältere Menschen haben im Wesent-            durch Kirchengemeinden, Heimat-,
               lichen dieselben Bildungsbedürfnisse        Musik- Schützen- und Sportvereine
               und -orientierungen wie Erwachse-           Angebote in der unmittelbaren Wohn-
               ne generell, mit einer Ausnahme: die        umgebung gemacht. Ein Spezifikum
               berufliche Bildung spielt eine gerin-       von Bildungsträgern im ländlichen
               ge Rolle, da viele in der Rentenphase       Raum sind Landwirte als Zielgruppe.
               leben. Abgesehen davon sind sie am          In Großstädten ist der Januar für die
               gesamten breiten Spektrum von The-          Erwachsenenbildung eher eine „Sau-
               men und Bereichen interessiert – an         re-Gurken-Zeit“. In diesem Zeitraum
               persönlichkeitsorientierter, kultureller,   ist man weniger bildungsaffin. Völlig
               religiöser, gesundheitsbezogener, poli-     anders ist die Situation bei Landwirten:
               tischer und ästhetischer Bildung.           Im Januar gibt es auf den Bauernhöfen
                                                           weniger zu tun. Somit ist er ein güns-
    Eine beträchtliche Zahl älterer Menschen               tiger Monat, um etwas für die eigene
    will sich freiwillig engagieren. Sie brauchen          Weiterbildung zu tun.
    eine Weiterbildung, die sie gezielt auf ihren
                                                           Spielt Digitalisierung eine Rolle?
    freiwilligen Einsatz vorbereitet.                      Auch wenn die Zahl der älteren Off-
                                                           Liner rapide abnimmt, sind manche
               Ob Kochen, Klönen, Tanzen, Wande-           Seniorinnen und Senioren mit Com-
               rungen, Studienreisen oder Vorträge         puter und Internet nicht vertraut. Das
               zu historischen Themen, ältere Men-         gilt vor allem für die Betagten. Aber
               schen sind gerne dabei. Da sie in der       die Bildungsbereitschaft zu Themen
               Regel nicht in ein beruflich bedingtes      der Informations- und Kommunikati-
               Zeitkorsett eingebunden sind, haben         onstechnologie ist hoch. Ich habe gute
               sie grundsätzlich mehr verfügbare Zeit      Erfahrungen mit zwei Formaten der
               für Bildung, die sie nach meiner Erfah-     digitalen Bildung für ältere Menschen
               rung gerne dafür nützen. Seniorinnen        erlebt. Zum einen, wenn junge Men-
               und Senioren sind in Veranstaltungen        schen ältere Menschen in die „Geheim-
               der Erwachsenenbildung zahlenmäßig          nisse“ des Smartphones einweihen.
               gut repräsentiert.                          Für Jugendliche ist das Smartphone
                                                           ein multipel genutztes Instrument, für
               Gibt es Besonderheiten im ländli-           Seniorinnen und Senioren eher ein Te-
               chen Raum?                                  lefon. Das andere Format ist: Alt ver-
               Auf dem Dorf gibt es traditionsbe-          hilft Alt zu einer Entdeckungsreise in

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Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
BILDUNG IM LÄNDLICHEN RAUM

die digitale Welt. Ältere Menschen mit
guten Kenntnissen zu Computer und
Internet und mit didaktischem Ge-
spür erschließen betagten Menschen
diese Bereiche mit viel Beratungsauf-
wand und motivierender Seelenmas-
sage. Hier finden sich 80-Jährige ein,
die sich eigentlich geschworen haben,
nie ein Notebook anzurühren und die
auch mal den Hilferuf ausstoßen: „Hil-
fe, ich habe das Internet gelöscht.“   bildung, die sie gezielt auf ihren frei-
                                       willigen Einsatz vorbereitet, in der sie
Worin bestehen die Chancen und He- die dafür notwendigen Kompetenzen
rausforderungen für Bildungsarbeit trainieren und Gewissheit über ihr En-
mit Älteren?                           gagement-Projekt finden.
Die nachberufliche Lebensphase um-          So werden zum Beispiel in Stein-
fasst eine lange Zeit, statistisch be- heim in Ostwestfalen Bürgerinnen
trachtet circa 20 Jahre, mit sehr und Bürger, die 75 Jahre und älter sind
unterschiedlichen Lebenslagen und und zu Hause wohnen, im Rahmen ei-
Lebensorientierungen. Da gibt es den nes Hausbesuchs durch Ehrenamtliche
fitten Marathonläufer und die de- umfassend zu Angeboten rund um das
menzkranke Frau im Pflegeheim. Den Älterwerden informiert. Die Katho-
unterschiedlichen Situationen älterer lische Landvolkshochschule Harde-
Menschen mit adressatengenauen Bil- hausen bereitet diese Ehrenamtlichen
dungsangeboten gerecht zu werden, durch den Kurs „Türöffner“ auf ihren
ist eine große und spannende He- Einsatz vor.
rausforderung.
     Sehr gute Erfahrungen haben wir
mit Bildungsangeboten gemacht, die
Menschen gezielt auf ihr Leben nach      ZUR PERSON
der Berufsphase vorbereiten. Sie er-
                                           Bernhard Eder, Diplom-
halten dabei Klarheit, welche Träume
                                           theologe und Soziologe M.A.,
sie verwirklichen wollen und welche        Dozent an der Katholischen
Talente sie entfalten möchten, unter-      Landvolkshochschule
füttert mit vielen Informationen und       Hardehausen.
Impulsen. Eine beträchtliche Zahl
älterer Menschen will sich freiwillig
engagieren. Sie brauchen eine Weiter-

                                                                                      9
Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen - Im Fokus: Ländlicher Raum - PUBLIKATION NR. 56
JUNG UND ALT GEMEINSAM

                Erfolgreiche Tandems
                In Utting und Bersenbrück unterstützen Schülerinnen und
                Schüler ältere Menschen im Umgang mit digitalen Medien.

               I  n Utting in Oberbayern gibt es seit
                  2014 einen generationsübergreifen-
                den Medienkurs. Organisiert wird er
                                                           so lange, bis sie wirklich aufgenommen
                                                           wurden.“
                                                                Inzwischen haben bereits 125 äl-
                vom Verein Füreinander, der sich in        tere Menschen den Kurs durchlaufen,
                dem Ort am Ammersee um die Anlie-          manche besuchen ihn nur ein halbes
                gen älterer Menschen kümmert.              Jahr, manche bleiben länger. Auch bei
                                                           den Schülerinnen und Schülern gibt
     Ich freue mich über die Gemeinschaft,                 es Wechsel: Sie beginnen in der Regel
     die da stattfindet.                                   in der 10. Klasse und hören spätestens
                                                           nach dem Abitur auf. Manfred Hausen
                     Jeden Mittwoch treffen sich           muss deshalb immer wieder neue Ju-
                Schülerinnen und Schüler von               gendliche finden. Wenn Plakate in den
                Gymnasien aus der Umgebung                 Schulen nicht die gewünschte Wirkung
                mit Seniorinnen und Senioren,              zeigen, greift der 72-Jährige zu unkon-
                um deren Fragen rund um Laptop,            ventionellen Maßnahmen: „Ich habe
                Tablet oder Smartphone zu beantwor-        mich auch schon mit einem Schild auf
                ten. Bewährt hat sich ein 1:1-Konzept.     den Bahnsteig gestellt, von dem aus die
                Das heißt, ein junger und ein älte-        Schülerinnen und Schüler nach Hause
                rer Mensch bilden ein Paar, das dann       fahren, um zu werben.“ Für ihr sozia-
                über Monate kontinuierlich zusam-          les Engagement erhalten die Jugend-
                menarbeitet. „Ich freue mich über die      lichen ein Zertifikat, das sie später für
                Gemeinschaft, die da stattfindet“, sagt    ihre Bewerbungen verwenden können.
                Manfred Hausen, der Leiter des Pro-             „Das sind großartige junge Leute,
                jekts “ICH & DU & WIR im Netz“.            ich staune wirklich, mit welcher Zu-
                „Die Pärchen setzen sich gemütlich zu-     wendung die sich zu den Seniorinnen
                sammen und sprechen das durch. Die         und Senioren setzen“, erzählt Manfred
                jungen Leute machen das nicht blitzar-     Hausen. „Das ist auch meine Haupt-
                tig, weil sie es schnell können, sondern   motivation, das zu machen, weil ich
                wiederholen die Dinge ganz fröhlich        sehe, wie gut das läuft und wie herzlich
                                                           die Beziehungen sind.“

 ICH & DU & WIR im Netz | Utting, Bayern
 Füreinander e.V. mit Förderverein Seniorenhilfe e.V.
 Utting
 E-Mail: info@uttinger-helfen-uttingern.de
 http://www.füreinander.eu/
 http://uttinger-helfen-uttingern.de/projekte

10
JUNG UND ALT GEMEINSAM

I  m niedersächsischen Bersenbrück
   können Seniorinnen und Senioren
alle 14 Tage eine „Mediensprechstun-
                                           das dann mit den digitalen Medien
                                           erarbeitet wird. Dadurch fühlen sich
                                           unterschiedliche Leute angesprochen“,
de“ aufsuchen. Wer Fragen hat zum          sagt Linster. Die Bandbreite reicht von
Umgang mit Smartphone, Tablet oder         alltäglichen Fragestellungen, wie der
Computer, kommt in die Bibliothek          Gestaltung eines Fotobuchs, bis hin zu
im Medienforum und erhält dort Hilfe.      politischen Themen wie „Fake News“.
     Das Gebäude befindet sich direkt
neben den Berufsbildenden Schulen                      Das geht sehr gut, wenn man Jung und
des Landkreises Osnabrück. Eine Zu-                    Alt zusammenführt.
sammenarbeit lag daher nahe, und
die Erfahrungen sind durchweg posi-             Manchmal beraten die Schülerin-
tiv, berichtet Gabriele Linster, die Se-   nen und Schüler die Seniorinnen und
niorenbeauftragte der Samtgemeinde         Senioren auch zu Hause, erzählt Lins-
Bersenbrück: „Das geht sehr gut, wenn      ter: „Die Samtgemeinde Bersenbrück
man Jung und Alt zusammenführt.“           besteht aus mehreren Mitgliedsge-
     Die „Mediensprechstunde“ ist ein      meinden. Wir haben ein großes Ein-
fester Teil des Stundenplans der Schü-     zugsgebiet, und manchmal stellen sie
lerinnen und Schüler. „Wir arbeiten        fest, dass sie aus demselben Ort kom-
mit der Altenpflegeklasse zusammen,        men und verabreden sich dann dort.“
also jungen Menschen, die sowieso               Die „Mediensprechstunde“ gibt es
einen Draht zu älteren Leuten haben“,      seit April 2017, und Linster schätzt,
erklärt Linster. „Meistens fragen sie in   dass bereits mehr als 200 Menschen
ihrer Pause bei uns nach, wie viele Se-    das Angebot genutzt haben.
niorinnen und Senioren da sind und
sprechen sich dann in der Klasse ab,
wer zu uns kommen kann.“ Auch in
Bersenbrück arbeitet man nach dem
                                             Mediensprechstunde | Bersenbrück, Niedersachsen
1:1-Konzept.
                                             Seniorenbeauftragte der Samtgemeinde
     Die „Mediensprechstunde“ ist je-
                                             Bersenbrück
doch keine reine Technikberatung.            E-Mail: linster@bersenbrueck.de
„Wir beschäftigen uns jedes Mal mit          http://www.medienforum-bersenbrueck.de
einem bestimmten Thema, das vorher
in der Zeitung angekündigt wird und

                                                                                           11
JUNG UND ALT GEMEINSAM

                Mehr als Technikschulung
                Projekte in Bernsdorf und Göttingen setzen auf den Dialog
                zwischen den Generationen – auch mit kreativen Mitteln.

                D    as Mehrgenerationenhaus im
                     sächsischen Bernsdorf ist eine
                Anlaufstelle für Menschen jeglichen
                                                           Umgang mit Smartphones, Tablets und
                                                           internetfähigen Fernsehgeräten bis hin
                                                           zu sozialen Medien wie WhatsApp,
                Alters. Ein neues Projekt rückt jetzt      Instagram und Snapchat. Sie werden
                den Dialog zwischen den Generatio-         dabei von der Schule und vom Mehr-
                nen in den Mittelpunkt. „Wir erhielten     generationenhaus begleitet, die Gestal-
                vermehrt Anfragen von Menschen ab          tung der Workshops liegt jedoch in ih-
                60, die fragten, ob wir ihnen nicht den    ren Händen. Außerdem dokumentiert
                Umgang mit Smartphone, Tablet und          eine Gruppe den gesamten Prozess in
                Apps erklären könnten“, erzählt Silvio     einem Film.
                Thieme, der Leiter des Jugendtreffs im         Für die Jugendlichen ist dies auch
                Mehrgenerationenhaus.                      eine Chance, ihre Lebenswirklichkeit
                                                           anderen Generationen zu vermitteln,
     Ziel ist es, auf beiden Seiten mehr                   glaubt Thieme. „Die ältere Generation
     Verständnis zu schaffen.                              hat Fragen, die sich nicht nur auf die
                                                           Funktionsweise der Geräte beziehen,
                „Diese Generation bekommt Geräte           sondern auch auf die Mediennutzung
                von ihren Kindern und Enkeln ge-           der Jugendlichen oder auf Themen
                schenkt, um mit ihnen zu kom-              wie Datenschutz und Sicherheit im
                munizieren, kann aber damit nicht          Netz, die von Jüngeren meist nicht so
                umgehen.“ Thieme wandte sich da-           ernst genommen werden.“ Ziel ist es,
                raufhin an die örtliche Oberschule         auf beiden Seiten mehr Verständnis
                und entwickelte gemeinsam mit dem          zu schaffen. „Wir hoffen, dass die Äl-
                Lehrerkollegium das Projekt „Digital       teren besser verstehen, womit sich die
                trifft Analog“, das sich über ein Schul-   Kinder beschäftigen, dass sie die Dinge
                jahr erstreckt.                            selbst nutzen können und gleichzeitig
                     Schülerinnen und Schüler der          mit ihren Fragen die Jugendlichen zur
                Klasse 7 bereiten Workshops für Ältere     Reflektion anregen.“
                zu verschiedenen Themen vor – vom

 Digital trifft Analog - Ein Dialog intergenerativer
 Lebenswelten | Bernsdorf, Sachsen
 RAA Sachsen e.V.
 E-Mail: thieme@raa-sachsen.com
 https://www.raa-sachsen.de/mehrgenerationen-
 haus-bernsdorf

12
JUNG UND ALT GEMEINSAM

G     enerationen verbinden ist auch das
      Ziel des Projekts „Senior*innen
drehen Kurzfilme mit dem Smart-
                                           stimmten Erkrankungen umgeht.“
                                               Er habe keine reine Technikschu-
                                           lung machen wollen, erklärt Hantscher:
phone", das die Altenpflegefachschule      „Für mich ist Filmen eine Art Vehikel:
in Göttingen startete. Ausgangspunkt       Man steigt in ein Thema technisch ein
war, „dass viele Menschen, die dieses      und hangelt sich daran entlang, um
Gerät täglich nutzen, gar nicht wissen,    sich intensiver mit einem Thema zu
welche kreativen Möglichkeiten es bie-     beschäftigen.“
tet“, sagt Projektleiter Cornelius Hant-
scher. Dies gelte nicht nur für ältere,                Viele Menschen, die das Smartphone
sondern auch für junge Menschen.                       täglich nutzen, wissen gar nicht, welche
     Zunächst erhielten zwei Altenpfle-                kreativen Möglichkeiten es bietet.
geklassen eine Einführung in das Fil-
men – von Beleuchtung über Ton bis             Weil die Teilnehmenden so begeis-
zur Wahl eines ansprechenden Bild-         tert waren, überlegt die Altenpflege-
ausschnitts. Parallel dazu wurden in       fachschule, das Filmen mit Seniorin-
der Stadt und im Umland Seniorinnen        nen und Senioren fortzuführen. Ideen
und Senioren über 60 gesucht, die be-      gibt es viele: „Es gibt im Lehrplan
reits ein Smartphone nutzen und Lust       zum Beispiel das Thema Kriegskinder.
hatten, mehr damit zu machen. Das          Bisher wird das über Texte vermittelt.
Projekt startete mit vier Senioren, die    Wir überlegen, ob wir nicht mit den
von sieben Schülerinnen und Schülern       Schülerinnen und Schülern in Pflege-
in das Filmen eingeführt wurden. An-       einrichtungen gehen und dort mit
schließend überlegten sie gemeinsam        Smartphones Interviews machen.“
eine Geschichte und drehten einen
fünfminütigen Film. „Der Prozess war
hochinteressant, beide Seiten haben
                                             Senior*innen drehen Kurzfilme mit dem
unheimlich voneinander profitiert“,
                                             Smartphone | Göttingen, Niedersachsen
erzählt Hantscher. „Unser ältester Teil-
                                             Bildungsvereinigung Arbeit und Leben
nehmer war 88 Jahre alt. Er hat in dem       Niedersachsen Süd gGmbH
Film eine Art fiktives Gespräch mit          E-Mail: cornelius.hantscher@aul-nds.de
seinem Urenkel darüber geführt, was          https://www.aul-nds.de/standorte/region-sued
Altern bedeutet und wie er mit be-

                                                                                            13
ANWENDUNGEN IM ALLTAG

                Auf Entdeckungsreise
                In Erding und in Thüringen können Ältere Stadt und Natur
                mit Apps erkunden.

               M       an lernt Dinge leichter, wenn
                       man Spaß dabei hat, lautet die
                Devise des Projekts „Senioren auf
                                                               Grundlage des Spiels ist eine App,
                                                           die derzeit gemeinsam mit einer Schu-
                                                           le entwickelt wird. „Wir arbeiten mit
                digitalen Pfaden“. Im bayerischen          Schülerinnen und Schülern eines
                Erding wird deshalb eine digitale          Gymnasiums zusammen, die von einer
                Schnitzeljagd durch die Stadt vorbe-       Medientrainerin und zwei Expertin-
                reitet, erzählt Carina Dollberger vom      nen für Produktenwicklung unterstützt
                Katholischen Bildungswerk im Land-         werden“, berichtet Dollberger. Die App
                kreis Erding. „Das wird eine Stadt-        will gut vorbereitet sein, sodass sie tat-
                führung sein, bei der sich Seniorin-       sächlich für ältere Menschen attraktiv
                nen und Senioren spielerisch mit dem       und anwendbar ist. Die 11. Klasse des
                Smartphone beschäftigen und sehen,         Anne-Frank-Gymnasiums hat deshalb
                wie hilfreich dies auch im Alltag sein     zunächst Seniorinnen und Senioren
                kann.“                                     befragt, um herauszufinden, welche
                                                           Stationen und Aufgaben sie bei der
     Die Produktentwicklung ist für uns alle ein           digitalen Schnitzeljagd besonders in-
     spannender Lernprozess, der schon jetzt               teressieren. Außerdem werden Grund-
     mehrere Generationen umfasst.                         schülerinnen und Grundschüler die
                                                           App gemeinsam mit ihren Großeltern
                    Die Schnitzeljagd führt z. B. in die   testen.
                städtische Bücherei oder ins Museum.           „Die Produktentwicklung ist für
                An jedem Ort muss eine Frage beant-        uns alle ein spannender Lernprozess,
                wortet werden, bevor es dann weiter-       der schon jetzt mehrere Generationen
                geht. „Die Stadtgeschichte ist vielen      umfasst“, erzählt Dollberger. Wenn die
                Bürgerinnen und Bürgern Erdings ein        Vorbereitungen abgeschlossen sind,
                Anliegen. Und indem sie sich damit         werden Erdinger Seniorinnen und Se-
                beschäftigen, lernen sie auf lustvolle     nioren mithilfe der App nicht nur ihre
                Weise neue technische Möglichkei-          Stadt auf neue Weise erkunden kön-
                ten kennen“, so die Hoffnung der Bil-      nen, sondern auch die technischen
                dungsreferentin.                           Möglichkeiten ihres Smartphones.

 Senioren auf digitalen Pfaden | Erding, Bayern
 Katholisches Bildungswerk Landkreis Erding e. V.
 E-Mail: c.dollberger@kbw-erding.de
 https://www.kbw-erding.de

14
ANWENDUNGEN IM ALLTAG

I  n Thüringen sind Seniorinnen und
   Senioren ebenfalls digital unterwegs
– und zwar in der Natur. Angestoßen
                                          weil die Apps sehr einfach zu bedienen
                                          sind und die Seniorinnen und Senioren
                                          das selbst umsetzen konnten“, erzählt
wurde das Projekt „Digital im Grü-        Kürth. „Man braucht dafür kein In-
nen“ vom Verband der Naturfreunde,        formatikstudium, und es klappt selbst
der in Thüringen neun Ortsgruppen         mit den einfachsten Smartphones ganz
vor allem im ländlichen Raum hat.         gut.“ Das Projekt verbindet nicht nur
„Die Vorstände der Gruppen sind           Bewegung in der Natur mit neuen
häufig im Rentenalter und haben Zeit,     Medien. Kürth freut sich auch, dass
Wanderungen vorzubereiten. Sie hat-       auf diese Weise der Austausch gestärkt
ten großes Interesse, etwas Neues aus-    wird zwischen der älteren Generation,
zuprobieren“, erzählt Martin Kürth        die traditionell mit der Wanderkarte
von der Geschäftsstelle des Landesver-    unterwegs ist, und der jüngeren, die
bands in Erfurt. „Die Naturfreunde im     alles mit dem Smartphone regelt.
Landkreis Gotha haben zum Beispiel
schon seit Jahren Wanderungen mit                     Die Reaktionen sind sehr positiv, das
einem GPS-Gerät gemacht und woll-                     Projekt hat den Nerv der Zeit getroffen.
ten die Möglichkeiten kennenlernen,
die ein Smartphone bietet.“                    Vier Ortsgruppen der Naturfreun-
     Die Seniorinnen und Senioren         de in Thüringen haben sich bereits
wählten aus den Vorschlägen der           beteiligt. Martin Kürth ist zuversicht-
Geschäftsstelle geeignete Apps aus,       lich, dass schon bald alle Gruppen die
bereiteten Wanderungen vor, und los       zusätzlichen Möglichkeiten nutzen
ging’s durch den Thüringer Wald und       werden: „Die Reaktionen sind sehr
durch den Nationalpark Hainich. Eine      positiv, das Projekt hat den Nerv der
App wurde zur Streckenplanung ge-         Zeit getroffen.“
nutzt, eine weitere, um eine digitale
Schnitzeljagd zu veranstalten. Als be-
liebt erwies sich auch eine App, die
                                            Digital im Grünen | Thüringen
den Wanderweg im Nachhinein als
                                            NaturFreunde Thüringen e. V.
3D-Geländemodell darstellt – samt den
                                            E-Mail: kuerth@naturfreunde-thueringen.de
Fotos, die unterwegs aufgenommen            https://digitalimgruenen.blog
wurden – und daraus einen kurzen
Videofilm herstellt.
     „Das hat großen Spaß gemacht,

                                                                                           15
ANWENDUNGEN IM ALLTAG

               Zeitgemäßes Vernetzen
               Im Berchtesgadener Land und in Neukirchen steht der
               praktische Nutzen digitaler Medien für das tägliche Leben
               im Vordergrund.

               O    b Schneeschippen oder Rasen-
                    mähen, Grabpflege, Papierkrieg
               oder Besorgungen – es gibt viele Din-
                                                          dienen“, sagt Reinhold Walter, der für
                                                          die Umsetzung des Projekts „Vernet-
                                                          zung der Nachbarschaftshilfe durch
               ge, die im Alter zunehmend beschwer-       Einsatz digitaler Medien“ zuständig
               lich sind. Wenn man in einer länd-         ist: „Die App bietet den ganzen Kata-
               lichen Gegend wohnt, kommt hinzu,          log der Hilfeleistungen. Ich klicke das
               dass man häufig große Entfernungen         Gewünschte an und definiere, ob es ein
               zurücklegen muss, um Dinge zu erle-        bestimmter Termin sein soll oder nach
               digen. Unterstützung bietet in diesen      Absprache – das war‘s. Diese Nach-
               Fällen die Nachbarschaftshilfe.            richt geht unmittelbar an die Personen,
                                                          die die entsprechende Hilfe anbieten.
     Im Vordergrund steht das schnelle                    Sie können dann direkt Kontakt zu den
     Vernetzen, das zeitgemäße Vernetzen                  Hilfesuchenden aufnehmen.“
     untereinander.                                            Für Seniorinnen und Senioren, die
                                                          Unterstützung bei der Anwendung be-
               Im Berchtesgadener Land gibt es zwei       nötigen, planen die Vereine Schulun-
               Vereine, die Hilfeleistungen vermitteln:   gen. Zunächst würden sich vermutlich
               den Generationenbund und die Senio-        viele weiterhin an die Geschäftsstelle
               rengemeinschaft. Bisher wenden sich        wenden, sagt Walter. „Aber wir gehen
               die Hilfesuchenden telefonisch an die      davon aus, dass sich das in naher Zu-
               Geschäftsstellen der Vereine. Die Mit-     kunft verändern wird.“ Weil der Be-
               arbeiterinnen schauen dann nach, wer       darf an Nachbarschaftshilfe enorm
               die angeforderte Hilfe leisten könn-       gestiegen ist, werden noch mehr Per-
               te und versuchen, die entsprechende        sonen benötigt, die Unterstützung
               Person anzurufen. Ein umständliches        anbieten. Auch dabei könnte die App
               und zeitraubendes Verfahren.               helfen, erklärt Reinhold Walter. Das
                   Um die Abläufe zu vereinfachen,        neue Verfahren sei für jüngere Men-
               haben die beiden Vereine eine App          schen attraktiv, weil es direkter ist:
               entwickelt. „Sie ist kinderleicht zu be-   „Im Vordergrund steht das schnelle
                                                          Vernetzen, das zeitgemäße Vernetzen
                                                          untereinander.“
 Vernetzung der Nachbarschaftshilfe durch Einsatz
 digitaler Medien | Berchtesgadener Land, Bayern
 Generationenbund BGL e.V.
 E-Mail: g.u.wolf@t-online.de
 https://www.generationenbund-bgl.de
 https://www.seniorengemeinschaft-bgl.de

16
ANWENDUNGEN IM ALLTAG

A     uch im sächsischen Neukirchen im
      Landkreis Zwickau gibt es einen
Verein, der ehrenamtliche Initiativen
unterstützt, vor allem im Bereich der
Seniorenselbsthilfe. „Wir sind schon
seit 2006 hier im ländlichen Raum mit       Informationen, die man sonst hier im
Bildungsangeboten engagiert und da-         ländlichen Raum nie erfahren würde.
durch auch ziemlich bekannt“, erklärt       Wir haben hier im Ort zum Beispiel
Heidi Fengler-Kuna vom Verein Viel-         keinen Bahnhof. Man muss also schau-
falt für Bürger. Obwohl Neukirchen          en, wann fährt der Zug von wo ab und
sehr abgelegen ist, besuchen pro Jahr       wie komme ich dort hin? Wann ist
etwa 3.000 Menschen aus der gesam-          irgendeine Veranstaltung? Wann hat
ten Region die Begegnungsstätte des         der Arzt Sprechzeiten? Das sind die
Vereins. Für Fengler-Kuna hat das gro-      Dinge, um die es vor allem geht.“
ße Interesse einen einfachen Grund:
„Wir hören halt immer nach, was die                     Bei uns kann man spontan vorbei-
Leute bewegt und was sie wollen. Wir                    kommen und muss sich nicht für
sind flexibel in unseren Angeboten                      zehn Wochen festlegen.
und gehen auf die Wünsche der Men-
schen ein, die zu uns kommen.“                  Heidi Fengler-Kuna glaubt, dass
     Ein Thema, das die Menschen be-        Vereine Vorteile haben gegenüber an-
wegt, ist die Digitalisierung: „Die älte-   deren Bildungsanbietern: „Die Leute
re Generation ist sehr stark an Bildung     besuchen uns sehr gerne, weil wir uns
interessiert, die wollen nicht abgehängt    ein bisschen von der Volkshochschule
werden und wollen mitreden können.“         unterscheiden. Bei uns kann man
Der Verein startete deshalb das Pro-        spontan vorbeikommen und muss sich
jekt „Im Alltag digital unterwegs“.         nicht für zehn Wochen festlegen. Aber
Es richtet sich an über 50-Jährige, die     das geht natürlich nur im ehrenamtli-
an fünf Terminen in kleinen Gruppen         chen Bereich.“
in die Nutzung von Smartphone und
Tablet eingeführt werden. Zum wei-
                                              Im Alltag digital unterwegs | Neukirchen, Sachsen
teren offenen Austausch bietet der
                                              Vielfalt für Bürger e. V. Neukirchen
Verein einen Stammtisch an, für Ein-
                                              E-Mail: h.fengler-kuna@vfb-neukirchen.de
zelberatung ein Internetcafé. Im Mit-         http://www.vfb-neukirchen.de/im-alltag-digital-
telpunkt steht dabei der konkrete Nut-        unterwegs.html
zen der Technik, sagt Fengler-Kuna:
„Es geht vor allem um praktische

                                                                                                  17
BESONDERE ZIELGRUPPEN

               Nützliche Technik
               Projekte in Schloen und im oberen Fuldatal zeigen,
               wie Menschen mit Handicaps von der Digitalisierung
               profitieren können.

               A     ls wir den Verein 2009 gründeten,
                     wollten wir keine Strick- und Hä-
               kelwettbewerbe veranstalten, wie das
                                                         ich eine Bahnfahrkarte, wenn es in
                                                         meinem Ort keinen Automaten gibt?
                                                         „Wir wollen keine IT-Spezialisten aus-
               sonst hier üblich ist, sondern die di-    bilden, sondern zeigen, welche Freu-
               gitalen Medien in den Vordergrund         de es macht, die digitalen Medien im
               stellen“, erzählt Klaus Heidrich. „Wir    Alltag zu nutzen“, erklärt Heidrich.
               bereiten die Menschen darauf vor, die     „Das Wichtigste ist Solidarität. Wenn
               Zukunft richtig einzuschätzen und mit     jemand ein Problem hat, dann wendet
               den Enkelkindern mitreden zu kön-         er sich an die Gruppe, und irgendeiner
               nen.“ Heidrich ist Vorsitzender des       kann ihm dann helfen.“ Dem Projekt
               Vereins Humanitas-Müritz, der sich        ist es gelungen, ganz unterschiedliche
               in der mecklenburgischen Gemeinde         Menschen zusammenzubringen: „Bei
               Schloen-Dratow für Ältere und Men-        uns machen viele mit, die gesundheit-
               schen mit Behinderungen einsetzt.         lich eingeschränkt sind – psychisch
                                                         oder körperlich. Die vergessen ihre
     Das Wichtigste ist Solidarität. Wenn                Sorgen, weil wir uns mit Gott und der
     jemand ein Problem hat, dann wendet er              Welt beschäftigen.“
                                                              Wenn es kompliziert wird, holen
     sich an die Gruppe, und irgendeiner
                                                         sich die Online-Füchse einen Dozen-
     kann ihm dann helfen.                               ten oder eine Dozentin vom Projekt
                                                         „Digital-Kompass“ der BAGSO auf
                   Ein Projekt des Vereins sind die      die Leinwand. Diese Videokonferen-
               „Schloener Online Füchse“. Die            zen sind möglich, weil Neu-Schloen
               Gruppe trifft sich jeden Mittwoch in      einen schnellen Internetanschluss hat
               einem Gutshaus in Neu-Schloen, um         – als einziger Ort weit und breit. „Den
               sich über Fragen aller Art auszutau-      haben wir uns dreieinhalb Jahre lang
               schen: Wie kann ich online einkau-        hart erkämpft“, erzählt Klaus Heidrich
               fen, wenn der nächste Supermarkt 30       stolz. „Die Gemeinde Schloen hat nur
               Kilometer entfernt ist? Wie bekomme       534 Einwohner. Aber weil wir hier
                                                         zusammenhalten und sich alle beteiligt
                                                         haben, haben wir jetzt schnelles Inter-
 Schloener Online Füchse | Neu-Schloen,
                                                         net. Dieses kleine Monopol zieht Leute
 Mecklenburg-Vorpommern
                                                         aus dem gesamten Umland an.“
 Humanitas-Müritz e. V.
 E-Mail: humanitas-mueritz@gmx.de
 http://www.humanitas-mueritz.verein.me

18
BESONDERE ZIELGRUPPEN

I  m hessischen Ebersburg-Weyhers
   gibt es alle zwei Wochen ein „Smar-
tes Frühstück“, zu dem Interessierte aus
                                           ängste abbauen will. Unterstützt wird
                                           Susanne Beh von einem Technik-
                                           botschafter, der Interessierte auch zu
der gesamten Region Oberes Fuldatal        Hause besucht. Die Geräte nicht nur
eingeladen sind. Wer Fragen zu seinem      zu sehen, sondern auch tatsächlich an-
Smartphone oder Tablet hat, kann sie       zuschaffen, sei durchaus eine Hürde,
hier stellen. Das Besondere dabei: Das     erklärt Beh.
Frühstück findet im Treffpunkt „Alte
Post“ statt, einem Haus der Gemeinde,                   Wir zeigen älteren Menschen und ihren
das mit allerlei Technik aufwartet. „Wir                Angehörigen die Praxis und den konkreten
zeigen, was man in einer Wohnung alles                  Nutzen technischer Lösungen.
zur Unterstützung einrichten kann,
um auch mit Handicaps möglichst lan-            Sie ist jedoch überzeugt davon, dass
ge selbstständig wohnen zu können“,        die Bedeutung von Smart-Home-Sys-
erzählt Susanne Beh vom Verein Mitei-      temen künftig zunehmen wird, ins-
nander-Füreinander Oberes Fuldatal.        besondere in Verbindung mit Sprach-
     Wer das Haus betritt, erlebt, dass    steuerung. „Für Menschen mit Mo-
automatisch das Licht angeht, sieht den    bilitätseinschränkungen oder Men-
beleuchteten Handlauf an der Treppe        schen, die ihre Finger nicht mehr so
und die elektrische Herdüberwachung        gut bewegen können und deshalb
in der Küche. „Unser Ansatz ist nied-      Schwierigkeiten bei der Bedienung von
rigschwellig“, erklärt Beh. „Wir zeigen    Smartphone oder Tablet haben, ist es
älteren Menschen und ihren Angehö-         sehr hilfreich, wenn sie einfach sagen
rigen die Praxis und den konkreten         können: ‚Licht an, Jalousie rauf, mach
Nutzen technischer Lösungen.“ Beh          20 Grad warm‘. Natürlich gibt es viele,
bietet auch spezielle Führungen durch      die Bedenken zum Datenschutz haben,
das Haus an, erklärt und berät. „Das       aber für viele ist der Nutzen einfach
reicht von ganz einfachen Sachen,          größer.“
wie zum Beispiel speziellem Geschirr,
Besteck und elektrischem Dosenöff-
                                             Hilfreiche Technik im @lltag | Ebersburg, Hessen
ner über Hausnotrufgeräte bis hin
                                             Miteinander-Füreinander Oberes Fuldatal e. V.
zu Smart-Home-Komponenten: Wie
                                             E-Mail: aal-projekt@ebersburg.de
kann ich das Licht steuern? Wie kann         https://www.mit-und-fuer.de/projekte-footer
ich Heizkörper steuern?“
     „Hilfreiche Technik im @lltag“
heißt das Projekt, das Berührungs-

                                                                                                19
BESONDERE ZIELGRUPPEN

               Erfahrungen sammeln
               In Schorndorf werden Menschen mit erhöhtem Lernbedarf
               an digitale Medien herangeführt, in Ostfriesland geflüchtete
               Menschen.

               W      ie kann man Menschen, denen
                      der Umgang mit dem Smart-
               phone schwer fällt, gut anleiten? Diese
                                                         Und Rolf Failmezger ergänzt. „Wir
                                                         wollen ja nicht auf fremden Handys
                                                         ‚rumfummeln‘, sondern wollen, dass
               Frage beschäftigt ein ehrenamtliches      die Leute das selber machen, also einen
               Beratungsteam, das im Familienzen-        handlungsorientieren Ansatz.“
               trum im baden-württembergischen               Ein Schwerpunkt des Projekts
               Schorndorf seit mehr als fünf Jahren      „Das Smartphone als Instrument der
               älteren Menschen bei Fragen rund um       Alltags-/Lebensbewältigung“ ist des-
               Computer und Internet Hilfe anbietet.     halb, neue didaktische Methoden zu
                                                         entwickeln. Die Mitglieder des Teams
     Wir wollen ja nicht auf fremden Handys              suchen unter anderem nach techni-
     ‚rumfummeln‘, sondern wollen, dass die              schen Lösungen, um das Smartphone
     Leute das selber machen.                            auf einem großen Bildschirm zu spie-
                                                         geln. Dann könnten sie die Funktionen
                   Da sich inzwischen die meisten        auf dem Monitor erklären, während
               Fragen auf das Smartphone beziehen,       die Ratsuchenden die Schritte auf
               hat sich die Beratungssituation verän-    ihrem Gerät nachvollziehen. „Wir wol-
               dert, erzählt Lothar Poloczek. „Mit dem   len spezielle Arbeitsplätze aufbauen,
               Notebook oder dem PC sitzt man als        damit Menschen, die Schwierigkeiten
               kleine Gruppe vor dem Bildschirm und      mit dieser Technologie haben, zu uns
               kann wunderschön zusammen arbei-          kommen und mit unserer Hilfe üben
               ten. Beim Smartphone geht das nicht.      können“, erklärt Poloczek.
               Das Gerät ist klein, und jedes funktio-       Das Angebot richtet sich an Ältere,
               niert anders, also müssen wir es erst     an Menschen, die motorisch oder
               mal in die Hand nehmen. Aber keiner       visuell eingeschränkt sind, und an
               gibt es gerne aus der Hand, und wenn      Menschen mit funktionalem Analpha-
               man mit Menschen zusammensitzt,           betismus. Um sie gut anleiten zu kön-
               die sehr langsam begreifen, dann ist es   nen, setzt das ehrenamtliche Team
               ein ständiges Hin- und Herreichen.“       nicht nur auf speziell ausgerüstete Ar-
                                                         beitsplätze, sondern auch auf ein
                                                         reduziertes Lerntempo und einen ho-
 Das Smartphone als Instrument der Alltags-/Lebens-
                                                         hen Anteil an Übungs- und Trainings-
 bewältigung | Schorndorf, Baden-Württemberg
                                                         phasen.
 Mehrgenerationenhaus Familienzentrum Schorndorf e.V.
 E-Mail: familienzentrum@schorndorf.de
 http://www.familienzentrum-schorndorf.de

20
BESONDERE ZIELGRUPPEN

I  n der Stadt Norden, unweit der
   Nordseeküste, möchte man ebenfalls
weitere Zielgruppen erreichen. Hier ist
                                           Offenen Treff im Mehrgenerationen-
                                           haus Erfahrungen mit digitalen Me-
                                           dien sammeln. Die Volkshochschule
die Kreisvolkshochschule für die kom-      stellt Tablets zur Verfügung, die zum
munale Bildungsarbeit in der länd-         Beispiel dazu genutzt werden können,
lichen Region Ostfriesland mit ihren       um mit Angehörigen im Herkunfts-
rund 90.000 Einwohnerinnen und Ein-        land zu skypen.
wohnern zuständig. „Als große Volks-
hochschule mit 300 Festangestellten                    Wir wollen die Möglichkeiten, die wir
übernehmen wir aber auch viele an-                     hier haben, miteinander verweben und
dere Aufgaben im Landkreis“, erzählt                   speziell unsere Kontakte zu älteren
Olaf Topf.                                             geflüchteten Menschen nutzen.
    So ist die Bildungseinrichtung
unter anderem Träger eines Mehrge-             Olaf Topf denkt bereits über
nerationenhauses (MGH) und einer           weitere Querverbindungen nach: „Wir
Freiwilligenagentur. „Eine weitere Be-     haben noch einen anderen Com-
sonderheit ist, dass wir seit drei, vier   puterkurs für Seniorinnen und Se-
Jahren auch in der Flüchtlingsarbeit       nioren im Haus. Vielleicht haben
sehr aktiv sind“, erklärt Topf. „Wir be-   diejenigen, die schon ein bisschen
treiben ein Integrationszentrum, in        weiter sind, Interesse, unser Team
dem geflüchtete Menschen wohnen,           zu unterstützen.“ Der Offene Treff
und beschäftigen Alltagsbegleiter und      sei ein idealer Ort der Begegnung:
Integrationsbegleiter.“                    „Ich kann mir vorstellen, dass bei
    Diese vielfältige Struktur bildet      Treffen zwischen geflüchteten Men-
den Hintergrund für das Projekt            schen und anderen Seniorinnen und
„MGHdigital“ – ein Bildungsange-           Senioren neben der digitalen Bildung
bot, das sich insbesondere an älte-        auch Deutschlernen ein Thema sein
re Menschen mit Migrations- bzw.           könnte.“
Fluchthintergrund richtet, die von Bil-
dungsangeboten bisher nicht erreicht
                                             MGHdigital | Norden, Niedersachsen
wurden. „Wir wollen die Möglichkei-
                                             Kreisvolkshochschule Norden gGmbH
ten, die wir hier haben, miteinander
                                             E-Mail: o.topf@kvhs-norden.de
verweben und speziell unsere Kontakte        https://kvhs-norden.de
zu älteren geflüchteten Menschen nut-
zen.“ Angeleitet von Ehrenamtlichen
und Freiwilligen können sie bei einem

                                                                                         21
AUFSUCHENDE ANGEBOTE

               Beratung zu Hause
               In Torgelow und Augsburg besuchen Ehrenamtliche ältere
               Menschen, um Fragen rund um das Internet zu klären.

               D    as Mehrgenerationenhaus in
                    Torgelow in Mecklenburg-Vor-
               pommern bietet Technikschulungen
                                                          dann fährt er von Haus zu Haus und
                                                          hilft beim Umgang mit den Geräten.“
                                                          Dabei legt er lange Strecken zurück,
               an. Aber die Koordinatorin des Hau-        denn die Region rund um Torgelow
               ses, Brigitte Seifert, hat die Erfahrung   ist dünn besiedelt. Auf einem Quad-
               gemacht, dass immer wieder Seniorin-       ratkilometer leben gerade einmal 43
               nen und Senioren zu ihr kamen und          Personen. Das Internet ist deshalb von
               sagten: „Wenn ich zu Hause bin, sieht      besonderer Bedeutung: „Online-Ein-
               mein Bildschirm ganz anders aus, und       kaufen spielt eine wichtige Rolle, denn
               dann weiß ich wieder nicht, was ich        wenn man etwas Spezielles haben
               machen soll.“ Das brachte sie auf die      möchte, muss man 50 Kilometer nach
               Idee, einen Seniortrainer mit Schwer-      Neubrandenburg oder 75 Kilometer
               punkt Digitalisierung anzufragen, ob       nach Greifswald fahren“, erklärt Sei-
               er nicht Hausbesuche machen könne,         fert. Viele Ältere wollten oder könn-
               um nicht nur ältere Frauen und Män-        ten aber nicht mehr Autofahren, und
               ner sondern auch Langzeitarbeitslose       die Verkehrsanbindungen seien nicht
               besser zu erreichen.                       besonders gut. Sehr wichtig sei auch
                                                          der Wunsch nach Kommunikation mit
     Viele haben Kinder, die anderswo Arbeit              der Familie: „Viele haben Kinder, die
     gesucht haben, und man staunt, wie die               anderswo Arbeit gesucht haben, und
     Älteren versuchen, über Skype oder über              man staunt, wie die Älteren versuchen,
     ihr Smartphone in Kontakt zu bleiben.                über Skype oder über ihr Smartphone
                                                          in Kontakt zu bleiben.“
                    Das Projekt „Hilfe beim Umgang             Brigitte Seifert rechnet damit, dass
               mit Computer, Tablet und Smart-            die Nachfrage nach Technikberatung
               phone“ kommt sehr gut an, erzählt          im häuslichen Umfeld zunehmen wird.
               Seifert. „Unser Seniorentrainer ist ein    Deshalb hat das Mehrgenerationen-
               ehemaliger Lehrer, und er hat richtig      haus in Torgelow vorsorglich bereits
               viel zu tun. Die betreffenden Personen     fünf weitere ältere Menschen als so-
               rufen im Mehrgenerationenhaus an,          genannte „SilverSurfer“ ausgebildet,
                                                          die ehrenamtlich technische Beratung
                                                          leisten können.
 Hilfe beim Umgang mit Computer, Tablet und Smart-
 phone | Torgelow, Mecklenburg-Vorpommern
 Volkssolidarität Uecker-Randow e.V.
 E-Mail: hdbg@volkssolidaritaet.de
 https://www.volkssolidaritaet.de/uecker-randow-ev/
 begegnung-kultur/mehr-generationen-haus/

22
AUFSUCHENDE ANGEBOTE

A     uch der Katholische Deutsche
      Frauenbund in Augsburg bietet
nicht nur Internetkurse, sondern auch
                                          Dozentinnen die Technik Männern er-
                                          klären, sei hingegen kein Problem. Der
                                          Besuchsdienst werde tendenziell mehr
Schulungen zu Hause an. „Wir wollen       von Frauen angefragt, aber auch von
damit auch diejenigen erreichen, die      Männern, und die Rückmeldungen
hochaltrig und mobil eingeschränkt        seien durchweg positiv.
sind“, sagt Bildungsreferentin Maria
Hierl. Interessierte Seniorinnen und                   Wir haben die Erfahrung gemacht, dass
Senioren aus den ländlichen Regionen                   die Frauen in den Kursen andere Fragen
rund um Augsburg können sich bei der                   stellen und ein anderes technisches
Geschäftsstelle des Verbands melden                    Verständnis haben als Männer.
und sogenannte „Social-Media-Beglei-
terinnen“ anfordern. Die ehrenamtlich         Die „Social-Media-Begleiterin“ be-
arbeitenden Frauen wurden für diese       sucht Interessierte zehn Mal eine Stun-
Aufgabe vom Zentrum für Allgemei-         de lang, um auf individuelle Fragen
ne Weiterbildung der Universität Ulm      rund um Laptop, Tablet oder Smart-
technisch und pädagogisch geschult.       phone einzugehen. Letztlich sei der
     Das Projekt „Voll im Leben –         Zeitaufwand für die ehrenamtlichen
Bleiben Sie in Kontakt durch´s Inter-     Beraterinnen aber wesentlich höher,
net!“ komme sehr gut an, berichtet        erzählt Hierl. „Sie bleiben in der Regel
Hierl. Das Angebot richtet sich sowohl    länger, bekommen Kaffee und Kuchen,
an Frauen als auch an Männer, die Be-     denn die Seniorinnen und Senioren
ratung machen jedoch ausschließlich       freuen sich, dass jemand kommt und
Frauen. Das habe natürlich mit dem        mit ihnen spricht.“
Charakter des Verbands zu tun, erklärt
die Bildungsreferentin, sei aber auch
eine bewusste Entscheidung gewesen:
                                            Voll im Leben – Bleiben Sie in Kontakt durch´s
„Bei unseren Internetkursen ist das
                                            Internet! | Augsburg, Bayern
Erfolgskonzept, dass nur Dozentinnen
                                            Bildungswerk des KDFB Diözesanverband
unterrichten. Wir haben die Erfah-          Augsburg e.V.
rung gemacht, dass die Frauen in den        E-Mail: frauenbund.referentinnen@bistum-
Kursen andere Fragen stellen und ein        augsburg.de
anderes technisches Verständnis ha-         https://www.frauenbund-augsburg.de/
ben als Männer. Bei Dozenten trauen         themen-projekte/voll-im-leben
sie sich oft nicht, nachzufragen.“ Dass

                                                                                             23
SENIORENZENTREN

                Hemmschwellen abbauen
                Seniorenzentren im Westerwald, in Illingen und Burgdorf un-
                terstützen ältere Menschen beim Einstieg in die digitale Welt.

               D     ie Bewohnerinnen und Bewoh-
                     ner des AWO-Seniorenzentrums
                im rheinland-pfälzischen Höhr-Grenz-
                                                          zögerlich, aber dann haben sie sich
                                                          doch getraut“, erzählt Kulicke.
                                                               Das Kegeln auf der Spielkonsole
                hausen kegeln jede Woche. Das brach-      sollte den Bewohnerinnen und Be-
                te die Ehrenamtskoordinatorin des         wohnern des Seniorenzentrums den
                Hauses, Berit Kulicke, auf die Idee,      Einstieg in die digitale Welt erleichtern.
                etwas Neues auszuprobieren. Da sie seit   „Wir haben uns für eine langsame Her-
                Langem mit dem örtlichen Jugendzen-       anführung entschieden, die auch Spaß
                trum zusammenarbeitet, weiß sie, dass     macht.“ Künftig soll ihnen ein Compu-
                auch Kinder gerne kegeln – allerdings     ter zur Verfügung stehen, den sie unter
                auf ihrer Wii-Konsole. „Wir dach-         Anleitung nutzen können, um mit An-
                ten, dann kegeln die mal zusammen“,       gehörigen, die weit entfernt wohnen,
                erzählt Kulicke.                          zu skypen, eine E-Mail zu schreiben
                                                          oder eines Tages vielleicht auch online
     Wir haben gemerkt, gerade was                        einkaufen zu können.
     die Digitalisierung betrifft, kommen                      „In unserem Haus leben sehr vie-
     wir ohne intergenerationelle Projekte                le hochaltrige Menschen“, berichtet
                                                          Berit Kulicke. „Für die ist die digita-
     nicht sehr weit.
                                                          le Welt eine große Herausforderung.“
                    Im September 2018 startete das        Die Hemmschwelle gegenüber digi-
                Projekt „Kegeln mal anders“: Die          talen Geräten sei höher als vermutet,
                Kinder im Alter von acht bis dreizehn     die Zusammenarbeit mit Kindern und
                Jahren kamen mit ihrer Spielkonsole       Jugendlichen mache das Ganze jedoch
                in das Seniorenzentrum und erklärten      ein bisschen leichter. „Unsere Bewoh-
                den Bewohnerinnen und Bewohnern,          nerinnen und Bewohner mögen diesen
                wie man mit einem Controller in der       Austausch zwischen den Generationen
                Hand kegelt. „Wir hatten eine Lein-       generell sehr gern. Aber wir haben ge-
                wand aufgebaut, das hat die Senio-        merkt, gerade was die Digitalisierung
                rinnen und Senioren schon neugierig       betrifft, kommen wir ohne intergene-
                gemacht. Sie waren zunächst etwas         rationelle Projekte nicht sehr weit.“

 Kegeln mal anders | Höhr-Grenzhausen,
 Rheinland-Pfalz
 AWO Seniorenzentrum Kannenbäckerland
 E-Mail: Olga.Ganis@AWO-rheinland.de
 https://awo-blog.info/kegeln-mal-anders/

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