Bildungspolitik zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen während und nach Corona

Die Seite wird erstellt Toni Krug
 
WEITER LESEN
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Ludger Wößmann, Vera Freundl, Elisabeth Grewenig, Philipp Lergetporer und
Katharina Werner*

Bildungspolitik zur Bewältigung
gesellschaftlicher Herausforderungen
während und nach Corona –
Ergebnisse des ifo Bildungsbarometers 2021

Die Corona-Pandemie stellt unsere Gesellschaft vor                                                                                                 IN KÜRZE
weitreichende Herausforderungen. Um die Verbrei-
tung des Coronavirus zu verlangsamen, wurde seit
Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 das öffentliche                       Das ifo Bildungsbarometer 2021 hat unter mehr als 4 000 Er-
Leben wiederholt heruntergefahren, was mit starken                         wachsenen erfragt, welche bildungspolitischen Maßnahmen
Eingriffen in individuelle Freiheitsrechte und wirt-                       sie zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen
schaftliche Aktivitäten einherging. Das Bildungssys-
                                                                           befürworten, die in der Corona-Pandemie offengelegt wurden.
tem war besonders stark von derartigen Maßnahmen
betroffen. Schulschließungen waren von Anfang an                           Im ersten Teil geht es um Maßnahmen zur Abmilderung von
ein zentrales Mittel im Kampf gegen die Verbreitung                        Corona-bedingten Lerndefiziten. Große Mehrheiten befürwor-
des Coronavirus. Dies hatte massive Lernzeitverluste                       ten verpflichtenden Online-Unterricht bei Schulschließungen
zur Folge: Die tägliche Lernzeit der Schüler*innen hat                     (74%) und eine intensivere Betreuung von Kindern aus schwie-
sich in der ersten Phase der Schulschließungen 2020                        rigen sozialen Verhältnissen (83%). Insgesamt fällt die Beurtei-
etwa halbiert, und auch in der zweiten Phase 2021 ist
                                                                           lung der Corona-Schulpolitik recht negativ aus, besonders im
sie nur wenig angestiegen (vgl. Wößmann et al. 2020;
2021). Zudem hat es die Bildungspolitik im Laufe der                       Hinblick auf den Umgang mit benachteiligten Schüler*innen.
Pandemie versäumt, flächendeckend effektive Dis-                           Vor allem für diese Schulkinder sind Förder- und Ferienkurse
tanzunterrichtskonzepte zu etablieren, um die ent-                         mehrheitsfähig. 77% der Befragten sind dafür, dass die Schu-
standenen Lernrückstände zu kompensieren. Die Bil-                         len auch nach Ende der Pandemie verpflichtend Computer im
dungspolitik steht nun nicht nur vor der Herausforde-                      Unterricht verwenden. Im zweiten Teil gehen wir auf gesamt-
rung, passende Konzepte zu erarbeiten, um etwaigen
                                                                           gesellschaftliche Herausforderungen jenseits der Lernrück-
Lernzeitverlusten durch zukünftige Schulschließungen
entgegenzuwirken. Es müssen auch effektive Förder-                         stände ein. Überwältigende Mehrheiten (über 75%) sprechen
maßnahmen umgesetzt werden, um die entstandenen                            sich für die Vermittlung von demokratischen, wissenschaftli-
Lerneinbußen abzumildern.                                                  chen und wirtschaftlichen Kompetenzen an weiterführenden
     Die Herausforderungen, denen die Bildungspolitik                      Schulen aus. Große Mehrheiten befürworten zudem länder-
aufgrund der Corona-Pandemie gegenübersteht, be-                           übergreifende Bildungsstandards und regelmäßige Vergleichs-
schränken sich jedoch nicht nur auf die Schulschlie-
                                                                           tests für diese grundlegenden gesellschaftlichen Kompetenzen
ßungen und die damit verbundenen Lernrückstände.
Die Corona-Pandemie hat auch die große Bedeutung                           sowie entsprechende verpflichtende Fortbildungen für Lehr-
verschiedener grundlegender gesellschaftlicher Kom-                        kräfte und Weiterbildungsangebote für alle Bürger*innen.
petenzen sowie deutliche Defizite im Demokratie-
und Wissenschaftsverständnis in einigen Teilen der
Bevölkerung aufgezeigt. So legen zum Beispiel die                      gegen Corona-Maßnahmen im August 2020 deutliche
Geschehnisse rund um den Erstürmungsversuch des                        Mängel im Demokratieverständnis einiger Beteiligter
Reichstagsgebäudes während einer Demonstration                         offen. Außerdem sind erhebliche Teile der Gesamt-
                                                                       bevölkerung mit der Funktionsweise der Demokratie
* Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Sonderfor-          unzufrieden (vgl. Krause et al. 2020; Wehrkamp 2020).
schungsbereich Transregio 190) für finanzielle Unterstützung, dem
Wissenschaftlichen Beirat des ifo Bildungsbarometers – Marius Buse-
                                                                       Darüber hinaus deutet die Offenheit einiger Teile der
meyer, Olaf Köller, Dorothea Kübler, Nele McElvany, Natalja Menold,    Gesellschaft für wissenschaftsfeindliche Verschwö-
Beatrice Rammstedt und Guido Schwerdt – und den Kolleg*innen im
ifo Zentrum für Bildungsökonomik für Anmerkungen zum Fragebo-
                                                                       rungserzählungen im Zusammenhang mit der Corona-
gen, Jennifer Meder, Florian Thurow und Olivia Wirth für ausgezeich-   Pandemie auf teils eingeschränkte wissenschaftli-
nete Forschungsassistenz sowie Martina Putz und Sebastian Stahl-
hofen von Talk Online Panel für die Zusammenarbeit bei der
                                                                       che Kompetenzen hin. Auch scheinen die Deutschen
Durchführung der Meinungsumfrage.                                      eine generelle Skepsis gegenüber der Forschung zur

                                                                                ifo Schnelldienst   9 / 2021   74. Jahrgang   15. September 2021   27
FORSCHUNGSERGEBNISSE

               Entstehung der Corona-Pandemie zu haben (vgl. Wis-                 Kompetenzen – laut Meinung der Deutschen zukom-
               senschaft im Dialog 2020). Das Bildungssystem kann                 men sollte, und gehen dann auf die Mehrheitsfähig-
               hier durch die gezielte Förderung von gesellschaftli-              keit konkreter bildungspolitischer Maßnahmen zur
               chen Kompetenzen im Kindes- und Jugendalter einen                  Förderung dieser gesellschaftlichen Kompetenzen ein.
               wichtigen Beitrag dazu leisten, diesen Entwicklungen
               entgegenzuwirken (vgl. Aktionsrat Bildung 2020).                   DAS IFO BILDUNGSBAROMETER 2021
                    Vor diesem Hintergrund untersuchen wir im vor-
               liegenden Beitrag, welche Maßnahmen die Deutschen                  Das ifo Bildungsbarometer ist eine repräsentative
               zur Bewältigung der aktuellen gesellschaftlichen Her­              Meinungsumfrage der deutschen erwachsenen Be-
               ausforderungen befürworten. Im ersten Teil gehen                   völkerung zu bildungspolitischen Themen, die jährlich
               wir der Frage nach, welche bildungspolitischen Maß-                seit 2014 durchgeführt wird.1 Der vorliegende Beitrag
               nahmen die Deutschen unterstützen, um die Corona-                  präsentiert die Ergebnisse des achten ifo Bildungs-
               bedingten Lerndefizite abzumildern und für mögliche                barometers, für das im Mai und Juni 2021 mehr als
               zukünftige Schulschließungen gerüstet zu sein. Im                  4 000 Personen im Alter zwischen 18 und 69 befragt
               zweiten Teil nehmen wir gesamtgesellschaftliche Her-               wurden (siehe Box »Methodik der Befragung« für wei-
               ausforderungen jenseits der durch Corona entstande-                tere Details). Das ifo Bildungsbarometer beschäftigt
               nen Lernzeitverluste in den Fokus. Dabei untersuchen               sich mit jährlich wechselnden Themenschwerpunkten,
               wir zunächst, welche Rolle dem Bildungssystem in der               die in diesem Jahr auf bildungspolitischen Maßnah-
               Förderung von drei grundlegenden gesellschaftlichen                men zur Bewältigung von gesellschaftlichen Heraus-
               Kompetenzbereichen – demokratischen Kompetenzen,                   1
                                                                                    Die Ergebnisse der bisherigen ifo Bildungsbarometer sind unter
               wissenschaftlichen Kompetenzen und wirtschaftlichen                www.ifo.de/ifo-bildungsbarometer zu finden.

METHODIK DER BEFRAGUNG

               Die Befragung für das ifo Bildungsbarometer 2021                   Fragen per Zufall in unterschiedliche Teilgruppen auf-
               wurde vom 27. Mai bis zum 22. Juni 2021 durch das                  geteilt wurden. Diese Teilgruppen erhielten die Frage
               Befragungsunternehmen Talk Online Panel durchge-                   jeweils in einer anderen Version, z.B. mit oder ohne
               führt. Dabei wurden 4 032 Personen im Alter zwischen               Bereitstellung bestimmter Informationen. Dieses Vor-
               18 und 69 Jahren befragt. Die Stichprobenziehung er-               gehen erlaubt es, den Effekt von Informationen auf
               folgte mit Hilfe sogenannter »Online-Access-Panels«.               das Antwortverhalten zu messen. Teilnehmer*innen,
               In einer früheren Welle des ifo Bildungsbarometers                 die zu einzelnen Fragen keine Angabe machen, werden
               wurde gezeigt, dass Online-Befragungen ein repräsen-               bei der Auswertung ausgeschlossen. Der Anteil der
               tatives Meinungsbild der deutschen Gesamtbevölke-                  Personen ohne Angabe liegt bei den Meinungsfragen
               rung zu bildungspolitischen Themen abbilden können                 des ifo Bildungsbarometers 2021 bis auf eine Frage
               (vgl. Grewenig et al. 2018). Um sicherzustellen, dass              unter 1% und ist somit sehr gering.
               die deutsche Gesamtbevölkerung zwischen 18 und                          Um eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse
               69 Jahren repräsentativ abgebildet wird, wurde die                 zu gewährleisten, sind in den Abbildungen bei Zustim-
               Stichprobe nach Quoten gezogen und anhand der amt-                 mungsfragen die Antwortkategorien in der Reihenfolge
               lichen Statistik nach Alter, Geschlecht, Bundesland,               »sehr dafür«, »eher dafür«, »weder dafür noch dage-
               Schulabschluss und Erwerbsstatus gewichtet.                        gen«, »eher dagegen« und »sehr dagegen« aufgeführt.
                    Mit welcher Sicherheit man von den Ergebnissen                In der Befragung wurde die neutrale Kategorie »we-
               einer repräsentativen Umfrage auf die Gesamtbevöl-                 der dafür noch dagegen« hingegen als letzte Antwort-
               kerung schließen kann, kann anhand von statistischen               möglichkeit in der Liste genannt, um einer möglichen
               Wahrscheinlichkeiten angegeben werden. Bei dem ver-                Tendenz der Teilnehmer*innen zur mittleren Kategorie
               gleichsweise großen Stichprobenumfang in der vorlie-               entgegenzuwirken (vgl. Wößmann et al. 2016 für eine
               genden Studie liegt der Fehlerbereich für Fragen, die              Analyse der Effekte der Positionierung der neutralen
               an rund 1 000 Teilnehmer*innen gestellt wurden, nur                Kategorie auf das Antwortverhalten).
               zwischen 1,8 und 3,1 Prozentpunkten. Das bedeutet                       Im vorliegenden Text und in den Abbildungen
               zum Beispiel bei einem Zustimmungswert von 50%                     werden Prozentwerte angegeben, die auf den jeweils
               der Befragten, dass der wahre Wert der Zustimmung                  nächsten Prozentpunkt gerundet sind. Die Summe der
               in der Gesamtbevölkerung mit 95%iger Wahrschein-                   berichteten Prozentanteile kann aufgrund der Rundun-
               lichkeit zwischen 46,9% und 53,1% liegt.                           gen von 100 abweichen. Ebenso kann die tatsächliche
                    Eine methodische Besonderheit der Befragung                   Summe mehrerer Anteile leicht von der Summe der
               besteht darin, dass die Teilnehmer*innen bei einigen               berichteten gerundeten Werte abweichen.

          28   ifo Schnelldienst   9 / 2021   74. Jahrgang   15. September 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

forderungen, die durch die Coronakrise verschärft          den, haben wir im ifo Bildungsbarometer 2021 erneut
wurden, liegen.                                            ein breites Meinungsbild zur Corona-Bildungspolitik
     Das ifo Bildungsbarometer ist Teil eines For-         erhoben.
schungsprogramms zur politischen Ökonomie der
Bildungspolitik, das untersucht, inwieweit öffentliche     Wie sollte Bildungspolitik während Corona
Meinungen im Einklang mit politischem Handeln im           gestaltet werden?
Bildungsbereich stehen und welche bildungspoliti-
schen Maßnahmen mehrheitsfähig sind. Die norma-            Eine deutliche Mehrheit von 74% der Deutschen spricht
tive Frage, wie Bildungspolitik aus wissenschaftlicher     sich sehr oder eher dafür aus, Schulen zu Online-
Sicht gestaltet werden sollte, um die Bildungsleistung     Unterricht zu verpflichten, wenn der Unterricht auf-
von Schüler*innen zu verbessern, wird dabei bewusst        grund des Pandemiegeschehens länger als eine Woche
ausgeklammert.                                             ausfällt. Nur 16% sind dagegen (vgl. Abb. 1). Bereits im
     Um die Faktoren, die die öffentliche Meinung zu       Vorjahr war die Zustimmung zu diesem Vorschlag mit
Bildungsthemen beeinflussen, zu untersuchen, werden        79% sehr hoch. Noch deutlichere Unterstützung ergibt
bei einigen Fragen sogenannte »Survey-Experimente«         sich dafür, Lehrkräfte zu Fortbildungen zum Online-Un-
durchgeführt. Zum Beispiel werden einer zufällig           terricht zu verpflichten (81% dafür, 8% dagegen). Wie
ausgewählten Teilgruppe der Befragten bestimmte            auch schon in der letztjährigen Befragung sieht ein
Informationen zur Verfügung gestellt, bevor sie die-       Großteil der Deutschen großen Bedarf an derartigen
selbe Frage beantwortet wie die Gruppe, die diese          Weiterbildungsmaßnahmen (2020: 87% dafür). In der
Informationen nicht erhalten hat. Durch die zufällige      deutschen Bevölkerung gibt es also ein klares Prob-
Aufteilung der Befragten kann herausgefunden wer-          lembewusstsein für die Tatsache, dass Online-Unter-
den, inwieweit die Informationen das Meinungsbild          richt während der Schulschließungen nur relativ selten
der Bevölkerung zur jeweiligen Frage beeinflussen.         stattgefunden hat (vgl. Wößmann et al. 2020; 2021).
Die so gewonnenen Erkenntnisse geben Aufschluss                 Zahlreiche Studien legen nahe, dass die Corona-
darüber, wie sich etwa Informationsbereitstellung auf      bedingten Schulschließungen die Bildungsungleichheit
die politische Umsetzbarkeit von Bildungsmaßnah-           zwischen verschiedenen Schülergruppen deutlich ver-
men auswirkt.                                              schärft haben (z.B. Grewenig et al. 2020; Engzell et al.
                                                           2021). Daher haben wir erfragt, ob Lehrkräfte während
BILDUNGSPOLITISCHE MASSNAHMEN ZUR                          der Schulschließungen nach Meinung der Deutschen
BEWÄLTIGUNG DER CORONA-BILDUNGSKRISE                       bestimmte Gruppen von Schulkindern intensiver be-
                                                           treuen sollten. Deutliche Mehrheiten der Befragten
Bereits seit etwa eineinhalb Jahren bestimmt die Co-       sind dafür, dass Lehrkräfte Kinder aus schwierigen
rona-Pandemie die deutsche Bildungspolitik. Diese          sozialen Verhältnissen (83%), Kinder mit Eltern ohne
Zeit war geprägt von wiederholten, mehrmonatigen
Schulschließungen, um die Ausbreitung des Virus ein-       Abb. 1

zudämmen. In vorhergehenden Studien haben wir              Welche Maßnahmen befürworten die Deutschen bei Schulschließungen?
                                                           Deutliche Zustimmung zu verpflichtendem Online-Unterricht, verpflichtenden Fortbildungen für
gezeigt, wie sich die Lernzeit der Schüler*innen durch     Lehrkräfte und intensiverer Betreuung für benachteiligte Gruppen
die Schließungen der Bildungseinrichtungen verringert
hat. So haben die Schulschließungen im Frühjahr 2020            Sehr dafür        Eher dafür       Weder dafür noch dagegen             Eher dagegen            Sehr dagegen
die tägliche Lernzeit von Kindern und Jugendlichen in
                                                           Verpflichtung der Schulen zu Online-Unterricht bei Schulausfall länger als eine Woche
Deutschland um etwa die Hälfte reduziert (Grewenig
                                                                                                                 43                   31        10                    9        7
et al. 2020), und auch während der Schulschließun-
gen Anfang 2021 blieb die tägliche Lernzeit noch drei      Verpflichtende Fortbildung für Lehrkräfte zu Online-Unterricht
                                                                                                                   52                                 29             11       62
Stunden unter der ansonsten üblichen Lernzeit (Wöß-
mann et al. 2021). Leistungsschwächere Schüler*innen       Intensivere Betreuung durch Lehrkräfte während Schulschließungen für Kinder...
                                                             aus schwierigen sozialen Verhältnissen              52                    31                             10 5 2
waren von den Einschränkungen besonders stark be-
                                                           von Eltern ohne Homeoffice-Möglichkeit                            48                      32              12       6 3
troffen. Trotz langer Vorlaufzeit und eindringlicher Ap-
                                                                                von Alleinerziehenden                   40                      37               14           7 3
pelle von Eltern und Wissenschaft ist es der deutschen
                                                                     von Eltern mit geringer Bildung                    40                     33               14        9 4
Bildungspolitik auch nach über einem Jahr Pandemie
nicht gelungen, flächendeckende und verbindliche Dis­                      mit Migrationshintergrund                    38                     33           13            9    6

tanzlernkonzepte sowie Test- und Prüfungsverfahren                                                          0                25           50               75                  100 %
für alle Kinder und Jugendlichen einzuführen.              Frage 1 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
     Im Juni 2020 haben wir die Bevölkerung ein erstes     Sind Sie dafür oder dagegen, dass alle Schulen verpflichtend auf Online-Unterricht umstellen, wenn durch eine
                                                           Corona-bedingte Schulschließung der Unterricht länger als eine Woche ausfällt?
Mal nach ihrer Meinung zu verschiedenen bildungs-          Frage 2 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
politischen Maßnahmen in der Coronakrise befragt           Sind Sie dafür oder dagegen, dass alle Lehrer*innen verpflichtet werden, sich zum Thema Online-Unterricht
                                                           fortzubilden?
(vgl. Wößmann et al. 2020a). Um zu erfahren, ob sich       Frage 3 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
das Meinungsbild zu diesen Maßnahmen während               Sind Sie dafür oder dagegen, dass Lehrer*innen während Schulschließungen Kinder aus folgenden Gruppen
                                                           intensiver betreuen (z.B. durch häufigere Kontaktaufnahme)?
des Pandemiejahres verändert hat und welche wei-
teren bildungspolitischen Reformen befürwortet wer-        Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                        © ifo Institut

                                                                         ifo Schnelldienst    9 / 2021   74. Jahrgang   15. September 2021          29
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                  Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice (80%), Kinder von                                  die Zustimmung mit 71% sogar noch etwas höher.
                                  Alleinerziehenden (76%), Kinder von Eltern mit niedri-                                  Auch der Vorschlag, dass Start und Ende von Corona-
                                  gem Bildungsabschluss (73%) und Kinder mit Migrati-                                     bedingten Schulschließungen bundesweit einheitlich
                                  onshintergrund (71%) während der Schulschließungen                                      beschlossen werden, trifft ähnlich wie im Jahr 2020
                                  intensiver betreuen. Die Zustimmung zur gezielten                                       auf mehrheitliche Zustimmung (63% dafür, 24% da-
                                  Unterstützung dieser Schülergruppen ist damit ähn-                                      gegen; 2020: 64% dafür, 28% dagegen).
                                  lich hoch wie im Vorjahr, wobei sich die Zustimmung                                          Bei der Frage, ob alle Schüler*innen im Pandemie-
                                  zu intensiverer Betreuung von Kindern mit Migrati-                                      jahr leistungsunabhängig in die nächste Klassenstufe
                                  onshintergrund im Jahresvergleich nochmal erhöht                                        versetzt werden sollten, ist die Meinung der Deut-
                                  hat (2020: 66% dafür).                                                                  schen gespalten: 45% sind dafür, 40% sind dagegen
                                       Aufgrund der föderalen Struktur des deutschen                                      (2020: 49% dafür, 39% dagegen). Eine knappe Mehrheit
                                  Bildungssystems kann jedes Bundesland über die ei-                                      von 54% befürwortet sehr oder eher, dass leistungs-
                                  gene Bildungspolitik selbständig entscheiden – auch                                     schwächere Schulkinder bei längeren Schulschließun-
                                  während der Corona-Pandemie. Zwei Drittel der Deut-                                     gen die Klasse wiederholen sollten, ein Viertel (25%)
                                  schen (66%) wünschen sich entgegen dieser Rege-                                         sieht dies jedoch nicht so. Der letztere Anteil ist im
                                  lung bundesweit einheitliche bildungspolitische Ent-                                    Vergleich zu 2020 leicht gesunken: Damals sprachen
                                  scheidungen während der Coronakrise, nur 20% sind                                       sich 30% (sehr oder eher) gegen eine Klassenwieder-
                                  gegen diesen Vorschlag (vgl. Abb. 2). Im Vorjahr war                                    holung Leistungsschwächerer aus.
                                                                                                                               Noch klarer ist die Meinung der Deutschen zum
                                                                                                                          Abhalten von Abschlussprüfungen während der
Abb. 2
                                                                                                                          Coronakrise: Große Mehrheiten unterstützen die
Welche bildungspolitischen Maßnahmen wünschen sich die Deutschen während
Corona?                                                                                                                   Durchführung von Prüfungen zum Hauptschulab-
Große Mehrheiten für bundesweit einheitliche Bildungspolitik und Durchführung von                                         schluss, Realschulabschluss und zum Abitur (67%,
Abschlussprüfungen während Corona                                                                                         68% und 67% dafür). Nur ein knappes Fünftel ist je-
     Sehr dafür       Eher dafür        Weder dafür noch dagegen              Eher dagegen         Sehr dagegen           weils dagegen. Diese Zustimmungswerte sind sehr
                                                                                                                          ähnlich zum Vorjahr (2020: 70–71% dafür). Gespalte-
Bundesweit einheitliche bildungspolitische Entscheidungen während der Coronakrise                                         ner ist das Meinungsbild in Bezug auf die Frage, ob
                                       32                          34                  15          12         7           aufgrund der Coronakrise leichtere Abiturprüfungen
Bundesweit einheitlicher Start und Ende von Schulschließungen während der Coronakrise                                     gestellt werden sollten. 46% sind dafür, die Prüfungs-
                                    37                   26           13       14                          10
                                                                                                                          standards im Abitur abzusenken, 38% sind dagegen.
Leistungsunabhängige Versetzung aller Schüler*innen im Corona-Jahr
                           18               27             16                          26                14               Im Vorjahr sprach sich noch eine Mehrheit (53%) gegen
Klassenwiederholung Leistungsschwächerer bei längeren Schulschließungen                                                   leichtere Abiturprüfungen aus. Insgesamt stimmt die
                            20                 35                 21                              17          8           deutsche Bevölkerung im Einklang mit den Ergebnis-
Abschlussprüfungen trotz der Coronakrise                                                                                  sen früherer Jahre auch in der Coronakrise für eine
Hauptschulabschluss               37                                  30               13          14         6
  Realschulabschluss               38                                  30               13          13        6
                                                                                                                          einheitliche und leistungsorientierte Bildungspolitik
              Abitur               39                                  28              13          13         7           (vgl. Wößmann et al. 2014; 2020b).
Leichtere Abiturprüfungen während der Coronakrise                                                                              Die Schulschließungen selbst als Maßnahme zur
                            17             29                            16            23                15               Eindämmung der Corona-Pandemie werden im Ver-
                                                                                                                          gleich zum Vorjahr kritischer gesehen: Während 2020
Schulschließungen waren eine richtige Maßnahme
        Stimme voll zu                  Stimme eher zu                                Weder noch                          noch 79% der Befragten angaben, dass sie die Schul-
        Stimme eher nicht zu            Stimme überhaupt nicht zu                                                         schließungen für eine richtige Maßnahme halten, sind
                                       31                        31               7          18           12              es in der diesjährigen Befragung nur noch 62%.
                          0                   25                    50                  75                        100 %
Frage 1 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
                                                                                                                          Wie bewerten die Deutschen die
Laut Grundgesetz ist Bildung in Deutschland Ländersache, die wichtigen bildungspolitischen Entscheidungen werden          Corona-Bildungspolitik?
also von den Landesregierungen getroffen. Sind Sie dafür oder dagegen, dass bildungspolitische Entscheidungen
während der Coronakrise stattdessen grundsätzlich bundesweit einheitlich von der Bundesregierung getroffen
werden?                                                                                                                   Das allgemeine Meinungsbild der deutschen Bevölke-
Frage 2 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
Sind Sie dafür oder dagegen, dass Start und Ende von Schulschließungen während der Coronakrise bundesweit                 rung zur Corona-Schulpolitik ist gespalten und ten-
einheitlich beschlossen werden?
Frage 3 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
                                                                                                                          denziell negativ. 41% der Befragten benoten die Politik
Sind Sie dafür oder dagegen, dass im Corona-Schuljahr jede*r Schüler*in unabhängig von seinen/ihren Leistungen ins        in Bezug auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse
nächste Schuljahr versetzt wird?
Frage 4 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
                                                                                                                          aller Schüler*innen mit Note 4 oder schlechter, 25%
Sind Sie dafür oder dagegen, dass bei längeren Schulschließungen leistungsschwache Schüler*innen das Schuljahr            bewerten sie mit Note 1 oder 2 (vgl. Abb. 3). Noch
wiederholen?
Frage 5 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):                                                                negativer fällt die Benotung für den Umgang mit Schü-
Sind Sie dafür oder dagegen, dass trotz Corona-bedingter Schulschließungen die folgenden Abschlussprüfungen               ler*innen aus schwierigen sozialen Verhältnissen aus:
stattfinden?
Frage 6 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):                                                                52% vergeben eine Note zwischen 4 und 6, nur 22%
Sind Sie dafür oder dagegen, dass in diesem Jahr aufgrund der Coronakrise leichtere Abiturprüfungen gestellt
werden als in den vergangenen Jahren?
                                                                                                                          vergeben Note 1 oder 2.
Frage 7 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):                                                                     Die Tendenz, dass der Umgang mit benachteilig-
Inwieweit stimmen Sie folgender Aussage zu? Die Schulschließungen waren eine richtige Maßnahme.
                                                                                                                          ten Gruppen schlechter bewertet wird, ist ebenso in
Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                      © ifo Institut   Bezug auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse von

                         30       ifo Schnelldienst   9 / 2021   74. Jahrgang   15. September 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Eltern zu erkennen: Während 38% den Umgang mit            Abb. 3
den Eltern insgesamt mit Note 4, 5 oder 6 bewerten,       Wie benoten die Deutschen die Schulpolitik während Corona?
                                                          Bewertung insgesamt gespalten, für Umgang mit benachteiligten Familien eher negativ
ist dieser Anteil in Bezug auf den Umgang mit Eltern
aus schwierigen sozialen Verhältnissen mit 50% deut-                 Note 1            Note 2            Note 3                   Note 4                  Note 5 oder 6
lich höher. 27% bzw. 23% vergeben die Note 1 oder 2       Umgang der Politik mit ...
für den Umgang mit diesen Gruppen von Eltern.                                   allen Schüler*innen          9     16                    34                         22                   19
     Ein ähnliches Muster, wenn auch in abgeschwäch-               Schüler*innen aus schwierigen
                                                                                                             8    13                27                    22                       29
ter Form, findet sich auch bei der Bewertung des Um-                       sozialen Verhältnissen
gangs mit Lehrkräften. Über ein Drittel der Befragten                                   allen Eltern         9     19                      35                        20                   17
(34%) bewertet den Umgang der Politik mit allen Leh-                        Eltern aus schwierigen
                                                                                                             8    14                27                     24                       26
rer*innen mit Note 4 bis 6. Die Beurteilung der Politik                     sozialen Verhältnissen
in Bezug auf den Umgang mit Lehrkräften, die viele                                allen Lehrkräften          9         21                     37                         18               16
Schüler*innen aus schwierigen sozialen Verhältnis-
                                                           Lehrkräften mit vielen Schüler*innen
sen unterrichten, fällt nochmal schlechter aus: 39%       aus schwierigen sozialen Verhältnissen
                                                                                                             9        19                   33                       18               21
bewerten ihn mit Note 4, 5 oder 6.
                                                                                                         0                  25                  50                       75                       100 %
     Insgesamt überwiegen also schlechte Bewertun-
                                                          Frage (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
gen der Corona-Bildungspolitik, vor allem im Umgang       Die Corona-bedingten Schulschließungen können die unterschiedlichsten Auswirkungen auf Schüler*innen, Eltern
mit Schüler*innen und Eltern aus schwierigen sozialen     und Lehrkräfte haben. Welche Schulnote würden Sie der Politik dafür geben, wie gut sie auf die Bedürfnisse der
                                                          verschiedenen Gruppen in dieser Zeit eingeht bzw. eingegangen ist?
Verhältnissen sowie den Lehrkräften dieser Schüler*in-
nen. Diese Bewertung deckt sich mit der oft geäu-         Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                                        © ifo Institut

ßerten Befürchtung, dass die Bildungsungleichheit         Abb. 4
aufgrund der Coronakrise zunimmt.                         Welche Maßnahmen zum Nachholen Corona-bedingter Lernrückstände befürworten
     Im Vergleich zum Vorjahr ist zudem eine stärkere     die Deutschen?
                                                          Breite Unterstützung für staatlich finanziertes Nachhilfeprogramm und freiwillige Ferienkurse,
Polarisierung in der Bewertung der Bildungspolitik zu     verpflichtender Förder - und Ferienunterricht gerade für benachteiligte Gruppen mehrheitsfähig
beobachten: Der Anteil von sehr schlechten und sehr
                                                               Sehr dafür       Eher dafür        Weder dafür noch dagegen                    Eher dagegen                    Sehr dagegen
guten Bewertungen der Bildungspolitik hat sich im
                                                          Nachhilfeprogramm des Bundesbildungsministeriums über 1 Mrd. Euro
Jahresvergleich deutlich vergrößert, während sich der
                                                                                                                            40                            36                   11            9 4
Anteil von Befragten, die der Politik die Note 3 gibt,
verringert hat. Diese zunehmende Polarisierung der        Verpflichtender Förderunterricht (z.B. am Nachmittag) für
Bewertung der Bildungspolitik ist im Einklang damit,                                alle Schüler*innen            24                     29                15                 20             12
dass die Streuung darin, wie gut verschiedene Kinder           leistungsschwächere Schüler*innen                        37                           30                  12         13            8
und Jugendlichen mit dem Homeschooling klarkom-             Schüler*innen aus schwierigen sozialen
                                                                                                                        36                         30                    14         12            8
men, sehr groß ist (vgl. Wößmann et al. 2021).                                      Verhältnissen
                                                          Verpflichtende Ferienkurse (z.B. in Sommer - oder Herbstferien) für
Wie sollten Corona-bedingte Lernrückstände                                          alle Schüler*innen            20                25               16              20                  19
aufgefangen werden?                                            leistungsschwächere Schüler*innen                       30                     30                13             13            13
                                                           Schüler*innen aus schwierigen sozialen
                                                                                                                      29                      28                15            15             13
Die Lernzeit von Schüler*innen in Deutschland hat sich                               Verhältnissen
                                                          Schüler*innen mit Migrationshintergrund                      29                  25                  15             15             15
während der Corona-bedingten Schulschließungen
beträchtlich verringert. Besonders leistungsschwä-        Freiwillige Ferienkurse (z.B. in Sommer - oder Herbstferien) für
chere Schüler*innen verzeichneten große Lernein-                                    alle Schüler*innen                  34                         31                13             14         8
bußen (Grewenig et al. 2020). In Anbetracht dieser             leistungsschwächere Schüler*innen                             46                            28                 11         9        7
Erkenntnisse stellt sich die Frage, wie Corona-bedingte    Schüler*innen aus schwierigen sozialen
                                                                                                                             46                            28                 11         9        6
Lernausfälle kompensiert werden können. Gut drei                                    Verhältnissen
Viertel (76%) der Deutschen begrüßen die Initiative       Schüler*innen mit Migrationshintergrund                           43                            27              12         10           7
des Bundesbildungsministeriums, 1 Mrd. Euro für                                                              0               25                    50                    75                       100 %
Nachhilfeprogramme bereitzustellen, um Corona-be-
                                                          Frage 1 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
dingte Lernrückstände auszugleichen (vgl. Abb. 4).        Die Bundesbildungsministerin plant, zusätzlich eine Milliarde Euro in ein Nachhilfeprogramm zu investieren, um
                                                          Corona-bedingte Lernrückstände auszugleichen. Das Programm richtet sich vor allem an Schüler*innen, bei denen
     Für verpflichtenden Förderunterricht für alle        ein Wechsel auf eine weiterführende Schule oder in eine Ausbildung bevorsteht. Sind Sie für oder gegen diesen
Schulkinder, der beispielsweise am Nachmittag statt-      Vorschlag?
                                                          Frage 2 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
findet, spricht sich eine knappe Mehrheit von 53%         Sind Sie dafür oder dagegen, dass folgende Gruppen von Schüler*innen zu zusätzlichem Förderunterricht (z.B. am
aus, während ein knappes Drittel (32%) dagegen ist.       Nachmittag) verpflichtet werden, um den durch Corona versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen?
                                                          Frage 3 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
Die Zustimmung vergrößert sich nochmal deutlich,          Sind Sie dafür oder dagegen, dass folgende Gruppen von Schüler*innen verpflichtet werden, an Ferienkursen
wenn nur leistungsschwächere Schüler*innen oder           teilzunehmen, um den durch Corona versäumten Unterrichtsstoff in den Schulferien (z.B. Sommer - oder Herbstferien)
                                                          nachzuholen? Bitte denken Sie daran, dass die dafür anfallenden Kosten oft durch Steuergelder finanziert werden
Schulkinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen        müssen.
                                                          Frage 4 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
zu zusätzlichem Förderunterricht verpflichtet werden      Sind Sie dafür oder dagegen, dass folgenden Gruppen von Schüler*innen freiwillige Ferienkurse angeboten werden,
(68% bzw. 66% dafür).                                     um den durch Corona versäumten Unterrichtsstoff in den Schulferien (z.B. Sommer - oder Herbstferien) nachzuholen?
                                                          Bitte denken Sie daran, dass die dafür anfallenden Kosten oft durch Steuergelder finanziert werden müssen.
     Die Meinung der Befragten zu verpflichtenden
Ferienkursen, die etwa in den Sommer- oder Herbstfe-      Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                                            © ifo Institut

                                                                        ifo Schnelldienst   9 / 2021   74. Jahrgang     15. September 2021                 31
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                  rien angeboten werden, ist gespalten: 45% sind dafür,                                     zial besser gestellten Gruppen in Anspruch genommen
                                  39% sind dagegen, 16% sind weder dafür noch dage-                                         werden (z.B. Heckman und Landersø 2021), weshalb
                                  gen. Dieses gespaltene Bild verwandelt sich jedoch in                                     derartige Förderangebote ihr gleichheitsförderndes
                                  mehrheitliche Zustimmung, wenn die Ferienkurse nur                                        Potenzial oft nicht voll entfalten. Tatsächlich haben
                                  für leistungsschwächere Schulkinder, Schüler*innen                                        wir in unserer Elternbefragung gefunden, dass bisher
                                  aus sozial schwierigen Verhältnissen und Schüler*in-                                      nur 2% der Nicht-Akademikerkinder an Ferienkursen
                                  nen mit Migrationshintergrund verpflichtend werden                                        teilgenommen haben, während es unter Akademiker-
                                  (60%, 57% bzw. 55% dafür; 27–30% dagegen). Zwei zu-                                       kindern immerhin 11% waren (Wößmann et al. 2021).
                                  fällig ausgewählte Teilgruppen der Befragten wurden                                       Dies unterstreicht die Wichtigkeit von verpflichtenden
                                  vor der Beantwortung dieser Frage darüber informiert,                                     Förderprogrammen, auch wenn freiwillige Programme
                                  dass (i) Unterrichtsausfälle das spätere Erwerbsein-                                      in der Bevölkerung etwas beliebter sind.
                                  kommen der betroffenen Schüler*innen verringern
                                  können bzw. (ii) sich die tägliche Lernzeit während                                       Sollten die Schulen digitale Lernformate
                                  der Schulschließungen in etwa halbiert hat. Diese zu-                                     dauerhaft integrieren?
                                  sätzlichen Informationen haben keinen nennenswer-
                                  ten Einfluss auf die Zustimmung zu verpflichtenden                                        Die Corona-Pandemie erforderte von den Schulen
                                  Ferienkursen, was möglicherweise darauf zurückzu-                                         die Einführung neuer digitaler Distanzunterrichts-
                                  führen ist, dass die Befragten diese Information bei                                      konzepte, um den Schulbetrieb während der Schul-
                                  der Beantwortung bereits berücksichtigen.                                                 schließungen aufrechtzuerhalten. Mit Blick auf die Zeit
                                        Die Zustimmung zu Ferienkursen erhöht sich                                          nach Corona stellt sich die Frage, ob dieser Corona-
                                  nochmal deutlich, wenn diese freiwillig angeboten                                         bedingte Digitalisierungsschub genutzt werden sollte,
                                  werden: Freiwillige Ferienkurse für alle Schüler*in-                                      um digitale Lernformate dauerhaft in den Schulalltag
                                  nen werden von 65% der Befragten befürwortet. Für                                         zu integrieren.
                                  leistungsschwächere Schüler*innen, Schulkinder mit                                             Insgesamt stehen die Deutschen der verpflichten-
                                  aus sozial schwierigen Verhältnissen und Schüler*in-                                      den Integration von digitalen Formaten in der Schule
                                  nen mit Migrationshintergrund ist die Zustimmung                                          sehr positiv gegenüber. Die höchste Zustimmung
                                  mit 74%, 74% bzw. 71% deutlich höher. 43–46% sind                                         (77%) erfährt der Vorschlag, weiterhin Computer
                                  sogar »sehr dafür«.                                                                       und Tablets im Unterricht zu verwenden (vgl. Abb. 5).
                                        Das Ergebnis, dass verpflichtender Förderunter-                                     Ähnlich groß ist die Zustimmung zur Verwendung von
                                  richt und Ferienkurse vor allem für benachteiligte                                        digitalen Lernplattformen, zu Online-Sprechstunden
                                  Schüler*innen befürwortet werden, zeigt deutlich,                                         zwischen Lehrkräften und Eltern und zur Bereitstel-
                                  dass den Deutschen zielgerichtete Initiativen zur Ver-                                    lung von Videomaterial mit Erklärungen durch die
                                  ringerung von Corona-bedingter Bildungsungleichheit                                       Lehrkräfte (jeweils 74%). Auch Online-Sprechstunden
                                  wichtig sind. Freiwillige Ferienkurse werden besonders                                    zwischen Lehrkräften und Schüler*innen werden von
                                  befürwortet. Allerdings zeigt die Bildungsforschung,                                      73% der Befragten befürwortet. Nur kleine Minder-
                                  dass freiwillige Bildungsprogramme vor allem von so-                                      heiten der Befragten von 13–16% sprechen sich sehr
                                                                                                                            oder eher gegen die Verwendung dieser Formate aus.
                                                                                                                                 Gespalten ist die Meinung einzig beim ver-
Abb. 5
Welche digitalen Formate sollten die Schulen auch nach Corona anbieten?
                                                                                                                            pflichtenden Angebot von Hybridunterricht, an dem
Deutliche Mehrheiten für Verwendung von Computern im Unterricht und Online-Formate, gespaltene                              Schulkinder entweder online oder in Präsenz teilneh-
Meinung zu Hybridunterricht                                                                                                 men können. Zwar spricht sich eine knappe Mehrheit
      Sehr dafür      Eher dafür        Weder dafür noch dagegen            Eher dagegen         Sehr dagegen               von 51% dafür aus, gleichzeitig ist jedoch auch über
                                                                                                                            ein Drittel (37%) der Bevölkerung dagegen. Insgesamt
Verwendung von Computer oder Tablet im Unterricht
                   44                                                 33                    10         8        4           begreift also eine deutliche Mehrheit der Deutschen
Digitale Lernplattformen
                                                                                                                            die Coronakrise als Chance, die Schulen in Deutsch-
                     38                                          36                     12          9           5           land dauerhaft digitaler zu machen.
Online-Sprechstunden mit den Lehrkräften für Eltern
                 37                                 37                                  12         10           4           GESELLSCHAFTLICHE KOMPETENZEN
Bereitstellung von Videos mit Erklärungen der Lehrkraft
                  35                                39                                 11         11            5           Die Corona-Pandemie stellt das Bildungssystem nicht
Online-Sprechstunden mit den Lehrkräften für Schüler*innen                                                                  nur aufgrund von Schulschließungen und den damit
                34                                39                                   11         11           5            einhergehenden Lerneinbußen vor große Herausforde-
Hybridunterricht, bei dem Schüler*innen entweder online oder in Präsenz teilnehmen können                                   rungen. Sie hat auch die große Bedeutung von grund-
            23                      28                13              19             16                                     legenden gesellschaftlichen Kompetenzen wie etwa
  0                         25                         50                         75                             100 %      demokratischen und wissenschaftlichen Kompetenzen
Frage (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
                                                                                                                            in der Bevölkerung unterstrichen – und in einigen Tei-
Sind Sie dafür oder dagegen, dass Schulen verpflichtet werden, auch nach Ende der Pandemie folgende digitale                len der Bevölkerung ernsthafte Defizite aufgezeigt. So
Formate anzubieten?
                                                                                                                            wurden bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik
Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                        © ifo Institut   laut Verfassungsschutz nicht nur demokratische Ent-

                         32       ifo Schnelldienst   9 / 2021    74. Jahrgang   15. September 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

scheidungsprozesse und Institutionen »in sicherheits-                    definieren die drei gesellschaftlichen Kompetenzberei-
gefährdender Art und Weise« de­legitimiert, sondern                      che wie folgt. Bei demokratischen Kompetenzen wur-
auch Verbindungen zu demokratiefeindlichen Grup-                         den die Befragten gebeten, zum einen an demokrati-
pierungen wie Rechtsextremist*innen gesucht (vgl.                        sche Einstellungen wie die Akzeptanz von demokra-
Bundesamt für Verfassungsschutz 2021). Demokra-                          tischen Entscheidungen oder die Toleranz gegenüber
tieskeptische Tendenzen sind nicht nur bei Demons-                       anderen Meinungen und zum anderen an Wissen über
trationen festzustellen, sondern spiegeln sich auch                      demokratische Institutionen, Prozesse und Grundprin-
in der Demokratieunzufriedenheit von erheblichen                         zipien der Demokratie zu denken. Wissenschaftliche
Teilen der Gesamtbevölkerung wider.2                                     Kompetenzen definieren wir als die Fähigkeit, sich
     Obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse für die Be-                   über wissenschaftliche Ergebnisse zu informieren und
kämpfung der Corona-Pandemie unerlässlich sind, ist                      diese einordnen zu können. Wirtschaftliche Kompe-
das Vertrauen der Deutschen in – und das Verständ-                       tenzen definieren wir als Wissen über wirtschaftliche
nis von – Wissenschaft in Bezug auf die Coronakrise                      Zusammenhänge und Verständnis von wirtschaftli-
relativ gering. Dies zeigt sich nicht nur anhand der                     chem Handeln.
Verbreitung von Verschwörungserzählungen, zum
Beispiel über die Covid-19-Schutzimpfung. Auch das                       Sollten gesellschaftliche Kompetenzen im
repräsentative Wissenschaftsbarometer 2020 zeigt,                        Bildungssystem vermittelt werden?
dass die Deutschen gegenüber Forschung zur Coro-
na-Pandemie besonders skeptisch sind (vgl. Wissen-                       Weder Art noch Umfang der Vermittlung der drei ge-
schaft im Dialog 2020).3                                                 sellschaftlichen Kompetenzbereiche im Bildungssys-
     Das Bildungssystem kann den Umgang mit sol-                         tem sind in Deutschland einheitlich geregelt. Zwar
chen gesellschaftlichen Entwicklungen wesentlich                         legen bundesländerspezifische Rahmenlehrpläne bil-
prägen und Fehlentwicklungen abmildern (vgl. Ak­                         dungspolitische Ziele für die Entwicklung bestimmter
tionsrat Bildung 2020). Durch die Vermittlung entspre-                   gesellschaftlicher Kompetenzen fest, empirische Be-
chender Kompetenzen kann das Bildungssystem einen                        funde weisen jedoch auch darauf hin, dass die unter-
Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft leisten, da
entsprechende Kompetenzen schon in jungen Jah-                           Abb. 6
ren erlernt und im weiteren Bildungsverlauf gefestigt                    In welchen Bildungseinrichtungen befürworten die Deutschen die Vermittlung
werden können. So können beispielsweise in Schulen                       grundlegender gesellschaftlicher Kompetenzen?
und anderen Bildungseinrichtungen Programme zur                          Große Mehrheiten für Vermittlung gesellschaftlicher Kompetenzen ab der Grundschule

Extremismusprävention eingeführt werden, um Ra-                               Sehr dafür        Eher dafür      Weder dafür noch dagegen                           Eher dagegen                   Sehr dagegen
dikalisierungstendenzen entgegenzuwirken, wissen-                        Demokratische Kompetenzen
schaftliche Kompetenzen gefördert werden, um die                                         Kindergärten                       33                                32                       15              12         8
Einordnung von Forschungsergebnissen zu erleich-                                              Grundschulen                      41                                      35                    11             8        5
tern, oder wirtschaftliche Zusammenhänge vermit-                                                 Gymnasien                                58                                       25                   9        42
telt werden, damit sich Jugendliche in der komplexen                     Andere weiterführende Schulen                                    57                                       27                   10       43
Wirtschaftswelt zurechtfinden und rationale Entschei-                                        Berufsschulen                            55                                          28                    10       4 3
dungen treffen.                                                           Hochschulen und Universitäten                               56                                          27                    10       43
     Aus diesem Grund hat das diesjährige ifo Bil-                       Wissenschaftliche Kompetenzen
dungsbarometer einen Schwerpunkt auf die Frage                                                 Kindergärten            20                      26                  14              23                       17
gelegt, inwieweit grundlegende gesellschaftliche                                              Grundschulen                 27                            37                       10              17             9
Kompetenzen laut der Meinung der Deutschen im                                                    Gymnasien                                57                                           29                   8     51
Bildungssystem vermittelt werden sollten. Dabei fo-                      Andere weiterführende Schulen                               52                                           34                        8     42
kussieren wir uns auf drei Bereiche gesellschaftlicher                                       Berufsschulen                           52                                       31                        10        52
Kompetenzen, die vor allem während der Corona­krise                       Hochschulen und Universitäten                                    61                                           25                   9    31
an Bedeutung gewonnen haben: demokratische, wis-                         Wirtschaftliche Kompetenzen
senschaftliche und wirtschaftliche Kompetenzen. Wir                                        Kindergärten               13             22                  16                  25                         23
                                                                                              Grundschulen             20                           35                   12                  23                  11
2
    Krause et al. (2020) finden in einer repräsentativen Umfrage, dass                           Gymnasien                            56                                           29                       8     42
38% der Befragten damit unzufrieden sind, wie die Demokratie in
Deutschland funktioniert. Laut Wehrkamp (2020) stimmen 14% der           Andere weiterführende Schulen                                54                                          32                        8     32
Deutschen der Aussage »Die Demokratie ist – alles in allem – das                             Berufsschulen                            55                                          30                    9        5 2
beste politische System« nicht zu.
3
    Das Wissenschaftsbarometer 2020 zeigt zum Beispiel, dass rund         Hochschulen und Universitäten                                   59                                           26                   8     52
40% der Deutschen denken, dass Wissenschaftler*innen uns nicht
alles sagen, was sie über das Coronavirus wissen. 29% denken, dass                                             0                     25                       50                        75                            100 %
die Corona-Pandemie zu einer größeren Sache gemacht wird, als sie        Fragen (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
ist, und 15% sind sogar der Meinung, dass es keine eindeutigen Be-       Sind Sie dafür oder dagegen, dass in den folgenden Bildungseinrichtungen demokratische Kompetenzen (z.B.
weise für die Existenz des Coronavirus gibt. Anhand von historischen     Akzeptanz von demokratischen Entscheidungen, Toleranz gegenüber anderen Meinungen oder Wissen über
Daten zeigen Eichengreen et al. (2021), dass Personen, die in beson-     demokratische Institutionen und Grundprinzipien) [wissenschaftliche Kompetenzen (die Fähigkeit, sich über
ders beinflussbaren Entwicklungsphasen ihres Lebens einer Epide-         wissenschaftliche Ergebnisse informieren und diese einordnen zu können) / wirtschaftliche Kompetenzen (z.B. das
mie ausgesetzt waren, Wissenschaftler*innen weniger Vertrauen ent-       Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und wirtschaftliches Handeln)] vermittelt werden?
gegenbringen. Dies gilt besonders für Personen mit geringer
wissenschaftlicher Vorbildung.                                           Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                                                © ifo Institut

                                                                                       ifo Schnelldienst   9 / 2021    74. Jahrgang        15. September 2021                 33
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                  schiedlichen Themenkomplexe teilweise nur vereinzelt                                           sogar 84–87% an Gymnasien, anderen weiterführen-
                                  behandelt werden. Beispielsweise geben im Rahmen                                               den Schulen, Berufsschulen sowie Hochschulen und
                                  der internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung                                               Universitäten.
                                  (IGLU) 2016 nur 11% der befragten Grundschulleitun-                                                  Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für wirtschaft-
                                  gen in Deutschland an, dass »Demokratie, eine Welt«                                            liche Kompetenzen (z.B. Wissen über wirtschaftliche
                                  ein Schwerpunkt ihres Schulprofiles ist, und nur 8%                                            Zusammenhänge und wirtschaftliches Handeln). Wäh-
                                  sagen, dass »Forschung« ein Schwerpunktthema ist                                               rend nur eine Minderheit von 36% sehr oder eher für
                                  (vgl. Aktionsrat Bildung 2020).                                                                die Vermittlung dieser Kompetenzen in Kindergärten
                                       Vor diesem Hintergrund haben wir zunächst ganz                                            ist, sind es an Grundschulen bereits 55% und 84–86%
                                  allgemein erfragt, ob demokratische, wissenschaftli-                                           an den weiterführenden Bildungseinrichtungen.4
                                  che und wirtschaftliche Kompetenzen in verschiede-                                                   Zur Einordnung des Themas ist es auch von Inter-
                                  nen Bildungseinrichtungen vermittelt werden sollten.                                           esse, welchen Stellenwert die Deutschen gesellschaft-
                                  Große Mehrheiten von 64–84% sprechen sich sehr                                                 lichen Kompetenzen im Vergleich zu den Kernkom-
                                  oder eher für die Vermittlung von demokratischen                                               petenzen Lesen, Schreiben und Rechnen einräumen.
                                  Kompetenzen (z.B. die Akzeptanz von Mehrheitsent-                                              Dazu haben wir erfragt, wie wichtig es nach Meinung
                                  scheidungen, Toleranz gegenüber anderen Meinun-                                                der Deutschen für die Zukunft der Gesellschaft ist,
                                  gen oder Wissen über demokratische Institutionen)                                              dass den Schüler*innen verschiedene Kompetenzen
                                  in Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien, anderen                                              vermittelt werden. Alle abgefragten Kompetenzen wer-
                                  weiterführenden Schulen, Berufsschulen und Hoch-                                               den jeweils von einer überwältigenden Mehrheit der
                                  schulen aus (vgl. Abb. 6).                                                                     deutschen Bevölkerung als »sehr« oder »eher« wichtig
                                       Auch die Vermittlung von wissenschaftlichen                                               eingeschätzt (vgl. Abb. 7). Die drei gesellschaftlichen
                                  Kompetenzen (z.B. die Fähigkeit, sich über wissen-                                             Kompetenzbereiche werden von jeweils mindestens
                                  schaftliche Ergebnisse informieren und diese einord-                                           84% der Bevölkerung als (sehr oder eher) wichtig ein-
                                  nen zu können) wird ab der Grundschule mehrheitlich                                            geschätzt. Am wichtigsten sind den Deutschen Lese-
                                  befürwortet. Während die Meinung zur Vermittlung                                               und Schreibkompetenzen: 77% halten diese sogar für
                                  dieser Kompetenzen in Kindergärten noch relativ ge-                                            »sehr« wichtig. Mathematische Kompetenzen sowie
                                  spalten ist (46% dafür, 40% dagegen), ist eine ein-                                            Digital- und Medienkompetenzen finden 50% bzw.
                                  deutige Mehrheit von 63% für die Vermittlung wis-                                              52% der Befragten sehr wichtig. Fast die Hälfte (48%)
                                  senschaftlicher Kompetenzen an Grundschulen und                                                hält demokratische Kompetenzen für sehr wichtig, bei
                                                                                                                                 wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kompeten-
Abb. 7                                                                                                                           zen sind es immerhin 37% bzw. 38%. Während den
Welche Kompetenzen sind für die Zukunft der Gesellschaft wichtig?                                                                Deutschen also die Vermittlung von Kernkompetenzen
Deutsche messen gesellschaftlichen Kompetenzen große Bedeutung bei                                                               am wichtigsten ist, wird auch den gesellschaftlichen
     Sehr wichtig                           Eher wichtig                          Weder noch
                                                                                                                                 Kompetenzen ein hoher Stellenwert beigemessen.
     Eher nicht wichtig                     Gar nicht wichtig                                                                          Im Einklang damit messen die Deutschen wissen-
                                                                                                                                 schaftlichen Kompetenzen auch eine hohe Praxisrele-
  Lese- und Schreibkompetenzen                                      77                                     16        3 31
   Mathematische Kompetenzen                               50                               37                  5 7 1
                                                                                                                                 vanz zu. So stimmen 81% der Befragten der Aussage
    Demokratische Kompetenzen                              48                              36               6       8 3          sehr oder eher zu, dass wissenschaftliche Kompe-
 Wissenschaftliche Kompetenzen                        37                          47                        5       9 2          tenzen dabei helfen, im Alltag gute Entscheidungen
    Wirtschaftliche Kompetenzen                       38                              48                        5    8 1         zu treffen, und 72% denken, dass sie besonders in
Digital- und Medienkompetenzen                             52                               36                  4 6 2            der Corona-Pandemie helfen, gute Entscheidungen
                                                                                                                                 zu treffen.
     Stimme sehr zu                         Stimme eher zu                        Weder noch
     Stimme eher nicht zu                   Stimme überhaupt nicht zu
                                                                                                                                 Wie sollten Schulen gesellschaftliche
Wissenschaftliche Kompetenzen helfen...                                                                                          Kompetenzen vermitteln?
...im Alltag, gute Entscheidungen zu treffen
                                                      34                         47                        11        7 1
                                                                                                                                 Wie die Vermittlung gesellschaftlicher Kompetenzen
...besonders in der Corona-Pandemie, gute Entscheidungen zu treffen
                                           32                    40                                   14        10    4
                                                                                                                                 in Schulen konkret erfolgt, unterscheidet sich nach
                                                                                                                                 Bundesland, Schulart und der betrachteten Kompe-
                                        0                  25              50                    75                   100 %
                                                                                                                                 tenz. In den meisten Bundesländern wurde seit einem
Frage 1 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach für die Zukunft der Gesellschaft, dass folgende Kompetenzen an Schüler*innen
                                                                                                                                 Beschluss der Kultusministerkonferenz im Jahr 1950
vermittelt werden?                                                                                                               4
Kategorien: Lese- und Schreibkompetenzen; Mathematische Kompetenzen; Demokratische Kompetenzen (z.B.                                Um zu vermeiden, dass die Teilnehmenden bei der Beantwortung
Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, Toleranz gegenüber anderen Meinungen oder Wissen über demokratische                       der Fragen gedanklich zwischen den drei Themengebieten Demokra-
Institutionen); Wissenschaftliche Kompetenzen (die Fähigkeit, sich über wissenschaftliche Ergebnisse informieren                 tie, Wissenschaft und Wirtschaft hin- und herspringen müssen, ha-
und diese einordnen zu können); Wirtschaftliche Kompetenzen (z.B. das Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge                  ben wir alle Fragen zum jeweiligen Themenkomplex gebündelt abge-
und wirtschaftliches Handeln); Digital- und Medienkompetenzen (z.B. Umgang mit digitalen Geräten,                                fragt. Die konkreten Fragen zur Vermittlung demokratischer,
Grundkenntnisse im Programmieren, Umgang mit sozialen Medien).                                                                   wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Kompetenzen wurden also
Frage 2 (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):                                                                       nicht direkt hintereinander abgefragt (wie grafisch dargestellt), son-
Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu wissenschaftlichen Kompetenzen (der Fähigkeit, sich über                         dern zeitlich getrennt voneinander. Dass die Zustimmungsraten zur
wissenschaftliche Ergebnisse informieren und diese einordnen zu können) zu?                                                      Vermittlung aller drei Kompetenzbereiche nahezu identisch ausfal-
                                                                                                                                 len, ist also nicht auf die Anordnung der Fragen in der Befragung
Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                             © ifo Institut   zurückzuführen.

                          34      ifo Schnelldienst    9 / 2021   74. Jahrgang   15. September 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

ein eigenständiges verpflichtendes Unterrichtsfach        Abb. 8
zur politischen Bildung eingeführt, im Rahmen dessen      Wie sollten gesellschaftliche Kompetenzen unterrichtet werden?
                                                          Knappe Mehrheiten für Vermittlung demokratischer und wissenschaftlicher Kompetenzen als
vor allem demokratische Kompetenzen gelehrt wer-          Bestandteil bestehender Fächer
den (vgl. Aktionsrat Bildung 2020). Wissenschaftliche
Kompetenzen werden hingegen vor allem fächerüber-               Als eigenständiges Unterrichtsfach                             Als fester Bestandteil bestehender Fächer
                                                                Sollte nicht unterrichtet werden
greifend in den sogenannten MINT-Fächern (Mathe-
                                                          Demokratische Kompetenzen
matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)
                                                                         Grundschulen                   23                                 58                               20
unterrichtet (vgl. Wiesbeck et al. 2019). Zur Vermitt-
                                                                                  Gymnasien                    40                                      54                             5
lung wirtschaftlicher Kompetenzen haben einige Bun-
                                                          Andere weiterführende Schulen                        39                                      55                         6
desländer (z.B. Bayern oder Baden-Württemberg) ein
                                                                              Berufsschulen                   35                                  54                             11
eigenständiges Unterrichtsfach eingeführt, während
                                                          Wissenschaftliche Kompetenzen
andere Bundesländer wirtschaftliche Inhalte als fes-
                                                                               Grundschulen              24                            48                              28
ten Bestandteil bereits bestehender Unterrichtsfächer
                                                                                  Gymnasien                        45                                       51                        4
integriert haben.
                                                          Andere weiterführende Schulen                        41                                       55                            4
     Auf die Frage, wie gesellschaftliche Kompetenzen
                                                                              Berufsschulen                    42                                      51                         7
an verschiedenen Bildungseinrichtungen unterrichtet
werden sollten, sind die Deutschen mehrheitlich dafür,    Wirtschaftliche Kompetenzen

dass demokratische und wissenschaftliche Kompeten-                             Grundschulen              24                          42                               34

zen als fester Bestandteil bestehender Fächer unter-                              Gymnasien                          51                                      45                       3

richtet werden (54–58% dafür bzw. 48–55% dafür; vgl.      Andere weiterführende Schulen                             47                                      48                        5
Abb. 8). Gespaltener ist die Meinung in Bezug auf die                         Berufsschulen                             53                                   42                   5
Vermittlung wirtschaftlicher Kompetenzen. Während                                                0                  25                    50                     75                   100 %
sich eine relative Mehrheit der Befragten (42%) für die   Fragen (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
Vermittlung wirtschaftlicher Kompetenzen im Rahmen        Wie sollten demokratische Kompetenzen (z.B. Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, Toleranz gegenüber anderen
                                                          Meinungen oder Wissen über demokratische Institutionen und Grundprinzipien) [wissenschaftliche Kompetenzen (die
bestehender Fächer an Grundschulen ausspricht, ist        Fähigkeit, sich über wissenschaftliche Ergebnisse informieren und diese einordnen zu können) / wirtschaftliche
                                                          Kompetenzen (z.B. das Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und wirtschaftliches Handeln)] Ihrer Meinung
die Meinung in Bezug auf die Vermittlung von wirt-        nach an den folgenden Bildungseinrichtungen unterrichtet werden?
schaftlichen Kompetenzen an Gymnasien, anderen
                                                          Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                               © ifo Institut
weiterführenden Schulen und Berufsschulen geteilt.
     Neben der allgemeinen Einschätzung der Deut-
schen zum Unterrichten gesellschaftlicher Kompeten-       Schließlich sprechen sich 78% dafür aus, dass alle
zen hat das ifo Bildungsbarometer 2021 auch das Mei-      Schüler*innen an deutschlandweiten Aktionstagen
nungsbild zu konkreten Zielen des Politikunterrichts      teilnehmen, die während der regulären Unterrichtszeit
erhoben. Als wichtigste Ziele des Politikunterrichts      wirtschaftliche Kompetenzen vermitteln. Bei solchen
sehen die Befragten mehrheitlich die Vermittlung          Aktionstagen können Schüler*innen beispielsweise
von Wissen über politische Systeme (62%), Toleranz        spielerisch lernen, wie unternehmerische Prozesse
gegenüber anderen Meinungen (60%) sowie Wissen            funktionieren oder wie man Investitionsentscheidun-
über demokratische Institutionen (59%; vgl. Abb. 9).      gen trifft.
Akzeptanz von demokratischen Entscheidungen, Prä-              Insgesamt zeigt sich also, dass die Deutschen
vention von Extremismus und Radikalisierung sowie         der Vermittlung demokratischer, wissenschaftlicher
Förderung von politischem Engagement werden im-
merhin von 40% bis 43% der Deutschen als wichtiges        Abb. 9

Ziel angesehen.                                           Was sind für die Deutschen die wichtigsten Ziele des Politikunterrichts?
                                                          Vermittlung von Wissen über politische Systeme und demokratische Grundprinzipien sowie Toleranz
     In Bezug auf konkrete bildungspolitische Maßnah-     gegenüber anderen Meinungen als primäre Ziele angesehen
men zur Förderung gesellschaftlicher Kompetenzen
sind breite Mehrheiten von 62% bis 82% sehr oder          Vermittlung von Wissen über politische Systeme
eher dafür, politische Medienkompetenzen als festen                                     62
Bestandteil des Unterrichts an Grundschulen, weiter-      Toleranz gegenüber anderen Meinungen
                                                                                      60
führenden Schulen und Berufsschulen zu verankern
                                                          Vermittlung von Wissen über demokratische Institutionen, Prozesse und Grundprinzipien
(vgl. Abb. 10). Für den Vorschlag, wissenschaftliche
                                                                                       59
Kompetenzen als festen Bestandteil in die Lehrpläne       Akzeptanz von demokratischen Entscheidungen
von allgemeinbildenden Schulen zu integrieren,                               43
sprechen sich 78% der Befragten aus, nur 10% sind         Prävention von Extremismus und Radikalisierung
dagegen.                                                                      41
     Auch praxisnahe Initiativen zur Vermittlung von      Förderung von politischem Engagement (z.B. Wählen gehen)
                                                                               40
gesellschaftlichen Kompetenzen finden große Zustim-
mung: 72% der Befragten sind dafür, an den Schulen          0                         25                            50                            75                                  100 %
verpflichtend regelmäßig Veranstaltungen mit Wissen-      Frage (einer zufällig ausgewählten Teilgruppe gestellt):
                                                          Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ziele des Politikunterrichts in der Schule? (Mehrfachnennung möglich).
schaftler*innen abzuhalten, um Schüler*innen wissen-
schaftliche Arbeit aus erster Hand näherzubringen.        Quelle: ifo Bildungsbarometer 2021.                                                                               © ifo Institut

                                                                        ifo Schnelldienst   9 / 2021   74. Jahrgang          15. September 2021        35
Sie können auch lesen