Billigkleidung - NäherInnen zahlen drauf - Jetzt Handeln - Südwind

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Billigkleidung - NäherInnen zahlen drauf - Jetzt Handeln - Südwind
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Billigkleidung –
NäherInnen zahlen drauf
        www.suedwind.at/handelnfuereinewelt
Billigkleidung - NäherInnen zahlen drauf - Jetzt Handeln - Südwind
Bangladesch: Mehr als 1100 Tote
             und nichts gelernt ?
                                                Miese Löhne und kein Ende                       Buildung Safety in Bangladesh“. Dieses Ab-
                                                Bangladesch ist nach China weltweit die         kommen garantiert immerhin Mindeststan-
                                                Nummer zwei in der Textilerzeugung.             dards in den Bereichen Brandschutz, Gebäu-
                                                80 Prozent des bangladeschischen Exports        desicherheit und Arbeitsrecht. Der „Accord“
                                                entfallen auf Textilien. Vier Millionen Jobs    lief zunächst über fünf Jahre und muss jetzt
                                                gibt es in der Branche, 80 Prozent davon        wieder verlängert werden. Im Jahr 2021 soll
                                                ­werden von Frauen erledigt. Warum gerade       er dann Gesetz werden. Doch die banglade-
                                                 die Zulieferbetriebe aus Bangladesch bei       schische Regierung tut derzeit so gut wie gar
                                                 den großen Konzernen so beliebt sind, er-      nichts, um das Know-how aufzubauen und
T-Shirts für drei Euro, Jeans für zehn Euro –    schließt sich schnell. Denn diese Frauen ar-   die Behörden vor Ort darauf vorzubereiten.
                                                 beiten für Hungerlöhne, Bangladesch fährt      Die Verlängerung des Abkommens wird durch
Kleidung wird heute oft zu Schleuder­preisen
                                                 im Gegensatz zu anderen Erzeugerländern        langwierige, immer wieder verschobene
angeboten. Man fragt sich: Wie kann das          bis heute eine hartnäckige Billigstrategie.    Gerichtsverhandlungen verschleppt. Ob das
gehen? Die Antwort ist einfach. Es geht nur,     Der gesetzliche monatliche Mindestlohn be-     nicht zuletzt daran liegt, dass viele Politike-
weil Millionen TextilarbeiterInnen, etwa in      trägt derzeit 84 Euro – nicht genug für eine   rInnen auch wichtige Player in der Textilwirt-
Bangladesch, unter lebensgefährlichen            menschenwürdige Existenz, denn anders          schaft sind? Eine mit mehr Rechten ausge-
Arbeitsbedingungen unsere Kleidung nähen         als die Lebenshaltungskosten stiegen die       stattete ArbeiterInnenschaft oder kostspielige
und dafür Hungerlöhne bekommen. Sie sind         Löhne kaum. Die häufigen Streiks und Pro-      Sanierungen von Fabrikgebäuden sind nicht
es, die bezahlen, manchmal mit dem Leben.­       teste für mehr Lohn werden von der Polizei     im Sinn der Machtelite.
Als im Frühjahr 2013 das illegal aufge-          ­brutal niedergeschlagen. Vor kurzem kam
                                                  bei einem Protest eine Arbeiterin ums Le-     Internationale Kontrolle tut Not
stockte Rana Plaza-Gebäude einstürzte
                                                  ben, andere wurden verletzt. Auch Gewerk­     Für die TextilarbeiterInnen ist dieses Abkom-
und tausende TextilarbeiterInnen unter sich       schafterInnen, die sich für fairen Lohn       men extrem wichtig, weil es den einzigen ver-
begrub, ging ein Ruck durch die Öffentlich-       einsetzen, werden verfolgt und inhaftiert.    bindlichen Rahmen darstellt, der derzeit auch
keit und die Textilbranche: Endlich sollte                                                      in der Praxis hält, nicht zuletzt, weil große
sich an den untragbaren Arbeitsbedingun-        Polit-Filz bremst Fortschritte                  Konzerne wie H&M, Mango und Co. ein Inte-
gen etwas ändern. Ein internationales Ab-       Zwar hatte sich nach dem Rana-Plaza-                            resse daran haben. Schließlich
kommen für mehr Arbeitssicherheit wurde         Schock in Sachen Arbeitssicherheit                                   hat ihr Ruf zuletzt massiv
beschlossen, die ArbeiterInnen und ihre         etwas bewegt. Doch jetzt droht                                           gelitten. An die 1700
                                                ein gewaltiger Rückschritt.                                             Fabriken und Zuliefer­
Rechte sollten gestärkt werden. Nur sechs
                                                Bald nach dem Unglück                                                   firmen inkludiert das
Jahre später scheint alles schon wieder
                                                einigten sich internati-                                               Abkommen bisher.
vergessen, dieses Abkommen könnte jetzt         onale Textilkonzerne,
vor dem Aus stehen. Wenn nichts unter­          Textilfabriken und Ge-
nommen wird, ist die nächste Katastrophe        werkschaften auf einen
à la Rana Plaza nur eine Frage der Zeit.        „Accord on Fire and
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INFO

                                                                                                     Wichtige Anlaufstelle:
                                                                 mit der Clean Clothes Kampa-
                                                                 gne für faire ­Produkte in dem
                                                                                                     Das Bangladesh Center
                                                                 Sektor ein. Unsere WearFair-        for Worker Solidarity
                                                                 Messe in Linz ist inzwischen
                                                                 zur größten österreichischen        Das BCWS (Bangladesh Center for Worker
                                                                 Veranstaltung zum Thema             Solidarity) wurde 2001 von drei ehemaligen
                                                                 nachhaltige und fair produ-         Textilarbeiterinnen gegründet. Die Organi-
                                                                 zierte Kleidung mit internati-      sation, seit vielen Jahren enger Partner von
                                                                 onaler Beteiligung geworden.        SÜDWIND, setzt sich für die Arbeitsrechte
                                                                 Mit der ÖKO FAIR-Messe in           der TextilarbeiterInnen ein. Das Hauptau-
                                                                 Innsbruck organisieren wir          genmerk liegt dabei auf Empowerment:
                                                                 seit 2018 die zweite große          Die ­ArbeiterInnen sollen unterstützt und
                                                                 Messe in diesem Bereich.            geschult werden, damit sie ihre Rechte
                                                                                                     durchsetzen können. Das BCWS ist in der
                                                                 Was muss noch ­passieren?           TextilarbeiterInnenschaft fest verankert und
                                                                   Obwohl sich beim Thema            hat 93.000 Mitglieder. Es genießt nicht nur
                                                                   faire Bekleidung einiges          unter den ArbeiterInnen, sondern auch in der
                                                                   bewegt hat, kommt bei den         internationalen Arbeitsrechte-Bewegung
                                                                   ArbeiterInnen in Bangla-          hohe Glaubwürdigkeit.
                                                                   desch immer noch viel zu          Das BCWS organisiert Programme, um
­ eben besseren Standards bei der Arbeits­
N                                                wenig davon an! Erst diesen März brach in der       ­ArbeiterInnen über ihre Rechte aufzuklä-
sicherheit und im Gesundheitsschutz sichert      Hauptstadt Dhaka wieder ein Feuer in einer           ren, gibt rechtliche Unterstützung bei ihrer
es auch Transparenz und regelmäßige Kon-         Textilfabrik aus, bei dem acht Menschen ver-         Durchsetzung und betreibt auf nationaler
trollen. Die Betriebe werden von unabhängi-      letzt wurden. Das zeigt wie enorm wichtig die        und internationaler Ebene Lobbyarbeit für
gen, bangladeschischen und internationalen       regelmäßigen Kontrollen der Fabriken sind.           bessere Arbeitsbedingungen in der Texti-
Sicherheits-ExpertInnen überprüft. Allein im     Was muss noch passieren, damit die Regie-            lindustrie. Die Organisation spielte auch
vergangenen Jahr wurden 700 Verstöße ge­         rung in Bangladesch ihrer Verpflichtung              eine Schlüsselrolle bei der Etablierung des
meldet. Die Kontrollen sind also mehr als not-   gerecht wird, sich zu dem bewährten Abkom-           „Accord for Building and Fire Safety“ nach
wendig. Sollte es der Regierung von Bangla-      men bekennt und es in vollem Umfang um-              der Rana-Plaza-Katastrophe und konnte
desch gelingen, das Abkommen zu kippen           setzt? Das Bangladesh Center for Worker So-          durchsetzen, dass Modelabels an die Opfer
oder weiter zu verschleppen, droht ein mas-      lidarity (siehe Kasten) hat sich angesichts der      Schadensersatz zahlen mussten.
siver Rückschritt in Sachen Gebäudesicher­-      unsicheren Lage mit der Bitte an SÜDWIND
heit und Arbeitsrechte.                          gewandt, es beim Kampf für die Durchset-
                                                 zung des Abkommens zu unterstützen. Die
Hoffnungsträger                                  wichtigsten Forderungen: Alle Fabriken
Dabei läuft die Verhinderungspolitik in          müssen ­regelmäßig kontrolliert werden, die
Bangladesch der allgemeinen Entwicklung          Ergebnisse müssen transparent sein und der
und dem Bewusstsein vieler KonsumentInnen        „Accord on Fire and Buildung Safety“ muss
zuwider: VerbraucherInnen sind informierter      ab 2021 festes Recht in Bangladesch werden.
und sensibilisierter denn je und fordern faire   Gemeinsam müssen wir jetzt schnellstens
Produkte. Die Konzerne können das nicht          Druck machen, damit die bangladeschische
ignorieren. Auch gibt es immer mehr Alter-       Regierung ihrer Verantwortung nachkommt.
nativen zu konventionell erzeugten Textilien.    Dafür brauchen wir jetzt jede Unterstützung.
SÜDWIND etwa setzt sich seit vielen Jahren       Auch Ihre in Form einer Spende!
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V.l.n.r.: Kamrul Hassan, Ines Zanella, Kalpona Akter,
                                               Christina S
                                                         ­ chröder von BCWS bzw. SÜDWIND
INTERVIEW
                                                                                                                                                                     Forderungen und Aktivitäten
                                                                                                                                                                     von SÜDWIND
                                                                                                                                                                     SÜDWIND setzt sich schon viele Jahre gemein-
                                                                                                                                                                     sam mit internationalen PartnerInnen für faire
                                                                                                                                                                     Löhne und höhere Sicherheitsstandards in der
                                                                                                                                                                     globalen Textilindustrie ein. Wir haben in vielen

  Recherche als Arbeit                                                                                                                                               Produktionsländern ArbeiterInnen besucht und
                                                                                                                                                                     mit ihnen über ihre Arbeitssituationen gespro-
                                                                                                                                                                     chen. Und wir informieren die VerbraucherInnen,
  Seit Beginn des SÜDWIND Projekts „Handeln für Eine Welt“ im Jahr 2006 ist                                                                                          aber auch die großen Handelskonzerne über die
                                                                                                                                                                     oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den
  ­Christina Schröder im Recherche-Team. Sie hat Arbeitsrechtsverletzungen in der
                                                                                                                                                                     Herstellerländern, um ein Bewusstsein zu schaf-
   Herstellung von Alltagsprodukten wie Schokolade, Bananen, Handys, Blumen,                                                                                         fen und alle Seiten, KonsumentInnen wie Produ-
   Schuhen und Textilien in Afrika, Lateinamerika und Asien aufgedeckt.                                                                                              zentInnen, an ihre Verantwortung zu erinnern.
                                                                                                                                                                     Seit 2002 koordinieren wir die Clean Clothes
  Wie lebst du mit deinem Wissen, inmit-                                       Kaufst du selbst auch Dinge, die nicht fair                                           Kampagne und ebnen den Weg für fair produ-
  ten von Konsumgegenständen, deren Ge-                                        sind? Welche Konsumgewohnheit würdest                                                 zierte Textilien. Es hat sich viel bewegt – aber
  schichte du persönlich recherchiert hast?                                    du bei dir selbst gerne ändern? Ja, ich                                               immer noch zu wenig! Denn es passieren immer
  Anfangs hat mich das fertiggemacht, ich                                      konsumiere sicher auch Dinge, die nicht                                               noch Unfälle und Ausbeutung in den Textilfa-
  hatte bei immer mehr Produkten die Bilder                                    fair produziert wurden, aber ich versuche                                             briken in Billiglohnländern. Gerade die aktuellen
  der ausgebeuteten Menschen und ihre Ge-                                      das auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn                                               Rückschritte in Bangladesch zeigen, dass wir
  schichten im Kopf, die ich bei den Recher-                                   es keine Alternativen gibt, versuche ich                                              jetzt am Thema dran bleiben müssen!
  chen kennengelernt hatte. Später lernte ich                                  die Dinge gebraucht zu bekommen, elek-
  aber aus diesen schockierenden Erlebnis-                                     tronische Artikel, zum Beispiel. Aber klar,                                           Was SÜDWIND tut:
  sen, die Kraft zu nehmen weiterzumachen                                      manchmal findet man etwas, das man wirk-                                                  Verstärkte Information der KonsumentInnen
  und fand für mich einen Mix aus Verzicht,                                    lich will, sei es ein besonderes Kleidungs-                                               und Medien mit Pressearbeit und Aktionen
  bedachten Konsum, Tauschen, Reparieren                                       stück oder so. Wenn ich einen schwachen
                                                                                                                                                                         Andauernde Lobbyarbeit für faire Arbeits­
  und sozialem Engagement und dem Wert-                                        Moment habe, dann versuche ich das Teil
                                                                                                                                                                         bedingungen bei den Unternehmen sowie den
  schätzen, dass ich in einem Umfeld lebe,                                     bewusst umso mehr zu schätzen, denn et-
                                                                                                                                                                         politisch Verantwortlichen
  in dem ich die Wahl hab dies zu tun.                                         was wegen schlechtem Gewissen dann gar
                                                                               nicht zu nutzen oder nur mit Bauchweh,                                                    Networking und Zusammenarbeit mit den
  Wie sehr sprichst du diese Themen in                                         bringt niemanden was.                                                                     Partner-Organisationen vor Ort und damit
  ­deinem Freundes- und Bekanntenkreis                                                                                                                                   ­deren internationale Stärkung
   an? Ich denke, jede und jeder soll für sich                                 Du hast bei deinen Einsätzen für Handeln­                                                 Alternativen für KonsumentInnen und Pro­
   entscheiden, wie sie oder er öko-fair leben                                 für Eine Welt viel gesehen und erlebt.                                                    du­zentInnen schaffen und aufzeigen (siehe
   will oder kann, weil jede und jeder andere                                  Was würdest du sofort ändern, wenn es                                                     cleanclothes.at, wearfair.at und oeko-fair.at)
   Bedürfnisse und Prioritäten im Leben hat.                                   in d
                                                                                  ­ einer Macht stünde? Verbindliche
   Ich sorge durch meinen Beruf für Informa-                                   Regeln für transnationale Konzerne zum                                                Bitte unterstützen Sie die Arbeit von
   tion. Privat teile ich gerne meine­Erlebnisse                               Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter so-                                             ­SÜDWIND mit Ihrer Spende! Die ArbeiterInnen
   und Erfahrungen, wenn wer fragt, aber                                       wie existenzsichernde, menschenwürdige                                                 in Bangladesch brauchen uns.
   ich halte nichts von mis­sionarischem Eifer.                                ­Löhne weltweit einführen.

  SPENDENKONTO: HYPO OÖ · IBAN: AT63 5400 0000 0037 1039 · BIC: OBLAAT2L                                                                                                                              Danke
  Impressum: SÜDWIND 3 / 2019, Österreichische Post AG / Sponsoringpost SP 02Z034528N, Verlagspostamt 1080 Wien. Medieninhaber, Eigentümer und Verleger: Südwind – Verein für entwick-       gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“
  lungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Laudong. 40, 1080 Wien. www.suedwind.at/handelnfuereinewelt. handelnfuereinewelt@suedwind.at. Fotos: Michaela Königshofer/Christina   des Österreichischen Umweltzeichens
  Schröder (Südwind), Thomas Seifert, Shutterstock.com/Robbi. Wir hatten mit allen abgebildeten Menschen persönlichen Kontakt (im Sinne des Code of Conduct für den Umgang mit Bildern).     Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
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