Biodiversität wie bitte? - Naturparke
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Biodiversität … wie bitte? Biodiversität in den Trost und Rat für die Biodiversitätspraxis Österreichischen Naturparken Wolfgang Mair Präsident des Verbandes der Naturparke Österreichs Ein Ratgeber für die Praxis integrativ und partnerschaftlich. Das Die Österreichischen Naturparke reprä- bietet effektive Grundvoraussetzungen sentieren charakteristische Natur- und für eine erfolgreiche Umsetzung der Bio- Kulturlandschaften und haben den ge- diversitäts-Strategie Österreich 2020+. sellschaftlichen Auftrag, diese Land- Die Biodiversitätsstrategie der Natur- schaften durch nachhaltige Nutzung in parke baut auf dieser Strategie auf und ihrer Vielfalt zu sichern. Das tun viele beinhaltet Maßnahmen in den folgenden LandbewirtschafterInnen und andere Themenfeldern: Naturpark-AkteurInnen aber nicht nur • Naturpark-Schulen und -Kindergärten aus Pflichtbewusstsein, sondern weil es • Naturpark-Spezialitäten ihnen ein persönliches Anliegen ist und • Schwerpunktthemen: Streuobst, sie erkannt haben, wie viel Lebensquali- Hecken, Almen, Wasserlebensräume u.a. tät mit der Erhaltung unseres natürlichen • Kommunikation und kultivierten Erbes verbunden ist. • Freiwilligenarbeit Doch was bedeutet das konkret: Wie pro- • Spezialthemen: Beschäftigungs- fitieren wir von der biologischen Vielfalt, projekte, Naturführungen, Naturpark- warum ist sie für uns so wichtig? Was Partnerbetriebe genau umfasst dieser Begriff „Biodiver- © Herfried Marek sität“– und ist es wirklich so schlimm, Mit zahlreichen Projekten und Maßnah- wenn die eine oder andere Art fehlt? men tragen die Naturparke dazu bei, Diesen Fragen stellen wir uns in die- die Vielfalt der Arten, Lebensräume und sem Ratgeber, der Begrifflichkeiten ver- Kulturlandschaften zu erhalten und zu deutlichen und für die Naturpark-Praxis fördern. Impressum nutzbar machen will. Praxis bedeutet für die Naturparke auch, Wir laden Sie ein, mit uns gemeinsam Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: Texte: Klaus Wanninger, Karin Schroll eine gestaltende und damit zukunfts- weiter an diesem großen Ziel zu arbeiten, Verband der Naturparke Österreichs Fotos Cover und Rückseite: Robert Herbst, 8010 Graz, Alberstraße 10 Franz Kovacs, Herfried Marek, Ewald Neffe weisende Rolle für den Schutz und Er- damit die Naturparke das bleiben, was sie Tel.: +43 (0) 316/31 88 48-99 Grafische Gestaltung: diewerbetrommel.at halt der Biodiversität – und damit der sind: Landschaften voller Leben! office@naturparke.at, www.naturparke.at Bewahrung unserer Lebensgrundlage – Idee und Konzept: Büro LACON, Technisches Erscheinung: Oktober 2016 einzunehmen. Naturparke arbeiten eng Büro für Landschaftsplanung – Consulting mit den verschiedenen AkteurInnen vor www.lacon.at, Klaus Wanninger und Karin Schroll Ort zusammen und funktionieren damit 2 Impressum Vorwort 3
Zur Idee von Inhalt Biodiversität … wie bitte? Biodiversität … wie bitte? Wie man zur Biodiversität sonst noch sagen kann................................................ 7 Richtig gute Strategien Welche Strategien zur Erhaltung der biologischen Vielfalt besonders wichtig sind............................................................................................. 9 Klaus Wanninger Karin Schroll Ganz großes Netzwerk Die AutorInnen Was die Naturparke alles für die biologische Vielfalt tun.................................. 11 Vielfalt bekommt einen Wert Warum die biologische Vielfalt eine Lebensversicherung ist............................ 13 Die Biodiversität ist in aller Munde und das ist gut so. Mittendrin statt nur dabei Blöd nur, dass noch immer viele „Biodiversität … wie bitte?“ Was wir zur biologischen Vielfalt beitragen und warum sie fragen, die Antworten darauf nur so kunterbunt durcheinan- rasant verschwindet............................................................................................... 15 der purzeln und ab und an auch ein wenig daneben sind. Eine Art weniger, na und? Warum mehr Vielfalt besser ist............................................................................. 17 Für manche ZuhörerInnen ist der Be- noch nicht ausreichend beschrieben sind. Das braucht das und kann nicht ohne das griff noch dazu schon ein richtiges Je mehr dazu von Ihnen, liebe Leser- Was die Vielfalt mit Ökosystemen zu tun hat...................................................... 19 Reizwort geworden und führt zu einem Innen, zurückkommt, desto vielfältiger Wie man sich das vorstellen kann......................................................................... 21 Aufstellen der Nackenhaare. Da ist und praxisnäher kann der Begriff Bio- Trost und guter Rat teuer. Wie man zur diversität in Zukunft für die praktische Biodiversität sonst noch guten Gewis- Naturschutzarbeit in den Österreichi- Unheimlich viel Verwandtschaft sens sagen kann, was die biologische schen Naturparken besetzt und umge- Was die Vielfalt mit Familien zu tun hat.............................................................. 23 Vielfalt eigentlich umfasst oder wie die setzt werden. Wie man sich das vorstellen kann......................................................................... 25 Naturparke zum Erhalt unserer pflanz- lichen und tierischen Vielfalt beitragen, Viel Freude bei der Lektüre wünschen Ganz gleich und ganz verschieden können Sie in dieser ersten Auflage der Klaus Wanninger und Karin Schroll Was die Vielfalt mit den Genen zu tun hat........................................................... 27 Broschüre nachlesen. Wie man sich das vorstellen kann......................................................................... 29 Wir möchten die AkteurInnen der Na- Ich will mehr! turparke und alle anderen LeserInnen Links und Literaturtipps zur Biodiversität........................................................... 31 ermuntern, dem Verband der Naturparke Österreichs an office@naturparke.at zu schreiben, was bei den Texten freut, und auch, welche Aspekte zur Biodiversität 4 Zur Idee Inhalt 5
Wie man zur Biodiversität sonst noch sagen kann Der vielleicht etwas sperrige Begriff „Biodiversität“ meint eigentlich die Vielfalt aller Lebewesen, ihre Beziehungen zueinander und zu ihren Lebensräumen. Zum besseren Verständnis und für den alltäglichen Gebrauch eignen sich die Ersatzbegriffe „biologische Vielfalt“ oder auch „Vielfalt des Lebens“. Die können Sie getrost genauso gut verwenden! Zur biologischen Vielfalt gehört jede unsere lebendige Vielfalt im Kern mit- Form von Leben. Also Tiere inkl. Men- bestimmen. Nimmt man schließlich an schen, Pflanzen, Bakterien, Pilze, Algen einer Naturparkführung teil, eröffnet wie auch alle anderen winzigen einzel- sich die landschaftliche Dimension von ligen Lebewesen. Das am häufigsten biologischer Diversität, wie z.B. kunter- verwendete Synonym für Biodiversität bunte Wiesen und Weiden, deren Pflan- ist die Artenvielfalt, also die Anzahl zen von Insekten bestäubt und schließ- an verschiedenen Arten, die es je nach lich von stattlichen Wiederkäuern oder Bezugsraum in einer Landschaft oder dem Mähmesser eingekürzt werden, aber auch auf der ganzen Welt gibt. Das was für den Weiterbestand der krauti- © Robert Herbst, Herfried Marek, Ewald Neffe, Franz Kovacs ist aber nur eine Ebene von biologi- gen Wiesenvegetation unverzichtbar ist. scher Vielfalt. So muhen, gackern oder grunzen auf so manchen Bauernhöfen Auch diese Vielfalt an ökologischen mit Rindern, Hühnern oder Schweinen Zusammenhängen zwischen Organis- nicht nur unterschiedliche Arten, son- men und ihren Lebensräumen meinen dern sogar verschiedene tierische Fami- wir, wenn wir an die Beantwortung der lien. Auch um diese Vielfalt an verschie- Frage „Biodiversität … wie bitte?“ denken. denen kultivierten und wilden Familien Ausgedeutscht geht es. Schaut man schließlich den In- dividuen einer Tierart oder Exemplaren einer Pflanzenart auf Pfoten oder Blät- Biodiversität Bei einer Reise durch die Österreichischen Naturparke bekommt ter, erkennt man wunderschöne Unter- man fast die gesamte biologische Vielfalt des Landes zu sehen. schiede. Bei Apfelbäumen etwa, die alle Biodiversität setzt sich aus dem zur selben Baumart gehören, können griechischen Wort „bios“ für „das Biodiversität Formen und Geschmäcker sehr varia- Leben“ sowie dem lateinischen bel ausfallen. Hier bewegen wir uns auf Wort „diversitas“ für „Vielfalt bzw. der mannigfaltigen Ebene unterschied- Vielfältigkeit“ zusammen. Eigentlich gar nicht so kompliziert. … wie bitte? licher genetischer Ausprägungen, den kleinsten Bauplänen des Lebens, die 6 Biodiversität … wie bitte? 7
Handlungsfelder Ziele Welche Strategien zur Biodiversität Wert der Biodiversitäts- Erhaltung der biologischen kennen und Biodiversität ist Forschung, Biodiversitäts- Vielfalt besonders wichtig sind anerkennen anerkannt Monitoring Den Rahmen für die Erhaltung unseres europäischen Naturerbes spannt die EU-Biodiversitätsstrategie auf. Diese Biodiversität Land- und Wildtiere Tourismus nachhaltig Forstwirt- und und wird durch die „Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+“ nutzen schaft Fischbestand Freizeit präzisiert und schließlich auch mit entscheidender Hilfe der Naturparke umgesetzt. Biodiversitäts- invasive, Biodiversitäts- Intention der von der Europäischen Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+ Energie- Schadstoff- Kommission am 3. Mai 2011 vorgelegten soll den Verlust an Arten, genetischer Belastungen gebietsfremde gefährdende versorgung einträge EU-Biodiversitätsstrategie ist es, den Vielfalt und Lebensräumen wirksam ein- reduzieren Arten Subventionen Zustand der biologischen Vielfalt in Eu- bremsen. In der österreichischen Stra- ropa innerhalb der nächsten zehn Jahre tegie sind dazu fünf Handlungsfelder zu verbessern. Das ist eine gute Strate- mit zwölf Zielen formuliert, die bis 2020 gie, in der sechs Hauptziele für den Bio- erfüllt werden sollen. Zentrale Prinzi- Biodiversität diversitätsschutz und umfassende Maß- pien darin sind die Integration des Bio- Arten erhalten Raum- nahmen definiert wurden. Das erste Ziel diversitätsschutzes in alle relevanten und und ordnung sieht die vollständige Umsetzung des Politikbereiche sowie eine koordinierte Lebensräume entwickeln EU-Naturschutzrechtes vor. Zusätzlich Vorgangsweise. Sie zielt insbesondere soll ein besserer Schutz und Wiederher- darauf ab, die vielen, mit der Land- stellung von Ökosystemen und Ökosys- wirtschaft verbundenen traditionellen temleistungen sowie ein verstärkter Ein- Wirtschaftsweisen in Österreich zu er- Biodiversität Beitrag satz von grünen Infrastrukturen und halten. So soll z.B. der Gesamtbestand weltweit zur globalen eine nachhaltigere Land- und Forst- der seltenen Nutztierrassen in Öster- sichern Verbesserung wirtschaft umgesetzt werden. Schließ- reich erhalten bzw. erhöht werden. Für lich ist geplant, eine nachhaltigere Be- ein österreichweit koordiniertes Vor- wirtschaftung der EU-Fischbestände, gehen in den Naturparken haben die eine strengere Überwachung invasiver, Verantwortlichen darauf aufbauend die gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten Biodiversitätsstrategie für Naturparke Die fünf Handlungsfelder und 12 Ziele der „Biodiversitäts-Strategie sowie eine Erhöhung des Beitrages der entwickelt sowie die Themenfelder und Österreich 2020+“ (vereinfachte Darstellung). Zu den in weiß hervor- EU zur Vermeidung des globalen Verlus- Maßnahmen für die kommenden Jahre gehobenen Zielen leisten die Naturparke wichtige Umsetzungsbeiträ- tes an biologischer Vielfalt zu erreichen. abgestimmt. Damit reihen sich die Akti- Richtig ge, wobei der Schwerpunkt der Maßnahmen in allen Bundesländern bei den vier Zielen liegt, die rot umrandet sind. vitäten der Österreichischen Naturparke Als Vertragspartei des Übereinkom- nahtlos in die Umsetzung der österrei- mens hat Österreich darauf aufbauend chischen und europäischen Biodiver- sitätsstrategie ein und leisten wichtige gute Strategien im Dezember 2014 eine nationale Stra- tegie zur Umsetzung festgelegt. Diese Beiträge zum Erhalt unseres Naturerbes. 8 Richtig gute Strategien 9
Was die Naturparke alles für die biologische Vielfalt tun In den Österreichischen Naturparken engagieren sich viele kleine und große, junge und alte Menschen mit ganzer Tatkraft dafür, dass wir alle in den Genuss dieses wunder- baren gemischten Satzes österreichischer Landschaftsvielfalt kommen dürfen. Die Naturparke und ihre AkteurInnen tung und Vermittlung von Naturschutz- bilden ein gewaltiges, generationenüber- anliegen zu anderen gesellschaftlichen greifendes Naturschutznetzwerk und Lebensbereichen ausgerichtet. Und ge- nehmen damit eine gestaltende und zu- nau das macht die Naturparke auch zu kunftsweisende Rolle für den Schutz und etwas ganz Besonderem und qualifiziert Erhalt der Biodiversität ein. Die Basis des sie als wichtigen Partner für die Um- 48 Naturparke großen Netzwerkes bil- setzung der österreichischen Biodiversi- den ca. 480.000 BürgerInnen in über 200 tätsstrategie. Naturpark-Gemeinden, in denen mehr als 400 im Naturparkmanagement und Die Naturparke leisten dabei mit zahl- in der Naturvermittlung tätige Personen, reichen Projekten angewandte For- über 6.000 Kinder und Jugendliche in schungsarbeit und setzen gemeinsam Naturpark-Schulen und -Kindergärten mit LandnutzerInnen und Freiwilligen und viele weitere Partner wie Land- und Pflegemaßnahmen um. Sie tragen mit ForstwirtInnen, Beherbergungsbetriebe den Naturpark-Spezialitäten zum Erhalt und Tourismusanbieter wirken und wer- der traditionellen Kulturlandschaft und ken. Insgesamt sind in den 48 Naturpar- damit der Biodiversität bei. Darüber ken über 10.000 Personen an der Verwirk- hinaus kümmern sie sich um die Ein- © Hermann Sonntag lichung der Naturparkidee beteiligt. dämmung von invasiven, gebietsfrem- den Pflanzen und Tieren, betreiben Mit den mehr als 360 Naturvermittler- Arten- und Lebensraumschutz, schaffen Innen, die jährlich rund 80.000 Teilneh- Arbeitsplätze und gewährleisten in ge- merInnen im Zuge von Naturerlebnis- meinsamen Projekten mit dem Touris- Sehr viele Menschen setzen sich für die Erhaltung von Natur- und angeboten persönlich begleiten, verfügt mus, dass Naturschutz und Erholungs- Kulturlandschaften ein und haben Freude daran, ihr Wissen mit das Naturparknetzwerk österreichweit nutzung auch Hand in Hand gehen anderen zu teilen. Mit vollem Einsatz für die Natur engagieren auch über die größte Gruppe an Na- können. Nicht zuletzt vermitteln die Ganz sich z.B. im Naturpark Karwendel jährlich bis zu 200 Freiwillige. turschutz-AkteurInnen, die Inhalte der Naturparke sowohl der Bevölkerung Biodiversität face to face vermitteln. als auch Gästen den Wert der Biodiver- Schließlich sind die Naturparke mit sität und legen dabei insbesondere mit Naturpark-Schulen und -Kindergärten großes Netzwerk ihrer Ausrichtung, im Gegensatz zu an- deren Schutzkategorien, dezidiert mit einen wichtigen Grundstein für eine dem Auftrag der Verbindung, Einflech- Zukunft voller Leben. 10 Ganz großes Netzwerk 11
Warum die biologische Vielfalt eine Lebensversicherung ist Alle reden von Biodiversität und dass sie so wichtig und wertvoll ist. Dabei kennt die biologische Vielfalt von sich aus eigentlich gar keinen Wert. Die biologische Vielfalt IST einfach und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. subsummiert von Haus aus lediglich, Sie erhöht die Chancen dafür, dass wir wie mannigfaltig ein Lebensraum mit und unsere Kindeskindeskindeskinder Arten, Familien, Genen ausgestattet ist körperlich und geistig gesund bleiben und welche Funktionsbeziehungen zwi- oder werden, qualitativ hochwertige Le- schen Lebewesen und Lebensräumen bensmittel genießen können und glück- bestehen. Manchmal mehr, manchmal lich aufwachsen dürfen. Dafür sorgen weniger, manchmal bunt, manchmal natürlich auch unsere Naturparke. Sie fad. Einen zugeordneten Wert bekommt bedecken mit rund 480.000 ha, von die Biodiversität erst von uns Menschen. denen fast die Hälfte in Europaschutz- Das ist beim gesamten Naturschutz so. gebieten nach der Flora-Fauna-Habitat- Das Ziel der Erhaltung aller Erschei- richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie nungsformen der Natur ist UNS Men- liegen, etwa 6 % der Fläche Österreichs. schen wichtig. Wir Menschen wollen und brauchen fruchtbaren Boden, dass Vor allem aber repräsentieren die Natur- jemand unsere Nutzpflanzen bestäubt, parke als Landschaften voller Leben Landschaften zur Erholung, Lebensmit- einen feinen gemischten Satz der biolo- tel, Holz und andere Rohstoffe, sauberes gischen Vielfalt unserer wunderschönen Trinkwasser, Arzneimittel, verschiedene Heimat. Hier finden sich sowohl bein- Obstsorten und Tierrassen. Das alles druckende Naturlandschaften als auch hat mit biologischer Vielfalt zu tun und kleinstrukturierte Kulturlandschaften, durch den vielfältigen Nutzen bekommt die oftmals durch die Nutzung durch sie einen breiten gesellschaftlichen den Menschen entstanden sind, der © Ewald Neffe Wert. Und was für einen! Ohne die über Jahrhunderte hinweg seinen Bewahrung der Vielfalt an Pflanzen, Lebensraum gestaltet hat. Die durch Tieren und Ökosystemen würden die Menschenhand kultivierte Lebenswelt Im Naturpark Jauerling-Wachau pflegen Freiwillige Jahr für Jahr Überlebenschancen vom Homo sapiens der Naturparke ist damit eine profita- wertvolle Trockenrasenflächen und tragen so zum Erhalt dieser drastisch sinken. ble Lebensversicherung für uns und artenreichen traditionellen Kulturlandschaft bei. unsere Nachkommen. Und da man sie Vielfalt Wie viel Vielfalt reicht, kann man lan- Jahr um Jahr genießen, angreifen, er- ge diskutieren. Klar ist jedenfalls, dass schmecken oder erschnuppern kann, ist eine möglichst große Vielfalt einfach sie auch eine der wenigen Versicherun- gen, die regelmäßig auszahlt. bekommt einen Wert mehr Möglichkeiten für die Zukunft bedeutet und uns besser dabei hilft, 12 Vielfalt bekommt einen Wert 13
Was wir zur biologischen Vielfalt beitragen und warum sie rasant verschwindet Eine Plus-Minus Statistik zur biologischen Vielfalt der letzten Jahrzehnte sieht nicht rosig aus. Aber wie sagt schon ein schönes Fußballersprichwort: „Aufgeben tun wir einen Brief“. Durch das konsequente Züchten von Die Hauptgründe für den Verlust an Pflanzensorten oder Tierrassen und die biologischer Vielfalt sind die Verände- Nutzung unserer Landschaften haben rung von Lebensräumen, der Klima- unsere Vorfahren eine bunte, summende wandel, Nutzungsänderungen und -auf- Vielfalt mit tausenden Tier- und Pflan- gabe, eingeschleppte und gebietsfremde zenarten in hunderten Lebensraum- Arten, die Übernutzung und Umweltver- und Biotoptypen geschaffen. Mehr als schmutzung. Dass es auch anders geht, die Hälfte der Lebensraumtypen hätte zeigen wieder einmal unsere Naturparke. es ohne unser Zutun in dieser Ausprä- gung und Verteilung nie geben. Was wir Sie haben den gesellschaftlichen Auf- damit aber seit den letzten hundert Jah- trag, den Naturraum durch nachhaltige ren aufführen, geht auf keine Kuhhaut. Nutzung in seiner Vielfalt zu sichern und Alleine im Alpenraum sind von den die traditionellen Kulturlandschaften zu überlebenden 136 heimischen Nutztier- erhalten, wie z.B. der Naturpark Weis- rassen 110 Rassen gefährdet. Weltweit sensee mit dem Kulturlandschaftspro- sind laut FAO in den letzten hundert gramm erfolgreich vormacht. Die Land- Jahren drei Viertel der landwirtschaft- bewirtschafterInnen und all die anderen lichen Vielfalt verloren gegangen. 75 % AkteurInnen in den Österreichischen der Kulturpflanzenarten sind schlicht Naturparken erhalten mit ihrer tägli- © Naturpark Zillertaler Alpen und einfach verschwunden. Unglaub- chen Arbeit dieses vielfältige biologische lich. Bei den wildlebenden Organismen Erbe, das unsere Vorfahren über einen schaut die Sache noch einmal trister langen Zeitraum mitgeschaffen haben. aus. Nach Bruno Baur wird geschätzt, dass im 21. Jahrhundert zwischen Tipp Wir sind nicht nur Teil der biologischen Vielfalt. Mit der Nutzung 10.000 und 25.000 Arten jährlich aus- und Bewirtschaftung von Landschaften greifen wir sehr aktiv in sterben. Das sind etwa 1 bis 3 Arten pro „Seltene Nutztiere der Alpen – die biologische Vielfalt ein. Stunde. In der Geschichte gab es auch 7000 Jahre geprägte Kulturland- Mittendrin immer wieder Zeiträume, in denen viele schaft“ von Günter Jaritz. Das Arten ausgestorben sind. Das derzeitige Standardwerk zu heimischen Massenaussterben läuft allerdings min- Nutztierrassen, wie dem Alpinen Steinschaf im Naturpark Weißbach. statt nur dabei destens 1000 Mal schneller als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. 14 Mittendrin statt nur dabei 15
Warum mehr Vielfalt besser ist Dass es Sinn macht, den majestätischen Sibirischen Tiger und die trolligen Eisbären zu erhalten oder Kultur- und Glatthafer als menschliche und tierische Nahrung zu bewahren, leuchtet den meisten ein. Nur zawos, bitte, braucht es die blutsaugenden Gelsen? Sie können sicher auf die Schnelle dut- abendlichen Grillen, ok. Weniger Gel- zende Tier- und Pflanzenarten aufzäh- senstiche, noch besser. Aber überhaupt len, bei denen nahezu alle Mitmenschen keine Gelsen mehr wäre womöglich ein einhellig den Sinn erkennen, diese Le- unwiederbringlicher Fauxpas an der bewesen zu erhalten. Das leuchtet umso Natur und ein glatter Schnitt ins eigene mehr ein, je stärker es um Plüschtieras- Menschenfleisch. Ob wir nun Natur- soziationen, Ernährung, Erholung oder schützerIn, PharmakologIn oder tech- ums Geschäfte machen geht. nische EntwicklerIn sind. Das Beispiel lässt sich auf so gut wie alle Arten über- Dass es jedoch ein Drama wäre, wenn wir tragen. Bei so vielen „vielleichts“ sollten z.B. unsere heimischen Stechmücken wir jedenfalls mehr als vorsichtig sein nicht mehr unter uns hätten, teilen wahr- und alles tun, um nur ja keine weitere scheinlich die Wenigsten. Und trotzdem Art zu verlieren, Haus- und Augelsen in- sind die Gelsen unverzichtbar. Sie ste- klusive. Denn weg ist weg. Letztendlich hen zwar weder im Anhang II der Richt- – und das ist für immer mehr Menschen linien für Natura 2000-Gebiete noch in überhaupt das Wichtigste – sind auch irgendwelchen Roten Listen. Trotzdem die Gelsen Teil unserer geistigen sind die hunderten Tonnen Haus- und Lebensgrundlage. Je mehr landschafts- Augelsen für Fische, Vögel oder Fleder- typische Arten wir nämlich haben, desto mäuse unerlässliche Nahrungsgrund- mehr Geschichten lassen sich erzählen, lage und erfüllen wichtige ökologische desto vielfältigere Erlebnisse und kleine Aufgaben. Was wirklich passieren wür- Abenteuer lassen sich erleben und desto de, wenn die nahezu 40 heimischen Gel- bunter bleiben und werden unsere Land- senarten nicht mehr unter uns weilen schaften voller Leben. © Pixabay würden, weiß kein Mensch. Nicht nur, dass viele heiß-geliebte Tierarten ihre Tipp Vielleicht bleibt das Haus stehen, wenn wir eine Karte wegnehmen. Vielleicht hat Nahrungsbasis verlieren, wir würden Die Broschüre „Österreichische diese eine Karte aber eine tragende Rolle. Fix ist, dass wir für ein stabiles Kartenhaus womöglich einzigartige Lösungspoten- Naturparke – Landschaften voller nicht zu viele Karten rausnehmen dürfen. Genau wie in einem Ökosystem. ziale ihrer Stechrüsselapparate oder ge- Eine Art weniger, Leben“ zeigt, welche Lebensräume nialen Atemrohre ungenutzt lassen. Und für das Landschaftsbild der einzel- vielleicht steckt in ihrem eiweißhältigen nen Naturparke charakteristisch Speichelsekret mehr medizinischer Nut- sind und welche Besonderheiten na und? zen, als die Hauptfunktion der Blutge- sie beherbergen. rinnhemmung. Weniger Gelsen beim 16 Eine Art weniger, na und? 17
Was die Vielfalt mit Ökosystemen zu tun hat Erst wenn man in einem Bachbett die Steine umdreht, Erde unter dem Mikroskop betrachtet, auf Vogelstimmen hört oder mit einem umgedrehten Regenschirm unter einem Strauch steht und diesen schüttelt, merkt man wie viel man im Alltag nicht sieht, aber trotzdem immer da ist. Noch dazu ist das Ganze viel mehr als alle sind sie Ökosysteme, egal ob Wald, die Summe der einzelnen Teile an gro- Acker, Moor, Feuchtwiese, Streuobst- ßen und kleinen Einzelwesen. Bei den wiese oder Siedlung. Noch dazu ist je- Funktionsbeziehungen und Abhängig- der Mensch mit seinen mikroskopisch keiten zwischen den Organismen und winzigen, tierischen Mitbewohnern wie ihren Lebensräumen geht es nicht nur Haarbalgmilben, Kariesbakterien oder um Fressen und Gefressen werden. Hautpilzen selbst, genau wie ein Stück Beim Zusammenspiel in Ökosystemen verwitterndes Holz, mit all seinen holz- gibt es viele verschiedene Arten von abbauenden Kleintieren ein Ökosystem. „in Beziehung“ stehen. Manche Arten Diese Vielfalt der Ökosysteme, also des wie etwa Pilze im Boden arbeiten mit Zusammenspiels zwischen Lebewesen Bäumen in einer Symbiose zusammen, und ihrer Umgebung, ist die komplexes- wobei die Pilze dem Baum beim Was- te und verbindendste Ebene der biologi- serfassen helfen und der Baum die Pilze schen Vielfalt. Und nicht zuletzt ist auch mit Nährstoffen labt. Fledermäuse nis- die Liebe und Fortpflanzung als nach- ten sich in die von quartierbereitenden wuchsversprechende Verbindung nichts Spechten verlassenen Baumhöhlen ein, anderes als ein gelebter Funktionszu- Wild- und Honigbienen sowie hunderte sammenhang im sich ewig erneuernden andere Insektenarten bestäuben wilde Gefüge der Biodiversität. und kultivierte Pflanzen beim Sammeln von Pollen und Nektar für ihren Nach- © Wikimedia wuchs. Von unglaublich vielen dieser ökologischen Zusammenhänge profi- Ausgedeutscht tieren auch wir Menschen, ob es nun die Bestäubungsleistung unserer Kul- Ökosystem Nahrungsaufnahme, Artenkonkurrenz, Partnerwahl, Bestäubung, Liebe. Alles Netzwerkeigenschaften der ökosystemaren Ebene von Biodiversität. turpflanzen oder die Bereitstellung von Lebewesen (Tiere, Pflanzen, Mikro- Arzneimitteln, der Natur abgeschau- organismen … also alles was lebt) Das braucht das te technische Errungenschaften oder stehen mit ihrem Lebensraum und wohlschmeckende Früchte sind. auch untereinander in Beziehung. Dieses Zusammenspiel wird als und kann nicht ohne das Ganz egal, auf welche Landschaft Sie Ökosystem bezeichnet. schauen und was darin alles abgeht, 18 Das braucht das und kann nicht ohne das 19
Wie man sich das vorstellen kann Streuobstwiesen prägen zur Baumblüte im Frühjahr das Land- schaftsbild in vielen Naturparken. Sie gehören in Mitteleuropa zu den Hotspots der Biodiversität. Mit dem Zusammenspiel von über 5.000 Tier- und Pflanzenarten ist die Streuobstwiese ein höchst ausgeklügeltes, funktionierendes System. Wir haben Streuobstwiesen angelegt, Artenreichtum der Vögel innerhalb der um Obst zu ernten und mit dem Unter- Kulturlandschaft. Der mit Abstand größ- wuchs kleine und große Nutztiere zu te Teil der Artenvielfalt entfällt jedoch ernähren. Damit wurde zugleich ein auf die Gliederfüßer, zu denen u.a. die extrem strukturreiches, vielfältiges und Insekten, Spinnen und Tausendfüßler für unzählige Tiergruppen nutzbares gehören. Die Anzahl der vorkommen- ökologisches System sprichwörtlich aus den Gliederfüßer-Arten in den Streu- dem Boden gestampft. In einer hoch- obstwiesen wird auf mehrere tausend stämmigen Streuobstwiese haben schon geschätzt. Sie alle übernehmen nicht unsere Ururgroßväter ältere, dickere, zuletzt wieder eine wichtige Funktion großkronigere und somit höhlenfähige- als Nahrungsbasis für die zahlreichen re Bäume zugelassen und gefördert, als zwitschernden und singenden Vogel- in einer modernen, einfacher gestrick- arten. Schließlich haben die Streuobst- ten Intensivobstkultur. Damit wurden wiesen vor allem zur Blüte für die Be- wir Menschen unweigerlich Teil einer sucherInnen der Naturparke noch eine ökologischen Funktionskette, die mit ganz wichtige Hauptfunktion. Sie sind den quartiermachenden Spechten ihre für die Ausschüttung von Glückshormo- Fortsetzung findet. nen verantwortlich. Ambitionierte Grün- oder Buntspechte zimmern Höhlen für ihren Nachwuchs, Tipp © Klaus Wanninger die für weniger zum Hämmern aus- gestattete Tiere wie Steinkauz, Gar- tenrotschwanz, Bechsteinfledermaus Natur erleben und begreifen oder Siebenschläfer zur Nachmiete Die Erlebnisprogramme der Das Ökosystem Streuobstwiese ist eines der artenreichsten unserer allerbeste Dienste leisten. Und wenn Naturparke ermöglichen Kindern Kulturlandschaften und findet sich in schönster Form in sehr vielen die holz- und höhlenabbauenden Pro- wie Erwachsenen persönliche unserer Österreichischen Naturparke. zesse die Baumhöhlen schon ein we- Naturerfahrungen, vermitteln Das braucht das nig instabil machen, ziehen schließlich ökologische Zusammenhänge und Hornissen oder Wespen ein. Insgesamt wecken Freude und Neugier. Die gehören Streuobstwiesen übrigens mit vielfältigen Angebote finden Sie unter www.naturparke.at und kann nicht ohne das über 100 nachgewiesenen Vogelarten zu den Lebensräumen mit dem größten 20 Das braucht das und kann nicht ohne das 21
Ordnung Rosenartige Was die Vielfalt mit Familien Familie zu tun hat Rosengewächse Meist wird biologische Vielfalt mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Zur biologischen Vielfalt gehören zusätzlich aber auch alle Gattung Gattung Gattung Steinobst – Prunus Birne – Pyrus Apfel – Malus anderen verwandtschaftlichen Ebenen unterschiedlichen Grades. Ganz genauso wie bei uns Menschen. Die sogenannte Taxonomie bei Tieren Doldenblütler gehören: Petersilie, Anis, oder Pflanzen ist nichts anderes als eine Fenchel, Liebstöckel, Koriander und menschgemachte Konvention zur Ord- Kümmel. Und für Schärfe sorgt die Fa- nung von Lebewesen, um sich in der milie der Kreuzblütler mit Kren, Radies- unglaublichen bunten Merkmalsvielfalt chen, Kresse und Senf. der Natur besser zurecht zu finden. Der wissenschaftliche Name einer Art bei- In Österreich leben annähernd 45.000 Art Art spielsweise besteht dabei immer aus dem Tierarten und etwa 3.000 Farn- und Kulturbirne Kulturapfel Gattungsnamen und dem konkreten Blütenpflanzen, die es auch in weiten Pyrus communis Malus domestica Artnamen. Der Kulturapfel heißt etwa Teilen Europas oder der Welt gibt. 581 Malus domestica, Malus bezeichnet den Tier- und 167 Pflanzenarten kommen Namen der Gattung. Durch die Kombi- dabei ausschließlich in unserem kleinen nation mit dem Namen domestica wird Österreich vor. Schon spannend. Zum daraus die Art Malus domestica, eine in Beispiel die Anemonen-Schmuckblume der Theorie eindeutig identifizierbare im Naturpark Steirische Eisenwur- Art. Vereinfacht kann man sagen, dass zen. Sie kommt weltweit nur in Ober-, alle Exemplare bei Pflanzen oder Indi- Niederösterreich und der Steiermark viduen bei Tieren zu einer Art gehören, vor. Und auch die Attersee-Reinanke, die sich miteinander fortpflanzen kön- ein geschätzter Speisefisch, treibt sich nen und deren Nachkommen das auch ausschließlich in österreichischen Art Art Art können. Miteinander verwandte Arten, Gewässern herum. Marille Kirsche Zwetschke die zur selben Gattung, der nächst obe- © Fotolia.com Prunus armeniaca Prunus avium Prunus domestica ren Ordnungskategorie oder schließlich auch zur selben Familie gehören, haben oft ähnliche Eigenschaften oder sehen Ausgedeutscht Mehrere Arten sind zu Gattungen zusammengefasst, mehrere Gattungen ähnlich aus. Im Obstsalat finden sich Taxa wiederum zu Familien, und darüber steht die Ordnung. Der Merksatz der so zum Beispiel viele gut schmecken- AutorInnen hilft dabei bestimmt: Jede artige Familie braucht ihre Ordnung! Die Taxonomie gliedert Tiere und de Vertreter einer Familie: Äpfel, Bir- Unheimlich Pflanzen in Arten, Gattungen, nen, Kirschen, Zwetschken, Marillen, Familien, Ordnungen usw. Alle Himbeeren und Erdbeeren gehören alle diese Kategorien nennt man kurz zur Familie der Rosengewächse. Als „Taxa“. viel Verwandtschaft Gewürze verwenden wir viele aroma- tische Pflanzen, die zur Familie der 22 Unheimlich viel Verwandtschaft 23
Wie man sich das vorstellen kann Da die Streuobstwiese so ein wunderbar komplexer Lebens- raum ist, haben es die Verwandtschaftsverhältnisse in sich. Bei den Obstbäumen ist die Sache vergleichsweise einfach, weil die „üblichen Verdächtigen“ in der Regel zur Familie der Rosengewächse gehören. Der Apfel (Gattung Malus) ist, sofern häufig die Familie der Schwebfliegen sich keine Wildäpfel eingeschlichen oder die Unterfamilie der Rosenkäfer. haben, durch viele verschiedene Sorten vertreten, die alle zur Art des Kultur- Die Verwandtschaftsverhältnisse der apfels Malus domestica gehören. Bei den Insekten einer Streuobstwiese zu erfas- Birnen ist es genauso, die Gattung heißt sen, ist schon eine ambitionierte Auf- Pyrus und alle Birnensorten sind in der gabe. Was sich aber unter der Erde an Art Pyrus communis vereint. Die Gat- biologischer Vielfalt abspielt, sprengt tung Prunus ist da schon spannender, alle Grenzen. Das Leben im Untergrund zu ihr gehören nämlich alle Zwetsch- ist extrem wichtig für die Fruchtbar- ken, Kirschen, Marillen, Pfirsiche und keit unserer Böden und damit für unser viele Kleinpflaumen wie unsere ge- Überleben, aber gleichzeitig noch viel liebten Kriecherl. Die weniger offen- undurchschaubarer. Alleine in einem sichtlichen Bewohner, die Tiere in ei- Gramm Erde befinden sich Milliarden ner Streuobstwiese, sind dabei klar in Organismen. Zu beschreiben, wie die der Mehrzahl. Im Durchschnitt kom- alle miteinander verwandt sind, wäre men in Grünlandökosystemen auf jede sicher mehr als eine Jahresaufgabe Pflanzenart zehn Tierarten, die diese aller Naturpark-AkteurInnen in ganz Pflanze als Nahrungsgrundlage nut- Österreich. zen. Das tut zum Beispiel die Überfami- lie der Bienen. Neben den Honigbienen gibt es unglaubliche 690 Wildbienen- © Franz Kovacs arten, die auf Österreichs Blüten her- umschwirren. Unter ihnen alleine 46 Hummelarten. Je nach geografischer Tipp Ob diese Leute miteinander verwandt sind? Zur selben Art gehören Region, Landschaft, Wetter oder Blüten- Naturpark-Spezialitäten sie sicher und ihre Obstbäume sind wohl fast alle Vertreter der Familie bau sind die Wildbienen der Honigbiene Die geschmackliche Verwandtschaft der Rosengewächse. ebenbürtige oder sogar effizientere der Österreichischen Naturparke Unheimlich Bestäuber. Bei den Birnen, die durch den kann man sich in Form von Inhaltsstoff Trimethylamin für uns ein Naturpark-Spezialitäten durch den wenig nach verdorbenem Fisch riechen, Magen gehen lassen. Mehr dazu unter: www.naturparke.at viel Verwandtschaft aber für manche Insekten unwider- stehlich werden, übernimmt diesen Job 24 Unheimlich viel Verwandtschaft 25
Was die Vielfalt mit den Genen zu tun hat Wie bei Menschen, die alle einer Art angehören und deren Individuen genetisch verschieden sind, existiert auch bei allen anderen Lebewesen eine fantastische Vielfalt an genialen Bauplänen und individuellen Detaillösungen. Die Verschiedenheit der Gene inner- Mitochondrien-DNS sind wir heute in halb einer Art ist die Grundlage dafür, der Lage, diese regionalen Formen- dass der Homo sapiens überhaupt in schwärme auch genetisch zu erfassen der Lage war, so viele unterschiedliche und letztendlich auch zu erhalten. Denn Sorten und Rassen züchten zu können. auf einen großen regionalen Genpool Ein massiger Bernhardiner und ein innerhalb einer Art zurückgreifen zu knöchelhoher Dackel sind Rassen, die können, heißt jedenfalls, flexibel auf alle aus der Ursprungsart – dem Wolf – Veränderungen der Umweltbedingun- gezüchtet wurden. Kohlrabi, Brokkoli, gen, wie etwa den Klimawandel, reagie- Weißkraut, Kohlsprossen und Karfiol ren zu können. Vielfältige Gene schaf- liefern ein Beispiel vom Gemüseteller: fen einfach vielfältige Chancen für die Auch sie gehören zur selben Art, dem Zukunft. Gemüsekohl. Diese vielen Geschmä- cker, Farben und Wuchsformen stam- Wie wertvoll ein kleiner genetischer men alle aus dem Genpool des Gemü- Unterschied sein kann, zeigt übrigens sekohls. Genetisch wild geht es auch ein Beispiel aus dem Buch von Bruno innerhalb von klassischen Wildarten Baur aus Asien. In den 1970er-Jahren zu. Die Anpassung von Wildpflanzen tauchte ein Virus auf, der die Reisernten an lokale Umweltbedingungen wie von Indien bis Indonesien vernichtete. Temperatur, Niederschlag oder Unter- Nur eine von 6.273 Reissorten war grund führte dabei über Jahrtausende gegen diesen Virus genetisch immun. zu einer regionalen Differenzierung Damit ist eigentlich alles gesagt. © Fotolia.com innerhalb ihrer Verbreitungsareale. Da- durch sind unterschiedliche Ökotypen entstanden, deren Anpassungspotential auch in der DNS des jeweiligen Indivi- Ausgedeutscht Gene Unsere DNS sitzt in den Chromosomen jeder einzelnen Zelle und ist aufgebaut wie eine Doppelhelix. Ein Gen ist ein Abschnitt auf dieser Doppelhelix, der für duums niedergeschrieben ist. Schaut ein bestimmtes Merkmal steht, wie z.B. die Haarfarbe. man etwa unseren Wildrosen näher Ganz gleich auf Blüte, Früchte oder Blätter, erkennt Gene sind Abschnitte auf der DNS man eine unglaubliche Vielfalt, die von und die Träger von Erbinformationen. Gegend zu Gegend unterschiedlich ist. Sie werden bei der Fortpflanzung an die Nachkommen weitergegeben. und ganz verschieden Durch eine Analyse der nur über die Mutter vererbten Chloroplasten- oder 26 Ganz gleich und ganz verschieden 27
Wie man sich das vorstellen kann Niemand weiß genau, wie viele Obstsorten es in Österreich gibt, die Schätzungen reichen von 800 bis 2.000 und jedes Jahr werden etwa 40 bisher unbekannte entdeckt. Vor allem bei den Äpfeln gibt es eine grandiose Vielfalt. Apfelsorten zeigen uns ganz deutlich weideten Flächen zu finden ist. Seine die genetischen Unterschiede innerhalb Fortsetzung findet die genetische ihrer Art. Sie alle gehören, wie schon Variabilität auch im Maul vom Krai- erläutert, zur selben Art des Kultur- ner Steinschaf oder Waldschaf, die im apfels (Malus domestica), unterschei- Dreiländereck Kärnten, Slowenien und den sich aber stark in ihrem Aussehen, Friaul oder in den Bundesländern Geschmack, Blüh- und Reifezeitpunkt, Nieder- und Oberösterreich auch so Lagerfähigkeit und anderen Eigen- manche Streuobstwiesen einkürzen. schaften. In den Streuobstwiesen der Bei ihnen hat der Mensch lediglich ak- Österreichischen Naturparke finden tiver in die Selektion eingegriffen, beim sich viele, teils regional einzigartige Wiesen-Rispengras dürfte es einfach so und besonders charakteristische Obst- passiert sein. Fest steht jedenfalls, dass sorten, wie die Hirschbirne im Pöllauer man in den Österreichischen Naturpar- Tal, der Weberbartlapfel im Obst-Hügel- ken mithin die besten Chancen in unse- Land oder der Maschanzker im Natur- rem Land hat, gelebte genetische Vari- park Raab-Örség-Goričko. An ihnen abilität anzutreffen, die wir in Zukunft sieht man auch, welches wirtschaftliche noch alle sehr gut brauchen können. Potenzial in ihnen steckt und welche identitätsstiftende Kraft in der Biodi- versität steckt. Aber auch in der Krautschicht der Streuobstwiese finden wir zahlreiche © Franz Handler Beispiele für Anpassungsfähigkeit und genetische Unterschiedlichkeit inner- Tipp halb einer Art. Nehmen wir etwa das allseits bekannte Wiesen-Rispengras Auf der Website meineobstsorte.at, … der schmeckt besonders gut im Strudel, den kann ich bis Mai lagern und den ganzen Winter über essen, der schmeckt mir am besten, der ist der erste (Poa pratensis). Es hat sich mit seiner einem Projekt des Naturparks Obst- Apfel des Jahres und wird schon im August reif … Wuchsform über längere Zeiträume an Hügel-Land in Zusammenarbeit Ganz gleich unterschiedliche Bewirtschaftungs- mit dem Verein Arche Noah, kann arten angepasst. Es gibt eine höher- man sich im Obstsortendschungel wachsende Variante, die sich auf orientieren und nach den eigenen Anforderungen auswählen. und ganz verschieden Mähwiesen entwickelt hat und eine niedrigwüchsigere Form, die auf be- 28 Ganz gleich und ganz verschieden 29
Links und Literaturtipps zur Biodiversität www.biologischevielfalt.at www.naturparke.at Die Website bietet einen guten Einstieg Die Website des Verbandes der Natur- in die Thematik mit einer kompakten parke Österreichs (VNÖ) informiert Übersicht und weiterführenden Links. über Angebote und Projekte der 48 Österreichischen Naturparke. Folgende www.bmlfuw.gv.at Studien zur Biodiversität sind als pdf verfügbar: Das Ministerium für ein lebenswertes Österreich informiert zur biologischen Vielfalt und stellt als Service mehrere Naturparke und Biodiversität Publikationen zum Thema bereit. Diese Die Studie „Naturparke und Biodi- sind auf der genannten Website unter versität“ zeigt die Rolle und zahlrei- dem Menüpunkt Publikationen als pdf che Leistungen der Naturparke für die frei erhältlich. biologische Vielfalt und die weiteren Zielsetzungen im Hinblick auf die öster- reichische Biodiversitätsstrategie. Publikation zum Zustand und zur Bedeu- tung der biologischen Vielfalt in Österreich Naturpark-Schulen vermitteln Wie die Situation der biologischen Viel- Biodiversität falt in Österreich konkret aussieht, wird Wie Bewusstseinsbildung zur Biodiver- in dieser Studie dargestellt. sität in Naturpark-Schulen praktiziert wird, zeigen zahlreiche hier beschriebe- Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+ ne Projekte. Sie machen die biologische Die Biodiversitäts-Strategie Österreich Vielfalt vor dem Klassenzimmer erleb- 2020+ zielt darauf ab, die Lebensviel- bar und begreifbar. falt in Österreich zu erhalten, den Ver- lust an Arten, genetischer Vielfalt und Handbücher Lebensräumen einzubremsen und die Gefährdungsursachen zu minimieren. Wer sich vertiefen möchte und kleinge- Dafür legt die Strategie konkrete Ziele druckte Handbüchlein mag, kann sich © Franz Kovacs und Maßnahmen fest. mit diesen beiden Werken umfassend informieren: „Biodiversität“ von Praktische Möglichkeiten zum Schutz Bruno Baur und „Was ist Biodiversität? der biologischen Vielfalt für Gemeinden, Erforschung, Schutz und Wert biologi- Vereine und Initiativen scher Vielfalt“ von Bruno Streit. Die Broschüre „Biologische Vielfalt Ich will fördert die Lebensqualität – Baustei- ne für lokale Initiativen“ beschreibt, was jede und jeder von uns tun kann, mehr! um biologische Vielfalt zu erhalten, ob alleine, in Vereinen oder Kommunen. 30 Ich will mehr! 31
Verband der Naturparke Österreichs Österreichische 8010 Graz, Alberstraße 10, Tel.: +43 (0) 316/31 88 48-99 Naturparke office@naturparke.at, www.naturparke.at
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