"Blended learning" in der ärztlichen Fortbildung
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Originalien Nervenarzt 2011 · 82:895–901 W. Greil1, 2 · I. von Stralendorff1 · H. Mandl3 DOI 10.1007/s00115-010-3123-4 1 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der Online publiziert: 16. September 2010 Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität München © Springer-Verlag 2010 2 Psychiatrische Privatklinik Sanatorium Kilchberg, Zürich 3 Department Psychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München „Blended learning“ in der ärztlichen Fortbildung Evaluation eines innovativen Fortbildungszyklus „Bipolare Störungen und verwandte Erkrankungen“ In der medizinischen Aus-, Weiter- und feste Terminbindung mit leicht er- Methoden und Fortbildung gewinnt „blended höhter Akzeptanz einhergehen [8]. Laut learning“ (vermischtes/integriertes einer Übersichtsarbeit nimmt Akzeptanz Konzeption des Blended- Lernen) zunehmend an Bedeutung. und Nutzung von Blended-Learning- Learning-Fortbildungszyklus Die häufigste Definition ist, dass sich Angeboten mit der bisherigen Computer- Präsenz- und E-Learning-Phasen ab- erfahrung der Teilnehmer, der Bediener- Lerninhalte und Lernziele wechseln, wobei jeweils die Vortei- freundlichkeit und Nutzungsanreizen, Die Lerninhalte bezogen sich auf Diag- le von Präsenzveranstaltungen und wie z. B. einer klar geregelten Zertifizie- nostik und Therapie der bipolaren Stö- Online-Lernen genutzt werden. In der rung [9], zu und ist auch im höheren Alter rung sowie angrenzender Themengebie- neueren Entwicklung wird bei Blen- möglich [10]. te (. Tab. 1) und wurden von einem wis- ded Learning Wert darauf gelegt, Ziel dieser Studie ist es, ein innovatives senschaftlichen Expertenkreis (Arbeits- dass die zu vermittelnden Lerninhal- Blended-Learning-Konzept für die ärztli- gruppe Bipolar, s. Danksagung) vorberei- te auf verschiedene Medien und Me- che Fortbildung im Fachbereich Psychia- tet. Lernziele waren die Vermittlung von thoden verteilt und in einem gemein- trie zu dokumentieren, die Einschätzung Wissen, die praktische Anwendung auf samen Kurrikulum integriert werden der Teilnehmer zu subjektivem Lern- Fälle, Fertigkeiten im Umgang mit On- [1, 2]. Für die ärztliche Fortbildung erfolg, zu den didaktischen Mitteln und line-Lernen und der Austausch der Ärzte liegen im Vergleich zur studentischen zu den virtuellen Anteilen zu evaluieren untereinander in Gruppenarbeit (in Chats Ausbildung weniger Berichte vor. Im sowie die tatsächliche Nutzung und Zer- und Fallarbeit bei den Präsenzveranstal- Fachbereich Psychiatrie und Psycho- tifizierung zu erfassen. tungen). therapie wird E-Learning bzw. Blen- ded Learning seltener angeboten als z. B. im Fachbereich Innere Medizin Tab. 1 Übersicht zu Vortragsthemen und Lernskriptinhalten, Beispiel [3]. Solche Fortbildungen sind kaum Autor Titel dokumentiert, was für die Planung T. Schläpfer, Bonn Bipolare Störungen – biologische Grundlagen zukünftiger Konzepte jedoch hilf- reich wäre [4]. A. Erfurth, Wien Differenzialdiagnostik und Komorbidität M. Bauer/J. Sasse, Dresden Akuttherapie der Manie und der bipolaren Depression In den wenigen bisher vorliegenden Stu- S. Krüger, Berlin Die Depression: somatisches Syndrom und körperlicher Schmerz dien zu Blended-Learning-Angeboten W. Greil, München Phasenprophylaxe: Therapieoptionen bipolarer Störungen werden die allgemeine Zufriedenheit mit S. Krüger, Berlin/ W. E. Severus, Behandlung bipolarer Erkrankungen während Schwangerschaft München und Stillzeit dem Kurs [5, 6], der subjektive Lernerfolg K. G. Kahl, Dresden Metabolisches Syndrom und die Zufriedenheit mit einzelnen di- daktischen Elementen erhoben [7]. Eine M. Dobmeier, Regensburg Risiken bei Kombinationstherapien Metaanalyse zeigt, dass kurze Kursdauer M. Dobmeier, Regensburg Psychotherapie und Psychoedukation von bipolaren Psychosen Der Nervenarzt 7 · 2011 | 895
Originalien Auftakt Abschluss 1. Präsenz- Selbstlernphase 1 2. Präsenz- Selbstlernphase 2 veranstaltung veranstaltung online: online: 4 Impulsvorträge 2 Impulsvorträge Einführung in die Lernen Prüfen Austauschen Fall-Workshop Lernen Prüfen Austauschen Lernplattform Workshop mit Lernskripte Kontroll- Fall 1, Lernskripte Kontroll- Fall 2, fragen Fallbe- Kurzkasuistiken fragen Fallbe- Epikrise 1 zu sprechung Epikrise 2 zu sprechung Skripten, im Chat Skripten, im Chat Online- Online- Prüfung Prüfung Abb. 1 9 Ablauf eines Kurszyklus und schema- tische Darstellung des Kurs- 8 Wochen 4 Wochen konzepts am Beispiel des Berlin-Kurses 2007 fungen konnten die Teilnehmer ihr Wis- Allgemeine Akzeptanz 4,73 sen zu einem selbst gewählten Zeitpunkt des Kurses testen. In jeder Selbstlernphase konnten sie auf der Lernplattform auf ein Fallbei- spiel, das auf die Inhalte der Präsenzver- Motivation 4,76 anstaltung bezogen war, zugreifen (fallba- siertes Lernen). Es war eine Epikrise via E- subjektiv Mail einzureichen, die anonymisiert von eingeschätzter 5,21 Lernerfolg/ Transfer Fachärzten für die Vergabe von CME- Punkten bewertet wurde. Nach Abga- be der Epikrisen wurde der Fall in einem Einschätzung der 4,92 zukünftigen Nutzung einstündigen Chat in Gruppen von ca. 8 Teilnehmern unter der Moderation eines Fachtutors (Facharzt oder Psychologe) Präsenzveranstaltung 4,7 diskutiert. Die Chats orientierten sich am Vorgehen für „problemorientiertes Ler- 1 2 3 4 5 6 nen“ entsprechend der Harvard-Mün- Skalenwert (M) chen-Allianz [11] und wurden bereits in ähnlicher Form bei der ärztlichen Wei- Abb. 2 8 Mittelwerte (M) und Standardabweichungen der Einschätzung des subjektiven Lernerfolgs terbildung durchgeführt [12]. Die Teil- (n=281) nehmer konnten während des gesamten Kurszyklus Hilfe durch die Medientuto- rin erhalten, die auch in den Abendstun- Didaktisches Konzept und fallbasiertes Lernen, Fallmaterial, Grup- den gut erreichbar war. Nach einer 2. Prä- didaktische Elemente penarbeit) aufeinander bezogen. senzveranstaltung, die neben Vorträgen Die 9 Kurszyklen wurden über die Jahre Bei der ersten ganztägigen Präsenz- einen Fall-Workshop beinhaltete, fand 2005 bis 2007 in verschiedenen Regionen veranstaltung wurden 45-minütige „Im- eine weitere Online-Selbstlernphase statt, Deutschlands durchgeführt. Die Rekrutie- pulsvorträge“, deren Diskussion und eine die weitgehend analog zu der ersten struk- rung der Kursteilnehmer (ca. 40 pro Kurs) Einführung ins Online-Lernen dargebo- turiert war. erfolgte über persönliche schriftliche Ein- ten. Bei den Referenten handelte es sich ladungen unter Einbeziehung von Klinik- um Experten, die auf dem jeweiligen Ge- Elektronische Lernplattform leitungen der jeweiligen Region, in gerin- biet wissenschaftlich tätig waren. Bei der Es wurde eine Open-source-Lernplatt- gerem Ausmaß über die Außendienst- 2-stündigen technischen Einführung form eingesetzt (s. http://www.campus- mitarbeiter des Sponsors. durch die Medientutorin konnten die psychiatrie.de), die eine Betriebssystem- Das Blended-Learning-Konzept be- Teilnehmer die Bedienung der Lernplatt- unabhängigkeit (Linux, Microsoft) der stand aus 2 Präsenzveranstaltungen form an PC-Arbeitsplätzen (mit Internet- Serversysteme gewährleistet (Realisie- und 2 Online-Selbstlernphasen, die sich zugang) üben. rung: S. Schestak, http://www.curricu- im Wechsel über 3 Monate erstreckten In der ersten Online-Selbstlernphase lumdesign.de). Mit dem integrierten (. Abb. 1). Um eine optimale Voraus- vertieften die Teilnehmer die Inhalte der WYSIWYG-Autorensystem wurden die setzung für den Erfolg von Blended Lear- Impulsvorträge der 1. Präsenzveranstal- Lernmodule für die Lernplattform er- ning zu schaffen [6], waren die einzelnen tung. Hierzu stand für jedes Vortragsthe- stellt. Ein php-Chatsystem ermöglichte Komponenten (Vorträge, Lernskripte, ma ein Lernskript inklusive Vortragsfo- den einfachen und weitgehend störfreien lien zur Verfügung. Durch Online-Prü- Austausch. 896 | Der Nervenarzt 7 · 2011
Zusammenfassung · Summary Instrumente und Auswertung Nervenarzt 2011 · 82:895–901 DOI 10.1007/s00115-010-3123-4 © Springer-Verlag 2010 Die subjektiven Variablen „Einschät- W. Greil · I. von Stralendorff · H. Mandl zung des subjektiven Lernerfolgs“, „der „Blended learning“ in der ärztlichen Fortbildung. didaktischen“ und „der virtuellen Antei- Evaluation eines innovativen Fortbildungszyklus le“ wurden über einen von der Arbeits- „Bipolare Störungen und verwandte Erkrankungen“ gruppe Prof. H. Mandl entwickelten Fra- gebogen erfasst („Abschlussfragebogen“, Zusammenfassung . Tab. 2): Der Fragebogen wurde am Hintergrund. Es wird ein Blended-Learning- freundlich bewertet. Besonders positiv wur- Konzept für Fachärzte für Psychiatrie und den der subjektive Lernerfolg und die Be- Anfang der 2. Präsenzveranstaltung aus- Nervenheilkunde mit einem breiten Alters- treuung durch die Medientutorin beurteilt. gefüllt. Die Beurteilung erfolgte auf einer spektrum dargestellt und evaluiert, da hierzu Etwa 80% der Teilnehmer (n=346) nahmen 6-stufigen Likert-Skala: Dabei bedeutet bisher wenige Befunde vorliegen. Ziele der sowohl an beiden Präsenz- als auch an bei- ein Wert über 5 eine sehr positive, über 4 Studie sind, das Blended-Learning-Konzept den Online-Phasen teil. Der E-Learning-Anteil eine überwiegend positive Einschätzung, zu dokumentieren, den subjektiven Lern- wurde im Verlauf von 3 Jahren mit einer stei- ein Wert unter 2 eine sehr negative Ein- erfolg, die didaktischen Mittel und virtuellen genden CME-Punktezahl anerkannt. Anteile einzuschätzen sowie die tatsächliche Schlussfolgerung. Blended Learning ist un- schätzung). Nutzung und Zertifizierung zu erfassen. abhängig vom Alter der Teilnehmer eine Die objektive Variable „tatsächliche Material und Methoden. Das Kurrikulum praktikable didaktische Methode für die psy- Nutzung“ wurde über die Anwesenheits- bezog sich auf „bipolare Störungen“, erstreck- chiatrische Fortbildung. listen der Präsenzveranstaltungen und die te sich über einen Zeitraum von 3 Monaten Online-Prüfungen erfasst. Die Variable und beinhaltete 2 Präsenzveranstaltungen Schlüsselwörter „erfolgreiche Teilnahme/Zertifizierung“ und 2 Online-Selbstlernphasen. Psychiatrie · Continuing medical education · Ergebnisse. Das didaktische Konzept wur- Blended learning · E-learning · Evaluation wurde über die erreichten CME-Punkte de sehr gut akzeptiert und als sehr nutzer- beurteilt (mindestens 60% der maximal erreichbaren CME-Punkte). Blended learning in continuing medical education. Evaluation of an Stichprobe innovative curriculum „bipolar and bipolar spectrum disorders“ Summary In einer großen Stichprobe (n=281) wur- Background. In this article a blended learn- most appreciated dimensions were „subjec- den 6 Skalen des Abschlussfragebogens, ing concept in continuing medical educa- tive gain of knowledge“ and „support by me- in einer kleinen Stichprobe (n=155) alle tion is evaluated over a broad range of ag- dia tutor“. Nearly 80% participated in both 15 Skalen erhoben (. Abb. 2, 3, 4; die Rei- es, as there is little data on this topic so far. face-to-face as well in both web-based epi- henfolge der Bewertungen in den 6 Skalen The aims of this study were to document the sodes. The component of web-based learn- blended learning concept, to evaluate the ing was accredited by the responsible institu- war in beiden Stichproben gleich). Ein- subjective gain of knowledge, as well as di- tion (State Medical Association) with increas- schlusskriterien dieser Stichproben wa- dactic and virtual means. Finally the actual ing number of credits over a period of 3 years. ren jeweils die Teilnahme an beiden Prä- usage and accreditation are reported. Conclusion. Blended learning is a useful di- senzveranstaltungen, mindestens an einer Material and methods. The curriculum re- dactic concept in continuing medical educa- Online-Phase und das vollständige Aus- ferred to the topic of bipolar disorder, com- tion of psychiatrists independent of the age füllen der Fragebögen. In die Auswertung bined episodes of face-to-face instruction of the participants. and individual web-based learning over a pe- der tatsächlichen Nutzung und Zertifizie- riod of 3 months. Keywords rung des Kurses gingen alle Teilnehmer Results. The didactic concept was very well Psychiatry · Continuing medical education · der Veranstaltungen ein (n=346). 54% der accepted by the participants (N=346) and Blended learning · E-learning · Evaluation Stichprobe (n=281) waren männlich, 97% was evaluated as very user-friendly. The Fachärzte der Psychiatrie, Psychothera- pie oder Nervenheilkunde, 40% waren in eigener Praxis niedergelassen. Das Alter der Teilnehmer betrug durchschnittlich 46,5 (±7,7) Jahre (zwischen 27 und 67 Jah- ren; 12% über 55 Jahre). Sponsoring Die Firma Lilly Deutschland GmbH unterstützte dieses Projekt und dessen Evaluation im Rahmen eines „unrestric- ted educational grant“. Der Nervenarzt 7 · 2011 | 897
Originalien Tab. 2 Abschlussfragebogen, Skalen mit je einem Beispiel-Item Einschätzung Skala Beispiel-Item Subjektiver Allgemeine Akzeptanz für den Online-Kurs „Die Inhalte des Online-Kurses haben mir gut gefallen“ Lernerfolg Motivation „Der Online-Kurs regte mich zum Weiterlernen an“ Subjektiv eingeschätzter Lernerfolg/Transfer „Die Inhalte des Online-Kurses sind für meine Arbeit hilfreich“ Einschätzung der zukünftigen Nutzung „Ich kann mir vorstellen, auch in Zukunft an Online-Kursen teilzunehmen“ Einschätzung der Präsenztage „Die am 1. Präsenztag erfolgte Einführung in den Ablauf der Fortbildung enthielt notwendige Informationen für mich“ Didaktische Einschätzung verschiedener Gestaltungselemente „Die Aufgabenstellungen waren klar formuliert“ Mittel Einschätzung der Lernskripte „Ich hätte mir kürzere Lernskripte gewünscht“ Einschätzung des fallbasierten Lernens „Praxisfälle tragen zu einem besseren Verständnis der Lerninhalte bei“ Einschätzung des Fallmaterials „Das Fallmaterial fand ich für das Verständnis des Inhalts hilfreich“ Einschätzung der Gruppenarbeit „Ich fühlte mich in meiner Gruppe wohl“ Virtuelle Anteile Einschätzung des Medienvorteils „Es war für mich vorteilhaft, dass ich am Online-Kurs teilnehmen konnte, ohne die Lerngruppe persönlich treffen zu müssen“ Benutzerfreundlichkeit der Lernplattform „Die Navigation auf der Lernplattform ist zu kompliziert“ Einschätzung der Betreuung durch den Medientutor „Bei technischen Problemen erhielt ich Hilfe durch den Medientutor“ Einschätzung der Betreuung durch den Fachtutor „Der Fachtutor konnte mir bei inhaltlichen Fragen helfen“ Akzeptanz des Chats „Der Chat eignete sich gut für die gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben“ Ergebnisse form. Der Chat wurde am wenigsten posi- Alter und Kursakzeptanz tiv – aber immer noch im Bereich „über- Bewertung des Blended- wiegend positiv“ – eingeschätzt. Zwischen dem Alter der Teilnehmer und Learning-Fortbildungszyklus den untersuchten Dimensionen der Ak- Tatsächliche Nutzung zeptanz des Blended-Learning-Kurses er- Einschätzung des und Zertifizierung gab sich kein signifikanter Zusammen- subjektiven Lernerfolgs hang. Mit zunehmendem Alter gaben die Von den übergreifenden Beurteilungs- Insgesamt waren 78% der Teilnehmer der Teilnehmer weniger Vorerfahrung mit kriterien wurde der subjektive Lernerfolg Auftaktveranstaltungen auch bei den Ab- Computern an, wobei dieser Effekt sehr am höchsten eingeschätzt. Dem folgte schlussveranstaltungen anwesend. 81% klein war (r=−0,15; p=0,04; df=1,174). tendenziell die Einschätzung der zukünf- derjenigen, die die erste Selbstlernphase tigen Nutzung und schließlich die allge- genutzt hatten, nahmen auch an der zwei- Diskussion meine Akzeptanz sowie die Motivation ten teil. Insgesamt nahmen 79% der Ärzte bei der Teilnahme am Kurs (. Abb. 2). regelmäßig und mit Erfolg teil. Das setz- Bei einer großen Zahl von Ärzten wurden te neben der Anwesenheit bei Präsenzver- 9 Blended-Learning-Kurse über einen Einschätzung der anstaltungen auch bestandene Prüfungen Zeitraum von 3 Monaten in verschie- didaktischen Mittel in den Online-Selbstlernphasen voraus denen Regionen Deutschlands erfolg- Von den didaktischen Mitteln wurden (. Abb. 5). reich durchgeführt. Die Bewertungen des die Lernskripte am positivsten einge- Die Veranstaltung wurde nach Vor- Fortbildungsangebots waren positiv bis schätzt, auch das fallbasierte Lernen ins- lage erster Evaluationsdaten von der Bay- sehr positiv. Sehr positive Einschätzun- gesamt wurde sehr positiv bewertet, ge- erischen Landesärztekammer zertifiziert gen ergaben sich vor allem in Bezug auf folgt vom Fallmaterial. Gruppenarbeit er- und war damit im gesamten bundes- den subjektiven Lernerfolg und die Ein- reichte zwar den niedrigsten Wert in der deutschen Raum anerkannt. Die CME- schätzung zukünftiger Nutzung virtueller Rangreihe, wurde jedoch ebenfalls positiv Punktezahl, die für einen gesamten Blen- Lernangebote. Das spricht gegen die Ver- eingeschätzt (. Abb. 3). ded-Learning-Zyklus vergeben wurde, mutung, E-Learning fördere eine Haltung, stieg von 20 (Bad Homburg 2005) über 31 auf dem bequemsten Weg CME-Punk- Einschätzung der virtuellen Anteile (Berlin 2006), 32 (Düsseldorf 2007) bis auf te zu sammeln. Dieser Befund steht auch Bei der Beurteilung der E-Learning- 41 Punkte im letzten Kurs (Berlin 2007) im Gegensatz zu dem einer Metaanalyse, Anteile wurde die Betreuung durch den an. Bei der Punktevergabe wurde der E- wonach hohe Akzeptanz mit kurzer Kurs- Medientutor am höchsten bewertet. Wie Learning-Anteil im Laufe der 3 Jahre im- dauer einhergehe [8]. . Abb. 4 zeigt, folgten darauf die Benut- mer stärker berücksichtigt (zwischen 0 Bei der Einschätzung der didaktischen zerfreundlichkeit, einzelne Gestaltungs- und 21 Punkten, . Abb. 6). Die Chats Mittel wurden Lernskripte und fallbasier- elemente, die Betreuung durch den Fach- durften bei der CME-Bewertung nicht tes Lernen besonders positiv beurteilt. tutor und Einschätzung des Medienvor- berücksichtigt werden. Dies zeigt, dass es als wichtig wahrge- teils, d. h. des Vorteils der virtuellen Lehr- nommen wird, die in Präsenzveranstal- 898 | Der Nervenarzt 7 · 2011
tungen vermittelten Inhalte durch zusätz- Lernskripte* 5,09 liches Material zu vertiefen und auf kon- krete Fälle anwenden zu können. In Bezug auf die Einschätzung der vir- tuellen Anteile ergab sich eine heraus- fallbasiertes Lernens 4,81 ragend positive Beurteilung der Medien- tutorin und eine sehr gute Bewertung der Benutzerfreundlichkeit. Dies könnte ein Hinweis sein, dass eine hochverlässli- Fallmaterial* 4,43 che, dauerhafte und individuelle Technik- unterstützung eine sehr wichtige Voraus- setzung für den Erfolg eines solchen Lehr- Gruppenarbeit* 4,22 konzepts ist [13]. Technische Einführun- gen mit praktischen Übungen online mit der Lernplattform werden zukünftig ver- 1 2 3 4 5 6 mutlich immer weniger erforderlich sein, Skalenwert (M) je mehr die allgemeine Medienkompetenz der Ärzte zunimmt. Bei den weniger posi- Abb. 3 8 Mittelwerte (M) und Standardabweichungen der Einschätzung der didaktischen Mittel tiv beurteilten Aspekten fällt auf, dass es (n=281). *Nur Daten der letzten 5 Kurse (n=155) sich weitgehend um Dimensionen han- delt, die mit der Fallbesprechung im Grup- Medienvorteil* 4,53 pen-Chat verbunden sind. Dies könnte an der geringen Erfahrung der Teilnehmer mit dieser Methode liegen. Bei zukünf- Benutzerfreundlichkeit* 5,06 tigen Blended-Learning-Angeboten soll- te die Bearbeitung von Fallbeispielen ent- Betreuung durch 5,38 weder nur auf den Präsenzveranstaltun- Medientutor* gen stattfinden oder eine bessere techni- Fachtutor sche Lösung angeboten werden (z. B. Vi- 4,68 (Chatmoderation)* deokonferenz über Webcam). Ein Online- Forum als technische Alternative wur- Chat* 4,2 de bei einem anderen Blended-Learning- Kurs für Fachärzte, der von uns durchge- einzelne 4,97 führt wurde, wenig genutzt. Gestaltungselemente* Die tatsächliche Nutzung der Teilneh- mer, die sich in einer Adhärenz von fast 1 2 3 4 5 6 80% über den langen Zeitraum von 3 Mo- Skalenwert (M) naten zeigt, untermauert die große Ak- zeptanz dieses didaktischen Konzepts. Abb. 4 8 Mittelwerte (M) und Standardabweichungen der Einschätzung zu virtuellen Anteilen (n=281). *Nur Daten der letzten 5 Kurse (n=155) Die fortschreitend höhere Anerkennung durch die Ärztekammern stellt auch einen wichtigen Anreiz zur Nutzung dar [9]. bedingung. Das wird in einigen Arbeiten dokumentiert, um eine Ausgangsbasis für Da keine korrelativen Zusammenhän- kritisiert (z. B. [5, 14]). weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet ge zwischen dem Alter der Teilnehmer Die Vorteile dieser Studie liegen in der zu bieten [4]. und der Akzeptanz der Veranstaltung auf- großen Stichprobe mit einem breiten Teil- Die Qualitätskriterien, die für Blen- traten, könnte dies als Hinweis interpre- nehmerspektrum in Bezug auf Alter und ded Learning vorgeschlagen werden [9], tiert werden, dass das Alter der Teilneh- regionale Verteilung sowie der Untersu- wurden erfüllt: Das Angebot stammt mer keine wesentliche Rolle spielt. chung eines Kurrikulums, bei dem Inhal- von einer anerkannten Institution (LMU Eine Einschränkung in der Genera- te über einen längeren Zeitraum vertieft München), Kontaktadressen von Veran- lisierbarkeit ergibt sich aus der freiwilli- werden. Die Ergebnisse ergänzen das bis- stalter und Ansprechpartnern sind ange- gen Teilnahme am Kurs, der vermutlich her unvollständige Bild über die Akzep- geben (LMU München, Medientutorin), eher Personen ansprach, die neuen Me- tanz von Blended Learning in der ärztli- das Lernangebot ist durch eine Einrich- dien gegenüber besonders aufgeschlossen chen Fortbildung, insbesondere im Be- tung anerkannt (Bayerische Landesärz- waren. Bei der vorliegenden Studie han- reich Psychiatrie. Das didaktische Kon- tekammer). Des Weiteren kann vermu- delt es sich um ein Design ohne Kontroll- zept mit seinen einzelnen Elementen und tet werden, dass zum Erfolg des Projek- die Durchführung wurden hier detailliert tes beigetragen haben: die hohe Kompe- Der Nervenarzt 7 · 2011 | 899
Originalien Bad Homburg 2005 Learning-Konzept, welches auch über Potsdam 2005 einen längeren Zeitraum intensiv ge- Hamburg 2006 nutzt wurde, wurde von den Ärztekam- mern mit zunehmender Berücksichti- München 2006 gung der E-Learning-Anteile zertifiziert. Berlin 2006 Düsseldorf 2007 Korrespondenzadresse Prof. Dr. W. Greil Nürnberg 2007 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Heidelberg 2007 Psychotherapie, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität Berlin 2007 München (LMU) Mittel über alle Kurse Nussbaumstraße 7, 80336 München waldemar.greil@med.uni-muenchen.de 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Danksagung. Unser Dank gilt den Mitgliedern der Anteil erfolgreicher Teilnehmer (%) Arbeitsgruppe Bipolar, den Referenten, den Work- shop-Leitern (Kerstin Gabriel Felleiter, W. Emanuel Se- Abb. 5 8 Anteil der Teilnehmer, die mindestens 60% der maximal erreichbaren CME-Punkte erreich- verus, Joachim Tholuck), der Medientutorin (Susan- ten („erfolgreiche Teilnahme“; n=346) ne Schestak), den ärztlichen Fachtutoren (Benedikt Amann, W. E. Severus, J. Tholuck) und psychologischen Fachtutorinnen (Dorothee Giersch, Eliza Kozuch, Sven- ja Niesken, Irmela von Stralendorff, Rebecca Winkler), den Autorinnen der Lernskripts (D. Giersch, E. Kozuch, Bad Homburg 2005 Auftakt S. Niesken, R. Winkler) und dem Teilnehmermanage- ment (Christel Apfelbaum, Melanie Hahner). Abschluss Mitglieder der Arbeitsgruppe Bipolar: Waldemar Greil Potsdam 2005 E-Learning (München/Kilchberg, CH, Chairman), Michael Bauer (Dresden), Matthias Dobmeier (Regensburg), Andreas Erfurth (Wien), Stephanie Krüger (Berlin), Thomas Hamburg 2006 Schläpfer (Bonn), W.E. Severus (München). Projektteam: B. Amann (Barcelona), K. Gabriel Felleiter, J. Tholuck und R. Winkler (Kilchberg CH), M. Hahner München 2006 (Garmisch), S. Schestak (Chemnitz), S. Niesken (Bam- berg), C. Apfelbaum, D. Giersch, W. Greil, E. Ko- zuch, Heinz Mandl, Nicki-Nils Seitz, W. E. Severus und Berlin 2006 I. v. Stralendorff (alle München). Referenten: M. Bauer, M. Dobmeier, A. Erfurth, K. Ga- briel Felleiter, Kai G. Kahl (Lübeck), S. Krüger, Christi- ne Poppe (Kilchberg CH), T. Schläpfer, Johanna Sasse Düsseldorf 2007 (Dresden), W.E. Severus, J. Tholuck. Für die langjährige Projektunterstützung danken wir Lilly Deutschland GmbH und ihren Mitarbeitern Nils Nürnberg 2007 Hartmann, Anja Liebeskind sowie Joerg Schaub. Unser besonderer Dank gilt den an den Kursen teilneh- menden Ärztinnen und Ärzten, die durch das sorgfälti- Heidelberg 2007 ge Ausfüllen der Fragebögen diese Studie möglich ge- macht haben. Berlin 2007 Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 0 5 10 15 20 25 CME-Punkte Literatur Abb. 6 8 Vergebene CME-Punkte, getrennt für Präsenzveranstaltung und Online-Module (n=346) 1. Kerres M, Witt C de, Stratmann J (2002) E-Learning. Didaktische Konzepte für erfolgreiches Lernen. In: Schuchow K, Guttmann J (Hrsg) Jahrbuch Per- tenz der Referenten und Workshop-Leiter, Fazit für die Praxis sonalentwicklung & Weiterbildung. Luchterhand, speziell ausgebildete Medien- und Fach- Neuwied, S 1–14 2. Kopp B, Mandl H (2009) Blended Learning: For- tutoren, das praxisnahe komplexe Fallma- Blended-Learning-Fortbildungen im Be- schungsfragen und Perspektiven. In: Issing LJ, terial, die Möglichkeit zur Vertiefung der reich Psychiatrie sind gut umsetzbar Klimsa P (Hrsg) Online Lernen. Oldenbourg, Mün- Inhalte über einen längeren Zeitraum und und werden von Fachärzten vor allem chen, S 139–150 3. Strausberg J, Loo A van (2008) Verfügbarkeit elek- zum Austausch untereinander. bezüglich des subjektiven Lernerfolgs tronischer Lehr- und Lernmodule für die Aus- und sehr positiv bewertet. Bei den virtuel- Weiterbildung in der Humanmedizin. GMS Z Med len Anteilen wird der Chat in der Gruppe Ausbild 25(4):1–8 am wenigsten geschätzt. Das Blended- 900 | Der Nervenarzt 7 · 2011
4. Boeker M, Klar R (2006) E-Learning in der ärztli- 8. Cook DA, Levinson AJ, Garside S et al (2008) In- 12. Amann B, Schestak S, Grunze H, Greil W (2004) chen Aus- und Weiterbildung: Methoden, Ergeb- ternet-based learning in the health professions: a Facharztausbildung online. Neurotransmitter nisse, Evaluation. Bundesgesundheitsbl Gesund- meta-analysis. JAMA 300(10):1181–1196 11:42–44 heitsforsch Gesundheitssch 49(5):405–411 9. Ruf D, Berner MM, Kriston L, Harter M (2008) E- 13. Kopp B, Germ M, Mandl H (2009) Professionelle 5. Ryan G, Lyon P, Kumar K et al (2007) Online CME: Learning – eine wichtige Unterstützung in der me- Unterstützung von Lernprozessen durch Tutoren. an effective alternative to face-to-face delivery. dizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung? Bun- In: Zlatkin-Troitschanskaia O (Hrsg) Lehrprofessio- Med Teach 29(8):e251–e257 desgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesund- nalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre 6. Harris JM Jr, Kutob RM, Surprenant ZJ et al (2002) heitssch 51(9):1061–1069 Messung. Beltz, Weinheim, S 691–702 Can internet-based education improve physici- 10. Stoltz-Loike M, Morrell RW, Loike JD (2005) Usa- 14. Cook DA, Dupras DM, Thompson WG, Pankratz VS an confidence in dealing with domestic violence? bility testing of business thinking (TM) e-lear- (2005) Web-based learning in residents‘ continui- Fam Med 34(4):287–292 ning CD-ROMs with older adults. Educ Gerontol ty clinics: a randomized, controlled trial. Acad Med 7. Fordis M, King JE, Ballantyne CM et al (2005) Com- 31(10):765–786 80(1):90–97 parison of the instructional efficacy of internet-ba- 11. Grunze H, Strupp M, Rönneberg T, Putz R (2004) sed CME with live interactive CME workshops: a Problemorientiertes Lernen im Medizinstudium. randomized controlled trial. JAMA 294(9):1043– Der integrative Kursus „Nervensystem und Verhal- 1051 ten“ an der LMU München. Nervenarzt 75:67–70
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