Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern

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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Bohemian
Rhapsody
  CAMERATA BERN
  Antje Weithaas
  So 18.10.20 — 17.00 Uhr
  Theater National Bern
  Werke von Dvorák, Janácek und Suk
Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Bohemian Rhapsody

Wir freuen uns, das für März geplante Konzert «Bohemian Rhapsody» h ­ eute     Antje Weithaas – Leitung und Violine
nachzuholen. Aufgrund der aktuell geltenden Schutzbestimmungen zu              Sonntag, 18. Oktober 2020­— 17.00 Uhr
­COVID-19 wird das Konzert jedoch mit einem veränderten Programm gespielt.

Anstelle der Konzerteinführung vor Ort bieten wir auf unserer Website einen    Josef Suk           Vier Stücke für Violine und Klavier op. 17, nachkomponiert
Podcast mit SRF-Musikredaktor Benjamin Herzog an – auch zum Nachhören.         (1874–1935)         für Violine und Streichensemble von Gabrielle Brunner
                                                                                                   im Auftrag der CAMERATA BERN (Uraufführung)

                                                                               Leoš Janácek        Streichquartett Nr. 1 Kreutzersonate, in einer Fassung
                                                                               (1854–1928)         für Streichensemble von Amsterdam Sinfonietta und
                                                                                                   Antje Weithaas

                                                                               Josef Suk           Meditation über den altböhmischen Choral
                                                                                                   St. Wenzeslaus für Streichquartett op. 35a

                                                                               Antonín Dvorák      Streicherserenade in E-Dur op. 22
                                                                               (1841–1904)

CAMERATA BERN
                                                                               Dieses Konzert wird von Radio SRF2 Kultur aufgezeichnet.
© Julia Wesely                                                                 Das Sendedatum wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.

                                                                                                                                                                3
Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Zum heutigen                                                                      Von Vagabunden und Intelligenz-
                                                                                      proletariern

    Programm                                                                          Wie kaum ein anderes Wort durchlief
                                                                                      jenes der «Bohème» einen semantisch
                                                                                      ­
                                                                                      durchaus beeindruckenden Wandel. Im
                                                                                      ursprünglichen Sinne die französische
                                                                                      Benennung der Landesleute Böhmens,
    Gedanken zur Nachkomposition von Josef Suks op. 17 für                            etablierte sich der Ausdruck im 15. Jahr-
    ­Solovioline und Streichensemble                                                  hundert als abschätzig gemeinte franko-     Drei Jahrhunderte später, im 18. Jahrhun-
                                                                                      phone Bezeichnung für böhmische Fah-        dert, nehmen romantische Künstler des
    Ich würde gern sowohl den Begriff Arrangement als auch den ­Begriff               rende. Der Begriff avancierte zu einem      geschriebenen Wortes den «pittoresken
    ­Bearbeitung durch die Begriffe Übersetzung, bzw. Nachdichtung ­ersetzen.         Sammelbegriff für Wahrsager, Heiden,        Reiz des Zigeunerlebens und die Schön-
     Tatsächlich geht es darum, die Sprache und Ausdrucksweise eines                  Heimatlose, Menschen mit schlechtem         heit der schmucken Nomaden» (so noch-
     Klang­körpers wie hier des Klaviers in die Sprache des Klangkörpers der          Ruf, kurz: dem deutschen Pendant des        mal Kreuzer) in ihren Werken auf. Die Idee
     ­Streicher zu übersetzen. Wie bei der Übersetzung eines Gedichts in eine         ‹Zigeuners›. Dieser Wandel beinhaltet       des Bohemen (deutsche Aussprache) als
      ­andere S ­ prache ist die Frage: Entscheidet man sich für eine wörtliche       ausdrücklich die Verbreiterung des eth-     ungebundene, ungezwungene und unkon-
       Übersetzung, die die daraus sich ergebenden vor allem grammatikali-            nischen Spektrums: Der Ausdruck der         ventionelle Künstlernatur entsteht länder-
       schen ­Unebenheiten bewusst in Kauf nimmt, oder für eine Nachdichtung,         «Bohème» wurde schon zu dieser Zeit         übergreifend in der Form, in der sie auch
       die versucht, die Stimmung, den Sinn, den Klang und den Rhythmus eines         verallgemeinert und unabhängig der tat-     heute noch existiert. Beschrieben sei der
       ­Gedichts in der anderen Sprache wiederzugeben. Selbstredend geht dies         sächlichen ethnischen Zugehörigkeit auf     Typus anhand eines Auszugs aus Friedrich
        mit einer subjektiven Interpretation des Übersetzers oder der ­Übersetzerin   alle Umherziehenden angewandt, die –        von Hagedorns «Lob der Zigeuner» (1742):
        einher.                                                                       wie der Literaturwissenschaftler Helmut
        Die Übersetzung der Sprache des Klaviers kann meines Erachtens nur in         Kreuzer festhält – «mehr oder minder
        einer Nachdichtung geschehen, da sich seine Ausdrucksweise, seine Arti-       verwahrlost ein scheinbar wild-romanti-         «Und fehlt es euch an feinen Sitten,
        kulation, seine Obertonstruktur und vieles mehr zu sehr von der Klang- und    sches und sorgloses Leben führten».             So fehlt's euch nicht an Fröhlichkeit,
        Ausdruckswelt eines Streicherkörpers unterscheidet.                                                                         Ihr scherzt auf Gras und unter Zweigen,
                                                                                                                                      Ohn' allen Zwang und ohne Zeugen.»
    Bei dieser von der CAMERATA BERN in Auftrag gegebenen Nachdichtung
    hatte ich zudem auch die Besonderheit des Ensembles vor mir. Es war mir
    wichtig, der über Jahrzehnte gewachsenen aussergewöhnlichen Fähigkeit                                                         Fortsetzung Seite 6  

    zum musikalischen Dialog, der Spontaneität und der vitalen Virtuosität
    dieses Ensembles Rechnung zu tragen.

    Gabrielle Brunner
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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Vom Metzger zum
                                                                        ­Taktstockschwinger
                                                                        Fernab solch elitärer Diskussionen nahm
                                                                        1841 nahe Prag mit der Geburt von An-
                                                                        tonín Leopold Dvorák ein zeitlebens be-
                           Das Bild schien zu überzeugen. Ein ek-       scheidenes und aufrechtes Leben seinen       Dvorák wird das Verdienst zugeschrieben,
                           latanter Wortgebrauch um 1800 zeugt          Lauf. Als ältestes von neun Geschwistern     mit seinen Werken dem böhmischen dop-
                           von einer vermehrten Identifikation mit      war Dvorák von Geburt an dazu prädesti-      pelschwänzigen Wappenlöwen zu Zeiten
                           der Lebenshaltung, nicht nur durch Li-       niert, die Metzgerei und die dazugehörige    der nationalen Wiedergeburt das B­ rüllen
                           teraten und deren Publikum, sondern          Gastwirtschaft seiner Eltern zu überneh-     auf tschechisch wieder schmackhaft ge-
                           auch durch die Vertreter der (ab)bilden-     men. Er zeigte aber schon im Alter von       macht und dem böhmischen Volk s     ­ eine
                           den und musikalischen Künste. Span-          zehn Jahren eine grossartige Begabung        ursprünglich tschechische, über die Jahr-
                           nende Ähnlichkeiten zu allen Spektren        für das Bratschenspiel und Interesse         hunderte verdeutschte I­dentität zumin-
                           der Wortbedeutung «Bohémien» finden          für das Komponieren von Musik, sodass        dest auf musikalischer Ebene wieder­
                           sich bei den Rhapsoden aus dem anti-         sich sein Vater trotz wiederkehrender        gegeben zu haben. Nach eigenen ­Angaben
Aloïs Schönn,
                           ken Griechenland: Als durch das Land         ­finanzieller Schieflage dazu entschloss,    etablierte sich sein Kompositionsstil –
Lagernde Zigeuner (1856)   fahrende und epische Texte vortragende        den Jungen zu fördern und ihm eine ent-     ­einem Rhapsoden gleich – in den Sieb-
                           Sänger verkamen sie innerhalb der spät-       sprechende Ausbildung zu ermöglichen.        ziger­
                                                                                                                           jahren tatsächlich auf Grundlage
                           antiken Gesellschaft zu anmassenden           1859 schloss er achtzehnjährig als zweit-    einer Synthese verschiedener osteuro-
                                                                                                                      ­
                           «Gesangs­flickern» und der einst ­ehrbare     bester die Prager Orgelschule ab. Die        päischer Volksidiome, die jenen slawi-
                           Berufsstand ging schliesslich verloren.       folgenden elf J­ahre waren geprägt von       schen Ton evozieren, welcher alle seine
                           Aus der Senke des Vergessens holte das        einem Engagement als Bratschist im Or-       Werke durchwirken sollte.
                           Europa des 16. Jahrhunderts diese frag-       chester des ­Prager Interimstheaters und
                           mentarisch-antiakademische, enthusias­        der damit verbundenen Zusammenarbeit        Fortsetzung Seite 8  

                           tisch-diskontinuierlich vorgetragene lite-    mit Bedrich Smetana als Leiter. Täglich
                           rarische Ausdrucksform und setzte sie         war der junge Musiker so mit Werken von
                           annähernd zwei Jahrhunderte später zu         Verdi, Meyerbeer, Donizetti und ande-
                           Zeiten der Stürmer und Dränger in einen       ren Grössen der Zeit konfrontiert. In den
                           Zusammenhang mit ekstatischen und             freien Zeiträumen erweiterte der auf-
                           sonderlich anmutenden musikalischen           strebende Komponist seinen Horizont,
                           Werken. Bohemische oder böhmische             ging planmässig vor, studierte Mozart,
                           Rhapsodien legen somit begriffsge-            Mendelssohn, Schumann, Wagner und
                           schichtlich im groben Sinne des Wortes        andere, arbeitete mit akribischer Sorg-
                           mehrere Bedeutungsschichten frei, von         falt an seinem eigenen Kompositionsstil.
                           einfachen böhmischen Volksweisen bis          Er scheute die Öffentlichkeit mit seinen
                           hin zu freisinnigen musikalischen Werken      ersten Werken und verbrannte in grosser
                           phantastischen Ursprungs.                     Zahl jene, die ihm missfielen.
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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Auf die Frage, wie er komponiere, antwor-    Unterhaltende Huldigung und
tete Dvorák zu einem späteren Zeitpunkt      ­unausgesprochen rührende
seines Lebens, dass sich dies im Laufe        ­Bekundung von Zuneigung
der Zeit geändert habe: In jungen Jahren     Einst dem höfischen Hochadel vorbehal-
habe er seine Ideen nicht schnell genug      ten, eroberte die Serenade als musika­
zu Blatt bringen können, alles andere sei    lische Gattung im frühen Verlauf des
nebensächlich gewesen. Erst mit der Zeit     18. Jahrhunderts auch die Salons bürgerli-
sei er vorsichtiger geworden, habe neue      cher Haushalte. Gewertet als musikalische
Ideen sorgfältig durchdacht, sie zwanzig-,   Manifestation fröhlich-leichter Unbe-         Noch unbehelligt vom späteren Weltruhm
dreissig-, hundertmal gespielt und erst      schwertheit, erhielt sie den zweideutigen     hat Dvorák 1875 seine erste Serenade
dann aufgeschrieben. Dieser Entwicklung      deutschen Beinamen des «Abendständ-           geschrieben. Mit viel Feingefühl werden
dürften verschiedene einschneidende Er-      chens». Zweideutig deshalb, weil sich         ebenjene leichte Fröhlichkeit und Un-
lebnisse zugrunde liegen. Durch Brahms       ­darin sowohl eine Zeitangabe wie auch ein    beschwertheit mit einem wohlig warmen
als etabliertem und erfahrenem Bewun-         Aufführungsmodus w   ­ iderspiegeln. Sere-   Gefühl von übergreifender Innigkeit ver-
derer und Gönner erreichte Dvorák 1878        naden seien am besten draussen, in der       knüpft, womit sich das fünfsätzige Werk,
erstmals finanzielle Unabhängigkeit und       wetterbedingten Heiterkeit des Abends        das wie die zwei Jahre später, nach einem
internationale Bekanntheit. In seinem         (darin sowohl sereno, «heiter», als auch     Wien-Aufenthalt komponierte Bläserse-
Schaffen derart bestätigt und unter-          sera, «Abend») zu geniessen, also vorzüg-    renade, die Ära der Haydn- und Mozart-
stützt, ereilten Dvorák privat jedoch zu      licher Weise «auf Gras und unter Zweigen»,   Zeit auf eigene Weise beschwören will,
dieser Zeit die plötzlichen und voneinan-     wie es bei Hagedorns ‹Zigeuner›-Lob steht.   ganz problemlos mit ähnlich erfolgrei-
der unabhängigen Tode aller seiner drei                                                    chen Werken von Tschaikowsky oder Grieg
kleinen Kinder. In die Zeit vor diesem                                                     messen kann.
grossen persönlichen Umbruch fällt das
am heutigen Abend vorgestellte Werk.                                                       Fortsetzung Seite 10  

                                             Antonin Dvorák
                                             Photographie, 1868
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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Die Macht der Musik
 Belegt ist Dvoráks Freundschaft mit dem                                                      «Ich hatte die unglückliche, gequälte, ge-
 knapp 13 Jahre jüngeren Leoš Janácek,                                                        prügelte, erschlagene Frau vor Augen, wie
 mit dem er im Sommer 1877 sogar eine                                                         sie der russische Schriftsteller Tolstoj in
 gemeinsame Wanderung durch Böhmen             Als Pensionär konnte sich Janácek weit-        seinem Werke Kreutzersonate schildert»,
 unternahm. Janácek, damals in Brünn           gehend frei seinem ersten Streichquartett      schreibt der Komponist 1924 an Kamila
 eine «der treibenden Kräfte im Kultur-        widmen. «Angeregt durch L. N. Tolstojs         Stösslová. Somit steht weniger das Ehe-
 kampf der Brünner Tschechen gegen den         Kreutzersonate», ist auf dem Autograph         und Eifersuchtsdrama des vom Kompo-
 deutschen Einfluss» (Meinhard Saremba),       zu lesen. Bereits 1908 entstand ein heute      nisten hochverehrten Tolstoj im Zentrum
 entwickelte früh einen beinahe fanati-        verschollenes Klaviertrio zu Tolstojs Ehe-     des Werkes als vielmehr ein musikali-
 schen Nationalismus, worunter vor allem       und Eifersuchtsgeschichte, deren inneres       sches Psychogramm ungebremster Lei-
 seine deutsch sozialisierte Frau Zdenka       Drama mit der Aufführung von Beetho-           denschaften, welche durch die Macht der
 litt (und in einem Selbstmordversuch 1916     vens «Kreutzer»-Sonate (1802) seine tra-       Musik entfacht werden können.
 und anschliessend gerichtlicher Trennung      gische Wendung erhält. Eine Rohfassung
 mündete). Andererseits beflügelten seine      des Quartetts wurde bereits zwischen           Fortsetzung Seite 12  

 umfangreichen ethnographischen S  ­ tudien    dem 13. und 28. Oktober 1923 fertigge-
 zum böhmisch-mährischen Volkslied s  ­ eine   stellt. Janáceks Biograph Hans Hollander
 kompositorische Phantasie, die in den         machte hinsichtlich der Gattungswahl auf-
 1920er Jahren einen genuinen Stilwandel       merksam auf den Widerspruch zu seiner
 des fast 70-jährigen Komponisten nach         «eruptiven, rhapsodisch-unpolyphonen
 sich zog.                                     Melodiegestaltung», die dem kammermu-
                                               sikalischen Stil bis dato fremd gewesen
                                               ist. Und tatsächlich zeichnet sich das Werk
                                               durch heterogen nebeneinanderstehen-
                                               de Eigenheiten aus: Das erschütternde
                                               Quartmotiv zu Beginn, das als typisch-
                                               es Intonationsmotiv der ostmährischen­­ ­
                                               Volksmusik entstammt, fungiert als eine
                                               Art thematisches Motto der Rahmensätze.                                         Leoš Janácek
                                               Spannungsreiche Klangflächen und spie-                                          Porträt von Gustav Böhm, 1926

                                               lerische Themenkomplexe wechseln ein-
                                               ander ab. Polyrhythmisch gebrochen und
                                               in dynamische Extreme getrieben wendet
                                               sich das Geschehen vom Dramatisch-­
                                               Expressiven jäh ins ­Lyrisch-Intime: «jako v
                                               pláci» – «wie in Tränen» – beginnt der letz-
                                               te Satz im Adagio.
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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Böhmische Weisen                                                                                                                Nun lässt der englische Gebrauch der
  Uraufgeführt wurde Janaceks Streich-                                                                                           Wortkonstellation «Bohemian Rhapsody»
  quartett 1924 vom Böhmischen Quartett                                                                                          offen, ob es sich um böhmische Volks-
  (nach 1913 Ceské kvarteto), dem es auch                                                                                        weisen oder um bohemische Phantasien
  gewidmet ist. An der zweiten Violine sass                                                                                      handelt. Beide Deutungen finden sich an
  dabei Josef Suk, ein Lieblingsschüler von     Mit Beginn des Ersten Weltkrieges im                                             diesem Abend in gleichwertiger Weise
  Dvorák, dem er sogar seine Tochter ­O tilie   Spätsommer 1914 war das Böhmische                                                erfüllt: Die Konstellation von Streicher-
  ehelich anvertraute. Seine Vier ­Stücke       Quartett verpflichtet, seine Konzerte                                            kantilene, Choralmeditation und süss-
 für Violine und Klavier sind das Werk          stets mit der österreichischen Kaiser-                                           romantischer Ständchenmusik vereint
 ­eines reifen Grenzgängers, das der kaum       hymne zu beginnen. Doch Suk entschied                                            sowohl die Aspekte der phantastischen
  26-jährige Komponist im Frühling 1900         sich bald dagegen: Seine Meditation über                                         Darbietung als auch die Ausgelassen-
  vorlegte und seinem Quartettkollegen          den mittelalterlichen St. Wenzel-Choral                                          heit einer romantischen Abendstimmung.
  Karel Hoffmann widmete. So einfach die        (Svatováclavský chorál) komponierte er an                                        Alle Werke, verschieden in sozialer wie
  Struktur der Sätze daher kommt, sind sie      einem einzigen Tag. Der heilige Wenzel ist                                       musikhistorischer Herkunft, atmen doch
  doch deutlich voneinander unterschie-         Schutzpatron Böhmens und der Hymnus                                              den gleichen böhmischen Geist und be-
  den, im technischen Anspruch und stilis-      selbst gilt noch heute als eines der ältes-                                      reichern auf diese Weise in jedem Augen-
                                                                                               Böhmisches Quartett:
  tischen Tonfall: Während der erste Satz       ten Zeugnisse einer tschechischen Kultur,      Karel Hoffmann (1. Violine),
                                                                                                                                 blick unsere Ohren, so auch heute.
  Quasi ballata impressionistischen Geist       das zurück auf das 12. Jahrhundert da-         Josef Suk (2. Violine),
                                                                                               Hanuš Wihan (Violoncello),
  atmet, sind im nachfolgenden Appassio-        tiert. Suk verwendet eine phrygische Va-       Oskar Nedbal (Viola)
                                                                                                                                 Véra de Perregaux, Sascha Wegner
  nato Verweise auf die böhmische Folklore      riante des Chorals aus dem Jahr 1668 und       Photographie zwischen 1894–1898

  und ihre eigentümliche Rhythmik nicht zu      gliedert ihn in vier Episoden. Hervor sticht
  überhören. Un poco triste versprühen der      die dritte, in welcher die Fürbitte um
  dritte Satz und seine eindringliche Kan-      den Erhalt des «tschechischen Landes»
  tilene programmatisch grosse Intensität,      melodisch prägnant herausragt – dem
  jäh wechselnd mit tanzartigen Episoden,       ­Publikum dürften die Worte eindringlich
  worin sich der gelehrige Schüler Dvoráks       mitgeklungen und patriotische Wallun-
  zeigt. Feurig-rasant beschliesst hochvir-      gen evoziert haben, wenn es sinngemäss                                           Dieser Text wurde im Rahmen eines
  tuoses Violinspiel in der finalen Burlesque    heisst: «Du bist der Erbe des tschechi-                                          Programmheftseminars am Institut für
  den Reigen.                                    schen Landes, / erinnere dich an deinen                                          Musikwissenschaft der Universität Bern
                                                 Stamm / lass uns nicht sterben, / uns und                                        konzipiert, diskutiert und redaktionell
                                                 die Zukunft». Noch im selben Jahr wurde                                         ­betreut.
                                                 das Werk in einer Fassung für Streichor-
                                                 chester aufgeführt sowie für Klavier und
                                                 Orgel bearbeitet.

                                                                                                                                                                            13
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Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Biografien
 Antje Weithaas, Leitung und Violine                                                       In der Spielzeit 2020/21 setzt Antje Weit-    2019 wurden zwei CDs veröffentlicht:
 Energiegeladen durchdringt Antje Weit-                                                    haas erneut einen starken Akzent auf          eine Einspielung des Violinkonzerts von
 haas mit ihrer zwingenden musikalischen                                                   Beethovens Werke: Sein Violinkonzert          Robert Schumann und des Doppelkon-
 Intelligenz und ihrer beispiellosen tech-                                                 spielt sie in Bremerhaven, Schwerin und       zerts von Johannes Brahms mit der NDR
 nischen Souveränität jedes Detail im                                                      mit der Badischen Staatskapelle Karls-        Radiophilharmonie, dem Cellisten Maxi-
 ­Notentext. Ihr Charisma und ihre Bühnen-     Ihre ansteckende Begeisterungsfähig-        ruhe; beim Saisoneröffnungskonzert der        milian Hornung und dem Dirigenten An-
  präsenz fesseln, ohne sich je vor das Werk   keit macht Antje Weithaas auch zu einer     Kammerakademie Potsdam und für ihr            drew Manze sowie eine Aufnahme des
  zu drängen. Neben den grossen ­Konzerten     gefragten Leiterin bei play-conduct-­Pro-   Debüt beim Taiwan Phiharmonic Orches-         Violinkonzerts und der Konzert-Rhap-
  Mozarts, Beethovens und Schumanns und        jekten internationaler Kammerorchester.     tra leitet sie das Werk vom Solistenpult      sodie von Khachaturian mit dem Staats-
  neuen Werken wie Jörg Widmanns Violin-       Als künstlerische Leiterin der ­CAMERATA    aus. Beethovens Tripelkonzert interpre-       orchester Rheinische Philharmonie und
  konzert beinhaltet ihr weitgefächertes       BERN war sie fast zehn Jahre für das        tiert sie mit Marie-Elisabeth Hecker und      dem Dirigenten Daniel Raiskin.
  Konzertrepertoire auch Klassiker der Mo-     musikalische Profil des Ensembles ver-      Martin Helmchen beim Orchestre Philhar-
  derne wie Schostakowitsch, Prokofjew         antwortlich, mit dem sie weiterhin regel-   monique de Monte Carlo. Weitere Höhe-         Fortsetzung Seite 14  

  und Gubaidulina sowie selten gespielte       mässig zusammenarbeitet. Vom Pult der       punkte der Spielzeit sind Antje Weithaas’
  Violinkonzerte wie die von Hartmann und      Konzertmeisterin aus leitete sie sogar      Auftritte mit dem Residentie Orkest Den
  Schoeck.                                     grossformatige Werke wie die Sinfonien      Haag unter Jun Märkl und Antony Her-
                                               Beethovens und veröffentlichte Aufnah-      mus (Mozart und Mendelssohn), mit dem
                                               men von Werken Tschaikowskys, Brahms’,      MDR Sinfonieorchester unter Karl-Heinz
                                               Mendelssohns und Beethovens.                Steffens (Brahms), mit dem BBC Scottish
                                                                                           Symphony Orchestra unter Anja Bihlmaier
                                                                                           (Berg) und mit dem Jerusalem Symphony
                                                                                           Orchestra unter Antony Hermus (Sibe-
                                                                                           lius). Im Duo konzertiert sie weiterhin mit
                                                                                           dem Cembalisten Mahan Esfahani.

                                                                                           Antje Weithaas
                                                                                           © Giorgia Bertazzi

                                                                                                                                                                               15
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                                                                                           1. Violine   Antje Weithaas
                                                                                                        Suyeon Kang
                                                                                                        Simone Roggen
                                                                                                        Oszkár Varga

                                                                                           2. Violine   Mariya Krasnyuk
                                                                                                        Sibylla Leuenberger
                                                                                                        Michael Bollin
                                                                                                        Christina Merblum-Bollschweiler
             Gabrielle Brunner
              © LISA+REMO UBEZIO                                                           Viola        Manuel Hofer
                                                                                                        Alejandro Mettler
                                                                                                        Friedemann Jähnig

                                                                                           Cello        Thomas Kaufmann
 Gabrielle Brunner, Nachkomposition                                                                     Martin Merker
 Gabrielle Brunner ist im In- und Ausland     Seither schrieb sie zahlreiche Auftrags-
 sowohl als Interpretin als auch als Kom-     kompositionen u.a für die Ensembles          Kontrabass   Käthi Steuri
 ponistin tätig. Sie wuchs in einer Schwei-   Ensemble Zora, Spyros Klaviertrio, En-
                                              ­
 zer Musikerfamilie in München auf und        semble Proton und für die CAMERATA
 wurde früh durch ihren Vater, den Klari-     BERN, für das Berner Kammerorchester,
 nettisten Eduard Brunner, besonders mit      für die Chöre Chor 21 und Novantiqua
 der zeitgenössischen klassischen Musik       sowie für die Musikreihen und Festivals
 vertraut. Bis zum Abitur war sie Schüle-     Lucerne Festival, Musikfestival Bern und
 rin der Geigerin Ana Chumachenko. Nach       Kirche Pilgerweg Bielersee.
 dem Solistendiplom bei Eva Zurbrügg in
 Bern besuchte sie die Meisterklasse von      2011 war sie Stipendiatin für ein Aufent-
 Professor Igor Ozim. Studien bei György      haltsstipendium in Edenkoben, Deutsch-
 Kurtág und unzählige Ur-und Erstauffüh-      land.
 rungen bildeten den Grundstein für den
 späteren kompositorischen Weg, der mit       In der Saison 2021/22 wird Gabrielle Brun-
 dem Studium für Komposition bei Daniel       ner Composer in Residence der CAMERATA
 Glaus 2007–2009 in Zürich seinen Anfang      BERN sein.
 nahm.
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                                                                                                                                          17
Bohemian Rhapsody CAMERATA BERN - Antje Weithaas So 18.10.20 - 17.00 Uhr Theater National Bern
Nächste Konzerte und
                                        Veranstaltungen
                                        Die verlorene Insel                          Death and the Maiden
                                        Familienkonzert                              Montag, 22. März 2021 — 19.30 Uhr
                                         Samstag, 21. November 2020 — 14.00          Bern, Casino Bern
         CAMERATA BERN
         © Julia Wesely
                                         und 16.00 Uhr
                                         Bolligen, Aula Eisengasse                   Tournee
                                         —                                           Mittwoch, 24. März 2021 — 19.30 Uhr
                                         Sibylla Leuenberger – Konzept und           Wien, Wiener Konzerthaus
                                        ­Moderation                                  Freitag, 26. März 2021 — 19.30 Uhr
                                         Eine Geschichte mit Musik von J. S. Bach,   Budapest, Franz-Liszt-Akademie
                                         Couperin, Boccherini und Weiteren           Samstag, 27. März 2021 — 19.30 Uhr
                                                                                     London, Southbank Centre
                                                                                     Montag, 29. März 2021 — 20.00 Uhr
                                        Herzbeben                                    Antwerpen, deSingel
                                        Sonntag, 13. Dezember 2020 — 11.00           Mittwoch, 31. März 2021 — 20.00 Uhr
                                        und 17.00 Uhr                                Hamburg, Elbphilharmonie
                                        Bern, Zentrum Paul Klee                      —
                                        —                                            Patricia Kopatchinskaja – Konzept,
         Impressum                      Antje Weithaas – Leitung und Violine         ­Leitung und Violine
                                        Werke von Mendelssohn Bartholdy,              Werke von Schubert, Kurtág, Mendels-
                                        ­Weinberg und Beethoven                       sohn Bartholdy und Weiteren
         Redaktion                       (11.00 Uhr, Zusatzkonzert: Weinberg
         CAMERATA BERN                   und Beethoven)
                                                                                     Geheimnis
         Gestaltung                                                                  Sonntag, 16. Mai 2021 — 17.00 Uhr
         diff. Kommunikation AG, Bern   Vivaldis Freunde                             Bern, Zentrum Paul Klee
                                        Sonntag, 7. Februar 2021 — 17.00 Uhr         —
         Druck                          Bern, Zentrum Paul Klee                      Lorenza Borrani – Leitung und Violine
         Tanner Druck AG, Langnau       —                                            Werke von Schnittke und Schubert
                                        Sergio Azzolini – Leitung und Fagott
                                        Werke von Vivaldi, Pisendel, Reichenauer
 Danke                                  und Fasch

                                                                                     Weitere Konzerte und Informationen
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                                                                                                                             19
18
IN FLAGRANTI
«Wenn wir ein neues
Kapitel aufschlagen.»
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