Brief des Erzbischofs - Hoffnung in Solidarität - Beiträge des Erzbischofs (20) - Erzbistum Paderborn

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Brief des Erzbischofs - Hoffnung in Solidarität - Beiträge des Erzbischofs (20) - Erzbistum Paderborn
Beiträge des Erzbischofs (20)

Hoffnung
in Solidarität

Brief des
Erzbischofs
zur Fastenzeit 2021
Brief des Erzbischofs - Hoffnung in Solidarität - Beiträge des Erzbischofs (20) - Erzbistum Paderborn
Hoffnung in Solidarität
Brief von Erzbischof Hans-Josef Becker zur Fastenzeit 2021

Liebe Schwestern und Brüder!              Wenn ich die Botschaft Jesu ernst neh-
                                          me, meine ich nicht mehr, die Anderen
Nur wenige Wochen liegt das denk-         müssten sich um mich drehen. Ich
würdige Weihnachtsfest 2020 hinter        sehe mich vielmehr als eines von vielen
uns. Da feierten wir: In Jesus Christus   Geschöpfen, die sich gemeinsam um
ist Gott über sich hinausgegangen, auf    Gott als ihre Mitte bewegen und die
den Menschen und auf die gesamte          von ihm her gehalten sind. Das ist eine
Schöpfung zu. Damit setzen wir unsere     Revolution des Denkens und unserer
Hoffnung auf jemanden, der vor über       Lebensart.
2000 Jahren auf der Erde gelebt hat
und einer von uns war.                    NICHT WIR SIND DAS MAẞ
Das ist die Botschaft bis heute: Je-
sus Christus ist die Mitte und das Ziel   Jesus Christus ist für uns die Mitte,
unseres Lebens: Als einzigartige und      er ist das Alpha und das Omega, der
konkrete Person ist er für uns der An-    Anfang und das Ende. „Auf ihn hin ist
stoß, ebenso über uns hinauszugehen,      alles erschaffen“ (Kolosserbrief 1,16).
auf Gott, auf unsere Mitmenschen          Diese Erkenntnis befreit uns von dem
und auf alles Lebendige zu.               Größenwahn, uns selbst zum Maß und
                                          als Herrschende über unsere Mitmen-
In früheren Jahrhunderten wurde der       schen und die Natur zu erheben. Wie
Mensch häufig als der Mittelpunkt der     falsch und pathologisch dieses Denken
Welt gesehen. In der Regel denken wir     war und immer noch ist, das sehen
heute nicht mehr, dass wir das sind       wir in den großen Krisen unserer Zeit:
und dass sich alles um uns drehen         in den Kriegen, im Desaster von Ver-
muss. Eine solche Vorstellung war         treibung und Flucht, im Klimawandel,
und ist eine Illusion.                    in der Zerstörung von Lebensräumen

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und im Verlust der Artenvielfalt. Papst immer schon waren angesichts von
 Franziskus hat uns in den letzten Jah- Naturkatastrophen oder auch in der
 ren oft vor Augen gestellt, dass der aktuellen Pandemie.
Schaden immens ist, den wir der Welt
 und uns selbst zugefügt haben.          SOLIDARITÄT:
„Die Erde scheint sich immer mehr in WIE GOTT UNSERE WELT BERÜHRT
 eine unermessliche Mülldeponie zu
 verwandeln“,1 sagt der Papst, und wir Für uns Christinnen und Christen gilt
 haben an dieser „Vermüllung“ mit- das Wort des Leipziger Dichterpries-
 gewirkt und tun es immer noch. Hier ters Andreas Knapp (geb. 1958), wenn
 setzt die Botschaft der österlichen er von Gott spricht und über Jesus
 Bußzeit konkret an. Es gibt Anzeichen, Christus sagt: „mit diesen Händen
 dass sich unser Denken verändert, vor aber / berührst Du Deine Welt“ 2.
 allem auch bei jungen Menschen. Viele „Mit diesen Händen“, mit den Händen
 von ihnen wollen die bisher verbreitete des Jesus von Nazareth, berührt Gott
 Lebensweise nicht mehr einfach so unsere Welt: alles, die Menschen, die
 akzeptieren.                            Tiere, die Pflanzen, die ganze Schöp-
Zugleich sehen wir, wie klein und ver- fung. Im Mann aus Galiläa ist Gott für
 letzlich wir vermeintlichen Riesen immer da und solidarisiert sich mit
 doch sind – weil wir es ja eigentlich allem, was lebt. Und diese Solidarität,

1
   nzyklika Laudato si’. Über die Sorge um das gemeinsame Haus. Enzyklika. Hg. vom Sekretariat der
  E
   Deutschen Bischofskonferenz (Verlautbarungen des Heiligen Stuhls, Nr. 202). Bonn 2015. Zum Download
  unter: www.dbk.de.
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  Andreas Knapp, Tiefer als das Meer. Gedichte zum Glauben. Mit einem Essay v. Eberhard Tiefensee.
   Würzburg 2016, 19.

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Brief des Erzbischofs - Hoffnung in Solidarität - Beiträge des Erzbischofs (20) - Erzbistum Paderborn
die Botschaft Jesu, hat Christinnen                         nis: Wer du auch bist, du bist von Gott
und Christen von Anfang an dazu in-                         geliebt. Er sagt Ja zu dir. Er will, dass
spiriert, nach seinem Beispiel zu leben.                    dein Leben gelingt.

                                                           Diese Erfahrung hat all jene ermutigt
NÄCHSTENLIEBE UND                                          und befähigt, solidarisch zu leben, die
                                                           Jesus gefolgt sind. Auch wir folgen
SOLIDARITÄT MIT DEN                                        keiner abstrakten Lehre, sondern einer
ANDEREN, MIT ALLEM, WAS LEBT,                              Person, und unser Tun folgt seiner
SIND DIE TÄGLICHE NAGELPROBE                               Botschaft. Nächstenliebe und Solidari-
                                                           tät mit den Anderen, mit allem, was
DER ERNSTHAFTIGKEIT UNSERER
                                                           lebt, sind die tägliche Nagelprobe der
GOTTESLIEBE .                                              Ernsthaftigkeit unserer Gottesliebe.

                                                            WIE KÖNNEN WIR SOLIDARISCH
Täglich gelebte Solidarität zieht sich                      LEBEN UND ANDERE ERMUTIGEN,
deshalb wie ein roter Faden durch die                       ES ZU TUN?
gesamte Kirchengeschichte von der
Urgemeinde in Jerusalem bis heute.3                         In diesen Tagen ist viel vom „Licht am
Die Botschaft Jesu und die Erfahrung                        Ende des Tunnels“ und von der Hoff-
der Christinnen und Christen durch                          nung die Rede. Ohne Hoffnung würde
alle Jahrhunderte münden in das Zeug-                       sich unser Leben auf die manchmal

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    I ch denke vor allem an die persönliche Caritas der einzelnen Christinnen und Christen über die Jahr­hunderte
     hinweg, aber auch an die frühe gemeindliche Fürsorge für die Armen, an die Hospize im Mittelalter und an
     die Entwicklung der christlichen Caritas bis hin zu ihrer modernen verbandlichen Struktur. Ebenso denke ich
     an die vielfältige Solidarität der Ordensgemeinschaften, Hilfswerke und Initiativen.

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trostlose Gegenwart verengen. Doch       heraufbeschwören, haben Zulauf.
solange gehofft wird, bleibt das Leben   Dem müssen wir mit aller Kraft ent-
sinnvoll und lebenswert.                 gegenwirken. Denn auf die Politik zu
Hoffnung darf nicht trügerisch sein.     schimpfen, das ist leicht. Gute Politik
Dann verblendet sie uns, und wir         zu machen, hingegen schwer.
geben uns Illusionen und Fantasien
hin. Wir handeln dann schnell über-      Viele von Ihnen, Schwestern und
trieben, unmenschlich, auf Kosten        Brüder, kommen auf verschiedenen
der Anderen, mit einem Wort: unso-       Ebenen ihrer politischen, gesellschaft-
lidarisch. Hoffnung hat deshalb auch     lichen und auch ökologischen Verant-
mit Maßhalten und Bescheidenheit zu      wortung solidarisch nach. Ihr Engage-
tun. Zur Hoffnung gehört der Respekt     ment verdient höchste Anerkennung.
voreinander, die Rücksichtnahme –        Denn nicht Staats- und Politikverdros-
und damit die Solidarität. Gelebter      senheit führen uns aus Krisen heraus,
Respekt kann ungemein viel bewirken      sondern nur die tägliche und oft müh-
und verändern, bei den Anderen und       selige Suche nach gerechten Wegen.
auch in uns selbst.
Unsere Hoffnung aber empfängt ihr
Maß von Jesus Christus und von seiner    UNSERE   HOFFNUNG
Solidarität mit allem Lebendigen.
                                         EMPFÄNGT IHR M A ẞ VON

Ich beobachte heute ein bedenkliches     JESUS CHRISTUS
Maß an Politik- und Staatsverdros-       UND VON SEINER
senheit. Parteien und Gruppierungen,
die den Geist von Nationalismus und      SOLIDARITÄT
Gruppenegoismus fördern bzw. neu         MIT ALLEM LEBENDIGEN.

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Nicht wir sind das Maß:
Jesus Christus ist die Mitte
Pfingsten | Osnabrücker Altar | Westfälischer Meister
um 1370–1380 | Köln, Wallraf-Richartz-Museum |
© akg-images
Ein „Standort Deutschland“ ohne So- Heute und für das Morgen engagiert
lidarität steht auf tönernen Füßen. und solidarisch zu gestalten haben.
Ohne gerechte Verteilung des wach-
senden Volksvermögens, der Arbeit WEGE IN DIE ZUKUNFT
und des Wohnraums und ohne soli-
darische Absicherung von Krankheit Als Kirche von Paderborn stellen wir
und Pflegebedürftigkeit werden wir uns dem Anspruch einer solidarischen
scheitern. Solidarität hat mit „solide“ und lebenswerten Gegenwart und
zu tun. Das gilt auch für unseren Um- Zukunft. Das soziale und ökologische
gang mit der Natur. Niemals dürfen Engagement im Erzbistum zeigt sich
wir diesen Anspruch übersehen oder bereits jetzt in vielen Bereichen. Für
vergessen: Ohne Solidarität mit unse- Seelsorge, caritative Aufgaben und
ren Mitmenschen und mit der Natur Bildung setzt das Bistum den größten
kein solides Gemeinwesen!               Teil seiner personellen Ressourcen und
                                        finanziellen Mittel ein. Damit über-
Wenn wir von Solidarität sprechen, nimmt die Kirche von Paderborn über
müssen wir zudem an die Menschen konfessionelle und weltanschauliche
und die Natur in den anderen Teilen Grenzen hinweg gesamtgesellschaft-
der Welt denken, besonders in der süd- liche Aufgaben, die der Solidarität und
lichen Hemisphäre, und an die künfti- dem Zusammenhalt insgesamt die-
gen Generationen. Die Nachwirkungen nen. Wir nehmen die Verpflichtung
der Corona-Pandemie werden uns zum Klimaschutz und zum Erhalt der
noch lange herausfordern. Alle gehö- Artenvielfalt sehr ernst. Unter dem
ren wir in das „gemeinsame Haus“, von Leitwort „Ressourcen schonen. Schöp-
dem Papst Franziskus so eindringlich fung bewahren“ haben wir deshalb
spricht. Es ist unser Haus, das wir im eine Reihe von Umweltschutzaktivi-

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täten entwickelt und gebündelt. Das präsident und Schriftsteller Václav
sind wichtige Schritte, denen weitere Havel (1936-2011) einmal sagte:
folgen müssen. Wir werden diese Vor- „Das Leben ist viel zu kostbar, als dass
haben auch in der Zeit nach Corona wir es entwerten dürften, indem wir
fortsetzen und intensivieren. Dazu es leer und hohl, ohne Sinn, ohne Liebe
sind wir bereit und gut aufgestellt.4 und letztlich ohne Hoffnung verstrei-
                                      chen lassen.“ 5

OHNE     SOLIDARITÄT                                   Manchmal kommt es mir so vor, als
MIT UNSEREN         MITMENSCHEN                        ob kaum ein Tag vergeht, ohne dass
UND    MIT DER NATUR                                   wir Menschen einander das Leben
                                                       schwer machen. Hüten wir uns vor
GIBT ES KEIN SOLIDES
                                                       schlimmen Hasstiraden und wüsten
GEMEINWESEN.                                           Beschimpfungen. Hüten wir uns davor,
                                                       bewusst oder auch nur gedankenlos
Schwestern und Brüder, bleiben wir                     übereinander herzuziehen, uns vor-
fest in der Hoffnung, dass unser Leben                 zudrängeln oder Andere abzuwerten!
reich ist, dass alles Leben aufgehoben                 Gehen wir barmherzig und rücksichts-
ist in der Hand Gottes und letztlich                   voll miteinander um, so wie Jesus es
gelingen wird. Es ist die Hoffnung, von                getan hat und Gott es tut. Glaube,
der der ehemalige tschechische Staats-                 Hoffnung und Liebe – das macht unser

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    ine Frucht davon wird sein, dass es eine Klimaschutzmanagerin bzw. einen Klimaschutzmanager
   E
   des Erzbistums geben wird. Zum Thema auch: www.erzbistum-paderborn.de/erzbistum-erzbischof/
   nachhaltigkeit-klimaschutz/umwelt/.
5
  Vgl. dazu besonders: Václav Havel, Briefe an Olga. Betrachtungen aus dem Gefängnis. Reinbek b. Hamburg
  2018. Ders., Moral in Zeiten der Globalisierung. Reinbek b. Hamburg 2018 (= reihe rowohlt repertoire).

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Leben aus: Solidarität und Mitgefühl
für die Anderen und die ganze Schöp-
fung. Das ist unser Weg in der Spur des
menschgewordenen Gottessohnes.

Lassen Sie mich mit einer Bitte schlie-
ßen: Beten Sie mit mir in dieser vorös-
terlichen Zeit gerade auch für die, die
sich für Andere über das erwartbare
Maß hinaus einsetzen, in der Politik,
in der Gesellschaft, in der Kirche, in
unserem Alltag. Beten wir gemeinsam
für uns alle um die Kraft des Geistes
Jesu Christi, des Geistes der Hoffnung
und Solidarität, des Heiligen Geistes,
der alles, was ist, lebendig hält.

LESETIPPS

Papst Franziskus, Fratelli tutti.
Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft. Enzyklika.
Hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Verlautbarungen des
Heiligen Stuhls, Nr. 227). Bonn 2020. Zum Download unter: www.dbk.de.

Papst Franziskus, Wage zu träumen!
Mit Zuversicht aus der Krise. München 2020.

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Ich grüße Sie mit herzlichen Segens-
                                              wünschen. Vor allem auch grüße ich
                                              die Familien, die K­ inder und die alten
                                              und einsamen ­Menschen, die es in
                                              dieser Zeit b­ esonders schwer haben.
                                              Gehen wir alle gemeinsam und zuver-
                                              sichtlich auf das Fest der A
                                                                         ­ uferstehung
                                              unseres Herrn zu!

                                              Ihr Erzbischof

                                               Paderborn, am Fest des hl. Julian, 27. 1. 2021

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