Buddhismus an deutschen Schulen - Schwerpunkt: Hamburg & Berlin März 2016
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Buddhismus an deutschen Schulen Schwerpunkt: Hamburg & Berlin März 2016
Buddhismus an deutschen Schulen Schwerpunkt: Hamburg & Berlin März 2016
IMPRESSUM Deutsche Buddhistische Union Khyentse Foundation Buddhismus an deutschen Schulen Dachverband der Buddhisten und Buddhas Weisheit für alle München, 2. Auflage, März 2017 buddhistischen Gemeinschaften HERAUSGEBER: in Deutschland Deutsche Buddhistische Union Amalienstraße 71 Ziel der DBU ist die Entwicklung eines Die Khyentse Foundation ist eine gemein- 80799 München authentischen Buddhismus im Westen. nützige Stiftung, die 2001 von Dzongsar Germany Dieser soll zeitgemäß und verständlich Khyentse Rinpoche gegründet wurde, um TELEFON: +49 (0) 89 - 45 20 69 3-0 vermittelt werden. Die DBU will den Studium und Praxis in allen Traditionen TELEFAX: +49 (0) 89 - 45 20 69 329 Rahmen schaffen für den Austausch aller des Buddhismus zu fördern. Seit 2001 hat E-MAIL: info@dbu-brg.org buddhistischen Traditionen in Deutsch- die Stiftung Individuen und Institutionen www.buddhismus-deutschland.de land. Sie ist Partner für den interdiszipli- in mehr als 30 Ländern unterstützt und Dies Projekt wurde durch Initiative nären und interreligiösen Dialog unserer damit das Leben vieler Menschen auf der und Ko-Finanzierung der Gesellschaft, Interessierten stellt sie eine Welt verändert. Zu den Aktivitäten der Khyentse Foundation möglich. Vielzahl von Infos zu buddhistischen Khyentse Foundation gehören in großem REDAKTIONSTEAM: Themen bereit und versteht sich als Umfang Erhalt und Konservierung von Michael Gerhard, Martin Ramstedt, neutrale Auskunftsstelle. Erstmals in der Texten sowie Übersetzungsprojekte, Carola Roloff, Doris Wolter historischen Entwicklung des Buddhis- Unterstützung traditioneller Klöster und mus sind alle Haupttraditionen in einem deren Studienkollegs in Asien, weltweite LAYOUT: Werner Steiner Land organisatorisch vertreten. Um die Förderungen und Auszeichnungen beson- DRUCK: Manjughosha Edition Einigkeit und Geschlossenheit der deut- derer Leistungen, Entwicklung akade- CPI books GmbH schen Buddhisten sichtbar zu machen, mischer buddhistischer Studiengänge FOTOS: Werner Heidenreich, wurde im Jahr 1984 im Westen Einzigar- in großen Universitäten, Schulungen Dr. Andreas Lohmann/Akademie der tiges geleistet: Es wurde ein gemeinsa- und Weiterbildungen für buddhistische Weltreligionen, Universität Hamburg, mes Bekenntnis verabschiedet, das von Lehrer und Führungspersönlichkeiten, Werner Steiner, Karen Kold Wagner, allen Schulen anerkannt wird. Dieses buddhistische Erziehung für Kinder, För- Marlene Wantzen, Doris Wolter Bekenntnis ist Leitlinie und Grundlage derung von individuellem Studium und © ALLE RECHTE VORBEHALTEN: aller Aktivitäten der DBU. Praxisklausuren u.a.m. Deutsche Buddhistische Union buddhismus-deutschland.de khyentsefoundation.org ISBN : 978-3-945731-13-0 Gestaltung, Satz und Druck waren aufgrund einer privaten Spende möglich. Der Spender möchte anonym bleiben. Herausgeber und Redaktions- team danken dem Spender.
Buddhismus an deutschen Schulen Schwerpunkt: Hamburg & Berlin März 2016
Buddhismus an deutschen Schulen Inhalt Vorwort und Überblick 10 1. Einführung 13 1.1. „Religion“ in Deutschland 15 1.2. Religionsunterricht in Deutschland 16 2. Ethik/LER/Philosophie/Werte und Normen-Unterricht in Deutschland 18 3. Buddhismus-Unterricht an deutschen Schulen 19 3.1. Buddhismus-Unterricht im Fach „Religion“ 19 3.1.1. Buddhismus im Religionsunterricht an Hamburger Schulen 19 3.1.2. Buddhismus im Religionsunterricht an Berliner Schulen 22 3.2. Buddhismus-Unterricht im Fach Ethik 24 3.2.1. Buddhismus im Ethik-Unterricht an Hamburger Schulen 24 3.2.2. Buddhismus im Ethik-Unterricht an Berliner Schulen 25 3.3. Einzelinitiativen an deutschen Schulen 25 4. Fortbildungsangebote und Qualifikation von Buddhismus-Lehrkräften 26 für öffentliche Schulen 4.1. Buddhismus-Studien an deutschen Universitäten 26 4.2. Fortbildung zum Buddhismus für Ethiklehrkräfte 28 4.3. Das „Studienprogramm“ und die „Arbeitsgemeinschaft Unterricht“ 29 der Deutschen Buddhistischen Union 4.4. Fortbildungsangebote und Unterrichtsmaterialien ausgewählter 30 buddhistischer Gemeinschaften 4.4.1. Systematisches Studium des Buddhismus am Tibetischen Zentrum e.V. Hamburg 31 8
Buddhismus an deutschen Schulen 4.4.2. Fortbildung am Tibet-Haus in Frankfurt am Main 31 4.4.3. Das Angebot der Diamantweg-Stiftung 31 4.4.4. Texte und Materialien zum Buddhismus der Buddhistischen Gemeinschaft 31 Triratna (Essen) e.V. 4.4.5. Studien- und Praxispfad von Rigpa Deutschland e.V. 32 4.5. Unterrichtsmaterialien von nicht-buddhistischen Anbietern 32 5. Perspektiven und Empfehlungen 33 5.1. Zur Förderung und Verbesserung des Buddhismus-Unterrichts an 33 deutschen Schulen 5.2. Zur allgemeinen Verbesserung der Repräsentation buddhistischer Inhalte 35 und Werte in der deutschen Gesellschaft Endnoten 36 6. Anhang 36 6.1. Overview on the Training Program for Teachers of Buddhist Religious 39 Education at Public Schools in Germany 6.2. DBU-Studienordnung für das Studium des Fachs „Buddhistische 59 Religionslehre“ 6.3. DBU-Prüfungsordnung für das Studium des Fachs „Buddhistische 63 Religionslehre“ 9
Vorwort und Überblick © Universität Hamburg Im Jahre 2013 begann ein erster Austausch zwischen Ethik, Philosophie und Religion) projektiv und langfris- der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) und der tig mit DBU-Autorisation möglich ist, als buddhistische Khyentse Foundation (KF) über Möglichkeiten und Initi- LehrerInnen an staatlichen und privaten Bildungsinsti- ativen zur langfristigen Integration eines authentischen tutionen in Deutschland „authentischen Buddhismus“ Buddhismus im deutschen Bildungssystem. Ein Antrag (d. h. quellenorientiert, traditionsübergreifend, kultur- von Seiten der DBU zur Ko-Finanzierung einer konkre- kontextunabhängig) zu unterrichten. Hier galt es nun ten Durchführung wurde im Herbst 2014 von der KF in einer ersten Vorarbeit, die sich bereits zu etablieren positiv beschieden, so dass eine Eruierung bundeslän- beginnenden Modelle und Ansprechpartner staatli- derspezifischer curricularer Standards für buddhistische cherseits und damit die Bedingungen der Möglichkeit Lehrinhalte in Deutschland im Jahre 2015 durchgeführt einer bildungspolitischen Mit- und Zusammenarbeit zu werden konnte. Diese erste und vorläufige Auswertung eruieren. Aus diesem Grunde standen in einem ersten kommt zu einer positiven Einschätzung: Die deutsche Durchgang der Untersuchung die Bundesländer Ham- Bildungspolitik fragt die Buddhisten in Deutschland, burg und Berlin im Fokus. respektive ihren Dachverband, die DBU, nach akkredi- tierten Standards an, um gemeinsam zertifizierungsfä- In Berlin stellt neben dem Buddhistischen Religi- hige Lehr- sowie Ausbildungsinhalte hinsichtlich eines onsunterricht das Fach Ethik ein integratives Modell authentischen Buddhismus im bundesrepublikanischen des gemeinsamen und verpflichtenden Ethikunterrich- Bildungssystem etablieren zu können. tes für alle Schüler der mittleren Jahrgangsstufen dar. Dies wird lokal als angemessenes und zukunftsweisen- In diesem vorerst auf drei Monate beschränkten des Modell angesehen, gerade weil es vorrangig säku- Projekt sollte untersucht werden, unter welchen Voraus- lar ausgerichtet ist, darüber hinaus aber dennoch die setzungen es deutschen LehrerInnen (Staatsexamina Weltreligionen mit einbezieht und so speziell seinem 10
Vorwort und Überblick Selbstverständnis nach einer zunehmend multikultu- und stellt sie thematisch aufgearbeitet, klassen- und rellen Gesellschaft, welche einen hohen Prozentsatz an altersstufengerecht, kostenfrei online zur Verfügung. Schülern mit Migrationshintergrund aufweist, adäquat Zielgruppen sind gleichfalls Philosophie-, Ethik- und Re- erscheint. ligionslehrerInnen u. a. in den schulischen Bereichen der Fächer Ethik, LER (Lebenskunde, Ethik, Religion), Philo- Im Bundesland Hamburg wurde bereits 2010 ein sophie, Philosophie/Ethik, Praktische Philosophie, Werte Grundlagenvertrag mit den ortsansässigen muslimi- und Normen sowie des konfessionsgebundenen Religi- schen Gemeinschaften geschlossen. An der Universität onsunterrichtes. Hamburg etablierte sich eine Akademie der Weltreligi- onen (AWR) und wurde ein Master of Arts Studiengang Neben einem hinsichtlich des Untersuchungsgegen- „Religionen, Dialog und Bildung“ eingerichtet. Der in standes indifferenten Angebots an deutschen Universi- Hamburg vertretene Ansatz eines „Religionsunterrich- täten (Hamburg, München, Heidelberg, Mainz u. a.), in tes für alle“ entspringt einer langjährigen und erfolg- der staatlichen LehrerInnenfortbildung (Mainz u. a.) und reichen Zusammenarbeit der Hamburger Religionsge- solitären Privatinitiativen (Werner Heidenreich in Köln meinschaften und wird auch von diesen im Sinne einer u. a.), welche alle meist ad personam durch Einzelengage- inter- und transreligiösen Dialogkultur getragen. ment getragen werden, sind es vereinzelt buddhistische Gemeinschaften in Deutschland, welche die Bildungs- Beide Modelle laden zur Mitarbeit von Buddhisten landschaft traditionsorientiert, strukturiert und teils mo- ein, stellen aber als im besten Falle dialogische Kon- dularisiert, allerdings weder akkreditiert noch zertifiziert, sensmodelle keinen genuin buddhistischen Beitrag bedienen: repräsentativ erwähnt seien hier das Tibeti- zur Bildungslandschaft dar. Hier setzt nun ein Arbeits- sche Zentrum e.V. in Hamburg, die Buddhismus Stiftung schwerpunkt der Bildungspolitik der DBU an: Studien- Diamantweg in Darmstadt, die Buddhistische Gemein- programm und Arbeitsgemeinschaft Unterricht (AG U). schaft Triratna (Essen) e.V., das Tibethaus Deutschland e.V. in Frankfurt am Main, Rigpa Deutschland e.V. Im Zentrum des Studienprogrammes der DBU steht die Vermittlung des Buddhismus in seiner Vielfalt der Bei letztgenannten traditionsorientierten Initiati- Traditionen in Deutschland. Die ReferentInnen dieses ven überwiegt der Eindruck, dass sich Lehrer-Innen zwar Studienprogrammes entstammen repräsentativ den qualitativ als BuddhismuslehrerInnen grundsätzlich unterschiedlichen buddhistischen Traditionsrichtun- bilden lassen können, das Angebot der buddhistischen gen, welches somit in dieser Weise durchaus als ein All- Gemeinschaften selber jedoch primär und beabsichtigt leinstellungsmerkmal dieses Ausbildungsprogrammes der Eigenschulung der Teilnehmer und weniger der Aus- in Deutschland zu bezeichnen ist. In besonderer Weise bildung von buddhistischen LehrerInnen an stattlichen kann und soll das Studienprogramm für die Fortbildung Bildungseinrichtungen gilt. im schulischen Bereich von Philosophie-, Ethik- und Reli- gionslehrerInnen u. a. genutzt werden. In einem Schrei- In einem nächsten folgerichtigen Schritt müssen ben vom 25. Februar 2016 hält der Berliner Senat dieses nun diese Aktivitäten gebündelt und den staatlichen Studienprogramm „grundsätzlich für geeignet“, den An- Bildungsträgern (Kultusministerien und Senaten der forderungen des Berliner Schulgesetzes zu entsprechen. Bundesländer) als Konzept einer „LehrerInnenausbil- So werden mit dem Jahre 2016 von Seiten der DBU auch dung Buddhismus“ bzw. eines „buddhistischen (Reli- die ersten Schritte hin zur Akkreditierung und damit zur gions-) Unterrichtes“ vorgestellt werden. Für die DBU Zertifizierung eines buddhistischen Studienprogram- wird es als Gesprächspartner von immenser Bedeutung mes unternommen. sein, sich hier zeitnah im schulischen Bildungsbereich qualitativ und quantitativ präsentieren zu können. Die AG U erarbeitet und sammelt schulische Unter- richtsentwürfe, Texte und Unterrichtsmaterialien für ei- In allen Bundesländern wird im Fach Ethik (Philo- nen authentischen Buddhismusunterricht an deutschen sophie, Philosophie/Ethik, Praktische Philosophie, LER, Schulen sowie (Fort-/Weiter-) Bildungseinrichtungen Werte und Normen) auch Religionskunde vermittelt. 11
Buddhismus an deutschen Schulen Dies bedeutet für eine DBU als Gesprächspartner mit • „Qualitätslabel DBU“: Kommission innerhalb der staatlichen und privaten Bildungsinstitutionen: DBU zur Qualitätssicherung der traditionsüber- greifenden Ausbildungs- und Lehrinhalte • Fokussierung auf den Beitrag buddhistischer Kon- zepte, Werte, Normen und buddhistischer Ethik • Entwicklung von juristischen und politischen Stra- zum in allen Bundesländern angebotenen Ethik-, tegien im Umgang mit Vorgaben der staatlichen Philosophie- und Religionsunterricht Religionspolitik nicht zuletzt im Bildungsbereich • Kompetenzbildung (Fach-, Methoden-, Sozial- u. • Entwicklungen von Maßnahmen zur bildungspoli- Personalkompetenz) im Buddhismus-Unterricht: tischen Integration bisher nicht in der DBU vertre- Achtsamkeit und Mitgefühl als berufsqualifizie- tener buddhistischer Gemeinschaften in Deutsch- rende Grundkompetenzen buddhistischer Bildungs- land (bspw. vietnamesische, thailändische und arbeit in einer von kultureller und ethnischer Di- chinesische Tempelgemeinschaften) versität geprägten Gesellschaft Bis zur qualitativ und quantitativ vollendeten Umset- • Aufbau einer zertifizierungsfähigen Fortbildungs- zung dieses genuin buddhistischen Beitrages „Lehrer- institution (Lehre und Lehrinhalt) innerhalb der Innenausbildung Buddhismus“ bzw. „buddhistischer DBU (Religions-)Unterricht“ scheint eine intensive Mit- und Zusammenarbeit an den oben angeführten zwei Mo- dellen in Berlin (säkular, integrativ) und Hamburg (di- alogisch, inter- und transreligiös) unter Einbeziehung erwähnter universitärer, privater und traditionsorien- tierter buddhistischer Anbieter sinnvoll. Eröffnet doch gerade eine vordergründige Ausschließlichkeit von säku- lar (Berlin) und religiös (Hamburg) der DBU die Möglich- keit, sich der in dieser Frage durchaus polar aufgestell- ten Bildungslandschaft der deutschen Bundesländer als Gesprächspartner anzubieten. Zum Schluss bleibt mir die angenehme Pflicht, mich bei Doris Wolter, Dr. Carola Roloff (Jampa Tsedroen), PD Dr. Martin Ramstedt und Wilfried Silbernagel auf das herz- lichste für die Arbeit und Mitarbeit an dieser Projekt- studie zu bedanken, welche ohne die genannten nicht hätte realisiert werden können. Auch darf ich mich stellvertretend bei Gunnar Gantzhorn (1. Vorsitzender der Deutschen Buddhisti- schen Union) und Cangioli Che (Executive Director der Khyentse Foundation) recht herzlich für das Vertrauen ihrer jeweiligen Institutionen bedanken, welches sie die- sem Projekt durch ihre vollumfänglich jeweils hälftige Finanzierung entgegengebracht haben. © Universität Hamburg Michael Gerhard (März 2016) 12
1. Einführung Das Projekt „Buddhismus an deutschen Schulen“ mit richtungen; Möglichkeit der Einrichtung buddhis- dem Schwerpunkt Hamburg und Berlin wurde von der tischer Friedhöfe; Zugang zu öffentlichen Mitteln gemeinnützigen Khyentse Foundation1 gemeinsam mit für die Errichtung sozialer Einrichtungen wie Ju- der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) gefördert. gendheime, Seniorenheime und Hospize; Anrecht Die Khyentse Foundation betraute wiederum die DBU auf Sendezeiten in Fernsehen und Rundfunk; und mit Planung, Durchführung und Auswertung des Pro- eben die Durchführung buddhistischen Religions- jekts. unterrichts an allgemeinbildenden Schulen in den zwölf Bundesländern, in denen der Religionsunter- Die 1955 als „Deutsche Buddhistische Gemeinschaft“ richt an öffentlichen Schulen durch Artikel 7 (3) des gegründete und 1958 in „Deutsche Buddhistische Union“ Grundgesetzes geregelt sind (siehe Abschnitt 3.). (DBU) umbenannte Dachorganisation buddhistischer Gruppen in Deutschland, der gemäß einer Zählung im • Die DBU Arbeitsgemeinschaft Unterricht (AG U) Jahre 2012 64 buddhistische Gemeinschaften mit ins- sammelt und erarbeitet bereits seit einigen Jah- gesamt 11.657 Mitgliedern sowie 2.675 Einzelmitglieder ren Unterrichtsentwürfe, Textbausteine und an- und 3.813 assoziierte Mitglieder angehören, vertritt alle dere Materialien zum Thema Buddhismus für den Haupttraditionen des Buddhismus in Deutschland. Seit Unterricht in den Fächern Ethik, LER (Lebenskun- Mitte des 20. Jahrhunderts kommen in Deutschland fast de, Ethik, Religion), Philosophie, Philosophie/Ethik, alle asiatischen Formen des Buddhismus neu zusammen. Praktische Philosophie sowie Werte und Normen Als nationaler Dachverband aller Buddhisten vereinigt und im Religionsunterricht an deutschen Schulen. die DBU die differenten Ausrichtungen des Buddhismus All diese Materialien stellt die AG U der Öffentlich- seitdem auf einer einenden Grundlage, die trotz der kul- keit kostenlos zur Verfügung. turell sehr unterschiedlich gewachsenen Traditionsrich- tungen allen buddhistischen Richtungen gemeinsam ist. • Im Zentrum des Studienprogrammes der DBU 1984 einigten sich die DBU-Mitglieder auf das „Buddhis- steht die Vermittlung des Buddhismus in sei- tische Bekenntnis“,2 das 2004 nochmals von mehr als 56 ner Vielfalt der Traditionen in Deutschland. Die Mitgliedsgemeinschaften neu verabschiedet wurde. Auf ReferentInnen dieses Studienprogrammes ent- Basis dieses gemeinsam entwickelten „Buddhistischen stammen repräsentativ den unterschiedlichen Bekenntnisses“ setzt sich die DBU heute unter anderem buddhistischen Traditionsrichtungen, welches für die Entwicklung eines authentischen Buddhismus somit in dieser Weise durchaus als ein Allleinstel- in Deutschland ein. Sie schafft einen organisatorischen lungsmerkmal dieses Ausbildungsprogrammes in Rahmen für den Austausch zwischen den einzelnen Mit- Deutschland zu bezeichnen ist. gliedern und ist Partner für den interreligiösen Dialog in Deutschland. Für die in dem vorliegenden Bericht enthaltenen Ergeb- nisse des Projekts „Buddhismus an deutschen Schulen“ Das Projekt „Buddhismus an deutschen Schulen“ zeichnen im Wesentlichen vier Mitglieder der AG U in- steht mit folgenden aktuellen Schwerpunkten der ge- nerhalb der DBU verantwortlich: Michael Gerhard, PD Dr. genwärtigen DBU-Arbeit inhaltlich in engem Zusam- Martin Ramstedt, Wilfried Silbernagel und Doris Wolter. menhang: Sie gehören verschiedenen buddhistischen Traditionen an und brachten unterschiedliche Expertisen in das Pro- • Die DBU bemüht sich seit 1985 um die Anerken- jekt ein. Beratend unterstützt wurden sie von Dr. Carola nung als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Roloff. Zu den wesentlichen Vorteilen einer solchen Aner- kennung gehören: Sonderregelungen im Arbeits- Michael Gerhard (Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Sozialrecht für Mitarbeiter der Religionsge- und Akademischer Rat am Philosophischen Seminar so- meinschaften; Erleichterung der buddhistischen wie Leiter des Studienbüros Philosophie/ Orientkunde/ „Seelsorge“ in Krankenhäusern, Heimen, Gefäng- Indologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, in nissen etc.; stärkerer Schutz buddhistischer Ein- dieser Kapazität zuständig für die Ausbildung von Ethik- 13
Buddhismus an deutschen Schulen lehrern in Buddhismus, Alumnus des Institute of Bud- dhist Dialectics in Dharamsala und des Manjushri Insti- tute for Buddhist Studies in Cumbria, Ratsmitglied der DBU und wissenschaftliche Begleitung des laufenden DBU-Projekts „Lehrmaterialien für einen Buddhismus- Unterricht an deutschen Schulen“) trug die letztendli- che Verantwortung für die wissenschaftliche Konzepti- on, Durchführung und Auswertung dieses Projekts. PD Dr. Martin Ramstedt (Privatdozent am Seminar für Ethnologie an der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg, Forschungsassoziierter an der Abteilung Recht und Ethnologie des Max-Planck-Instituts für © Universität Hamburg ethnologische Forschung in Halle/ Saale, Professor für Rechtsethnologie im Master-Programm „Rechtssozio- logie“ am International Institute for the Sociology of Law in Oñati, Spanien, Herausgeber der Buchreihe „Re- ligion and Society in Asia“ bei Amsterdam University Press, langjähriges Mitglied von Shambhala e.V. und des Shaolin-Tempels Berlin) war verantwortlich für die wis- Weiterbildung für Ethiklehrer, ehemalige Gymnasial- senschaftliche Abfassung des Projektabschlussberichts. lehrerin für Kunst und Deutsch in Berlin, verschiedene verlegerische und publizistische Tätigkeiten im Zu- Dr. Carola Roloff (buddhistische Nonne am Tibeti- sammenhang mit buddhistischen Themen, deutsche schen Zentrum e.V. Hamburg mit dem Ordensnamen: Repräsentantin der Khyentse Foundation) betreute die Jampa Tsedroen, leitende Wissenschaftlerin und ehe- empirische Erhebung der dem vorliegenden Bericht zu- malige Forum Humanum Gastprofessorin im Bereich grunde liegenden Daten sowie das Layout und wirkte Buddhismus mit den Schwerpunkten dialogische Theo- bei der Endredaktion mit. logie und Gender an der Akademie der Weltreligionen, Universität Hamburg, Mitglied der International As- Zu Herrn Silbernagels wichtigsten Gesprächspart- sociation of Buddhist Studies, Redaktionsmitglied des nern (Informanten) gehörten Werner Heidenreich (Leh- Journal of Buddhist Ethics und nominiertes Mitglied des rer für Buddhismus im Fach „Religion“ an der Interna- Governing Council der International Buddhist Confede- tionalen Friedenschule in Köln, langjähriger Zen- und ration, Delhi) begleitete vor allem Herrn Silbernagels Vipassana-Übender, Mitglied von Thich Nhat Hanhs Lai- empirische Erhebungen in Hamburg und steuerte für enorden „Intersein“, Gründer und ehemaliger Leiter des diese Studie wichtige Fakten bei. spirituellen Zentrums StadtRaum Köln und ehemaliges Ratsmitglied der DBU), Peter Kriesel (katholischer Theo- Wilfried Silbernagel – pensionierter Berufsschul- loge und ehemaliger Vorsitzender des Bundesverbands lehrer in Berlin und Mitglied von Triratna (vormals Ethik e.V.), Renate Noack (staatlich anerkannte Religi- „Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens“) – war onslehrerin für Buddhismus an Berliner Schulen), Dr. aufgrund seiner Vertrautheit mit der Entwicklung von Rainer Noack (Vorstand der Buddhistischen Gesellschaft schulischen Lehrplänen für die empirische Erhebung Berlin e.V.), Oliver Petersen (Magister der Tibetologie, sowie für ihre erste Auswertung zuständig. Religionswissenschaft und Philosophie, Übersetzer und Referent für Öffentlichkeitsarbeit am Tibetischen Doris Wolter (Konzeption und Koordination des Stu- Zentrum e.V. in Hamburg), Francesca Useli (Lehrerin für dienprogramms der DBU seit 2004, Koordination der AG Philosophie und Geschichte, ehemalige Mitverantwort- U seit 2009, Dozentin für Buddhismus in der Berliner liche für die Rahmenlehrplanentwicklung für das Fach 14
1. Einführung Ethik in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Ju- 1.1. „Religion“ in Deutschland gend und Wissenschaft), Dr. Gerhard Weil (Künstler und Grundschullehrer in Berlin-Kreuzberg, pensionierter In Deutschland herrscht grundsätzlich eine Trennung Seminardirektor für Ausländerfragen in der Berliner Se- von Staat und Religion. Es gibt keine Staatskirche, und natsschulverwaltung, später Lehrerbildner am Landes- die Religionsfreiheit ist in Artikel 4 des Grundgeset- institut für Schule und Medien Berlin sowie Referent zes als Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit für die Lehrerfortbildung im interkulturellen Bereich verankert. Die ungestörte Religionsausübung wird ge- und für Gewaltprävention) und Prof. Dr. Wolfram Weiße, währleistet, und niemand darf gegen sein Gewissen Direktor der Akademie der Weltreligionen, Universität zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden Hamburg. (Paragraf 1 - 4). Ein wichtiger Gesprächspartner PD Dr. Martin Ram- Es besteht jedoch andererseits das Verbot, jeman- stedts war der Mönch Tenzin Peljor von Bodhicharya den zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit Berlin. Unter den Teilnehmern des von ihm initiierten bzw. zur Teilnahme an einer religiösen Übung oder Be- und koordinierten informellen Arbeitskreises zu bud- nutzung einer religiösen Eidesform zu zwingen („Frei- dhistischer Philosophie, der auch für Nicht-Buddhisten heit von Religionszwang“; siehe Artikel 136 (4)). Zudem offen steht, befinden sich gleichfalls deutsche Akademi- ist niemand verpflichtet, seine religiöse Überzeugung kerInnen, die von aktuellen, für des Buddhismus-Studi- zu offenbaren. Die staatlichen Behörden haben nur um an deutschen Universitäten relevanten Entwicklun- soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Re- gen berichteten. ligionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete Die Durchführung des Projekts „Buddhismus an deut- statistische Erhebung dies erfordert (Paragraf 3). schen Schulen“ war mit einigen inhaltlichen und orga- nisatorischen Herausforderungen konfrontiert: Das bedeutet, dass bisher in staatlichen Erhebun- gen – zum Beispiel bei Feststellung einer Pflicht zur Ab- • der besonderen Beziehung zwischen dem deut- gabe einer Kirchensteuer – lediglich die Zugehörigkeit schen Staat und den traditionellen christlichen zu Religionsgemeinschaften abgefragt wird, die ent- Kirchen in Deutschland weder ein dem Völkerrecht unterliegendes Konkordat (wie die Katholische Kirche) oder einen Kirchenvertrag • dem sich auch auf die Organisation des Schulun- öffentlich-rechtlicher Natur mit dem deutschen Staat terrichts auswirkenden deutschen Föderalismus abgeschlossen haben (wie zum Beispiel die Evangeli- schen Landeskirchen Deutschlands). • einer innerhalb der deutschen Gesellschaft allge- mein vorhandenen großen Unkenntnis über die Inzwischen sind nicht mehr allein die Evangelischen Traditionen, Lehrinhalte und Organisationsformen Landeskirchen Körperschaften öffentlichen Rechts. Viele des Buddhismus, die einhergeht mit einem gene- andere, ursprünglich nicht in Deutschland vorhandene rellen positiven Bild des Buddhismus als Weltan- christliche Gemeinschaften haben mittlerweile eben- schauung und Glaubensgemeinschaft falls diesen Status erhalten. Als erste nicht-christliche Religionsgemeinschaft erlangte der Landesverband der • der mangelnden Integration zwischen asiatischen Jüdischen Gemeinden in Hessen 1986 die Anerkennung und deutschen Buddhisten als Körperschaft des öffentlichen Rechts.3 Um den Einfluss dieser Herausforderungen auf die All diese Entwicklungen lassen sich zunächst auf die Durchführung des Projekts einschätzen zu können, be- föderale Struktur des deutschen Staates zurückführen. darf es einer kurzen Einführung zum Verhältnis von Re- Sie trägt dazu bei, dass bisher nicht als Körperschaft des ligion und Staat bzw. Gesellschaft in Deutschland. öffentlichen Rechts anerkannte, überregional organi- 15
Buddhismus an deutschen Schulen sierte Religionsgemeinschaften einen gewissen Grad mittlerweile weit in der Bevölkerung verbreitet sind. an Fragmentierung erleiden, der es ihnen erschwert, die Gerade unter deutschstämmigen Anhängern buddhis- Voraussetzung für den Erhalt dieses Status zu erfüllen. tischer Traditionen ist aber eine gewisse Tendenz der Denn für die Verleihung des Körperschaftsstatus sind die Ablehnung institutionalisierter Religionszugehörigkeit Länder zuständig.4 Zum anderen zeichnet sich in diesen zu verspüren. Das bedeutet, dass viele von ihnen eine Entwicklungen eine allmählich fortschreitende staatli- formelle Mitgliedschaft in einer anerkannten buddhis- che und damit prospektiv auch kulturelle Anerkennung tischen Gemeinschaft ablehnen und somit die Zahl der nicht-christlicher Religionen in Deutschland ab. offiziell als „konfessionslos“ Geführten erhöhen. Mitglieder zahlreicher Religionsgemeinschaften Außerdem pflegen auch in Deutschland viele Men- in Deutschland, die nicht als Körperschaften des öf- schen nicht nur eine religiöse Identität und bestäti- fentlichen Rechts anerkannt sind – wie zum Beispiel gen damit einen weltweiten Trend. Denn auch unter alle buddhistischen Gemeinschaften in Deutschland, deutschstämmigen Buddhisten, die als Mitglieder einer einschließlich der von der DBU vertretenen Gruppen – in Deutschland anerkannten buddhistischen Gemein- gelten offiziell als „konfessionslos“.5 Im Gegensatz zu schaft mit Vereinsstatus registriert sind, kommt es vor, fowid gibt der Religionswissenschaftliche Medien- und dass einige parallel zu ihrer buddhistischen Mitglied- Informationsdienst e.V. (REMID) auch Auskunft über die schaft weiterhin Kirchensteuer zahlende Mitglieder in Mitgliederzahlen hinduistischer und buddhistischer Ge- einer in Deutschland traditionell verankerten christli- meinschaften. Die Anzahl der Buddhisten in Deutsch- chen Kirche bleiben, oder sich daneben noch zusätzlich land betrug im Jahre 2011 – dem Jahr der letzten von in einer islamischen Sufi-Gemeinschaft engagieren etc. REMID durchgeführten Erhebung – insgesamt 270.000 Menschen. 130.000 unter ihnen waren deutscher Ab- Diese oft diffuse, von den traditionellen buddhis- stammung, 60.000 vietnamesischer Abstammung und tischen Gruppierungen nicht immer oder unbedingt 40.000 thailändischer Abstammung. Weitere 40.000 legitimierte Verbreitung buddhistischer Ideen und Buddhisten kamen aus anderen Ländern Asiens.6 Viele Übungsformen macht eine fundierte, authentische von ihnen sind in buddhistischen Gemeinschaften or- und traditionsübergreifende Ausbildung von buddhis- ganisiert, die als gemeinnützige Vereine anerkannt sind. tischem Lehrpersonal für einen Buddhismus-Unterricht an deutschen Schulen unabdingbar. Die staatliche Anerkennung einer Religionsgemein- schaft als gemeinnütziger Verein ist viel schwächer, als 1.2. Religionsunterricht in Deutschland die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und bringt wesentlich weniger Rechte mit sich. Im Wesent- Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Religi- lichen erschöpfen sich Letztere in einigen Steuervor- onsunterricht an deutschen Schulen sind in erster Linie teilen. Die Mitglieder einer als gemeinnütziger Verein in Artikel 7 des Grundgesetzes verankert. Der Artikel anerkannten Religionsgemeinschaft werden außerdem besagt, dass das gesamte Schulsystem unter Aufsicht stets offiziell als „konfessionslos“ geführt. des Staates steht (Paragraf 1).7 Private Schulen, ein- schließlich religiöser Schulen, die als Ersatz für staatli- Es gilt jedoch zu bedenken, dass alle vorhandenen che Schulen gelten sollen, bedürfen der Genehmigung Statistiken, gleich ob mehr oder weniger detailliert, des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Eine nur Auskunft über eine formelle Mitgliedschaft bei ei- Genehmigung wird nur erteilt, wenn die entsprechen- ner entweder als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen oder aber als gemeinnütziger Verein anerkannten Re- sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehr- ligionsgemeinschaft geben. Sie sagen nichts über die kräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückste- tatsächlichen Überzeugungen und Handlungen der hen (Paragraf 4). betreffenden Einzelmitglieder aus. Sie lassen außer Acht, dass einige buddhistische Vorstellungen (Karma Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen und Mitgefühl bspw.) und Praktiken (Meditation bspw.) Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen 16
1. Einführung Den Erziehungsberechtigten steht es allerdings in jedem Fall frei, ihre Kinder vom Religionsunterricht befreien zu lassen (Paragraf 2). Alle Schülerinnen und Schüler gelten mit 14 Jahren als religionsmündig und können sich selbst vom Religionsunterricht abmelden. Das Recht auf Freiheit von Religion gilt auch für Leh- © Karen Kold Wagner rer. Das heißt, kein Lehrer darf gegen seinen Willen ver- pflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen (Para- graf 3). Körperorientierte Achtsamkeit in der Grundschule Die oben erwähnte föderale Struktur des deut- schen Staates sowie die großen kulturellen Unter- ordentliches Lehrfach und versetzungsrelevant. Der schiede zwischen den einzelnen Ländern wirken sich Staat kommt zudem weitgehend für die Personal- und auch auf das deutsche Schul- und Bildungssystem aus. Sachkosten auf. Unabhängig vom staatlichen Aufsichts- Jedes Bundesland hat aufgrund seiner Kulturhoheit recht wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung folglich seine eigenen Schulformen, Lehrpläne und mit Grundsätzen der Religionsgemeinschaften er- Ausbildungsordnungen für Lehrkräfte. In Berlin bei- teilt (Paragraf 3). In der Praxis bedeutet dies, dass die spielsweise ist der bekenntnisorientierte Religions- und römisch-katholische Kirche sowie die als Körperschaf- Weltanschauungsunterricht kein ordentliches Lehrfach ten des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsge- und wird von den entsprechenden Religions- bzw. Welt- meinschaften, wie die evangelischen Landeskirchen anschauungsgemeinschaften durchgeführt. Denn hier und die oben genannten jüdischen, islamischen und gilt die Bremer Klausel. Allerdings realisiert der Staat alevitischen Gemeinden, eine weitgehende Gestal- sein grundsätzliches Aufsichtsrecht, indem er von den tungsfreiheit bei der Formulierung der Ziele und Inhal- entsprechenden Lehrkräften „die Befähigung für ein te des Religionsunterrichts sowie ein Mitspracherecht Lehramt und eine Prüfung im Fach Religionslehre oder bei der Zertifizierung und Auswahl der Religionslehrer eine fachwissenschaftliches Studium an einer Hoch- haben. Allerdings besitzen nicht nur als Körperschaften schule oder eine vergleichbare Ausbildung“ einfor- des öffentlichen Rechts, sondern auch als gemeinnüt- dert.10 Dies ist auch in Hamburg der Fall. Lehrkräfte für zige Vereine anerkannte Religionsgemeinschaften das den in Hamburg entwickelten, in Deutschland einzig- Recht auf bekenntnisorientierten Religionsunterricht. artigen „Religionsunterricht für alle“ müssen das Erste Sie müssen jedoch in der Lage sein, einen Rahmenplan und Zweite Staatsexamen absolviert haben und eine für den Unterricht in ihrer Religion zu entwickeln. Die entsprechende Ausbildung als ReligionslehrerInnen11 Abhaltung eines bekenntnisorientierten Religionsunter- nachweisen. Im Rhein-Ruhr-Gebiet hat sich vielerorts richts erfordert eine Mindestanzahl von teilnehmenden eine pragmatische Organisation des Religionsunter- Schülerinnen und Schülern. richts durchgesetzt. Sie stimmt nicht unbedingt mit den bestehenden Bedingungen überein, da Letztere An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Artikel oftmals der Situation im Klassenzimmer nicht gerecht 7 (3) des Grundgesetzes zur Regelung des bekenntnisori- werden. entierten Religionsunterrichts an staatlichen Schulen in denjenigen Bundesländern, in denen am 1. Januar 1949 Im Zuge der wachsenden Säkularisierung und religiösen eine andere staatsrechtliche Regelung bestand, keine Diversifizierung der deutschen Gesellschaft folgt man Anwendung findet. Zu ihnen gehört neben Bremen inzwischen auch in Deutschland vermehrt dem Bei- und Brandenburg auch Berlin.8 Hier gilt Artikel 141 des spiel anderer europäischer Länder und arbeitet in eini- Grundgesetzes, die sogenannte „Bremer Klausel“. Sie gen Bundesländern, nicht zuletzt auf Basis der „Bremer schränkt den Anwendungsbereich von Artikel 7 (3) so- Klausel“ an Unterrichtsmodellen, in denen Themen zu weit ein, dass auch andere Religionsunterrichts-Modelle Ethik und Religionskunde aus interreligiöser bzw. über- möglich werden.9 konfessioneller Perspektive aufbereitet werden. 17
2. Ethik/LER/Philosophie/Werte und Normen- Unterricht in Deutschland In den meisten Bundesländern besteht seit den wesentliche Ideen der abendländischen Philosophie – 1970er Jahren auf Forderung der beiden großen Kir- zum Beispiel die Buddhismus-affine Philosophie Arthur chen Deutschlands für Schülerinnen und Schüler die Schopenhauers – in einen fruchtbaren interkulturellen Verpflichtung, einen Ersatzunterricht wahrzunehmen, Dialog eingebracht. wenn sie am Religionsunterricht nicht mehr teilnehmen wollen. Der Name dieses Ersatzunterrichts variiert von Der Ethik-Unterricht – unter welcher Fach-Bezeichnung Bundesland zu Bundesland: auch immer13 – dient in erster Linie der Vermittlung von Werten mit dem Ziel der Herausbildung ethischer Von Bundesland zu Bundesland unterscheidet sich Handlungsfähigkeit. Philosophie, Sozialwissenschaf- außerdem der Zeitpunkt, an dem der Ethik-Unterricht ten und Religionswissenschaften gelten als Bezugs- Ersatz- bzw. Wahlpflichtfach wird. Sechs der insgesamt wissenschaften des Fachs. Zu den im Unterricht behan- 16 Bundesländer bieten ethische Bildung ab der ersten delten Themen zählen Erwachsenwerden, Sinnfindung Klasse an. In den anderen Bundesländern findet Ethik- und Gerechtigkeit, aber eben auch die Glaubensinhal- Bundesland Name des Faches Status Baden-Württemberg Ethik Ersatzfach Bayern Ethik Ersatzfach Berlin Ethik Pflichtfach Brandenburg Lebensgestaltung-Ethik-Religion Pflichtfach Bremen Sekundarstufe I: Philosophie/ Ethik Ersatzfach / Wahlpflichtfach Sekundarstufe II: Philosophie Hamburg Philosophie Wahlpflichtfach Hessen Ethik Ersatzfach Mecklenburg-Vorpommern Philosophie Ersatzfach Niedersachsen Werte und Normen Ersatzfach Nordrhein- Westfalen Praktische Philosophie Wahlpflichtfach Rheinland-Pfalz Philosophie/ Ethik Ersatzfach / Wahlpflichtfach Saarland Allgemeine Ethik Ersatzfach Sachsen Ethik Wahlpflichtfach Sachsen-Anhalt Ethik-Unterricht Wahlpflichtfach Schleswig-Holstein Philosophie Ersatzfach / Wahlpflichtfach Thüringen Ethik Wahlpflichtfach Unterricht erst ab der Mittelstufe (Sekundarstufe I) oder te der verschiedenen Religionen. Der Fachverband der der Oberstufe (Sekundarstufe II) statt, so dass ein be- Ethiklehrkräfte betont dabei die interreligiöse und in- trächtlicher Teil deutscher Schüler nicht mit einer ethi- terkulturelle Toleranz und insbesondere den interkul- schen Bildungslehre in Berührung kommt.12 turellen Dialog. In Rahmen des Ethikunterrichtes kön- nen auch Kenntnisse über den Buddhismus vermittelt An einigen wenigen deutschen Gymnasien löst werden. ab der zehnten Klasse der Philosophie-Unterricht das Fach „Ethik“ ab. Auch hier kann der Buddhismus zu den Lehrinhalten gehören. Im Einklang mit den Emp- fehlungen der Kultusministerkonferenz werden hier 18
3. Buddhismus-Unterricht an deutschen Schulen Berlin ist bisher das einzige Bundesland, in dem an öffentlichen Schulen bekenntnisorientierter Buddhis- mus-Unterricht gegeben wird. An mehreren privaten Schulen in Deutschland gibt es jedoch Einzelinitiativen von Lehrkräften. Sie können aus eigenem Interesse Bud- © Archiv Buddhismus aktuell, Fotograf unbekannt dhismus an ihren Schulen unterrichten, da sie an den Privatschulen einen größeren Freiraum zur Eigenge- staltung genießen als dies an staatlichen Schulen der Fall ist. Allerdings werden an deutschen Schulen auch in anderen Fächern – vor allem im Ethik-Unterricht, aber auch in „Gesellschaftskunde/Politik“ – Kenntnisse über Buddhismus vermittelt. Die Rahmenpläne zum Ethik- Unterricht unterscheiden sich deutlich von Bundesland zu Bundesland. Auch die Buddhismus-Kenntnisse der- jenigen, welche die Rahmenpläne entwickeln, variieren in hohem Maße. Manchmal wird der Buddhismus als ein Teil des Hinduismus behandelt. Dies trägt der engen 3.1.1. Buddhismus im Religionsunterricht historischen Verbindung der beiden Religionen Rech- an Hamburger Schulen nung. Zugleich muss gewährleistet sein, dass im Un- terricht die philosophisch-theologischen Unterschiede Der evangelische Religionsunterricht war bis 2006 auf- zwischen den buddhistischen und hinduistischen Tra- grund der Gemeinsamen Erklärung der Schulbehörde ditionen herausgearbeitet werden. Hierzu würde sich der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evange- gerade auch der interreligiöse Dialog als didaktisches lisch-Lutherischen Landeskirchen vom 10.10.1964 auf Mittel sehr eignen. Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsun- terrichts der einzige rechtlich verankerte bekenntnisori- entierte Religionsunterricht an Hamburgs öffentlichen 3.1. Buddhismus-Unterricht im Fach „Religion“ Schulen. Die Erklärung sah den bekenntnisorientierten, Während in Berlin14 der bekenntnisorientierte Religions- evangelisch-lutherischen Religionsunterricht in der ers- unterricht unter Artikel 141 des Grundgesetzes fällt und ten und zweiten Klasse als Teil des Gesamtunterrichts. deshalb dort die Bereitstellung des Religionsunterrichts Ab der dritten bis zur zehnten Klasse bestand Anspruch an öffentlichen Schulen in der Verantwortung der auf einen evangelischen Religionsunterricht mit zwei betreffenden Religionsgemeinschaften liegt, bilden bzw. drei Wochenstunden. In der elften Klasse der gym- die Rechtsgrundlage in Hamburg für jeden bekennt- nasialen Oberstufe waren ebenfalls zwei Wochenstun- nisorientierten Religionsunterricht an den öffentli- den evangelischen Religionsunterrichts vorgeschrieben. chen Schulen der Stadt die zwischen 2006 und 2014 Ab der neunten Klasse erfolgte der staatlichen Regelung geschlossenen Staatsverträge mit der Evangelisch- zufolge die Einführung der Benotung der im evangeli- Lutherischen Kirche, der Römisch-Katholischen Kirche, schen Religionsunterricht erbrachten Leistungen. Ab der der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, den Aleviten, neunten bis einschließlich der elften Klasse konnten die einigen islamischen Moscheevereinen der Stadt sowie Schülerinnen und Schüler alternativ zum evangelischen der Ahmadiyya-Gemeinde (Ahmadiyya Muslim Jamaat). Religionsunterricht das Fach Ethik wählen. In der Qua- Demnach haben sich in den beiden Stadtstaaten recht lifikationsphase des Gymnasiums mussten entweder unterschiedliche Modelle für den Religionsunterricht zwei Grundkurse Religion oder alternativ zwei Grund- entwickelt. kurse Philosophie belegt werden.15 Dieses Religionsunterrichtsmodell entsprach zum Zeitpunkt seines Entstehens der Hamburger Bevöl- kerungsstruktur. Damals waren tatsächlich 90% aller 19
Buddhismus an deutschen Schulen Während rund 10% der Römisch-Katholischen Kirche angehören, sind etwa 3% der Gesamtbevölkerung Mit- glied in einer anderen christlichen Kirche. Schätzungs- weise 7-10% gehören einer islamischen Gemeinschaft an, wobei der muslimische Anteil in der Schülerschaft viel höher ist. Mehr als 40% aller Hamburger gehören keiner institutionalisierten Religion an. Um die 46% al- ler Schülerinnen und Schüler Hamburgs haben einen Migrationshintergrund und wachsen zum Teil bei Eltern unterschiedlicher nationaler, ethnischer, sprachlicher, kultureller und religiöser Herkunft auf. Die Durchfüh- rung eines nach Konfessionen getrennten Religions- © Werner Heidenreich unterrichts an Hamburgs öffentlichen Schulen stellte sich zunehmend als organisatorisch nicht umsetzbar heraus.17 Auf Anregung von Prof. Dr. Olaf Schumann wurde in den 1980er Jahren am Fachbereich Evangelische Theo- Hamburger Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen logie der Universität Hamburg18 der „Arbeitskreis In- Kirche. Nur fünf Prozent der Bevölkerung gehörten terreligiöser Dialog“ gegründet und in Folge 1995 am der Römisch-Katholischen Kirche an, und die jüdische Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche der Bevölkerung war nach dem Holocaust stark dezimiert. „Gesprächskreis Interreligiöser Religionsunterricht in Darüber hinaus gab es nur eine verschwindende Anzahl Hamburg“ (GIR) ins Leben gerufen. Bereits 1993 hatten von Angehörigen anderer Weltreligionen. Die Römisch- Hamburgs evangelische ReligionslehrerInnen ein Me- Katholische Kirche konzentrierte sich zudem auf ein morandum verabschiedet, in dem sie sich konsequent dichtes Netz an römisch-katholischen Privatschulen für die interreligiöse Öffnung des Unterrichts eingesetzt in Hamburg und erachtete römisch-katholischen Reli- hatten. Dem GIR gehörten von Anfang an Mitglieder gionsunterricht an öffentlichen Schulen für nicht not- verschiedener evangelischer Kirchen, Geshe Thubten wendig. Jüdischen Religionsunterricht wurde zum da- Ngawang und Oliver Petersen für das Tibetische Zent- maligen Zeitpunkt nicht angeboten. rum e.V. (das bereits seit 1984 offiziell beim Interreligiö- sen Dialog in Hamburg vertreten war), Vertreter der seit Diese demographische Zusammensetzung begann 1929 bestehenden Buddhistischen Gesellschaft Ham- sich in den 1970er Jahren mit Zuzug von MigrantInnen burg e.V.,19 Repräsentanten der Bahai’i sowie Vertreter aus aller Welt zu verändern. Ihre Kinder nahmen im der jüdischen, muslimischen und alevitischen Bevölke- Allgemeinen mit Einverständnis der Eltern am evange- rung Hamburgs. In den kommenden Jahren kamen auch lischen Religionsunterricht mit teil. Als in den 1980er Vertreter hinduistischer Gruppen hinzu. Aus der Arbeit Jahren die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit „frem- des GIR, welche große Unterstützung durch die dama- dem“ kulturellem und religiösem Hintergrund im evan- lige Hamburger Schulsenatorin Rosemarie Raab fand, gelischen Religionsunterricht deutlich zunahm, wurde ging schließlich die Konzeption eines Rahmenplans für innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen eine „Religionsunterricht für alle“ (RUfa) hervor.20 1999 Kirche von religionspädagogischer Seite über einen di- nahm die Behörde für Schule und Berufsbildung den alogisch, in Kooperation mit dem Fach „Ethik“ angeleg- Rahmenplan einstimmig – mit einer Enthaltung – an. ten Religionsunterricht nachgedacht.16 Seitdem ist RUfa in Hamburg Pflichtfach, unbeschadet des Rechts, aus dem Religionsunterricht auszutreten Heute gibt es in Hamburg 106 anerkannte Religi- oder ab der neunten Klasse das Fach „Ethik“ bzw. ab der onsgemeinschaften und nur noch 33% der Bevölkerung 12. Klasse Gymnasium das Fach „Philosophie“ wählen zu sind Mitglieder der Evangelisch-Lutherschen Kirche. können.21 20
3. Buddhismus-Unterricht an deutschen Schulen Seit Ende 1998 wurde das RUfa-Konzept besonders Die 2005 sowohl mit der Evangelisch-Lutherischen von der Partei Bündnis 90/Die Grünen als ein wertvol- als auch der Römisch-Katholischen Kirche abgeschlosse- ler „Bestandteil interkulturellen Lernens“ herausgestellt, nen Staatsverträge stellten RUfa erneut zur Diskussion. und auf einem Bildungsparteitag der SPD im Jahre 2002 Die Römisch-Katholische Kirche erklärte, dass nun nicht setzte sich die damals die Regierungsverantwortung nur an den 21 römisch-katholischen Privatschulen, son- tragende Partei nachdrücklich für RUfa ein.22 Im selben dern auch an einigen öffentlichen Schulen römisch-ka- Jahr strengte die Nordelbische Evangelisch-Lutherische tholischer Religionsunterricht angeboten werden solle. Kirche ein verfassungsrechtliches Gutachten (Christoph Sie wolle jedoch dem RUfa in evangelisch-lutherischer Link) 23 an, um die Verfassungskonformität des Hambur- Verantwortung dadurch keinen Schaden zufügen. Außer ger Modells zu überprüfen. Dieses Gutachten bestätig- der Teilnahme an einem separaten konfessionellen Re- te, dass der von der Evangelisch-Lutherischen Kirche zu ligionsunterricht in einigen öffentlichen Schulen Ham- verantwortende Religionsunterricht auch Positionen burgs bot die Römisch-Katholische Kirche Schülerinnen anderer Konfessionen bzw. Religionen authentisch und Schülern auch die Möglichkeit eines außerschuli- wiedergeben dürfe. Darüber hinaus sei es verfassungs- schen Religionsunterrichts. Für jüdische Schülerinnen rechtlich ebenfalls möglich, Lehrkräfte anderer Religi- und Schüler bestand ebenfalls die Möglichkeit, am onsgemeinschaften mit entsprechender Qualifikation außerschulischen Religionsunterricht der Jüdischen wenigstens phasenweise Religionsunterricht erteilen Gemeinde teilzunehmen. Die Vertreter der islamischen zu lassen, wenn nur die didaktische Verantwortung für Verbände unterstützten ihrerseits weiterhin das RUfa- diesen Unterricht in der Hand evangelischer Religions- Modell.27 lehrerInnen verbliebe.24 2007 schloss die Jüdische Gemeinde in Hamburg28 Einer im Jahre 2003 durchgeführten Untersuchung mit der Stadt einen Staatsvertrag. 2012 folgten sowohl zum Religionsunterricht an Hamburgs Schulen zufol- die alevitischen Gemeinde29 als auch der türkisch-isla- ge bevorzugten 85% aller Befragten das RUfa-Konzept. mische Moscheeverein DITIB in Hamburg,30 der Dach- All diese Entwicklungen mündeten schließlich 2004 verband Hamburger Moscheevereine Schura31 und der in eine Verabschiedung neuer Rahmenpläne für den Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ)32 in Hamburg. Religionsunterricht mit dem Ziel, bei den Schülerinnen Daraufhin bekundeten die als Körperschaft des öffent- und Schülern eine „religiöse Kompetenz“ zu entwickeln, lichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften die unter anderem die Fähigkeiten mit einschließt, Hamburgs in Abstimmung mit der Evangelisch-Luthe- „Grunderzählungen, ethische Weisungen, Riten und rischen Kirche ein gemeinsames Interesse an der Wei- Überzeugungen von Religionen und Weltanschauun- terentwicklung des RUfa-Modells nach Maßgabe Artikel gen in ihrem Aussagegehalt und entsprechend ihrem 7 (3) des Grundgesetzes. Gemeinsam angestrebt wurde Selbstverständnis zu verstehen und zu würdigen“ sowie nun eine im verfassungsrechtlichen Sinne gleichberech- „mit Menschen anderer religiöser bzw. weltanschauli- tigte Verteilung der Verantwortung für RUfa.33 cher Überzeugung respektvoll und kritisch-akzeptie- rend umzugehen“.25 Seit 2013 entwickelt nun die Schulbehörde in Zu- sammenarbeit mit den als Körperschaften öffentlichen In der Hamburger Bürgerschaftswahl von 2004 er- Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften mit Aus- zielte die Partei CDU die absolute Mehrheit und blieb bis nahme der Römisch-Katholischen Kirche, die an diesem zur Bürgerschaftswahl von 2011 an der Regierung. Hin- Prozess nicht teilnimmt, ein Modell unter dem Dach von sichtlich des RUfa teilte sich die Parteimeinung in zwei Artikel 7 (3) des Grundgesetzes. Dieses Modell sieht vor, Lager. Auf Landesebene wurde ein allgemein-christlicher dass der Religionsunterricht nicht mehr ausschließlich Religionsunterricht bevorzugt, während die CDU-Bür- von der evangelischen Nordkirche, sondern von allen gerschaftsfraktionen mehrheitlich für den RUfa waren. anerkannten Religionsgemeinschaften gleichberech- 2005 sprachen sich 85% aller Religionslehrer für den tigt verantwortet wird, so dass Hamburgs Schülerinnen „Religionsunterricht für alle“ aus und nur 9% für eine und Schüler weiterhin im Klassenverband unterrichtet neutrale Religionskunde oder einen Ethik-Unterricht.26 werden können. Die Reform des RUfa-Models beinhal- 21
Buddhismus an deutschen Schulen tet, dass es nunmehr nicht mehr ausschließlich evan- auch die Unterschiede zwischen den Religionen the- gelischen Religionslehrkräften, sondern auch jüdischen, matisiert. muslimischen und alevitischen ReligionslehrerInnen erlaubt sein solle, das Fach zu unterrichten (siehe Ab- Auch wird seit 2012 von der Akademie der Weltre- schnitt 3.1.). Zur religionspädagogischen Unterstützung ligionen, dem Pädagogisch-Theologischen Institut und und Qualifizierung der zukünftigen Lehrkräfte wurde an dem Landesinstitut für Lehrerfortbildung ein gemeinsa- der Akademie der Weltreligionen der Universität Ham- mes, auf insgesamt zehn Bände angelegtes Unterrichts- burg ein Lehramtsstudiengang für den dialogischen material im Kösel-Verlag herausgegeben. Davon sind Religionsunterricht in multireligiösen Schulklassen vier Bände bereits erschienen. An allen vier Bänden (Wer aufgebaut.34 bin ich? Wer bist Du? Unterrichtsmaterialien für die Grundschule – ID1: Interreligiös-dialogisches Lernen;40 Den bisher nicht aufgrund von Staatsverträgen mit Für eine gerechte Welt – Prophetinnen, Propheten und der Stadt Hamburg zur Teilhabe an der Verantwortung wir: Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe – ID5: für die Weiterentwicklung des RUfa berechtigten Reli- Interreligiös-dialogisches Lernen;41 glauben, vertrauen, gionsgemeinschaften, wie den von den Anfang an am zweifeln: Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe interreligiösen Dialog in der Stadt mitwirkenden Bud- – ID6: Interreligiös-dialogisches Lernen;42 Sterben und dhisten – in Hamburg gibt es rund 50 buddhistische Tod – Was wird einmal? Unterrichtsmaterialien für die Gemeinschaften, die erste buddhistische Vereinigung Grundschule – ID 2: Interreligiös-dialogisches Lernen43) der Stadt wurde bereits 1906 gegründet35 und auch arbeitete auch Oliver Petersen vom Tibetischen Zent- den Hinduisten und Bahai’i, versicherte man, sie in die rum e.V. Hamburg mit. internen Beratungen mit einzubeziehen.36 Die Vertre- ter der buddhistischen Gemeinschaften Hamburgs Der interreligiöse Charakter des Hamburger Religi- wurden jedoch nach Aussagen Dr. Carola Roloffs zu- onsunterrichtsmodells kommt gleichfalls in den Zulas- mindest teilweise nicht mehr eingeladen und fühlten sungsvoraussetzungen der Lehrkräfte zum Tragen. Zu- sich dadurch deutlich benachteiligt.37 Ähnlich erging es gelassen sind ausschließlich ausgebildete LehrerInnen auch den Vertretern der Hindus und Sikhs. Um wieder mit Zweitem Staatsexamen für mindestens zwei Fächer Zugang zu den entsprechenden Gremien zu erhalten, und einer Zugehörigkeit bei einer der in Hamburg aner- gibt es seit Frühjahr 2014 gemeinsame Bemühungen kannten Religionstraditionen. Es ist also eine Vokation seitens Hamburgs buddhistischer, hinduistischer und erforderlich. Geistliche sind nur zugelassen, wenn sie Sikh-Gemeinschaften um einen Staatsvertrag wie ihn das Zweite Staatsexamen absolviert haben. Die be- bereits 2012 die Muslime und Aleviten und 2014 auch sagten Lehrkräfte müssen zuzüglich zu ihrem Zweiten die Ahmadiyya-Gemeinde abgeschlossen hatten.38 Erste Staatsexamen entweder ein anerkanntes theologisches Gespräche mit dem Hamburger Senat und der Hambur- Studium durchlaufen oder eine Zusatzqualifizierung ger Schulbehörde wurden im Mai 2015 aufgenommen.39 durch Teilnahme an Kursen erworben haben, in denen unter Beteiligung von Experten aus den verschiedenen Seit Beginn des Schuljahres 2014/15 werden an anerkannten Religionsgemeinschaften den interreligiö- zwei öffentlichen Schulen Hamburgs die Lehrinhalte sen Dialog betreffendes Wissen vermittelt wird. des Religionsunterrichts gleichberechtigt von der Jüdi- schen Gemeinde in Hamburg, der Evangelisch-Lutheri- 3.1.2. Buddhismus im Religionsunterricht an schen Nordkirche, den muslimischen Vereinen und der Berliner Schulen alevitischen Gemeinde verantwortet. Der Lehrplan für diesen Unterricht sieht die Diskussion allgemeiner Le- Auf der Basis der „Bremer Klausel“ ist der Religions- bensthemen wie die Suche nach dem Sinn des Lebens unterricht in Berlin grundsätzlich freiwillig. Insgesamt oder den Umgang mit unserer Sterblichkeit vor. Diese bieten neun Religions- und Weltanschauungsgemein- Themen sollen aus Sicht der verschiedenen Religionen schaften44 an den öffentlichen Schulen einen nach beleuchtet werden. Der Dialog zwischen den Religio- Konfessionen getrennten, bekenntnisorientierten Reli- nen steht dabei im Vordergrund. Gleichzeitig werden gionsunterricht an, an denen bei Eltern und/ oder bei 22
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